ippnw forum
das magazin der ippnw nr127 sept11 3,50€ internationale ärzte für die verhütung des atomkrieges – ärzte in sozialer verantwortung
- Angst vor der Strahlung: Besuch einer Bürgerinitiative aus Fukushima - heißer herbst in Erlangen: das Erlanger Poetenfestival soll „atomfrei“ werden - 6 Fragen an Jean Ziegler
Auf bruch im Nahen Osten: Zwischen Demokratie & Freiheit, Gewalt, Flucht, Traumatisierung & Krieg
I PPNW
©ralf bittner / www.f2-fotografie.de
IPPNW steht für “International Physicians for the Prevention of Nuclear War”. Wir engagieren uns für eine Welt ohne atomare Bedrohung und Krieg, wurden 1985 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet und sind in über 60 Ländern aktiv.
In der IPPNW engagieren sich Ärztinnen und Ärzte, Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten sowie Medizinstudierende für eine menschenwürdige Welt frei von atomarer Bedrohung. Frieden ist unser zentrales Anliegen. Daraus entwickeln wir unser vielfältiges Engagement. Wir setzen uns ein für die Ächtung jeglicher Kriege, für gewaltfreie, zivile Formen der Konfliktbearbeitung, für den Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen und die gerechte Verteilung der Ressourcen sowie für ein soziales und humanes Gesundheitswesen. Dabei leiten uns unser ärztliches Berufsethos und unser Verständnis von Medizin als einer sozialen Wissenschaft. Für eine Welt frei von atomarer Bedrohung Für eine Welt frei von Krieg Für eine Medizin in sozialer Verantwortung
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Editorial Sabine Farrouh ist Anästhesistin & Palliativmedizinerin und im Vorstand der IPPNW Deutschland.
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en Themenschwerpunkt dieses Heftes haben wir vor langer Zeit festgelegt. Seither überschlagen sich die Ereignisse in der Region.
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er Krieg in Libyen scheint entschieden: Während eine große Mehrheit den massiven Luftkrieg der NATO befürwortete, hat die deutsche IPPNW ihn von Anfang an abgelehnt. Der Krieg der NATO zielte von vornherein auf den Sturz des libyschen Machthabers. Statt des „Schutzes der Zivilbevölkerung“ standen wirtschaftliche und strategische Ziele im Vordergrund. Wir haben Schritte zu einer friedlichen Lösung gefordert – zuletzt nach Enthüllung der auch dem Bundestag verheimlichten Kriegsbeteiligung deutscher Soldaten. Als einer der Ersten hatte sich IPPNW-Co-Gründer Bernard Lown zu dem Libyen-Einsatz geäußert. Seinen Beitrag finden Sie in dieser Forum-Ausgabe. Die Texte unseres Schwerpunkts fordern uns aus unterschiedlichen Blickwinkeln dazu auf, stets sehr genau hinzuschauen, ob es tatsächlich überall da um „Menschenrechte“ geht, wo es behauptet wird. Joachim Guilliard analysiert die Wege in den Libyen-Krieg. Die Politikwissenschaftlerin Helga Baumgarten und der Vorsitzende der Deutsch-Palästinensischen Gesellschaft Raif Hussein schreiben über die aktuellen Auswirkungen der arabischen Bewegungen für Palästina vor der UNO-Entscheidung. Die Menschenrechtlerin Maryam Al-Khawaja schildert die Situation in Bahrain, wo die Regierung systematisch Ärzte, medizinisches Personal und Patienten attackiert.
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uch 72 Jahre nach Beginn des 2. Weltkriegs ist das Versprechen der UN-Charta noch immer nicht eingelöst: die Geißel des Krieges zu überwinden. Die Geschäfte der Waffenindustrie bereiten den Boden für immer neue militärische Konfrontationen. IPPNW-Mitglied Ernst-Ludwig Iskenius berichtet im Interview, wie auch mit Waffen aus Deutschland Menschen in anderen Ländern getötet, geschädigt und vertrieben werden. Wir wünschen den Menschen in der Region, dass sie trotz aller massiven Einflussversuche von außen erfolgreich sind auf ihrem Weg zu mehr Freiheit, Menschenrechten und Demokratie. Ihnen eine spannende Lektüre Sabine Farrouh
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INhAlt heißer herbst in Erlangen: das Erlanger Poetenfestival soll „atomfrei“ werden
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thEMEN Heißer Herbst in Erlangen ..............................................................................8 Stückwerk: Die neue Energiepolitik der Bundesregierung ..... 10 Angst vor der Strahlung: Besuch einer Bürgerinitiative
© Erlanger Poetenfest Erich Malter, 2010
aus Fukushima
Angst vor der Strahlung Besuch einer Bürgerinitiative aus Fukushima
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65 Jahre nach dem Nürnberger Ärzteprozess ................................ 12 Transparenz in der Medizin........................................................................ 13 Brutaler Gesundheitsmarkt ........................................................................ 14 Hört auf, uns zu töten! – Bericht aus Afghanistan...................... 15 Narben auf der Seele: Interview mit dem Arzt Ernst-Ludwig Iskenius .............................. 16
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SchWErPUNKt Der menschliche Blick: Kindergesichter aus einer Region im Umbruch ............................ 18 Der Weg in den Libyen-Krieg .................................................................... 20 Doppelmoral: B. Lown über „humanitäre Interventionen“ ..... 23 Befehlsverweigerung: Interview mit der Menschenrechtlerin Maryam Al-Khawaja
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Fragmentierung einer Gesellschaft ....................................................... 26 Recht auf Anerkennung
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Sicherheit durch Kooperation
Aufbruch im Nahen Osten
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WElt atomwaffenfrei.jetzt........................................................................................ 30
rUBrIKEN Editorial......................................................................................................................3 Meinung .....................................................................................................................5 Nachrichten .............................................................................................................6 Aktion ...................................................................................................................... 31 Gelesen, Gesehen ............................................................................................ 32 Gedruckt, Geplant, Termine ...................................................................... 33 Gefragt .................................................................................................................... 34 © Amr Emam/IRIN
Impressum/Bildnachweis ............................................................................ 33
Meinung
Dr. Jens Wagner ist Vorstandsmitglied der IPPNW Deutschland.
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Wir leben in einer Desinformationsgesellschaft*. Der Mensch ist heute mit einer falsch informierten Öffentlichkeit, falschem gesellschaftlichen Konsens konfrontiert.
b „billiger Atomstrom“ oder „islamischer Terrorismus“, ob „humanitäre Intervention“, „westliche Wertegemeinschaft“ oder „alternativlose Bankenrettung“ – fest verinnerlichte Glaubenssätze verhindern tatsachenbezogenes Handeln.
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ie moderne Gesellschaft, die auf entscheidenden Gebieten von falschen Voraussetzungen ausgeht, ist ein Resultat von Desinformation. Wobei es gerade etablierte Leitmedien und angesehene Institutionen sind, die den falschen, d. h. faktisch und perspektivisch unangemessenen Konsens erzeugen. Durch Desinformation unterstützt die Mehrheit, was einer Minderheit nützt – Demokratie wird ausgehebelt. Meist werden gerade Tatsachen, die ins Zentrum der Aufmerksamkeit fallen und dadurch Wirkung entfalten können, der Öffentlichkeit vorenthalten. Hintergründe zu Militärinterventionen, Zielsetzung und Konsequenzen der neoliberalen Globalisierung, wie sie beispielsweise in der Finanzkrise sichtbar werden, sind Paradebeispiele. Scheindiskurse ersetzen Grundsatzfragen, Nebenschauplätze und Ablenkungen werden installiert, Paradigmen durch Wiederholung zementiert, Gefälligkeitsstudien liefern Argumente, Fragen werden totgeschwiegen. Begriffe wie: „Alternativlos“, „linke Ideologie“, „Antisemitismus“ oder „Verschwörungstheorie“ wirken als Denksperren.
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lle IPPNW-Themen sind zugleich auch hart umkämpfte Felder der Desinformation. Die Neuen Medien bieten Wege, Desinformation zu umgehen und sind zu einem wichtigen Instrument des zivilen Widerstands geworden. WikiLeaks, der Fall Guttenberg und der arabische Frühling zeigen dies. Ich glaube, dass auch bei uns ein grundsätzlicher gesellschaftlicher Wandel angezeigt ist, und wünsche mir, dass die IPPNW vorne mit dabei ist, durch umfassende und kritische Recherche, moderne Kommunikation und vor allem den Mut, die entscheidenden Fragen auch öffentlich zu stellen.
* In Büchern wie „Meinungsmache“ von Albrecht Müller, „Manufacturing Consent“ (Die Konsensfabrik), „Media Control“ (Wie die Medien uns manipulieren) oder „Necessary Illusions“ von Noam Chomsky werden Mechanismen der Desinformation ausgiebig untersucht.
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N achrichten
Spendenaufruf – Türkische Menschenrechtsstiftung in Not
Gorleben: zu wenige Mädchen geboren
Leukämierisiko im Umkreis von AKWs signifikant erhöht
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as niedersächsische Statistikamt hat kürzlich die Geburtenzahlen für 2010 veröffentlicht. Diese Zahlen machen deutlich, dass sich in der Umgebung von Gorleben der Trend in der Veränderung des Geschlechterverhältnisses von Neugeborenen seit Inbetriebnahme des dortigen Atommüll-Zwischenlagers weiterhin fortsetzt: Es werden zunehmend weniger Mädchen geboren.
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Das zeigt jetzt eine Auswertung der Zahlen durch Dr. Hagen Scherb, Dr. Kristina Voigt und Diplom-Ingenieur Ralf Kusmierz in ihrem neuen „Fact Sheet Gorleben“. Der Effekt ist trotz verhältnismäßig kleiner Absolutzahlen deutlich signifikant. Seit dem Beginn der Castor-Transporte nach Gorleben im Jahr 1995 hat sich demnach das Verhältnis von männlichen zu weiblichen Lebendgeburten im Abstand bis 35 Kilometer vom Atom-Zwischenlager Gorleben bis 2010 um 20 Prozent erhöht. Dr. Hagen Scherb und Kollegen haben in einer Studie Veränderungen des Geschlechterverhältnisses in der Nähe von 28 Atomanlagen in der Schweiz und in Deutschland untersucht. Die Veränderungen sind dort aber bei Weitem nicht so stark wie in der Umgebung zum Atommüll-Zwischenlager Gorleben.
Erklärt werden könnte das beobachtete Leukämierisiko für Kinder im Nahbereich von AKWs durch die Brennelementwechsel. Dabei werden vermehrt radioaktive Partikel und Gase in die Umwelt abgegeben. Diese Spitzenwerte werden allerdings als Betriebseigentum der AKW-Betreiber behandelt und deshalb nicht veröffentlicht. Veröffentlicht werden lediglich gemittelte und somit beschönigte Werte, die weit unter den Spitzenwerten an Tagen des Brennelementwechsels liegen.
eit 20 Jahren stellt die Menschenrechtsstiftung der Türkei (TIHV) Therapie und Rehabilitation von Folteropfern sicher und dokumentiert die Menschenrechtsverletzungen im Land. Ihre Arbeit wird neben privaten Spendern auch von der EU-Kommission unterstützt. Diese Fonds bildeten bisher einen beträchtlichen Anteil der Finanzierung. Da die Regeln der Antragstellung auf EU-Fonds geändert wurden, wird die TIHV 2011 und 2012 keine Unterstützung von der EU bekommen. Daher ist sie auf zusätzliche Spenden angewiesen. Ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen haben durch teilweisen oder vollständigen Verzicht auf Gehalt zum Erhalt der Stiftung beigetragen.
Die TIHV hat derzeit fünf Niederlassungen und ein Verbindungsbüro. Bis Ende 2009 sind dort mehr als 12.000 Folteropfer kostenlos behandelt worden. 2010 haben sich 363 Folteropfer an die TIHV gewandt, im ersten Quartal dieses Jahres lag die Zahl bereits bei 109. Das Demokratische Türkeiforum (DTF) in Deutschland möchte zur Finanzierung der TIHV beitragen. Spenden an das DTF e. V. werden in vollem Umfang an die TIHV weitergeleitet; sie sind steuerlich absetzbar. (Um am Jahresende eine Spendenbescheinigung zu erhalten, muss die volle Anschrift bekannt sein.) Spenden bitte an: Demokratisches Türkeiforum Postbank Hamburg BLZ 200 100 20 // BIC: PBNKDEFF Konto 0741 864 205 // IBAN: DE79 2001 0020 0741 8642 05
Das Factsheet finden Sie unter: http://tinyurl.com/3fwte4a Die Studie von Scherb und Kollegen finden Sie im Strahlentelex: http://tinyurl.com/3ut4l2z
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ine im Strahlentelex veröffentlichte Metaanalyse des Wissenschaftlers Dr. Alfred Körblein belegt, dass Kleinkinder, die in einem 5-km-Bereich um Atomkraftwerke wohnen, ein um 44% erhöhtes Risiko haben an Leukämie zu erkranken, im Vergleich zu Kindern außerhalb dieses Bereiches. Ausgewertet wurden Daten aus Deutschland, Großbritannien und der Schweiz.
Die IPPNW fordert die Bundesregierung in einer Petition auf, den Strahlenschutz um Atomkraftwerke zu verbessern und dabei das Risiko von noch ungeborenen Kindern im Mutterleib zu berücksichtigen. Die Petition kann online unterstützt werden unter www.ippnw.de/aktiv-werden/ kampagnen/artikel/aaa90fdfe1/fuer-einen-besseren-strahlenschutz.html Den Artikel von Alfred Körblein aus dem Strahlentelex finden Sie unter http://tinyurl.com/3l4h2j9
N achrichten
Das Sterben im Mittelmeer stoppen
Japan senkt Höchstwerte für Strahlung an Schulen
Australien: Koongarra-Urangebiet wird Weltnaturerbe
Schiffe der Solidarität – das Sterben im Mittelmeer stoppen“ ist eine internationale Initiative, mit der Flüchtlinge und MigrantInnen auf ihrem Weg nach Europa durch unmittelbares Eingreifen vor Ort unterstützt werden sollen. Am 15. Oktober werden mehrere kleine Schiffe in Rom in See stechen, in entgegengesetzter Richtung zu den Fluchtrouten der „Boatpeople“: über Sizilien, Lampedusa und Malta bis zu verschiedenen Häfen in Tunesien und gegebenenfalls auch in Libyen. Das Projekt zielt auf eine mediterrane Vernetzung, die ein dauerhaftes Monitoring zwischen der nordafrikanischen Küste und den südeuropäischen Inseln in Gang bringen will. Die skandalösen Vorgänge auf dem Meer sollen dokumentiert und öffentlichkeitswirksam angeklagt werden. Es soll alles dafür getan werden, dass Schiffbrüchige gerettet werden.
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Über 2.000 Menschen sind allein seit Beginn des Jahres in dieser Region des Mittelmeeres ertrunken oder verdurstet und Tausende stecken weiterhin in Wüstenlagern wie dem tunesischen Choucha oder in Libyen fest. Sie haben kaum eine andere Hoffnung als den riskanten Versuch zu wagen, in überfüllte und seeuntaugliche Boote zu steigen. Menschenrechtsorganisationen und antirassistische Netzwerke haben in den letzten Monaten in gemeinsamen Appellen die sofortige Aufnahme von Flüchtlingen gefordert.
ie japanische Regierung hat die Höchstwerte der zulässigen radioaktiven Belastung in Schulen aufgrund von Forderungen besorgter Eltern herabgesetzt. Das Bildungsministerium erteilte allen Schulen im Land die Anweisung, dass die Belastung maximal ein Millisievert im Jahr betragen dürfe. Dies gilt insbesondere für die Präfektur Fukushima. Schulen soll geholfen werden, radioaktiv belastete Stellen auf Schulhöfen zu säubern. Die Regierung hatte nach der Atomkatastrophe die zulässigen Höchstwerte für Kinder und Erwachsene von einem auf 20 Millisievert pro Jahr erhöht, was in der Bevölkerung für Empörung gesorgt hatte. Kinder sind durch radioaktive Strahlung besonders gefährdet, unter anderem, weil sie sich noch im Wachstum befinden. Greenpeace berichtete, dass die Strahlenwerte in und um Bildungseinrichtungen in Fukushima nach wie vor über internationalen Sicherheitsstandards lägen. Von 17. bis 19. August 2011 hatte ein Greenpeace-Team Strahlenmessungen an einer Mittelschule, einer Volksschule und an einem Kindergarten sowie an einigen öffentlichen Plätzen in Fukushima durchgeführt. Die Messungen in einem Schulgebäude ergaben bis zu 1,5 Mikrosievert pro Stunde. Hochgerechnet auf ein Jahr überschreite die Strahlung damit den Grenzwert von einem Millisievert pro Jahr um mehr als das 13-Fache.
Mehr Informationen zu den Schiffen der Solidarität bei: www.afrique-europe-interact.net 7
as australische Koongarra-Uranvorkommen wird Teil des Kakadu Nationalparks und Weltnaturerbe. Der Kakadu Nationalpark umschließt das Gebiet zwar, dennoch war es bisher vom Nationalpark und Weltnaturerbe ausgeschlossen. Das wurde im Juni vom UNESCO WelterbeKomitee geändert, wie die Gundjeihmi Aboriginal Corporation mitteilte. Der 1200-Hektar-Park liegt vollständig im traditionellen Landbesitz des Djok Clans und umfasst das Koongarra-Uranvorkommen, das bisher nie abgebaut wurde. Hochrangige Experten hatten Pläne für einen Abbau kritisiert und erhöhten Schutz für die einzigartige Region gefordert. Beim Beschluss anwesend waren Repräsentanten des Mirarr Clans, der den Antrag des ältesten traditionellen Landbesitzers des Djok Clans, Jeffrey Lee, unterstützt hatte, das Koongarra-Gebiet auf Dauer vor der Bedrohung durch Uranbergbau zu schützen. Jeffrey Lee hat den Uranbergbau auf seinem Land stets abgelehnt. „Das KakaduGebiet ist Land der Aborigines, der ursprünglichen Einwohner Australiens, es ist der größte Nationalpark Australiens und einer der hoch geschätzten Orte dieser Erde. Diese Entscheidung ist ein sehr wesentlicher Schritt, damit das von zwei Parteien gemachte Wahlversprechen, Koongarra zu schützen, umgesetzt wird“, erklärte Justin OûBrien, Vorsitzender der Gundjeihmi Aboriginal Corporation nach dem Beschluss in Paris.
AtOMENErgIE
Heißer Herbst in Erlangen: 15.000 Euro und eine Entscheidung Das Erlanger Poetenfestival soll „atomfrei“ werden
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äbe es analog zum Unwort das Un-Zitat des Jahres, hätte Erlangens Kulturreferent Dieter Rossmeissl gute Chancen sein Statement zum Atomkonzern Areva auf dem obersten Siegertreppchen zu platzieren. „Wir schätzen den Produzenten, aber nicht das Produkt“, soll er laut Medienberichten gesagt haben. Übersetzt heißt das: Wir mögen den Atomkonzern, aber Atomkraft mögen wir nicht. Selbst dem wohlwollenden Zuhörer bleibt nur ungläubiges Staunen. Diese offensichtliche Unbeholfenheit des SPD-Mannes das regionale Kultursponsoring des international tätigen Atomkonzerns mit Deutschlandzentrale in Erlangen parteipolitisch korrekt zu rechtfertigen, ist nicht nur wegen des kommunikativen Fauxpas so interessant, es legt auch die Problematik der Stadt Erlangen offen.
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reva beschäftigt in Erlangen rund 3.500 Mitarbeiter, ist somit einer der größten Arbeitgeber in der Stadt und sponsert zudem eine Reihe von Kulturevents. Das Poetenfest ist dem Konzern seit 7 Jahren circa 15.000 Euro pro Auflage wert. Lange Zeit hat niemand etwas gegen Arevas Sponsoring-Engagement gesagt, zumindest nicht in einer öffentlichkeitswirksamen Kampagne. Überhaupt ist das mit der Atomkraft in Erlangen so eine Sache. Man ist mit ihr reich geworden, mit Siemens, Framatome und jetzt mit Areva. Geld, das man hat, tut bekanntlich nicht
weh. Und wenn durch die ansässigen Konzerne auch noch Kultur und Sport gefördert werden, umso besser. So hätte es noch lange bleiben können in Erlangen, wären nicht Anfang 2011 drei Dinge passiert.
Die Idee, die fast zu spät und doch zur rechten Zeit kommt Zu Beginn des Jahres macht sich ein kleiner Kreis der Nürnberger IPPNWRegionalgruppe zusammen mit anderen daran, das Sponsoring des 1. FCN durch Areva öffentlich zu kritisieren. Besonders auf die Mensch und Umwelt gefährdende Uranabbaupraxis in Zentralafrika wird aufmerksam gemacht. Das Thema ist zwar gesetzt, doch die Fußballfans und der Verein halten an ihrem Sponsor fest. Die Imageaufbereitungsstrategie der Atomindustrie durch Sponsoring interessiert außer Atomkraftgegnern und ein paar Presseleuten ohnehin niemanden so recht. Mit der nuklearen Katastrophe in Fukushima ändert sich die Stimmungslage. Auch die Politik vollzieht eine Kehrtwende, die keiner für möglich gehalten hätte: Der Ausstieg aus dem Wiedereinstieg wird beschlossen. Atomkraft ist in Deutschland nicht mehr mehrheitsfähig.
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as gilt auch für Erlangen. Im Umfeld der IPPNW-Regionalgruppe Erlangen-Nürnberg gründet sich alsbald die Initiative „Poesie ohne Uranstaub“. Einmal mehr will man versuchen, das Spon8
soring-Geschäft infrage zu stellen und die höchst fragwürdigen Konzernpraktiken z. B. beim Uranabbau offen zu legen. „Die Zeit ist nun reif dafür, auch in Erlangen“, hoffen Stephan Kolb, Helmut Riessbeck und ihre Mitstreiter. Und siehe da, aus zwei werden drei, aus drei werden vier, aus vier werden eine Vielzahl an Mitmachern, die nein dazu sagen, Kulturevents weiter als Imageaufbereitungsanlage für die Atomindustrie instrumentalisieren zu lassen. Konstantin Wecker, bundesweit bekannter Sänger und Songwriter, wird auf die Initiative aufmerksam. „Ich halte das für eine ausgezeichnete Idee, die unbedingt Schule machen sollte. Klar bin ich dabei!“, sagt Wecker öffentlich. Auch lokale Größen reihen sich unter den Kreis der Bürger-Sponsoren ein, beispielsweise die Mundartdichter und Autoren Fitzgerald Kusz und Helmut Haberkamm.
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ine unerfreuliche Situation für die Stadt Erlangen. Schließlich hat man jahrelang gut mit Areva zusammengearbeitet, von Areva profitiert. Und nun das. Mit der wachsenden Zahl an Mitmachern und mit jedem Euro, der den Betrag aus Bürger-Sponsoren-Hand in die Nähe der Zielsumme von 15.000 Euro bringt – Arevas Beitrag für das Poetenfest – kommt die Stadt immer mehr in den Zugzwang, sich zu entscheiden. Anfang August, als knapp die Hälfte der Summe erreicht ist, ist man im Erlanger Rathaus nicht müde zu betonen, auf alle Fälle an Areva als
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ie Kampagne „Poesie ohne Uranstaub“ macht seit dem 24. Juni mobil gegen das Sponsoring-Geschäft der Atomwirtschaft. Regional fokussiert auf das Erlanger Poetenfest und seinen Hauptsponsor Areva sorgt sie seitdem mit einer stetig wachsenden Zahl an „Bürger-Sponsoren“ dafür, dass dem Atomkonzern der Zuschlag für das beliebte Poesiefest erstmalig für das Jahr 2012 streitig gemacht wird.
Foto: Erlanger Poetenfest, Erich Malter, 2010
Sponsor festhalten zu wollen. Rossmeissl spricht nun von Areva als einem „verlässlichen Partner“, der in der Region sein Geld verdiene und es dort auch ausgeben solle. Und auch Areva beteuert weiterhin ein „verlässlicher Partner“ bleiben zu wollen. Zudem: Die 15.000 Euro liegen noch nicht auf dem Tisch.
erläutert Kolb das selbst gesteckte Ziel. Dann müsse sich die Stadt entscheiden. „Nimmt Erlangen das Angebot an, helfen wir gern für die Folgejahre ein anderes Unternehmen zu finden, das als Sponsor besser zum Poetenfest passt. Darum haben wir den Termin auch so früh gelegt“, erklärt Kolb weiter.
Gute Aussichten
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Unterdessen hört man in Erlangen und Umgebung Stimmen wie „Wir wollen, dass das Poetenfest auf alle Fälle stattfindet, mit welchem Geld ist doch egal und Areva ist doch ein großer Arbeitgeber hier“. Aber eben auch: „Gut, dass sich endlich mal jemand darum kümmert, Areva als Hauptsponsor geht doch nicht“. Und: „Ich wusste gar nicht, das Areva ein Atomkonzern ist, das passt ja gar nicht.“ Oder: „Das mit dem Uranabbau war mir nicht bewusst“. „Damit haben wir schon mal ein Teilziel erreicht“, meint Initiativen-Sprecher Kolb, „die Menschen beschäftigt das Thema, in Erlangen und auch anderswo. Lokale wie überregionale Medien berichten über uns, das Interesse an der Kampagne ist groß.“
Heißer Herbst und eine Chance in Erlangen Jetzt im September kam die Kampagne in die heiße Endphase. „Wir wollen noch vor dem Winter die 15.000 Euro gesammelt haben, aktuell sind es 10.000 Euro“,
ie Chancen die Restsumme zusammenzubekommen sind gut, wenn der Weg auch steinig ist. „Das Geld sitzt einfach nicht locker, wir kämpfen um jeden Euro“, der IPPNW-RegionalgruppenVorsitzende und Kontoverantwortliche Hannes Wandt runzelt die Stirn. „Wir brauchen auch weiterhin Unterstützer und jede Menge Bürger-Sponsoren! Auch kleine Beträge sind herzlich willkommen!“
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etztlich geht es doch um so viel mehr, als eine erfolgreiche Kampagne und ein atomkraftfrei gesponsertes Poetenfest, sind sich die Mitmacher einig. Es geht darum, ein Zeichen zu setzen, das überregionale Leuchtkraft haben kann und das mitten aus der Atomstadt Erlangen kommt. Das Zeichen wird sein: Die Bürgerinnen und Bürger lassen sich von der Atomwirtschaft keinen Bären mehr aufbinden. Sie meinen es ernst mit dem Ausstieg. Die Politik wird aufgefordert, verantwortlich und konsequent zu handeln, nicht alles, was bequem ist und nahe liegt, ist auch vertretbar. Daran muss sich Politik wieder messen lassen! 9
Werden Sie Bürger-Sponsor! Die Initiative will der Stadt Erlangen in diesem Herbst ein Sponsoring-Angebot für die Finanzierung des Poetenfestes 2012 in Höhe von 15.000 Euro unterbreiten. Das ist die Summe, die Areva zur Verfügung stellt, um als Hauptsponsor auftreten zu können. Helfen Sie mit! Werden Sie Bürger-Sponsor! Weisen Sie Atomindustrie und Politik in ihre Schranken! Sie gehen kein Risiko ein: Kommt das Sponsoring nicht zustande, erhalten die Bürger-Sponsoren ihr Geld zurück. Bankverbindung: Kerstin Krása/Hannes Wandt für Poesie ohne Uranstaub VR-Bank EHH BLZ: 76360033 Kontonummer: 806307 Jeder Euro der Bürger-Sponsoren, der auf dem Kampagnenkonto eingeht, zwingt die Stadt Erlangen als Veranstalter endlich Farbe zu bekennen. Mehr unter: erlanger-poetenfest-atomfrei.de
Iris Röder ist Journalistin und im Steuerungskreis von „Poesie ohne Uranstaub“.
ATOMENERGIE
Stückwerk Die neue Energiepolitik der Bundesregierung
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nicht funktionieren, ließ „Rot-Grün“ völlig kalt. Aufgrund der Erfahrungen der vergangenen zehn Jahre ist zu befürchten, dass es selbst im Hinblick auf die gefährlichsten Sicherheitsdefizite keine massiven Nachrüstungs-Forderungen geben wird. Das Argument: Die Anlagen würden (angeblich) doch bald stillgelegt. Man könne jetzt von den Betreibern nicht verlangen, noch in teure Nachrüstungen zu investieren. Schließlich wollen sie die Anlagen betreiben und damit Geld verdienen, statt bei Anlagenstillstand Geld für Nachrüstungen hineinzuschießen.
ach dem Super-GAU von Fukushima wurde die Atomund Energiepolitik der Bundesregierung neu justiert. Die nachfolgende Analyse beantwortet die Frage: Was steckt hinter der „Energiewende“ von Bundeskanzlerin Angela Merkel? Und: Welche politischen Kräfte verbleiben nun zur Durchsetzung einer echten Energiewende?
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inen deutlichen Schritt hin zur Reduzierung des nuklearen Risikos stellt zweifellos die endgültige Stilllegung von sieben Atomkraftwerksblöcken dar. Das Hauptproblem der neuen Atomenergie-Politik der Bundesregierung besteht darin, dass neun Atomkraftwerksblöcke auf faktisch unbestimmte Zeit in Betrieb bleiben sollen. Zwar wurde als Termin für die endgültige Stilllegung des letzten Atommeilers Ende 2022 im Atomgesetz festgeschrieben. Doch bekanntlich lassen sich einfache Gesetze jederzeit ändern und Bundesumweltminister Norbert Röttgen hat im Umweltausschuss des Deutschen Bundestages ausdrücklich erklärt, man wolle künftige Mehrheiten nicht binden. Sprich: Künftige Bundesregierungen sollen erneut die Laufzeiten für die neun verbleibenden Atomkraftwerke verlängern können. Daher verweigerte die Bundesregierung auch die Fixierung des endgültigen Atomausstiegs im Grundgesetz, wie von Der Linken und der SPD vorgeschlagen.
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ie angebliche „Energiewende“ bleibt insgesamt Stückwerk. Der künftige Stromerzeugungsmix besteht aus neun Atomkraftwerken, aus zahlreichen alten und neuen konventionellen Großkraftwerken (Kohle und Erdgas), aus der einseitigen Förderung der Offshore-Windenergie und möglicherweise auch aus hoch-subventioniertem „Desertec-Strom“ aus Südeuropa. Die Bundesregierung – wie auch Teile der Opposition – unterstützen maßgeschneiderte Konzepte zur Begünstigung der großen Energiekonzerne zulasten von Kommunen und Bürgern. Deswegen wird systematisch gegen die Photovoltaik, also die Solarstromerzeugung auf den Dächern und Fassaden der Bürger polemisiert. Denn bei diesem „Volkswagen der Energiewende“ machen nicht die Großkonzerne das Geschäft, sondern einfache Bürger, Kommunen, Landwirte und kleinere Unternehmen.
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roblematisch ist aber auch die Opposition. SPD und Grüne werden erklärtermaßen nichts mehr für eine zügige Stilllegung tun. Die Linke tritt zwar für einen zügigen Atomausstieg ein, stellt derzeit aber keine starke politische Kraft dar, weil sie sich von außen über „bewährte Themen“ in Good Guys und Bad Guys spalten lässt. Völlig offen ist derzeit, inwieweit sich Parteien und Politiker um die gravierenden Sicherheitslücken der „neueren“ deutschen Atomkraftwerke kümmern werden. Es geht dabei um die folgenden drei Reaktortypen: 1. SWR 72: Gundremmingen B/C 2. Vorkonvoi-Anlagen (DWR): Brokdorf, Grohnde, Philippsburg-2, Grafenrheinfeld 3. Konvoianlagen (DWR): Isar-2, Emsland, Neckarwestheim-2
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er Absicherung der Marktmacht dient auch der Ausbau des Höchstspannungs-Verbundnetzes mit der vorgeschobenen, jedoch unzutreffenden Begründung, dies sei für die erneuerbaren Energien erforderlich. Und noch sehr viel stärker als in der Vergangenheit will man wegen der angeblichen „Energiewende“ durch Strompreiserhöhungen die Milliardengewinne der Konzerne steigern. Problematisch ist dies deswegen, weil die Opposition diese Energiepolitik gegen die Interessen der Bevölkerung und Kommunen großteils mitgeht oder sogar ausdrücklich forciert. Die Rolle der IPPNW und anderer außerparlamentarischer Kräfte, die dieses Spiel durchschauen, wird daher in Zukunft nochmals bedeutsamer.
Bislang hatten sich SPD und Grüne so sehr darauf „eingeschossen“, nur die Altmeiler abzuschalten und die zuletzt errichteten Konvoianlagen zu schonen, dass sie jegliche Hinweise auf gefährliche Sicherheitslücken bei diesen ignorierten. Selbst der Umstand, dass laut Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS) die nachgerüsteten „Notfallmaßnahmen“ zur Abwendung einer Kernschmelze bei den Konvoianlagen bei bestimmten Störfällen
Henrik Paulitz ist Referent für Atompolitik und Energiewende der IPPNW Deutschland. 10
ATOMENERGIE
Angst vor der Strahlung Besuch einer Bürgerinitiative aus Fukushima
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Aya Marumori
stung Krebs bekommen“, so die Vertreter von CRMS. Die Bürgerinitiative hatte zahlreiche sogenannte „Hotspots“ identifiziert – mitunter in einer Entfernung von bis zu 60 Kilometern vom havarierten Atomkraftwerk. Auf einem Kinderspielplatz stellten sie eine radioaktive Strahlung von mehr als 60 Mikrosievert pro Stunde fest.
ie atomare Katastrophe von Fukushima ist weitgehend aus den Schlagzeilen verschwunden, die Angst vor den gesundheitlichen Folgen geblieben. Mit eigenen Messstellen will die japanische Bürgerinitiative „Citizen’s Radioactivity Measuring Station (CRMS)“ nun ein Gegengewicht zur verheerenden Informationspolitik der Regierung schaffen. Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz von IPPNW und der Gesellschaft für Strahlenschutz in Berlin berichteten die CRMS-Vorsitzende Aya Marumori und Vorstandsmitglied Wataru Iwata über das Projekt.
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um Schutz ihrer Kinder beschlossen sie, die gesundheitlichen Folgen der atomaren Katastrophe selbst zu untersuchen und mit unabhängigen Wissenschaftlern und Experten zusammenzuarbeiten. Die IPPNW unterstützt ihren Plan, unabhängige Messstationen in allen 47 Präfekturen Japan zu errichten (Projekt 47) und hat dafür 5.000 Euro zur Verfügung gestellt. Drei Messstationen in der Präfektur Fukushima konnten bereits eingerichtet werden – eine in Fukushima-Stadt, eine in der Stadt Koriyama und eine in der Stadt Soma.
Die Gesundheit unserer Kinder ist in Gefahr. Symptome wie Schwellungen an der Schilddrüse, Nasenbluten, Husten, Asthma und dergleichen sind schon aufgetreten. Wir wissen, dass die Situation sehr ernst ist und sind in Sorge um die Auswirkungen der Radioaktivität auf die Gesundheit der Kinder“, erklärte die Heilpraktikerin Marumori, selbst Mutter eines 8-jährigen Sohnes. Sie kritisiert, dass die Behörden nach wie vor verkündeten, dass die Strahlung kein Problem für die Gesundheit der Bevölkerung sei. Die radioaktive Belastung in Fukushima liege unter 100 Millisievert pro Jahr, sodass keine akute Gefährdung der Gesundheit bestehe. Das gilt nach Angabe der Behörden auch für Kinder.
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ie IPPNW und die Gesellschaft für Strahlenschutz werden die japanische Bürgerinitiative auch weiterhin begleiten: Literatur beschaffen, praktische Erfahrungen beim Betrieb unabhängiger Messstellen weitergeben und über die wissenschaftlichen Erkenntnisse der Gesundheitsfolgen der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl informieren.
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Spenden für das Projekt unter der Angabe des Stichwortes „Fukushima Projekt 47“. Spendenkonto: Gesellschaft für Strahlenschutz, bei der Postbank Hamburg, BLZ 200 100 20, Konto-Nr. 294 29-208, BIC: PBNKDEFF, IBAN: DE45 2001 0020 0029 4292 08
it Tricks verspiele die Regierung der Präfektur ihre Glaubwürdigkeit, kritisiert Wataru Iwata. Die Daten würden nur an ausgewählten Orten erhoben und in der veralteten Einheit Rem erfasst. Ein Rem entsprechen zehn Millisievert, was kleine Zahlen garantiert, die beruhigend wirken sollen. Zudem gebe es in der Präfektur Fukushima nur einen Ganzkörpermesser, die Ergebnisse von Lebensmittelproben würden nicht veröffentlicht, belastete Lieferungen verschwänden geräuschlos. Auch hätten die Bewohner der Präfektur Fukushima keine Jodtabletten bekommen. Lediglich zwei Gemeinden versorgten ihre Einwohner nach den Explosionen im Atomkraftwerk auf eigene Initiative. Die meisten Einwohner haben weder Ganzkörpermessungen noch Urin- und Blutuntersuchungen erhalten und führen ihr tägliches Leben wie vor dem Reaktorunfall.
Im IPPNW-Fukushima-Newsletter (deutsch und japanisch) informieren wir jeweils zum 11. eines Monats über die Situation in Japan. Sie können den Newsletter auf unserer Internetseite abonnieren: www.ippnw.de/aktiv-werden/newsletter-abonnieren.html
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iele Mütter mit ihren Kindern haben sich bereits zur Evakuierung entschlossen. Da sie eigenmächtig gehandelt haben, erhielten sie weder vom Kraftwerksbetreiber Tepco noch von der Regierung irgendeine Unterstützung. „Wir können den Sicherheitsstandards unserer Regierung nicht mehr vertrauen. Wir wollen nicht warten, bis unsere Kinder durch die Strahlenbela-
Angelika Wilmen ist Pressesprecherin und Koordinatorin der Öffentlichkeitsarbeit der IPPNW Deutschland. 11
SOZIALE VERANTWORTUNG
Erlangen ber 2011 14. – 15. Okto
65 Jahre nach dem Nürnberger Ärzteprozess Der IPPNW-Kongress „Medizin und Gewissen“
Vom 14.–15. Oktober 2011 findet in Erlangen der IPPNW-Kongress „Medizin und Gewissen“ zum vierten Mal statt. Das Thema: die Auseinandersetzung mit der Medizin im Nationalsozialismus. Weitere Schwerpunkte werden dieses Jahr die Rolle der Gesundheitsberufe im Kontext internationaler Friedens- und Menschenrechtsarbeit sowie der Einfluss der Pharmaindustrie im deutschen Gesundheitswesen sein. Herr Kolb, der Kongress „Medizin und Gewissen“ ist vielen ein Begriff. In diesem Jahr findet er bereits zum vierten Mal statt. Das Interesse an dem Thema Medizin im Nationalsozialismus ist also weiterhin groß? Stefan Kolb: Nicht nur an dem Thema Medizin im Nationalsozialismus. Wir merken, dass die Grundidee des Kongresses weiterhin trägt, das heißt die Verbindung der drei Themenstränge „NS-Medizin und ihre Folgen“, „Medizin und Menschenrechte“ und „aktuelles Gesundheitswesen“.
zu dokumentieren – es gab schlichtweg keine Literatur über die bestmöglichen Operationstechniken – und wie dann seine Daten und Publikationen die Internationale Antilandminenkampagne befördert haben. Das ist eine spannende Geschichte, an der wir exemplarisch lernen, wie wir die Expertise der Gesundheitsberufe gezielt auch für die Friedensarbeit nutzen können. Und wenn einen vor allem das deutsche Gesundheitswesen interessiert? Kolb: Dann kann man sich auf dem Kongress mit der Pharmaindustrie beschäftigen: Wie drückt diese Branche weiterhin teuerste und überteuerte Medikamente ins Gesundheitswesen? Wie werden Medizinstudenten für die spätere Zusammenarbeit, sprich die „Sponsor-Ehe“, sensibilisiert oder besser gesagt: geködert? Wie durchdringt die Industrie systematisch die ambulanten und stationären Einrichtungen, um vor allem eines zu sichern: ihren Profit? Dieses Thema ist und bleibt ganz bewusst ein Dauerbrenner. Und weil die Strategien der Pharmaindustrie sehr subtil, der Einfluss der Branche so groß ist, werden wir auf dem Kongress nicht bei der Analyse stehen bleiben, sondern bieten praktische Workshops an, um konkrete Alltagsstrategien zu erlernen.
Von der Organisation her haben wir den Kongress dieses Jahr allerdings etwas anders gestaltet als bei den vergangenen Malen. Die BesucherInnen erwartet sozusagen eine komprimierte Version. Das sind ein Abend mit dem Eröffnungsprogramm und ein Tag mit Vorträgen und Workshops. Am Sonntag nach dem Kongress bieten wir Führungen zum ehemaligen Reichsparteitagsgelände an und zu dem neuen Memorium Nürnberger Prozesse, dem Ort, wo 1946/47 auch der Nürnberger Ärzteprozess stattgefunden hat. Dieser war ja 1996 der Ausgangspunkt für „Medizin und Gewissen“. Was erwartet die KongressbesucherInnen beim Thema „Medizinische Friedensarbeit“? Kolb: ExpertInnen werden sich mit der Frage auseinandersetzen: Wo haben die Gesundheitsberufe im Kontext von Krieg und Gewalt besondere Möglichkeiten der Einflussnahme und wo entsteht damit auch eine besondere Verantwortung? Ein Beispiel: Robin Coupland, früher Chirurg in Großbritannien, wird berichten, wie er in einer Klinik für Minenopfer in Kambodscha begann, die Verletzungsmuster genau zu studieren und
Informationen und Anmeldung zum Kongress: www.medizinundgewissen.de Quelle: Dr. med. Mabuse, Nr. 193 (September/ Oktober 2011), www.mabuse-verlag.de
Stephan Kolb arbeitet im Bereich Unternehmensentwicklung am Klinikum Nürnberg. 12
SOZIALE VERANTWORTUNG
Foto: Techniker Krankenkasse
Transparenz in der Medizin Der Physicians Payment Sunshine Act
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jenseits einer Bagatellgrenze von US$100/Jahr. Ausnahmen sind Infomaterial für Patienten, Rabatte, Nachlässe und Zuwendungen unter US$10. Das US-Gesundheitsministerium veröffentlicht die Informationen zeitnah im Internet unter Angabe von Name, Adresse, Anbieter, Wert, Datum und Art der Zuwendung. » Arzneimittel- und Gerätemuster müssen dem Gesundheitsministerium gesondert gemeldet werden. » Die finanzielle Beteiligung von Ärzten an Herstellerfirmen und Einkauforganisationen ist ebenfalls meldepflichtig. » Das Gesetz ist strafbewehrt (bis zu US$10.000 für jede unterlassene Meldung, jedoch nicht mehr als US$100.000/Jahr insgesamt; für vorsätzliche Nicht-Meldung bis zu US$100.000, jedoch nicht über US$1.000.000).
as Anfang 2009 von zwei Senatoren im US-Senat eingebrachte Gesetz „Physicians Payment Sunshine Act“ wurde als Bestandteil von Obamas Gesundheitsreform 2010 vom US-Kongress verabschiedet. Im Vorfeld war es von einer breiten Allianz aus medizinischen Organisationen, Verbraucher- und Patientenverbänden sowie Leistungsträgern und -erbringern im Gesundheitswesen unterstützt worden. Zum Hintergrund: In den USA gibt es seit Jahren in den Leitmedien wie der akademischen Medizin eine breite Debatte über den Einfluss der Pharma- und Geräteindustrie auf die Medizin. Dieser Einfluss – wie breite Evidenz zeigt – gefährdet die Unabhängigkeit der Medizin als Wissenschaft und Praxis und führt zu einem Verlust an öffentlichem Vertrauen in die Medizin als Institution. Auch in der Medizin wächst der Widerstand. Gerade medizinische Eliteuniversitäten sind dort Vorreiter bei der Implementierung strikter Regeln im Umgang mit der pharmazeutischen Industrie.
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ierzulande sind die finanziellen Beziehungen zwischen Industrie und akademischer Medizin weitgehend intransparent und bisher kaum untersucht. Ein Großteil der Ärzte hat kein kritisches Bewusstsein über die Bedeutung ihrer (finanziellen) Beziehungen zur Industrie für ihr ärztliches Handeln. Der Umgang mit Interessenkonflikten ist ungeübt und oft naiv. Auch bei uns sind Qualitätsmedien und Öffentlichkeit diesbezüglich kritischer als die meisten Ärzte. Die Debatte gewinnt jedoch auch hier medial und innerhalb der Ärzteschaft an Fahrt. Freiwillige Verpflichtungen sind, wie das US-Beispiel zeigt, nicht ausreichend. Sie werden oft hintergangen, sind meist unzureichend implementiert und kommuniziert und durch die Länder kaum auf ihre Einhaltung überprüft.
Bisherige staatliche und institutionelle Regelungen in den USA reichten nicht aus, da einzelstaatliche Gesetze und andere Offenlegungsregeln schwer durchzusetzen sind. Auch fehlt es ihnen meist an Konsistenz. Untersuchungen des Finanzausschusses des US-Senats und zahlreiche Publikationen weisen nach, dass die Offenlegung von finanziellen Interessenkonflikten selbst da oft unterbleibt, wo die nationale Gesundheitsbehörde (NIH) und institutionelle Vorgaben sie verbindlich vorschreiben. In mehr als der Hälfte der Publikationen, haben Autoren, die über 1 Million US$ in einem Jahr von der Industrie erhalten, ihre Interessenkonflikte verschwiegen, obwohl führende medizinische Fachzeitschriften diese Offenlegung verlangen. Von der nationalen US-Transparenzgesetzgebung wird eine bessere Qualität und Sicherheit bei der Arzneimittelverordnung, niedrigere Arzneimittelkosten und die Wiederherstellung der beschädigten Glaubwürdigkeit des ärztlichen Berufsstandes und des Patientenvertrauens erwartet.
Es ist an der Zeit, dass wir dem Beispiel der USA folgen und in einem breiten Bündnis, wie dort, auf eine entsprechende Gesetzesinitiative im Bundestag und deren Kontrolle im Bundesrat hinarbeiten. Laut Spiegel 20/2011 bereitet der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach einen Entwurf für ein Antikorruptionsgesetz in der Medizin vor, das Ärzte wie Firmen zur Transparenz ihrer Zuwendungen verpflichten soll.
Der Physicians Payment Sunshine Act sieht im Einzelnen vor: » eine jährliche Berichtspflicht aller Hersteller von Arzneimitteln, Geräten, biologischen Präparaten und Medizinbedarf gegenüber dem US-Gesundheitsministerium über alle finanziellen Zuwendungen und Sachleistungen an Ärzte und Lehrkrankenhäuser
Dr. med. Dieter Lehmkuhl, Arzt im Ruhestand, zuständig für den Bereich pharmazeutische Industrie und deren Einfluss auf die Medizin. 13
SOZIALE VERANTWORTUNG
Brutaler Gesundheitsmarkt Demokratisierung des Gesundheitswesen
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bei diesen Verwaltungs- und Überwachungstechniken auf der Strecke. Der Gesundheitskonsument wird unter Selbstkontrolle gestellt. Diese geht heute schon so weit, dass Patienten ihre Krankenakte selber bei Internet-Anbietern speichern können. Sie fragen: Welches Geld steht mir noch für welche Zusatzleistungen zur Verfügung? Welche Vorsorge erfülle ich wann? Habe ich persönliche Gesundheitsrisiken minimiert? Wie dokumentiere ich das? War ich regelmäßig beim Arzt? Habe ich Angebote meiner Versicherung wahrgenommen? Und so weiter.
as Gesundheitswesen ist so krank wie unsere Kultur, infiziert vom Kommerz. Mit den Traditionen der Solidarität und der Menschenrechte passt das postmoderne Menschenbild des Homo oeconomicus nicht länger zusammen. Heilen und Pflegen werden konsequent „reformiert“, richtiger: transformiert, nach den Kategorien der „freien“, genauer: kapitaleigenen Marktwirtschaft.
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ine der Hauptlügen der Ideologen des Freien Marktes ist die Behauptung, unser Gesundheitswesen werde immer teurer. Tatsächlich liegen seine Kosten seit über 30 Jahren zwischen 10,1 und 10,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Oliver Decker, der an den Universitäten Siegen und Leipzig Sozial- und Organisationspsychologie lehrt, sagt: „Das Problem ist nicht, dass die Kosten steigen, sondern dass die Kosten nicht steigen können und damit die Wertschöpfung nicht weiter ansteigen kann. Der Anteil am BIP konnte so lange nicht steigen, weil er reglementiert war. Das Gesundheitswesen wird nun aber seit 20 Jahren nach Maßgabe seiner Industrialisierung Zug um Zug dereguliert. Vorbild sind die USA mit den exorbitant höheren Kosten, weil dort Gesundheit eine Ware in der Gesundheitswirtschaft ist. Den internationalen Rahmen für den neoliberalen Ausverkauf des Menschenrechts auf Gesundheit stellte das „Allgemeine Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen“ (GATS) her, dem 1995 auch Deutschland beitrat.
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ie Alternative besteht in der Demokratisierung des Gesundheitswesens nach den Leitlinien der Weltgesundheitsorganisation, aufgestellt in Alma Ata 1978. Sie fundiert auf drei Prinzipien: der Förderung von sozialer und ökonomischer Gerechtigkeit, der Sicherung multisektoraler Vorbedingungen für Gesundheit (Trinkwasser, Sanitärsysteme, Wohnung, Ernährung, Gewaltprävention) und der Partizipation der Betroffenen, die das Expertentum entmystifizieren. Das alles ist ohne Vergesellschaftung aller Bereiche, die für Gesundheit relevant sind, nicht zu haben. Für die pharmazeutische Industrie bedeutet das einen öffentlichen, nicht profitorientierten Sektor und einen privatwirtschaftlichen für alle nicht ärztlich verordnungspflichtigen Waren. Die derzeitige Entwicklung läuft entgegengesetzt mit integrierten Systemen, also Konzernklinik mit medizinischem Versorgungszentrum, verbunden mit konkurrierenden Versicherungen und Pharmafirmen, Stichwort „Rhön-Patient“.
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ie Schlüsselrollen auf dem Gesundheitsmarkt spielen: elektronische Gesundheitskarte, elektronische Patientenakte und Telemedizin. Vorgeschobene Argumente sind Stärkung der Patientenrechte, der Transparenz und des Services. Die Speicherung der Gesundheitsdaten aller Bürger auf zentralen Servern der Versicherungen entwertet das Arzt-Patienten-Vertrauen und legt wichtige Entscheidungen in die Hände der Health Care Manager und der Angestellten der Callcenter, um die Versorgung nach Leistungskriterien zu begrenzen. Das Versorgungsrisiko der Patienten, das sie individuell oft nicht erkennen und meist auch nicht abwehren können, ist Folge der Wettbewerbsideologie. Unsere regierenden Gesundheitspolitiker übernehmen die LobbyStrategien von Roland Berger und Bertelsmann und machen Patienten zu Kunden. Wirtschaftlicher Wettbewerb bringt die Ärzte in Identitäts- und Interessenkonflikte. In Ärzteschaft und Pflegeberufen wächst die Frustration.
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as ist hier und heute wichtig? Wir brauchen keine zentralen Serverstrukturen, in denen der Datenschutz für personenbezogene Krankheitsinformationen nicht gesichert werden kann. Das bestätigen Datenskandale reihenweise. Deshalb wollen wir keine elektronische Gesundheitskarte, keine elektronische Patientenakte und den Stopp der ambulanten Codierrichtlinien! Aus sozialer ärztlicher Verantwortung unterstütze ich die Forderungen nach Rücknahme aller Privatisierungen von Krankenhäusern, nach einer gerechten Bürgerversicherung, um das Solidarprinzip zu erhalten und nach einer Vorrangstellung der Versorgungsqualität über die betriebswirtschaftlichen Zwänge. Weitere Informationen: www.stoppt-die-e-card.de Dr. Manfred Lotze engagiert sich im AK Süd-Nord der IPPNW.
Die Solidarität, das Prinzip der gegenseitigen Hilfe ohne Vorbedingungen und die informationelle Selbstbestimmung bleiben 14
© Jason Gutierrez/IRIN
Frieden
Hört auf, uns zu töten!
Afghanistan: Mädchen beobachten einen US-Soldaten
Ein Bericht aus Afghanistan
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n dieser Anklage sind die Jugendlichen der „Afghan Youth Peace Volunteers“ sehr klar. Sie fordern für sich eine gerechte und friedliche Lebensperspektive, und sie berufen sich auf die Menschenrechtserklärung der Vereinten Nationen von 1948. Im Frühjahr dieses Jahres war ich zum ersten Mal in Kabul/Afghanistan mit einer Friedensdelegation der Gruppe „Voices for Creative Nonviolence“ (VCNV) aus den USA.
in Konferenzteilnehmer berichtete, nach zwei Monaten habe ein höherer Kommandeur die Angehörigen persönlich aufgesucht und berichtigt: Die Anwesenheit eines Taliban sei eine Fehlinformation des zuständigen afghanischen Geheimdienstmitarbeiters der Special Forces gewesen. Der Onkel eines der Getöteten will annehmen, dass tatsächlich alles aus Versehen geschah. Der Kommandeur habe den Angehörigen 30.000 US-Dollar gegeben und sie aufgefordert, über das Geschehene insbesondere gegenüber den Medien zu schweigen. Die afghanischen Polizisten von damals seien noch im Amt. Wir könnten sie vor Ort befragen. Der damalige Leiter des amerikanischen „Wiederaufbauteams“ sei zurück in die USA und dort als Zeuge zu vernehmen.
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äglich nahmen wir an Konferenzen teil mit Mitgliedern der afghanischen Friedensbewegung, Parlamentsabgeordneten und Journalisten. Wir wollten erfahren: Was wünschen die Menschen in Afghanistan selbst? Die Antworten waren immer die gleichen: » „Keine Kommunisten. Keine Taliban. Keine Warlords.“ » „Waffenstillstand seitens der NATO.“ » „Einseitiger Verzicht auf den angekündigten Hot summer.“
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ie Sache klingt ebenso unglaublich wie gespenstisch. Haben US-Kommandeure in zwanzig oder dreißig voneinander unabhängigen Tötungsdelikten an afghanischen Zivilisten gleichlautende Ausrede-Muster vorgetragen? Kann man sich in Dutzenden gleich gelagerten Fällen mit dem stereotypen Hinweis auf einen ominösen falsch informierenden Geheimdienstler zufriedengeben? Ab dem wievielten Vorfall dieser Art ist die ISAF selbst verantwortlich für die Tötung von Zivilisten, die auf falsche Hinweise eines Informanten hin geschehen? Darf man die USA nach der Identität dieses bzw. dieser bislang unbekannten Fehlinformanten befragen? Wie will die ISAF in Zukunft unzuverlässige Geheimdienstmitarbeiter enttarnen, um Angriffe auf Zivilpersonen zu verhindern? Dr. Bashardost hält eine Anklage der Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Afghanistan für unumgänglich, „egal, ob von den USA oder deutschen Soldaten, von Taliban oder Warlords, von Kriminellen oder afghanischen Polizeimilizen begangen.“
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ei einem ausführlichen Gespräch mit dem Parlamentsabgeordneten und Politologen Dr. Ramazon Bashardost äußerte dieser sehr offen seine Kritik: Der Westen habe seit 30 Jahren in Afghanistan durchaus mit Eigeninteresse kräftig mitgemischt. Jetzt müsse die NATO zusehen, wie sie das Land auf anständige Weise wieder verlassen könne. Er appelliere an die ökonomische Vernunft: „Wenn Obama heute sagt, dass er die eine Milliarde Dollar wöchentliche Kriegskosten zukünftig in die Innenpolitik steckt, wird er morgen die nächsten Präsidentschaftswahlen gewinnen.“ Die Lage für die Bevölkerung sei ein Desaster. Dr. Bashardost unterstützt VCNV (Voices for Creative Nonviolence) bei einer gerichtlichen Klage gegen die USA auf Unterlassung der Ermordung weiterer Zivilpersonen in Afghanistan.
Fünffach-Mord von ISAF verleugnet
Der Artikel erschien im Rundbrief der „Arbeitsgemeinschaft Frieden Trier“, 2/2011, www.agf-trier.de
Am 31. März war ich offizieller Teilnehmer der „National Victims Conference on Networking and Coordination“ für Afghanistan. Thema dort war unter anderem die mutwillige Ermordung von fünf Privatpersonen bei einer Feier in der Südprovinz Loga durch ISAF-Soldaten im Februar 2010. Dieser Fünffach-Mord wurde von ISAF zunächst verleugnet, die Taliban seien das gewesen. Dann wurde die Tötung doch zugegeben: Man habe die beiden schwangeren Frauen, eine dritte Frau und zwei ihrer tanzenden Ehemänner für Taliban gehalten. In der nächsten ISAF-Stellungnahme hieß es, es seien nicht die fünf Getöteten, sondern einer der anderen Gäste der Feier als Taliban enttarnt worden.
Detlef Enge-Bastien ist Arzt für Innere Medizin und IPPNW-Mitglied. 15
© Christian Schlicht
© Control Arms/flickr
Frieden
Narben auf der Seele Interview mit dem Arzt Ernst-Ludwig Iskenius
Ernst-Ludwig Iskenius, Arzt und IPPNW-Mitglied, arbeitet als Koordinator des gemeinnützigen Vereins Refugio e.V. in Villingen-Schwenningen mit traumatisierten Flüchtlingen. Unter den Menschen, die das Angebot des Vereins in Anspruch nehmen, sind auch Opfer von Waffen-Gewalt. Im folgenden Interview berichtet er, wie auch mit Waffen aus Deutschland Menschen in anderen Ländern getötet, geschädigt und vertrieben werden.
Jürgen Grässlin: Herr Iskenius, Sie sind als Koordinator von Refugio tätig. Was machen Sie und der Verein konkret? Ernst-Ludwig Iskenius: Bei Refugio arbeiten wir mit Flüchtlingen, die durch erlebte politische Gewalt gesundheitliche Probleme bekommen haben. Diese Menschen haben bei uns um Schutz und Anerkennung ihres Leids nachgesucht. Darunter sind auch Menschen, die Opfer von Waffen geworden sind. Neben der Diagnostik nehmen wir möglichst präzise die Lebensgeschichte auf, sodass wir einen bestmöglichen Einblick in die Art und das Ausmaß der erlittenen Gewalt bekommen. Neben den körperlichen Folgen sind es insbesondere die seelischen Verletzungen, die diese Menschen häufig lebenslang begleiten. Und die erlittene Gewalt trifft nicht nur die Opfer selbst, sondern auch das familiäre Umfeld, insbesondere die Kinder, denn sie können z. B. durch Impulsdurchbrüche häufig die Gewalt wieder erfahren, die ihren Eltern angetan wurde. Wir versuchen zwar, eine Linderung zu erreichen, damit die Betroffenen mit dem erlittenen Leid und den Schmerzen zu leben lernen, aber die Folgen der Gewalt sind in der Regel nicht zu beseitigen. Es bleiben Narben zurück, die mal mehr, mal weniger schmerzen. Grässlin: Sogenannte Kleinwaffen wie Pistolen, Maschinenpistolen, Sturmgewehre und Maschinengewehre werden besonders zahlreich exportiert. Betreuen Sie Flüchtlinge, die Opfer solcher Waffen wurden? Iskenius: Bei den asymmetrischen, häufig innerstaatlichen Konflikten werden Hausdurchsuchungen und Vertreibungen mit Gewehren und anderen Kleinwaffen vollzogen. In den 1990er Jahren waren es hauptsächlich Flüchtlinge aus Südosteuropa, insbesondere aus Bosnien und aus dem Iran, dem Irak, Syrien und dem Kosovo. Hinzu kamen viele Kurdinnen und Kurden aus der Türkei. Heute fliehen viele aus Afghanistan und afrikanischen Ländern südlich der Sahara. Hinzu kommen auch Menschen, die erst durch Gewalterfahrungen auf der Flucht traumatisiert worden sind. Oft ist das auch eine Folge der zunehmenden Waffengewalt, mit der sich Europa gegen Flüchtlinge abschottet.
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Frieden Iskenius: Heckler & Koch hat zu unglaublich viel Zerstörung in zahlreichen Ländern beigetragen. Aus diesem Grund muss die Waffenproduktion eingestellt und auf zivile Produktion umgestellt werden. Im Rahmen dieses Prozesses könnten sicherlich genau so viele und nachhaltige Arbeitsplätze geschaffen werden. Gerade Heckler & Koch müsste Rollstühle, Prothesen und Implantate, chirurgisches Instrumentarium, medizinische Werkzeuge und Apparate herstellen. Dafür gibt es einen gewaltigen Bedarf, gerade in den Ländern, in denen Menschen mit H&K-Waffen verletzt, verwundet oder verstümmelt worden sind. Wir sehen bei uns nur die seelisch Verletzten, die körperlich Verletzten schaffen es einfach nicht zu uns, sondern bleiben in der Region und haben in der Regel noch weniger Versorgung.
Die meisten an Flüchtlingen verübten Gewalttaten werden mit solchen Kleinwaffen begannen. Dass deutsche Waffen dabei eine Rolle spielen, kann ich nur erahnen. Grässlin: Nach den USA und Russland und vor Frankreich und Großbritannien rangiert Deutschland auf Platz 3 der Weltwaffenexporteure. Wie stehen Sie als Arzt zu Waffenexporten? Iskenius: Rüstungsexporte sind aus medizinischer Sicht nicht zu verantworten, weil sie statt Sicherheit und Stabilität zu geben, die Gewalt unterstützen. Jede Waffe, die zum Einsatz kommt, erzeugt Gewalt. Gewalt gebiert neue Opfer und neues Leid. Wer die Traumata der Opfer verhindern will, muss auch Waffenexporte verhindern insbesondere in jene Länder, wo Gewaltkonflikte toben. Waffenexporte und -gewalt lösen keine politischen Konflikte, sondern heizen sie an. Durch die Weitergabe von Traumata von Generation zu Generation wird die Gewaltspirale verstärkt. Aus medizinischer Sicht ist Gewalt physisch, psychisch und strukturell die häufigste Ursache für körperliche und seelische Verletzungen, die schließlich zu Krankheiten und lebenslangen Behinderungen führen können. Sich gegen Rüstungsexporte zu stemmen, bedeutet ärztliche Präventionsarbeit.
Grässlin: Die „Verkaufsschlager“ von Heckler & Koch wie z. B. die neue Maschinenpistole MP7, sichern Arbeitsplätze in Oberndorf. Sollten die Beschäftigten von Heckler & Koch ihren Beruf aufgeben? Iskenius: Wenn die Beschäftigten bei Heckler & Koch die konkreten Auswirkungen ihrer Produkte erfahren würden, bin ich mir ganz sicher, dass viele von ihnen ihren Verstand und ihre Erfahrungen auf andere Gebiete lenken würden. Meine Hoffnung ist es, dass bei den Beschäftigten ein Umdenken stattfindet. Damit wäre allen geholfen. Doch leider blockiert die Angst vor Arbeitslosigkeit das Umdenken. Darauf baut offensichtlich auch die Geschäftsleitung, die keine sichtbaren Anstrengungen unternimmt, auf zivile Güter umzusteigen. Offensichtlich kann man mit Waffen noch viel Geld verdienen. Deswegen bedarf es tatsächlich eines gesamtgesellschaftlichen Umdenkensprozesses, um die notwendigen Veränderungen herbeizuführen. Waffen müssen generell geächtet werden und können Konflikte nicht lösen.
Grässlin: Refugio arbeitet in Villingen-Schwenningen 30 Kilometer von Oberndorf entfernt, wo die Waffenschmiede Heckler & Koch (H&K) Kleinwaffen produziert und z. B. in die Türkei exportiert. Wie beurteilen Sie diese Waffenexporte? Iskenius: Dieses Thema berührt mich in der Region emotional ganz besonders. Ich habe jeden Tag mit Opfern von Gewalt zu tun, und damit auch mit Kleinwaffenopfern. Ich erlebe, wie sie selbst nach vielen Jahren immer noch darunter leiden. Zugleich weiß ich, dass in meiner Region Heckler & Koch mit Kleinwaffen Geld und Profit macht.
Grässlin: Welche Chancen eröffnen sich für Sie mit der AntiRüstungsexportkampagne „Aktion Aufschrei“? Iskenius: Die Kampagne birgt die Chance, endlich Opfer und Verursacher an einen Tisch zu bringen. Ein größeres gegenseitiges Verständnis böte die Möglichkeit eines Dialoges und Austausches – und damit die Chance eines Umdenkens. Wichtig sind dabei zwei Voraussetzungen: Zum einen darf keine Seite ihr Gesicht verlieren. Zum anderen gilt es, Ängste abzubauen und dann vorbehaltlos in einen langfristigen Dialog für Lösungen zu starten. Wenn jeder seine Lebensgeschichte und die Motive seines Handelns darlegen kann, könnte sich vieles ändern.
Grässlin: „Aktion Aufschrei!“ fordert die Ächtung von Rüstungsexporten. Unterstützen Sie diese Forderung? Iskenius: Uneingeschränkt. Sobald Waffenexporte geächtet sind, werden die Heckler & Koch-Beschäftigten andere Produkte finden – auch wenn damit vielleicht nicht so hohe Profite erzielt werden. Jeder Rüstungsexport, der verhindert werden kann, reißt eine Faser der Wurzel von Gewalt aus. Das löst noch nicht alle Probleme, mindert aber die Zahl gewaltsamer Konflikte. Je weniger Waffen im Kriegsgebiet sind, desto größer wird die Chance, Konflikte ohne Gewalt zu lösen. Zugleich gewinnen wir mehr Frieden und produzieren weniger Flüchtlinge. Ein völliger Rüstungsexportstopp trüge maßgeblich zur Prävention physischer Gewalt bei.
Weitere Informationen: www.aufschrei-waffenhandel.de www.refugio-vs.de Flugblatt des Netzwerk Friedenskooperative „Kein Leopard 2 nach Saudi-Arabien“ zum Download: www.friedenskooperative.de/panzer_saudi_arabien.pdf
Grässlin: Welche Forderungen würden Sie aufgrund Ihrer Erfahrung in der Betreuung traumatisierter Flüchtlinge an die Geschäftsführung von Heckler & Koch richten?
Export Türkei: Waffenproduzent Heckler & Koch Im Bürgerkrieg hat die türkische Armee mehr als 30.000 Menschen getötet. Auch die PKK hat Unschuldige umgebracht. Die dabei eingesetzten sogenannten Kleinwaffen stammen aus der Produktion oder Lizenzproduktion der deutschen Firma Heckler & Koch, die z. B. das Schnellfeuergewehr G3 produziert und in die Türkei exportiert. Seit den 1970er- und 1980er-Jahren werden diese Waffen in der Türkei in Lizenz gefertigt und im Bürgerkrieg von den staatlichen Sicherheitskräften gegen die Bevölkerung im Südosten eingesetzt. Laut Aussage von Militärs wurden 80 bis 90 Prozent der kurdischen Opfer mit G3-Gewehren erschossen.
Das Interview führte Jürgen Grässlin, Sprecher der Kampagne „Aktion Aufschrei“. Ernst-Ludwig Iskenius ist Arzt und arbeitet als Koordinator des gemeinnützigen Vereins Refugio e.V. mit traumatisierten Flüchtlingen. 17
Aufbruch im nahen osten
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Libyen: Vor den Kämpfen in der Stadt ADSCHDabiya Geflohene Kinder in Bengasi
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© Kate Thomas/IRIN
ie Fotos unseres Schwerpunktes stammen von IRIN, einem preisgekrönten humanitären Nachrichten- und Analyse-Service für jene Regionen der Welt, die in den klassischen Medien häufig unterrepräsentiert oder ignoriert werden.
Der menschliche Blick Kindergesichter aus einer Region im Umbruch
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IRIN wurde 1995 ins Leben gerufen, als Antwort auf die unzureichende humanitäre Berichterstattung über den Völkermord in Ruanda und seine Folgen. Heute berichtet IRIN aus über 70 Ländern.
Palästinensische Jungen im JabaliaFlüchtlingsLager im Gazastreifen
Jemen: Mädchen in einer schule für WAisen
© Hugh Macleod/IRIN
Westbank: Palästinensiche Mädchen im Ein Beit Alma Flüchtlingslager
© Shabtai Gold/IRIN
Jemen: Mazrak-Lager für Binnenflüchtlinge
© Amr Emam/IRIN
Ägypten: Kinder in einem Kairoer Elendsviertel
© Hugh Macleod/IRIN
Die IRIN-Nachrichten können kostenlos via E-Mail abonniert werden unter: w w w . i r i n n e w s . o r g
© Suhair Karam/IRIN
RIN unterstützt Anstrengungen zur Konfliktlösung und Versöhnung, indem es Desinformation und Propaganda entgegentritt. Es ist ein redaktionell unabhängiges NonProfit-Projekt des UN-Büros für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA), durch freiwillige Beiträge von Regierungen und anderen Institutionen finanziert.
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Aufbruch im nahen osten
Der Weg in den Libyen-Krieg Die Rekolonialisierung Afrikas
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eit fünf Monaten bombardieren die Luftwaffen von 8 NATO-Staaten libysche Städte. Sie flogen bereits mehr als 20.000 Einsätze, über 120 pro Tag. Neben militärischen Zielen wurden dabei auch zahlreiche zivile Einrichtungen, wie Häfen, Fabriken, Telefonanlagen, Raffinerien und sogar Nahrungsmitteldepots bombardiert. NATO-Jets und Kampfhubschrauber griffen unmittelbar in die Kämpfe ein und versuchten so den Aufständischen Stück für Stück den Weg zur Hauptstadt freizuschießen. Am 9. August wurden dabei in einem Dorf nahe der umkämpften Küstenstadt Sliten alleine 85 Dorfbewohner getötet. Von der UN-Resolution 1973 war dieser Krieg zum Sturz des libyschen Regimes zu keiner Zeit gedeckt. Diese erlaubt zwar interessierten Mächten den Einsatz militärischer Mittel, aber nur zur Erzwingung eines Flugverbots und zum Schutz der Zivilbevölkerung. Im ersten und damit zentralen Artikel fordert sie einen sofortigen Waffenstillstand und „einen Dialog über die für eine friedliche und dauerhafte Übereinkunft notwendigen Reformen“. Genau das also, was die Kriegsallianz seither mit aller Macht verhindert.
war gingen auch in Libyen wie in den Nachbarländern viele, meist junge Leute, gewaltfrei mit der Forderung nach mehr Freiheit und mehr Demokratie auf die Straße. Durch die schnelle Eskalation militärischer Auseinandersetzungen wurden sie jedoch bald an den Rand gedrängt. Mit Beginn der NATO-Intervention bestimmten der, in Abstimmung mit den NATO-Mächten etablierte, Nationale Übergangsrat und die bewaffneten Rebellenverbände das Geschehen. Die Schnelligkeit, mit der trotz stark divergierender Kräfte in der Anti-Gaddafi-Koalition, eine zentrale Führung gebildet wurde, legt nahe, dass ein solcher Aufstand schon länger geplant worden war. Die Personen, die nun das Kommando in Bengasi übernahmen, waren im Westen alle bereits gut bekannt.
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Schon die Resolution selbst ist mit internationalem Recht kaum vereinbar. Vor allem basiert sie auf falschen Behauptungen. Die Vorwürfe, die libysche Regierung hätte die Luftwaffe gegen friedliche Demonstrationen eingesetzt, waren schon – wie u. a. Stellungnahmen des Pentagon oder Bundesregierung zeigen – zum Zeitpunkt der Verabschiedung haltlos gewesen.
s handelt sich um Exil-Politiker, die schon lange mit westlicher Unterstützung auf einen „Regime Change“ hinarbeiten und ehemalige Regierungsmitglieder, die mit ihren Plänen einer stärkeren Liberalisierung der Wirtschaft in den letzten Jahren gescheitert waren. So war der Chef der „Exekutive“ des Übergangsrats, Mahmoud Dschibril zuvor Leiter des Ausschusses für wirtschaftliche Entwicklung gewesen. Bis 2005 lebte er in den USA und hat, wie WikiLeaks enthüllte, seinen vertrauten Kontakt zu Regierungskreisen in Washington nie aufgegeben. Der zweite wichtige Kontaktmann zum Westen ist Ex-Wirtschaftsminister Ali Al-Issawi, der sein Amt im Streit um den Umfang der Privatisierungen verlor.
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icherlich war die libysche Regierung mit unentschuldbarer Gewalt gegen die Opposition vorgegangen. Allerdings hatten auch Teile der Aufständischen von Beginn an zur Gewalt gegriffen – ein zentraler Unterschied zu den Protestbewegungen der Nachbarländer. Polizeistationen und andere öffentliche Gebäude wurden niedergebrannt, mehrere Polizisten und Schwarzafrikaner gelyncht. Bewaffnete Islamisten stürmten in Derna ein Armee-Depot, besetzten den daneben liegenden Hafen und nahmen eine größere Zahl von Geiseln. „Was hätten die ‚Sicherheitskräfte‘ von Gaddafi angesichts dieser Situation machen sollen?“, fragt Prof. Andreas Buro vom Komitee für Grundrechte und Demokratie. „Wie hätten andere Staaten darauf reagiert?“
ichtige Rollen spielten auch sofort der ehemalige Justizminister Mustafa Dschalil als Vorsitzender des Übergangsrats sowie der frühere Innenminister und Kommandeur der libyschen Sondereinheiten Abdulfattah Junis als Militärchef und der Ex-Generalstaatsanwalt Abdul-Rahman al-Abbar. Mit diesen standen von Beginn an die drei wichtigsten bisherigen Verantwortlichen für die staatliche Repression an der Spitze dessen, was im Westen als demokratische Opposition angesehen wird. Gelingt es der NATO die Rebellenführung in Tripolis an die Macht zu bringen, können sich westliche Konzerne begründete Hoffnungen machen, in Libyen besser zum Zuge zu kommen.
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© Kate Thomas/IRIN
Aufbruch im nahen osten
Ein Kämpfer der Aufständischen vor einem stark zerstörten haus im Libyschen Adschdabiya
Im Kampf um Afrikas Rohstoffe
dern ermöglichen, sich der Kontrolle von Weltbank und Weltwährungsfonds IWF, Instrumenten der neokolonialen Herrschaft, zu entziehen. Der Afrikanische Währungsfonds soll die gesamten afrikanischen Aktivitäten des IWF übernehmen, die, so Pougala, mit einem Umfang von nur 25 Mrd. Dollar einen ganzen Kontinent auf die Knie zwangen.
Libyens Engagement für eine Einigung der afrikanischen Länder – u. a. durch die Förderung der Afrikanischen Union – und die Beihilfe zu mehr wirtschaftlicher Unabhängigkeit stehen dem Bemühen der USA und der alten Kolonialmächte, ihren Einfluss in Afrika wieder auszuweiten diametral entgegen.
Mithilfe der Afrikanischen Zentralbank könnten sich die 14 ehemaligen französischen Kolonien eine neue Währung schaffen, die den CFA-Franc endlich ablöst, der nach wie vor Frankreichs wirtschaftliche Dominanz in diesen Ländern sichert. Ohnehin ist Libyens wachsender Einfluss in Frankreichs einstigen Kolonien, die Auswirkungen auf deren Rohstoffexport-Konditionen haben, eine direkte Bedrohung französischer Interessen.
„Es war Gaddafis Libyen, das Afrika die erste Revolution in neuester Zeit ermöglichte“, schrieb der Kameruner Experte für Geostrategie Jean-Paul Pougala, „die den ganzen Kontinent durch Telefon, Fernsehen, Radio und verschiedene andere Anwendungen wie Tele-Medizin und Fernstudium verband.“ Denn es war libysches Kapital, das entscheidend zur Realisierung des ersten afrikanischen Telekommunikationssatelliten beitrug. Über zehn Jahre lang hatten die 45 afrikanischen Staaten, die sich 1992 in der RASCOM (Regional African Satellite Comunication Organization) zusammengeschlossen hatten, vergeblich versucht, Kapital dafür aufzunehmen und mit eigenen Satelliten die horrenden Gebühren von jährlich 500 Millionen Dollar, die aus Afrika an europäische und amerikanische Firmen flossen, zu reduzieren. Doch Weltbank, Internationale Währungsfonds, USA und EU hielten die Afrikaner immer wieder hin. 2006 beendete Libyen das unwürdige Spiel und stellte 300 Millionen Dollar für das Projekt zur Verfügung. Die Afrikanische Entwicklungsbank steuerte weitere 50 Millionen bei. Nachdem der erste Satellit im Dezember 2007 seinen Dienst aufgenommen hatte, stiegen auch China und Russland ins Geschäft ein, weitere Satelliten wurden in den Orbit gestellt und machten die Afrikaner Schritt für Schritt von den westlichen Satellitensystemen unabhängig, denen dadurch nun Hunderte Millionen Dollar jedes Jahr an Einnahmen verloren gehen.
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iegt die Kriegsallianz oder werden die libyschen Auslandguthaben einfach so den Rebellen zugeschlagen, so würde das all diesen afrikanischen Unternehmungen einen schweren Schlag versetzen. Viele Projekte, die z. B. von der „Libysch-Arabisch-Afrikanischen Investment Gesellschaft“ südlich der Sahara betrieben werden, sind bereits jetzt durch das Einfrieren der libyschen Fonds stark beeinträchtigt. Es ist daher nicht übertrieben, wenn der nigerianische Poet und Journalist Obi Nwakanma schreibt, der Einsatz westlicher – insbesondere französischer – Truppen in Afrika, stelle „eine neue strategische Kriegserklärung gegen Afrika, die afrikanischen Interessen und den afrikanischen Kontinent“ dar.
Störenfriede am Mare Nostrum der NATO Gaddafi stellte sich auch gegen die von der EU 2008 gegründete „Mittelmeerunion“ und nannte sie einen „neo-kolonialen Trick“ zur Zerstörung der arabischen und afrikanischen Einheit. Treibende Kraft hinter dieser Initiative, die 27 EU-Staaten mit den 17, nicht zur EU gehörenden Mittelmeerländern in einer neuen Union zu vereinen, war der französische Präsident Nicholas Sarkozy. Seine „große Idee“ dahinter, so der britische Daily Telegraph „ist Roms imperiales Zentrum der Welt als einigenden Faktor zu be-
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edrohlicher noch aus westlicher Sicht ist der Aufbau dreier unabhängiger afrikanischer Finanzinstitute, mit der die Afrikanische Union begonnen hat und für deren Gründung libysche Gelder die Basis bilden: die Afrikanische Investmentbank, der Afrikanische Währungsfonds und die Afrikanische Zentralbank. Die Entwicklung dieser Institute würde es den afrikanischen Län-
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© Kate Thomas/IRIN
Betende Frauen in der libyschen hafenstadt Bengasi
wurde der Krieg nach wie vor von den drei Staaten geführt, die ihn begannen. Mit den USA, Großbritannien und Frankreich sind dies genau die drei militaristischen Mächte, so der US-amerikanische Politologe James Petras, die ökonomisch im Niedergang sind. Ihre letzten beiden Trümpfe sind ihre militärische Stärke und ihr starker Einfluss auf viele Länder Afrikas und Asiens. Auf der anderen Seite stehen mit den BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien und China) die wirtschaftlich aufstrebenden Länder gegen den Krieg. Mit Deutschland scherte das westliche Land aus der Kriegsfront aus, das aktuell am wenigsten Probleme im internationalen Wettbewerb hat.
nutzen, um 44 Länder, Heimat von 800 Millionen Menschen zusammenzuführen“. Der libysche Führer begründete seinen Boykott damit, dass diese nur ein weiterer imperialistischer Ansatz sei, die südlichen Länder unter Kontrolle zu halten. Drei Jahre später bombardieren Sarkozys Mirage- und Rafale-Kampfjets Gaddafis Truppen.
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er Krieg gegen Libyen ähnelt in einigen Punkten dem Jugoslawienkrieg, dem ersten Krieg der NATO. So hatten die Bomben auf Serbien nicht nur die Abtrennung der serbischen Provinz Kosovo zum Ziel, sondern auch den Sturz eines missliebigen Regimes. Dies gelang in Restjugoslawien schließlich durch eine vom Westen geführte „bunte Revolution“. Wäre die NATO auch gegen Libyen erfolgreich, so wäre das Militärbündnis noch einen Schritt weiter, das Mittelmeer, das einstige Mare Nostrum Roms, das im Schnittpunkt dreier Kontinente liegt, zum Binnenmeer der NATO zu machen. Nachdem Anfang des Jahres auch Zypern der NATO-Partnerschaft beitrat, Israel, Jordanien, Ägypten, Algerien, Tunesien und Marokko durch den „Mittelmeer Dialog“ der Allianz eingebunden sind, stehen aktuell nur noch drei Mittelmeeranrainer außerhalb des Militärbündnis: Syrien, Libanon und Libyen.
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rotz erheblicher Differenzen schlossen sich aber am Ende doch die meisten westlichen Staaten zumindest – wie Deutschland – indirekt der Kriegsallianz an. „Das unsichtbare Band, das sie zusammenbindet“, so die chinesische „People’s Daily“, „ist ihr gemeinsames Ziel, die Dominanz des Westens in internationalen Angelegenheiten zu erhalten. (…) Obwohl es eine wachsende interne Kluft in der westlichen Welt gibt, werden sie weiterhin zusammenhalten, wenn sie ihren dominanten Status bedroht fühlen.“ Eine ausführliche Darstellung der Hintergründe und zahlreiche Quellenangaben findet man auf dem Blog des Autors: http://jghd.twoday.net
„Partnerschaft“ mit der NATO bedeutet Öffnung des Landes für deren Militär, insbesondere für US-Truppen und die US-Marine. Die Militär-Basen der USA breiten sich dadurch immer weiter über den Globus aus und erweitern damit auch die Fähigkeit der US-Streitkräfte überall in der Welt zuzuschlagen. So ermöglichte ihnen ihre massive Präsenz im Mittelmeerraum beispielsweise aktuell, wie US-Admiral Gary Roughead vor Kurzem freimütig erklärte, die Angriffe auf Libyen – trotz der geringen Vorlaufzeit – unverzüglich nach der UN-Resolution zu beginnen. Alles war schon vor Ort und bereit zum Losschlagen.
Joachim Guilliard hat Physik studiert und ist in der Friedensund Solidaritätsbewegung aktiv. Er ist Verfasser zahlreicher Artikel zum Nahen und Mittleren Osten und gehört zu den AutorInnen des Buches „Bomben auf Bagdad“.
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icht nur Deutschland, auch andere NATO-Staaten standen dem Krieg eher ablehnend gegenüber. Nur 14 der 27 Mitglieder beteiligten sich, gerade mal sechs bombten mit. Letztlich 22
Aufbruch im nahen osten
Doppelmoral Bernard Lown über „humanitäre Interventionen“
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Dschamahirija ... unter Androhung eines Angriffs zu schützen.“ Eine Flugverbotszone hört sich harmlos an, aber ihre Durchsetzung erfordert das Bombardieren bewohnter Orte. Und schon sind wir wieder bei der unblutigen Phrase „Kollateralschaden“. Für Gesundheitspersonal existiert ein solcher Ausdruck nicht. Er bezeichnet verstümmelte Körper und traumatisierte Psychen, zerstörte Städte und verarmte Menschen.
or 25 Jahren diskutierte ich mit Dr. Jonathan Mann ausführlich über „humanitäre Interventionen“. Er war einmal Leiter des Welt-Aids-Programms der Weltgesundheitsorganisation, trat aber aus Protest gegen die dürftige Unterstützung der Vereinten Nationen für die Eindämmung der Aids-Epidemie von diesem Posten zurück. Er setzte sich sehr stark für die Förderung der Verbindung von Gesundheit und Menschenrechten ein. Seine Formulierung war schlicht und ergreifend. Beide Aspekte seien unlöslich miteinander verbunden: Gesundheit ist ein Menschenrechtsanliegen und Menschenrechte sind ein Gesundheitsanliegen. Er war ein überzeugter Befürworter humanitärer Interventionen. Mir war bezüglich solcher Interventionen unwohl, besonders bei denen unter Führung des US-Militärs. Meine Opposition ist im Laufe der Zeit und mit der Entfaltung der Kriege im Irak und Afghanistan, die nun auf Pakistan und Libyen übergreifen, gewachsen.
Die Welt hat bereits Erfahrung mit Flugverbotszonen. Vergessen ist die von den USA und Großbritannien verhängte Flugverbotszone über dem Irak. Laut einer Untersuchung britischer IPPNWÄrzte forderte diese Flugsverbotszone das Leben von 500.000 irakischen Kindern. Sie hielt Saddam Hussein nicht davon ab, Kurden oder Schiiten abzuschlachten. Die Intervention im Kosovo in den 1990er Jahren wird als große humanitäre Errungenschaft gepriesen. Auslöser war das Massaker in Srebrenica. Es ereignete sich, während eine Flugverbotszone bereits eingerichtet war. [...]
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ür viele meiner Freunde war die westliche Intervention in Libyen ein moralisches Gebot. Gaddafi ist ein tyrannischer Diktator, der Libyen im finsteren Mittelalter hielt. Aber Gaddafi hat viele gleich gesinnte Kollegen in seinem geografischen Umfeld. Ende März tötete Präsident Saleh, amerikanischer Verbündeter, der seit 32 Jahren die Präsidentschaft im Jemen innehat, über 50 friedliche Protestierende. Die Machthaber von Bahrain haben die schiitische Mehrheit zermalmt und Dutzende unbewaffnete Demonstranten massakriert. In Marokko hat die Regierung den Kampf der Polisario Front gegen die Besetzung ihres Heimatlandes der Westsahara brutal unterdrückt. Laut UNFlüchtlingskommissariat waren 90.000 Menschen gezwungen, die Elfenbeinküste zu verlassen, weil der Präsident sich weigert, die Macht abzugeben, nachdem er in den Wahlen 2010 des Amtes enthoben wurde.
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och es gibt noch andere Gründe zur Sorge. Das Pentagon hat die Welt in sechs Regional-Kommandos eingeteilt, gespickt mit 900 amerikanischen Militärstützpunkten. Das Neueste ist AFRICOM, das den riesigen Kontinent des ölreichen Afrikas abdeckt. Die USA haben versucht, dort ein wichtiges Standbein zu errichten. Bisher hat kein afrikanisches Land ihnen die Stationierung eines Hauptquartiers erlaubt. Der Kommandant General Carter F. Ham operiert weiterhin von Stuttgart aus. AFRICOM verheißt Schlechtes für Afrika. Es liegt in der Natur dieser Interventionen, dass sie dauern. Amerikanische Truppen sind, 65 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, noch immer in Deutschland und Japan und in Korea, 56 Jahre nachdem der Konflikt zu Ende ging. [...]
Warum diese Doppelmoral? Libyen ist reich an Öl und liegt strategisch günstig – im Unterschied zur Westsahara, der Elfenbeinküste, Bahrain oder dem verarmten Jemen. Kurz gesagt: Die Entscheidung, in Libyen zu intervenieren, ist eine politisch motivierte und keine nach moralischen Verpflichtungen.
Echte humanitäre Interventionen sind viel zu selten. Aber der Begriff humanitär darf niemals mit Bomben, Marschflugkörpern und dergleichen verbunden werden. Quelle: amicor.blogspot.com/2011/03/humanitarianinterventions-pr-bernard.html
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nde März griff Präsident Obama entschlossen ein und „autorisierte die Streitkräfte der Vereinigten Staaten, in Unterstützung eines internationalen Bemühens die libysche Zivilbevölkerung zu schützen, mit einer militärischen Maßnahme zu beginnen.“ Der UN-Sicherheitsrat autorisierte eine Flugverbotszone. UN-Resolution 1973 beauftragt die westlichen Mächte, „alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen ... um Zivilisten und von Zivilisten besiedelte Gebiete in der libyschen arabischen
Übersetzung: Anna Fuchs
Prof. Dr. Bernard Lown ist Kardiologe und einer der Gründerväter der IPPNW. 23
Aufbruch im nahen osten
Befehlsverweigerung Interview mit der Menschenrechtsaktivistin Maryam Al-Khawaja Forum: Frau Al-Khawaja, wie war die Situation in Bahrain vor den Aufständen? Maryam Al-Khawaja: Die Situation war schon lange vor den aktuellen Aufständen schwierig und verschlechterte sich zunehmend. Es war sehr schwer Arbeit zu finden, ganz besonders für Mitglieder schiitischer oder regierungskritischer Familien. Die Menschen in Bahrain hatten mehr oder weniger die Hoffnung verloren. Wir standen an einem Punkt, wo wir befürchteten, dass sich in unserem Land wirklich nichts ändern ließe. Sicherheitskräfte haben bereits im August letzten Jahres Proteste niedergeschlagen, 500 Demonstranten verhaftet und gefoltert. Die Aufstände in Ägypten und Tunesien waren also nicht der Grund für das erneute Aufbegehren der Menschen in Bahrain, aber es gab ihnen den Glauben daran zurück, dass sie etwas an ihrer Situation ändern könnten. Forum: Wie würden Sie die aktuellen Proteste beschreiben? Welche Ziele haben die Demonstranten? Al-Khawaja: Die ersten Forderungen kamen von einer Gruppe ohne bestimmte religiöse oder soziale Zugehörigkeit. Sie forderten Bürgerrechte und eine Änderung der Verfassung, mit mehr Einfluss des Parlaments. Ich bin überzeugt, dass sich die Situation wieder beruhigt hätte, wenn die Regierung die Proteste erlaubt hätte. Aber ich glaube, die Regierung war sehr beunruhigt wegen der Aufstände in Tunesien und Ägypten. Dennoch war ich überrascht darüber, wie die Polizei die Demonstranten attackierte. Bei einer Demonstration am 14. Februar wurden Waffen, die normalerweise nur benutzt werden, um Menschenansammlungen aufzulösen, aus sehr kurzer Entfernung auf Menschen gefeuert – teilweise mit töd-
lichen Folgen. Am Abend versammelten sich die Menschen vor dem Krankenhaus, es gab so viele Verletzte. Und als einer der Ärzte herauskam und den ersten Toten verkündete, forderten die Menschen nicht mehr nur Reformen, sondern den Rücktritt des Regimes. Die Zahl der Protestierenden wuchs. Am 17. Februar, den wir seither „Blutiger Donnerstag“ nennen, war ich selbst auf dem Pearl-Platz, (wo sich die Demonstranten sammelten, Anm. d. Red.) als die erste Attacke der Sicherheitskräfte begann. Vier Demonstranten wurden dabei getötet. Danach entwickelte sich eine der größten Demonstrationen, die es je in Bahrain gab: Circa 250.000 Menschen gingen auf die Straße – bei einer Gesamtbevölkerung von 500.000 Menschen. Forum: Dann holte die Regierung das saudische Militär zur Hilfe? Wie kam es dazu? Al-Khawaja: Innerhalb der Regierung gab es zwei Standpunkte. Der Premierminister ist der Überzeugung, dass Gewalt die einzige Lösung ist. Der Kronprinz hingegen versteht, dass er Zugeständnisse machen muss, wenn er an der Macht bleiben möchte, und rief daher zu einem Dialog auf. Aber einen Tag vor seinem Aufruf eröffnete die Armee das Feuer auf die Demonstranten. Und da er für die Armee mitverantwortlich ist, verloren die Menschen das letzte Vertrauen in die Regierung. Ihr blieb nur der Rücktritt oder die militärische Lösung. Deshalb holte die Regierung die Truppen des Golf-Kooperationsrates (GCC) ins Land – über 1.500 Soldaten aus Saudi-Arabien und Hunderte aus anderen Ländern. Forum: Sie wissen sicher, dass Deutschland unlängst den Export von 200 Panzern nach Saudi-Arabien genehmigt hat ... 24
Al-Khawaja: Nun – wenn es sich schon nicht vermeiden ließ, hätten sie wenigstens Bedingungen daran knüpfen können, wie: Wenn die Saudis die Panzer wollen, müssen sie sich zuerst aus Bahrain zurückziehen. Ich denke die Deutschen sollten sich eine Frage stellen: Vielleicht bringt der Deal jetzt Geld ins Land, aber welche Kosten entstehen auf lange Sicht? Forum: Die politischen Kosten? Al-Khawaja: Nicht nur politisch. Worauf bereiten sich die Saudis vor? Sie haben gerade einen 62-Milliarden-Dollar-Waffendeal mit den USA abgeschlossen. Wofür brauchen sie so viele Waffen? Das ist eine Frage, die sich viele Leute stellen sollten. Forum: Wie reagieren die Staaten in der Region auf die Ereignisse in Bahrain? Wie reagiert Europa aus ihrer Sicht? Al-Khawaja: Es gibt die Reaktionen der Menschen und die der Regierungen. Die Menschen in der Region unterstützen die Proteste in Bahrain. Aber ein Problem ist, dass die Regierung versucht, die Proteste als einen religiösen Konflikt darzustellen und dadurch die Spannungen zwischen Sunniten und Schiiten verstärkt. Und diese Spannungen haben sich schon ausgebreitet, nicht nur in Bahrain, auch im Irak – weil die Bevölkerung dort den Eindruck hat, die Regierung attackiere die Demonstranten, weil sie Schiiten sind. Ich befürchte, wenn sich nicht bald etwas ändert, könnte sich das zu einem ernsten Problem entwickeln. Auf der anderen Seite gibt es die Regierungen der Region. Die fühlen sich durch die Situation in Bahrain natürlich bedroht. Wenn Bahrain sich demokratisiert, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass solche Forderungen auch in ihren Ländern aufkommen.
Und was den Westen angeht: Natürlich unterstützen die USA z. B. Forderungen nach mehr Demokratie und Menschenrechten und der Westen lobt die friedlichen Demonstrationen. Aber was wir bisher beobachten können ist: Solange die Proteste nicht gewalttätig werden, schenken die westlichen Länder ihnen keine weitere Beachtung. Und das ist eine gefährliche Botschaft für die Menschen in Bahrain. Ich bin froh, dass die Proteste bisher friedlich blieben, aber ich denke nicht, dass es lange so bleibt. Wenn es nicht bald Konsequenzen für den König und das Regime gibt, haben die Demonstranten keinen Grund mehr, friedlich zu bleiben. Natürlich gibt es Moral und Werte, aber das interessiert keinen, der gefoltert wurde, oder dessen Tochter verschwunden ist. Forum: Als eine Ärzteorganisation sind wir natürlich sehr interessiert an der Situation der Ärzte und des medizinischen Personals, gegen das die Regierung mit Gewalt vorgegangen ist ... Al-Khawaja: Ärzte und medizinisches Personal wurden attackiert, weil sie Befehle verweigerten. Die meisten Ärzte aus Bahrain hatten niemals vorher mit solch einer Situation zu tun gehabt. Am 17. Februar sah ich im Krankenhaus unzählige Verletzte, einem fehlte der halbe Kopf. Die Ärzte gingen sprichwörtlich zu Boden und schrien, weil sie nicht wussten, wie sie mit dieser Situation umgehen sollten. Dann kam der Befehl des Gesundheitsministers, keine verletzten Demonstranten mehr zu behandeln und keine Krankenwagen mehr zum Pearl-Platz zu schicken. Die Ärzte weigerten sich, diesem Befehl zu folgen. Gleichzeitig wurden Verletzte, die in die Ambulanz kamen, von Polizisten geschlagen. Einige Krankenwagen
wurden sogar von der Polizei gestohlen und dazu benutzt, Demonstranten einzusammeln und zu verhaften. Dass Ärzte und medizinisches Personal den Befehl verweigerten und trotz allem die verletzten Demonstranten behandelten, war ein wichtiger Dämpfer für die Regierung, die damit nicht gerechnet hatte. Auch am Tag darauf gab es riesige Proteste, an denen sich auch Ärzte und medizinisches Personal beteiligten. Die Demonstranten forderten den Rücktritt des Gesundheitsministers. Die Tatsache, dass sogar die hochqualifizierten Teile der Bevölkerung nun Teil des Aufbegehrens gegen das Regime wurden, verärgerte die Regierung noch stärker. Und dann eröffneten die Ärzte auf dem Pearl-Platz ein Erste-Hilfe-Zelt, und behandelten am nächsten Tag auf ehrenamtlicher Basis in Schichten die Verletzten. Das war der Grund, warum auch Ärzte und medizinisches Personal ins Visier der Sicherheitskräfte gerieten und warum diese, gleich nachdem saudische Unterstützung im Land war, das Hauptkrankenhaus besetzen ließen. Der gesamte sechste Stock wurde in eine Folterkammer verwandelt, wohin alle Demonstranten verfrachtet wurden, die bereits im Krankenhaus waren. Dort schlug und folterte man sie. Vielen wurde die nötige Behandlung verwehrt. Auch viele Ärzte wurden von Sicherheitskräften verhaftet und gefoltert. Einige stehen noch unter Anklage. Die Regierung wollte den Ärzten damit gewissermaßen eine „Lektion erteilen“ – eine Lektion nicht nur für die Ärzte, sondern für die gesamte Gesellschaft.
Das Interview führte: Dr. Jens-Peter Steffen (IPPNW) 25
Ärzte im Hungerstreik 13 Mediziner, Schwestern und Sanitäter, die zu Beginn der Proteste inhaftiert wurden, waren fast 6 Monate lang im Gefängnis, während ihre Prozesse vor einem Militärgericht liefen – Prozesse gegen Zivilisten vor einem Militärgericht verstoßen auch gegen die bahrainische Verfassung. In der Anklage wird ihnen u. a. versuchter gewalttätiger Sturz des Regimes und das Verstecken von Waffen im Krankenhaus vorgeworfen. Angehörige erklären, dass die Inhaftierten durch Folter zu falschen Geständnissen gezwungen wurden und ihnen die angemessene Vertretung durch Rechtsanwälte verweigert wird. Die 13 Betroffenen traten Ende August in Hungerstreik. Ihre Forderungen: ein fairer Prozess und eine erneute, unabhängige Untersuchung der Vorwürfe. Am 8. September wurden sie laut Angaben von Amnesty International gegen Kaution freigelassen. Ihre Prozesse vor dem Militärgericht laufen weiter. Weitere Informationen unter: Bahrainrights.org
Maryam Al-Khawaja stammt aus Bahrain, lebt aber derzeit im Exil. Als Auslandsbeauftragte des bahrainischen Zentrums für Menschenrechte (BCHR) versucht sie, im Ausland auf die verheerende Situation in Bahrain aufmerksam zu machen und Unterstützung zu finden. Ihr Vater sowie vier weitere ihrer Verwandten sind in Bahrain im Gefängnis, wo sie schwer gefoltert und misshandelt wurden und werden. Auch sie selbst war inhaftiert.
Foto: Al Jazeera Englisch/ Fadi Benni/ flickr
schwestern warten auf das Eintreffen der nächsten Verletzten aM Eingang des Salmaniya Krankenhauses
Aufbruch im nahen osten
Fragmentierung einer Gesellschaft Der Nahostkonflikt und die Vereinten Nationen
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dass sie in einem regelrechten Gefängnis leben, das sie nur unter bestimmten sehr restriktiv gehandhabten Bedingungen über einen Grenzübergang verlassen können, nämlich über Rafah nach Ägypten. Nur in Ausnahmefällen (meistens aus Gesundheitsgründen) und für (politisch) Privilegierte besteht eine Möglichkeit der Ausreise über den nördlichen Übergang Erez, der nach Israel führt. Für sie gibt es nicht nur keine Sicherheit vor immer neuen israelischen Angriffen. Die Abriegelung des Gazastreifens macht jede ökonomische Entwicklung von vornherein unmöglich.
ie Diskussion über das Für und Wider der Anerkennung eines palästinensischen Staates durch die UNO dominiert schon seit Monaten die Berichterstattung aus Israel/Palästina. Übersehen wird dabei allzu oft der Nahostkonflikt selbst, seine historische Herausbildung und seine gegenwärtige Struktur. Das gesamte ehemalige Mandatsgebiet Palästina, vom Jordanfluss im Osten bis zum Mittelmeer im Westen, von der libanesischen und syrischen Grenze im Norden bis zur ägyptischen Grenze im Süden steht seit 1967 unter vollständiger israelischer Kontrolle. Knappe 80% machen den Staat Israel in den Grenzen vor dem Junikrieg 1967 aus, der Rest ist von Israel besetztes Gebiet. Daran haben auch die Osloer Verträge und die Verhandlungen seit dem September 1993 nichts geändert.
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srael/Palästina konstituiert demnach ein einziges Gebiet, kontrolliert von einer Regierung und einer Armee, in dem Menschen leben, die je nach Religionszugehörigkeit und Ort ihres Wohnsitzes volle demokratische Rechte (Juden in Israel, aber auch in den –„illegalen“ – israelischen Siedlungen im Westjordanland oder in Ost-Jerusalem) oder überhaupt keine staatsbürgerlichen, geschweige denn demokratischen Rechte (Palästinenser im Westjordanland und im Gazastreifen) haben.
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ährend jüdisch-israelische Staatsbürger in einem demokratischen Staat leben, sieht die Situation für Palästinenser ganz anders aus. Palästinenser haben einen hierarchisch abgestuften Status, je nachdem, wo sie derzeit leben. Palästinenser in Israel haben zwar die Staatsbürgerschaft, sie waren und sind aber seit der Staatsgründung Israels immer Bürger zweiter Klasse geblieben. Derzeit stehen sie unter dem massiven Druck einer rechten bis rechtsextremen Regierung, die versucht, sie mit immer neuen Gesetzen (die gerade auch in der innerisraelischen Diskussion als rassistische Gesetze vehement kritisiert werden) an den Rand des Staates – oder sogar aus dem Staat hinaus – zu drängen.
Langfristige Entwicklungstendenzen Wenn man die gesamte Periode zwischen 1948 und 2011 überblickt, zeigt sich eine dominierende Tendenz: an die Stelle des historischen Palästina tritt der 1948 neu geschaffene Staat Israel. Palästina wird zusehends verdrängt und überdeckt von Israel.
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ie palästinensische Nationalbewegung wurde und wird systematisch zerschlagen, sowohl auf der Ebene historischer Führungspersönlichkeiten (Ermordung und Tod der gesamten Führungselite von Fatah/PLO: Abu Iyad, Abu Jihad und zuletzt Abu Ammar, also Yasir Arafat) als auch auf der Ebene der organisatorischen Strukturen (Krise Fatahs und der PLO). Die palästinensische Gesellschaft wird immer stärker fragmentiert und zerfällt inzwischen in mindestens fünf Teile und zahllose Unterteile: Diaspora, aufgeteilt in Palästinenser in den verschiedenen Kontinenten und Staaten, Israel (aufgeteilt in Drusen, Beduinen, Christen und Muslime), Ost-Jerusalem, Westjordanland (aufgesplittert durch israelische Siedlungen und Militärsperren) und Gazastreifen.
Palästinenser in Ost-Jerusalem besitzen zwar einen israelischen Personalausweis, sind aber dem Status nach lediglich „permanent residents“. Dieser Status kann ihnen jederzeit entzogen werden. Nur wenige haben in den vergangenen Jahren die israelische Staatsbürgerschaft beantragt und auch erhalten. Die Mehrzahl besitzt entweder einen jordanischen Pass oder benutzt für Reisen ein sogenanntes israelisches „Travel Document“. Sie dürfen an den Lokalwahlen in Jerusalem teilnehmen, aber nur wenige nehmen dieses Recht in Anspruch mit dem Argument, dass sie den durch die israelische Besatzung seit 1967 neu geschaffenen Status nicht anerkennen wollen. Auch sie stehen in den letzten Jahren unter dem Druck der Siedlerbewegung, der Stadtverwaltung und der Regierung, die möglichst viele Palästinenser aus Jerusalem verdrängen oder ihnen dort das Leben unmöglich machen wollen.
Palästinenser sind und bleiben in der Wahrnehmung von außen Terroristen, d. h. werden bis heute v. a. durch Israel, aber tendenziell auch weltweit, aus einer (negativen) Sicherheitsperspektive wahrgenommen.
Palästinenser im Westjordanland leben nach wie vor unter israelischer Besatzung, auch wenn sie unmittelbar von der palästinensischen Autorität in Ramallah regiert werden. Ein- und Ausreise, interne Mobilität, Ausstellung von Personaldokumenten und (palästinensischen) Pässen werden bis heute von der israelischen Besatzung kontrolliert. Vor Übergriffen der Armee oder bewaffneter Siedler ist niemand sicher. Für Palästinenser im Gazastreifen gilt dasselbe mit dem entscheidenden Unterschied,
Jedes Unterdrückungsverhältnis, und das Verhältnis Israel-Palästina ist ein klassisches Beispiel dafür, birgt in sich die (potenziellen) Kräfte für seine Überwindung. Die aktuelle Diskussion wird dominiert von den großen Erwartungen, die man in die Auswirkungen des „Arabischen Frühlings“ auf die Palästinenser setzt. Werden bzw. können die palästinensischen „schabab“ (Jugendlichen) diese Erwartungen erfüllen? Hier bleibt große Skepsis angezeigt. 26
Israelische Soldaten durchsuchen das auto eines Palästinensers am Hawera checkpoint bei Nablus im westjordanland
© Kobi Wolf/IRIN
Beduinen-Kinder in der nähe ihres dorfes al-Hadidiya, das inmitten einer sperrzone des israelischen militärs im Westjordanland liegt
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© Phoebe Greenwood/IRIN
mente ja nach politischer Einstellung. Man setzt entweder auf die Zweistaatenlösung oder auf das „Verschwinden“ oder „Verschwindenlassen“ großer Zahlen von Palästinensern. Durch diese heraufbeschworenen oder konkret politisch organisierten „Wunder“ soll dann, so das Kalkül, ein jüdischer Staat praktisch im gesamten historischen Palästina weiter bestehen. Der Rückzug aus Gaza muss in diesen Kontext platziert werden. Szenarien von Gebietsaustausch oder auch regelrechte Vertreibungspläne gehören ebenso dazu.
war haben die landesweit vom Westjordanland bis Gaza organisierten Demonstrationen mit dazu geführt, dass die zerstrittenen politischen Bewegungen Fatah und Hamas ihre Bereitschaft zu einem Aussöhnungs- und Einigungsprozess artikulierten. Sehr weit sind sie damit jedoch bis dato nicht gekommen. Trotzdem sollte man weiter beobachten, wie sich die junge Generation in Palästina in die Politik einmischen und welche Optionen sie verfolgen wird. Interessant erscheint, dass sie, im Gegensatz zu ihrer Vätergeneration, voll auf gewaltlosen Massenwiderstand setzen. Sollten sie in der Lage sein, tatsächlich früher oder später die palästinensischen Massen zu mobilisieren, dann hätte die israelische Armee dem kaum etwas anderes entgegenzusetzen als die pure Gewalt. Genau dies aber würde Israel und die Besatzungspolitik weiter und massiv diskreditieren in der Internationalen Gemeinschaft.
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etztendlich aber sollte viel stärker mit der normativen Kraft des Faktischen gerechnet werden. Und damit wären wir zum einführenden Argument zurückgekehrt. Es gibt derzeit nur einen Staat in Israel/Palästina, unter vollständiger Kontrolle des Staates Israel und seiner Armee. In diesem Staat genießen nur jüdische Staatsbürger demokratische Rechte. Palästinenser müssen sich diese Rechte erst erkämpfen. Ob sie dabei die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft erhalten, parallel zu deren (eher punktueller) Politik der Unterstützung demokratischer Massenbewegungen des „Arabischen Frühlings“, bleibt dahingestellt.
Demografische Analysen werden schon immer als wichtigstes Argument in die Debatte geworfen, sowohl von israelischer als auch von palästinensischer Seite. Palästinenser rechnen mit einer Umkehrung der Mehrheitsverhältnisse im gesamten historischen Palästina. Je nach politischer Ausrichtung setzen sie entweder auf die Einsicht der israelischen Seite, dass nur die schnellstmögliche Umsetzung der Zweistaatenlösung einen jüdisch geprägten Staat Israel auch für die Zukunft garantieren könnte, oder auf die Unausweichlichkeit eines Staates, in dem Juden und Palästinenser zusammenleben, mit einer immer größeren palästinensischen Mehrheit.
Helga Baumgarten ist Professorin an der Universität Bir Zait bei Ramallah.
Von israelischer Seite wird die Demografie vor allem als Horrorszenarium ins Spiel gebracht. Auch dort variieren die Argu27
© Suhair Karam/IRIN
Sicherheit im Mittleren und nahen osten
Blick über das Jabalia Flüchtlingslager, das GröSSte Flüchtlingslager in Gaza
Recht auf Anerkennung Der palästinensiche Versöhnungsprozess und die nationale Herausforderung
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ten zu haben. Für die Alltagsprobleme der Menschen hat sie nur lapidare islamische Lösungen parat, die keinen Ausweg zeigen.
atah und Hamas haben unerwartet einen Versöhnungsvertrag unterzeichnet. Es sieht so aus, als ob sie die nationalen Herausforderungen, Antrag auf UN-Mitgliedschaft und Aufbau staatlicher Institutionen, endlich vorantreiben wollen. Sie wählten diesen Weg nicht aus der Überzeugung, dass die Spaltung Palästina mehr geschadet hat als alles andere, sondern weil wachsender Unmut in der palästinensischen Bevölkerung sie dazu gezwungen hat. Beide haben viel Vertrauen eingebüßt.
Für beide Bewegungen ist die Unterzeichnung des Vertrages eine politische Floskel zur Beruhigung der Gemüter. Die Hardliner und Nutznießer der Spaltung hegen im Geheimen Pläne, falls das Vorhaben misslingt.
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ber genau das brauchen die Palästinenser nicht. Die Spaltung schwächt die Regierenden und wirkt sich negativ auf nationale Interessen des palästinensischen Volkes aus. Die Überwindung der Spaltung und eine funktionierende Regierung sind wichtige Voraussetzungen für den Antrag auf UN-Mitgliedschaft, der im September realisiert werden soll und immens wichtig ist für das Selbstbestimmungsrecht des palästinensischen Volkes und die Manifestierung seiner Staatlichkeit in international anerkannten Grenzen.
Sowohl Hamas als auch Fatah sind keine politischen Parteien im engeren Sinne, sondern politische Bewegungen mit verschiedenen Strömungen; nichtsdestotrotz unterscheiden sie sich in wesentlichen Punkten. Seit der Machtübernahme durch Abbas hat die Fatah nie mit einer Stimme gesprochen, einige Gruppierungen in der Fatah sind froh über die Spaltung.
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ie Hamas ist homogener, von einer geschlossenen Front kann aber keine Rede sein. Hier sind zu unterscheiden: Der Hardliner-Flügel des ehemaligen Außenministers Alzahar, und der gemäßigte Flügel des abgesetzten Ministerpräsidenten Haniya. Mishal, Chef des Politbüros, agiert in der Mitte. Für die Hardliner ist die Spaltung eine logische Folge, um ihren Machtanspruch zu manifestieren. Eine Versöhnung mit der laizistischen Fatah kommt einer Kapitulation gleich. Die Gemäßigten wissen, dass eine Demonstrationswelle sie die Macht kosten könnte. Dasselbe gilt für die Fatah in Ramallah. Dort wurden Demonstrationen zur Unterstützung des „Arabischen Frühlings“ und Überwindung der Spaltung gewaltsam aufgelöst.
Der Schritt ist längst überfällig. Der palästinensische Nationalrat hat den Staat Palästina in den Grenzen von 1967 schon 1988 ausgerufen; er wurde von über 100 Staaten der Welt anerkannt. Der Antrag auf volle UN-Mitgliedschaft zeigt, dass Palästina ein friedliches Leben mit seinen Nachbarn sucht. Auch wenn der Sicherheitsrat seine Empfehlung verweigert, endet der Weg des Staates Palästina nicht in der UN. Eine Anerkennung als Staat mit Beobachterstatus ist viel wert für das Selbstbewusstsein des jungen Staates. Dadurch wird Palästina im internationalen Recht als juristische Person betrachtet. Von da an werden die besetzten Gebiete nicht mehr als „umstrittene Gebiete“ bezeichnet werden müssen, sondern nun hat ein UN-Mitgliedsstaat das Land eines anderen Mitgliedstaates besetzt. Hier greift Artikel 51 der UN-Charta. Das motiviert alle Solidaritätsgruppen weltweit, ihre Staaten dazu zu bewegen, den Staat Palästina anzuerkennen.
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ür die Hamas wurde es an einer anderen Stelle sehr brenzlig. Sie gewann die Wahlen 2006 mit zwei Themen; ihrer Präsentation als einzige unermüdliche Kämpferin gegen die Besatzung und ihrem Willen für eine gerechte Gesellschaft. Genau diese Themen hat sie in den vier Jahren Spaltung geopfert. Die Zugehörigkeit zur Hamas ist die Eintrittskarte für Ämter, Studienplätze und vieles mehr. Mit dem einseitigen Waffenstillstand nach dem Gazakrieg hat die Hamas ihre letzte Bastion politischer Macht verloren. Aus der „einzig wahren Kämpferin“ gegen die Besatzung ist die „Beschützerin“ des Feindes geworden. Sie muss sich den Vorwurf gefallen lassen, ihre eigenen Prinzipien verra-
Den ausführlichen Artikel finden Sie unter: http://tinyurl.com/3ptr7zu Raif Hussein ist Vorsitzender der Palästinensischen Gemeinde Deutschland und der DeutschPalästinensischen Gesellschaft. 28
Aufbruch im Nahen Osten
Sicherheit durch Kooperation Zivilgesellschaftlicher KSZMNO-Prozess: ein Zwischenstand
Foto: Smadar Shilo/flickr
schreitende Aufstandsbewegung wird mittelfristig starke Inspirations- und Kraftquelle auch für den KSZMNO-Prozess werden. Kurzfristig bestehen allerdings zwei Probleme: Erstens bedeutet KSZMNO internationale Kooperation und Vertrauensbildung unter Respektierung der Souveränität aller Beteiligten. Während Einmischung von außen bedrohlich wirkt, polarisiert und Unsicherheit schafft. Gegenstand der arabischen Revolutionen ist dagegen gerade der Umsturz. Das zweite Problem ist die Frage von deren Authentizität: In Libyen erleben wir gerade einen „regime change“ mit massivem Gewalteinsatz durch den Westen. Der Nutzen für den Westen und der Schaden für das Land wird erst später sichtbar werden. Und in Syrien bahnt sich etwas Ähnliches an. Wobei vordringliches Ziel dort der Iran ist und die westliche Einmischung über Saudi-Arabien zu laufen scheint, dessen Dschihadisten die Medien uns vorenthalten. Diese Verschränkung hemmt derzeit etwas den Fortgang des „zivilgesellschaftlichen KSZMNO-Prozess“, dessen Gründungskonferenz eigentlich für 2014 geplant ist.
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SZMNO steht für „Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit im Mittleren und Nahen Osten“. Das Konzept ist inspiriert von der „Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa“ (KSZE). Diese hat im tief gespaltenen Nachkriegs-Europa auf unspektakuläre Weise die historischen Fundamente für die Brücken gelegt, die in den 1980er-Jahren zuerst zur Entschärfung der atomwaffenbewehrten gegenseitigen Vernichtungsdrohung und inzwischen zu einer weltweit beachteten, ja beneideten gemeinsamen Regionalperspektive geführt haben. Früchte, von denen derzeit zwar vor allem die EU profitiert – also ein sehr ambivalenter Zusammenschluss mit Großmachtambitionen und einem erschreckend militaristischen und NATO-bezogenen Verfassungskonzept. Was aber nicht den Blick darauf verstellen sollte, dass sich hier Staaten friedlich zusammentun, die vor noch nicht allzu langer Zeit mörderische Kriege gegeneinander geführt haben – weswegen damals jeder als Narr angesehen worden wäre, der ihren baldigen freiwilligen Zusammenschluss prognostiziert hätte.
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ehr aktiv ist derzeit trotzdem seine Arbeitsgemeinschaft für eine atomwaffenfreie Zone in Nahmittelost. Diese beteiligt sich an der Vorbereitung einer Konferenz zum Thema, die im Oktober 2011 in London stattfinden wird – mit der renommierten SOAS (School of Oriental and African Studies der Universität London) als Gastgeberin. Konzept ist, Akteure aus offizieller Politik und UNO mit Wissenschaftlern und NGOs an einen Tisch zu bringen, aus der Region wie auch aus dem Westen. Für die KSZMNO-Initiative teilnehmen wird u. a. Hillel Schenker, ehemaliger Sprecher von IPPNW-Israel, der gemeinsam mit seinem palästinensischen Kollegen Ziad Abu Zayyad, Herausgeber des „Palestine-Israel Journal“, das 2010 ein Schwerpunktheft „A Nuclear Free Zone in the Middle East“ publiziert hat. Ziel ist u. a., positiv auf die für 2012 geplante UN-Konferenz hierzu einzuwirken (die historisch Erste ihrer Art – ein Erfolg der Atomwaffensperrvertrag-Überprüfungskonferenz von 2010 in New York, die ihrerseits von einem zivilgesellschaftlichen Prozess mit Beteiligung der IPPNW flankiert worden war).
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er „zivilgesellschaftliche KSZMNO-Prozess“ wurde von dem iranisch-deutschen Friedensforscher Prof. Mohssen Massarrat gemeinsam mit IPPNW- und IALANA-Deutschland angestoßen, da eine solche Initiative, anders als damals in Europa, in Nahmittelost bislang nicht von staatlicher Ebene initiiert wurde. Eine erste Fachtagung hierzu fand im Januar 2011 in Bad Boll statt. Wichtiges Ziel ist, die Staaten dazu zu animieren, selbst einen solchen Prozess zu beginnen. Aus den sich hierbei ergebenden vielfältigen Aufgabengebieten wurden zwölf konkrete Themen definiert, von denen sechs bereits von Arbeitsgruppen angegangen wurden, etwa wissenschaftliche Zusammenarbeit und studentische Ausbildung, interkultureller und interreligiöser Dialog, Schaffung von elektronischen Kommunikationsstrukturen sowie eine atomwaffenfreie Zone Nahmittelost.
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Weiter Informationen: www.ippnw-europe.org/en/prevention-of-war/cscme-cisp Palestine-Israel Journal, Schwerpunktheft „A Nuclear Free Zone in the Middle East“ (2010), http://pij.org/current.php?id=73
Christoph Krämer ist Chirurg im Krankenhaus, stellvertretender Vorsitzender der IPPNW Deutschland und aktiv im AK Süd-Nord.
er inzwischen ausgebrochene „Arabische Frühling“ absorbiert dabei derzeit viele Kräfte. Diese mächtige, grenzüber-
Kontakt: kraemer.ak-sn@ippnw.de 29
Foto: marvelous blue/flickr
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atomwaffenfrei.jetzt
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Die neue Kampagne zur weltweiten Ächtung aller Atomwaffen steckt in den Startlöchern trin vollzogen haben. Das bietet uns die Chance, einige Fragen auf die politische Tagesordnung zu setzen: Wieso werden diese Atomwaffen modernisiert, wenn die Diskussion noch nicht beendet ist, ob sie überhaupt noch notwendig oder gewollt sind? Wer hat entschieden, die modernisierten Bomben in Deutschland zu stationieren, wenn die Bundesregierung und der Bundestag einen Abzug beschlossen haben? Wen sollen sie abschrecken? Wieviel kostet ein Upgrade des Trägerflugzeuges?
er Abzug der US-Atomwaffen aus Deutschland ist zwar beschlossene Sache, scheint jedoch schwieriger umzusetzen zu sein als ursprünglich gedacht. Jetzt stellt sich heraus, dass die geschätzten 20 B61-Atombomben in Büchel zwar abgezogen werden, aber nur um in den USA modernisiert zu werden. Die neuen Atombomben sollen präziser werden und beim Einsatz weniger Kollateralschaden verursachen. Sie werden nicht nur als politisches, sondern auch militärisches Instrument tatsächlich einsetzbar sein, nicht mehr nur ein Relikt des Kalten Krieges, sondern eine glaubwürdige Abschreckung darstellen. Und nach wie vor stellt sich die Frage: Wen wollen wir eigentlich abschrecken?
Mach mal einen Punkt! Mit der neuen Kampagne wollen wir Deutschland nicht nur atomwaffenfrei machen, sondern den Weg zur atomwaffenfreien Welt bereiten. Ein Abzug der US-Atomwaffen und die Beendigung der nuklearen Teilhabe in der NATO wären nur erste Schritte. Unser Ziel ist nach wie vor die vollständige Ächtung aller Atomwaffen weltweit durch einen juristisch verbindlichen Vertrag oder eine „Nuklearwaffenkonvention“. Darauf wollen wir nicht mehr warten, sondern jetzt einen Punkt machen. Daher trägt die Kampagne den Titel: „atomwaffenfrei.jetzt“.
Ist das Wort „Abzug“ so schwer zu verstehen? Die NATO konnte sich in Lissabon im November 2010 nicht entscheiden, was mit den Atomwaffen geschehen soll, die ihr unter der „nuklearen Teilhabe“ zur Verfügung stehen. Dass Deutschland die NATO-Atomwaffen in Frage gestellt hat, führte zu großer Aufregung. In der NATO gelten die Atomwaffen als Kitt für die Allianz, da alle Mitgliedsstaaten Lasten und Risiken gemeinsam tragen. Daher fürchten viele Mitgliedstaaten, dass der Zusammenhalt des Bündnisses durch die Abschaffung der Atomwaffen gefährdet werden könnte. Die baltischen Staaten wären eventuell bereit, auf die taktischen Atomwaffen in Europa zu verzichten, wenn die NATO an der Ostflanke deutlich mehr Präsenz in Form von Truppen und Stützpunkten zeigen würde. Das wäre ein konkretes Zeichen im Sinne des Artikel 5 gegenüber Russland und würde die Bereitschaft zeigen, die baltischen Staaten im Falle eines Angriffs zu verteidigen. Doch das will keiner in der NATO, denn damit würde Russland provoziert. Und Frankreich – das immer wieder beteuert, keine eigenen Interessen in diesem Streit zu haben – lehnte einen Abzug der US-Atomwaffen dezidiert ab. Anscheinend war die Angst, damit könnte auch die „Force de Frappe“ in Frage gestellt werden, zu groß.
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ir arbeiten zusammen mit der internationalen Kampagne ICAN (International Campaign to Abolish Nuclear Weapons). Mit vereinten Kräften wollen wir alle politischen Parteien von der Idee einer Konvention überzeugen. „Global Zero“ darf nicht die Vision des US-amerikanischen Präsidenten bleiben. Abrüstungsschritte müssen jetzt beginnen. Ein verabredeter Fahrplan der Abrüstung würde es ermöglichen, die Bereitschaft vieler Länder für mehr Mitarbeit an Sicherheitsmaßnahmen zu erhöhen, um die Verbreitung von Atomwaffen zu stoppen. Wer an der neuen Kampagne mit einem erfahrenen Netzwerk von Organisationen intensiv mitarbeiten möchte, ist herzlich eingeladen, an der nächsten Kampagnenplanung teilzunehmen, die in Kassel am 12.10.2011 stattfindet. Dort wird das Datum für den Kampagnenstart festgelegt und die ersten Aktionen ausgearbeitet. Weitere Infos über den Stand der Kampagne und wie man selbst aktiv werden kann, demnächst unter www.atomwaffenfrei.de
B
ei einer Reihe von Treffen des Kampagnenrats der im November 2010 beendeten Kampagne „unsere zukunft – atomwaffenfrei“ wurde an einer neuen Idee gefeilt – mit Erfolg. Jetzt steht das erste Gerüst für eine neue Kampagne, die dort anfängt, wo die letzte aufgehört hatte. In der ersten Phase der neuen Kampagne wird es darum gehen, den von Deutschland beschlossenen Abzug aus Büchel durchzusetzen. Die NATO soll bis Mai 2012 eine „Überprüfung“ der Abschreckungsdok-
Xanthe Hall ist Referentin für Atomwaffen und Internationales der IPPNW Deutschland. 30
aktion
Berlin: GEdenken an der Friedensglocke Im Volkspark Friedrichshain
Gedenken der Opfer 66. Jahrestag der Atombombenabwürfe über Japan Anlässlich des 66. Jahrestages der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki fanden am 6. August 2011 bundesweit Gedenkfeiern statt. In Berlin hatte die Friedensglockengesellschaft zusammen mit der IPPNW zu einer Gedenkveranstaltung in den Volkspark Friedrichshain geladen. Prof. Hideto Sotobayashi, Hiroshima-Überlebender, eröffnete die Veranstaltung durch das Läuten der Glocke. In Bremen hatte das Bremer Friedensforum gemeinsam mit der IPPNW und anderen Organisationen zur traditionellen Mahnwache auf dem Marktplatz aufgerufen. Viele waren dem Aufruf gefolgt und legten mit den mitgebrachten Blumen das Friedenszeichen aus. Auch in Herford wurde am Alten Markt eine Mahnwache abgehalten, zu der das Anti-Atom-Bündnis Herford eingeladen hatte. Sprecher war unter anderem Martin Sonnabend, Vorstandsmitglied der IPPNW.
Herford
BREMEN: EIN Friedenszeichen aus Blumen erinnert an die Ofer der Atombombenabwürfe 31
©ralf bittner / www.f2-fotografie.de
g elesen
g eSehen
Der Iran-Konflikt und die Obama-Regierung
Den menschlichen Geist transformieren
Der Untertitel „Alter Wein in neuen Schläuchen?“ wird der 2010 beim Universitätsverlag Potsdam publizierten und 2011 neu aufgelegten Arbeit nicht gerecht – sie ist zu inhaltsreich, differenziert, informativ, als dass sie sich auf diese Frage reduzieren ließe.
Die Wanderausstellung „Von einer Kultur der Gewalt zu einer Kultur des Friedens: Anders denken, anders leben“ („From a Culture of Violence to a Culture of Peace: Transforming the Human Spirit“) ist ab 7. Oktober 2011 in Berlin zu sehen.
nteressant ist sie zudem auch analytisch, v. a. wegen ihrer konstruktiven Ausrichtung: Fathollah-Nejad verharrt nicht bei einer Beleuchtung der bestehenden Politik, sondern zeigt mögliche Ansätze und konkrete Schritte auf, die einen Weg aus der jahrelangen Sackgasse der westlichen Iran-Politik weisen könnten – eine Kurskorrektur, die nicht nur notwendig, sondern auch machbar wäre!
ie wurde von der buddhistischen Religionsgemeinschaft „Soka Gakkai International“ im Jahr 2007 anlässlich des 50. Jahrestags der Anti-Atomwaffen-Deklaration hergestellt. Die SGI setzt sich für Frieden, Kultur und Erziehung durch persönliche Veränderung und gesellschaftliches Engagement ein. Sie ist als Nichtregierungsorganisation den Vereinten Nationen angegliedert.
Lesenswert ist die Analyse, für die der Autor auf 78 Seiten viel Information kondensiert und über 200 Quellen aus Politik, Wissenschaft und Medien ausgewertet hat, aber noch aus einem weiteren Grund: Sie liefert zugleich einen hoch-informativen Blick hinter die Kulissen der Obama-Regierung und beleuchtet viele der tatsächlichen Akteure aus beiden großen Parteien und ihren Einfluss auf die offizielle Politik. Ein Lehrstück über Triebkräfte und konkrete Mechanismen der US-Außenpolitik ...
Die sehenswerte Ausstellung thematisiert das menschliche Bedürfnis nach Sicherheit als Freiheit von Angst und Mangel und frei von extremer Armut. Sie verweist auf die acht Millenniumsziele der Vereinten Nationen und zitiert die Präambel der UNESCOVerfassung, wonach Krieg in den Köpfen der Menschen beginnt. Die Schau zeigt in 22 Tafeln, dass der Wunsch der Menschheit nach Sicherheit durch Waffengewalt zu einer ständigen Bedrohung durch die Möglichkeit einer globalen Zerstörung durch Massenvernichtungswaffen geführt hat. Eine Tafel beschreibt die zerstörerischen Kräfte einer Atombombe, eine weitere die Folgen eines nuklearen Winters. „Soka Gakkai“ plädiert in der Ausstellung für ein anderes Denken – für Verbundenheit und Dialog, Bildung und Mut, Engagement und Hoffnung. Die Menschheit müsse von einer Kultur der Gewalt zu einer Kultur des Friedens finden. Die Ausstellung zeigt dementsprechend Menschen, die sich für Frieden eingesetzt haben, und nennt Regierungen, die sich um Frieden bemüht haben. Die Schau endet mit der Beschreibung des „World Court Projects“, der Aufzählung der atomwaffenfreien Zonen und der Deklaration zur Abschaffung der Atomwaffen.
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Zum Autor: Ali Fathollah-Nejad ist ein junger Politik- und Gesellschaftswissenschaftler aus dem Iran, der in Deutschland, Frankreich und Holland studierte, 2010 als Gastdozent an der University of Westminster Globalisierung und Entwicklung mit Schwerpunkt Nahmittelost gelehrt hat und derzeit an der renommierten London School of Oriental and African Studies (SOAS) promoviert. Als friedenspolitisch orientierter Wissenschaftler profitiert er von seinen guten Irankontakten und einer intimen Kenntnis beider Welten. U. a. unterstützt er explizit das von IPPNW-Deutschland mitinitiierte zivilgesellschaftliche KSZMNOProjekt (Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit im Mittleren und Nahen Osten). Das Inhaltsverzeichnis zur o. g. Analyse und eine Bestellmöglichkeit finden sich auf der insgesamt sehr interessanten Webseite des Autors: http://fathollah-nejad.com – von dem wir künftig sicher noch mehr hören werden!
Die deutsche Version der Ausstellung wird zum ersten Mal vom 7. - 16. Oktober 2011 in der Urania in Berlin gezeigt. Zum Rahmenprogramm der Ausstellung gehört ein Vortrag von Prof. Dr. Horst-Eberhard Richter am 14. Oktober 2011, um 19.30 Uhr, zum Thema „Atomgefahr und Menschlichkeit“.
Christoph Krämer
Angelika Wilmen
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g edruckt
Termine Oktober
Gestatten, IPPNW ...
4.-8.10. Aktionstage gegen den Krieg in Afghanistan, bundesweit
IPPNW – ein kompliziertes Wort für ein einfaches Anliegen. Pünktlich zum 30-jährigen Bestehen der IPPNW haben wir deshalb eine neue Selbstdarstellungsbroschüre herausgebracht, die kurz und verständlich beschreibt, was sich hinter diesem Namen verbirgt: Wer sind wir, was wollen wir und wie arbeiten wir? Wie wird man Mitglied und kann selbst aktiv werden?
8.10. IPPNW-Regio-Kontakt-Nord, Thema: „Bestandsaufnahmen und Ziele der Sozial- und Friedensbewegung“, Hamburg 8.10. IPPNW-Regio-Kontakt-West, Vorträge zu Uranbergbau (Dr. Winfrid Eisenberg) und Radioaktivität im menschlichen Körper (Reinhold Thiel, Vorstandsmitglied IPPNW) mit anschließender Diskussion, Köln
Die Broschüre kann kostenlos in unserem Online-Shop unter shop.ippnw.de/produkte/ippnwpublikationen/wir-ueber-uns.html oder in unserer Geschäftsstelle bestellt werden.
7.-16.10. Ausstellung „Von einer Kultur der Gewalt zu einer Kultur des Friedens“, Berlin 14.10. „Atomgefahr und Menschlichkeit“, Vortrag von Prof. Dr. Dr. Horst-Eberhard Richter, Psychiater und Sozialphilosoph, Berlin
Lernen Sie uns kennen – machen Sie uns bekannt.
14.-15.10. Internationaler IPPNWKongress „Medizin & Gewissen“, Kollegienhaus, Universität Erlangen-Nürnberg, Erlangen
g eplant Das nächste Heft erscheint Mitte Dezember 2011. Im Schwerpunkt geht es dann um
November
Medizin und Menschenrechte U. a. berichten wir über den Kongress „Medizin und Gewissen“, über Mediziner, die ihren Beruf politisch begreifen und sich für Frieden einsetzen sowie über die unmenschliche Abschiebungspraxis in Deutschland. Das Forum lebt von Ihren Ideen und Beiträgen. Schreiben Sie uns: wilmen@ippnw.de
Impressum und Bildnachweis Herausgeber: Internationale Ärzte für die Verhü-
Redaktionsschluss
tung des Atomkrieges, Ärzte in sozialer Verantwor-
1. November 2011
tung e.V. (IPPNW) Sektion Deutschland
Gestaltungskonzept: www.buerobock.de, Layout:
Redaktion: Sabine Farrouh (V.i.S.d.P.), Angelika
Samantha Staudte; Druck: H&P Druck Berlin;
Wilmen, Samantha Staudte
Papier: PlanoArt, Recycling FSC. Bildnachweise:
Freie Mitarbeit: Anna Fuchs, Xanthe Hall, Pia
Umschlagseite: Al Jazeera Englisch/Fadi Benni/
Heuer, Dr. Jens-Peter Steffen,
flickr, S.3 links: Daniel Ehniss/flickr, S.6 links:
Anschrift der Redaktion: IPPNWforum, Körtestra-
Menschenrechtsstiftung der Türkei (TIHV), S.6
ße 10, 10967 Berlin, Telefon: 030 / 69 80 74 0,
rechts: Gerolf Nikolay/GMF-Productions/flickr, S.7
Fax 030 / 693 81 66
links: Kate Thomas/IRIN, S.7 Mitte: Shi Heng Che-
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an Philipps; S.13: Techniker Krankenkasse; nicht
22 22 210, BLZ 100 205 00
gekennzeichnete: privat oder IPPNW
für
Das Forum erscheint 4-mal im Jahr. Der Bezugspreis für Mitglieder ist im Mitgliedsbeitrag
das
nächste
8.11. „Gesundheitsprobleme im Umkreis von Kernkraftwerken“, Vortrag und Diskussion mit Dr. Winfrid Eisenberg, Nordhorn 24.11. „25 Jahre nach Tschernobyl – erste Erfahrungen mit Fukushima“, Vortrag von Prof. Dr. Edmund Lengfelder, Leiter des Otto Hug Strahleninstituts in München, Nürtingen
Heft:
Dezember 3.12.-5.12. Proteste Gegen Petersberg II in Bonn 3.12. Bundesweite Demonstrationen 4.12. Internationale Antikriegskonferenz, Gewerkschaftshaus Bonn 5.12. Protestaktionen am Petersberg und am Konferenzzentrum, Protestkundgebung in der Nähe des Konferenzzentrums Informationen und Kontaktdaten: www.ippnw.de/aktiv-werden/termine
enthalten. Sämtliche namentlich gezeichneten Artikel entsprechen nicht unbedingt der Meinung
Kongress Medizin und Gewissen: www.medizinundgewissen.de
der Redaktion oder des Herausgebers. Nachdrucke bedürfen der schriftlichen Genehmigung.
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g efragt
6 Fragen an ...
Jean Ziegler
Foto: Rudi Handl
Langjähriger UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung und Vize-Präsident des UN-Menschenrechtsrats
1
Herr Ziegler, Sie wurden diesen Sommer als Eröffnungsredner der Salzburger Festspiele ausgeladen. Offenbar vertreten Sie unbequeme Wahrheiten. Alle fünf Sekunden verhungert ein Kind unter zehn Jahren. 37.000 Menschen verhungern jeden Tag, und fast eine Milliarde sind permanent schwerwiegend unterernährt. Und derselbe UN-Welternährungsbericht, der diese Opferzahlen alljährlich bekannt gibt, behauptet, dass die Weltlandwirtschaft in der heutigen Phase ihrer Entwicklung problemlos eine doppelt so große Weltbevölkerung ernähren könnte. Schlussfolgerung: Es gibt keinen objektiven Mangel – also keine Verantwortung für das tägliche Massaker des Hungers, das in eisiger Normalität vor sich geht. Ein Kind, das am Hunger stirbt, wird ermordet.
hinzu. Platz im Lager gibt es schon lange nicht mehr. Das Tor im Stacheldrahtzaun ist geschlossen. Vor dem Tor selektieren die UNO-Beamten: nur noch ganz wenige – die eine Lebenschance haben – kommen herein. Es fehlt das Geld für die intravenöse therapeutische Sondernahrung – die ein Kleinkind, wenn es nicht zu sehr geschwächt ist, in zwölf Tagen das Leben retten kann.
4
Statt der vom Welternährungsprogramm verlangten 180 Millionen Euro kamen nur 62 Millionen herein. Warum fehlt das Geld für internationale Hilfe? Weil die reichen Geberländer – insbesondere die EU-Staaten, die USA, Kanada und Australien – viele Tausend Milliarden Euros und Dollars ihren einheimischen Bankhalunken bezahlen mussten. Für die humanitäre Soforthilfe und die reguläre Entwicklungshilfe blieb und bleibt praktisch kein Geld. Wegen des Zusammenbruchs der Finanzmärkte sind die Hedge-Fonds und andere Groß-Spekulanten auf die Agrarrohstoffbörsen umgestiegen.
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Wie sieht der Todeskampf der Kinder aus? Gestorben wird überall gleich. Ob in den somalischen Flüchtlingslagern, den Elendsvierteln von Karachi oder in den Slums von Dacca, der Todeskampf folgt immer denselben Etappen. Bei unternährten Kindern setzt der Zerfall nach wenigen Tagen ein. Der Körper braucht erst die Zucker-, dann die Fettreserven auf. Die Kinder werden lethargisch, dann immer dünner. Das Immunsystem bricht zusammen. Durchfälle beschleunigen die Auszehrung. Mundparasiten und Infektionen der Atemwege verursachen schreckliche Schmerzen. Dann beginnt der Raubbau an den Muskeln. Die Kinder können sich nicht mehr auf den Beinen halten. Ihre Arme baumeln kraftlos am Körper. Ihre Gesichter gleichen Greisen. Dann folgt der Tod.
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Was bedeutet das für die Nahrungsmittelpreise? Mit Termingeschäften treiben Spekulanten die Grundnahrungsmittelpreise in astronomische Höhen. Die Tonne Getreide kostet heute auf dem Weltmarkt 270 Euro. Ein Jahr zuvor betrug der Preis genau die Hälfte. Reis ist um 110% gestiegen. Mais um 63%. Weder Äthiopien noch Somalia, Dschibuti oder Kenia konnten Nahrungsmittelvorräte anlegen – obschon die Katastrophe seit fünf Jahren voraussehbar war.
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Was gibt Ihnen angesichts dieser Tragödie noch Hoffnung? Die Hoffnung liegt im Kampf der Völker der südlichen Hemisphäre, von Ägypten und Syrien bis Bolivien und im geduldigen, mühsamen Aufbau der Radikal-Opposition in den westlichen Herrschaftsländern. Kurz: in der aktiven, unermüdlichen, solidarischen, demokratischen Organisation der revolutionären Gegengewalt. Es gibt ein Leben vor dem Tod. Der Tag wird kommen, wo Menschen in Frieden, Gerechtigkeit, Vernunft und Freiheit, befreit von der Angst vor materieller Not, zusammenleben werden.
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Wie gestaltet sich die Lage in Ostafrika? In den Savannen, Wüsten, Bergen von Äthiopien, Djibouti, Somalia und Nordkenia sind 12 Millionen Menschen auf der Flucht. Seit fünf Jahren gibt es keine ausreichende Ernte mehr. Der Boden ist hart wie Beton. Neben den trockenen Wasserlöchern liegen die verdursteten Zebu-Rinder, Ziegen, Esel und Kamele. Wer von den Frauen, Kindern, Männern noch Kraft hat, macht sich auf den Weg, in eines der vom UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge eingerichteten Lager. Zum Beispiel nach Dadaad, auf kenianischem Boden. Dort drängen sich über 400.000 Hungerflüchtlinge. Seit Juni kommen täglich rund 1.500 Neuankömmlinge
Dieses Interview basiert auf der ungehaltenen Rede von Jean Ziegler bei den Salzburger Festspielen. Mit freundlicher Genehmigung des Autors. 34
anzeigen
17. September 2011, 10 Uhr
Rezepte fürs Überleben – 30 Jahre IPPNW Berlin, Herbert-von Karajan-Str. 1, Hermann-Wolff-Saal der Philharmonie
IV. Internationaler IPPNW-Kongress
Medizin & Gewissen + Gesundheitswesen +
Menschenrechte
+
Medizingeschichte
Freitag
Eröffnungsveranstaltung Kollegienhaus, Universitätsstraße 15, Universität Erlangen-Nürnberg
19.30 – 21.30
65 Jahre nach dem Nürnberger Ärzteprozess Medizin und Gewissen – 1996 bis 2011
Erlangen ber 2011 14. – 15. Okto
Stephan Kolb, IPPNW-Regionalgruppe Nürnberg – Fürth – Erlangen und Dr. Caroline Wolf, IPPNW-Arbeitskreis Medizin und Gewissen, Konstanz
Opfer nationalsozialistischer Menschenversuche und erzwungener Forschung – Zur Identifikation, Analyse und Rekonstruierung der Lebensgeschichten Prof. Dr. Paul Weindling, Oxford Brookes University
Künstlerisches Rahmenprogramm und Empfang Samstag
FORUM 1: Medizin & Nationalsozialismus
FORUM 2: Perspektive Gesundheitswesen
FORUM 3: Medizin & Menschenrechte (englisch/deutsch)
09.00 – 10.30
Kollegienhaus, Universitätsstraße 15
Kollegienhaus, Universitätsstraße 15
Kollegienhaus, Universitätsstraße 15
Historische Verantwortung und Erinnerungskultur I NS-Medizin – Forschungsstand und Fragestellungen
Prof. Dr. Volker Roelcke, Institut für Geschichte der Medizin, Universität Gießen
Moderation der Diskussion:
Prof. Dr. Karl-Heinz Leven, Erlangen
Zur Einflussnahme der pharmazeutischen Industrie marketing-based medicine? Was geschehen muss, damit medizinisches Handeln auf nützliche und vertrauenswürdige Forschungsergebnisse bauen kann
Prof. Dr. David Klemperer, Hochschule Regensburg
Moderation der Diskussion:
Verantwortung der Gesundheitsberufe bei Krieg und Gewalt Wie medizinische Daten internationale Friedenskampagnen befördern
Dr. Robin Coupland, Internationales Kommitee des Roten Kreuzes, Genf
Zur Rolle von ÄrztInnen und anderen Gesundheitsberufen im Israel-Palästina-Konflikt
Dr. Horst Seithe, Nürnberg
Dr. Izzeldin Abuelaish, Dalla Lana School of Public Health, University of Toronto
Moderation der Diskussion: Dr. Klaus Melf, Tromsø
10.30 – 11.00 Kaffeepause / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / 11.00 – 13.00
Historische Verantwortung und Erinne-rungskultur II NS-Medizin – Erinnerung und Verantwortung
Konkrete Mechanismen der Einflussnahme Wem keine neuen Produkte einfallen, der kauft den ganzen Laden – Einflussnahme der Industrie auf Versorgungssysteme
Prof. Dr. Wolfgang U. Eckart, Institut für Geschichte der Medizin, Universität Heidelberg Moderation: Prof. Dr. Andreas Frewer, Erlangen
Dr. Wolfgang Wodarg, Transparency International, Berlin
Podiumsdiskussion
Moderation der Diskussion:
unter der Leitung von Prof. Renate WitternSterzel, Erlangen
Werbung für rezeptpflichtige Arzneimittel – DTC-Marketing in Europa
Hedwig Diekwisch, BUKO Pharma-Kampagne, Bielefeld Dr. Joachim Both, Berlin
Traumatisierung – Diagnostik, Therapie, Begleitung, Strafverfolgung Entstehung und praktische Bedeutung des IstanbulProtokolls zur Erkennung und Dokumentation von Folterfolgen
Prof. Dr. Sebnem Korur Fincanci, Türkische Menschenrechtsstiftung Istanbul
Sexualisierte Gewalt – die systematische Traumatisierung von Frauen und Mädchen im Krieg Dr. Monika Hauser, medica mondiale, Köln
Moderation der Diskussion:
NS-Medizin – Herausforderungen und Perspektiven
Dr. Gisela Penteker, Otterndorf
Prof. Wolfgang U. Eckart, Prof. Volker Roelcke, Dr. Rebecca Schwoch, Prof. Paul Weindling
13.00 – 14.30 Mittagspause für alle drei Foren / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / 14.30 – 16.00
Workshop „von Platen“
Workshop
Workshop
Workshop „Studium“
Workshop „medical peace work“
Workshop „medico international“
„Euthanasie“: Neuere Forschung, Opferorientierung und Gedenkkultur
Neue Unfähigkeit zu erinnern? Zur Auseinandersetzung mit dem Erbe der NS-Medizin
PharmareferentInnen – ein erfolgreiches Werbeinstrument der Industrie
Advert Retard – Wahlpflichtkurs zur Beeinflussung durch die Pharmaindustrie
Wie kommt „medical peace work“ ins Medizinstudium?
Kairo 2011 – Gesundheitsarbeit in Zeiten gesellschaftlicher Umbrüche
Dr. Petra Fuchs, Berlin, Philipp Rauh, M.A., Erlangen
„Mitscherlich/Mielke“ „Arztpraxis“
Dr. Tobias Freimüller, Jena, Dr. Rebecca Schwoch, Hamburg, Dr. Florian Bruns, Erlangen
Thomas Lindner, Mezis – Initiative unbestechlicher Ärztinnen und Ärzte, Hennigsdorf
Dr. Peter Tinnemann, Dr. Matthias Hoheisel, Charité Universitätsmedizin Berlin
Internationale Beispiele, Erfahrungsaustausch und Ideenbörse für Studierende und Lehrende Marion Birch, medact, London
Dr. Andreas Wulf, medico international, Frankfurt
16.00 – 16.30 Kaffeepause / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / 16.30 – 17.30
Abschlussplenum Ergebnisse und Zusammenfassung – Preisverleihung „medical peace work“ – Perspektiven für den Kongress Medizin und Gewissen
www.medizinundgewissen.de Deutsche Sektion der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkriegs/Ärzte in sozialer Verantwortung e.V.