Lockeres Denken - Loose Thinking

Page 1

Lockeres Denken Loose Thinking 21.– 30.8.’15

Bachelor- und Diplomausstellung Institut Kunst HGK FHNW im Kunsthaus Baselland

Kunsthaus Baselland St. Jakob-Strasse 170 CH-4132 Muttenz WWW.kunsthausbaselland.ch Öffnungszeiten: Di, Do bis So 11–17 Uhr Mi 14–20 Uhr

Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW Hochschule für Gestaltung und Kunst Institut Kunst Freilager-Platz 1 CH-4023 Basel WWW.fhnw.ch/hgk/iku WWW.institut-kunst.ch


Lockeres Denken – Loose Thinking


Bachelor- und Diplomausstellung 2015 Institut Kunst HGK FHNW Kuratiert von Chus Martínez und Ines Goldbach Diplomjahrgang: Vera Bruggmann Denise Fonjallaz Carla Céline Geissberger Azumi Goya Mario Grossert Silas Heizmann Jorim Huber Caroline Keller Sonja Lippuner Julia Minnig & Jelena Nikolić Martin Pedersen Gabriel Salgado Jérémie Sarbach & Flurina Badel Manuel Schneider Tobija Stuker Hanes Sturzenegger Tanja Weidmann Elisabeth Zeller


Es gibt selten die Gelegenheit, Teil

So wünsche ich mir vor allem zwei

eines künstlerischen Prozesses zu werden, der weder

Dinge für diese Ausstellung im Kunsthaus Baselland.

gesichert noch abgeschlossen ist, ja, der auch scheitern

Dass die Künstlerinnen und Künstler selbst ihre Arbeiten

kann und darf. Die Ausstellung «Lockeres Denken – Loo-

neu sehen lernen und auf ihr Potenzial hin befragen

se Thinking» im Kunsthaus Baselland ist daher eine

können. Nun, da das Umfeld sich geändert hat, da Platz

Chance. Eine Chance für diejenigen, die ausstellen, für die und Raum anstelle von Überlagerung innerhalb eines Institution selbst, aber auch und gerade für diejenigen,

Hochschulalltags getreten sind, sind auch die Möglichkei-

die sich als Besucher darauf einlassen. Denn «Lockeres

ten gegeben, mit dem neuen Gegenüber, der Öffentlich-

Denken» kommt einem Versprechen gleich. Für einmal

keit, eben dieses Gespräch über die Arbeiten und das

wird nicht einer festen Form und Formulierung nachge-

eigene Schaffen zu führen. So werden einige Werke und

gangen, wird nicht allein dem Fertigen, Gesetzten, der

Ideen wohl fortgeführt, manches wird aber auch verwor-

Behauptung Platz gegeben, sondern gerade dem noch

fen werden, aber es werden sich mit Sicherheit eben auch

nicht Fertigen –, und somit auch der Möglichkeit zu

neue Kriterien herausbilden können.

scheitern.

Der zweite Wunsch ist, dass wir als Die Ausstellung vereint rund sechzig

Besucher diese Chance aufgreifen und uns für einmal in

Studierende, die im ersten, zweiten und dritten Bachelor- das im Entstehen Begriffene einlassen. Nicht die Frage, jahrgang stehen. Rund zwanzig von ihnen schliessen mit

was es sein könnte, ist dabei entscheidend, oder ob es in

den hier gezeigten Arbeiten ihr Studium ab. Die meisten

unseren Augen gut ist oder schlecht, sondern was es für

aber befinden sich noch mittendrin, respektive sind ganz

uns bereithalten könnte.

am Anfang ihrer Ausbildung. Für mich stellte sich mit der Anfrage für diese Kooperation vonseiten der Leitung des

Alle Teilnehmer und Teilnehmerinnen der Ausstellung stehen innerhalb ihres Studiums, aber

Instituts Kunst der Hochschule für Gestaltung und Kunst das Künstlersein bindet sich bekanntermassen nicht an FHNW, Chus Martínez, die Frage, ob ein solches

Ausbildung und Semester, sondern ist bereits zuvor

An-die-Öffentlichkeit-Gehen in einem derart sensiblen

angelegt. Bei dem einen mehr, bei dem anderen weniger.

Moment der künstlerischen Ausbildung beziehungsweise

Lassen wir uns also überraschen von dem Privileg, für

des künstlerischen Werdens richtig ist. Ist es für die

einmal das Kunsthaus gewandelt in einen Ort vorzufin-

Teilnehmer eine Chance innerhalb ihrer aktuellen Frage-

den, an dem vieles sichtbar, aber eben auch vieles im

stellung oder stellt es gar einen Druck im falschen Mo-

Entstehen begriffen ist – und wir alle eine Vielzahl an

ment dar? Wird der eine oder andere Besucher nicht

besonderen Momenten und Erfahrungen für uns mitneh-

vorschnell urteilen über eine Arbeit, die sich als scheinbar men können. fertig gibt und doch mitten im Prozess steht? Sobald der Künstler oder die Künstlerin mit seinem und ihrem Werk das private Umfeld des Ateliers verlässt, tritt er respektive sie in die Öffentlichkeit und ist dieser ausgesetzt. Man wird Kritik oder Lob erfahren, manchmal beides, wird sich aber auch mit anderen Kollegen, jünger oder älter, und Kulturschaffenden erstmals in dieser Art austauschen können. Vor allem aber wird die Arbeit selbst in dem neuen, noch unbekannten Umfeld einer Institution mit neuen Nachbarschaften von Werken anderer betrachtet werden können und somit vielleicht zum ersten Mal auch vom Künstler oder der Künstlerin «richtig» gesehen. Eben das kann ein Versprechen sein – die eigene Arbeit richtig sehen zu können, unabhängig vom Stadium des jeweiligen Werks.

Ines Goldbach Direktorin Kunsthaus Baselland


Ich möchte betonen: Immer, wenn wir darauf stolz sind, eine neue, strengere Art zu denken gefunden zu haben, oder zu präsentieren; immer, wenn wir beginnen, zu sehr auf Funktionalismus oder Symbollogik oder sonst eines dieser sehr wesentlichen öffentlichen Schienennetzwerke zu beharren, verlieren wir etwas von der Fähigkeit, neuartige Gedanken zu denken. Und immer, wenn wir gegen die sterile Strenge formalen Denkens und Zeigens rebellieren und unseren Gedanken erlauben, unkontrolliert in der Gegend herumzurennen, verlieren wir natürlich auch. So wie ich es sehe, kommen Fortschritte im wissenschaftlichen Denken aus einer Kombination aus lockerem und strengem Denken, und diese Kombination ist das kostbarste Werkzeug überhaupt für die Wissenschaft. Meine mystische Auffassung von Phänomenen hat dazu beigetragen, eine Gewohnheit der denkerischen Dopplung aufzubauen. Ich nahm wilde Vermutungen ernst, zwang mich aber dazu, sie unter formalen Gesichtspunkten genau zu denken. Die Methode förderte wildes Denken, nur um es sofort einer rigiden Konkretion anzumessen. Entscheidend ist, dass die erste Mutmassung ungebremst agiert, aber sobald ich beginne, die Analogie auszuarbeiten, bekomme ich es mit den strengen Formulierungen der Sparte zu tun, aus der ich die Analogie entnehme. Gregory Bateson: Experiments in Thinking About Observed Ethnological Material (Experimente im Denken über ethnologische Beobachtungen)


Lockeres Denken ist der Titel

Dies ist eine ungewöhnliche Ausstellung. Sie konfrontiert das Publikum mit den Arbeiten von unge-

der Ausstellung. Der wissenschaftliche Terminus wurde vom

fähr zwanzig Studierenden, die dieses Jahr ihren Abschluss

Anthropologen und Philosophen Gregory Bateson geprägt.

machen und ungefähr vierzig, die noch im ersten oder

Bateson war einer der ersten, der über die Bedeutung des

zweiten Jahr ihres Bachelor-Studiums sind. Das Diplom

Lockeren nachdachte, über Impulse und Energien, die nicht

kennzeichnet ein Kunstwerk, das einem Publikum vorgestellt gerichtet, geplant und in Strategien integriert, sondern wird und den Beginn des künstlerischen Lebens

gelebt werden. Ohne diese Energien wäre Denken – und

markiert. Dieses alte Ritual ist von grundlegender Bedeu-

noch wichtiger: innovatives Denken – nicht möglich. Zu

tung: Es ist der Moment, in dem Werk und Betrachter sich

lernen, wie dieses Spiel unsere Intelligenz und unsere

gleichzeitig in einer öffentlichen Kunstinstitution wiederfin-

Weltauffassungen beeinflusst, braucht Risikobereitschaft.

den. Die Ausstellung derer, die abgeschlossen haben,

Kunst ist nicht die einzige Disziplin, in der solche Ideen

auszuweiten auf die, die sich noch im Studium befinden, gibt ständig präsent sind. Aber sie ist auf jeden Fall diejenige allen die Gelegenheit, ihre Aufgabe als Künstler vorauszuah-

Sparte, die ein aufrichtiges Interesse an konstanter Zu-

nen. Kunst ist nicht nur dazu da, zu gefallen oder mit

kunftsforschung an den Tag legt: Wie wird sich die Bezie-

Stoffen zu üben auf Weisen, die der Funktionalität wider-

hung zwischen dem Möglichen und der Erwartung gestal-

sprechen. Sie erinnert uns auch daran, wie wir uns selbst

ten? Die Ausstellung im Kunsthaus

anders wahrnehmen, indem wir die Welt anders sehen.

Keine gemeinsame Eigenschaft eint diese Baselland bietet Ihnen die Möglichkeit einer noch nie Werke, und doch: Was alle zusammenhält, ist eine Energie,

dagewesenen Nähe zur Arbeit. Der Grund sind die unter-

gerichtet auf ein komplexes Verständnis des Selbst und sein schiedlichen Stadien der Arbeiten der Künstlerinnen und Funktionieren. Ein traditionelles Verständnis des Selbst

Künstler, die wir hier präsentieren. Es werden Ihnen Gedan-

kommt nicht mehr mit der durch Medien unausweichlich

kenwege, Arbeitsmethoden, das Geschick oder Ungeschick

gewordenen Grösse der Welt zurecht – hier wird also

und vielleicht sogar die Irrelevanz von Können auffallen. Das

instinktiv Forschung betrieben. In der ganzen Ausstellung

ist nicht nur kein Problem, es erzeugt einen neuen Raum,

werden Sie dem Selbst und dem Absurden begegnen, dem

auch für die Besuchenden, um eine neue Art der Kunstbe-

Selbst und der Form, dem Selbst und der Strasse, dem

trachtung zu trainieren.

Selbst und den Medien, dem Selbst und dem Nichts, dem

Wir können von diesen Arbeiten so viel

Selbst und dem Surrealen, dem Selbst und der Hand, dem

lernen! Sie sind noch im Werden, sie liegen offen, und das

Selbst und der Technologie … Sie fragen sich vielleicht, ist

provoziert. Mit anderen Worten, diese Ausstellung ist ein

das ein gestelltes Thema? Ein Zufall? Es ist kein Thema,

sehr aktives Feld. Sie prüft Logik. Nehmen Sie zum Beispiel

denn es ist nicht ein Motiv unter anderen Motiven, sondern

die Installation von Partituren und kleinen Skulpturen, die

der Versuch zu verstehen, wie das Spiel, das zwischen

auf der Möglichkeit beruhen, in mutigen Köpfen Musik zu

unserem Bewusstsein (dem Selbst) und dem Sozialen läuft,

spielen. Die Serie von Holzfingern, die zur Decke zeigen als

sich radikal verändert hat. Auch, wie diese Verwandlung

würden sie darauf warten, den Touchscreen eines riesigen

nicht nur unsere Gewohnheiten, sondern auch unsere

Mobiltelefons zu bedienen, wer weiss ...; oder eine Serie von

Gefühle verändert. Kunst bietet ein Feld, auf dem wir

kleinen Malereien und ein Video, das von der Erfahrung

untersuchen und besser verstehen können, was das bedeu-

berichtet, als Austauschstudent hier zu leben, von Liebe und

tet. Von Selfies über Social Media, körperliche Gewalt und

Freundschaft und wie alles den Körper transformiert; oder

Mobbing, alle Arten von Bedrängnis bis zur Isolation: In

ein Tisch voller Kacheln aus Karton, mit blassrosa Staub

letzter Zeit haben wir vielfach erlebt, wie Protokolle, Normen bedeckt, die eine Luftaufnahme der Stadt suggerieren oder und Regeln die Regie übernahmen und unser Denken

eine Welt, die beängstigend uniform wird, langweilig; oder

beeinflussten. Wir sind streng geworden.

die Dekonstruktion unserer täglichen urbanen Umwelt in einer Gemäldereihe, die sie „de-repräsentiert“; oder ein Video eines Pärchenscans. Kann man Liebe scannen? Gefühle? Die Werke versetzen uns in die verschiedensten Situationen, und es lohnt die Mühe, sich selbst in diesen ästhetischen, materiellen und konzeptuellen Szenarien anzusiedeln.


Aus irgendeinem Grund nehmen wir das

Namen von ästhetischer Gleichberechtigung darstellt,

Leben über Funktion und Arbeit stärker wahr als durch

sondern umgekehrt zum Ziel hat, vorherrschende Geschmä-

andere Aspekte wie unserem Gender, unserem Ort oder

cker zu fixieren und zu vertiefen. In Wirklichkeit geben nur

unserer Neugier für das Leben anderer. Vermutlich ist das

Ausstellungen – und insbesondere Ausstellungen von

genau der Grund, warum diese Parameter jenseits der Arbeit zeitgenössischer Kunst – die Gelegenheit, den Blick zwian Bedeutung gewinnen, da das Lebensverständnis, das sie

schen Alt und Neu, Vergangenheit und Gegenwart zu

liefern, nicht auf die selben paar instrumentellen Parameter

differenzieren. Ausstellungen wie diese erinnern an alle

reduziert werden kann. Die Spannung zwischen arbeitsorien- anderen Ausstellungen, die man im Leben gesehen hat. tierter Weltsicht und Teilen des Lebens jenseits der Arbeit

Ausstellungen sind Gedächtnislager, sie speichern die Bilder

steigt. „Revolution“, wenn man diesen Terminus verwenden

und Gegenstände, die unsere Auffassung von Kunst bevöl-

möchte, ist nicht die Energie, die wir in Kämpfe gegen den

kern und konstituieren. Und so können nur neue Ausstellun-

„Patron“ oder gegen die Logik der Ökonomie stecken,

gen dieses Gedächtnis reaktivieren und mit der Aktualität

sondern zunehmend auch die kollektive Energie, die in die

der ausgestellten Werke unser Kunstbild kitzeln und modifi-

Produktion neuer Realitäten eingeht. In Realitäten, die sich

zieren. So ist jede neue Ausstellung der Ort eines zwar

nicht so leicht den älteren anpassen lassen. Die Revolution

persönlichen, aber systematisch historischen Vergleichs, der

von morgen wird kein Aufstand sein, sondern eine grosse

uns erlaubt, mit eigenen Augen zu sehen, was wirklich anders,

Anzahl von Menschen, die ihr Geschlecht selbst definiert,

neu und zeitgenössisch ist.

was komplexere und intensivere Netzwerke erzeugt, die sich

Während die Massenmedien andauernd

auf Natur und Technologie in einer eher psychologischen

ihren Anspruch erneuern und den Zuschauer mit verschiede-

und weniger werkzeughaften Art beziehen ... Ein Loch

nen grundsätzlichen, provokativen, wahren und authenti-

in Gewohnheiten zu schaffen bedeutet Innovation.

schen Arten von Kunst konfrontieren, ist das Institut Kunst

Es ist so radikal und neu, dass es uns ein wenig erschreckt.

zuallererst ein Ort, an dem gelernt wird dieser Diktatur des

Um uns vorzubereiten, um zu trainieren, haben wir die

Geschmacks durch gegenwärtig herrschende Medien zu

Kunst.

widerstehen. Das Institut Kunst ist ein Labor zur EntwickAber diese Ausstellung ist nicht bloss

eine weitere relevante, öffentliche und hoffentlich sehens-

lung neuer Neuheiten. Zu sehen, was vor uns liegt, ist eine komplexe Erfahrung.

werte Gelegenheit, all diese Ideen zu testen. Sie ist auch der perfekte Ort, um Bildung, ihre stillen Machenschaften und

Chus Martínez

radikalen Auswirkungen zu wittern. Man fühlt in der Grösse

Leitung Institut Kunst HGK FHNW

und Sprache der hier gezeigten Werke noch das Studio. Man bemerkt die Luft des Ateliers, eine Feinheit, eine gewisse Fragilität in allen Werken. Dieses Noch-nicht-Professionelle ist kein Mangel, sondern eine exquisite Eigenschaft – wie sanfte Haut oder riesengrosse Augen –, ein Reiz, der uns herausfordert und uns der Kunst näherbringt, ja auch den Künstlerinnen und Künstlern. Die ganze Situation erlaubt uns, die Arbeit zu verstehen, die die Künstlerinnen und Künstler sowie die Dozierenden an unserem Institut verrichten, indem sie versuchen, Kunst zu verstehen. Viele Gesten kreisen um wichtige Fragen die unsere heutige Gesellschaft prägen. Themen, die in Aktion übersetzt werden, in Schaffen oder Vorführen. Kunst zu schaffen ist jedoch ein radikal anderes Schaffen. Es ist vielleicht realer und eloquenter als jedes andere. Wenn heute vom „wirklichen Leben“ die Rede ist, sind meistens globale Medien gemeint. Das bedeutet, dass immer häufiger der Protest gegen die Kunst oder das Museum der Gegenwart nicht mehr einen Kampf gegen normierten Geschmack im


Ausstellungsansicht, Lockeres Denken – Loose Thinking, Kunsthaus Baselland, 2015



Ausstellungsansicht, Lockeres Denken – Loose Thinking, Kunsthaus Baselland, 2015



Ausstellungsansicht, Lockeres Denken – Loose Thinking, Kunsthaus Baselland, 2015



Ausstellungsansicht, Lockeres Denken – Loose Thinking, Kunsthaus Baselland, 2015



Künstlerisches Arbeiten ermöglicht mir eine Art der Denkfreiheit. Ich bin in meinem Denken und meiner Auseinandersetzung weder an wissenschaftliche noch an andere Restriktionen gebunden. Es bietet mir die Möglichkeit mit meiner Umgebung in einen Dialog zu treten und wiederspiegelt so die Art, wie ich mich durch mein Leben bewege. Dabei interessieren mich besonders Objekte oder Ideen, die eine beinahe physische Anziehungskraft auf mich ausüben. Das können Texte, Bilder, Ideen von Bildern, Geschichten, Lieder, Farben und Formen sein. In meiner künstlerischen Auseinandersetzung mit dieser physischen Anziehungskraft versuche ich meinen Assoziationen und bildhaften Gedanken eine adäquate Form zu geben – immer auf der Suche nach meiner eigenen Sprache. Die Beziehung zwischen Natur und Mensch und insbesondere die Frage nach Machtverhältnissen in denen sie zueinander stehen, ist ein zentraler Punkt in meiner künstlerischen Arbeit. Dabei interessiert es mich, welchen Standpunkt wir einnehmen, um Natur zu begegnen und wie wir uns ihr gegenüber positionieren. In meiner Recherchearbeit suche ich nach Sprachen und Bildern. Ich eigne mir Bruchstücke und Verbindungsglieder an, durch deren Verknüpfungen ich neue Möglichkeiten und Wege erarbeite über politische Themen zu denken und zu sprechen. Meine Annäherung geschieht mittels medialen Installationen, Video, Zeichnung, Text und performativen Eingriffen. Meine Arbeit für die Ausstellung Lockeres Denken ist Teil einer von mir initiierten Arbeitsreihe mit dem Titel Surrounding the Point. Mit Surrounding the Point möchte ich ein fortlaufendes Format gestalten, das meinen Interessen und den Resultaten meiner Recherchen einen Raum bietet. In assoziativen Verknüpfungen und gedanklichen Kreisbewegungen nähere ich mich der Thematik, dem Punkt an. Meine Verkettungen resultieren in jeweils verschiedenen Arbeiten, die Medien variieren. Die Recherche wird zur eigentlichen Arbeit. Die Suche ist nicht abgeschlossen, sondern setzt sich fort und führt in die Nächste über. Von der Artischocke zu den Tiefen des Mittelmeeres heisst die dritte Arbeit innerhalb von Surrounding the Point. Ausgangspunkt der Arbeit war die Frage danach, wie ich über politische Themen sprechen und sie aufgreifen kann. Dabei hat mich das Mittelmeer als Ort interessiert, der von Bildern paradiesischer Feriendestinationen geprägt und gleichzeitig Schauplatz einer prekären Flüchtlingssituation ist. Ein Stück Natur, in dem Welten aufeinander prallen. Die Artischocke steht nicht nur sinnbildlich für Dekonstruktion, sondern auch für ein Stück Natur mit Ursprung im Mittelmeerraum, das grossen Genuss verspricht.


In meiner Recherche über das Mittelmeer habe ich über eine Zeit vor 6 Millionen Jahren gelesen, in der das Mittelmeer zu drei viertel ausgetrocknet war. Grund dafür war die Verschiebung zweier Erdplatten, worauf sich die Strasse von Gibraltar schloss und kein Wasser mehr vom Atlantischen Ozean ins Mittelmeerbecken fliessen konnte. Die sogenannte Messinische Salinitätskrise trifft auf eine aktuelle Flüchtlingskrise. Das flüchtige und fiktive Potenzial einer Möglichkeit. Artischocken, Plattentektonik, das Mittelmeer in Form von Videoaufnahmen, die an Ferienaufnahmen erinnern und ein von mir verändertes Spanisches Volkslied über die ertrunkenen Flüchtlinge im Mittelmeer verbinde ich durch Dekonstruktion miteinander. Die Pools direkt am Meer, die eine privilegierte Sichtweise auf das Mittelmeer versprechen und zwischen einem Hier und Dort unterscheiden, getrennt durch ein biologisches Becken voll Salzwasser dazwischen. Eine politische Thematik, eine biologische und geologische Gegebenheit zerlege ich in deren verschiedene Schichten, um einen Anknüpfungspunkt zu finden – alles im Gefäss des Mittelmeeres. Dabei geht es mir nicht darum Antworten zu geben, sondern durch die Untersuchungen Fragen zu stellen und einen neuen Blick auf eine Thematik zu werfen, die so flachgewalzt auf unseren Bildschirmen erscheint.

Vera Bruggmann


Vera Bruggmann, Surrounding the Point Nr lll, Von der Artischocke zu den Tiefen des Mittelmeeres, 2015



Ich arbeite mit den unterschiedlichsten Medien, vor allem aber mit Fotografie, Malerei und Collage. Oft verbinden und überschneiden sich die Medien, wie bei der Nitrodrucktechnik mit der ich sehr viel gearbeitet habe. Die Drucktechnik ermöglicht mir, eine Verbindung von Malerei und Fotografie zu schaffen und vielschichtig zu arbeiten. Der Umgang ist sehr komplex und erfordert immer wieder Materialrecherchen. Man bewegt sich ständig zwischen dem Gesteuerten und dem Zufall.Die Nitrodrucktechnik erlaubt collage-artig zu arbeiten und lässt genug Freiraum für eigene künstlerische Interpretation oder Neuinterpretation, da die Ergebnisse nicht so klar voraussehbar sind wie bei einer anderen Drucktechnik oder der Fotografie an sich. Die Malerei wird zum Ergänzenden, zu dem was wir nicht auf den ersten Blick, in einem Moment oder einem Bild erfassen können. Die Malerei, mit der ich den Druck fortführe bedeutet ein Erweitern des Bildes auf eine andere Ebene. Farbe ist ein wichtiger Aspekt, für mich ein Gefühl. Ich sammle viel, wie beispielsweise Bilder, Fotos, Film Stills, Texte, Gedanken, Material, Erinnerungsstücke. Ich integriere sie in meine Arbeit und sie sind Input und Inspiration für neue Werke. Meine Arbeiten sind in der Form sehr unterschiedlich, was sie zusammenhält sind Ausgangslage und Herangehensweise. Die Sammlung an sich – ob inhaltlich oder im Aufbau der Arbeit – ist immer Teil davon und wird zur Erinnerungsarbeit geprägt von meinem persönlichen Kontext. Die Sammlung an sich, als Erbe und als Gedächtnis unserer Gesellschaft und Kultur, ist für mich in meiner Arbeit wichtig geworden. Die Weiterführung des persönlichen sich Erinnerns und der Umgang mit Dingen weitet sich auf eine allumfassende Analyse und Auseinandersetzung mit der Sammlung als Kulturerbe aus.


Meine künstlerische Praxis geht immer von einer Fragestellung aus. Es geht mir dabei nicht in erster Linie darum, inwiefern ich mir diese Frage beantworten kann, sondern was ich alles dabei erfahre wenn ich versuche eine Antwort zu finden. Möglicherweise sind die Erfahrungen die Antworten auf meine Fragen. Meine Kunst soll keine eindeutigen Antworten liefern. Sie behauptet nichts, sie bestimmt nichts. Meine Kunst soll dem Betrachter Fragen stellen.
Der Prozess von der Frage bis hin zum fertigen Werk ist ein langer Weg den ich zu beschreiben versuche. Wenn ich von künstlerischen Arbeiten spreche sage ich oft, Kunst ist Philosophie im Material. Ich denke auch für mich und meine Arbeit ist dies sehr treffend formuliert. Ich arbeite oft aus einem Interesse heraus, aus der Neugierde für ein Thema, für ein bestimmtes Material oder auch eine Farbe. Ich beschäftige mich theoretisch damit, dann, in der materiellen Umsetzung durch ein bestimmtes Medium, kommt für mich ein Bereich hinzu, der das Rationale hinter sich lässt. Das intuitive Arbeiten ist ein wichtiger Aspekt in meiner künstlerischen Praxis, weil es so überraschend ungeplant und nicht lenkbar ist. Für mich gibt es zwei verschiedene Methoden oder Herangehensweisen an eine Arbeit und ich schätze sie beide. Die überlegte, planende und recherchierende Methode und die intuitive, über das Material sich-findende Methode. Da beide Arbeitsweisen parallel laufen können, schliessen sie sich nicht gegenseitig aus.

Denise Fonjallaz


Denise Fonjallaz, Schutzmassnahmen, 2015



Im Zentrum meines künstlerischen Schaffens steht mein Körper. Als darstellendes Objekt und sich veränderndes Subjekt – der Körper ist mein Werkzeug. Meine Handlungen stehen im Dialog mit dem Raum, der Situation, dem Material und der Identität. Meistens nehme ich meinen Körper erst in extremen, mir unbekannten und fremden Situationen bewusst wahr. Im Verliebt-Sein, bei sportlicher Anstrengung, Schmerzen, Niedergeschlagenheit, bei Krankheit und Verletzungen merke ich, wie stark mein Körper auf meine Wahrnehmung und meine Gefühle einwirkt. Etwas das ich für selbstverständlich nahm verändert sich plötzlich, funktioniert anders oder gar nicht und wird zur existenziellen Erfahrung. Diese Momente versuche ich einzufangen und visuell darzustellen. Mit minimalen Mitteln dokumentiere ich abstrakte Bewegungsabläufe, lege sorgfältige Spuren meiner körperlichen Präsenz und stelle so Anwesenheit her. Es entstehen grossformatige Zeichnungen und aus diesen wiederum raumgreifende Installationen.


Von Projekt zu Projekt wechsle ich das Medium: Malerei, Fotografie, Performance, Video, Installation und Skulptur sind meine Mittel. Der Prozess ist dabei ein wichtiger Teil – die Herstellung schreibt sich geradezu in die Arbeit ein. Meine Werke entstehen oft in situ oder für einen imaginierten oder medialen Raum. Es sind die kleinen, alltäglichen Dinge und Gesten die ich in meine Arbeit einfliessen lasse und die mich mit anderen Menschen verbinden.

Carla Céline Geissberger


Carla CĂŠline Geissberger, Silber 13kg, 2015



Ich beschäftige mich seit längerem mit Rudolf Steiner und seinen Gedanken zu Wissenschaft und Spiritualität. Gleichzeitig setzte ich mich mit traditionellen japanischen Handwerkstechniken auseinander und versuche diese zu erweitern entsprechend meinem eigenen Denken und künstlerischen Arbeiten zu modifizieren. Dabei entstehen Werke, welche sowohl an östliche, als auch an westliche Spiritualität und philosophische Weltbilder denken lassen und dennoch mein ganz eigener Arbeits- und Gedankenprozess auszudrücken vermögen. Ich benutzte in meiner Arbeit eine japanische Keramiktechnik, die sogenannte Neriage, bei der mehrere Tonschichten in zwei verschiedenen Farbnuancen übereinandergelegt und miteinander zu bestimmten Mustern, Wiederholungen und Regelmässigkeiten vermischt werden. Die dabei entstehenden Muster erinnern an Marmorsteine oder Achate. Ich habe mich bei dieser Arbeit für die elementarsten tonalen Gegensätze entschieden: den mit schwarzem Pigment eingefärbte Ton und den weissen, ungefärbten Ton. Die aufwendige Arbeit mit den Tonkörpern, die wiederholten Gesten des Knetens und Vermischens spielen eine wichtige Rolle für mich. Es ist eine anstrengende physische Arbeit und zugleich ein meditativer Akt der Formfindung. Ich nehme mir beim Arbeiten mehr Freiraum und sprenge dadurch die Grenzen der traditionellen Technik. Die Muster sind – obwohl kontrolliert –, doch auch dem Zufall überlassen. Dasselbe gilt für die organischen, nicht perfekten Formen der Objekte. Die einzelnen Arbeiten, aber auch die installative Anordnung vereinen Rhythmen, Wiederholungen, Kontrapunkte, um dennoch eine Balance zwischen den Elementen entstehen zu lassen. Verschiedene Strukturen und Oberflächen werden einander gegenüber gestellt: Das Raue und das Glatte, das Präzise und das Zufällige verbinden sich in den Objekten.


Ich habe über die vier Elemente nachgedacht, über Erde, Wasser, Luft und Feuer und die Arbeit ist aus dem Wunsch heraus entstanden, diese gegensätzlichen, aber dennoch voneinander abhängigen Elemente zu vereinen. Nur die Innenseite der rund 30, mit Wasser angefüllten Objekte sind glasiert. Es entsteht eine Spannung zwischen verschiedenen Konsistenzen, zwischen Materialien und Elementen.

Azumi Goya


Azumi Goya, Wasser fliesst, 2015



Mein Kopf hat zwei Modi, zwischen denen er hin und her schaltet. Der eine ist der „fantastische“ Modus. Mich faszinieren Geschichten, welche nicht von dieser Welt sind. Mich treibt der Drang an, fiktionale Erfahrungen zu erschaffen. Ich möchte Menschen die Möglichkeit geben, ihr Leben hinter sich zu lassen und eine andere Welt zu erleben. Ich bin ein Schwamm und rezipiere alles was sich zwischen Low-, High- und Post-Internet-Culture bewegt. Comics, Illustration, Videospiele und Literatur, insbesondere Romane. Je fantastischer und abgefahrener desto besser. Ob fiktives Mittelalter, alternative Gegenwart oder dystopische (zur Abwechslung auch gerne utopische) Zukunft. Fragen der populärkulturellen Ästhetik interessieren mich. Post-Internet-Plattformen wie Facebook und YouTube, der Wandel in der Wahrnehmung der Begriffe des Ichs und der Masse, gehören zu den zentralen Themen in meiner künstlerischen Produktion. Ich denke, dieser „fantastische“ Modus hängt fest mit dem anderen Modus meines Kopfes zusammen. Für diesen einen Namen zu finden fällt mir schwer – vielleicht nenne ich ihn den „fragenden“ Modus. Würde ein Wissenschaftler diese Beschäftigung mit Gedanken deuten, würde er wahrscheinlich gerade darin die Motivation erkennen, die Menschen dazu bringt Wissenschaftler zu werden. Vielleicht würde ein Betrachter meiner Gedanken aber auch die Motivationen erkennen, die Menschen zu Politikern oder Autonomen werden lässt, zu Predigern oder Gurus. Aber ich bin weder Wissenschaftler, noch Politiker oder Guru geworden. Ich bin Künstler geworden, ich entwerfe Anlagen, Objekte, Situationen, Spiele. Und ich bin Performer. Ich arbeite mit Sprache – mein Material sind Worte. Meine Stimme schlüpft in Rollen, ich spiele, ich predige, spinne, ich singe, reime, ich fabuliere. Stimme und Worte zu Sound, zu Bild, zu Raum, zu Zeichen. Ich spreche nicht in mich hinein, meine Texte sind nicht abstrakt, mich interessiert nicht der Text als Text. Ich spreche zum Publikum, ich spreche zu Menschen.


Fiktion ist mein Ding. Ich traue der Erzählung und dem Spiel eine kartesische Wirkung zu. Über das Fantastische hin zum Zuhörer, in die Relevanz der Realität.

Mario Grossert


Mario Grossert, Chronologie, 2015



Protest berührt mich. Der Moment, in dem noch alles offen zu sein scheint – nicht nur durch die Euphorie, die herrscht, solange der Protest noch nicht an die Grenzen der Macht gestossen ist. Ich meine auch jene Offenheit, die durch eine Ungewissheit bezüglich der Ziele des Protests entsteht. Ein Moment, in dem es nicht darum geht, Forderungen auszuformulieren, sondern Angst und Ohnmacht entgegen zu treten. Protest als ein Ventil für Wut – nicht als ritualisiertes, zur Folklore gewordenes Sprachrohr. Sobald Protest in eine Massenbewegung kippt, werden zwangsläufig auch seine Codes zum Mainstream: Die Sprache verallgemeinert sich, die Musik beschränkt sich auf konventionelle Formen, Symbole bedienen sich an Klischees. Die einst anstössige und unterwandernde Kraft wird kommerzialisiert und findet Eingang in die globale Popkultur. Mit der Folge, dass man sich zwangsläufig auch selbst darin wiederfindet, sobald man sich politisch ausdrücken und gesellschaftliche Kritik äussern möchte. Aber wie kommt es, dass ausgerechnet Widerstand sich überholter Codes bedient, statt neue Ausdrucksformen zu schaffen, die der jeweiligen Situation von Ort und Zeit gerecht werden? Diese Diskrepanz zwischen der Komplexität der Inhalte und ihrer naiven Ausdrucksformen ernüchtert mich. Spannend wird es für mich dann, wenn sich eine Bewegung der Verunsicherung aussetzt und nicht auf eine klare Rollenverteilung zurückgreift. In meiner Arbeit beschäftigt mich die Frage nach einer neuen Formensprache des Protests. Der Ausgangspunkt für meine Arbeiten ist oft dokumentarisches Material, das ich über die Jahre gesammelt habe: eigene Fotografien von Reisen und Streifzügen durch die Stadt, Zeitungsartikel, Flugblätter, YouTube Links und Designblogs aber auch Popmusik oder Field Recordings. Dieses Material verfremde bzw. abstrahiere ich durch einen Medienwechsel – ein Prozess, der mir ermöglicht auszuloten, was mich inhaltlich beschäftigt: soziale Umbrüche, städtischer Wandel oder die Suche nach kultureller Identität. Diese Transformationsprozesse – mit Farbe auf gefundene Materialien zu drucken, Fotos zu überdecken bzw. zu zensieren, von einem digitalen in ein analoges Medium zu wechseln oder eine Percussionsperformance mit physisch spürbaren Bassfrequenzen zu verstärken – geben mir die nötige Distanz, um mich Bildern von Wut, Ohnmacht oder Wehmut stellen zu können. Dabei geht es mir nicht um die Frage nach Wahrheit. Für mich wird es immer dann uninteressant, wenn man alles zu wissen glaubt und den Unterschied zwischen richtig und falsch oder gut und böse klar zu kennen meint.


Für die Arbeit Transparent, habe ich auf ein YouTube Video zurückgegriffen, das ich bei meinen Recherchen gefunden habe. Im Video ist ein griechischer Musiker zu sehen, der im Juni 2011 während einer Demonstration auf dem Syntagma Platz in Athen kretische Kriegsmusik auf seiner Lyra spielt. Aufgrund der Ausschreitungen und dem Einsatz von Tränengas ist er gezwungen, sein Spiel zu unterbrechen, es bricht Panik aus und der Filmer des Videos flüchtet vom Platz. Für die vorliegende Arbeit habe ich zwei Musiker aus Basel gebeten, die Audiospur dieses Videos zu transformieren bzw. neu zu interpretieren. Baschi Pfefferli ist klassisch ausgebildeter Percussionist und spielt in verschiedenen Formationen für Neue Musik. In seiner Improvisation bezieht er sich vor allem auf die zweite Hälfte des Videos, in dem die Musik abbricht und die Selbstinszenierung des Filmers in den Vordergrund rückt. Till Zehnder studiert Audiodesign an der Musikakademie in Basel produziert elektronische Musik. Für seinen Track hat er die effektive Soundkulisse untersucht und das ursprüngliche Material mit eigenen Stimmaufnahmen verfremdet. Die beiden Neukompositionen finden sich auf der B-Seite einer 10inch Vinylplatte, deren A-Seite das Ausgangsmaterial wiedergibt. Der zweite Teil der Installation umfasst eine Textilarbeit sowie Papierstapel mit Holzschnitten auf einem für die Ausstellung entwickelten Display. Die Arbeiten orientieren sich dabei an der graphischen Notation der Audiospur des YouTube Videos, die in meinem Auftrag von der chinesischen Komponistin Yiran Zhao erstellt wurde. Entstanden sind so abstrakte Bildkompositionen, die sich über einen zweifachen Medienwechsel wieder dem Motiv des Protests und der Krise kultureller Identität annähern. Offen bleibt die Frage, inwiefern Abstraktion als politische Sprache fungieren kann: Ob sie eine subversive Kraft entfalten könnte, ohne wieder in Folklore oder popkulturelle Muster zurückzufallen und wie sie glaubwürdig einem Nichtwissen Raum geben könnte – gerade dort, wo es noch keine festgelegten Codes gibt. Meine Suche gilt der Aktualisierung von Gesten des Protests, die es mit der Komplexität der Gegenwart aufnehmen können.

Silas Heizmann


Silas Heizmann, Transparent, 2015



Was ist wichtig? Sags mir nochmal. Ich habs vergessen. Ich bin ein Individuum in der Statistik. Einer unter vielen, mit Wünschen, Vorstellungen und Träumen gewachsen auf dem Nährboden der Wirklichkeit.Morgen werde ich erreichen was ich heute noch nicht geschafft habe und Übermorgen fühle ich die Diskrepanz zwischen Wunsch und Erfüllung. Meine Arbeitsweise basiert auf persönlichen Fragen, die meine / unsere Umgebung betreffen. Diese persönlichen Fragen, lösen sich durch die Bearbeitung teilweise von meiner Person und entwickeln einen allgemeineren Charakter. Somit ist mit dem „ich“ vielleicht „dich“ gemeint Jede/r nennt sich „ich“, oder das „ich“ wird zum Stellvertreter. Gesellschaftliche und kunstinterne Strukturen als Arbeitsmaterial Die Gesellschaft formt das Individuum, das Individuum formt die Gesellschaft. Mich interessieren gesellschaftliche Strukturen, die über die Grundbedürfnisse stattfinden. Werte, Wünsche, Vorstellungen, Ideale und Träume des Individuums basieren auf der jeweiligen sozialen Umgebung. Unsere Tätigkeit sowie unsere persönlichen Entscheidungen bewegen sich in einer Abhängigkeit von allgemeinen Vorstellungen. Daraus folgt die Gestaltung unserer Zeit. Uns allen gemein ist ein ungewisses, endliches Volumen an Zeit. Alle tun etwas, die Zeit drängt uns dazu. Was tue ich mit meiner Zeit? Was tut man mit der Zeit? Der innere Drang mit der Zeit etwas anzufangen, kanalisiert sich durch eine gesellschaftliche Vorstellung von Effizienz und Zeitnutzung. Neben gesellschaftlichen Fragen ist die Betrachtung kunstinterner Strukturen Teil meiner Arbeit. Dies geschieht von der Untersuchung der künstlerischen Ausbildung, also z.B. der Position der Kunsthochschule, bis zu einer Betrachtung des Betrachters. Dabei liegt mein Fokus weniger auf der Vergangenheit, als eher bei Fragen die das Heute betreffen: kann die Kunst trotz ihrer heutigen Popularität in unseren Breitengraden ihre autonome Position, was das künstlerische Schaffen angeht behalten oder degradiert sie sich selber zu einem seichten Unterhaltungsobjekt? Was nicht übers Internet verbreitet werden kann bleibt eine Randerscheinung. Dadurch ändert sich unter anderem auch die Rezeption von Kunst. Durch Fotografie, Video und Text kenne ich mehr Werke als durch das eigene Erleben. Wird das Abbild wichtiger als das Original? Oder ist die digitale Wiedergabe nur ein Werkzeug der Vermarktung?


Die Freiheit der Kunst Kunst ist für mich eine Disziplin, die mir die Freiheit gewährt, meine Interessen nach eigenen Parametern zu verfolgen. Die Freiheit Sachverhalte zu bearbeiten ohne einen direkten Nutzen erfüllen zu müssen. Kunst ist jedoch auch eine Disziplin, in der Freiheit, Anerkennung und die Sicherung meiner Existenz auch von Nachfrage und von Institutionen sowie Personen, die sich in Entscheidungspositionen befinden, abhängig ist.Kunst zu machen sehe ich auch als utopischer Gedanke von einer selbstbestimmten Lebensführung, von einer Lebensgestaltung basierend auf Eigeninteresse, von einer Zeitgestaltung basierend auf eigenen Bedürfnissen, vom Erwerben von Kompetenzen basierend auf eigenen Vorstellungen. Eine Utopie ist nie vergebens. So ist mein Schaffen einerseits vom künstlerischen und anderseits vom sozialen Milieu beeinflusst. Dies ergibt mein Themenfeld und daraus entwickeln sich Fragen welche die Basis meiner künstlerischen Arbeiten bilden. Während dem Arbeitsprozess steht nicht die Beantwortung meiner Fragen im Zentrum, sondern deren Bearbeitung: es ist eine Art Analyse der gegebenen oder gefühlten Umstände. Dies geschieht in Rechercheform verbunden mit Notizen, Mindmaps und Textfragmenten. Daraus entwickle ich eine Sprache, die sich je nach Thematik, in Kombination mit verschiedenen Medien äussert: Skizzen, Zeichnung, Fotografie, Video, Audio, Installation und Text sind Medien mit denen ich arbeite. Petra und Markus Ich bin auf der Suche nach den Strukturen von Relevanz. Wann und in welchem Kontext wird ein Sachverhalt als relevant bezeichnet? Wie wird Relevanz generiert oder produziert? Gibt es eine elementare Relevanz oder wird sie stets durch eine Interessensrhetorik erzeugt? Die Arbeit basiert auf einer persönlichen Recherche zum Begriff der „Relevanz“ und seiner Verwendung. Das Resultat zeigt sich auf visueller Ebene mit zwei sich gegenüberstehenden Leinwänden und akustischer anhand einer Konversation. Die Konversation findet zwischen Petra und Markus statt: Zwei computergenerierte Stimmen, die im „Sprachausgabe“ Programm von Mac abrufbar sind.

Jorim E. Huber


Jorim Huber, Petra & Markus, 2015



Mein Medium ist die Malerei. Zum Malen brauche ich eine ruhige und konzentrierte Atmosphäre damit ich mich voll und ganz auf die Entstehung des Bildes einlassen kann. Ich glaube, die innere Ruhe welche ich beim Malen habe, korrespondiert mit meinen Arbeiten und überträgt sich in diese. Im Vorfeld mache ich Tests. Ich trage die Farbe unterschiedlich auf Papier oder Leinwand auf. Mal deckend, mal lasierend damit ich sehe wie sich die Farbe verhält. Der Aufbau des Bildes entsteht jedoch während des Malens. Mich interessiert aber auch die Oberfläche, das Visuelle – ich mag stille und laute Effekte. Im Moment interessiert mich die Farbe Schwarz. Ich arbeite mit der Wirkung verschiedener Pigmente und kombiniere sie mit unterschiedlichen Bindern: Holzkohle-, Eisen- und Graphitpulver sowie Flammruss-, Beinschwarz- und Eisenoxidpigmenten. Die Farbe Schwarz auf verschiedenste Weise zu kombinieren um eine neue und spannende, für mich optimale Farbwirkung zu erzielen, stellt mir bei jeder Leinwand und jedem Papier eine neue Herausforderung. Die Farbwirkung ist auch stark von der Struktur der Pigmente abhängig, gerade Aluminiumpulver, welches ich bei einer früheren Arbeit verwendet habe, ist extrem porös und matt. Ich spiele mit den gegebenen Eigenschaften der Pigmente und kombiniere sie mit Bindern die auch wieder unterschiedliche Qualitäten haben: teils matt, teils speckig und glänzend.


Mein Favorit unter den Bindern ist hochkonzentriertes Gummi Arabicum, welches ich teilweise mit Acrylbinder (obwohl sie sich gegenseitig abstossen) und Honig ergänze. Meine Bilder sind flächig gemalte Grossformate. Die unterschiedlichen Eigenschaften der Pigmente und Binder erlauben jedoch viele Möglichkeiten und mir steht es frei, Akzente und kleine Abstufungen zu setzen. Ich habe die Möglichkeit, die Pigmente im Voraus zu mischen oder sie auf der Leinwand zu schichten. Ich kann die einzelnen Schichten auch wieder vermalen, abschleifen, übermalen, spachteln, abkratzen oder mit den Händen verreiben. Bei meiner hier gezeigten Arbeit, welche aus den zwei Teilen „Karbon #01“, „Karbon #03“ besteht, male ich mit Holzkohlepulver, welches eine extrem raue Oberfläche hat. Unterschiedliche Konturen entstehen sogar bei gleichmässigem Farbauftrag. Ich versuche nicht, mit einen Pigment ein monochromes Bild zu schaffen, sondern eben gerade Nuancen herauszuarbeiten, harte Brüche zu setzen und so die Vielfalt des Materials aufzuzeigen. Die scheinbare Monotonie eines Materials wird in dieser Serie ausgelotet und aufgebrochen.

Caroline Keller


Caroline Keller, Karbon #01 & Karbon #03, 2015



Material – Raum und Ort Materialien wie Gips, Ton und Stein, klassische bildhauerische Techniken, teilweise figurativ, die Auseinandersetzung mit Oberfläche und Materialität, sind die Grundlagen, aus denen sich meine künstlerische Arbeit entwickelt. Durch Loslösungsprozesse, dem Zersetzten von Material und Form, entferne ich mich von der menschlichen Figur und gelange zu einer neuen Körperlichkeit im Raum. Doch was heisst Raum? Wie gehe ich mit ihm um? Und wie bewege ich mich in ihm, wie verortet sich das Werk und wie der Betrachtende? Durch den Übergang von der singulären Skulptur zur ortsspezifischen Installation erfährt der Besuchende seine eigene Körperlichkeit im Verhältnis zum ihn umgebenden Raum. Ein wichtiger Kernpunkt meiner Arbeit ist die Auseinandersetzung mit Raumwahrnehmung und -erfahrung. Durch spezifische architektonische Eingriffe transformiere ich bestehende Raumstrukturen und ihre Verortungen und Szenerien. Raum der Erinnerung Ich beobachte Veränderungen und ihre Verbindung mit Zeitlichkeit, denn nur im Raum der Erinnerung ist der unerbittliche Ablauf der Zeit aufgehoben. Unabhängig davon wie viel zeitliche Distanz geschaffen wird, Erinnerungsbilder blitzen immer wieder auf und prallen mit dem Jetzt zusammen – ein neues Bild entsteht in diesem Dazwischen, ein Bild zwischen Realität und Konstruktion. Das Auflösen von Bildmaterial aus verschiedenen Archiven und desasen Transformation zu Objekten, interessiert mich ebenso wie der Moment, in dem ein Bild aus vorhandenen Bildern entsteht, wobei zugleich ein Auflösen und Zusammenschmelzen, ein Eingiessen und Festhalten (von Erinnerung) stattfindet. Mich interessieren die Handlungsspielräume zwischen Materialität und Inhalt, zwischen (kultur-) historischen Bezügen und meiner persönlichen Wahrnehmung als Künstlerin des 21. Jahrhunderts. Wann und wie verändern sich Bilder, wenn sie losgelöst sind von ihrem ursprünglichen Kontext? Landschaft der Erinnerung Meine Werke spiegeln eine Diskrepanz zwischen Nostalgie und einer absurden Bestandsaufnahme dessen wider, was längst nicht mehr so existiert wie in der eigenen Erinnerung. Ländliche Zustände und menschliche Existenzen mischen sich in einer Diversität aus Sehnsüchten und paradoxen Erscheinungen: Ich schaue von spezifischen Orten aus auf die Entwicklung ländlicher Strukturen: Wie lösen sich beispielsweise ganze Regionen auf? Ich beobachte, wie Dörfer gesichtsloser werden und sich dadurch plötzlich nicht mehr verorten lassen. Die Landschaft verändert sich. Und ich? Ich nähere mich den ersten Häusern, bin über den Palmen im künstlichen Paradies, dann unten, dort ein Swimmingpool in der Stube, die Fenster sind mit Dampf beschlagen und der Garten wächst erst im Frühjahr wieder. Ausgehend von solchen spezifischen Orten und Landschaften und ihren Entwicklungen geht es mir um die Frage, wie sich Erinnerungsbilder zu einem ganz eigenen Konstrukt (z.B. Heimat) zusammensetzten und losgelöst von räumlicher und zeitlicher Verortung zu modularen Systemen werden, die sich selbständig in andere Räume verschieben. Wo setzt dabei der (Selbst-) Betrug ein? Wo beginnt die Loslösung von stark verankerten Bildern? Ab wann sind diese Bilder ein selbstgemachtes Wahrheitskonstrukt.


Tektonische Programmierung jenseits virtueller Räume Ich fange an zu ordnen: mein Bilderarchiv und meine Materialsammlung. Ich ordne in systematischen Abläufen, bringe sie in Reihen, in Folgen und fange an sie zu kodieren, zu konstruieren und mir ein System aufzubauen. Einzelne Bildfragmente werden programmiert. Ich programmiere in einer analogen Sprache, fern von virtuellen Räumen schichte ich Ebenen zu einer neuen Topografie des Sehens: ein Muster, eine Struktur. Fragen nach Bildkonstrukten und deren Indikatoren werden aufgeworfen, eine Ordnung des Systems gesucht, die Wiederholung und deren scheinbare Endlosigkeit gesehen. Und trotzdem verschieben sich die einzelnen Fragmente wie tektonische Platten, ergeben immer neue Anordnungen, Fehlerquellen brechen das System: Das Ein- und Auszoomen, von Mikro zu Makro ergibt einen ständig sich ändernden Massstab im Auge des sich bewegenden Betrachters. Die Perspektive ändert sich mit dem Betrachtungswinkel. Es gibt eine Richtung, eine Ordnung in der sich eine Struktur bildet. Ändert der Betrachtende jedoch seinen Blickwinkel, löst sich die systematische Ordnung auf und das scheinbar einheitliche Konstrukt der einzelnen Bildkomponenten löst sich auf. Die Programmiersprache bedient sich ihrer eigenen Regeln: Nur die kleinste Abweichung bricht scheinbar die Ordnung. Die Summer jener formalen Abweichungen, verschwinden jedoch wieder in der Gesamtkomposition und die Struktur erscheint als intakt. Dies ist eine Anlage eines grossen, modularen Ordnungssystems, das sich durch seine vielschichtigen, minimalen Abweichungen erst konstituiert und definiert.

Sonja Lippuner


Sonja Lippuner, Random order archive, 2015



I think a lot of things, that you really want to say, just disappear or maybe they are not that important. I always look at myself in the little picture. Yes, you can’t look away. You have to look at it. I want to cover it with something. I found something in the internet. The data transfer gets heavier and lazier every time. We have to find a way that is not… we already spoke about this. That I am not the victim from serbia after war and you are the... I don‘t know… rich swiss girl. It is a space where nothing happens. They always say like ‚waiting‘, ‚true‘ and stuff like that, really heavy words. We have to sound more professional than this. The ‚she hamster‘. She can‘t do anything. If you want ‘while’ to last for indefinite time you have to be looking for the ‘truth’. It is personal, but it is completely universal personal. The only two responses can be ‚true‘ or ‚false‘, where ‚false‘ is 0 and ‚true‘ is 1. And whatever we want, we can write in 0s and 1s. I have this idea for example and it has to do something with Britney Spears. No one else can see you, but me and the aliens and the government. I was so sad when my phone rang. But what can you do. A girl has got to make some money. So we would never misunderstand each other again. It would be very easy. And it sounds also very nice. YES OR NO. ON or OFF. The information as numbers.


Die Videoarbeit «WHILE (TRUE)»* ist 2015 über eine lange Zeitspanne und grosse geografische Distanz in Kollaboration mit Jelena Nikolić entstanden. Da wir nicht im selben Land leben – Jelena lebt in Serbien und ich in der Schweiz – haben wir unsere Gespräche und Recherchen über das online Programm Skype geführt. Uns interessierte die Auseinandersetzung mit der digitalen Kommunikation und wie sich die Sprache innerhalb der digitalen Medien transformiert. Die geografische Distanz und die übliche 0,1 Sekunde Verzögerung des Skype-gesprächs machen die Zeitausdehnung unmittelbar erfahrbar und es wird eine Leere (VOID) in der Kommunikation ausgelöst. Ein „aktiver Warteraum“ entsteht. Dies führte uns zu „busy waitings“, aktives Warten, wie es in der Programmiersprache genannt wird. Erklärt wird dies anhand von zwei Hamstern, die unermüdlich auf die Antwort des Anderen warten. Es entwickelt sich ein fragmentierter Gesprächsverlauf zu Fragen nach dem Fremd- und dem Selbstbild als Künstlerinnen in einer Kultur, einer Geschichte und im Internet das sich uns als sicheren Ort anbietet. Es ist eine romantische Umgebung, in der alle Benutzer #foreveralone together eine erfüllte und freie Gemeinschaft bilden, nachdem der Zugriff auf die eigenen Daten erlaubt und den Regeln, Richtlinien und allgemeinen Geschäftsbedingungen zugestimmt wurden. Durch kontinuierliches Entdecken empfohlener Inhalte, ist uns als Benutzer die Illusion von Wahl und Individualität gewährt. Viel mehr noch wird die Idee einer Selbstdarstellung gefördert, indem den Benutzern erlaubt wird, sich selbst zu präsentieren so wie sie es sich wünschen. Jede leere Seite bietet eine gewisse Wiedergeburt in einen Raum von unendlichen Möglichkeiten und einem einfachen und schnellen Zugriff auf scheinbar alle vorhandenen Informationen. So wird der Gedanke von Freiheit und Intimität online paradox – ebenso das ‚Virtuelle‘ und das ‚Echte‘ von einander zu trennen. *In den meisten Programmiersprachen ermöglicht das „while-Konstrukt“ die wiederholte Ausführung einer Liste von Befehlen, solange die Befehlsteuerung der „while-Schleife“ erfolgreich (als „true“) ausgeführt wird. Sobald der CONTROL-BEFEHL fehlschlägt, wird die Schleife verlassen.

Julia Minnig & Jelena Nikolić


Julia Minnig & Jelena Nikolić, WHILE (TRUE), 2015



Ich beschäftige mich vorwiegend mit Form und Farbe und arbeite mit der Collagetechnik. Zum einen am Computer, vorwiegend mit Photoshop. Zum andern physisch mit Materialien wie Sprühdosen, Dispersion, mit Plexiglas, verschiedenen Schnüren, Klebestreifen etc.. Ein neues Bild beginnt häufig damit, dass ich gefundene digitale Bilder benutze und auf eigene Fotos zurückgreife. Zum Beispiel hänge ich eine Fotografie aus einer früheren Arbeit an die Wand, um von den Formen und Linien der Fotografie ausgehend ein neues Bild zu entwickeln. Von diesem neuen Wandbild mache ich wiederum Detailaufnahmen, die ich erneut mit Photohop bearbeite, ausplotte und weiter gestalte. Ich klebe hier, male dort, befestige weiter oben, stelle dies und das dazu. Meistens arbeite ich grossformatig und beziehe die Architektur des Raumes mit ein, indem ich die Umgebung formal aufgreife und in meinen Bildern weiterverwende. Es entsteht ein Spiel zwischen physischem und digitalem Raum.


Ich verstehe meine Arbeit als ephemere Collage. Im Alltag begleiten mich Farben und Formen überall und ich nehme sie in meinen Formkosmos auf. Der Prozess des Machens ist für mich zentral. Es ist nicht nur das einzelne Werk, das mich interessiert, sondern auch die Weiterverwendbarkeit in künftige Arbeiten. Was letztendlich das finale Werk ist, bleibt offen und flexibel. Eine Kombination von verschiedenen, miteinander verbundenen Ebenen umgibt mich in meiner Wahrnehmung. Layer über Layer über Layer erscheinen diese ähnlich dem Desktopprinzip. Ich suche darin nach Zusammenhängen und Verbindungen. Mit meiner künstlerischen Arbeit versuche ich diese Wahrnehmung zu widerspiegeln, zu ordnen und zu verstehen. Die aktuelle Installation mit den Plotten und Lasercuts im Kunsthaus Baselland stellt ein solcher Versuch dar.

Martin Pedersen


Martin Pedersen, Ohne Titel, 2015



Ich beschäftige mich mit Farbsystemen und Farbkompositionen. Dabei konzentriere ich mich in meiner Malerei oft auf eine geometrische Grundform wie dem Dreieck oder dem Kreis füge diese Form durch Repetitionen und Variationen zu einer gesamten Fläche zusammen, in der Farbharmonien und Dissonanzen einen gleichen Stellenwert haben. Die Bildkompositionen entstehen jedoch nicht nach strengen Regeln oder Formeln, sondern sind vielmehr geprägt von einer intuitiven und freien Herangehensweise. Der Farbauftrag ist ebenmässig und deckend und doch sieht man die malerische Geste in der Struktur der Oberflächen.


Die Wahl der Bildträger ist in meiner Arbeit von besonderer Bedeutung, da sie den Werken eine humoristische Komponente verleihen und vermögen, mit einer rein konkreten Malerei zu brechen. So benutze ich zum Beispiel Baumscheiben als Malgrund die an die ländliche oder alpine Gastronomie mit ihren naturromantischen Frühstücksplatten erinnern. In meiner neusten Arbeit habe ich nach den Originalbauplänen einer Organisation für Nisthilfen ein Storchennest gebaut. Die Weideruten, aus denen die Seitenwände des Nests geflochten sind wurden zum Malgrund, auf den ich elf verschiedene Farbtöne aufgetragen habe. Durch den Eingriff und die Modifikation oszilliert das Storchennest zwischen einem funktionalen, dekorierten Nutzungsgegenstand und einem rein formalen, künstlerischen Objekt, das der Malerei oder der Skulptur zugeordnet werden kann. Die Absurdität von einem vom Menschen entworfen und gebauten Storchennest wird hervorgehoben. Die Arbeit hinterfragt die Beziehung zwischen Land und Stadt und die Vorstellungen des Menschen in Bezug auf tierische Bedürfnisse. Gleichzeitig möchte ich mit einem Augenzwinkern auf die oft unklaren Grenzen und die Grauzonen zwischen Kunst und Design im Allgemeinen und Malerei und Deko im Speziellen verweisen.

Gabriel Salgado


Gabriel Salgado, Storchennest, 2015



Wir, Jérémie Sarbach und Flurina Badel, haben uns während dem Studium am Institut Kunst HGK FHNW in Basel kennengelernt und sind seit 2014 als Künstlerpaar tätig. Medienunspezifisch arbeiten wir in Themenfeldern, welche um die Begriffe Landschaft, Berge, Herkunft und Zugehörigkeit, Kommunikation und Technologie kreisen. Oft verbinden wir diese Themen an der Schnittstelle von analoger und digitaler Welt, wie auch bei der hier gezeigten Arbeit. OHNE TITEL (LITHIFIED GLOW), 2015 OHNE TITEL (LITHIFIED GLOW) entstand in Zusammenarbeit mit der Abteilung für Radiologie des Merian Iselin Spitals in Basel. Dort legten Flurina und ich uns für mehrere Stunden in den Magnetresonanztomographen. Die Magnetresonanztomographie (MRT) ist ein bildgebendes Verfahren, welches mittels starkem Magnetfeld und Radiowellen Schichtbilder des Körpers erzeugt. Während wir uns in der MRT-Röhre reglos umarmten, richtete eine medizinisch-technische Assistentin das Gerät nach unseren Körpern aus, scannt beide Teil für Teil und setzt die Schnittbilder zu einem Ganzkörperbild zusammen. OHNE TITEL (LITHIFIED GLOW) besteht aus Aufnahmen, die auf eine Plexiglasscheibe am Boden projiziert werden. Dafür haben wir eine Auswahl der im MRT-Gerät entstandenen Schnittbilder weiterverarbeitet und lassen diese in zeitlicher Abfolge abspielen. Begleitet wird die Animation von einer Tonspur, die wir aus den vom MRT-Gerät erzeugten Geräuschen erarbeitet haben. Ausstellungsprojekt OUR BEDROOM Die Installation Ohne Titel (LITHIFIED GLOW) entstand im Kontext unseres Langzeit-Kunstprojekts OUR BEDROOM. Im Rahmen von OUR BEDROOM Ausstellungen laden wir die Öffentlichkeit seit Dezember 2014 monatlich ein, sich durch die Kunst dem Hintergründigen, Verborgenen und Unaussprechlichen der Liebe anzunähern. Unser Interesse gilt dem Verhältnis von Nähe und Distanz in einer Liebesbeziehung, der Individualitätsbehauptung in der Zweisamkeit, Kollisionen und Balanceakten sowie einer Paaridentität und der Frage nach einer möglichen Auflösung der Geschlechter im siebten Himmel. Bei der Arbeit Ohne Titel (LITHIFIED GLOW) – gemeinsam in der Röhre, eingefroren in der Liebesstarre – interessiert uns die Umarmung als kulturunabhängige Geste von Liebenden, wie auch das künstlerische Portrait bzw. Selbstportrait dargestellt durch nüchterne MRT Bilder. Sie thematisiert eine scheinbare Sichtbarmachung des ganzen Körpers mit all seinen inneren Facetten, während gleichzeitig die Gesichter, die eigentlich und primär der Identifikation dienen, verschwinden.


Im Dezember 2015 findet die letzte OUR BEDROOM Ausstellung statt. Das Projekt wird mit einer Publikation beendet. Die Arbeit konnte nur Dank der grosszügigen Zusammenarbeit mit dem Merian Iselin Spital in Basel realisiert werden. Dafür danken wir insbesondere Claudia Maise, Dr. med. Thomas Egelhof und Dr. med. Thorsten Wischer herzlich.

Jérémie Sarbach & Flurina Badel


Jérémie Sarbach & Flurina Badel, OHNE TITEL (LITHIFIED GLOW), 2015



Im Verlauf des letzten Jahres begann ich eine intensive theoretische Auseinandersetzung mit Themen aus den Bereichen Philosophie und Psychoanalyse. Meine Lektüre ist auf die beiden oben erwähnten Felder gerichtet, aber weder streng wissenschaftlich noch strukturiert im Aufbau sondern grössten Teils dilettantisch. Diese Strategie nutze ich zur Schaffung nervöser Unklarheit die wiederum einen fruchtbaren Boden für meine künstlerische Arbeit bildet. Somit sehe ich meine künstlerische Praxis als veräusserlichtes Denken (Materialisierung). Veräusserlichung im Sinne einer Auslagerung und Reifung von Ideen und Gedanken zu Objekten, die ich dann analysiere. Theorie und Praxis bilden in meiner Arbeit einen Kreislauf, dabei soll die theoretische beziehungsweise diskursive Auseinandersetzung in meinen Arbeiten in den Hintergrund treten und auf einer sinnlichen, nicht sprachlichen Ebene erfahrbar werden. Im Bereich der Psychoanalyse begeistern mich vor allem die kryptischen Theorien Lacans und den Text über das Unheimliche von Sigmund Freud, der mich im Bezug auf die Kunst und meine Wahrnehmung der Wirklichkeit beschäftigt. Die Lektüre Lacans, insbesondere seiner «Écrits», ist geprägt von Unklarheit. Daraus entsteht ein undefinierter diskursiver Raum, der mir für meine künstlerische Auseinandersetzung eine gewisse Freiheit bietet. Für die Ausstellung Lockeres Denken ist die installative Arbeit Are You There? It‘s Me und Mac Guffin, bestehend aus einer Skulptur und einem Video entstanden. Die Idee für den Glaskubus mit den beschlagenen Scheiben und der darauf klebenden Essiggurkenscheibe gründet in einem Erlebnis, dass ich an einem regnerischen Tag in einer Strassenbahn hatte. Das feucht-warme Millieu in der Strassenbahn, das durch die durchnässten Menschen erzeugt wurde und der grosse Temperaturunterschied zu Draussen, liessen die Fenster beschlagen. An einem dieser Fenster klebte eine Essiggurkenscheibe. Dieses Erlebnis nahm einen wichtigen Stellenwert in meiner Beschäftigung mit dem Unheimlichen ein und veranlasste mich zu einer Serie von Arbeiten. Am Unheimlichen interessiert mich die ambivalente Struktur, die sich schon in Freuds etymologischer Herleitung von «unheimlich» äussert. Das Wort heimlich birgt in sich eine Ambivalenz, denn einerseits enthält es das Vertraute und heimische, andererseits das Düstere, das im Versteckten funktionierende. Die Vorsilbe „Un“ verstärkt das ohnehin schon Gegensätzliche des Heimlichen ins Unfassbare – wie beim Möbiusband werden Innen und Aussen, „fort“ oder „da“ ununterscheidbar. Die weiterführende Recherche führte mich über Freud ins Feld der Psychoanalyse die sich im Video Are You There? It‘s Me äussert. Das Video zeigt eine Gesprächssituation, in der keine Personen zu sehen sind. Lediglich der Schnitt suggeriert einen Dialog, der dem Betrachter jedoch keine Information vermittelt. Das Motiv eines Dialogs taucht an verschiedenen Stellen der Installation wieder auf, beispielsweise übermittelt ein Thermostat im Wasserbecken des Glaskastens, die Wassertemperatur an einen Heizungsstab, so dass dieser, je nach Einstellung, das Wasser auf einer bestimmten Temperatur hält und die Scheiben beschlagen bleiben. Auch der Beamer und das projizierte Bild stehen sich gegenüber wie zwei Gesprächspartner.


Die Zusammengehörigkeit dieser beiden Arbeiten Are You There? It‘s Me und Mac Guffin in einer Installation, äussert sich bereits im Titel: aneinander gereiht ergeben sie den Satz Are You There? It‘s Me, Mac Guffin. Mac Guffin ist einerseits ein schottischer Name und andererseits ein von Alfred Hitchcock geprägter Begriff, den er selbst wie folgt definiert: «A MacGuffin you see in most Films about Spys. It is a thing, that spys are after. (…) It is always called «the thing» that the characters on the screen worry about but the audience don‘t care. (…) It might be a Scottish name, taken from a story about two men on a train. One man says, «What‘s that package up there in the baggage rack?» And the other answers, «Oh, that‘s a MacGuffin.» The first one asks, «What‘s a MacGuffin?» «Well,» the other man says, «it‘s an apparatus for trapping lions in the Scottish Highlands.» The first man says, «But there are no lions in the Scottish Highlands,» and the other one answers, «Well then, that‘s no MacGuffin! » So you see that a MacGuffin is actually nothing at all.» «Mr. Hitchcock, wie haben sie das gemacht?» François Truffaut Die Essiggurkenscheibe übernimmt hier die Funktion eines MacGuffins. Sobald der Besucher sie erfasst und anhand des Saaltextes, des Titels und der Installation zu dechiffrieren versucht hat, nimmt die Story ihren Lauf.

Manuel Schneider


Manuel Schneider, Mac Guffin, 2015


Manuel Schneider, Are You There? It‘s Me, 2015


Während des Versuchs einen Text über mich selbst und meine künstlerische Arbeit zu schreiben merkte ich, dass ich scheiterte und so kam mir die Idee, in erster Person zu schreiben und so indirekt direkt mit Ihnen, lieber Leser, zu sprechen. Es fällt mir oft schwer, Worte über meine bildende Arbeit zu verlieren. Es ist, als müsste ich meine Bildsprache, die ich ja bewusst wähle, um nicht von der Wortsprache Gebrauch machen zu müssen, wieder selbst zurück in die Wortsprache übersetzen. Eine Aufgabe, die ich lieber einem Kunsthistoriker oder -theoretiker überlassen würde. Deshalb erzähle ich Euch lieber von einem Erlebnis, welches mich geprägt hat und vielleicht meine künstlerische Arbeit etwas näher zu bringen vermag und zwar war ich mit Freunden in den Langen Erlen, einer Ebene mit Uferwald nahe der Stadt Basel unterwegs. Zuerst badeten wir in dem Fluss Wiese, dann spazierten wir durch den Wald und erreichten schliesslich den Tiergarten Lange Erlen. Es gab Hirsche und Schweine und Vögel und Affen zu sehen, aber ich fiel beim Betrachten der Tiere in den Käfigen in eine Melancholie und hatte weder Augen für sie noch für meine Freunde mehr übrig. Also entfernte ich mich von ihnen und verliess stillschweigend und allein den Tierpark und lief auf eine Lichtung. Auf der Lichtung stand ein Karussell. Das Karussell wirkte auf mich schäbig und heruntergekommen und irgendwie fehlplatziert im Wald. Es sah aus, als hätte es seit Jahren keine Runden mehr gedreht und ich sann über den Sinn des Karussells und folglich über den Sinn der Welt nach und wurde bekümmert und Einsamkeit überfiel mich. Da sah ich, wie das Karussell zu drehen begann und ich entdeckte eine ältere Dame nahe der Maschinerie und auf der Bühne der Maschinerie erblickte ich nun ein kleines Mädchen. Das Mädchen ritt auf einem Schimmel und ihr ganzes Wesen strahlte vor Freude und Glück und ich vergass meine trostlosen Gedanken und beobachtete sie mit Vergnügen und da schaute sie mir plötzlich in die Augen. Meine spontane Reaktion war eine höfische Verneigung. Sie reagierte darauf wie eine edle, kleine Prinzessin und erwiderte meine Geste mit einem stolzen, süssen Lächeln und da schämte ich mich über meine üblen Gedanken und war wieder froh über das Karussell auf unsere Erde.
 Wie auch meine Bilder aus dem Dunkel erscheinen, interessiere ich mich für die Dinge, die im Dunkeln sind und, sobald von Licht getroffen, zuerst grausam und abstossend erscheinen, aber durch die Lichteinstrahlung erst wahrnehm-, ja sogar studierbar werden und die einzige Möglichkeit diese akzeptieren und verarbeiten zu können, sie anzunehmen ist (zumal man auch nie sicher bestimmen kann, wie viel von der Wahrnehmung Einfluss von Aussen und wie viel Projektion von dem Selbst ist). Um die Dinge annehmen zu können müssen wir das Hässliche umarmen. Das Hässliche ist das Unbekannte und Fremde. Wir können uns annähern, es umschliessen oder uns davor schützen, uns davor blockieren. Wie der Fluss fliesst sollte der Mensch fliessen und weich und anpassungsfähig sein und begreifen, dass er Eins ist mit der (Um-)Welt.


Meine Arbeiten beschäftigen sich, allgemein vom Menschen ausgehend mit Fragen nach Identität, Innen- und Aussenräumen, Religion, Mythologie und Mystik, Träumen und Symbolen. Tobija Stuker interessiert sich nicht für dies und für das. Ihn interessiert alles und nichts.

Tobija Stuker


Tobija Stuker, Schlangen, 2015


Tobija Stuker, zweikรถpfiges Kind, 2015


Mich interessiert prozesshaftes Arbeiten. Meine Arbeiten entwickeln sich ständig weiter, nur selten ist eine Werkserie abgeschlossen. Dazu kooperiere ich mit verschiedenen Personen und Materialien aus meinem Umfeld. So ist zum Beispiel der neue Campus wiederholt ein Thema meiner Auseinandersetzung oder Begegnungen mit anderen Menschen und Mitstudierenden. Originalitätsanspruch und die Rolle des Künstlers In meinem ersten Studienjahr habe ich die Serie der «Blauen Bilder» angefangen, die ich über mehr als zwei Jahre weiterentwickelt habe. Diese Arbeit handelt vom Originalitätsanspruch der Kunst und der ständigen Transformation eines Werkes. Im Prozess, von einer Arbeit zur nächsten, werden so Elemente übernommen und weitergedacht. Die produzierten Bilder sind in dieser Serie Manifestationen in einer langen Kette von Ereignissen. Im Duo mit Manuel Schneider war die eigene Rolle die wir als Künstlereinnehmen ein wichtiges Thema. Wir haben uns als junge, intelligente, zukunftsorientierte und erfolgreiche Kreative in schwarzen Sakkos inszeniert. Unser Doppelportrait haben wir überlebensgross auf Plakat gedruckt und im Aussenraum aufgehängt und somit unsere Rolle prominent propagiert. Es blieb dabei die Frage der individuellen Autorenschaft offen, wie viel der Einzelne an der Arbeit noch Teil hat, oder ob sich alles in unserer kollektiven Arbeit auflöst. Das Individuum wurde für das Duo geopfert. Kochen als künstlerische Methode Im Laufe des Studiums wurde Kochen und Essen ein wichtiger Bestandteil meiner künstlerischen Arbeit. Für Feste habe ich gemeinsam mit Mitstudierenden und Bekannten Essen zubereitet. Dabei gingen wir den direktesten Weg und arbeiteten mit dem, was vorhanden war. Oft verwendeten wir Essen von Foodsharing und Kochutensilien von Freunden. Foodsharing ist eine Plattform mit deren Hilfe Nahrungsmittel, die in Supermärkten und Geschäften nicht mehr verkauft werden können, abgeholt und an öffentliche Kühlschränke gebracht werden. Nie ging es uns um den Profit. Das Gemüse und die Früchte werden auf einfache Weise zubereitet, um so viele Portionen wie möglich in der gegebenen Zeit herzustellen.


Schau! Schau. Im Kunsthaus Baselland zeige ich die Arbeit Schau. Sie besteht aus sechs aus Eichenholz geschnitzten Zeigefingern und blau lackierten Fingernägeln aus demselben Material. Die Finger zeigen einerseits in die Höhe als einfache Geste der Richtung und sagen somit „Schau“. Andererseits tragen die Finger die Fingernägel zur Schau welche ausgewechselt und betrachtet werden können. Fingernägel wurden seit den 1920er Jahren immer öfters bemalt. Der Nagellack ist eine Erfindung aus der Automobilindustrie und wurde von da in die Kosmetik übernommen. Das Auto und der Nagellack versprechen dem Einzelnen mehr Eigenständigkeit und wurden vielleicht deshalb so populär. Die Vernetzung und Imagebildung könnte als ein modernes Handwerk angesehen werden. Im Internet zeigen wir auf Andere und verweisen dabei auf unser konstruiertes Selbst. Bei dieser Tätigkeit werden unsere Finger nicht schmutzig. Nagellack zerkratzt auch nicht und verschmilzt optisch mit den Displays die unsere Finger bedienen. Bei der Ausübung des Handwerks auf dem Display, wo immer wir uns befinden, sehen die Finger gut aus. Wer weiss, vielleicht können wir nicht immer viel bewirken mit unseren Fingern in Aktion auf dem Display unserer Geräte. Die Trennung zwischen dem Handwerk und reiner Kontemplation ist sehr fein. Wir beobachten die Finger, die sanft über die glatte Oberfläche fahren und uns ein bisschen schlafen lassen, während andere uns beschäftigt einstufen. Als alleinunternehmende Handwerker sind wir konstant den bewertenden Blicken anderer ausgesetzt. Als Schutz dient der Nagellack der unser Image bewährt.

Hanes Sturzenegger


Hanes Sturzenegger, Schau, 2015



Im Jahre 2012 entschied ich mich dafür ein Kunststudium zu absolvieren. Es ist mir wichtig über die Kunst in einen Dialog zu treten und eine Sprache zu finden, mittels der ich kommunizieren kann. Während dem Studium konzentrierte ich mich anfangs vor allem auf das dreidimensionale Schaffen, das Experimentieren mit Materialien. Ich schmetterte Keramikteller auf den Boden und klebte diese wieder zusammen, präparierte beschädigte Gegenstände mit Heftpflaster und arbeitete mit Textilien. Ich versteifte Shirts als einen Abdruck meines Körpers, füllte durchsichtige Plastikhüllen mit weissen Textilien und baute aus weissen Stoffstücken ein Möbelstück nach. Das Kaputte übte eine grosse Faszination auf mich aus. Meines Erachtens schliesst das Kaputte eine Lücke mit ein das für verschiedene Einwirkungen offen ist. Mit diesem Zustand, aber auch mit dessen Entwicklung, befasste ich mich während meinem Studium. Zwischenmenschliche Zusammenhänge in Bezug auf materielle Strukturen begannen meine Arbeit zunehmend zu beeinflussen und wurden zu einem wesentlichen Bestandteil. Mir ging es darum Muster zu erkennen, diese zu durchbrechen und neu zu kombinieren. Es ging mir auch darum, die Wechselbeziehung zwischen den einzelnen Elementen und ihrer Fähigkeiten zu untersuchen, diesen steten Wandel zu erfassen und aufzuzeichnen.


Während dem 5. Semester war ich an der Akademie der Bildenden Künste in Wien, wo ich einen Zeichnungskurs besuchte und mich im Aktzeichnen übte. Ich verbrachte viele Momente des Zeichnens in Bewegung – am Boden liegend, an eine Wand gelehnt oder sitzend. Bei meiner Bachelor Abschlussarbeit steht das Körperliche im Vordergrund. Darin versuche ich, bisherige Arbeitsmethoden, die ich mir über mein anfänglich räumliches Arbeiten angeeignet habe zu verbinden und ins Zweidimensionale zu übertragen. Die Arbeit besteht aus einer Zeichnung: Es ist eine Freihandzeichnung, die ich mittels Graphit auf Transparentpapier angefertigt habe. Mittels dem Strich versuche ich ein Cluster zu finden, das meinen Denkraum visuell darstellt, ähnlich einem Röntgenbild, dem nichts materielles zugrunde liegt, sondern das viel eher die Prozesshaftigkeit meines Denkens zu fassen versucht. Der Graphit schimmert je nach Blickwinkel anders und spielt mit Licht und Raum. Je nach Perspektive wird die Wahrnehmung beeinflusst und verzerrt, eine gegebene Form aufgelöst, Verbindungen erstarken oder schwächen sich ab, der Strich verdichtet sich, wird stärker und wieder schwächer. Natürliche Prozesse des Werdens und des Vergehens, Mutation, wird visuell erkennbar. Skulptur: 
Aus weissen Stoff baute ich ein Möbelstück nach, indem ich die Textilstücke zusammennähte. Danach wurden die Teile versteift und bearbeitet. Das Objekt hat keine offensichtliche Funktion. Es spielt mit dem gedanklichen Erfassen eines Körpers und dessen Auflösung. Mich beschäftigte das Flüchtige der Gedanken auch in Bezug auf das, was haften bleibt.

Tanja Weidmann


Tanja Weidmann, Ohne Titel, 2015



Ich arbeite mit verschiedenen Montagetechniken und verwende für die Zusammenstellungen oftmals Found Footage-Material aus eigenem Fundus oder dem Internet. Für die präsentierte Arbeit Raumstudie auf Zeitschrift 1 habe ich mich speziell mit gefundenem Bildmaterial aus Interiordesign- und Architekturzeitschriften beschäftigt, wobei ich Teilbereiche von ganzen Seiten mit weisser, halbdeckender Farbe übermalt habe. Durch diese Neuordnung von Überdecktem und Hinterlassenem findet einerseits eine Wertung statt, andererseits werden Reproduktionen alltäglicher Gegenstände verfremdet und erst durch diesen scheinbar einfachen Eingriff in ihrer Absurdität sichtbar. Es eröffnet neue Leseweisen der Bilderwelt, die uns umgibt und die wir fortwährend konsumieren und vermag gesellschaftlich und politisch relevante Fragen nach Themen aufzuwerfen wie etwa Wohnkultur, Design, Klasse, Geschlechterrollen und ideale Familienmodelle.
 In Abgrenzung zu einem gezielt inhaltlichen Vergleich sehe ich formal eine produktive Spannungen in der bildlichen Gegenüberstellung der übermalten Blätter. Bei der Auseinandersetzung mit Zeitschriften als dem Ausgangsmaterial– als Träger von teils aktuellen, teils lang anhaltenden Wunschvorstellungen und Bedürfnissen in unserer Gesellschaft – ist die Idee von Liebe und Wärme in Bezug auf den Raum von zentraler Bedeutung für mich. 
Welche Rolle spielen Gegenstände und Interieurs die uns umgeben für unsere Existenz? Welche Dinge lassen wir uns nahekommen, inwiefern gehen wir eine emotionale Beziehung mit ihnen ein und machen sie uns zu Eigen? Aus welchem Grund entsteht ein Bedürfnis nach dekorativen Objekten? Wo verläuft die Grenze zwischen Design und Deko, zwischen gutem Geschmack und Kitsch, zwischen Nutzen und Geborgenheit? Sind es Manifestationen unseres Selbst im Raum, das ansonsten vergänglich und ungreifbar wird? 
Diese Phänomene möchte ich als strukturgebendes Element im Netzwerk unserer geistigen Konstruktion von Raum und Zeit ernst nehmen.


Einige der Fragen können auch eine politische Dimension haben, aber der Blick, den ich auf die Dinge werfen möchte, ist eben nicht nur kritisch oder analytisch. Meine Herangehensweise ist emotional und intuitiv, mein Blick auf diese Bilderwelten soll auch von einer gewissen Wärme und von Verständnis geprägt sein. 
Ich denke somit zwar genug Distanz zu haben, um gewisse Mechanismen der Bildproduktion und -zirkulation hinterfragen, gleichzeitig aber auch nahe genug an ihnen zu sein, um sie emotional begreifen zu können.

Elisabeth Zeller


Elisabeth Zeller, Raumstudie auf Zeitschrift 1, 2015



Lockeres Denken – Loose Thinking Kuratiert von Chus Martínez und Ines Goldbach Assistenzkuratorin Sarina Scheidegger Externe Jury Judith Kakon und Nina Zimmer Dozierende Katrin Freisager, Philipp Gasser, Nicolas Kerksieck, Emil Michael Klein, Muda Mathis, Alexandra Navratil, Nadja Solari, Reinhard Storz, Lena Maria Thüring Aufbau Andreas Spichty, Patrick Doggweiler und Team Kunsthaus Baselland Grafik Dan Solbach Übersetzung Ann Cotten Lektorat Eveline Wüthrich mit freundlichem Dank an Kunsthaus Baselland Crédit Agricole Financements Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW Hochschule für Gestaltung und Kunst Institut Kunst Freilager-Platz 1 CH-4023 Basel www.fhnw.ch/hgk/iku www.institut-kunst.ch


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.