Maria Zimmermann "Interview"

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Interview Maria Zimmermann: Interview mit mir selbst. Geb. 1957. Ausbildung zur Schauspielerin an der Hochschule f. Musik und darstellende Kunst in Graz, Österreich, 1981. BA in Kunst und Vermittlung, HSLU Design und Kunst, Luzern, Schweiz, 2010. MA in Fine Arts, FHNW Basel, Schweiz, Abschluss im Sommer 2014.

Was hat ursprünglich Dein Interesse an Art brut/Outsider Art ausgelöst? M. Z. Es ist Jahre her, da besuchte ich die Collection de l’Art Brut und war total begeistert. Damals hatte ich von der bildenden Kunst noch wenig Ahnung, da ich mich hauptsächlich für Theater und Literatur interessiert habe. In der Collection entdeckte ich eine phantastische Welt, Welten und Geschichten, Biographien, die mich völlig in ihren Bann gezogen haben. Später sah ich dann Bilder von Künstlern aus Gugging und las einiges von Leo Navratil. Ich habe mit Begeisterung Gedichte von Ernst Herbeck, Gertrude Stein, Ernst Jandl und die Anagramme von Unica Zürn gelesen und mir wenig Gedanken über eine ‘Einordnung‘ in ein Kunstsystem gemacht. Mein erstes Buch, dass ich damals zum Thema Aussenseiterkunst gekauft habe, war, ‘Irre ist weiblich, Künstlerische Interventionen von Frauen in der Psychiatrie um 1900‘, eine Publikation der Sammlung Prinzhorn. Bei vielen Bildern, Zeichnungen, Objekte der Art brut/Outsider Art klang und klingt immer noch die Phantasiewelt meiner Kindheit nach. Es ist ein Ort, an dem ich heute noch heimisch bin. Wie wichtig ist es für Dich die eigene künstlerische Arbeit in einem kunsthistorischen Zusammenhang zu sehen, zu positionieren? M. Z. Es gab eine Zeit, noch vor kurzem, da war mir das sehr wichtig. Heute kann ich damit entspannter umgehen. Inzwischen weiss ich, dass meine Arbeit, die Puppen, die eine ästhetische Verwandtschaft zu Outsider Art aufweisen, mein persönlicher Ausdruck eines Gefühls, eines Bedürfnisses sind. Dies trifft auch auf meine Zeichnungen und die gemalten Bilder zu. Ob In- oder Outsider, ob Neo-Expressionismus, 80er-Jahre, zeitgenössisch oder nicht, es ist in erster Linie eine Fremdzuschreibung, mit der ich während meiner Kunstausbildung konfrontiert wurde. Nun liegt es an mir, welche und wieviel Bedeutung ich dieser gebe. Seit langem nähe ich immer wieder Puppen, Figuren, früher für meine Söhne oder Kinder, die ich betreut habe, heute für mich. In der Auseinandersetzung mit dem Werk von Unica Zürn bin ich auch auf die Puppen ihres Lebensgefährten, Hans Bellmer, gestossen. Später habe ich die genähten Figuren von Louise Bourgeois und Eva Aeppli entdeckt, wie auch die transformierten Schaufensterpuppen von Jake und Dino Chapman und Cindy Shermans photographisches Werk, das sich mit der Inszenierung von Puppen beschäftigt. Die physische Präsenz einer Figur, besonders einer genähten, berührt mich immer wieder aufs Neue. Der menschliche Körper ist zentral in meiner Arbeit. Was sich verändert hat ist, dass ich meine Produkte als Kunst rezipiere und reflektiere. Eine meiner Identitäten ist die der Künstlerin. Ich


betrachte mich, unter den verschiedenen Tätigkeiten, die ich ausgeübt habe und ausübe, auch als Künstlerin. Am meisten kann ich mich mit dem Modell des Lebenskunstwerks identifizieren, Leben und Kunst als Daseinsform und das mit einer gewissen Obsession. Was interessiert Dich allgemein an Biografien und im Besonderen an denen von Aussenseiterkünstlern? M. Z. Ich bin sehr neugierig, wie Menschen gelebt haben und leben, wie sie sich darstellen und dargestellt werden oder darstellen lassen. Eine Biografie kann diese Neugier teilweise befriedigen. Ich bin mir sehr bewusst, dass Biografien ein Konstrukt sind. Ich mag an der Biografie das Narrative und den historischen Hintergrund, Fakten und Fiktionen. Ich versuche immer öfters, sie losgelöst vom bildnerischen oder literarischen Werk zu lesen und merke gleichzeitig, wie schwierig das ist, mich davon nicht beeinflussen zu lassen. Art brut/Outsider Art Biografien von Psychiatrieerfahrenen berühren mich besonders. In meiner Familie sind psychische Erkrankungen seit mehreren Generationen ein Thema. In deiner Recherchen basierten Abschlussarbeit hast Du da eine Zunahme von Werken festgestellt, die von zeitgenössischen, nicht Aussenseiterkünstlern geschaffen wurden, in Anlehnungen an die Art brut/Outsider Art? M. Z. Nein, nicht wirklich. Es gibt viele verschiedenen Positionen. Die Ausstellung im Kunstmuseum Bern, ‘Merets Funken‘, Surrealismen in der zeitgenössischen Schweizer Kunst, hat mir gezeigt, das junge Künstler sich mit dem Phantastischen auseinandersetzen, aber ob sie sich gleichzeitig auch für die ‘Welten‘ und die Formensprache der Art brut/Outsider Art interessieren, ist vom rein Ästhetischen her nicht erkennbar. Ich kann mir vorstellen, dass viele Künstler dieses Gebiet durchqueren, ähnliche Faszination verspüren und sich Fragen stellen, wie ich sie mir gestellt habe. Sie erforschen vielleicht den kunsthistorischen Kontext und empfinden die Ästhetik, die sich heute in eine zeitgenössische Formensprache einfügt, als eine von möglichen Inspirationen. Einige nehmen in ihrer eigenen Formensprache Bezug auf historische Arbeiten von Art brut/Outsider Art, vergleichbar zu Künstlern, die sich auf Arbeiten aus der klassischen Kunstgeschichte beziehen. Wie empfindest Du heute Art brut/Outsider Art? M. Z. Ich habe seit Beginn meiner Recherchen, Anfang 2012, viele Werke in Ausstellungen gesehen, Publikationen gelesen und einige Interviews zu diesem Thema geführt. Meine Wahrnehmung und damit auch mein Verständnis von Art brut/Outsider Art hat sich verändert. Ich bin kritischer geworden, was die Ästhetik betrifft, und sehe heute Werke von Art brut/Outsider Art bisweilen nur noch in einem historischen oder kunsttherapeutischen Zusammenhang. Klar geworden ist mir auch, dass der Kunstmarkt Art brut/Outsider Art, diese historischen Begriffe, zu einem Label gemacht hat, welches marktorientiert funktioniert. Spannend finde ich Ausstellungen, die verschiedene Positionen zeigen, inklusive Art brut/Outsider Art, die aber für mich nicht als solche deklariert werden müssen. Kunsthistorische Arbeiten der Art brut/Outsider Art fesseln mich immer noch und ich werde sie auch in Zukunft in weiteren Sammlungen erkunden und erforschen.



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