Wasser als Festkรถrper Ines Kรถrner Public Interaction Semesterprojekt SS 2010
Inhaltverzeichnis
Was bedeutet Public Interaction? Recherche
Welchen Wissenschaftler? Wer war Blaise Pascal? Moodboard Welchen Sachverhalt?
Entwurf
Hypothese Ăœbungen in Processing Illustration von Wasser
Konzept
Szenario Vormodell Modellbau-Plan Technische Komponenten Illustration von Wasser in Processing
Prototyp
Visualisierung in Processing Animation Funktions-Modell Sinnflut, Poster
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Was bedeutet “Public Interaction”? Diese Frage stand am Anfang des Projektes im Raum. Um dies zu beantworten, müssen die Ziele des Kurses erklärt werden. Es sollten: - Interactionsformate im öffentlichen Raum gestalten, die den Betrachter zum Akteur werden lassen - Prinzipien, Sachverhalte, Gesetze aus der Wissenschaft spielerisch und intuitiv präsentieren Die Umsetzung dieser Ziele sollte mit dem Open-SourceProgram “Processing” erfolgen, Neben dem Erlernen von Processing-Kenntnissen war ein weiterer Schwerpunkt die optimale Interaction zwischen Mensch und Maschine. Der Mensch mit seinen Sinnen sollte eine direkte Rückkopplung beim Bedienen der “Maschine” bekommen und somit die dargestellten wissenschaftlichen Gesetze unmittelbar begreifen und erleben.
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Welchen Wissenschaftler? Die erste Aufgabe in diesem Projekt bestand darin, einen wissenschaftlichen Sachverhalt zu finden, dessen Erfindungen in den öffentlichen Raum also z.B. in den Raum Magdeburg passen. Somit war der erste Schritt meiner Recherche eine Tour durch Magdeburg, ausgerüstet mit Fahrrad und Kamera. Ein großes Thema, dass sich in Magdeburg anbot ist die Elbe und das Element Wasser. Aber auch der Industriehafen, Kirchenanlagen oder Parks kamen in Frage. Ich schwankte daher zu Beginn noch zwischen drei unterschiedlichen Themengebieten. Für das Gebiet der Botanik wählte ich Gregor Mendel als Wissenschaftler. James Watt wäre für den Industriehafen und die dortigen Eisenbahnanlagen geeignet und die hydraulischen Gesetze von Blaise Pascal würden an den “Schauplatz Elbe” passen.
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Mit den folgenden drei Bilder versuchte ich erste grobe Vorstellungen zu illustrieren, wie eine Installation aussehen könnte, welche die in der Recherche erkundeten öffentlichen Plätze einbezieht. Auf dem ersten Bild ist eine Installation am “Mückenwirt” in Magdeburg-Buckau zu erkennen. Thema des gezeigten Szenarios ist die Darstellung, wie James Watt die Effektivität der Dampfmaschine erhöhte. Der Salbker Wasserturm ist auf dem nächsten Bild zu sehen. Durch ihn könnte man das Gesetz der kommunizierenden Röhren und somit das Funktionsprinzip der städtischen Wasserversorgung erklären. Das dritte Bild zeigt eine Treppe im Rothehorn-Park. Der durch Menschen erzeugte Druck ,der auf die Treppe wirkt würde dazu dienen um darzustellen, welche Kräfte nötig sind, um Wasser zusammen zu drücken oder auch um Wasser eine gewisse Höhe überwinden zu lassen.
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Wer war Blaise Pascal? Meine Entscheidung viel schließlich auf Blaise Pascal, da mir zum einen dieser Wissenschaftler relativ unbekannt war und mich zum anderen seine zahlreichen Entdeckungen beeindruckten. 1623 wurde er in Clermont-Ferrand geboren und wuchs in einer amtadligen Familie auf. Mit 16 Jahren schrieb er sein erstes Werk, eine Abhandlung über Kegelschnitte und nur drei Jahre später entwickelte er die erste Rechenmaschine, die “Pascaline”. 1646 bewies er mittels einer mit Quecksilber gefüllten Röhre (Barometer) das die Höhendifferenz zweier Orte durch den Luftdruck gemessen werden kann und sogar Wettervorhersagen so möglich sind. Diese und weitere Erkenntnisse über das Verhalten von Flüssigkeiten, wie z.B. das Prinzip der kommunizierenden Röhren und weitere Gesetze der Hydraulik veröffentlicht er in seinen “Abhandlungen über das Gleichgewicht in der Flüssigkeiten und das Gewicht der Luft”. Zusätzlich beschäftigte er sich mit der Wahrscheinlichkeitsrechnung und entwickelte sogar das erste “Taxi-Unternehmen” in Paris. Aber nicht allein die Naturwissenschaften faszinierten Pascal. Als tief gläubiger Jansenist erstellte er philosophische Schriften, die “Pensées”. Mit nur 39 Jahren starb Pascal 1662 an Hirnblutungen.
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Moodboard Um das Leben und die Werke Blaise Pascals zusammenzufassen und in einer gestalterischen Form darzustellen, entwickelte ich ein Moodboard, welches die f체r mich wichtigsten Informationen enth채lt.
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Welchen Sachverhalt? Obwohl man Blaise Pascal wohl eher mit dem Luftdruck in Verbindung bringt, entschied ich mich für die von ihm entdeckten Gesetze der Hydraulik. Besonders seine Erkenntnisse über das Verhalten von Wasser unter Druckeinwirkung wollte ich als Thema nehmen und in meiner späteren Installation deutlich machen. Die nachfolgende Illustration diente dazu, den speziellen Sachverhalt gestalterisch darzustellen und auf das Wesentliche zu komprimieren. Des Weiteren versuchte ich diese Gesetzmäßigkeit in einer Hypothese zusammen zu fassen.
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Hypothese Flüssigkeiten verhalten sich bei Druckeinwirkung wie Festkörper! Sie verformen sich kaum. - Da Flüssigkeiten schlecht zusammen gedrückt werden können, geben sie einen auf sie einwirkenden Druck direkt an angrenzende Körper weiter. - Allgemein ist in Flüssigkeiten der Abstand zwischen den Molekülen sehr gering. Die unregelmäßige Anordnung der einzelnen Elemente führt dazu, dass die Moleküle zwar verschiebbar sind aber immer zusammen bleiben. Dieses Verhalten ist die Grundlage für alle hydraulischen Anlagen und dient dazu große Kräfte mit minimalen Aufwand aufzubringen. Anwendungsbeispiele sind unter anderem: hydraulischer Wagenheber, Kräne, hydraulische Presse,...
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Übungen in Processing Um die entwickelten Ideen nun in Processing zu realisieren, sollte ein interactives Icon, welches unseren Sachverhalt verdeutlicht, generiert werden. Nachfolgend sind unterschiedliche Programmierungsansätze zu sehen, die den Prozess vom linearen “Zeichnen” zu einer freien, abstrakten Interpretation verdeutlichen.
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3 endgültiges Icon in der Interaction (links: normal, rechts: Mause gedrückt)
Script für Abb. 3: float abstand bestimmt den Abstand zwischen den Molekülen - ellipse(i, 350- abstand, 15,15); int i ist eine Variable, die anfangs 60 ist, immer um 40 vergrößert wird, aber nie größer als 360 wird. Wenn die Mouse gedrückt wird if (mousePressed...) verringert sich der Abstand, d.h. die Moleküle werden zusammengedrückt.
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Das Icon stellte zwar nur eine Übung dar, es entwickelte sich aber aus dieser Aufgabe heraus die Visualisierung für meine spätere Installation. Das starre Icon wurde eine freie Animation, die das Verhalten von Wasser zeigt, wenn man versucht es mit einem Festkörper in eine Ecke zu drängen.
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Script für Abb. 4: Ein array (Liste mit 50 Stellen) erstellt 50 Moleküle, die sich zufällig bewegen - Xgeschwindigkeit [i]=random. Eine for-Schleife bestimmt für alle Moleküle, wo sie abprallen müssen (Wände, “Festkörper”= Mause), d.h. z.B.: if (Xpos[i] > width){ Xgeschwindigkeit[i]= Xgeschwindigkeit[i]*-1; } Wenn also der X-Wert des Moleküls an die Wand kommt, wird seine Geschwindigkeit negativ, d.h. er kehrt um. Der Festkörper ist ein Kreis, der um den Mauszeiger gemalt wird. D.h. die Moleküle müssen von MouseX und MouseY abprallen.
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Illustration von Wasser Da meine Installation später das Verhalten von Wasser unter Druckeinwirkung beschreiben sollte, überlegte ich mir zunächst eine passende Darstellung von Wasser. Wie erklärt man möglichst einfach, dass Wasser nicht zusammengedrückt wird, sondern Druck direkt weiter gibt? Die nachfolgenden Bilder waren erste Entwürfe. In beiden Fällen ist ein Festkörper vorhanden. Dieser wird im oberen Bild durch einen schwarzen Balken dargestellt. In der unteren Zeichnung ist es eine Fläche die den massiven Körper symbolisiert.
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Szenario Da nun die Ideen zur Animation konkreter wurden, entwickelte ich Entwürfe, wie das “interactive Plakat” als Aktionsraum aussehen könnte. Im Bild 1 übt der Benutzer Druck auf eine Bodenplatte aus und sieht virtuell auf einer Leinwand, was dieser Druck unter der Platte bewirkt. Die Abbildung 2 stellt fast dieselbe Installation da, mit dem Unterschied, dass die Bodenplatten sich durch den Druck anheben bzw. absenken. Der Betrachter bekommt ein visuelles und ein physisches Feedback. Anders als bei 1 und 2 wird in der Abbildung 3 der Druck per Hand erzeugt. Der Mensch bedient eine Art Hebel und kann somit einen massiven Körper anheben.
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Bei der vierten Idee erzeugt der Benutzer ebenfalls den Druck mit der Hand. Die linke und rechte Außenseite eines Bildschirms kann eingedrückt werden. Auf dem Bildschirm erkennt man, dass sich zwischen den zwei Platten Wasser befindet. Wirkt nun z.B. ein Druck von links, so sieht man die Platte virtuell weiter gehen. Der Benutzer erkennt, dass die Platte den Druck an das Wasser weitergibt, dieses sich aber nicht zusammen drückt sondern die rechte Platte anstößt und hinausschiebt. Die zweite, physisch Platte kommt hervor.
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von oben
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frontal
Vormodell Von den vier unterschiedlichen Entwürfen entschied ich mich für die vierte Variante. Das Vormodell dazu fertigte ich aus Kapa-Platten. Die zwei Platten links und rechts vom Bildschirm ersetzte ich durch eine Art Kolbenstiel, der in meinem Vormodell durch einen Besenstiel dargestellt wurde. Durch den Kolbenstiel konnten die nun nur noch virtuell dargestellten Platten besser bewegt werden und der Benutzer betrachtete beim Ausüben des Druckes parallel die Animation. In dem unten gezeigten Vormodell war noch keinerlei Technik enthalten, da es nur dazu diente, die Handhabbarkeit und Verständlichkeit zu prüfen.
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Modellbau-Plan Im späteren Funktionsmodell musste eine Schubbewegung am Kolben zur Veränderung der Animation führen. Somit benötigte ich einen Sensor, der die Bewegung in Werte umwandelt und an Processing weiter gibt. Hierfür wählte ich ein Potentiometer, welches Drehbewegungen (Winkel) misst. Um das Verschieben des Kolbens nun in eine Drehbewegung umzuwandeln, wurde der Stab über ein Band mit einem Rad verbunden, welches sich beim Schieben drehte. Das Potentiometer in der Mitte des Rades wurde mit einem Arduino-Board verbunden. Dieses las die Daten ein und wurde über ein USB-Kabel mit dem Rechner verbunden. Des Weiteren beinhaltete meine Konstruktion zwei Bretter, die den Monitor absicherten und ein weiteres Brett, das am Kolben befestigt wurde. Da dieses Brett oben und unten an den “Monitor-Brettern” anstieß, konnte der Kolben nicht verdreht werden. Außerdem diente dieses Brett dazu, dass der Kolben nur in einem Bestimmten Bereich verschoben werden konnte, der mit der Animation abgestimmt war.
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Um eine optimale Bedienung zu gewährleisten, musst der Kasten in Augenhöhe an einer Wand montiert werden. Dies ließ sich unter den vorhandenen Bedingungen am besten an zwei Heizungsrohren realisieren. Die Wandbefestigung bestand aus mehreren Brettern, die an die Rohre geschraubt wurden. Über diese Bretter konnte nun der Kasten gestülpt werden. So rutschte er weder nach vorne, noch zur Seite oder nach unten und hielt die einwirkende Kraft beim Bedienen aus. Wandhalterung, durch Schrauben mit Rohren verklemmt Monitor
Sicherung für Monitor
Brett verhindert Drehen des Kolbens, ist mit Rad verbunden
Kolben
Rad mit Potentiometer in der Mitte, über Stricke mit Brett verbunden
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Technische Komponenten Um nun eine Ăœbertragung der Potentiometer-Werte in Processing zu erreichen, wurden die drei Kabel des Potentiometers als Analog Input an das Arduino-Board (Typ Duemilanove) angeschlossen. Ein USB-Kabel erstellte die Verbindung des Arduino mit dem Rechner. Um zwischen dem Board und dem Programm Processing eine Kommunikation herzustellen, musste ein zweites Programm, Arduino, auf dem Rechner installiert werden. Mit diesem Programm konnte eine Programmierung (StandardFirmata) auf das ArduinoBoard geladen werden. Processing benĂśtigte nun nur noch den Befehl, die Daten vom Arduino-Board einzulesen (import cc.arduino.*;). Als Ergebnis erhielt man in Processing Werte von 0 bis ca. 660, was in der analogen Drehbewegung einem Winkel von ca. 270 Grad entsprach. Die Potentiometerwerte (0-660) wurden in der Animation anstelle von der Mausposition verwendet. Vorher: mit Potentiometer: if(mouseX> 500){ if(potiVal> 500){ mouseX= 500; potiVal= 500; } }
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Illustration von Wasser in Processing Ebenso wie der Modellbau, wurde auch die digitalen Darstellung der Animation konkreter. In den folgenden Bildern versuchte ich in verschiedenen Varianten die Molekularstruktur von Wasser zu abstrahieren. Das Bewegungsverhalten zwischen den Elementen sollte erkennbar sein, ohne das es wie ein fester Kรถrper wirkt.
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Visualisierung in Processing Die zunächst einfache Darstellung (1) des verschiebbaren Wasserbereichs wurde in meinem zweiten Entwurf (2) durch einen dünneren Tunnel zwischen den zwei Gefäßen komplexer. Die Bewegung des Wassers wird so deutlicher erkennbar. Die endgültige Animation stellte eine Kombination der zwei vorhergehenden Entwürfe dar. Die Wassermoleküle verkörperten kleine, frei bewegliche Kreise, die von den Kolben hin und her bewegt wurden.
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Animation Die Programmierung bestand wieder aus einem Array von 200 Molekülen, die mit unterschiedlciher Geschwindigkeit sich bewegten. Die Bewegung muste durch ifAbfragen reguliert werden, sodass sie immer in den zwei Gefäßen, bzw. dem Tunnel blieben. Bei einer Kolbenbewegung mussten die Moleküle “flüchten”, d.h. sie bewahrten immer einen gewissen Abstand zu den Kolben. Bsp.: (b = potiVal) if (Xpos[i] < b+40) { Xpos[i] = (b +40); Xgeschwindigkeit[i] = Xgeschwindigkeit[i] * -1;
}
Kommt ein Molekül in den verengten Bereich (Tunnel), geschieht folgendes: if (Ypos[i] > RohrDeckeXgeschwindigkeit[i] && Ypos[i] < RohrBoden+Xgeschwindigkeit[i]) { korrekturImTunnel(i);
}
void korrekturImTunnel(int i){ if (Ypos[i] < RohrDecke + molekuelRadius) { Ypos[i] = RohrDecke +molekuelRadius; Ygeschwindigkeit[i] = Ygeschwindigkeit[i] * -1; } if (Ypos[i] > RohrBoden -molekuelRadius) { Ypos[i] = RohrBoden -molekuelRadius; Ygeschwindigkeit[i] = Ygeschwindigkeit[i] * -1; } }
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Funktions-Modell In den letzten Wochen vor der Endpräsentation fertigte ich das Modell aus MDF-Platten. Dafür machte ich mir zunächst einen Plan, wie Montage der einzelnen Elemente am effektivsten wäre. Anschließend Baute ich den Kasten und setzte den Monitor mit den Brettern ein. Dann kam der Kolbenstiel, das Rad mit dem Potentiometer in den Kasten. Zuletzt wurde der Kasten mit schwarzer Beize eingefärbt.
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Sinnflut, Poster Die Präsentation des Projektes Public Interaction fand am 22.07.2010 im Haus 9, dem Fachbereichsgebäude für Industrial Design, statt. Für diesen Anlass und die am Abend folgende “Sinnflut” wurden die Installationen sowie dazu gestaltete Poster im Foyer vorgestellt.
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