Monika Skarzynska
Dossier: Beim Klavierspielen altern
Juli 2012 3 FRAGEN AN... G A B R I E L E PA Q U É Als Sie mit dem Klavierspielen anfingen, waren Sie sechs Jahre alt. Welchen Unterschied macht es, ob man als Kind oder als Erwachsener ein Instrument erlernt? Bei Kindern ist es so, dass sie von den Eltern zum Musikunterricht geschickt werden. Erwachsene haben einen anderen Ansatz: Ist die Entscheidung, ein Instrument zu spielen, gefallen, so nehmen sie diese Herausforderung als Aufgabe an. Jeder Fortschritt wird bewusst als Erfolgserlebnis der eigenen Bemühungen registriert und steigert die Motivation sich weiter anzustrengen.
FOTO: MONIKA SKARZYNSKA
Welches Musikinstrument können ältere Schüler leicht und schnell erlernen? Erwachsene können z.B. Saxofon gut erlernen. Mit der Geige tun sich Späteinsteiger schwer, weil die linke Hand unbequem verdreht werden muss. Gitarre und Klavier gehören zu den schwierigeren Instrumenten, sind aber mit regelmäßigem Üben auch zu meistern. Für das Klavier gibt es z.B. vereinfachte Versionen bekannter Stücke. Und wer Jazz spielen möchte, hat auch im fortgeschrittenen Alter beste Aussichten, weil dabei Präzision nicht so wichtig ist. Entscheidender ist die Regelmäßigkeit beim Üben, auch wenn es nur kurz ist.
Lehrerin und Schülerin beim vierhändigen Klavierspiel: Tellervo Vöhringer (l.) und Gabriele Paqué (r.)
Klimpern hält jung Von Monika Skarzynska
der Eltern auch ihr Privatleben sehr men“, erklärt Frau Paqué mit einem stark um das Thema Alter. Die von Lächeln. ihr entwickelte Unterrichtsmethode Für Renate Prenzel, eine über in geräumiges, etwa dreiberuht auf Individualität. „Im Leben 60-jährige Schülerin, bedeutet der einhalb Meter hohes Zimder Erwachsenen gibt es immer beKlavierunterricht ein neu geöffnemer in einer Erdgeschossstimmte Befindlichkeitsstörungen, tes Fenster in ihrem Leben. Seit zwei wohnung eines schönen alten die sie vom Üben abhalten. Es ist Jahren besucht sie regelmäßig das Hauses in Bonn. In seiner Mitte steht anders als bei Kindern, die einfach Bonner Musikstudio und genauso ein Flügel, in dessen brauner Politur keine Lust zu üben haben“. Von fleißig arbeitet sie an kleinen Musiksich Schattenrisse von zwei vierAnfang an stellt sich die Musikpästückchen: „Frau Paqué fragt mich händig spielenden Personen wiedagogin ganz individuell auf jeden immer, was ich interessant finde. Ich derspiegeln: Der Lehrerin und einer einzelnen Schüler ein – sowohl auf wollte auch gern improvisieren könihrer fünfzehn etwas Anfänger als auch auf nen. Das geht noch nicht so richtig, älteren Schüler und Wiedereinsteiger, um aus aber immerhin habe ich Spaß“. Ihr „Man soll das jeder Person „ihre eigene, Klavierabenteuer begann am Tag Schülerinnen. Könnte der allseits bekannte innewohnende Musikader Offenen Tür des Musikstudios. machen, was Spruch „Musik macht lität und Kreativität herVon Anfang an war sie vom Musizieman am besKinder schlau“ auch auszukitzeln“. ren begeistert – im Gegensatz zu ihfür Senioren gelten? Frau Paqué ist, wie sie rer Freundin Tellervo Vöhringer. Die ten kann“ Es scheint, als selbst betont, sehr inteaus Finnland kommende Frau hatte könne das Klavierressiert an Schülern, die zunächst eine kritische Einstellung spielen auch einem erwachsenen die Musikwelt erst jetzt entdecken zum Musikunterricht: „Die Lust zum Menschen Spaß und Freude an der und bisher noch kein Instrument geMitmachen hat mich erst während Musik bringen. Der wichtigste Unspielt haben. Damit will sie dem beeines Vorspiels von Frau Paqués terschied zwischen Klavierunterricht kannten Sprichwort „Was Hänschen Schülern gepackt. Das klang so toll! in der Schul- und Erwachsenenbilnicht lernt, lernt Hans nimmermehr“ Ohne Rücksicht darauf, wie lange dung liegt in der Motivation, sagt widersprechen. „Meine Klaviermeman Klavier spielt, hört sich das soGabriele Paqué: „Kinder lernen ein thode ermöglicht jedem Erwachfort nach professionellen Musikern Instrument spielerisch, Erwachsesenen das Klavierspielen zu lernen. an“, erklärt sie voller Enthusiasmus. ne entscheiden sich dafür bewusst. Vom Studium an einer MusikhochNach Ansicht der MusikpädaAuf dieser Grundlage gestaltet sich schule sollen sie jedoch nicht träugogin, die seit frühester Kindheit der Unterricht dann vollkommen anders. Während bei Kindern der Technik viel Beachtung geschenkt wird, konzentriert man sich bei Älteren eher auf einen harmonischen Dreiklang“. So nennt die Musikerin eine musikalische Einheit, die sich aus drei in Einklang stehenden Elementen zusammensetzt – und zwar aus einem Schüler, Klavierunterricht und klanglich und technisch hoch stehenden Instrumenten. Das ist die Basis des Konzeptes von Gabriele Paqué. 2009 beschloss sie trotz ihrer langjährigen Tätigkeit als Konzert-Organistin und Cembalistin, in einem eigenen Musikstudio Klavierspielen zu lehren. Zu diesem Gemeinsames Musizieren erfordert stundenlange Fingerübungen am Klavier Zeitpunkt drehte sich mit dem Tod
FOTO: MONIKA SKARZYNSKA
E
an mit ihrer älteren Schwester täglich gemeinsam Klavier spielte, ist der vierhändige Unterricht ein ganz zentraler Punkt: „Dadurch hören und lernen meine Schüler voneinander, sowohl die gute Technik als auch den guten Klang. Außerdem hat man dabei unglaublich viel Spaß und Freude“. Der 60-minutige Unterricht bereichert sich kontinuierlich um Stilkunde und praxisbezogene Harmonielehre. Die Vielfalt der Unterrichtsliteratur erstreckt sich vom Barock bis hin zur Moderne, und wird einmal im Jahr von allen Schülern in einem Vorspiel präsentiert. Das ist für alle eine besondere Situation, auf die sich sowohl Neulinge als auch Fortgeschrittene vorbereiten müssen – körperlich wie auch mental. „Ich war total nervös, aber auch so konzentriert, dass ich überhaupt nicht gemerkt habe, als es Applaus gab“, erwähnt Tellervo Vöhringer. Mit dem menschlichen Phänomen des Lampenfiebers können manche besser und andere schlechter umgehen. „Die größere Schwierigkeit sind aber die Finger, die auch nicht mehr das machen, was sie machen sollen“, sagt Renate Prenzel. Trotzdem üben die Schüler, bevor sie zum Unterricht kommen. Und im Musikstudio ziehen sie sich aus. Sie wissen genau, dass das Klavierspielen nicht nur die Freude an der Musik sondern auch Arbeit bedeutet. Dynamik. Jeden Tag, Woche für Woche, Jahr für Jahr. Je schneller man sich für den Instrumentalunterricht entscheidet, desto länger genießt man die Jugend. Frau Paqué hat auf jeden Fall noch Platz für den einen oder die andere Klavierliebhaber/in. Infos auf der Homapage: www.paque-klavier.de www.psychologie.uzh.ch
FOTO: MONIKA SKARZYNSKA
Mit Musik geht alles besser – auch das Altwerden. Mit ihrer bisher erfolgreichen Unterrichtsmethode will die Klavierlehrerin Gabriele Paqué einen Beitrag zur Lösung der Probleme der immer älter werdenden deutschen Gesellschaft leisten
Ältere Leute, die mit dem Klavierspielen beginnen möchten, sind bisher die Ausnahme. Gehen Sie anders mit denen um als mit Kindern? Schüler, die noch nie ein Instrument gespielt haben, hören dennoch Musik. Unbewusst lernen sie dabei ganz viel. Gerade am Anfang ist es mir wichtig herauszufinden, wie weit der Kontakt zu Musik bereits bestand. Jeder Mensch ist anders und hat Stärken und Schwächen, die er oder sie mitbringt. Auf der Grundlage vorhandener Kompetenzen entwickele ich meine eigene, individuelle Lehrmethode, die auf das Können und die Bedürfnisse des einzelnen Schülers abgestimmt ist.
WA S M U S I K F Ü R S GEHIRN MACHT ♪ Mit dem Alter werden Informationen im Gehirn immer langsamer verarbeitet. Dieser Prozess kann jedoch durch Musik verlangsamt werden. Wer im hohen Alter ein neues Instrument lernt, trainiert auf effektive Weise sein Gehirn. Das behaupten Forscher der Universität Zürich. ♪ Die Gehirne älterer Menschen reagieren damit genauso, wie man es bei jungen Gehirnen erwartet. Für den Gehirnforscher Prof. Dr. Lutz Jäncke ist das ein Hinweis darauf, dass auch ein altes Gehirn offen für Neues ist: „Intensives musikalisches Training ist mit erheblichen makroskopischen Veränderungen in verschiedenen Hirnbereichen gekoppelt, die besonders stark an der Koordination des Musizierens beteiligt sind“.