IPPNW-Thema: Atomwaffenverbot – wie geht es weiter?

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2022 internationale ärzt*innen für die verhütung des atomkrieges – ärzt*innen in

Atomwaffenverbot – wie geht es weiter? Die erste Staatenkonferenz in Wien - Papier: Frieden für die Ukraine - Laufzeitverlängerung revisited - 6 Fragen an Gerhard Trabert Foto: Xanthe Hall / IPPNW September
sozialer verantwortungippnwthema

Vom 21.-23. Juni 2022 nahmen wir – eine zwölfköpfige IPPNW-Grup pe – an der ersten Staatenkonfe renz zum Atomwaffenverbotsver trag (AVV) der UN in Wien teil und einen Tag davor an der Humanitären Konferenz zu Nuklearwaffen, die das österreichische Außenministerium ausrichtete. Beeindru ckend und uns höchst motivierend war die positive Energie, die von den vielen Delegierten aus aller Welt ausging, sich für eine atomwaffenfreie Welt einzusetzen, beeindruckend auch die Offenheit der Konferenz: Jeder konnte jeden anspre chen, egal ob Vertreter*innen eines Staa tes, der zahlreichen NGOs oder Angehö rige der Presse. Redebeiträge, die vorher angemeldet werden mussten, kamen auch von Beobachterstaaten wie Deutschland, von Atomwaffenopfern aus Hiroshima und Nagasaki oder der Atombombentests im Pazifik – immer wieder aufwühlend – und von NGO-Vertreter*innen.

Zunächst wurden Statements der teil nehmenden Staaten zum AVV ab gegeben (66 Staaten haben den Vertrag inzwischen ratifiziert), später zu Inhalten des Vertrages, z.B. zu der Frage, wie eine weitere Verbreitung erreicht werden kann oder eine weitere Forschung zu nuklearen Fragen. Zur friedlichen Nutzung der Atom kraft kamen auch positive Statements.

Unverkennbar war der Stolz der Pazifik staaten und der mittelamerikanischen Staaten auf ihre atomwaffenfreien Zonen. Deutschlands Vertreter betonte unmissver ständlich, dass die Bundesregierung den AVV nicht unterschreiben werde, sondern zur „nuklearen Teilhabe“ der NATO stehe. Ebenso äußerten sich die Beobachterstaa ten Niederlande und Norwegen, letzteres ohne nukleare Teilhabe. Im deutschen Redebeitrag sahen einige dennoch einen kleinen positiven Schritt in Richtung AVV in der Aussage, Deutschland stehe Schul ter an Schulter mit denen, die Abrüstung als Ziel hätten. Außerdem könne eine

Beteiligung an einem Fond zur Entschä digung der Atombombenopfer, auch der Atombombentestopfer, diskutiert werden, wenn diese Beteiligung außerhalb des AVV stattfinden könne.

In Europa haben den Vertrag bis jetzt nur Österreich, Irland, Malta und der Vatikan ratifiziert. Doch sein Einfluss wächst: in Südamerika, Afrika, eventuell auch in Aus tralien. Japan als einziges Land mit dem Schicksal eines Atombombenabwurfs war staatlich offiziell nicht vertreten, dafür durch einzelne Parlamentarier*innen, die Atomwaffenopfer und durch viel Presse.

Am Vortag der AVV-Konferenz wurden auf der Humanitären Konferenz zu Nuk learwaffen durch Expert*innen erneut die katastrophalen Folgen eines – selbst eines begrenzten Atomschlages durch eine so genannte „kleine“ Bombe – dargestellt: Es gäbe nicht nur hunderttausende Tote und Verletzte, die keine Hilfe erhalten würden (in Hiroshima und Nagasaki waren 1945 mindestens 80 % des medizinischen Per sonals selbst betroffen). Auch die Infra struktur eines noch so gut organisierten Landes würde völlig zusammenbrechen, das heißt, auch die Nahrungsmittelversor gung.

Im Falle eines nuklearen Schlagabtau sches droht ein nuklearer Winter mit massiven Temperaturabsenkungen bis hin zu einer Eiszeit, mit Veränderungen der Niederschläge und starker Verminderung der Sonneneinstrahlung, was wiederum einen Ausfall der landwirtschaftlichen Pro duktion mit Hungersnöten zur Folge hätte (siehe auch S. 28f.). Mit Strahlungsfolgen bei den Überlebenden wäre zu rechnen: Krebs, Strahlenkrankheiten der Haut, des Magendarmtraktes, des vaskulären Sys tems, Aborte, Fehlbildungen, usw. „Die Überlebenden werden die Toten benei den“.

Ein Vortrag beschäftigte sich mit Stu dien zu gender-abhängigen Strah lungsfolgen: nicht nur Kinder bis fünf Jahren sind am meisten betroffen, da am empfindlichsten, sondern auch Erwachse ne nach Geschlecht unterschiedlich, Frau en zu Männern im Verhältnis drei zu zwei.

Immer wieder wurde auf die Gefahr eines Atomkrieges in der jetzigen politischen Si tuation hingewiesen, nicht nur durch den Ukrainekrieg, sondern auch durch die vorher schon begonnene Aufrüstung. Die Drohungen mit Atomwaffen stellen einen Tabubruch dar. Das aus einer anderen Zeit stammende System der Abschreckung schützt uns in keiner Weise, sondern stellt eine riesige Gefährdung dar. Darüber hi naus machen die Atomwaffenstaaten im globalen Norden die atomwaffenfreien Staaten erpressbar und halten damit kolo niale Strukturen aufrecht.

Bis jetzt ist ein Atomkrieg durch einen Fehlalarm, wie er schon oft drohte, nur durch die mutige und kluge Reaktion von fähigen Mitmenschen vermieden worden, aber nicht durch staatliche Kontrollsyste me. Die Unterzeichnerstaaten des AVV waren sich einig, dass der existenziellen Gefahr, die von Atomwaffen ausgeht, nur durch ihre Abschaffung begegnet werden kann.

Sigrid KloseSchlesier ist Mitglied der IPPNW-Regional gruppe Hamburg.

Wir werden nicht ruhen, bis der letzte Staat beigetreten ist!
Das erste Treffen der Vertragsstaaten – ein Überblick
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ATOMWAFFENVERBOT

Hibakusha sprechen

Testimonial von Danity Laukon, Marshallinseln

Ich heiße Danity Laukon und komme von den Marschallinseln. 2017 schloss ich mich der Studierendenorganisation der Marshallinseln an, um die regionale Antiatomkampagne und -bewegung „Misa 4 The Pacific“ zu gründen.

Im Zuge meiner Arbeit für Solidarität in der Region wurde mir klar, wie wenig ich über die Geschichte der Atomtests wusste, ganz zu schweigen von dem radioaktiven Fall out des zerstörerischsten Atomwaffentests namens Castle Bravo am 1. März 1954 im Bikini-Atoll.

Familien in verschiedenen Teilen der Mar shallinseln erlitten als Folge dieses Tests Verbrennungen, Zwangsumsiedlungen, Krebserkrankungen, Fehl- und Totgebur ten. All dies setzte sich bei den nach folgenden 67 Atmosphärentests fort, zu sätzlich zu den Schäden, die die Tests bei den Menschen, ihrem Land, ihrer Kultur verursachten. Heute sind viele von uns davon überzeugt, dass unsere größten

gesundheitlichen und sozialen Probleme mit dieser nuklearen Vergangenheit zu sammenhängen.

Was mir die meisten Sorgen macht, ist die Gesundheit meines Volkes. Als ich im Dezember letzten Jahres nach Hause zu rückkehrte, stellte ich fest, dass die Zahl der Krebserkrankungen bei Frauen, Män nern und jetzt auch bei Kindern von Mars hallesen im In- und Ausland zunimmt.

Unsere Krebspatient*innen werden meist zur Behandlung in andere Länder ge schickt. Andere bleiben unbehandelt oder werden nicht diagnostiziert, bis sie sich im Spätstadium ihrer Krankheit und ihres Le bens befinden.

Es gibt noch weitere generations übergreifende Auswirkungen, mit denen die Marshalles*innen heute konfrontiert sind. Ihre Ernährung ist größtenteils von verarbeiteten Lebensmitteln abhängig –aufgrund des Verlustes von Land, kultu rellem Wissen und Ressourcen. Bei im mer mehr Menschen, Älteren wie Kindern, werden jetzt Diabetes, Bluthochdruck und andere nicht übertragbare Krankheiten diagnostiziert.

Ich glaube, dass dies die neuen Formen von Krankheiten sind, die wir heute als Folge der Atomwaffentests erleben. Unser Gesundheitssystem und die medizinischen Ressourcen vor Ort sind jedoch begrenzt, um die Bedürfnisse all unserer Atomwaf fenopfer zu erfüllen.

Der Vertrag über das Verbot von Atom waffen wird nun zur Umsetzung dis kutiert, und der Schwerpunkt sollte auf der gesundheitlichen Unterstützung der Opfer liegen, die jetzt mit diesen Auswirkun gen konfrontiert sind. Als junge Frau aus den Marshall-Staaten und Befürworterin dieses Abkommens kann ich Ihnen ver sichern, dass die Auswirkungen des ver ursachten menschlichen Leids über Gene rationen hinweg andauern. Ich weiß es von den Menschen, die ich täglich sehe!

Aus: „The 2022 Vienna Conference on the Humanitarian Impact of Nuclear Weapons“: ippnw.de/bit/hinw22 (Der Text wurde von uns leicht gekürzt.)

IMPRESSUM

Herausgeber: Internationale Ärzt*innen für die Verhütung des Atom krieges, Ärzt*innen in sozialer Verantwortung e. V. (IPPNW), Sektion Deutschland

Redaktion: Ute Watermann (V.i.S.d.P.), Angelika Wilmen, Regine Ratke

Layout: Regine Ratke/Samantha Staudte

Anschrift der Redaktion: IPPNW, Körtestraße 10, 10967 Berlin, Telefon: 030 69 80 740, E-Mail: ippnw@ippnw.de, www.ippnw.de

Bankverbindung: GLS Gemeinschaftsbank IBAN: DE23 4306 0967 1159 3251 01, BIC: GENODEM1GLS

Sämtliche namentlich gezeichnete Artikel entsprechen nicht unbe dingt der Meinung der Redaktion oder des Herausgebers. Nachdru cke bedürfen der schriftlichen Genehmigung. Erscheint viermal im Jahr.

DANITY LAUKON SPRICHT BEIM NUCLEAR BAN FORUM
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ATOMWAFFENVERBOT Foto: © ICAN | Alexander Papis –20.06.2022

„Wie ich den Atombombenabwurf erlebt habe“

Damals waren wir mit meiner Mutter und anderen Frauen aus der Nachbarschaft vor unserem Haus, zwei Kilometer südlich vom „Ground Zero“.

[...] Plötzlich hörte ich das Brummen eines Flugzeugs. Ich hörte jemanden sagen: „Seltsam, das hört sich laut an wie ein US-Flugzeug ...“, und wurde von einem Blitz erfasst – mit einem Knall von der starken Explosion getroffen und fiel be wusstlos um. Die linke Hälfte meines Ge sichts und das gesamte Gesicht und die Brust meiner Mutter waren verbrannt. Seltsamerweise kann ich mich überhaupt nicht daran erinnern, wie das Gesicht mei ner Mutter aussah.

Wir flüchteten in einen tunnelförmigen Luftschutzbunker, der in den Hang eines Hügels gegraben war. Wasser tropfte von der Decke und das Stöhnen der Ver wundeten erfüllte den Bunker. Die Augen meiner Mutter waren bald durch Verbren nungen blockiert. Sie konnte nichts mehr sehen und blieb regungslos liegen.

Am folgenden Tag, dem 10. August, wur den wir nach Michinoo evakuiert. Meine Mutter wurde auf das Türbrett gelegt, und ich wurde in einem Korb getragen, mit dem man sonst Erde und Schmutz trans portiert. Als wir uns dem Ground Zero näherten, sahen wir auf der Straße ver streute Leichen und Menschen, die um Wasser bettelten. Wir konnten nichts ande res tun, als uns zu verschließen und vor beizugehen. Im Fluss lagen viele Leichen von Menschen, die mit letzter Kraft ver sucht hatten, an Wasser zu gelangen. So etwas hatte ich noch nie zuvor gesehen, und ich kann es nur als Hölle beschrei ben. Das darf nie wieder passieren! [...] Atombomben sind unmenschliche und ab solut böse Waffen, die nicht mit Menschen

koexistieren können. Sie zerstörten die Städte Hiroshima und Nagasaki in einem Augenblick und kosteten unzählige Men schenleben. Die meisten von ihnen waren schwache Menschen: Kinder, Frauen und ältere Menschen. Nur vier Prozent der To ten wurden von ihren Familien bestattet. Die Mehrheit der Toten wurde „durch Hit zestrahlen außerhalb des Hauses getötet“ oder „innerhalb von Häusern zerdrückt und verbrannt“. Dies waren Todesfälle, die man kaum als menschliche Tode be zeichnen konnte. Selbst diejenigen, die nur knapp überlebten, starben nacheinander an akuten, durch die Atombomben verur sachten Krankheiten wie Fieber, Durchfall, Erbrechen, Blutungen und Haarausfall. Ich erinnere mich auch daran, dass ich mitten im Sommer wollene Winterkleidung trug, weil ich 40 Grad Fieber hatte.

Die Hibakusha konnten die Erinnerun gen an diesen Tag nicht ertragen. Sie waren nicht in der Lage, darüber zu spre chen. Die Angst und die Sorge um ihr Le ben, ihren Körper, ihren Lebensunterhalt und ihre Psyche begleiten sie ihr Leben lang. Über zehn Jahre lang vertuschten die Besatzungsmächte die durch die Atom bombenabwürfe verursachten Schäden und unterdrückten die Medienbericht erstattung und die Forschung. Die japa

nische Regierung ließ die Hibakusha und andere Opfer des Krieges im Stich und ergriff keine Maßnahmen. Die Hibakusha waren gezwungen, zu schweigen.

Unterstützt und ermutigt durch die wachsende Bewegung gegen A- und H-Bomben, die durch den Wasserstoff bombentest auf dem Bikini-Atoll 1954 ausgelöst wurde, gründeten die Hibakusha 1956 die Japan Confederation of A- and H-Bomb Sufferers Organizations (Nihon Hidankyo). Sie führte Erhebungen und For schungen darüber durch, was die Atom bombe für die Menschheit bedeutet, und stellte fest, dass die Atombombe eine un menschliche und absolut böse Waffe ist, mit der die Menschen nicht koexistieren können und die es uns nicht erlaubt, als Menschen zu sterben oder als Menschen zu leben. Gleichzeitig haben wir unser Le ben in dem Glauben gelebt, dass die Ret tung der Menschheit vor der Zerstörung durch Atomwaffen der einzige Weg ist, um als Menschen zu leben. Wir haben deutlich gemacht, dass die Schaffung einer Welt ohne Atomwaffen und Krieg der einzige Weg ist, die Menschheit zu retten. Wir ha ben an die Welt appelliert, die Atomwaffen abzuschaffen, und die japanische Regie rung aufgefordert, die Opfer zu entschädi gen [...] Quelle: ippnw.de/bit/hinw22

KIDO SUEICHI, VORSITZENDER VON NIHON HIDANKYO Kido Sueichi erlebte als Fünfjähriger die atomare Bombardierung Nagasakis Foto: ICAN | Alexander Papis
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Wie weiter mit dem Atomwaffenverbot?

Der Aktionsplan aus Wien zeigt, wie Abrüstung in Zukunft aussehen kann

Am 23. Juni 2022 ging die zwei tägige Konferenz der Vertragsstaa ten zum Atomwaffenverbotsver trag (AVV) in Wien zu Ende

Es war ein Tag, auf den viele Aktivist*innen lange hingearbeitet, hingefiebert, gewartet hatten, denn die Konferenz repräsentiert einen bedeutenden Schritt auf dem Weg zur Implementierung des Atomwaffen verbots. Wie sie sich die Umsetzung des Vertrags jetzt vorstellen, haben die Staa ten in zwei Dokumenten festgehalten: der Wiener Erklärung und einem Aktionsplan.

Der 50-Punkte-Aktionsplan enthält dabei die konkreten Schritte auf dem Weg zur Abschaffung von Atomwaffen und der Umsetzung des AVV. Der Universalisie rung (Artikel 12) wird dabei besondere Bedeutung zugemessen. Universalisie rung, das bedeutet für die Vertragsstaaten nicht nur andere Staaten für den Vertrag zu gewinnen, sondern auch die Werte und Prinzipien des Vertrags weiterzuverbrei ten.

z.B. Deutschland oder die Niederlande, haben 90 Tage Zeit, die Atomwaffen von ihrem Staatsgebiet zu entfernen. Weitere konkrete Rahmenbedingungen, z.B. zur Verifikation von Abrüstung sollen nun aus gearbeitet werden.

jegliche Drohungen mit dem Einsatz von Atomwaffen, sich auf die humanitären Grundlagen des Vertrags berufend. Doch der vielleicht beeindruckendste Satz der Wiener Erklärung ist der Schlussatz: „Wir werden nicht ruhen, bis der letzte Staat dem Vertrag beigetreten, der letzte Atomsprengkopf entschärft und zerstört ist, und Atomwaffen von der Erde getilgt sind.“

Im Kontext einer Welt, in der sich die atomare Blockbildung auszudehnen, die Atomwaffenarsenale modernisiert und an mancher Stelle aufgestockt werden, zeigte die AVV-Staatenkonferenz einen anderen Weg auf: einen Weg von Kooperation und von Abrüstung als schlichter Überlebens notwendigkeit. Die nächste Vertragsstaa tenkonferenz findet vom 27. November bis zum 1. Dezember 2023 in New York statt.

Der Wiener Aktionsplan und die Wiener Erklärung zeigen auf, was es bis dahin braucht, um den AVV voranzubringen.

Ü

ber die Universalisierung hinaus be schäftigten sich der Aktionsplan und die Wiener Konferenz unter anderem da mit, wie Abrüstung aussehen soll. Unter anderem fassten die Staaten den Be schluss, dass atomar bewaffnete Staaten zehn Jahre Zeit haben ihre Atomwaffen zu vernichten, sobald sie dem Vertrag beitre ten. Staaten in der atomaren Teilhabe, wie

Neben den Bestimmungen zur Ab schaffung von Atomwaffen beinhaltet der AVV auch sogenannte „positive Ver pflichtungen“, insbesondere im Bereich Hilfe für Opfer und Umweltsanierung (Arti kel 6) und internationale Kooperation (Ar tikel 7). In diesem Bereich sind sowohl die Bestimmungen des AVV selbst als auch die geplanten Aktionen besonders progressiv. Unter anderem streben die Staaten an, die Umsetzbarkeit eines internationalen Fonds zur Unterstützung von Atomwaffeneinsatz oder Tests betroffener Staaten zu prüfen. Bei ihren Aktivitäten wollen die Staaten be troffene Gemeinschaften bei jedem Schritt einbinden. Die Prinzipien, die man sich für die Umsetzung von Artikel 6 und 7 gege ben hat sind „Zugänglichkeit, Inklusivität, Nicht-Diskriminierung, Transparenz“ und Koordination mit Betroffenen. Darüber hinaus soll die Hilfe für Betroffene auf „alters- und geschlechtssensible Weise“ geleistet werden, „wegen der überpropor tionalen Auswirkungen der Atomwaffen einsätze und -tests auf Frauen, Mädchen und indigene Völker“.

Die Wiener Erklärung ergänzt den Ak tionsplan mit weiteren weichenstellenden Aussagen. Sie verurteilt aufs Schärfste

Ruth Rohde studiert interna tionale Geschichte und Politik in Genf.

Sie ist Mitbegründerin des Corruption Tracker Projekts, das Korrup tion im internatio nalen Waffenhan del dokumentiert.

Foto: © ICAN PALÄSTINA UND SÜDAFRIKA AUF DER KONFERENZ, 21. JUNI 2022
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Von Wien nach New York

Von der Staatenkonferenz ging es weiter in die USA, wo über den Nichtverbreitungsvertrag verhandelt wurde

Die Staatenkonferenz in Wien war voller positiver Kraft, die die Teilnehmer*innen getankt ha ben – auch für die eher schwie rige Überprüfungskonferenz des Nicht verbreitungsvertrags in New York im August 2022. Alle waren derselben Meinung: New York wird vom Ukrainekrieg überschat tet, deshalb ist vieles nicht mehr möglich. Am wenigsten zu er warten ist ein Konsens über ein Abschlussdokument.

Es ist deutlich zu spüren: Die Kluft zwi schen den atomwaffenbesitzenden und atomwaffenfreien Staaten ist größer denn je. Hinzu kommt die offene Feindschaft zwischen den USA, Frankreich, Großbri tannien auf der einen Seite, und Russland, China auf der anderen. Belastet wird der Nichtverbreitungsvertrag weiterhin durch den Konflikt zwischen Israel und Iran so wie das Ausbleiben der seit langem disku tierten „massenvernichtungswaffenfreien Zone“. Dennoch war es wichtig, dass die ursprünglich für 2020 geplante Überprü fungskonferenz jetzt endlich in Präsenz stattfinden konnte.

Es gibt eine Reihe von Forderungen und Erwartungen der Zivilgesellschaft. NGOs riefen zu Beginn der Konferenz dazu auf, sich auf einen „sinnvollen“, um setzbaren Aktionsplan zu einigen. Zum Vergleich: Die AVV-Staaten hatten auf der Konferenz in Wien für die Umsetzung des Atomwaffenverbotes einen Aktionsplan mit 50 Punkten verabschiedet.

Ende des Wettrüstens und Ver hinderung des Atomkrieges

In New York könnte am 26. August eine „Erklärung des Vorsitzes“ verabschiedet werden, falls kein Konsens erreicht wird. Oberste Priorität sollte die Verhinderung eines Atomkriegs sein: Die NVV-Staaten sollten die eskalierende nukleare Rhetorik verurteilen und den Satz aus der Wiener Erklärung bekräftigen: „... jeder Einsatz von Atomwaffen oder die Androhung eines solchen Einsatzes stellt eine Verletzung des Völkerrechts, einschließlich der Charta der Vereinten Nationen, dar. Wir verurtei len unmissverständlich alle nuklearen Dro hungen, seien sie nun direkt oder indirekt und ungeachtet der Umstände.“

Während die Verhinderung des Atomkrie ges und ein Ende des Wettrüstens als drin gende Aufgabe für alle Staaten gesehen werden, wollen viele AVV-Staaten im Kon flikt zwischen dem Westen und Russland nicht instrumentalisiert werden. Deswegen wurden in Wien jegliche Drohungen mit Atomwaffen verurteilt – nicht nur die rus sischen. Diese Sichtweise aus dem Glo balen Süden wird nach wie vor ignoriert. Viele afrikanische und lateinamerikanische Staaten sind der Meinung, dass die Dro hung von allen Atomwaffenstaaten kommt. Auch der neue IPPNW-Report zur nuklea ren Hungersnot nach einem Atomkrieg (siehe S. 28f.) belegt diese Befürchtung: Die Gefahr ist nicht nur russisch – sie liegt darin, dass rund 40 Befürworterstaaten an die nukleare Abschreckung glauben.

Eine Erklärung der P5, der ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates, zu Atom

waffeneinsätzen ist überfällig. Ein ge meinsames Statement, mit Bekräftigung der „Reagan-Gorbatschow-Formel“ wäre ein allererster Schritt: Ein Atomkrieg kann nicht gewonnen werden und darf niemals geführt werden.

Präsident Putin hat die Formel in sei nem Statement zu Beginn der Kon ferenz aus dem Off wiederholt, damit ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass die anderen Atomwaffenstaaten das auch tun. Sie könnten aber erklären, dass sie auf den Einsatz der Atomwaffen im jetzi gen Konflikt verzichten. Oder vereinbaren, Atomwaffen nicht als erstes einzusetzen, wie UN-Generalsekretär António Guterres sowie China fordern. Aber am besten wäre es, die Aussage zu verabschieden, dass Atomwaffen unter keinen Umständen ein gesetzt werden dürfen. Letzteres scheint momentan kaum erreichbar zu sein, soll te aber trotzdem immer wieder gefordert werden.

Zusammenhalt aller Staaten durch Anerkennung des AVV

Um die Kluft zwischen den Befürwortern der nuklearen Abschreckung und den ca. 150 anderen, atomwaffenfreien Staaten zu überbrücken, sollten die Befürworter der Abschreckung mindestens die Existenz des Atomwaffenverbotsvertrags anerken nen. Der UN-Vertrag ist bereits seit 2021 in Kraft, daher gehört er zum internatio nalen Recht, wenn er auch umstritten ist. Deutschland hat in seinem Statement in Wien, wo es als Beobachterstaat teilnahm, eine Art Anerkennung ausgesprochen: „Wir teilen voll und ganz das Ziel, eine Welt

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ohne Atomwaffen zu erreichen, und wir erkennen die Motive und das Engagement der AVV-Vertragsstaaten in dieser Hinsicht an. Wir schätzen insbesondere die vorge tragene humanitäre Perspektive.“ (Bot schafter Rüdiger Bohn)

Auch im Koalitionsvertrag hat die Bun desregierung erklärt, „die Intention des Vertrages konstruktiv begleiten“ zu wollen. In Wien sagte Botschafter Bohn, dass die Staaten, ob befürwortend oder skeptisch, „Schulter an Schulter“ arbei ten sollen, um das wachsende Risiko des Einsatzes zu verringern und eine neue Proliferation aufzuhalten. Mit diesen Aus sagen versucht die Bundesregierung im mer noch, einer direkten Anerkennung des UN-Vertrags auszuweichen und ihn zu relativieren. Zudem liegt der Fokus auf Risikominimierung und Nichtverbreitung, nicht auf Abrüstung.

Aus dem Lager der NATO-Mitglieder gibt es bisher keine positiven Signale gegen über dem AVV, außer von Außenministe rin Baerbock, die sagte: „Setzen wir uns dafür ein, die Polarisierung zu überwinden – lassen Sie uns den Auffassungen der Länder des Nordens und der Länder des Südens der NVV-Gemeinschaft gleiches Gewicht beimessen. Vor diesem Hinter grund hat sich Deutschland entschlossen, als Beobachter an der ersten Konferenz der Vertragsstaaten zum Atomwaffenver botsvertrag (AVV) teilzunehmen.“ Baer bock erklärte, dass Deutschland bei der Bewältigung der humanitären Folgen von Atomwaffen mit den AVV-Staaten zusam menarbeiten wolle. Auch das Thema ge schlechtsspezifische Folgen von Atomwaf

fen hat sie in ihrer Rede anerkannt. Leider steht das Handeln der Bundesregierung noch in Widerspruch zu diesen Worten –denn mit der nuklearen Teilhabe nimmt sie aktiv an der Vorbereitung eines Atomkriegs teil.

Anerkennung der humanitären Folgen: auch geschlechtsspezifisch

Die kasachische Friedensforscherin Togh zan Kassenova erklärte kürzlich in einer Online-Diskussion über die Verifikation des Atomwaffenverbots, dass man Atom waffenpolitik und Atomwaffen nicht von den humanitären Folgen für die Menschen trennen könne. Das atomare Erbe muss mitbedacht werden. In derselben Diskus sion meinte Sébastien Philippe, der Autor von „Toxique“, zu den Folgen der franzö sischen Atomtests, der AVV würde mehr Forschung zu den Folgen von Atomwaffen mit sich bringen. Diese Forschung setze die Atomwaffenstaaten unter Druck, dar auf zu antworten.

Eine weitere wichtige Forderung der Zi vilgesellschaft ist es daher, die bereits bei der Überprüfungskonferenz 2010 fest gehaltene Anerkennung der humanitären Folgen von Atomwaffen zu bekräftigen. Neu hinzuzufügen wäre, dass Strahlenfol gen Frauen und Mädchen stärker betreffen. Die Mädchen, die in Hiroshima und Na gasaki der Strahlung der Atombomben abwürfe ausgesetzt waren, waren doppelt so häufig von Krebs betroffen wie Jungen. Auch die erwachsenen Frauen waren zu 50% stärker betroffen als gleichaltrige Männer. Das erläuterte Mary Olson (NIRS) auf der Humanitären Konferenz in Wien.

Warum das so ist, muss noch erforscht werden. Eine Hypothese ist, dass Frauen mehr strahlungsempfindliches Fortpflan zungsgewebe haben. Damit wäre nukleare Abrüstung ein Beitrag zu einer feministi schen Außenpolitik.

Zudem müssen die NVV-Staaten anerken nen, dass die indigenen Völker dieser Welt mehr unter der Entwicklung von Atomwaf fen gelitten haben als andere. Die meisten Atomtests wurden in kolonisierten Gebie ten durchgeführt – die dort lebenden Men schen wurden ohne ihre Zustimmung und teilweise auch ohne ihr Wissen verstrahlt. Erst jetzt versuchen Forscher*innen das Ausmaß des Problems zu erfassen.

Diese Forschung sollte von den Verur sacherstaaten finanziert und ermöglicht werden, durch Freigabe von Gesundheits daten. Darüber hinaus müssen die Betrof fenen entschädigt werden. Hier könnte der NVV dem guten Beispiel des AVV folgen: Die Mitgliedsstaaten könnten erklären, sich den „positiven Verpflichtungen“ des AVV anschließen zu wollen, sich also an der Betroffenenhilfe und Umweltsanierung durch einen internationalen Fonds zu be teiligen.

Xanthe Hall ist Referentin für Atomwaffen der deutschen IPPNW. 2. AUGUST 2022: SIT-IN VOR DER US-VERTRETUNG BEI DER UN IN NEW YORK Fotos: © ICAN | Seth Shelden
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Die Jahre ohne Sommer

IPPNW-Studie gibt einen Überblick über Forschungsergebnisse zur „nuklearen Hungersnot“

Was sind die Folgen eines Atomkrieges? Neue Simulationen von Xia, Robock et al.

Neue Studien mit aktuellen Klimamodel len machen deutlich: Ein Atomkrieg hätte Auswirkungen auf den gesamten Planeten. Das Klima, die globalen Nahrungsmittel ketten und wahrscheinlich die öffentliche Ordnung kämen zum Erliegen. Millionen, vielleicht sogar Milliarden von Menschen kämen durch Hungersnöte und Unruhen ums Leben.

„In einem Atomkrieg käme es durch auf Städte und Industriegegenden abgeworfe ne Atomwaffen zu Feuerstürmen, und das würde große Mengen an Ruß in die Atmo sphäre befördern, die sich dann rasch ver breiten und den Planeten abkühlen wür den“, besagt eine neue, im August 2022 in Nature Food veröffentlichte Studie. Das von Lili Xia an der Rutgers Universität ge leitete internationale Team von Klimafor scher*innen hat anhand verschiedener Szenarien eines Atomkrieges berechnet, wie viel sonnenverdunkelnder Ruß ent stünde. Berechnet wurde, wie stark die globalen Temperaturen im Ergebnis fallen würden, was mit dem Nahrungsmittelan bau in verschiedenen Ländern geschähe – und wie viele Menschen innerhalb der folgenden zwei Jahre verhungern würden.

Ein Krieg zwischen Indien und Pakistan, die beide immer mehr Atomwaffen mit höherer Sprengkraft anhäufen, könnte eine stratosphärische Belastung zwischen

5 und 47 Tg Ruß verursachen. Ein Krieg zwischen den USA bzw. der NATO und Russland – die mehr als 90 % des weltwei ten Atomwaffenarsenals besitzen – könnte mehr als 150 Tg Ruß in die Atmosphäre schleudern.

Fünf der sechs von Xia et al. berechne ten Szenarien mit verschiedenen Zahlen detonierter Atomwaffen entsprechen den regionalen Atomwaffenarsenalen (Indien, Pakistan, China). Die Ergebnisse: Mit we niger als 3 % der weltweiten Atomwaffen könnte ein Atomkrieg zwischen Indien und Pakistan ein Drittel der Menschen auf der Erde töten. In einem sechsten Sze nario berechneten sie, dass im Fall eines „großen“ Atomkrieges zwischen Russland und den USA fünf Milliarden Menschen innerhalb von zwei Jahren an Hunger ster ben könnten.

IPPNW-Metastudie gibt einen Überblick

Mit dem Überblickspapier „Nukleare Hun gersnot“ fasst Matt Bivens für die IPPNW die Erkenntnisse von Lili Xia und dem Team der Rutgers-Universität zusammen. Gleichzeitig gibt er einen Überblick über bisherige Forschungen, die allesamt die dramatischen globalen Auswirkungen eines „begrenzten Atomkrieges“ belegen.

Schon 2007 haben die Klimaforscher Bri an Toon, Alan Robock et al. in einer weg weisenden Studie einen hypothetischen Atomkrieg zwischen Indien und Pakistan modelliert. Bei dem Szenario, das auch später immer wieder genutzt wurde, wird

angenommen, dass beide Länder jeweils 50 Atomwaffen gegen das andere ein setzen. Es handelte sich um ein frühes Ausloten, wie ein „begrenzter“ bzw. re gionaler Atomkrieg aussehen könnte. Sie sagten damals eine abrupte Abkühlung um 1,3 °C voraus, einen enormen Schock für den gesamten Planeten. Dies war der Anfang einer Reihe von Untersuchungen. Diese und andere Forschungsergebnisse brachten die IPPNW 2013 zu dem Ergeb nis, dass bei diesem Szenario eine Zahl von zwei Milliarden Menschen weltweit verhungern könnte.

Schädigung der Ozonschicht

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Zer störung der Ozonschicht. 2008 model lierten Michael Mills und ein Team des National Center for Atmospheric Research (NCAR) in einer Studie die Auswirkungen desselben hypothetischen Szenarios mit 100 detonierten Atomwaffen zwischen In dien und Pakistan – und kamen zu dem Ergebnis, dass 20 % der Ozonschicht weltweit zerstört würden. Über der nördli chen Hemisphäre – den USA und Kanada, Europa, Russland und China – wären die Auswirkungen am massivsten, 50–70 % der Ozonschicht würden hier zerstört.

Charles Bardeens Studie zur Ozonschicht (NCAR, 2021) gelangt mit Hilfe aktualisier ten Klima- und Chemiemodells zu einem ähnlichen Schluss: Ein regionaler Atom krieg würde die globale Ozonschicht um 25 % reduzieren. Das Ozon bräuchte min destens zwölf Jahre, um sich zu erholen.

Zeichnung: Daniel Medina
„Regionaler“ Atomkrieg Sonnenlicht wird durch Ruß blockiert
Globaler Abfall der Temperaturen
Kollaps globaler Lebensmittelproduktion Weltweite Hungerkatastrophe
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ATOMWAFFENVERBOT

NASA-Studie zu Pflanzen-Erträgen

2020 hat das Team von Jonas Jägermeyr (NASA Goddard Institute for Space Stu dies) anhand von Wachstumsmodellen simuliert, wie die wichtigsten Lebensmit telpflanzen auf die Abkühlung reagieren würden. In diesen Modellen führten 5 Tg Ruß zu einer globalen Abkühlung von 1,8 °C und mindestens fünf Jahren Miss ernten. Mais und Weizen – zwei der wich tigsten Grundnahrungsmittel auf der Welt – werden um 13 % reduziert. Von den Aus wirkungen wären vor allem die Länder der nördlichen Halbkugel massiv betroffen.

Die Studie aus dem Waffenlabor

Auch Wissenschaftler*innen aus dem USAtomwaffenlabor Los Alamos meldeten sich 2018 zu Wort – als einzige mit ab weichenden Prognosen. Das Los Ala mos-Team befasste sich mit demselben hypothetischen Krieg zwischen Indien und Pakistan. Es führte seine Simulatio nen jedoch nicht in einem pakistanischen oder indischen Stadtgebiet durch, son dern anhand von Satellitenbildern aus den USA. Robock et al. stellten fest, dass die Bilder „ein Zielgebiet in einem Vorort von Atlanta zeigen, das einen Golfplatz, einen Spielplatz und einzelne Häuser mit großen Gärten mit wenig brennbarer Materie um fasst, was nicht repräsentativ für dicht be siedelte Städte in Indien und Pakistan ist“.

Das Team von Los Alamos hat das ver fügbare „Brennmaterial“ in dichten asiati schen Städten um mindestens das Zehn fache unterschätzt. Es geht von einem 40-minütigen Stadtbrand aus – und das, obwohl die großen Stadtbrände im Zwei ten Weltkrieg Stunden bis Tage anhielten; es simuliert keine Gasleitungsbrüche, wie es sie in Hiroshima gab, und es gibt Kli mabedingungen vor, die eine Entwicklung von Feuerstürmen verhindern. Es ist be kannt, dass das Pentagon das Potential von Atomwaffen, Feuerstürme zu erzeu gen, immer wieder heruntergespielt hat.

Das Team aus Los Alamos behauptete auch, es sei sehr unwahrscheinlich“, dass Ruß und Rauch aus einem regionalen Atomkrieg bis in die Stratosphäre aufstei gen würden. Bei den großen Waldbränden in Kanada 2017 und Australien 2019-20 zeigte sich allerdings: Riesige Mengen Rauch wurden hoch in die Stratosphäre

geschleudert. Der australische Ruß und Rauch etwa war monatelang in der Strato sphäre zu verfolgen, in ähnlichen Mengen wie bei einem Vulkanausbruch.

Infrastrukuren & öffentliche Gesundheit

Die Gesellschaften weltweit würden verzweifelte Maßnahmen gegen den Hunger ergreifen. Xia und Kolleg*innen haben auch Berechnungen zu vielen dieser Ab hilfemaßnahmen angestellt. Das Ergeb nis: sobald die weltweit verfügbare Nah rung um ein Viertel oder um die Hälfte abnimmt, hungern die Menschen, ganz gleich, wie klug sie verwalten. Auch wenn die Modelle von Xia et al. sehr differenziert sind, modellieren sie nur die Missernten aufgrund von verdunkelndem Ruß und die damit verbundene globale Abkühlung. Viele weitere Aspekte bleiben unberück sichtigt, wie die Auswirkungen des radio aktiven Niederschlags durch den Atom krieg auf die verfügbare Nahrung oder die menschliche Gesundheit, oder die erhöhte UV-Strahlung durch die wahr scheinliche Ozonschädigung, oder die wirtschaftlichen Verwerfungen durch den Zusammenbruch von Lieferketten oder der öffentlichen Ordnung.

Das Fazit der IPPNW

Auch ein „begrenzter“ Atomkrieg wäre mit großer Sicherheit das Ende unse rer modernen Zivilisation, so Bivens:

„Eine Abfolge von Jahren ohne Sommer, mit Miss ernten, Hamsterkäufen und massenhafter Hungersnot würden alles auf den Kopf stellen, vom Welthandel bis zur öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Keine Zivili sation konnte bisher einem Schock dieser Größenord nung standhalten. Es gibt allen Grund anzunehmen, dass die wirtschaftlichen, politischen und techni schen Systeme, die für uns selbstverständlich sind, zu sammenbrechen würden.“

Die IPPNW-Studie finden Sie zum Download unter: ippnw.de/bit/hungersnot

Durchschnittliche globale

Gemäß UN Food & Agriculture Organization (FAO) ist der globale Durch schnitt 2.884 kcal/Tag.

Kalorienaufnahme Minimum, um normale

Aktivität und Gesundheit aufrechtzuerhalten

Zielvorgabe in Notlagen

Die ungefähre Kalorienzahl zum Überleben in Not lagen ist 2.100 kcal/Tag, was auch als Schwelle zur Unterernährung gilt.

Hungergrenze

Xia und Kollegen nennen 1.911 kcal/Tag als Hunger grenze.

2.883 kcal/Tag 2.350 kcal/Tag 2.100 kcal/Tag 1.911 kcal/Tag

Regine Ratke ist Redakteurin des IPPNW-Forums.

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Weiterführende Informationen:

• Dokumentation der Konferenz zu den humanitären Folgen von Atomwaffen in Wien: www.HINW22Vienna.at

• Aktuelle Informationen zu Atomwaffen und Atomwaffenverbot: ippnw.de/atomwaffen

• Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN) Deutschland: www.icanw.de

• Atomwaffen A-Z: atomwaffena-z.info

Sie wollen mehr?

Die Artikel und Fotos dieses Heftes stammen aus unserem Magazin „IPPNW-Forum“, Ausgabe Nr. 171, Septem ber 2022. Im Mittelpunkt der Berichterstattung des IPPNW-Forums stehen „unsere“ Themen: Atomwaffen, Friedens politik, Atomenergie, Erneuerbare Energien und soziale Verantwortung in der Medizin. In jedem Heft behandeln wir ein Schwerpunktthema und beleuchten es von verschiedenen Seiten. Darüber hinaus gibt es Berichte über aktuelle Entwicklungen in unseren Themenbereichen, einen Gastkommentar, Nachrichten, Kurzinterviews, Veranstaltungs hinweise und Buchbesprechungen. Das IPPNW-Forum erscheint viermal im Jahr. Sie können es abonnieren oder einzelne Ausgaben in unserem Online-Shop bestellen.

das magazin der ippnw

sept2022

Atomwaffenverbot – wie

ärzt*innen

die verhütung des atomkrieges

ärzt*innen

Greenwashing von Atomkraft:Ein Super-GAU für die Energiewende ippnwforum Foto: Paul Lovis Dorfmann/Campact, CC BY-NC 2.0 - Kein Krieg in Europa!- Elf Jahre Fukushima- Globale Impfgerechtigkeit das magazin der ippnwnr169 märz2022 3,50€internationale ärzt*innenfür die verhütung desatomkrieges – ärzt*innenin sozialer verantwortungpnwforum das magazin der ippnw nr170 juni2022 3,50€ internationale ärzt*innen für die verhütung des atomkrieges – ärzt*innen in sozialer verantwortung Tragödie Ukrainekrieg: Im Sturm den Friedenskurs halten Klage auf Gesundheitsversorgung Staatenkonferenz zum Atomwaffenverbot Und wer spricht noch vom Jemen? ippnwforum
geht es weiter? Die erste Staatenkonferenz in Wien - Papier: Frieden für die Ukraine - Laufzeitverlängerung revisited - 6 Fragen an Gerhard Trabert Foto: Xanthe Hall / IPPNW
nr171
3,50€ internationale
für
in sozialer verantwortung
» www.ippnw.de/bit/forum

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