DIE GESUNDHEITLICHEN FOLGEN VON ABSCHIEBUNGEN
10. Rückkehr nach einer Abschiebung nach Ungarn
Die 35 Jahre alte Englischlehrerin stammt aus Afghanistan und kann mittlerweile so gut Deutsch, dass sie ihre Geschichte auf Deutsch erzählt.
henden Frau kann nichts passieren. Ich hätte selbst niemals gedacht, dass so etwas passieren kann. Sie hatten mir erklärt, ich hätte 20 Minuten Zeit zum Packen meiner Sachen, und ich dürfte nur einen Koffer mitnehmen. Ich hatte aber zwei Koffer.
Wir waren mit viel Hoffnung gekommen aus Afghanistan. Die Flucht war schwer. Wir mussten durch viele Länder. Aber wir hatten Hoffnung, dass etwas Gutes kommt. Nach acht Monaten waren wir in Berlin. Mein Bruder, seine Frau und seine Kinder kamen in eine andere Unterkunft als ich.
Das Polizeiauto war wie ein Gefängnisauto mit einer Art Zelle. Es gab darin nur einen Stuhl, auf den ich kam. Meine Sachen hatte ich alle abgeben müssen, auch mein Handy. Ich hatte gar nichts. Ich durfte niemanden verständigen, nicht meinen Bruder, nicht die Anwältin. Ich hatte meine Zimmergenossin noch bitten können, dass sie meinen Bruder verständigt.
Über die Sozialarbeiterin im Lager hatte ich eine Anwältin. Ich habe ihr viel Geld bezahlt, mehrere Hundert Euro. Die Anwältin machte mir viel Hoffnung. Sie sagte, als alleinstehende Frau könne mir nichts passieren.
Ich konnte auf dieser Fahrt nichts sehen, wusste nicht, wo wir waren. Es war nicht normal – es war, als wäre ich eine Kriminelle. Ich habe viel geweint und die Polizisten angefleht, sie mögen mich mit meinem Bruder telefonieren lassen oder mit meiner Anwältin. Aber ich durfte nicht.
Aber schon nach einem Monat bekam ich eine Abschiebeandrohung nach Ungarn. Die Anwältin sagte immer noch, ich bräuchte mir keine Sorgen machen. Nach einem weiteren Monat bekam ich erneut diese Androhung. Die Anwältin sagte, ich solle weg gehen aus der Unterkunft. Aber ich kannte ja niemanden, wo ich hätte hingehen können. Am 15. Februar 2017 früh um 4.00 Uhr kamen sechs Polizisten und Polizistinnen (vier Männer und zwei Frauen). Sie legten mir Handschellen an. Ich habe geweint und gebettelt, sie mögen mich hierbleiben lassen. Sie sagten, nein, der Staat habe entschieden, dass ich nach Budapest müsse. Ich hatte damals noch keine psychischen Probleme gehabt. Denn ich hatte Hoffnung. Man hatte mir gesagt, einer alleinste-
Ich weiß nicht, an welchen Flughafen ich gebracht wurde. Ich kam dort in einen geschlossenen Raum. Ich hatte weiterhin keine Sachen, kein Handy, nichts zu essen oder zu trinken, ich wusste nicht, wie viel Uhr es war. Auch mein Geld hatte man mir weggenommen. Ich hatte eine Box mit Münzen gehabt. Die bekam ich nie wieder. In Budapest im Flughafen kam ich wieder in einen verschlossenen Raum, zusammen mit vier Männern aus verschiedenen Ländern – einer war aus dem Iran, einer aus Pakistan, einer war arabischsprachig, einer hatte schwarze Hautfarbe und war aus einem afrikanischen Land. Der Raum hatte eine Glaswand, aber wir konnten nicht hindurchsehen.
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