«Reisebericht Schaan» Gianin Conrad

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Reisebericht Schaan Dienstag , 24. Juli 2012 Ich beziehe mein Zimmer in Schaan. Kunststudenten der HGK Basel wurden eingeladen ein paar Tage im Hotel „alte Post“ zu verbringen um eine Ausstellung einzurichten. Das Zimmer ist wie üblich komplett möbliert. Nach dem Auspacken und Verstauen meiner mitgebrachten Habseligkeiten begebe ich mich auf Entdeckungstour im Zimmer. Mein Zimmer gleicht einer Situation wie man sie in Brockenhäusern antrifft. Die Möbel aus zweiter Hand sind auch dort liebevoll zu kleinen Intereures arrangiert. Vorhänge, Teppiche , Lampen, Möbel und das sorgfältig glattgestrichene Bett bilden eine strenge Ordnung aus unterschiedlichen Teilen mit unterschiedlichem Design und Herkunft. Das ordentliche Erscheinungsbild des Zimmers erinnert mich an meinen Militärdienst in Genf. Damals wurden wir in einer alten Hippie-Jugendherberge untergebracht und mussten mit der im Militärdienst üblichen Gründlichkeit Ordnung halten . Die Peinlichkeit des Hotelzimmers veranlasst mich mein Mittgebrachtes ebenfalls einer strengen Ordnung zu unterziehen. Und so lege ich meine Zahnbürste sorgfältig neben die Tube Zahnpasta, hänge meine Hemden an die Bügel und lege mir meine Abendlektüre auf dem Nachttischchen bereit. Die Sonne hat sich bereits hinter die Bergen verabschiedet und allmählich freunde ich mich mit meinem Zimmer an. Mittwoch, 25. Juli 2012 Die strenge Ordnung des Zimmers beschäftigt mich auch heute Morgen. Sie wird zur Ausgangslage für meine Ausflüge. Beim näheren Betrachten des Inventars wirkt dieses immer mehr zufällig zusammengestellt. Das veranlasst mich nach meinen Bedürfnissen einzurichten und einzelne Möbelstücke umzustellen. Den grünen Holzstuhl stelle ich auf die andre Seite des Bettes zu meinen Schuhen. Das kleine Nachttischlämpchen in Kerzenform habe ich gestern schon zum Lesen auf die linke Seite des Bettes genommen. Die anfänglich kleinen Veränderungen bewirken, dass ich im Verlauf des Tages auch grössere Eingriffe vornehmen. So schiebe ich beispielsweise das Bett näher zum geöffneten Fenster, wodurch ich mir eine angenehme Nachtruhe erhoffe. Dazu muss ich allerdings auch den Kleiderschrank verschieben, da das Bett ansonsten neben dem Schrank keinen Platz hätte. Den Teppich auf dem Fussboden schiebe ich zwischen Bett und Lavabo, damit ich nach der Abendtoilette nicht barfuss auf dem kalten Novilon-Boden gehen muss.



Donnerstag, 26.Juli 2012 Mein Zimmer ist im Umbruch, das Eine muss dem Anderen Weichen. Ordnungen verfestigen sich um später wieder aufgelöst zu werden. Die Veränderungen im Zimmer motivieren mich weiter über das ordnen von Dingen nachzudenken. Den Kleiderschrank lege ich auf seine Rückwand. Mit wenigen Handgriffen wird er in eine Bettstatt umgewandelt. Das somit nicht mehr benötigte Bett baue ich auseinander und benutze den Lattenrost als Kleideraufbewahrungssystem. Die Matratze mit ihrem Blumenmuster wird zum Landschaftsbild und das offene Fenster zum Kleiderschrank mit Aussicht. Ich reise innerhalb des Hotelzimmers. Auf meinen Streifzügen von Wand zu Wand erlebe ich einige Überraschungen und entdecke das Bekannte neu. Von meinen Reisen bringe ich zahlreiche Fotografien von Landschaften, tektonische Gegebenheiten, sowie Aus- und Einsichten mit. Die auf Fotopapier festgehaltenen Eindrücke präsentiere ich in meinem Hotelzimmer, welches wieder in den originalen Zustand gebracht wurde. Das Material meiner Reise liegt fein säuberlich geordnet da. Nur die Fotografien an den Wänden zeugen von fremden Inhalten und Gebräuchen.


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