Handwerk auf Messers Schneide

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Handwerk auf Messers Schneide Einzigartiger Messerschmied aus Siegburg behauptet: „Der Beruf wird in näher Zukunft aussterben“

Schneidwerkzeugmechaniker Günter Wolf: Noch 100 Messer und die Arbeit ist für heute beendet

war dieser Handwerkerberuf weit verbreitet. Gute und verlässliche Messer herzustellen war eine Kunst. “Unsere GeMit der Zeit hat schichte beginnt sich einiges im Beruf im Jahr 1857, wo “Dazu muss man das verändert. Seit Ende mein Urgroßvater der 1980er Jahre exim Sudetenland, Gefühl haben, und istiert der Titel Messdem heutigen erschmied nicht mehr. Tschechien, als seine Finger langsam Der Beruf wird heute Messerschmied als Schneidwerkzeugangefangen hat”, vorbereiten” mechaniker bezeicherzählt Günter. net. “Wir schmieden Nach Siegburg ist eigentlich nicht, die Familie 1922 gezogen. Der Beruf sondern schleifen nur”, sagt Günter. des Messerschmieds geht aber viel Die speziellen Schleifmaschinen sind weiter zurück: Bereits im Mittelalter auch nicht mehr zu finden. Seine InAlt im Beruf

Von Natalia Lazareva

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uf dem Marktplatz in Stommel bei Köln herrscht Frohsinn. Die Karnevalgemeinschaft Stommeler Buure feiert ihr Jubiläumsfest. Aus den Lautsprechern hört man Musik von Künstlern wie Jennifer Lopez oder Shakira. Die laute und moderne Musik dämpft die leise und angenehme Melodie der Drehorgel. Wie überleben heute Musikanten von gestern? Darüber erzählt Orgelspielerin Orgels Lenchen (Helene Fischer) aus Bergheim, die schon seit 30 Jahren mit ihrem kleinen mechanischen Affen namens „Der Schöne Paul“, unterwegs ist. Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Drehorgelspielerin zu werden?

strumente hat der Siegburger Messerschmied von seinem Vater geerbt und bei einem Kollegen in Köln gekauft. Je nach technologischer Entwicklung hat sich sein Kundestamm geändert. Heutzutage besitzen Metzgereien in der Stadt normalerweise keinen eigenen Schlachtbetrieb und brauchen deshalb keine speziellen Werkzeuge. Fast keine Bäckereien backen selbstständig. Brot wird direkt an die Filialen aus der Großfabrik geliefert. Für potenzielle Privatkunden ist es einfacher, die unscharfen Messer wegzuschmeißen und sie mit neuen ansetzen. Der einzige Berufsteil, der im

Das Neue Alte Lied

Orgelspielen macht Spaß, aber bringt fast kein Geld Anfang der 1980er Jahre war die deutsche Wirtschaft von einer hohen Arbeitslosigkeit geprägt. Ich habe damals bei Siemens als Propagandistin gearbeitet. Der Job hat mir keinen Spaß gemacht. Als Hobby habe ich zusammen mit meinem Mann Puppen gebaut und ein kleines Puppentheater gebastelt. Dann kamen die Musik und die Drehorgeln dazu. Unser Gewerbe haben wir angemeldet und sind mit der Orgel auf die Straße gegangen um zu probieren. Es hat geklappt! Heute baut mein Mann Franz Drehorgel für den Verkauf und ich arrangiere die Musik.

Wie entwickelt sich die Orgelspielerei in Deutschland? Der Beruf ist vor ungefähr 200 Jahren erstanden. Die Straßenmusiker hatten damals zu Kaiserzeiten aber keinen guten Ruf und die Drehorgel wurde als „Bettel-Instrument“ bezeichnet. Im 18. und 19. Jahrhundert bekamen Kriegsveteranen, die wegen ihrer Verletzungen nicht arbeiten konnten, eine Drehorgel mangels geregelter Veteranenversorgung. Damit verdienten sie ihren Lebensunterhalt. In der Nachkriegszeit gab es in ganz Deutschland nur zwei Drehorgelspieler, jeweils einen in Berlin und Nürnberg. Aber irgendwann haben die Menschen Nostalgie empfunden, was zur Drehorgel-Renaissance führte. Mit dieser Kästchen-Musik verbinden die Leute Ihre schönen Kindheitserinnerungen. Obwohl viele dieser Instrumente jährlich gekauft werden, gibt es nu eine Handvoll professioneller Spieler in Deutschland.

FOTO: NATALIA LAZAREVA

Wie hat sich der Beruf im Laufe der Zeit verändert?

Boogie-Woogie, kölsche Tön oder Moritaten: Lenchen hat alles im Repertoire

Der Aufbau der Drehorgel ist anders geworden. Die älteste Form des Musikträgers ist die Stiftwalze. Früher hatte man die Möglichkeit, mit dem Instrument nur sechs oder acht Lieder zu spielen. Dann kam der nächster Fortschritt: Die Musik wurde durch Löcher in speziellem Papierband gespielt. Zu Hause haben

das ist nicht mehr wie früher, wenn Vater und Sohn zusammen gearbeitet haben und zwei Familien ernähren konnten”, erzählt Günter. Um den Betrieb weiter zu führen, verkauft die Familie Wolf in ihrem Laden professionelle Messer und Küchengeräte. Die Käufer kommen dann wieder, um Klingenwerkzeuge auszuschleifen. Und so geht es immer weiter. “Der Beruf wird sehr wahrscheinlich aussterben”, sagt der Meister und nennt noch eine Gefahr: Scherer- und Messerschleifer, die von Haus zu Haus ziehen und ihre Dienstleistungen bieten. “Diese Leute haben von dem Beruf gar keine Ahnung. Sie beschädigen Messer, nehmen Geld und kommen nicht mehr”, sagt der 57-Jährige, “aber was noch schlimmer ist – sie behaupten fälschlicherweise, sie arbeiteten für mich und machen dabei mein Geschäft schlecht”. Es klingt im Vorzimmer. Ein paar Minuten später kommt Frau Wolf an und bringt sechs Messer verschiedener Größe mit. “Sie sollen bis morgen früh geschleift werden”, sagt sie. Und Günter schaltet eine der Maschinen an. ● Messermacher von Heute: www. deutsche-messermacher-gilde.de

Laufe der Zeit unverändert geblieben ist, ist der Verlass auf die Handarbeit. “Obwohl die Schleifmaschinen funktionieren automatisch, ist alles zum Schluss handgemacht. Dazu muss man das Gefühl haben, und seine Finger langsam vorbereiten”, sagt Günter, der schon als Kind seinem Vater in der Werkstatt half. Nicht zum Reichwerden Gut verdienen lässt sich Wolf zufolge in diesem Beruf nicht. Für ein Gemüsemesser bekommt Günter drei, für Schneiderscheren acht Euro. “Ich sage mal, ich kann davon leben. Aber

wir den ganzen Kleiderschrank voll mit solchen Rollen. Die Technik entwickelte sich weiter, und vor ein paar Jahren hat mein Mann Elektronik in die Drehorgel eingebaut. Jetzt werden tausend Melodien auf einen Chip überspielt. Das Instrument spielt trotzdem mechanisch und der Ton ist wie in den alten Zeiten geblieben, aber es hat meine Arbeit enorm erleichtert. Kann man heutzutage damit gut verdienen? Ich muss ehrlich sagen, dass der Beruf Spaß macht, aber reich werden kann man damit nicht. Wir leben hauptsächlich von Familienfeiern: Geburtstage und Hochzeiten. Auf der Straße spiele ich nicht mehr. Wir arrangieren Musik selbst, nähen Kleidung nach alten Mustern, bauen Drehorgel, sogar mechanische Affen für Instrumente konstruieren wir selber. Oder besser gesagt, konstruierten. 25 Jahre lang haben wir Affen gemacht, aber leider ist die Nachfrage stark zurückgegangen und wir haben gedacht: “Jetzt es ist genug”. Wie sehen Sie den Beruf in 20 Jahren? Ich glaube, es wird existieren, obwohl der Markt im Moment flattert. Drehorgelbauer verkaufen kaum noch. Ich bin jetzt 57 Jahre alt und habe noch ein paar Jahre bis zu meiner Rente. Wir machen soweit es geht, und dann… mal schauen. ● Mit Musik geht alles besser - Club Deutscher Drehorgelfreunde: www.drehorgelclub.de

Messersmied im Jahr 1568

BALD IN VERGESSENHEIT Laut der HR-Expertin Julien R. können die folgenden Berufe aus dem Job-Markt in dem nächsten Jahrzehnte verschwinden: ● FilmkritikerIn. Web 2.0 erlaubt allen ihre Meinungen online zu äußern – positive und negative. Wenn man das Feedback über den Film sehen möchte – schaut man sich einfach IMDb (Internet Movie Database) an.

FOTO: WWW.HUTINFO.DE

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agsüber kann man ihn in seiner eingestaubten Werkstatt auf der Holzgasse in Siegburg bei Bonn finden. Da sitzt er den ganzen Tag mit einem blauen Schurz und schleift, poliert und repariert alte Maschinen. Papierschere und Kochmesser, Walzenmäher und Sägeketten kommen hierher nicht nur aus der Region Bonn-Rhein-Sieg, sondern aus ganz Deutschland und dem Ausland. Messerschmied in der vierten Generation, Günter Wolf ist weltweit bekannt. Zu seinen Kunden zählen Restaurantketten, Metzgereien, Bäckereien, Druckbetriebe und Familien. Pro Tag kann der Meister bis 500 Messer schleifen, von kleinen Gemüsemessern bis hin zu zwei Meter lange Industrieinstrumente. Zusammen mit seiner Frau begrüßt Wolf neue Kunden hinter der Theke. “Guck mal! Das ist der Mann, der mich damals bediente, als ich so klein war wie”, sagt ein Besucher zu seinem Sohn. Der 57-jahrige Wolf lacht dabei, allerdings bitterlich, denn ach vier Jahrzehnten im Betrieb gibt es keinen in seiner Familie, der sein Geschäft übernehmen möchte. Seine beiden Kinder haben sich für andere Berufe entschieden.

July 2012

FOTO: WIKIMEDIA COMMONS

Von Natalia Lazareva

Dossier: Alternde Berufe/ International Media Studies

FOTO: NATALIA LAZAREVA

Natalia Lazareva

● M o d i s t i n . Hüte sind wieder in Mode, Sie basteln Modistinnen aber nicht Frauenhüte nach den besonderen Wünschen. In Deutschland gibt es heute nicht mehr als 250 Meisterhandwerke. ●ImmobilienmaklerIn. Zwischenmiete.de, wg-gesucht.de – eine Wohnung zu finden dauert nur ein paar Klicks und etwas Glück. Braucht man wirklich Mittler dafür? ●BibliothekarIn. Kindle LeseApps, IPhones und eBooks. Heutzutage ist es nicht nötig, in die Bibliothek zu gehen, um einen neuen Roman zu finden oder mit der klassischen Literatur sich zu beschäftigen. ●KöhlerIn. Früher war es im Haushalt notwendig - heute aber nicht mehr. Der Europäische Köhlerverein versucht, das Verschwinden zu bekämpfen. ● Bundesministerium für Arbeit und Soziales: http://www.bmas.de


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