DE - Myeloma Today - Band 23 Nummer 4 - Herbst 2023

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BAND 23 NUMMER 4 |

HERBST 2023

Herausgegeben von der International Myeloma Foundation

US-Arzneimittelbehörde erteilt Zulassung für zwei neue Myelom-Medikamente ELREXFIO™ und TALVEY™ sind bispezifische monoklonale Antikörper, die jeweils ein anderes neues Ziel bei der Behandlung von Patienten mit rezidiviertem und refraktärem Myelom angreifen

ELREXFIO™

(Elranatamab-bcmm)

Myelomzelle

TALVEY™

T-Zelle

Elrexfio aktiviert die T-Zelle, die daraufhin zytotoxisches Granulat freisetzt, welches die Myelomzelle abtötet

T-Zelle

Talvey aktiviert die T-Zelle, die daraufhin zytotoxisches Granulat freisetzt, welches die Myelomzelle abtötet

(Talquetamab-tgvs)

Myelomzelle

Diese Ausgabe von Myeloma Today wird unterstützt von AbbVie • Bristol Myers Squibb • GSK • Janssen Oncology • Karyopharm Therapeutics • Pfizer • Sanofi • Takeda Oncology


Wissenschaft und Klinik

ELREXFIO™ (Elranatamab-bcmm) Dieser interessante und neue bispezifische Antikörper steht Patienten im klinischen Umfeld jetzt zur Verfügung

Von Dr. Joseph Mikhael IMF Chief Medical Officer Am 14. August 2023 erteilte die US-Arzneimittelbehörde Food und Drug Administration (FDA) die Zulassung für Elrexfio™ (Elranatamab-bcmm), ein bispezifischer gegen das B-Zell-Maturationsantigen (BCMA) gerichteter CD3-TZell-Engager, zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit rezidiviertem und refraktärem Myelom, die bereits mindestens vier Therapielinien erhalten haben, darunter einen Proteasominhibitor, einen Immunmodulator und einen Anti-CD38-Antikörper. Der Begriff „bispezifisch“ bedeutet, dass das Medikament über zwei „Arme“ verfügt. Ein Arm bindet an der Myelomzelle über das BCMA-Ziel an der Zelloberfläche und der andere Arm bindet an eine lokale T-Zelle und aktiviert diese, um die Myelomzelle zu zerstören. (CRS, eine Art der Reaktion, die das Immunsystem bei der Aktivierung der T-Zellen hat), hämatologisch-bedingte Ereignisse (Verschlechterung des Blutbilds) und Infektionen. CRS ist die am häufigsten beobachtete Nebenwirkung bei T-Zell-Therapien, jedoch sind Inzidenz und Schwere der CRS bei bispezifischen Antikörpern niedriger als bei der CAR-T-Zell-Therapie.

Remissionsraten

Am 15. August veröffentlichte die Fachzeitschrift „Nature Medicine“ ein Manuskript von Dr. Alexander M. Lesokhin und Kollegen zu den Ergebnissen der klinischen Phase-II-Studie MagnetisMM-3. Elrexfio zeigte ein wirksames und dauerhaftes Ansprechen mit einem annehmbaren Sicherheitsprofil. Stark vorbehandelte Patienten mit rezidiviertem und refraktärem Myelom, von denen eine hohe Anzahl bei Baseline schlechte prognostische Merkmale zeigten, wurden mit

Elrexfio behandelt. Die Gabe erfolgte durch subkutane (s. c., unter der Haut) Injektionen mit einer Dosis von 76 mg einmal wöchentlich nach der Aufdosierung von 12 mg gefolgt von 32 mg während der ersten Behandlungswoche. Nach 6 Zyklen wurden Responders mit anhaltendem Ansprechen auf eine zweiwöchentliche (alle 2 Wochen) Dosisgabe umgestellt. Patienten der Kohorte A, die noch keine BCMA-gerichtete Therapie erhalten hatten, zeigten eine Gesamtansprechrate (ORR) von 61 %. Eine komplette Remission (CR) wurde bei 35 % oder mehr Patienten erreicht, 50 Patienten wurden auf eine zweiwöchentliche Gabe umgestellt und 40 Patienten verbesserten oder hielten ihre Remission für mindestens 6 Monate bei. Mit einer medianen Nachbeobachtung von 14,7 Monaten wurden mediane Dauer der Remission (DOR), progressionsfreies Überleben (PFS) und Gesamtüberleben (OS) nicht erreicht. Die Raten nach fünfzehn Monaten lagen jeweils bei 71,5 %, 50,9 % und 56,7 %. Die von der Phase-II-Studie gemeldeten Ergebnisse entsprechen denn von der Phase-IStudie MagnetisMM-1 gemeldeten Ergebnissen.

Häufige Nebenwirkungen

Die am häufigsten aufgetretenen behandlungsbedingten unerwünschten Ereignisse (TEAE), die während der Behandlung auftraten, vor der Behandlung nicht vorlagen oder sich im Vergleich zu dem in der MagnetisMM-3-Studie gemeldeten Vorbehandlungszustand verschlechterten, waren Zytokin-Freisetzungssyndrom (CRS, eine Art der Reaktion, die das Immunsystem bei der Aktivierung der T-Zellen hat), hämatologisch-bedingte Ereignisse (Verschlechterung des Blutbilds) und Infektionen. CRS ist die am häufigsten beobachtete Nebenwirkung bei T-Zell-Therapien, jedoch sind (Fortsetzung auf Seite 4)

Elrexfio bindet an CD3 an der Oberfläche der T-Zelle

ELREXFIOTM (elranatamab-bcmm) Elrexfio bindet an BCMA an der Oberfläche der Myelomzelle

CD3 T-Zelle

Myelomzelle

BCMAtumorspezifisches Antigen an der Oberfläche der Myelomzelle

Elrexfio aktiviert die T-Zelle, die daraufhin zytotoxisches Granulat freisetzt, welches die Myelomzelle abtötet 2 HERBST 2023

info@myeloma.org  myeloma.org


Wissenschaft und Klinik

TALVEY™ (Talquetamab-tgvs)

FDA erteilt Zulassung für den ersten bispezifischen Antikörper, der auf GPRC5D und CD3 bei Patienten mit RRMM abzielt Von Dr. Joseph Mikhael IMF Chief Medical Officer Am 9. August 2023 erteilte die US-Arzneimittelbehörde Food und Drug Administration (FDA) die Zulassung für Talvey™ (Talquetamab-tgvs) zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit rezidiviertem oder refraktärem multiplem Myelom (RRMM), die bereits mindestens vier Therapielinien erhalten haben, darunter einen Proteasominhibitor, einen Immunmodulator und einen Anti-CD38-Antikörper. Die Zulassung basierte auf Daten der offenen, einarmigen Phase-I/II-Studie MonumenTAL-1 zu Talvey bei Patienten mit RRMM.

Die in den USA vom National Cancer Institute (NCI) für klinische Studien zu Krebs übernommenen Toxizitätskriterien umfassen Grad 0 (keine Symptome), Grad 1 (leichte Symptome), Grad 2 (mäßige Symptome), Grad 3 (behandlungsbedürftige Symptome), und Grad 4 (eine dringendes Eingreifen erfordernde Symptome). In der MonumenTAL-1-Studie zeigten sich GPRC5D-bedingte Nebenwirkungen mit der entsprechenden Identifizierung, Überwachung und Behandlung als klinisch behandelbar.

Talvey ist der einzige zugelassene bispezifische Antikörper, der auf den G-Protein-gekoppelten Rezeptor der Familie C, Gruppe 5, Mitglied D (GPRC5D) abzielt, der bei Myelomzellen überexprimiert ist, aber eine begrenzte Expression bei normalen hämatopoetischen Zellen (z. B. B-Zellen, Vorläuferzellen im Knochenmarl) zeigt. Mit Talvey behandelte Myelompatienten berichten über anhaltende klinisch bedeutsame Verbesserungen der Lebensqualität, was sich mit den Ergebnissen der MonumenTAL-1-Studie deckt.

Die Inzidenz schwerwiegender Infektionen war mit Talvey im Vergleich zu Behandlungen, die auf das B-ZellMaturationsantigen (BCMA) abzielen, niedriger. Vorbeugende Maßnahmen und Behandlungsstrategien entsprechen den nicht auf BCMA-gerichteten Therapien für das Myelom. Aufdosierungen wurden eingesetzt, um das Risiko von hochgradigem Zytokin-Freisetzungssyndrom (CRS) und Immuneffektorzell-assoziiertem Neurotoxizitätssyndrom (ICANS) zu mindern. Die engmaschige Überwachung auf CRS und ICANS ist während der Aufdosierung und der ersten vollständigen Dosis Talvey wichtig.

Der Begriff „bispezifisch“ bedeutet, dass Talvey über zwei „Arme“ verfügt. Ein Arm bindet an der Myelomzelle über GPRC5D an der Zelloberfläche und der andere Arm bindet an eine lokale T-Zelle und aktiviert diese, um die Myelomzelle zu zerstören. Talvey nutzt das Immunsystem eines Patienten bei der Bekämpfung seines Myeloms.

GPRC5D-assoziierte Nebenwirkungen umfassen außerdem Geschmacksstörungen, Haut- und Nagelerkrankungen. Zahnärzte, Ernährungsberater und Dermatologen können zusätzliche Ratschläge zur Behandlung von Nebenwirkungen geben und bestätigen, ob die Nebenwirkungen durch die Behandlung mit Talvey bedingt sind.

Die MonumenTAL-1-Studie zeigte bei Patienten mit RRMM eine Gesamtansprechrate (ORR) von mehr als 71 % bei wöchentlicher oder zweiwöchentlicher Gabe von Talvey. Fast 75 % der Patienten waren in der Tat bei der Behandlung mit Talvey refraktär auf 5 Medikamente. Es ist momentan noch zu früh, um die Remissionsdauer (DOR) zu schätzen.

Das Mitglied des Nurse Leadership Board (KrankenpflegeFührungsgremium) der IMF Donna Catamero, ANP-BC, OCN®, CCRC (Mount Sinai Health System, New York) stellte das Poster zum Thema „Praktische Behandlung von Patienten mit relapsiertem/refraktärem multiplem Myelom, die Talquetamab erhalten“ auf der 2023 International Myeloma Society (IMS) (Fortsetzung auf Seite 4)

Talvey bindet an CD3 an der Oberfläche der T-Zelle CD3

TALVEYTM (talquetamab-tgvs) Talvey bindet an GPRC5D an der Oberfläche der Myelomzelle

T-Zelle

Myelomzelle

GPRC5Dtumorspezifische Oberflächenantigene

Talvey aktiviert die T-Zelle, die daraufhin zytotoxisches Granulat freisetzt, welches die Myelomzelle abtötet +1-800-452-CURE gebührenfrei in den USA und in Kanada

+1-818-487-7455 international

HERBST 2023 3


Wissenschaft und Klinik ELREXFIO™ – FORTSETZUNG VON SEITE 2 Inzidenz und Schwere der CRS bei bispezifischen Antikörpern niedriger als bei der CAR-T-Zell-Therapie.

Evaluation and Mitigation Strategies; REMS) halten, mit dem die Risiken der Behandlung überwacht werden.

Die in den USA vom National Cancer Institute (NCI) für klinische Studien zu Krebs übernommenen Toxizitätskriterien umfassen Grad 0 (keine Symptome), Grad 1 (leichte Symptome), Grad 2 (mäßige Symptome), Grad 3 (behandlungsbedürftige Symptome), und Grad 4 (eine dringendes Eingreifen erfordernde Symptome). Ergebnisse der Phase-II-Studie, die nachfolgend in den Klammern aufgeführt wurden, sind als „beliebiger Grad, Grad 3–4“ geschrieben. Nebenwirkungen umfassten Infektionen (69,9 %, 39,8 %), CRS (57,7 %, 0 %), Anämie (48,8 %, 37,4 %) und Neutropenie (48,8 %, 48,8 %). Die Nebenwirkungen verringerten sich bei der zweiwöchentlichen Dosierung, mit einer Verringerung der unerwünschten Ereignisse des Grads 3–4 von 58,6% auf 46,6 %. Die zweiwöchentliche Dosierung von Elrexfio kann die Sicherheit ohne Beeinträchtigung der Wirksamkeit verbessern.

Fazit

Alle Therapiezentren, die Elrexfio verabreichen, müssen sich an ein Programm zur Risikobewertung und -minderung (Risk

Myelompatienten steht nun eine weitere neue und äußerst interessante Behandlungsoption offen. Jedes neue Medikament birgt das Potential, uns bei unserem Ziel der Heilung des Myeloms zu unterstützen. Die hohe Remissionsrate mit Elrexfio könnte für viele stark vorbehandelte Patienten einen Nutzen bringen. Dies sind aufregende Zeiten für die Myelom-Community! MT Dr. Mikhaels Artikel über bispezifische Antikörper finden Sie in der Frühjahrsausgabe 2022 von Myeloma Today und wenden Sie sich an die IMF InfoLine, wenn Sie Antworten auf myelombezogene Fragen und Hilfe bei Ihren Anliegen benötigen. Sie erreichen uns von Montag bis Freitag von 9 bis 16 Uhr (US-Westküstenzeit) unter der Nummer +1-800-452-CURE in den USA und Kanada und unter +1-818-487-7455 in anderen Ländern. Sie können auch eine E-Mail an InfoLine@myeloma.org senden, um Ihre Anfrage auf elektronischem Weg zu übermitteln.

TALVEY™ – FORTSETZUNG VON SEITE 3 Tagung in Athen, Griechenland, vor. Der Bericht von Donna wird nachfolgend zusammengefasst. G eschmacksstörungen wurden mit Dosisanpassungen bei weniger als 9 % der Studienteilnehmer und Abbruch der Behandlung bei weniger als 2 % der Studienteilnehmer gehandhabt. Orale Nebenwirkungen können anhalten, jedoch lag die Schwere meistens bei Grad 1 oder 2. Die Inzidenz von Dysgeusie (eine Störung des Geschmacksempfindens) lag bei 71–72 %, trockener Mund bei 27–40 % und Dysphagie (Schluckbeschwerden) bei 24–25 %. Die mittlere Zeit bis zum Einsetzen oraler Nebenwirkungen lag bei den meisten Patienten bei 15–29 Tagen, die mittlere Dauer lag bei 57–109 Tagen bei den meisten Patienten und die Beseitigung der oralen Nebenwirkungen wurde in 31–73 % der Fälle erzielt. U nterstützende ernährungstherapeutische Maßnahmen und Behandlungen können notwendig sein (z. B., Experimentieren mit Nahrungsmittelbeschaffenheit/ Geschmack, erhöhte Flüssigkeitszufuhr, künstliches Speichelspray, Mundspülung, Mundspüllösung mit Dexamethason, infektionshemmende Wirkstoffe und Vitaminzusätze), um das Interesse an Lebensmitteln wiederherzustellen. Patienten müssen auf Gewichtsverlust überwacht werden, der sich auf die gleichzeitige Medikamenteneinnahme auswirken könnte. D ie meisten hautbezogenen Nebenwirkungen können mit starken Feuchtigkeitscremes und Flüssigkeitszufuhr behandelt werden. Topische Kortikosteroide können zur Kontrolle von Entzündungen, Reizungen und Rötungen eingesetzt werden. Bei schwerwiegenden Ereignissen können orale Kortikosteroide eingenommen werden. Die Inzidenz von hautbezogenen Nebenwirkungen in der Studie mit und ohne Ausschlag (Exfoliation, trockene Haut, Hand-Fuß-Syndrom und Juckreiz) lag bei 30–73 % und die Schwere bei hauptsächlich Grad 1 oder 2. Die mittlere Zeit bis zum Einsetzen lag bei den meisten Patienten bei 4 HERBST 2023

20–30 Tagen, die mittlere Dauer lag bei 26–39 Tagen bei den meisten Patienten und die Beseitigung der hautbezogenen Nebenwirkungen wurde in 57–88 % der Fälle erzielt.  Die Inzidenz von nagelbezogenen Nebenwirkungen in der Studie lag bei 54–55 % und umfasste Onycholyse (Nagelablösung), Onychomadese (vollständige Lösung der Nagelplatte), Onychoclasis (Brechen der Nägel), Verfärbung, Störungen, Dystrophie und Rillen. Die Schwere war meist von Grad 1 oder 2. Die mittlere Zeit bis zum Einsetzen lag bei den meisten Patienten bei 68–69 Tagen, die mittlere Dauer lag bei 74–89 Tagen bei den meisten Patienten und die Beseitigung der Nebenwirkungen wurde in 26–33 % der Fälle erzielt. Eine Dosisanpassung war bei weniger als 1 % der Ereignisse erforderlich, und es kam aufgrund von nagelbezogenen Nebenwirkungen zu keinem Abbruch der Behandlung. Bequeme Schuhe, weiche Socken, gute Hygiene und Behandlung mit Feuchtigkeitscremes und/oder topische Kortikosteroide können in Betracht gezogen werden. Alle Therapiezentren, die Talvey verabreichen, müssen sich an ein Programm zur Risikobewertung und -minderung (Risk Evaluation and Mitigation Strategies; REMS) halten, mit dem die Risiken der Behandlung überwacht werden. Das sind sehr aufregende Neuigkeiten. Patienten mit RRMM steht nun eine weitere Behandlungsoption mit einer hohen Remissionsrate und einem neuen Ziel beim Kampf gegen ihr Myelom zur Verfügung. MT Dr. Mikhaels Artikel über bispezifische Antikörper finden Sie in der Frühjahrsausgabe 2022 von Myeloma Today und wenden Sie sich an die IMF InfoLine, wenn Sie Antworten auf myelombezogene Fragen und Hilfe bei Ihren Anliegen benötigen. Sie erreichen uns von Montag bis Freitag von 9 bis 16 Uhr (US-Westküstenzeit) unter der Nummer +1-800-452-CURE in den USA und Kanada und unter +1-818-487-7455 in anderen Ländern. Sie können auch eine E-Mail an InfoLine@myeloma.org senden, um Ihre Anfrage auf elektronischem Weg zu übermitteln. info@myeloma.org  myeloma.org


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