Forum 180/2024 – Das Magazin der IPPNW

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ippnwintern

DEZEMBER

11.12. Treffen des AK ICAN/ atomwaffenfrei, online

JANUAR

18.1. Treffen des AK Süd-Nord, Kassel

21.1. Treffen des AK Geflüchtete und Asyl, online

27.1. 80. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz

MÄRZ

4.3. Verleihung des Nuclear-Free Future Award, New York

11.3. Jahrestag des Super-GAUs von Fukushima

15.3. Treffen des AK Atomenergie, online

APRIL

11.4. 80. Jahrestag der Selbstbefreiung des KZ Buchenwald

11.-13.4. IPPNW European Regional Meeting, Genf

18.-21.4. Ostermärsche der Friedensbewegung

26.4. Jahrestag des Super-GAUs von Tschernobyl

Weitere Informationen unter: www.ippnw.de/termine BERLIN 9.- 11. MAI

IPPNW-Jahrestreffen & Mitgliederversammlung

Infos: ippnw.de / bit/ mv

Rainer Kleemann ist Ansprechpartner für die Mitgliederbetreuung in der IPPNW-Geschäftsstelle. Willkommen!

Liebe Mitglieder und Leser*innen,

In diesem Heft laden wir Sie zum IPPNWJahrestreffen und zur Mitgliederversammlung vom 9.–11. Mai 2025 in Berlin ein. Bitte merken Sie sich den Termin vor – es wird u.a. ein neuer Vorstand gewählt (S.4).

Im Januar bieten die RegioContact Süd und RegioContact Nord Gelegenheit, sich mit anderen IPPNW-Aktiven auszutauschen und interessante Vorträge anzuhören. Wir freuen uns, Sie in Stuttgart oder Güstrow begrüßen zu dürfen (S. 5).

Dr. Elke Schrage berichtet über den diesjährigen Besuch kurdischer Menschenrechtler*innen in Frankfurt, Hanau und Berlin. Auch in diesem Jahr gab es einen intensiven Austausch über Traumaarbeit und die Situation zivilgesellschaftlicher Organisationen (S. 6).

Dr. Jörg Schmid war maßgeblich an dem Ärzteappell für die Abschaltung des grenz-

nahen Schweizer AKW Leibstadt beteiligt. Über 500 Ärzt*innen aus Süddeutschland haben den Aufruf unterzeichnet (S. 8).

Helene Stahlenbrecher schildert ihre Eindrücke von der Kundgebung für einen gerechten Frieden in Israel, Palästina und dem Libanon (S. 9). Kaya Hohmann wiederum berichtet über Erfahrungsaustausch und Wissenstransfer bei der Global Health Summer School (S. 10).

In der IPPNW-Geschäftsstelle findet derzeit ein personeller Umbruch statt, über den wir in diesem Heft berichten.

Die IPPNW trauert um Energie-Pionier Michael Sladek von den Elektrizitätswerken Schönau und den engagierten Anwalt gegen Atomwaffen Dr. Peter Becker von der IALANA Deutschland – mehr auf S. 15.

Herzliche Grüße – Ihr Rainer Kleemann

Neuanfang in der Geschäftsstelle

Vorstandsmitglied der deutschen IPPNW.

Ende Januar 2025 wird Xanthe Hall die IPPNW nach fast 33 Jahren verlassen und in Rente gehen. Mehr Würdigung als den 2017 verliehenen Friedensnobelpreis an die ICAN-Kampagne können wir hier kaum formulieren – wir haben als Verein über all die Jahre mit Xanthes Leidenschaft, Wissen zu Atomwaffen und unermüdlicher Lobbyarbeit unsere Anti-Atomwaffen-Arbeit fortsetzen und weiterentwickeln können. Nebenbei – oder vielmehr zusätzlich – hat Xanthe sich immer mehr in die Vereinsstrukturen eingearbeitet und die IPPNW durch liebevolle und strukturierte Organisationsentwicklung zukunftsfähig gemacht und mit geschicktem Händchen das engagierte Team der Geschäftsstelle geleitet. Als Mensch ist sie vielen von uns ein großes Vorbild, inspiriert nach wie vor neue Generationen für den politischen Aktivismus und bringt immer eine feine Spur feministischen Kampf mit.

Aber in jedem Ende liegt ein neuer Anfang. Sie hat selbst diese Chance gesehen und schon vor einiger Zeit mit dem Vorstand und ihrer Partnerin in der Geschäftsstellenleitung, Angelika Wilmen, ein Konzept erarbeitet. Hierfür haben wir ihre Stelle aufgeteilt: Für die Arbeit gegen Atomwaffen und für nukleare Abrüstung wurde im Juni 2023 Juliane Hauschulz eingestellt, die viel Expertise in diesem Bereich mitbringt und jetzt im Verein voll eingearbeitet ist. Juliane hat einen Master in Friedensforschung und Internationale Politik und hat bereits viel Erfahrung u.a. in der Friedensarbeit mit dem Schwerpunkt nukleare Abrüstung.

Die Geschäftsstellenleitung wurde umstrukturiert: Angelika Wilmen, die vor allem eine große Kommunikatorin ist, bleibt Leitung der Öffentlichkeits- und Kommunikationsarbeit, unterstützt den Vorstand in der politischen Leitung und übernimmt künftig von Xanthe Hall die Koordination der internationalen Projekte der deutschen Sektion.

Für die verwalterische Leitung, inklusive Personal, Finanzen und Vertragswesen sowie als Unterstützung des Vorstands in Vereinsmanagement und Organisationsentwicklung haben wir Dr. Caro -

line Kann ab Mitte Oktober 2024 gewinnen können. Sie ist Politikwissenschaftlerin und bringt langjährige Erfahrung im Bereich empirische Bildungsforschung, der ministeriellen Verwaltung sowie der Beratung im Non-Profit-Bereich mit.

Nicht nur die Leitung hat sich geändert, auch die Koordination der Öffentlichkeitsarbeit wird ab Anfang November 2024 von einem neuen Mitarbeiter ausgeführt: Marek Voigt. Er ist seit vielen Jahren im Bereich Friedens- und Gesundheitspolitik tätig sowie u.a. Mitglied der Redaktion der Zeitschrift Wissenschaft und Frieden. Nach der Einarbeitung von Marek wird Frederic Jage-Bowler uns verlassen, der als Elternzeitvertretung für Lara-Marie Krausse exzellente Pressearbeit machte. Lara hat ein neues Zuhause in Hannover gefunden und wird fortan für den BUND Niedersachsen arbeiten.

Last but not least haben wir eine neue Fundraiserin und Datenbankadministratorin, die Nachfolgerin von Judith Groll ist: Sotiria Friligkou. Sie hat Technischen Umweltschutz studiert, und bald ihre Neigung zu Fundraising, Datenanalyse und -verarbeitung entdeckt. In diesem Bereich hat sie mehrere Jahre für „Ingenieure ohne Grenzen“ gearbeitet, bevor sie zur IPPNW kam.

Eine ausführlichere Vorstellung der Mitarbeiter*innen finden Sie auf S. 14.

Wir freuen uns, dass wir, neben unserer neuen Geschäftsstelle, auch ein neues engagiertes Geschäftsstellenteam zusammengestellt haben. Gemeinsam sind wir gespannt darauf, diese Gelegenheit zu nutzen und neue Impulse für unseren Verein zu setzen. Mit der Öffnung unseres Vereins und der Unterstützung durch unser neues Team fühlen wir uns gut vorbereitet, um den kommenden Herausforderungen begegnen zu können.

Ihre Dr. Carlotta Conrad

Dr. Carlotta Conrad ist

Ideen austauschen und Kraft schöpfen

IPPNW-Mitgliederversammlung und Jahrestreffen vom 9.-11. Mai 2025 in Berlin

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde,

wir erleben turbulente Zeiten. Donald Trump ist der 47. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika und die Ampel ist Geschichte. Im Februar wird es in Deutschland Neuwahlen geben. Die Kriege in der Ukraine, in Gaza und im Libanon toben mit unverminderter Härte weiter. Sicherlich haben Sie auch Redebedarf zu den politischen Ereignissen. Darüber möchten wir uns mit Ihnen persönlich austauschen. Wir laden Sie daher herzlich ein, im Mai nach Berlin zu kommen zu unserem IPPNW-Jahrestreffen.

Wir tagen im Tagungszentrum Franz-Mehring-Platz 1, nicht weit von unserer neuen IPPNW-Geschäftsstelle am Frankfurter Tor. Das Zentrum befindet sich im ehemaligen Redaktionsgebäude der Tageszeitung „Neues Deutschland“ und hat eine bewegte Geschichte. Vielleicht ergibt sich auch aus diesem Anlass ein Besuch in unserer Geschäftsstelle in Friedrichshain.

Themen unserer Jahrestreffens werden u.a. die geplante Stationierung von USMittelstreckenraketen in Deutschland sowie die verheerenden Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten sein. Die Vergabe des Friedensnobelpreises an die japanische Vereinigung der Atombombenopfer „Nihon Hidankyo“ sowie der bevorstehende 80. Jahrestag der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki sind für uns Anlass, einen weiteren Fokus auf die Folgen von Atomwaffen und die Atomwaffenüberlebenden zu legen.

Vorstandswahlen

Im nächsten Jahr stehen zudem Vorstandswahlen an. Die Wahlen finden am Samstagnachmittag, 10. Mai 2025, statt. Die Bewerbungen der Kandidat*innen veröffentlichen wir in der Märzausgabe des IPPNW-Forums. Wenn Sie sich für den Vorstand bewerben möchten, schicken Sie bitte einen kurzen Bewerbungstext (max. 1.200 Zeichen) plus Foto an Regine Ratke (ratke@ippnw.de).

Workshops und Stellwände

Wenn Sie für das Jahrestreffen einen Workshop anmelden wollen, schicken Sie den Titel und eine kurze Beschreibung bitte an die Geschäftsstellenleiterin Angelika Wilmen (wilmen@ippnw.de) – für die Ankündigung auf der Homepage. Wenn Sie das Engagement Ihrer Regionalgruppe, ein Projekt oder eine Kampagne auf einer Stellwand vorstellen möchten, dann melden Sie dies bitte ebenfalls an Angelika Wilmen.

Kommen Sie am 9.–11. Mai 2025 nach Berlin zu unserem Jahrestreffen. Es erwarten Sie interessante Vorträge und die Möglichkeit, sich mit anderen Mitgliedern auszutauschen. Wir möchten uns in diesen schwierigen Zeiten gegenseitig stärken, Ideen austauschen und Kraft für Veränderung schöpfen.

Weitere Informationen zur Tagesordnung finden Sie auf der Homepage.

Mit freundlichen Grüßen

Lars Pohlmeier und Angelika Claußen

Regionale IPPNW-Treffen im Norden und Süden

25. Januar 2025 in Güstrow und Stuttgart

RegioContact Nord

Kriegstüchtige Medizin: Zu den Risiken und Nebenwirkungen | Öffentliche Tagung der IPPNWRegionalgruppe Mecklenburg-Vorpommern

Samstag 25. Januar 2025, 11–15.00 Uhr

Freie Schule e.V., Bistede 5, 18273 Güstrow

Vorträge:

Militarisierung des Gesundheitswesens

Dr. Ute Rippel- Lau

Medien im Krieg

Prof. Dr. Jörg Becker

Mittagsimbiss vor Ort mit Möglichkeit zum Austausch und zur Vernetzung.

Kontakt:

Ernst-Ludwig Iskenius: iskenius@ippnw.de

Der Eintritt für beide Veranstaltungen ist frei.

RegioContact Süd

Treffen der Regionalgruppen im süddeutschen Raum

Samstag, 25. Januar 2025, 11–16.00 Uhr Bürgerzentrum Stuttgart West, Bebelstraße 22, 70193 Stuttgart

Vorläufiges Programm:

Ab 10.30 Uhr Ankommen mit Kaffee und Brezeln

11.00 Uhr Begrüßung

11.15 – 13.15 Uhr

Militarisierung des Gesundheitswesens.

Analyse und friedenspolitische Handlungsoptionen aus ärztlicher Sicht Dr. Robin Maitra, Hemmingen

13.15 Uhr – 14.00 Uhr Gemeinsames Mittagessen

ab ca. 14.00 Uhr

Diskussion in zwei parallelen Arbeitsgruppen:

1) Geplante Stationierung von US-Mittelstreckenwaffen in Deutschland, Erstschlagfähigkeit und atomare Destabilisierung Ralph Urban, Hamburg

2) Im ärztlichen Fokus: Konzepte der Sozialen Verteidigung Stephan Brües, Wiesloch

15.00 – 15.15 Uhr Kaffepause

15.15 – 16.00 Uhr Bericht aus den AGs, Abschlussdiskussion und Verabschiedung

Kontakt: Dr. Jörg Schmid joerg-schmid@gmx.net

Gegen die Ohnmacht

Menschenrechtler*innen aus der Türkei zu Besuch in Deutschland

Drei Menschen aus der Türkei, die die IPPNW und die Neue Richtervereinigung eingeladen hatten, ist ein Visum verweigert worden. Wir hatten das große Glück, dass in dieser Situationen zwei Aktivist*innen aus der Türkei kurzfristig eingesprungen sind und wir dennoch in Frankfurt am 14. und 15. September 2024 fünf Gäste in Empfang nehmen konnten. Die kurdische Delegation besuchte auch in diesem Herbst zwei Wochen lang Initiativen in verschiedenen deutschen Städten. Schwerpunkte, die sie in diesem Jahr mitbrachten, kristallisierten sich dabei schnell heraus:

» Langzeithäftlinge aus den 1990er Jahren, deren Entlassungen aktuell stattfinden: Der Sozialarbeiter der Türkischen Menschenrechtsstiftung TIHV, die seit Jahrzehnten multiprofessionelle Hilfe für Häftlinge und Folteropfer anbietet, schildert eindrücklich, wie die Unterstützung dieser Menschen eine riesige Herausforderung darstellt. Wer in den 90er Jahren das Verschwindenlassen überlebte, war in Untersuchungshaft und Gefängnis über lange Zeiträume schwerster physischer, psychischer, oft sexualisierter Folter ausgesetzt. Die Überlebenden sind jetzt in der Regel schwer krank, haben ihre Bezüge verloren und stehen schwer traumatisiert einer gänzlich veränderten Gesellschaft gegenüber. Ihr Hilfsbedarf ist enorm.

» Das „Spionagegesetz“, das in der Türkei zur Verabschiedung ansteht: Mit der Kriminalisierung von Auslandskontakten und -finanzhilfen werden, wie unter anderen autokratischen Regimes auch, türkische, vor allem kurdische NGOs von wichtiger Solidarität abgeschnitten. Aktuell droht der Türkischen Menschenrechtsstiftung TIHV die Aufkündigung ihrer Unterstützung aus Schweden, die 70 Prozent ihres Finanzbudgets ausmacht. Gleichzeitig steige aber der Hilfsbedarf. Zu den Opfern zunehmender Repression und fortgesetzter kollektiver Traumatisierung komme gerade jetzt

die Gruppe der Langzeitinhaftierten dazu. Auch andere NGOs wie der Frauenverein „Rosa“ aus Diyarbakir (Amed) befürchten ein Wegbrechen internationaler Solidarität.

» Überschwemmung der Region mit Drogen: Die Gäste sehen diese aktuelle Entwicklung „nach Jahren der Repression als letzten staatlichen Trumpf“. Die Region werde aktuell von Drogen wie Crystal Meth und Opioiden geflutet. Vor dem Hintergrund wirtschaftlicher Not und hoher Arbeitslosigkeit sind vor allem die Jugend und vulnerable Gruppen wie Binnengeflüchtete besonders von Konsum und Drogenkriminalität betroffen. Für Familien, Kommunen und zivilgesellschaftliche NGOs bedeute das eine verschärfte Herausforderung und Belastung. Die Gäste wünschen sich auch hier gemeinsame internationale Fortbildung, Austausch und Unterstützung.

Frankfurt

Es fanden Treffen mit Medico international, der Neuen Richtervereinigung, der hessischen Ärztekammer, Fatra e.V. (Beratung und Therapie für traumatisierte Geflüchtete) und dem multikulturellen Kindergartenprojekt Ebi e.V. statt. Eine öffentliche Abendveranstaltung bei Medico am 17. September 2024 war voll besucht. Über den Abbau der Rechtsstaatlichkeit in der Türkei diskutierte Anita Starosta von Medico u.a. mit Vertreter*innen der Anwaltskammer Van und der Türkischen Menschenrechtsstiftung Diyarbakir.

Hanau

Newroz Duman von der „Initiative 19. Februar“ konnte über den Hergang der rassistischen Morde von Hanau 2020, die Situation der Opferfamilien und das Versagen staatlicher Stellen berichten. Erst 2024 habe sich der (wohlgemerkt neue) hessische Innenminister Roman Poseck bei den Opferfamilien entschuldigt. Die Recherche des Vaters von Vili-Viorel Paun hat zutage

gebracht, dass es beim Hanauer Notruf kein Weiterleitungssystem für nicht angenommene Anrufe gab und nur ein einziger Anschluss besetzt war. So habe sein Sohn, der den Täter stellen und verfolgen wollte, noch sein Handy in der Hand gehabt, als er von diesem mit einem Kopfschuss hingerichtet wurde. Bei besetzter Einzelleitung habe Vili keine Chance gehabt, den Notruf zu erreichen.

Die Initiative arbeitet mit „FA / Forensis“ in London zusammen, die auch Gutachten im Fall des 2015 ermordeten Vorsitzenden der Anwaltskammer Diyarbakir Tahir Elçi oder des NSU-Mordes an Halil Yozgat 2006 in Kassel erstellten. Als 2021 eine Frankfurter SEK-Einheit wegen rassistischer und rechtsextremer Chats aufgelöst wurde, stellte sich heraus, dass am 19. Februar 2020 von den 18 suspendierten Beamten 13 in Hanau im Dienst waren.

In Hanau besuchten wir anschließend die „Welle“, eine gemeinnützige GmbH, die mit 400 Mitarbeiter*innen landesweit und international traumapädagogische Fortbildungen für Schulen und andere Institutionen anbietet. Es ist ein entspannter Besuch, bei dem wir in einer geschützten Atmosphäre auch Prävention von Sekundärtraumatisierung ansprechen und praktizieren können. Die „Welle“ hatte 15 Aktivist*innen aus der Kinderarbeit in Diyarbarkir 2022 auf deren Wunsch hin zu einer Fortbildung nach Hanau einladen können.

Berlin

Die Orga-Gruppe Berlin hat viel geleistet und 15 Programmpunkte organisiert, darunter drei öffentliche Veranstaltungen, an denen die Gäste auf den Podien teilnehmen und aktuelle Entwicklungen berichten können.

Fachtag „Gegen die Ohnmacht“

Der Fachtag „Gegen die Ohnmacht: psychosoziale Arbeit zwischen Repression

und Exil“ im Refugio Berlin war mit 100 Teilnehmer*innen voll ausgebucht. Die Workshops, die von den Gästen geleitet werden, wurden am stärksten nachgefragt. Es bat sich hier die Möglichkeit, sowohl spezielle Herausforderungen wie gemeinsame Kontexte psycho-sozialer Arbeit in Deutschland und der Türkei auszutauschen, den fachlichen Umgang und Bedarfe zu vertiefen. Alle hoffen, dass daraus weitere Vernetzung und solidarische Fachzusammenarbeit entstehen. Es geht um eine breite Spanne von Themen.

Repression und kollektive Traumatisierung

Die Gäste arbeiten mit einem erweiterten Begriff von Folter. Für sie gehört hierzu auch Polizeigewalt, wenn sie die Intention hat, bewusst Schmerzen zuzufügen, zu erniedrigen oder Menschen zu brechen. Es sei ein staatliches Gesamtkonzept. Genauso wie das lautstarke nächtliche Eindringen in die Wohnungen schlafender Familien oder prügelnde Festnahmen in aller Öffentlichkeit.

Das Vorgehen des türkischen Staats nach den verheerenden Waldbränden 2024 wie nach dem schweren Erdbeben 2023 erklärt sich im Kontext kollektiver Traumatisierung. Staatliche Hilfe wurde nach Parteizugehörigkeit gewährt oder verweigert, die Soforthilfe kurdischer und internationaler NGOs blockiert. Das steigerte Ohnmacht und Trauma-Gefühle. Solche staatlichen Mechanismen gibt es in den kurdischen und alevitischen Regionen seit über 100 Jahren.

Als die Gäste aus der Türkei nach Repressalien in Deutschland fragten, berichteten ihnen die NGOs aus Deutschland von Polizeigewalt bei Abschiebungen, der Gewalt in Abschiebeknästen und Camps. Bekannt sind auch Fälle, wo das Sicherheitspersonal von Rechtsradikalen durchsetzt ist. Die mangelnde staatliche Bereitschaft,

rassistische Mordfälle als solche anzuerkennen und polizeilich aufzuklären wie in Hanau oder bei den NSU-Morden, lasse nicht nur die migrantischen Opferfamilien allein zurück. Es entstehe auch eine kollektive Traumatisierung, indem sich Migrant*innen und Geflüchtete betroffen und bedroht sehen, sich in Deutschland nicht sicher fühlen können. Millionen von Menschen sind trotz Volljährigkeit und festem Wohnsitz vom Wahlrecht ausgeschlossen, weil sie den „falschen“ Pass haben. Ausländergesetze behindern Solidarität und Teilhabe.

Anti-kurdischer Rassismus: Pro Asyl berichtet, dass sich die Zahl der Asylanträge von Menschen aus der Türkei 2023 mit 61.000 gegenüber dem Vorjahr verdoppelt hat. Damit ist die Türkei als Herkunftsland von Geflüchteten an die zweite Stelle hinter Syrien aufgerückt. Was die Statistiken nicht sagen ist, dass 84 Prozent davon kurdischer Abstammung und viele alevitischen Glaubens sind. Während von den 26 Prozent türkischer Abstammung 57 Prozent aus dem Umfeld der konservativ-nationalistischen Gülen-Bewegung eine Anerkennung in Deutschland erlangten, lag die Quote bei Kurd*innen nur bei 4,5 Prozent. Erklären lässt sich das durch Doppelstandards und den ungetrübten Schulterschluss deutscher Regierungspolitik mit der Autokratie in Ankara.

Austausch mit Frauenrechtsgruppen

Beim Austausch mit Berliner Frauenrechtsgruppen stellte sich heraus, dass es sowohl in der Türkei als auch in Deutschland eine starke kurdisch-laizistische Frauenbewegung gibt. Wie die Heilberufler*innen und die Sozialarbeiter*innen beschlossen auch Frauengruppen bei unseren Besuchen eine grundsätzliche kurdisch-türkisch-deutsche Zusammenarbeit. Zentrale Punkte der Frauen sind der Kampf gegen Femizide und für die Richtlinien der Istanbul-Konvention, gegen

Frauenarmut, sexuellen Missbrauch und Zwangsverheiratung. Bisher verjähren Vergewaltigung und Mord in der Türkei nicht. Mit dem Austritt aus der Istanbul-Konvention seien aber Rechtsunsicherheit und Strafnachlass entlang politischer Loyalitäten entstanden.

Bei Flamingo e.V. lernten wir einen transkulturellen Gemeinschaftsgarten von Frauen und das Natur-Apotheken-Projekt Hekayat mitten in Berlin kennen. Der Garten ist nach nach Hevrin Xelef benannt, einer 2019 ermordeten kurdischen-syrischen Politikerin. Hier treffen sich Musiker*innen und Künstler*innen zu Kulturveranstaltungen. Durch die Apotheke besteht ein Austausch mit dem Frauendorf Jinwar in Rojava/Syrien. Für geflüchtete und migrantische Frauen ist hier ein Heilort entstanden. Das alte Heilwissen aus den Herkunftsländern soll erhalten bleiben und weitergegeben werden. Unsere Gäste berichteten von den NGOs, die sich in den kurdischen Gebieten der Türkei massiven Ökoziden entgegenstemmen. Dort führen Staudammprojekte zu Dürre und Vertreibung, vernichten Umweltsünden wie Goldsuche mit Chemikalien ganze Ökosysteme.

Als Heilberufler*innen und als Friedensbewegte können wir mit ihnen lernen, uns auch in Deutschland nicht in die Verantwortungslosigkeit hineinschläfern zu lassen.

Unsere Gruppe „Menschenrechte TürkeiKurdistan“ freut sich auf die Reise nach Dyarbakir vom 15.–30. März 2025 und auf den nächsten Gegenbesuch im Herbst 2025. Mehr Informationen: ippnw.de/bit/tuerkei

Elke Schrage ist IPPNW-Mitglied und begleitete die Delegation aus der Türkei.

AKW Leibstadt: Ärzt*innen in Sorge

Über 500 Ärzt*innen protestieren gegen die geplante Laufzeitverlängerung des Schweizer Alt-AKW Leibstadt

Die Schweiz will das AKW Leibstadt an der Grenze zu Baden-Württemberg für den Betrieb über 40 Jahre hinaus vorbereiten. Dagegen haben sich jetzt über 500 Ärzt*innen aus der Schweiz und aus Süddeutschland in einem von der Schweizer und der Deutschen Sektion der IPPNW initiierten Appell ausgesprochen. Über 200 zusätzliche nicht-ärztliche Unterstützer*innen sind beigetreten.

Am 5. Dezember 2024 wurde der Appell in Bern dem Präsidenten des Nationalrats Eric Nussbaumer und, parallel dazu in Stuttgart der baden-württembergischen Umweltministerin Thekla Walker übergeben. Das Bundesumweltministerium in Bonn haben wir über unseren gemeinsamen ärztlichen, grenzüberschreitenden Protest informiert.

40 Jahre sind genug!

Im Deutsch-Schweizer Grenzraum liegen bereits die Uralt-AKWs in Beznau und Gösgen, beide haben bereits die Genehmigung für eine anvisierte Betriebsdauer von 60 Jahren erhalten – das AKW Leibstadt soll nun nach dem Willen der Betreiber und des Schweizer Bundesrates folgen.

In der Schweiz definieren allein die stattfindenden periodischen Sicherheitsüberprüfungen die Laufzeit eines AKWs, so dass der Weiterbetrieb über Nachrüstungen unbegrenzt möglich wird. In Deutschland dagegen wurden die Laufzeiten von Beginn an auf einen Maximalbetrieb von 40 Jahre festgelegt, eine Verlängerung der Laufzeit wäre nur durch umfangreiche technische Untersuchungen, einschließlich Öffentlichkeitsbeteiligung, möglich. Denn Materialversprödungen durch die ionisierende Dauerbestrahlung sind unaufhaltsam. Auch ist die Sicherheits- wie Leitstellentechnik dann deutlich veraltet.

Die Bedrohungslage und die Betroffenheit der Bevölkerung auch in Deutschland ist klar belegt: Eine Simulation einer Havarie des AKW Leibstadt aus dem Jahre 2017 zeigt, dass innerhalb von 48h weite Teile Deutschland hochradioaktiv verstrahlt sein könnten – die grenznahen Städte und Dörfer in Baden-Württemberg und Bayern wären dabei als erste und unmittelbar von der radioaktiven Wolke betroffen: youtu.be/5ggq_7qyc9o.

Die mögliche Freisetzung von Radioaktivität betrifft alle Bürger*innen auf beiden Seiten der Grenze – sowohl, was die unmittelbare gesundheitliche Gefahr als auch spätere eventuell notwendige Evakuierungsmaßnahmen betrifft. Laut der Schweizer EUNUPRIStudie von 2019 ist das AKW Leibstadt „by far the most dangerous Nuclear Power Plant for Germany“. Diese Aussage verstehen wir als Beleg für unsere ärztlichen Bedenken.

Dabei sind wir als Ärzt*innen auch schon mit Blick auf die gesundheitlichen Strahlenrisiken im Normalbetrieb eines Atomkraft-

Düsseldorf

Luxemburg

Straßburg

Leibstadt

Zürich

Bern

Lausanne

München

Berlin

Prag

SIMULATION EINES GAU IN LEIBSTADT (2019)

werks der Auffassung, dass die Nutzung der Atomenergie umgehend beendet werden muss und das AKW Leibstadt und der ganze veraltete Schweizer Atompark dauerhaft stillgelegt werden sollten. Wir verweisen hier auf den aktuellen Stand der Wissenschaft bezüglich der Auswirkungen radioaktiver Niedrigstrahlung auf Mensch und Umwelt. Die „Studie zu Sicherheitsdefiziten des Schweizer AKW Leibstadt“ der Schweizerischen Energiestiftung machte bereits 2021 dringlich auf zahlreiche Mängel und gravierende Sicherheitsdefizite dieses Altreaktors aufmerksam.

In ihrem Appell halten die Ärzt*innen folgendes fest: Die Schweiz ist rechtlich gebunden, eine weitere Betriebszeit des alten Atommeilers in Leibstadt nur nach einem den internationalen Rechtsnormen verpflichteten Verfahren zu gestatten. Dabei muss sie im Rahmen einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) die bisherigen Schwachstellen und Mängel identifizieren, die auch die Risiken durch Terror, Kriegseinwirkungen und veränderte Klimabedingungen aufzeigen. Im Rahmen einer länderübergreifenden Öffentlichkeitsbeteiligung müssen dann alle Resultate daraus bei einer Entscheidung über eine weitere Betriebsfortsetzung berücksichtigt werden. Eine nationale Sicherheitsüberprüfung alleine genügt den rechtlichen Anforderungen nicht.

Fotos von der Übergabe des Appells finden Sie hier: flickr.com/ippnw

Dr. Jörg Schmid ist IPPNW-Mitglied und Ansprechpartner für den Arbeitskreis Atomenergie.

Hamburg
Leipzig

Für einen gerechten Frieden

Ein Bericht über die Demonstration am 18. Oktober 2024 in Berlin

Nach langer Planung und kurzfristigem Standortwechsel hatten sich am Freitag abend ca. 3.000 Menschen unter dem Motto „Für einen gerechten Frieden in Palästina und Israel – Zivilbevölkerung schützen, Waffenexporte stoppen!“ am Berliner Hauptbahnhof versammelt. Organisiert von einem breiten NGO-Bündnis, darunter Amnesty International, medico international, Terre des Hommes, Sea-Watch und die IPPNW Deutschland, kamen Menschen aus den unterschiedlichsten Kulturkreisen zusammen.

Eine der zentralen Forderungen an die Bundesregierung war, sich für einen sofortigen und umfassenden Waffenstillstand aller Konfliktparteien des Krieges in Nahost einzusetzen, um die Zivilist*innen auf allen Seiten zu schützen und die Geiseln freizulassen. Desweiteren wurde die Bundesregierung aufgefordert, die internationale Gerichtsbarkeit zu achten, ein Ende illegaler israelischer Siedlungsbauten auf palästinensischem Gebiet zu einzufordern, sowie die Meinungs- und Versammlungsfreiheit zu schützen.

Die Atmosphäre bot Raum für Trauer, Wut und Fassungslosigkeit über das scheinbar endlose Töten hilfloser Menschen und die pauschale Kriminalisierung und Verortung palästina-solidarischer Gruppen als „antisemitisch“. Redner*innen und Musiker*innen thematisierten die grausamen Zustände in Gaza und im Libanon und benannten bittere Fakten über die konfliktbefeuernde und von Doppelmoral geprägte deutsche und US-amerikanische Außenpolitik.

In einer tief berührenden Audiobotschaft aus Chan Yunis sprach Dr. Bassam Zaqout, palästinensischer Arzt und Mitglied der Palestinian Medical Relief Society (PMRS), über die katastrophalen humanitären Umstände in Gaza, denen die Bevölkerung dort ausgesetzt ist und unter denen er täglich versucht, Leben zu retten. „Wir haben einen großen Mangel an allem, was wir zum Arbeiten brauchen. Das bedeutet, dass wir nicht allen Menschen helfen können. Aber

wir machen weiter, weil wir daran glauben, dass wir Teil der lebensrettenden Maßnahmen sein können. Wir sind beharrlich, weil wir glauben, dass unsere Arbeit wichtig ist.“ Er appellierte an die Weltgemeinschaft, den schrecklichen Krieg zu beenden, um allen Menschen der Region ein Leben in Frieden und Gleichberechtigung zu ermöglichen.

„Deutschland scheint immer als Profiteur seiner eigenen Verbrechen davonzukommen. […] Solange es Krieg gibt, werden sich deutsche Waffen verkaufen.“ Mit dieser Aussage lenkte die Autorin Deborah Feldmann den Fokus auf die paradoxe deutsche Außenpolitik, die sich nach außen hin zwar „nie wieder“ in einen Krieg begeben will, de facto aber die jüdische Gemeinschaft zur Rechtfertigung einer israel-nahen kriegsbefeuernden Staatsräson instrumentalisiere. Die Profiteure dieser Politik seien Waffenhersteller und diejenigen, die den Krieg vorantreiben.

Die Frage, wie lange sich die deutsche Regierung noch hinter der Maske des geschichtsbewussten Freundes Israels verstecken kann, bleibt offen. Sicher ist

aber, dass diese längst überfällige Kundgebung für viele dringend nötig war, um zu zeigen: Wir schauen hin und stellen uns im Kampf gegen die Kriegsführung der Regierung Netayahus solidarisch neben die Opfer in Gaza, im Libanon und in Israel. Dass dieser Protest Hand in Hand und diskriminierungsfrei möglich ist, hat diese Kundgebung gezeigt. Versammlungen, Diskussionen, gegenseitiges Trostspenden – das alles gehört zur Friedensfindung dazu. Solange Palästina-solidarische Proteste noch als emotionalisierte und unkontrollierbare Masse konstruiert werden, um sie zum Verstummen zu bringen, lebt der Protest weiter und wird lauter.

Mitschnitte von der Kundgebung und weitere Demotermine finden Sie hier: gerechter-frieden.org

Helene Stahlenbrecher arbeitet als Bundesfreiwillige für die IPPNW.

Trauma, Resilienz und Empowerment

Global Health Summer School vom 20.–27. September 2024 in Berlin

Die diesjährige Global Health Summer School der IPPNW und Charité Berlin stand unter dem Arbeitstitel „Trauma, Empowerment und das Recht auf Gesundheit in Kontexten von Flucht und Vertreibung“. Die 27 Teilnehmenden des Programms waren junge Mediziner*innen, Studierende der Medizin, Psychologie und Sozialwissenschaften sowie junge Berufstätige aus dem Bereich der Menschenrechtsarbeit. Die Diversität der Teilnehmenden und Referent*innen verschiedenster Fachdisziplinen und Positionen aus dem Globalen Süden und Norden trugen zu einem tiefgreifenden Austausch von praktischen wie auch persönlichen Erfahrungen bei und förderten eine angeregte und vielschichtige Diskussionslandschaft.

Den Auftakt der Summer School machte der Fachtag „Gegen die Ohnmacht: Psychosoziale Arbeit zwischen Repression und Exil“, bei dem kurdische Menschenrechtsaktivist*innen über die Auswirkungen autoritärer Herrschaftsverhältnisse und Repression auf psychosoziale Arbeit im Südosten der Türkei wie auch im Exil berichteten. Neben den Teilnehmenden der Summer School wurde der Fachtag von etwa hundert Gästen besucht und war mitunter aufgrund des direkten Austausches mit den Aktivist*innen und de -

ren Lebensrealitäten ein lehrreicher und bewegender Start in die Summer School Woche.

Die Summer School begann dann am folgenden Tag mit einer theoretischen Einführung in dekoloniale und intersektionale Perspektiven auf Global Health, die gemeinsam mit einer trauma- und bedürfnisorientierten Methodologie zu den Grundpfeilern des Summer-SchoolKonzepts zählten. Da sich das diesjährige Programm vor allem auch um Folgen von Flucht und Vertreibung drehte, war es ein zentrales Anliegen gemeinsam mit den Teilnehmenden Verabredungen über eine traumasensible Lernatmosphäre zu treffen. Ein Bestandteil hiervon waren beispielsweise regelmäßige Bedürfnisrunden und die Möglichkeit zur selbstbestimmten Themensetzung einiger Programmpunkte.

Im Rahmen der Summer School wurden vier thematische Bereiche vorgestellt und mit der Gruppe erarbeitet – „Gesundheit und Migration im politischen Kontext“, „Trauma verstehen“, „Support und Survivorship” und „Empowerment“. Eine kontextuelle Einbettung in die gesellschaftspolitischen und menschenrechtlichen Definitionen von Globaler Gesundheit bot Maik Paap; Julia Manek stellte die Arbeit von Medico International in Geflüchteten-

lagern auf griechischen Inseln vor; Bernd Kasparek schaffte ein Verständnis für die Folgen zunehmend verhärtender europäischer Grenzregimes.

Der Tag zum Thema Trauma war besonders bewegend, da Esther Mujawaro-Keiner Einblick in die psychologische und menschenrechtsaktivistische Arbeit mit Überlebenden des Genozids in Ruanda geben konnte. Ihr Vortrag hat bei vielen Teilnehmenden bleibende Eindrücke hinterlassen. Desweiteren wurden im Rahmen eines „Practice-and-Skills“-Tages praktische Kompetenzen gefördert, die Selbsthilfetipps für Berufstätige im Gesundheitswesen und community-basierten Resilienzpraktiken in der kulturellen Arbeit vermittelt haben.

Ein wesentlicher Aspekt des diesjährigen Programms war der unmittelbare Einblick in die Perspektiven und Expertise von Menschen, die von den Folgen ungleicher Migrationsregime betroffen sind. Dabei konnten die Teilnehmenden nicht nur Betroffenenperspektiven zuhören, sondern vor allem auch von dem Austausch mit Aktivist*innen, Projekten und Initiativen über Traumabewältigung, Resilienz und Empowerment lernen. So unternahmen Teile der Gruppe eine Stadtführung zu “Berliner Migrationsgeschichten” mit Querstadtein

e.V., bei denen sie aktivistische Handlungsräume in Kreuzberg erkundeten. Außerdem wurde das Frauenprojekt „Heilkräutergarten Hevrîn Xelef“ von Flamingo e.V. vorgestellt, das im Austausch mit einem Frauendorf in Rojava (Syrien) einen selbstermächtigenden Rahmen für Frauen* bietet, Erholung und Rückhalt im Gartenprojekt zu finden und einen Austausch über Heilkräutermethoden fördert.

Auch die Fishbowl-Veranstaltung „Aktivistischer Dialog über Resilienz und Widerstand“ bot einen privaten Einblick in die vielschichtigen Kämpfe und Herausforderungen von Menschenrechtsaktivist*innen in Deutschland.

Der Wissenstransfer zwischen den Teilnehmenden war ein bereicherndes Element der Summer School. Wie in den vorherigen Jahren waren auch dieses Mal die von den Teilnehmenden angeleiteten Workshops ein fester Bestandteil des Programms. Hierbei wurde eine Bandbreite an regionalspezifischen, thematisch diversen Vorträgen gehalten, wie etwa „Herausforderungen von klimaund witterungsbedingter Erstversorgung in Nepal“ oder „Aktivistische Notstände in der Menschenrechtsbewegung in Malaysia“. Über den Verlauf der Summer School tauschten die Teilnehmenden nicht nur Fachkenntnisse aus, sondern führten tiefgreifende Dialoge und Diskussionen. Die vielen Gruppenarbeiten, Plenardiskussionen, Mittagspausen und nachmittäg-

IMPRESSUM

Herausgeber: Internationale Ärzt*innen für die Verhütung des Atomkrieges, Ärzt*innen in sozialer Verantwortung e. V. (IPPNW), Sektion

Deutschland Redaktion: Dr. Lars Pohlmeier (V.i.S.d.P.), Angelika Wilmen, Regine Ratke

Anschrift der Redaktion: IPPNWforum, Frankfurter Allee 3, 10247 Berlin, Telefon: 030 69 80 74 0, Fax 030 693 81 66

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lichen Veranstaltungen haben zudem zu einer Vernetzung unter vielen in der Gruppe geführt.

Die Summer School endete mit einem Playback-Theater, bei dem wir die über die Woche gesammelten Eindrücke und Emotionen schauspielerisch darstellten. Das abschließende Theater fing die vielen Momente dieser intensiven Woche auf. Es verabschiedete die Summer-School-Teilnehmenden erschöpft und mit neuen Fragen und Anregungen.

Kayra Hohmann Akbulak hat Politik- und Sozialwissenschaften studiert. Sie hat die Global Health Summer School im Rahmen eines Praktikums begleitet.

BIC: GENODEM1GLS

Dieses Heft ist Teil der Publikation „IPPNWforum“. Der Bezugspreis für Mitglieder ist im Mitgliedsbeitrag enthalten. Sämtliche namentlich gezeichnete Artikel entsprechen nicht unbedingt der Meinung der Redaktion oder des Herausgebers. Nachdrucke bedürfen der schriftlichen Genehmigung. Erscheint viermal im Jahr. Redaktionsschluss des nächsten Heftes: 31. Januar 2025

Gestaltungskonzept: Thomas Bock Druck: DDL Berlin

„Die Atombomben haben uns weder erlaubt, als Menschen zu sterben, noch, als Menschen zu leben. Wir Hibakusha haben gelobt, dass nie wieder jemand solch höllischen Erfahrungen ausgesetzt werden darf wie wir.“

Michiko Kodama, Nihon Hidankyo

Pionier*innen der Bewegung für nukleare Abrüstung

Die IPPNW gratuliert Nihon Hidankyo zum Friedensnobelpreis

Die japanische Organisation Nihon Hidankyo, die Vereinigung der A- und H-Bomben-Opfer, wurde mit dem Friedensnobelpreis 2024 ausgezeichnet. Das Nobelpreiskomitee würdigte die Organisation für ihren Einsatz für eine atomwaffenfreie Welt und die eindringlichen Zeugnisse der Hibakusha, der Überlebenden der Atombombenabwürfe.

Die persönlichen Geschichten der Hibakusha machen das Leid und den Schmerz, die durch Atomwaffen verursacht werden, greifbar und tragen dazu bei, ein starkes internationales Tabu gegen ihren Einsatz aufrechtzuerhalten. Die Verleihung des Preises erfolgt zu einem Zeitpunkt, an dem dieses Tabu durch die Modernisierung von Atomwaffenarsenalen, das Interesse neuer Staaten an Atomwaffen und die Drohung mit ihrem Einsatz in aktuellen Kriegen zunehmend unter Druck gerät.

Die Augenzeugenberichte der Hibakusha belegen die katastrophalen humanitären Folgen eines Atomwaffeneinsatzes: Sie sind für alle, die sich für die Abschaffung dieser Waffen einsetzen, Grundlage und Motivation für die eigene Arbeit. Somit sind die Mitglieder von Nihon Hidankyo die Pionier*innen der Bewegung für nukleare Abrüstung, der die IPPNW angehört.

Nihon Hidankyo wurde am 10. August 1956 gegründet, um der Welt die Schrecken von Hiroshima und Nagasaki vor Augen zu führen und eine Wiederholung solcher Gräueltaten zu verhindern. Die

Organisation vertritt die Interessen der Hibakusha auf nationaler und internationaler Ebene.

Die Organisation hat im Laufe der Jahre eine entscheidende Rolle im Kampf gegen Atomwaffen gespielt: 1975 forderte ein Ko-Vorsitzender der Organisation die Vereinten Nationen auf, einen Vertrag zum Verbot von Atomwaffen auszuarbeiten. Hidankyo beteiligte sich 1995 an den Anhörungen des Internationalen Gerichtshofs zur Legalität von Atomwaffen.

Hidankyo arbeitet eng mit der Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN) zusammen, die 2017 den Friedensnobelpreis erhielt. Die Geschichten der Hibakusha bilden die Grundlage für die Arbeit von ICAN, und Setsuko Thurlow, eine Hibakusha, nahm den Preis im Namen von ICAN entgegen. Auch mit der Internationalen IPPNW, die 1985 den Friedensnobelpreis erhielt, besteht eine enge Verbindung. Die IPPNW setzt sich für die Aufklärung über die medizinischen Folgen eines Atomkriegs ein, die durch die Erfahrungen der Hibakusha bekannt wurden.

Die Verleihung des Friedensnobelpreises an Nihon Hidankyo ehrt ihre Arbeit für eine Welt ohne Atomwaffen und das in einer Zeit, in der die nukleare Gefahr so groß ist wie noch nie. Atomwaffen sichern keinen Frieden, sondern erhöhen die Gefahr einer katastrophalen Eskalation in Kriegen. Die Ehrung der Atomwaffenüberlebenden sendet nun ein wichtiges Signal, dass der Einsatz von Atomwaffen und dessen Androhung inakzeptabel sind und nur die Abschaffung dieser Waffen Sicherheit und Frieden für alle Menschen bringen kann.

Der Zeitpunkt der Preisverleihung ist besonders bedeutsam, da sich im Jahr 2025 die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki zum 80. Mal jähren. Gerade jetzt, wo die Gefahr eines Atomkriegs wieder steigt, ist es wichtig, die Stimmen der Hibakusha zu hören und ihre Botschaft ernst zu nehmen. Ihre Geschichten erinnern uns an die humanitären Folgen eines Atomwaffeneinsatzes und mahnen uns, alles in unserer Macht Stehende zu tun, um eine solche Katastrophe zu verhindern.

Xanthe Hall ist Atomwaffenexpertin und Geschäftsstellenleiterin der IPPNW.

Ein halbes Leben bei der IPPNW

Abrüstungsreferentin Xanthe Hall verlässt die IPPNW

Als ich im Mai 1992 als internationale Campaignerin für die deutsche Sektion der IPPNW in der Pressestelle in Berlin anfing, war ich 32 Jahre alt. Nun bin ich 65. Ein halbes Leben habe ich bei der IPPNW gearbeitet – drei Viertel meines ganzen Berufslebens.

empfahl er dem Vorstand, mich einzustellen. Zwar war ich überhaupt nicht qualifiziert dafür, aber Michi Roelen erkannte, dass ich Erfahrung und Motivation besaß.

Wir durchlebten turbulente Zeiten nach der Wende. Wir dachten, dass es eine Chance gebe, die Atomwaffen wirklich

Meine Einstellung damals verdanke ich Michi Roelen, der erst Pressesprecher und dann Geschäftsführer der IPPNW war. Ich kannte ihn durch meine vorige Arbeit in der Druckerei in der Körtestraße 10, wo ich die IPPNW-Druckaufträge betreut hatte. Durch unsere enge Zusammenarbeit fand er heraus, dass ich mich seit meinem 19. Lebensjahr in Großbritannien ehrenamtlich gegen Atomwaffen engagiert hatte. Da die IPPNW jemanden mit diesen Erfahrungen und auch mit meinen Sprachkenntnissen in der neuen Geschäftsstelle (nach dem Umzug aus Heidesheim) in der Körtestraße brauchte,

aus der Welt zu verbannen. Nun stehen wir heute bei einer neuen „Zeitenwende“, die ich als besonders schmerzhaft erlebe, weil vieles, das ich in meiner Zeit als Abrüstungsreferentin bei der IPPNW erreicht habe, in Frage gestellt wird.

Obwohl ich mich nicht geschlagen geben will, habe ich in den letzten Jahren gemerkt, dass ich körperlich nicht mehr in der Lage bin, den Kampf mit vollen Elan weiterzuführen. Eine lange Krankheit, die ich vor 15 Jahren hatte, hinterließ spürbare Narben und der Druck auf eine Leiterin einer mittelgroßen NGO war

für mich auch nicht immer wegzustecken. Kurz gesagt: Ich bin unendlich müde.

Daher habe ich mich schweren Herzens entschieden, die IPPNW zu verlassen. Es ist eine lange und gut durchdachte Entscheidung, bei der ich viel Unterstützung hatte. Obwohl viele Menschen in meinem Freundeskreis nicht glauben wollten, dass ich diese Arbeit loslassen könnte, haben mir der Vorstand und meine Kolleg*innen geholfen, meinen Weggang zu ermöglichen. Zusammen haben wir daran gearbeitet, dass die Geschäftsstelle und das Team zukunftsfähig werden.

Wenn ich Ende Januar die Bürotür von außen zumache, werde ich das mit der Zufriedenheit tun, dass ich eine gut funktionierende Geschäftsstelle mit engagierten und kompetenten Mitarbeiter*innen hinterlasse. Ich bin zuversichtlich, dass dieses Team, mit Caroline Kann und Angelika Wilmen in der Leitung, die Herausforderungen, denen ich mich nicht mehr stellen will, annehmen und erfolgreich bearbeiten wird.

Ein Jahr möchte ich für mich alleine haben. Für mein Garten, das Malen, Schreiben und meine vielen Hobbys. Danach entscheide ich mich neu, wie ich mich als Rentnerin engagieren will. Wer weiß: vielleicht gegen Atomwaffen.

Neu im Team

Neue Mitarbeiter*innen in den Bereichen Fundraising, Presse und Geschäftsstellenleitung

Liebe Mitglieder, seit Oktober 2024 unterstütze ich die Berliner Geschäftsstelle als Fundraiserin und bei der Datenverarbeitung. Studiert habe ich Umweltechnik an der TU Berlin. Nach einem kurzen Einblick in die Industrie habe ich in die NGO-Welt gewechselt und fast sechs Jahre für Ingenieure ohne Grenzen gearbeitet, wo ich eine führende Rolle in der Entwicklung der Datenverarbeitung und bei der Organisation des Fundraisings hatte.

An der IPPNW bewundere ich ihren jahrzehntelangen beharrlichen Einsatz gegen Atomwaffen und Krieg. Es ist wichtig, nicht zu vergessen, dass Frieden nicht selbstverständlich ist; er basiert auf kontinuierlichen Bemühungen. Ich freue mich, dass ich die Kolleg*innen bei dieser wichtigen Aufgabe unterstützen darf, in der Hoffnung, dass mein eigener Sohn keinen Krieg erleben muss.

Liebe Mitglieder, seit November bin ich als Referent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit neu in der Geschäftsstelle der IPPNW. Ich bin gebürtiger Berliner und habe zwei Töchter, die acht und elf Jahre alt sind. Seit meiner Jugend bestimmt Politik mein Leben. Ich war lange in dem linken außerparlamentarischen Jugendverband JungdemokratInnen/Junge Linke aktiv. Diese Erfahrungen haben meine Sicht auf die Welt und meine politischen Fähigkeiten maßgeblich geprägt, stärker als mein Studium der Politologie. Nach meinem Abschluss war ich beim Bund für Soziale Verteidigung beschäftigt und nutzte dann die Gelegenheit, als Mitarbeiter einer Bundestagsabgeordneten auch die parlamentarische Politik kennenzulernen. Im Bundestag war ich in den Bereichen Friedens- und Gesundheitspolitik tätig. Mit der IPPNW hatte ich hier zum Beispiel beim Parlamentskreis Atomwaffenverbot Berührungspunkte. Parallel dazu arbeitete ich in der Redaktion der Zeitschrift Wissenschaft und Frieden mit.

Auch wenn ich viele Jahre im Bundestag gearbeitet habe, bin ich überzeugt, dass Veränderung durch Druck von außerhalb der Parlamente erkämpft wird. Daher bin ich froh, mit der IPPNW wieder zu meinen außerparlamentarischen Wurzeln zurückzukehren. Ich freue mich darauf, mit meiner Arbeit für die IPPNW daran mitzuwirken, dass diese Welt friedlicher und menschlicher wird.

Liebe Mitglieder, ich freue mich, mich Ihnen an dieser Stelle vorstellen zu dürfen. Ich habe Politikwissenschaft an der Freien Universität Berlin sowie an der University of Aberdeen (Großbritannien) mit Schwerpunkt Globalisierung, Naher Osten und Internationale Finanzmärkte studiert. Meine Diplomarbeit habe ich 2005 über Religion und Politik im Islam verfasst. Ich habe zwei Kinder und wohne seit über 25 Jahren in Berlin. Bevor ich zur IPPNW kam, habe ich in der Beratung im Non-Profit-Bereich z.B. Stiftungen und Institutionen der öffentlichen Hand mit dem Schwerpunkt Bildung, Evaluation und Organisationsentwicklung beraten. Zuvor war ich 15 Jahre an der Schnittstelle von Wissenschaft, Politik und Verwaltung tätig. Hier arbeitete ich u.a. im Bereich der empirischen Bildungsforschung am Leibniz Institut DIPF, der Humboldt-Universität zu Berlin sowie in der ministeriellen Verwaltung. Von 2017–2022 war ich als Referentin in der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie des Landes Berlin tätig. Seit 2019 vertrat ich Berlin im Rahmen ein Bund-Länder-Initiative für sozial benachteiligte Schüler*innen beim Sekretariat der Kultusministerkonferenz.

Ich freue mich auf eine gute Zusammenarbeit mit den Kolleg*innen in der Geschäftsstelle, dem Vorstand und Ihnen als Mitgliedern und hoffe, mit meiner Tätigkeit bei der IPPNW einen kleinen Beitrag zu einer besseren Welt zu leisten.

SOTIRIA FRILIGKOU
DR. CAROLINE KANN
MAREK VOIGT

Nachruf

auf Michael Sladek

Vorbild für mutiges Handeln

Wir trauern um Dr. Michael Sladek, der am 24. September nach schwerer Krankheit im Alter von 78 Jahren im Haus seiner Familie in Schönau (Schwarzwald) verstorben ist. Seit der Atomkatastrophe von Tschernobyl 1986 hat er sich mit schier unerschöpflicher Energie für den Aufbau einer atom- und kohlestromfreien Energieversorgung eingesetzt. Gemeinsam mit seiner Frau Ursula entwickelten beide ab 1997 in der kleinen Schwarzwaldgemeinde die Elektrizitätswerke Schönau (EWS) und bauten das Unternehmen zu einem führenden ökologischen Energieversorger mit gegenwärtig über 200.000 Kunden aus. Bereits 1999 wurde dieses Engagement mit dem Nuclearfree Future Award ausgezeichnet.

Michael Sladek war seit 1994 Mitglied der IPPNW. Seine Frau Ursula war mehrfach Vortragende auf Kongressen und Jahrestagungen der IPPNW und hat dabei die konkrete Utopie einer atomstromfreien Zukunft für alle erfahrbar gemacht. Er war ein Mutmacher. Das wird besonders deutlich in seinem letzten Beitrag für das Energiewendemagazin der EWS vom Juni 2024, wo er unter dem Titel „Mut kann man spüren“ so etwas wie ein Vermächtnis verfasst hat. Dort schreibt er: „Ja, es wird vielleicht ein schwerer, riskanter Weg. Und vielleicht wird daraus auch nichts. Aber nichts zu tun und an der Klagemauer zu jammern, ist sinnlos.“

Michael Sladeks Tod ist für alle, die ihn und sein unermüdliches Engagement erleben konnten, ein großer Verlust. Aber über seinen Tod hinaus bleibt er auch für die IPPNW ein Vorbild für mutiges Handeln, gegen die Angst, mit der wir auch in unserer Arbeit tagtäglich konfrontiert sind.

Christoph Dembowski

Wir trauern um Dr. Peter Becker

Langjähriger Vorsitzender der IALANA Deutschland

Peter Becker ist am 18. September 2024 im Alter von 83 Jahren verstorben. Mit ihm verlieren wir einen Freund und Wegbegleiter, der die Arbeit der IPPNW über Jahrzehnte inspiriert und bereichert hat. Peter Becker war eine treibende Kraft im Kampf für eine friedlichere Welt. Über zwei Jahrzehnte leitete er die IALANA Deutschland als Vorsitzender und später als Ehrenvorsitzender. Als Co-Präsident von IALANA International brachte er Menschen aus aller Welt zusammen, um sich für die Ächtung von Atomwaffen einzusetzen. Besonders bedeutsam war seine Rolle beim „World Court Project“, das die UN davon überzeugte, den Internationalen Gerichtshof um ein Gutachten zur Legalität von Atomwaffen zu bitten. Dass der IGH 1996 den Einsatz und die Androhung von Atomwaffen als generell illegal einstufte, ist ein Ergebnis seiner unermüdlichen Arbeit.

Die Zusammenarbeit mit Peter Becker war immer geprägt von seiner Leidenschaft und seinem tiefen juristischen Verständnis. Mit großer Entschlossenheit versuchte er, Deutschlands nukleare Teilhabe zu beenden und die Nutzung der US-Air-Base in Ramstein für Drohneneinsätze zu stoppen. Dabei hat er auch als Anwalt Geschichte geschrieben: Er führte wegweisende Prozesse vor dem Bundesverfassungsgericht und dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Mit der von ihm gegründeten Stiftung Friedensbildung und dem Peter-Becker-Preis setzte er bleibende Zeichen für die Friedensforschung und Konfliktprävention. Ab 2007 arbeitete er mit uns an dem Projekt einer zivilgesellschaftlichen Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit im Mittleren und Nahen Osten, KSZMNO.

Viele von uns erinnern sich an Peter Becker als klugen, warmherzigen und inspirierenden Redner. Ich denke zum Beispiel an seinen bewegenden Nachruf für den Politiker, Energierechtler und Friedensaktivisten Hermann Scheer auf dem IPPNW-Tschernobylkongress 2016. Peter Becker war ein Mensch mit großem Herz, scharfsinnigem Verstand und unerschütterlichem Optimismus. Er wird uns fehlen – als Freund, als Visionär und als unbeirrbare Stimme für den Frieden. Unsere Gedanken sind bei seiner Familie und all denen, die ihn kannten und schätzten.

Dr. Helmut Lohrer

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