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information der ippnw internationale ärzte für die verhütung des atomkrieges – ärzte in sozialer verantwortung
Mit Beiträgen von Christa Blum, Mehmet Bayval, Mehmet Desde, Sigrid Ebritsch, Margit Iffert-Roeingh, Dr. Nesmil Kassemlou, Rainer Kohlhaas, Dr. Gisela Penteker, Dr. Friederike Speitling und Friedrich Vetter
„Eine Katastrophe bewirkt oft mehr als tausend gute Ratschläge“: Kobane als Symbol des kurdischen Kampfes IPPNW-Delegationsreise Türkei vom 15. bis 28. März 2015
NEWROZ IN DIYARBAKIR
INHALT
Einleitung Bedrohliche Entwicklungen in der Türkei............................................................................... 4 ................................................................................................................. 6 Editorial Basyazi , GesprächspartnerInnen....................................................................................................... 9 Glossar............................................................................................................................. 9 Chronologischer Bericht, Gesprächsnotizen Van...................................................................................................................................................................... 10 Hakkâri................................................................................................................................................................ 11 Diyarbakir I.......................................................................................................................................................... 12 Suruç................................................................................................................................................................... 14 Viranşehir............................................................................................................................................................ 15 Nusaybin.............................................................................................................................................................. 15 Mardin................................................................................................................................................................. 15 Diyarbakir II......................................................................................................................................................... 16
Vertiefende Themen und Berichte Notizen zu den Gesprächen zwischen der kurdischen Befreiungsbewegung und der AKP-Regierung....................................................................... 20 Feudalstrukturen am Beispiel des Bucak-Clans von Siverek.................................................... 22 Menschenrechtsverletzungen im Osten und Südosten der Türkei............................................. 23 Jesiden auf der Flucht...................................................................................................... 24 Verloren und hoffnungslos: Eindrücke aus einem jesidischen Flüchtlingslager........................... 25 Kobane und die kurdische Solidarität.................................................................................. 26 100 Jahre Leugnung des Völkermordes durch den türkischen Staat......................................... 27 Touristische Aufbruchsstimmung: Kurdistan besinnt sich auf seine Tradition der Vielfalt............. 30 Harran............................................................................................................................ 31 Preis der Ärztekammer Diyarbakir für Dr. Gisela Penteker....................................................... 32 Was können wir für die Kurden bewirken?............................................................................ 33 Der veränderte Blick Deutschlands auf die Kurden................................................................ 34
Anhang Spendenaufruf: Sarmasik-Efeu – Rojava-Verein Suruç............................................................ 36 Presse, Impressum & Heftbestellung.................................................................................. 40
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Foto: Metronauten / creativecommons.org / CC BY-SA 2.0
DELEGATIONSREISE TÜRKEI-KURDISTAN
22. JULI 2015 IN ISTANBUL: TRAUERZUG FÜR DIE OPFER DES ANSCHLAGS VON SURUÇ
Bedrohliche Entwicklungen in der Türkei Gisela Penteker
Seit unserer Reise im März diesen Jahres hat sich die Situation in der Türkei erschreckend und bedrohlich entwickelt.
Kämpfer. Viele Menschen in der ganzen Türkei protestieren gegen die Eskalation der Gewalt. Die Polizei geht mit brutaler Härte gegen die Demonstranten vor. Im ganzen Land gibt es Razzien und Verhaftungen. Die gewählten Politikerinnen und Politiker der HDP werden bedroht und angeklagt. Abdullah Öcalan, der eine wichtige Stimme für den Frieden im Land ist, wird seit Monaten auf der Gefängnisinsel isoliert.
Mit der Wahl am 7. Juni ist die HDP, die prokurdische Partei, mit 13,1% erstmals ins Parlament gewählt worden. Die regierende AKP von Staatspräsident Erdoğan hat ihre absolute Mehrheit damit verloren. Bisher ist dem Ministerpräsidenten Ahmet Davutoğlu keine Regierungsbildung gelungen. Wenn das bis zum 28. August nicht gelingt, muss es im November Neuwahlen geben. Viele Kommentatoren glauben, dass das Attentat von Suruç, bei dem 32 junge Menschen getötet wurden, die beim Wiederaufbau von Kobane helfen wollten, der Startschuss für die Eskalation der Gewalt von türkischem Militär und PKK war. Die offizielle Lesart ist, dass ein Selbstmordattentäter des IS dieses Attentat begangen hat. Prässident Erdoğan hat daraufhin offiziell dem IS den Kampf angesagt und Ziele in Nordsyirien bombardieren lassen. Er hat den Amerikanern die Benutzung des Natostützpunkts Incirlik für ihre Luft angriffe auf die Stellungen des IS erlaubt.
Wir haben auf unseren Reisen immer wieder erlebt, wie sehr sich die Menschen besonders im Südosten nach Frieden sehnen. Die Hoffnung ist, dass sich die Menschen gegen die Kriegstreiber durchsetzen, dass sie sich nicht wieder in einen Bürgerkrieg hineinziehen lassen. Selahattin Demirtaş, einer der Vorsitzenden der HDP, hat es in seiner ersten Rede im Beisein der Presse in der Fraktionssitzung am 28. Juli 2015 so formuliert: „Liebe Freundinnen und Freunde, es steht uns eine schwere Zeit bevor. Wir sind Menschen mit Aufgaben, Menschen mit Mission. Seid euch sicher, wenn auf Grundlage dessen, woran wir glauben, wenn wir uns auf der Grundlagen unserer Wertmaßstäbe fest zusammenschließen, von der Straße, aus den Stadtvierteln, aus der Fabrik bis hinein ins Parlament aufeinander vertrauend den Kampf um den Frieden fortsetzen, gelingt es uns auch, all ihre schmutzigen politischen Machenschaften zu stoppen.“ Die Menschen in der Türkei brauchen dabei jede Unterstützung.
Gleichzeitig aber hat er mit deutlich mehr Flugzeugen und Bomben die Stellungen der PKK in den Kandilbergen angegriffen, auch einige Stellungen der kurdischen Selbstverteidigungskräfte YPG in Syrien. Er hat den Lösungs- bzw. Friedensprozess mit den Kurden beendet, die PKK hat den Kampf wieder aufgenommen. Täglich sterben wieder türkische Soldaten und Polizisten und kurdische PKK-Kämpferinnen und
Die IPPNW hat dazu eine Stellungnahme herausgegeben, die wir auf der folgenden Seite dokumentieren: 4
BERICHT 2015
Die Rückkehr zum Friedensprozess ist dringend erforderlich IPPNW-Pressemitteilung vom 5. August 2015 sammengefunden. „Aber am eindrucksvollsten“, so Claußen, „sind die Protestmärsche von Friedensfrauen in 13 Städten, die die Aussage von Bülent Arinc gegenüber einer kurdischen Abgeordneten im Parlament ummünzen. Statt: „Halten Sie als Frau Ihren Mund!“ sagen die Friedensfrauen: „Wir Frauen schweigen nicht. Die Waffen sollen schweigen, der Frieden soll sprechen!“
Die Friedensorganisation „Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges“ solidarisiert sich mit allen Menschen und Initiativen in der Türkei, die den Friedensprozess in der Region wiederbeleben wollen. Sie fordert: •
Sowohl die Waffen der PKK als auch des türkischen Militärs müssen schweigen, Anschläge und Polizeirazzien enden.
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die sofortige Aufhebung der Kontaktsperre von Abdullah Öcalan.
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Vermittler wie die HDP, die den Friedensprozess zwischen Regierung samt Geheimdienst einerseits und Öcalan und der PKK andererseits zuvor ermöglicht haben, müssen diese Funktion wieder erhalten und dürfen nicht kriminalisiert werden.
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Die deutsche Regierung muss sich für eine Streichung der PKK von der internationalen Terrorliste einsetzen und ihr Verbot in Deutschland aufheben, um die nicht-militanten Kräfte in der PKK zu stärken und die berechtigten Anliegen anzuerkennen.
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Sowohl der HDP-Vorsitzende Selahattin Demirtaş als auch hochrangige sozialdemokratische Politiker müssen nach Europa eingeladen werden, um über die Situation in der Türkei und die bisherige Kollaboration zwischen Regierung und Islamischem Staat zu informieren und um Lösungswege aufzuzeigen.
Die unterschiedlichen Bewegungen in der Türkei verbinden ihre Forderungen nach einem Stopp des Blutvergießens durch beide Konfliktparteien eng mit ihrer Forderung nach mehr Demokratie. „Demokratische Partizipation ist in den Ländern des Nahen Ostens unterentwickelt. Der Friedensprozess in der Türkei bedeutet ein Stück Demokratieaufbau und Kompromissfindung in einer tief gespaltenen Gesellschaft. Ihn für kurzfristige egoistische Interessen mutwillig zu zerstören, wie es Staatspräsident Erdoğan jetzt tut, trägt dazu bei, den Brandherd Nahost weiter zu befeuern“, so Claußen. Die IPPNW lehnt Gewalt als Mittel der Politik entschieden ab. In diesem Sinne sprach und spricht sie sich gegen Waffenexporte in die Großregion Naher und Mittlerer Osten, die Unterstützung von NATOStaaten für die türkischen Militäraktionen wie auch gegen die Stationierung der Patriot-Raketeneinheiten in der Türkei und den deutschen Einsatz von AWACS-Aufklärung aus. Sie erneuert stattdessen ihre Forderung an die Bundesregierung und die Regierungen der EU, sich für diplomatische Initiativen stark zu machen, um die Konflikte in der Region unter Einbindung Russlands politisch zu klären. Der Aufbau einer Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit (KSZMNO) in der Region unter Einschluss aller wesentlichen gesellschaftlichen Gruppen würde eine friedliche Perspektive ermöglichen.
Die Europavorsitzende der IPPNW, Dr. Angelika Claußen, sieht bei Erfüllung dieser Forderungen gute Chancen, zum Friedensprozess zurückzukehren. „Für eine Wiederbelebung des Friedensprozesses ist es nicht zu spät, auch wenn Staatspräsident Erdoğan sein Ende verkündet hat“, so Claußen. Hoffnung macht ihr, dass sich alte und neue Friedensinitiativen vehement zu Wort melden. So hat sich ein Bündnis aus Intellektuellen der verschiedenen politischen Lager zu-
MILITÄRFAHRZEUG, MIT GEPÄCK BELADEN: AM STADTRAND VON DIYARBAKIR, MÄRZ 2015 5
DELEGATIONSREISE TÜRKEI-KURDISTAN
Editorial Başyazı
Die Flüchtlinge aus Kobane haben Hoffnung. Kobanêli mülteciler umutlular. Eine Katastrophe bewirkt oft mehr als tausend gute Ratschläge: Unabhängig voneinander zitierten die politischen Schwergewichte Ahmet Türk und Emrullah Cin dieses Sprichwort. Der Kampf um Kobane, der Sieg Davids über den Goliath IS, die offene Unterstützung der AKP-Regierung für die Islamisten: All das habe die Kurden zusammengeschweißt und auch manchem Türken die Augen für die Realität geöffnet. Das Wahlergebnis vom Juni 2015 gibt ihnen Recht. Präsident Erdoğan musste eine empfindliche Schlappe einstecken. Die links-kurdische Partei HDP hat mit beachtlichen 13,1 % die undemokratische Zehn-Prozent-Hürde locker übersprungen und zieht mit 80 Abgeordneten ins Parlament ein, so es denn gelingt, eine Regierung zu bilden.
Bir felaket çoğu zaman 1000den fazla iyi öneriler sunuyor. Iki siyasi aktör olan Ahmet Türk ve Emrullah Cin bu atasözünü birbirlerinden bağımsız söylediler. Kobané için savaş, Goliath olan IŞID`e karşı kazanan David, AKP Hükümetin Islamcılara olan açık desteği, tüm bunlar Kürtleri birbirlerine daha da yakınlaştırdı ve kimi Türklerin gözlerini gerçeğe karşı açtı. Bir kaç gün önceki seçim sonuçları da onları haklı çıkardı. Cumhurbaşkanı Erdoğan ağır bir kayıp aldı. Sol ve kürt partisi olan HDP görkemli yüzde 13,1 ile demokratik olmayan yüzde 10 barajini kolayca aştı ve – eğer hükümetin kurulması başarılır ise- 80 Milletvekilleri ile parlametoya girecektir.
Zum ersten Mal hat sich die unerschöpfliche Kraft der Kurden in diesem Jahr nicht auf mich übertragen. Als ich die fröhlichen, euphorischen Menschen im städtischen Bus zum Newrozfest singen und Parolen skandieren hörte, kamen mir die Tränen. Der Weg schien mir endlos und steinig.
Ilk kez Kürtlerin yılmayan gücü bu yıl beni etkilemedi. Neşeli ve coşkulu insanların Newroz şenliğine giden otobüste şarkı söylemelerini ve slogan atmalarını izlediğimde gözlerim yaşardı. Ki mücadale yolu bana sonsuz ve taşlı geliyordu.
Der Friedensprozess stagniert. Zwar finden weiterhin Gespräche mit Abdullah Öcalan und Vertretern der PKK unter der Vermittlung durch die HDP und der AKP-Regierung statt – gleichzeitig baut die Regierung die Grenzbefestigungen zum Iran und Irak weiter aus, bezeichnet die PKK und die syrisch-kurdische YPG als Terroristen, unterstützt den IS logistisch und mit Waffen und verurteilt gewählte kurdische Politiker zu langjährigen Gefängnisstrafen. Die neuen Sicherheitsgesetze werden die Meinungsfreiheit und die politische Arbeit der Opposition weiter erschweren. Selbst die kleinen Dinge, die inzwischen auf dem Papier erreicht werden konnten, wie der muttersprachliche Unterricht auf Kurdisch als Wahlfach, werden durch bürokratische Schikanen verhindert. Von 1.000 ausgebildeten Kurdischlehrern wurden nur 16 eingestellt. Über Diyarbakir kreisten um das Newrozfest viele Hubschrauber – wie in den bösen Tagen der 90er Jahre. Ständig stiegen von der nahen Mili-
Barış süreci (çözüm süreci) tıkanmıştı. Abdullah Öcalan, PKK temsilcileri ve AKP Hükümetin HDP aracılığı altında görüşmeleri devam etsede eş zamanlı olarak Hükümet Iran ve Irak`a sınırları sıklaştırıyor, PKKyi ve suriyeli-kürt olan YPGyi terörist olarak adlandırıyor, ISID`e lojistik ve silahlar ile destek veriyor ve seçilmiş kürt siyasetcilerini uzun hapis cezalarına çarpıyor. Yeni Güvenlik yasaları ifade özgürlüğünü ve muhalefetin siyasi çalışmalarını daha da ağırlaştıracaktır. Anadilde (Kürtçe) seçim ders hakkı gibi kağıt üzerinden kazanılmış en küçük kazanımlar bile bürokratik baskılar ile engelleniyor. Eğitim görmüş 1.000 adet Kürtçe öğretmenler arasında sadece 16 öğretmen göreve alınmıştır. Newroz şenliği öncesi ve sonrası günlerde Diyarbakır üzerinde 90lı yılları hatırlatan çok sayıda helikopterler uçtular. Yakında bulunan askeri alan üzerinden sürekli savaş jetleri kalkış yapıyor-
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BERICHT 2015
DAS FLÜCHTLINGSLAGER IN SURUÇ: UNWEIT DES GRENZÜBERGANGS IN RICHTUNG KOBANE (SYRIEN)
tärbasis Kampfjets auf und flogen nach Osten. Immer wieder werden, trotz des Waffenstillstands, Stellungen der PKK in den Kandilbergen im Irak bombardiert.
lardı ve doğuya doğru uçuş alıyorlardı. Ateşkes olmasına rağmen sürekli Irak`da bulunan kandil dağlarında PKK`ye karşı bombalı saldırılar düzenleniyor.
Kobane war das Thema, das alle beschäftigte. Und Sindschar/Sengal in einem Atemzug damit. Die Solidarität der Menschen, die ja oft selbst arm sind, ist sehr groß. Die türkische Regierung brüstet sich damit, dass sie zwei Millionen Flüchtlinge aufgenommen habe. Nur etwa ein Drittel der Menschen aus Syrien und dem Irak wird von der Regierung unterstützt. Der größte Teil ist auf die Hilfe der Bevölkerung und der kommunalen Verwaltungen angewiesen.
Herkesi yogun ilglendiren konu Kobane idi. Ve bununla beraber Şengal. Çoğunun da fakir olduğu insanların dayanışmaları çok büyük. Türk Hükümeti iki Milyon mülteci barındırdıklarını iddia ederek övünüyor. Fakat Suriye ve Irak`dan gelen Mültecilerin üçte biri sadece Hükümet tarafından destekleniyor. Diğer ve daha büyük olan kesim ise toplumun ve yerel yönetimlerin yardımları ile yaşıyor. Kobanédeki mülteciler umutlular. Çoğu yıkılan kentlerine geri dönüyorlar ve oraları tekrar inşa ediyorlar. Bunu yaparken bir çok eksikliler var ve Türk Hükümeti yeniden inşayı sınırları kapalı tutarak ve yardım transportlarını, toplama ve inşa makinlarını sınır içine bırakmayarak engelliyor. Uluslararası yardımlar azdır. Sadece Medico International ve Pro Humanitate gibi çeşitli küçük inisiyatifler yardım etmeye çalışıyorlar.
Die Flüchtlinge aus Kobane haben Hoffnung. Viele kehren in die zerstörte Stadt zurück und bauen sie wieder auf. Dabei fehlt es noch an allem. Die türkische Regierung behindert den Wiederaufbau, indem sie die Grenze geschlossen hält und Hilfstransporte sowie Räum- und Baugeräte blockiert. Internationale Hilfe ist rar. Nur Medico International und verschiedene kleinere Initiativen wie Pro Humanitate versuchen zu helfen.
Şengal`den gelen Ezidi mültecilerin durumları daha da kötü. AKP Hükümeti tarafından yasadışı işgalciler olarak değerlendiriliyorlar. Kürt kentlerin kenarlarında bulunan kamplarda yaşıyorlar. Geri dönüşleri uzun vadeli mümkün değil, akraba ve inanç cemiyeti temsililerine Avrupaya göçün devamı hayati tehlike içeriyor ve bunu sadece kendi başları ile yapmaları ile mümkündür.
Schlimmer ist die Situation der jesidischen Flüchtlinge aus dem Sindschar. Von der AKP-Regierung werden sie als illegale Eindringlinge betrachtet. Sie leben in Lagern am Rand der kurdischen Städte. Eine Rückkehr scheint auf lange Sicht undenkbar, eine Weiterwanderung nach Europa zu Verwandten oder GlaubensgenossInnen ist lebensgefährlich und nur auf eigene Faust möglich.
Bizler yola çıkmadan önce mülteci kamplarını ziyaret etmeyeceğimize anlaşmıştık ve bunun yerine belsemeye ve bakıma üstlenen yerel yönetimler ile görüşeceğimize anlaşmıştık. Diyarbakırda bulunan ve Ezidi kampı olan Fındıklı`da gönüllü çalışan doktorlar ile randevumuz vardı. Oradaki sinirli ve genç erkekler ile görüşmemiz bize bu an-
Wir hatten vor der Abreise vereinbart, dass wir keine Flüchtlingslager besuchen, sondern stattdessen mit den kommunalen Verwaltungen sprechen wollten, die die Versorgung übernehmen. Im Jesiden-Lager Findikli bei Diyarbakir waren wir mit einem ehrenamtlich arbeitenden 7
DELEGATIONSREISE TÜRKEI-KURDISTAN
Editorial Başyazı
Arzt verabredet. Die Begegnung mit den zornigen jungen Männern dort zeigte uns, dass unser Vorhaben richtig war. Besucher aus Europa wecken bei den Flüchtlingen Hoffnungen, die nicht erfüllt werden können. Ein Thema für uns war die Frage nach dem Gedenken an den Völkermord an den Armeniern vor hundert Jahren. Im Osten, im früheren armenischen Kernland, hat man sich damit noch kaum beschäftigt. Auch den MenschenrechtlerInnen war nicht bekannt, ob und wenn ja, wie viele Armenier noch in der Region leben. In Diyarbakir dagegen ist inzwischen eine kleine Armeniergemeinde entstanden – die ehemals größte armenische Kirche des Nahen Ostens ist restauriert worden, IHD und HDP sind an den Gedenkfeiern beteiligt. Die Einladung nach Armenien kann allerdings wegen der gleichzeitig stattfindenden Wahlen in diesem Jahr niemand wahrnehmen. Im Westen, besonders in Istanbul, haben sich die ArmenierInnen nach dem Tod von Hrant Dink organisiert und sind an die Öffentlichkeit getreten. Mehrere armenische PolitikerInnen kandidieren auf der Liste der HDP bei den Parlamentswahlen. Kurden waren beim Genozid sowohl Täter als auch Helfer. Für die HDP-Politiker geht es bei dieser Frage nicht nur um das Gedenken. Sie fühlen die Verpflichtung, sich der Geschichte zu stellen. Ahmet Türk formuliert es so: „Die Armenier gehören hierher. Wir wünschen uns, dass sie zurückkommen und die Gesellschaft mitgestalten.“ Zum Abschluss unserer Reise lernten wir noch die Organisation Sarmaşik-Efeu kennen. Sie organisiert eine Tafel für die vielen Bedürftigen in Diyarbakir. Ihr Ziel ist es, nicht nur den akuten Hunger zu stillen, sondern ihren Kunden und vor allem den Kindern Wege aus der Armut zu zeigen. Die ersten der von ihnen mit Stipendien unterstützten Jugendlichen haben ihr Studium abgeschlossen und Arbeit gefunden. Sie arbeiten weiter ehrenamtlich im Verein mit. Sie werden unter anderem von einer Düsseldorfer IPPNW-Studierendengruppe unterstützt. Das war zum Schluss ein ermutigendes Beispiel für die lebendige Zivilgesellschaft in der Türkei, besonders im kurdischen Südosten. Trotz aller staatlichen Schikanen und Vernachlässigung, trotz der Armut und der großen Probleme verlieren die engagierten Menschen nicht den Mut und nicht ihre mitmenschliche Empathie. Wir können uns an ihrer Fantasie, ihrer Kreativität und ihrem Durchhaltevermögen nur immer wieder ein Beispiel nehmen. Von unseren PolitikerInnen in Deutschland und Europa wünschen wir uns, dass sie die kurdischen ExilpolitikerInnen nicht länger diskreditieren. Das PKK-Verbot hat jede Berechtigung verloren. Diplomatische Rücksichten auf den NATO-Partner Türkei dürfen nicht länger dazu führen, dass man zu den Menschenrechtsverletzungen und der Unterstützung des IS durch die türkische Regierung schweigt.
laşmamızın doğru olduğunu gösterdi. Avrupadan gelen ziyaretciler mültecilerde gerçekleşemeyen umutlar yaratıyor. Bizim için ayrı bir konu Ermeni Soykırımın 100cü yıldönümü. Eski Ermenistan`ın merkezi olan doğuda bu konuya hemen hemen hiç bir şekil yüzleşilmedi. Insan hakları savunucuları bile bölgede kaç Ermeninin yaşadığını, yaşayıp yaşamadıklarını bilmiyorlardı. Fakat Diyarbakırda günümüzde küçük bir Ermeni Cemiyeti oluştu, Ortadoğu`nun en büyük kilisesi restore edildi, IHD ve HDP anma etkinliklerinde yer aldılar. Ermenistana olan davetiyemize ama malesef aynı süreçte seçimlerin olmasından dolayı kimse katılamadı. Batıda ve özellikle Istanbulda yaşayan Ermeniler Hrant Dink`in ölümü ardından örgütlendiler ve kamoyuna çıktılar. Bir çok Ermeni siyasetciler HDP çatışı altında milletvekili adayı oldular. Bu soykırımıda Kürtler hem fahil hemde de yardım eden oldular. Kürt siyasetcileri için burada sorun sadece anma değildir. Kendileri tarih ile yüzleşmede sorumlu olduklarını hissediyorlar. Ahmet Türk bunu şöyle ifade etti: „Ermeniler buraya aitler. Bizler onların geri dönmelerini ve beraberce yeniden şekillendirmelerini arz ediyoruz.“ Gezimizin sonunda Sarmaşık (Efeu) örgütü ile tanıştık. Bu Diyarbakırda ihtiyacı olan bir çok insanlara yardım eden örgüttür. Hedefleri sadece açlığa karşı yardım etmek değil, aynı zamanda gelen insanların ve özellikle çocukların fakirlikten kurtulma yollarını göstermek. Sarmaşık tarafından burs ile Üniveristede okuyan ilk iki çocuk Üniveristelerini başarı ile bitirdiler ve iş imkanı buldular. Ve gönüllü olarak Sarmaşıkta görev yapmaya devam ediyorlar. Ayrıca Düsselsdorf kentinde IPPNW`ye bağlı bir Üniversiteli öğrenci grubu tarafından destek alıyorlar Bunun sonucunda Türkiyede canlı ve sivil olan halk için ve özellikle kürt olan Güneydogu hallk topluma bir güç veren örnek oldu. Tüm Devlet baskılarına ve geri bırakmalarına rağmen, yoksulluga ve büyük sorunlara rağmen engaje olmuş insanlar cesaretlerini ve insani empatilerini kaybetmiyorlar. Bizler onların fantasilerinden, yaratıcılıklarından ve dayanma güçlerinden kendimize örnek ala biliriz. Almanya ve Avrupadaki siyasetcilerimizden isteğimiz, sürgünde yaşayan Kürt siyasetcilerini daha fazla diskredite etmesinler. PKK yasağı her türlü haklılığını kaybetmiştir. NATO ortağı olan Türkiyeye diplomatik yaklaşım daha fazla insan haklarının ihlal edilmelerine ve Türk Hükümeti tarafından IŞIDe destek verilmesine yol açmamalı. Dr. Gisela Penteker
Dr. Gisela Penteker 8
BERICHT 2015
Türkei GesprächspartnerInnen ◊ Van: • • • •
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Kommune, Bürgermeister-Doppelspitze Anwaltskammer Flüchtlingskommission Gewerkschaft KESK – Konföderation der im öffentlichen Dienst beschäftigten Arbeiter Gewerkschaft der Beschäftigten im Gesundheitswesen SES
◊ Hakkâri: • •
Menschenrechtsverein IHD Anwaltskammer
◊ Diyarbakir: • • • • • • •
Kommunales Frauenzentrum KONGRA-GEL – Demokratischer Volkskongress Kurdistan Ärztekammer Gewerkschaft der Beschäftigten im Gesundheitswesen SES Menschenrechtsverein IHD Sarmaşik-Efeu – Verein gegen Armut und für nachhaltige Entwicklung TUHAD-DER – Verein zur Solidarität mit den Familien der Gefangenen
◊ Suruç •
HDP (Demokratische Partei der Völker)
◊ Viranşehir: •
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Kommune, Bürgermeister und Co-Bürgermeisterin
◊ Mardin: •
Kurdologische Fakultät der Universität
Glossar • • • • •
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AKP Adalet ve Kalkinma Partisi, Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung Amed kurdischer Name von Diyarbakir DTK Kongress für eine demokratische Gesellschaft Egitim Sen Erziehungsgewerkschaft Dolmabahçe Palast in Istanbul, in dem seit 1856 die osmanischen Sultane residierten. Später Wohnort von Kemal Atatürk. Wird heute bei Staatsbesuchen für repräsentative Zwecke benutzt. Dorfschützer Paramilitärs, die von der Regierung gegen die PKK und die kurdische Bevölkerung eingesetzt werden Jesiden Wir benutzen die in Deutschland gebräuchlichste Schreibweise. Jesidische Organisationen ziehen den Begriff „Eziden“ vor. Fruchtbarer Halbmond das niederschlagsreiche Winterregengebiet nördlich der syrischen Wüste bzw. im Norden der arabischen Halbinsel. Es umfasst die Levante, das Zweistromland zwischen Euphrat und Tigris und den Westen Irans. 9
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Gülen-Bewegung Gülen ist ein Prediger aus den USA, dessen Anhänger zunächst gemeinsam mit der AKP an der Islamisierung der Gesellschaft gearbeitet haben und besonders über gute Schulen großen Einfluss in Polizei, Verwaltung und Justiz hatten. HDP Halklarin Demokratik Partisi, die Demokratische Partei der Völker, Kurdenpartei, Nachfolgepartei der BDP IHD Insan Haklari Derneği, der in vielen Städten aktive Menschenrechtsverein Imrali Gefängnisinsel im Marmarameer, auf der Abdullah Öcalan inhaftiert ist KCK politischer Arm der PKK Kandilberge eine Region auf irakischem Territorium im Gouvernement Arbil nahe der irakisch-iranischen Grenze etwa 100 km südlich der Türkei. Rückzugsgebiet der PKK KESK Kamu Emekçileri Sendikalari Konfederasyonu, Gewerkschaft für den öffentlichen Dienst, vergleichbar mit Ver.di Musa Anter (*1920) kurdischer Schriftsteller u. Intellektueller, ermordet 1992 Newroz kurdisches Neujahrsfest PKK Partiya Karkeren Kurdistan, Arbeiterpartei Kurdistans Rojava kurdische Bezeichnung für Westkurdistan, die kurdischen Gebiete in Nordsyrien Sindschar = Shengal ein ca. 50 km langer Höhenzug von Ost nach West, an dessen südlichem Ende die Stadt Sindschar im auch Sindschar genannten Distrikt liegt
DELEGATIONSREISE TÜRKEI-KURDISTAN
Gesprächspartner und Schwerpunkte: Van
Chronologischer Bericht Dr. Gisela Penteker
16. März 2015: Van
Burgberg von Van
Anwaltskammer Bei unserer Ankunft in Van scheint die Sonne – und da wir bis zum ersten Termin noch etwas Zeit haben, klettern wir auf die Burg und genießen den Blick über die Stadt und den Vansee.
Murat Omer, Flüchtlingskommission und Mahmut Kacan, der drei Jahre für das UNHCR gearbeitet hat: Die Provinz Van hat eine lange Grenze zum Iran und ist schon deshalb eine wichtige Anlaufstelle für Flüchtlinge. 1997 wurde hier eine Zweigstelle des UNHCR eröffnet, die nach dem Erdbeben 1999 die Arbeit einstellte. Sie war für die Flüchtlinge zwischen Hakkâri und Agri zuständig. Aus dem Iran kommen MenschenrechtlerInnen, KurdInnen, ChristInnen und Bahai, aus Afghanistan MitarbeiterInnen der internationalen Hilfsorganisationen und Verbände, Opfer der Taliban und von Stammesfehden. Bisher läuft die Anmeldung über die Polizei. Es soll sich aber ab Mai eine zivile Stelle um die Registrierung kümmern. Die Flüchtlingsanerkennung läuft weiter über das Flüchtlingshilfswerk UNHCR. Auf Drängen der EU wird die Türkei eine Asylgesetzgebung einrichten. Ein Erstaufnahmelager wird mit EU-Geldern außerhalb der Stadt in Richtung Hakkâri gebaut, und eine Abschiebeeinrichtung ist schon in Betrieb. Weiterhin ist nicht vorgesehen, dass die Flüchtlinge dauerhaft in der Türkei bleiben. Sie müssen sich ein anderes Land suchen, in das sie migrieren können und warten bis zu zehn Jahre, in denen sie nicht arbeiten dürfen. Um zu überleben, arbeiten sie mei-stens schwarz. Die Kinder dürfen in der Türkei die Schule besuchen. Bei der Anwaltskammer Diyarbakir
Kommunalverwaltung Bürgermeister-Doppelspit ze Beki F. Kaya und Hatice Coban: Dreieinhalb Jahre nach dem Erdbeben im Osten der Türkei Beki F. Kaya und Hatice Coban ist vieles wieder aufgebaut, aber es gibt große wirtschaftliche und soziale Probleme. Die neuen Gebäude sind meist nach modernen Standards gebaut. Es gibt aber noch viele alte Häuser, über deren Schicksal die Gerichte entscheiden müssen. 40 bis 50 Familien leben noch in Containern. 60 % der Bewohner waren nach dem Erdbeben weggezogen. 90 % von ihnen sind inzwischen in die Stadt zurückgekehrt. 40 % der Bewohner sind Binnenflüchtlinge, die jetzt in Van zur Bevölkerung gezählt werden. Nicht so die geschätzen zwei- bis dreitausend Transitflüchtlinge, um die sich niemand kümmert. Die Zweigstelle des UNHCR wurde nach dem Erdbeben geschlossen. Die Arbeitslosigkeit liegt bei über 20 % und betrifft am stärksten die Jugendlichen. Die Stadt kann ihren Verpflichtungen nicht ausreichend nachkommen. Ihre Einnahmen haben sich halbiert, die Aufgaben sind gewachsen. Für ihre Büros muss sie jetzt Miete zahlen. Vor den Kommunalwahlen wurde Van zur Großstadt erklärt und ist damit auch für die kommunalen Belange der Dörfer verantwortlich. Veranstaltungen zum Gedenken an die Ermordung der Armenier vor 100 Jahren seien nicht geplant: Es sei nicht bekannt, ob noch Menschen mit armenischen Wurzeln in Van leben. Die jährliche Feier der Armenier in Akdamar werde sicher groß ausfallen. Ob jemand von ihnen der Einladung nach Armenien folgen könne, sei noch nicht klar, da dann gerade der Wahlkampf stattfinde.
Murat Timur, der Vorsitzende der Kammer, kommt später dazu und übernimmt das Gespräch. Die jungen Anwälte sind ihm viel zu unpolitisch. Bei dem geplanten Besuch in Deutschland wird Murat Timur sich Murat Timur deshalb auch zur Kurdenpolitik äußern und Murat Omer zu den Flüchtlingsfragen. Für Murat Timur ist die Türkei auf dem Weg zum Polizeistaat. Es sei inzwischen jedem klar, dass es keine unabhängige Justiz gebe. Die AKP habe sich gegenüber der Gülen-Bewegung durchgesetzt. Timur möchte in Mainz über eklatante Fallbeispiele für die Abhängigkeit der türkischen Justiz berichten. Im Zuge der Kobane-Demonstrationen seien viele Menschen verhaftet worden – auch Kinder, die schwer misshandelt wurden. 10
BERICHT 2015
Gesprächspartner und Schwerpunkte: Hakkâri
Gewerkschaften
Gefängnissen. Die Versorgung ist schlecht, auch die medizinische. Die Gefängnisse sind kalt und über 500 Gefangene sind krank, zum Teil sterbenskrank. Sie werden weder behandelt noch entlassen. Jeden Samstag macht der IHD zusammen mit den Samstagsmüttern auf das Schicksal der Gefangenen aufmerksam. So bleibt das Thema in der Öffentlichkeit immer präsent. Bisher spüren sie nichts davon, dass in Europa mehr Notiz von ihrem Schicksal genommen wird. Sie arbeiten dafür, dass die Sterbenden die letzten Tage bei ihren Familien verbringen können. Es gibt weiterhin Verhaftungen. Manche Menschen schließen sich aus Angst vor einer Inhaftierung der PKK an. Auch aus Solidarität mit Kobane sind viele Menschen der YPG oder der PKK beigetreten. Der Lösungsprozess ist offen: Auf der einen Seite wird weiter verhandelt – auf der anderen Seite hat das Verhalten der türkischen Regierung gegenüber Kobane und die offensichtliche Unterstützung des IS das Vertrauen weiter erschüttert. Alle Hoffnungen vieler Kurden hängen allein an Öcalan: Zöge er sich zurück, bräche Chaos aus. Im ganzen Nahen Osten gibt es keine Demokratie, und auch die Türkei entwickelt sich zunehmend zum Polizeistaat. Im Moment gibt es in den Gefängnissen keine Kinder mehr, denn sie sind in der Haft erwachsen geworden. Am 15. Februar 2015 wurden 20 Kinder verhaftet. Um sich der Verurteilung zu entziehen, haben sie sich der PKK angeschlossen. Die KCK-Gefangenen sind aus der Untersuchungshaft entlassen worden. Ihre Urteile werden nach und nach bestätigt. Es drohen ihnen bis zu 18 Jahre Haft. Die Justiz ist inzwischen so vollständig in der Hand der AKP, dass alle verurteilt werden. Sie entziehen sich und gehen in die Berge oder in den Nordirak. Einer unserer Gesprächspartner, Orhan, war im Gefängnis. Nach der Entlassung wurde er als KCK-Funktionär angeklagt. Er ließ seine Familie zurück und floh in den Irak. 15 Monate war er in Erbil. Dort war seine Situation schlechter als in der Türkei. Die dortige Gesellschaft sei rückständig und feudal. Flüchtlinge würden zwar nicht in die Türkei abgeschoben, aber die Haltung ihnen gegenüber sei sehr negativ. Alle zehn Tage müsse man sich bei der Polizei melden, das Telefon werde abgehört und man dürfe die Stadt nicht verlassen. Es gebe keine Unterstützung. Und man dürfe zwar arbeiten – aber die meisten Flüchtigen hätten nicht den erforderlichen Identitätsnachweis. Deshalb ist Orhan zu seiner Familie zurückgekehrt. Im April soll seine Gerichtsverhandlung stattfinden. Falls das Urteil bestätigt wird, ist er nicht sicher, ob er nicht lieber ins Gefängnis geht als zurück nach Erbil. Auch nach dem Kampf um Kobane ist es für die KCK-Gefangenen im Nordirak nicht besser geworden. Die Wirtschaft sei abhängig vom Iran und der Türkei – deshalb werde sich nichts ändern. Zwischen den kurdischen Menschen gebe es Solidarität – zwischen den Regierenden herrschten ideologische Differenzen. So blieben die ca. 5.000 Flüchtlinge aus der Türkei Spielball der Interessen. Die Mächtigen hätten immer ein Interesse, dass die Kurden sich untereinander stritten. Viele Menschen sind auch aus Hakkâri nach Kobane gegangen. Über altbekannte Schmugglerrouten unter Umgehung der Minen passieren sie die Grenzen. Männer und Frauen haben für einige Wochen mitgekämpft und sind dann zurück gekommen, mindestens 35 sind gestorben. In Kobane hätten sie gesehen, dass der IS die neuesten Waffen hat. Die USA und die Europäer wollen den IS nicht wirklich
Die Gewerkschaften KESK (öffentlicher Dienst) und SES (Gesundheit): Im Flur eine Ausstellung von Bildern aus Halabdscha, einer Bei der Gewerkschaft KESK Stadt in der Autonomen Region Kurdistan im Irak. Wir treffen auf eine lebhafte Runde von 13 GewerkschafterInnen, unter denen diesmal nur zwei Frauen sind. Zunächst werden wir nach unserer Arbeit befragt und danach, was wir in all den Jahren mit den Informationen gemacht haben, die wir aus Kurdistan mitgenommen haben. Dann erzählen sie, Hauptthema ist die Hilfe für die Menschen aus Kobane: Der Friedensprozess stagniere. Die Türkei entwickle sich zu einer AKP-Diktatur. Die neuen Sicherheitsgesetze würden sich massiv auf die Arbeit der Gewerkschaften auswirken. Schon der Verdacht, dass sie eine Presseerklärung herausgeben wollen, könne ihnen 48 Stunden Haft einbringen. Der in der Verfassung verankerte muttersprachliche Unterricht (zwei Wochenstunden) als Wahlunterricht ab der vierten Klasse finde nicht statt. Er werde durch allerlei bürokratische Spielchen verhindert. Von den 1.000 in Kurdologie ausgebildeten Lehrern wurden nur 16 eingestellt. Nach offiziellen Angaben haben tausende Kinder und ihre Eltern Anträge auf Kurdisch-Unterricht gestellt. Die Anträge werden mit den verschiedensten Begründungen abgelehnt, so Ülcan Kacmaz von der Erziehungsgewerkschaft Egitim Sen. Die Armenierfrage wird bei den GewerkschaftlerInnen nicht diskutiert. Sie wissen, dass der Menschenrechtsverein IHD und eine Stiftung für Armenierfragen in Van nach Newroz Gedenkveranstaltungen abhalten wollen. Sie als Gewerkschafter seien dafür offen, organisieren aber keine eigenen Aktivitäten. Die Kurden hätten sich bei den Armeniern entschuldigt und ihre Mitschuld am Genozid eingestanden. Als Betroffene könnten sie ein solches Gedenken mittragen, aber nicht veranlassen.
17. März 2015: Hakkâri Wegen des zunehmend schlechten Wetters entschließen wir uns, nach Hakkâri zu fahren. Es wird eine aufregende Fahrt durch verschneite Berge in der Schlucht des Flusses Zap. Menschenrechtsverein IHD
Ismail Akbolut
Ismail Akbolut: Die Zeiten sind ruhiger geworden. Die Hauptbeschäftigung des hiesigen IHD sind die schlechten Bedingungen in den 11
DELEGATIONSREISE TÜRKEI-KURDISTAN
Gesprächspartner und Schwerpunkte: Diyarbakir
19. März 2015: Diyarbakir
vernichten. Sie haben zugelassen, dass er so groß wurde und wollen nach dem Prinzip „Teile und herrsche“ alle immer weiter gegeneinander ausspielen.
Kommunales Frauenzentrum
Anwaltskammer Kommunales Frauenzentrum in Kayapinar, Ekin Ceren:
Veysi Dumlu, Serdal Erdoğan und Mesut Abtis: Es gibt große Probleme mit der Polizei, die bei Festnahmen besonders Jugendliche schwer misshandelt. Vor der Der Vorsitzende, Veysi Dumlu Inhaftierung würden sie zwar in der Notaufnahme einem Arzt vorgestellt, der hätte aber meist Angst, Gewaltspuren zu attestieren. Die Menschenrechtsstiftung in Diyarbakir biete zwar alternative Gutachten an, dieses Angebot könnten sie aber aus vielen Gründen nicht nutzen. Als ein Anwalt die schwere Misshandlung eines Jugendlichen bei der Staatsanwaltschaft anzeigen wollte, habe er zur Antwort bekommen, es läge doch ein ärztliches Attest vor. Außerdem hätte die Polizei den Jugendlichen besser gleich erschießen sollen. Durch die Sicherheitsgesetze hat sich die Lage weiter verschärft. Der Verdacht, dass jemand eine Straftat plant, genügt schon, um ihn für 48 Stunden festzuhalten. Erst danach wird der Anwalt informiert, ein ärztliches Attest angefertigt und der Haftrichter zugezogen. Die Anwälte haben einen schweren Stand: Besonders bei der Antiterroreinheit werden sie grob behandelt – sie werden bespitzelt und haben keine Möglichkeit zum ungestörten Gespräch mit ihren Mandanten. Die AKP verfolge das Ziel, alles was ihr nütze, für legal zu erklären. Es gebe jetzt mehr engagierte Anwälte in Hakkâri, die fast alle aus der Gegend stammten. Die Entmachtung von Gülen habe für die Kurden nichts geändert – sie blieben die Feinde. Bei politischen Fällen spiele das Recht keine Rolle. Deshalb fordern die Anwälte, dass das Gesetz respektiert wird und nicht Willkür entscheidet. Dafür wäre eine unabhängige Schiedsstelle wichtig. In diesem Punkt wünschen sie sich eine Zusammenarbeit mit der türkischen IPPNW.
Ekin Ceren und ihre Kolleginnen arbeiten mit den Frauen aus Das kommunale Frauenzentrum dem Viertel. Meist geht es um häusliche Gewalt und rechtliche Beratung. Die Frauen werden über ihre Rechte informiert und lernen, auf eigenen Füßen zu stehen. Es gibt eine gut ausgestattete Nähstube, wo traditionelle Kleidung und Schuluniformen gefertigt werden. Es gibt viele Flüchtlinge aus Kobane in der Stadt. Für die Flüchtlingskinder aus dem Viertel, die keinen Zugang zu den staatlichen Schulen haben, bietet das Frauenzentrum Unterricht auf Kurdisch an. Lehrerinnen aus Kobane arbeiten ehrenamtlich. Weitere Fächer sind Arabisch, Musik und Sozialkunde. Die jesidischen Flüchtlinge aus dem Sindschar leben alle in einem Lager außerhalb der Stadt. Auch dort gibt es ein Frauenzentrum und eine Schule. Die arabischen Flüchtlinge aus Syrien leben eher in den Camps der Regierung. Demokratischer Volkskongress Dr. Velat, der Sprecher der Gesundheitskommission Dr. Cegerxin, Seydin Firat und Hilmi Aydogdu, der Vorsitzende: Zunächst geht es um den Lösungs- bzw. Friedensprozess. Die Erwartungen sind groß. Erdoğan sei ein Diktator und stehe der Lösung im Wege. Öcalan habe klargemacht, dass er sich zurückziehen und für Verhandlungen nicht mehr zur Verfügung stehen werde, wenn es jetzt nicht voran gehe. Die Geduld der Kurden ist erschöpft. Es muss eine breite gesellschaftliche Diskussion in Gang kommen – nur der Druck aus der Gesellschaft könne Veränderungen bewirken.
Am nächsten Tag machen wir uns von Van aus auf den Weg nach Diyarbakir. Bei unserem Besuch der Insel Akdamar im Vansee scheint die Sonne. Hier ist viel touristische Infrastruktur entstanden. Der Ort mit seiner schön restaurierten armenischen Kirche und dem Blick über die verschneiten Berge und den See ist zauberhaft. In Hasankeyf genießen wir die Abendsonne. Die Höhlenstadt ist weiterhin für Besucher gesperrt. Auf der anderen Seite des Tales versuchen die Menschen, an den Touristen Geld zu verdienen, solange es noch geht. Nächstes Jahr soll mit der Flutung des Ortes begonnen werden, da der Staudamm fast fertig ist. In fünf Jahren wird die Stadt dann versunken sein. Die Bewohner haben resigniert: Viele gehen weg, weil sie sich eine Wohnung in Neu-Hasankeyf nicht leisten können.
Das Gesundheitssystem sei auf die Ausbeutung der MitarbeiterInnen angelegt. Je mehr Patienten durchgeschleust werden, desto mehr Geld gebe es. Das verhindere den Dialog mit den Patienten. Die Haltung der Gesundheitsbediensteten ändere sich durch die neuen Bedingungen: Seit zwei Jahren gibt es Komitees in den Krankenhäusern, die dafür sorgen, dass die wirtschaftlichen Aspekte berücksichtigt werden. Jedes Krankenhaus steht in Konkurrenz zu den anderen. Mehr Technik, mehr Operationen, mehr Medikamente. Die Häuser 12
BERICHT 2015
Gesprächspartner und Schwerpunkte: Diyarbakir
in offiziellen Camps der Regierung untergebracht. Ärzte und Sanitäter, die Flüchtlingen oder Demonstranten helfen, müssen mit einer Anklage und hohen Geldstrafen rechnen. Nach den Gezi-Protesten wurden Ärzte und auch die Kammern angeklagt, weil sie ohne Erlaubnis des Gesundheitsministeriums Verletzte behandelt haben. Cengiz Günay kommt erst später zu unserem Gespräch dazu. Er war als Notarzt im Lager der Jesiden im Einsatz. Eine junge Frau hatte versucht, sich zu erhängen. Erst wenige Tage vorher hatte eine andere junge Frau sich aus dem sechsten Stock gestürzt. Anfang April ist in Diyarbakir eine Konferenz zur Situation in Kobane geplant. Die Ärzte wünschen sich die Teilnahme vieler ausländischer Delegierter. Aufbauhilfe aus dem Ausland ist bitter nötig.
machen Reklame. Die Zahl der privaten Kliniken geht aber zurück, da der Staat die Kontrolle über das Gesundheitssystem wolle. Das Hausarztmodell funktioniert nicht: Auch hier bestimme der Kommerz, stehen Werbung für technische Leistungen und Medikamente im Vordergrund. Viele Patienten hätten Resistenzen gegen die meisten Antibiotika. Die Erwartungen der Menschen würden nicht erfüllt. Inzwischen komme es sogar schon vor, dass unzufriedene Patienten Ärzte angreifen. Die Situation in Kobane wiederum sei dramatisch schlecht. Die Infrastruktur ist zerstört. Es gibt kein Krankenhaus für die Kriegsverletzten, kein sauberes Wasser, nicht genug zu essen, keine Impfstoffe, keine Versorgung der Schwangeren. Viele Tote sind noch unter den Trümmern, deshalb drohe Seuchengefahr. Etwa 60.000 Menschen sind nach Kobane zurückgekehrt; 20.000 in die Stadt, 40.000 in die Dörfer. Es gibt für 200.000 Menschen 11 Ärzte und 25 Krankenschwestern. Sie versuchen von der Türkei aus die Versorgung der in der Türkei lebenden Flüchtlinge zu organisieren. Nach Kobane haben sie kaum Zugang. Gesundheitspersonal aus der Türkei, das in Kobane arbeiten möchte, braucht die Genehmigung des Gouverneurs. Ein Chirurg hat nach langwierigen Anfragen eine Genehmigung bekommen. Er durfte nur tagsüber in Kobane sein und musste jeden Abend zurück über die Grenze. In Diyarbakir gibt es eine Koordinierungsstelle für die Kobane-Hilfe, die mit einer entsprechenden Stelle in Kobane zusammenarbeitet. Sie wünschen sich, dass alle Hilfsleistungen mit ihnen abgesprochen werden. Außer Medico International und einigen kleinen Vereinen gibt es keine Hilfe durch internationale Institutionen.
Gesundheitsgewerkschaft SES Co-Vorsitzender Ramazan Kaval, Schatzmeister Necip Metin, Rechtssekretär Ercan Dönmez: Zunächst sprechen wir über die Kommerzialisierung des Gesundheitswesens hier und in Deutschland. Bei Streiks sind sie in Diyarbakir sehr gut organisiert. Manchmal beteiligen sich die Ärzte und ihre MitarbeiterInnen zu hundert Prozent. Dann sind wir schnell bei den Problemen rund um Rojava. Rojava ist ein Teil des viergeteilten Kurdistans. Unsere Gesprächspartner fiebern mit. Sie kümmern sich zusammen mit anderen Institutionen intensiv um die Flüchtlinge und Verletzten. Manche von ihnen waren auch in Kobane, um die Menschen dort zu unterstützen. Das Volk ist im Krieg gegen den IS. Alle sind mit diesem Kampf emotional sehr verbunden. Der Kampf in Kobane ist für die Revolution in Rojava wichtig. Wenn sich Rojava stabilisiert, kann das Modell ein Weg für die ganze Region sein. Bei der Gesundheitsgewerkschaft SES
Ärztekammer Celan Canpolat, Cengiz Günay, Mahmut Or takaya, Necdet Ipekyüz: Die erste Flüchtlingswelle aus dem Sindschar kam im Juni 2014. Etwa 1.000 Flüchtlinge wurden Cengiz Günay und Celan Canpolat im Sümer-Park versorgt. Von insgesamt 32.000 jesidischen Flüchtlingen kamen 6.000 nach Diyarbakir. Im Camp vor der Stadt leben jetzt noch 3.800 JesidInnen. Ärzte machen ehrenamtlich stundenweise Dienst im Lager und Apotheker stellen Medikamente zur Verfügung. Die türkische Regierung behauptet, sie versorge zwei Millionen Flüchtlinge, für die sie auch die Gesundheitsversorgung übernehme. Das stimmt aber zumindest in Bezug auf die Jesiden nicht. Arabisch-sunnitische Flüchtlinge werden immer bevorzugt. Die Ansiedlung von Jesiden in verlassenen Jesiden-Dörfern erfolgte auf Initiative der Kommunen. Die Türkei will sie nicht haben. Sie hat sogar zwei Lager im Nordirak finanziell unterstützt, um die Flüchtlinge fernzuhalten. Von den 180.000 – 200.000 Flüchtlingen aus Rojava wurden nur etwa 5.000
Menschenrechtsverein IHD Im Vergleich zum letzten Jahr ist eine deutliche Verschlechterung der Men schenrechtslage eingetreten, wie auch schon 2013. Die Regierung räumt den M. Raci Bilci und Abdul Selam Sicherheitskräften großen Handlungsspielraum ein. Die damit einhergehende Einschränkung der individuellen Freiheit ist besorgniserregend. Festnahmen und Misshandlungen bis zur Ermordung sind straflos möglich. Wenn die Sicherheitsgesetze wirklich umgesetzt werden, 13
DELEGATIONSREISE TÜRKEI-KURDISTAN
Gesprächspartner und Schwerpunkte: Suruç
bedeutet das den Abschied von den universellen Menschenrechten und den internationalen Abkommen, die die Türkei unterzeichnet hat. Die Sicherheitskräfte können uneingeschränkt handeln, die Justiz wird der Verwaltung unterstellt. 67 Paragraphen der Sicherheitsgesetze sind im Parlament verabschiedet worden, z.B. wird das Tragen der Peschmerga-Tracht oder des Palästinensertuches strafbar. Desweiteren kann der Gouverneur ohne gerichtliche Anordnung jemanden festnehmen lassen. Zeitgleich findet ein Treffen mit elf europäischen Botschaftern statt. Die Türkei ist Mitglied des Europarats und hat die europäische Menschenrechtskonvention unterzeichnet. Bisher unterstützen die Europäer die Politik Erdoğans trotz der Warnungen des IHD. Die Eigeninteressen der EU-Staaten waren wichtiger.
wollen alle noch die Botschaft von Abdullah Öcalan hören. Danach leert sich der Platz. Abends im Hotel treffen wir Dara und zwei armenische Frauen, die bei der Parlamentswahl in Juni als HDP-Kandidatinnen nominiert sind. Diren ist linksökologisch, sie bezeichnet sich als politische Armenierin und Atheistin und engagiert sich auch als Feministin. Filor nennt sich Menschenrechts- und Friedensaktivistin. Sie plant ein Projekt mit den Frauen in Sindschar, die, wenn sie der Versklavung durch den IS entkommen sind, häufig von ihren Familien und der Gemeinschaft als unrein ausgeschlossen werden. Hrant Dink war einer der wenigen, der sich zu seiner Identität als Armenier bekannt und die anderen ermutigt hat. Erst seit seinem Tod haben sich die Armenier zunehmend organisiert.
Das Gedenken an den Genozid an den Armeniern steht in der Satzung des IHD. Im April wird es in Istanbul und Diyarbakir gemeinsame Veranstaltungen mit den Armeniern, Diskussionen und Konzerte geben. Im Schulunterricht ist der Völkermord weiterhin kein Thema.
Über Urfa und Harran fahren wir am 22. März 2015 nach Suruç, die Stadt an der syrischen Grenze, auf deren anderer Seite Kobane liegt.
Am 20. März sind alle mit den Vorbereitungen für Newroz beschäftigt. Wir haben Gelegenheit, durch den Bezirk Sur, die Altstadt von Diyarbakir, zu bummeln. Mittags treffen wir die Armenierin Dara und den Armenierbeauftragten von Diyarbakir, Abdel Garfur, in der großen restaurierten St.-Giragos-Kirche. Auf dem Weg zum JesidenCamp treffen wir auf eine große Gruppe von Wanderern, die die Freilassung Öcalans fordern und den ganzen Weg von Silopi zu Fuß zurückgelegt haben. Gerade noch pünktlich erreichen wir die Feier der Ärztekammer zur jährlichen Verleihung des Friedenspreises, diesmal an Asya Abdullah, eine Politikerin aus Rojava, die während der Kämpfe in Kobane ausgeharrt hat und an Prof. Dr. Cem Terzi, einen Chirurgen aus Izmir, der medizinische Hilfe im Grenzgebiet organisiert hat. Weitere ÄrztInnen werden ausgezeichnet, so zu unserer großen Überraschung auch Gisela Penteker.
Newroz in Diyarbakir
Die Armenierinnen Filor und Diren
Viele Menschen haben sich auf den Weg gemacht. Sie sind fröhlich und voller Hoffnung. Von der Endstation der Busse müssen wir noch weit laufen. Die Mannschaftswagen der Polizei stehen weit entfernt. Zum Picknicken ist es zu nass auf dem Festplatz, erst recht nach einem heftigen Regenguss mitten in der Feier. Trotzdem
22. März 2015: Suruç HDP Zuerst sehen wir von der Grenze aus die zerstörte Stadt Kobane. Hinüber dürfen wir nicht. Wir sehen Container der türkischen Hilfsorganisation AFET. Alles sieht verlassen aus. Es ist Sonntag. In Suruç Bei der HDP in Suruç treffen wir deshalb nur einen Vertreter der HDP. Er erzählt von der großen Belastung für die Stadt und ihre Bewohner. 30.000 Flüchtlinge waren es allein im Stadtzentrum. 5.000 von ihnen wurden von der türkischen Regierung in einer Schule und einer Kaserne untergebracht. Das große Flüchtlingslager der Regierung außerhalb der Stadt wurde am Tag der Befreiung von Kobane eröffnet. Viele Flüchtlinge kehren inzwischen in die zerstörte Stadt zurück. Sie können die Zelte mitnehmen, da es in Kobane an allem fehlt. Trinkwasser bringen sie in Tankwagen über die Grenze. In den AFET-Wagen an der Grenze sollen Flüchtlinge untersucht und geimpft werden, das lief aber nur eine Woche und wurde dann eingestellt. AFET bekommt viele Spendengelder, die die Flüchtlinge aber nicht erreichen. Die HDP hat zusammen mit anderen zivilen Gruppen und kurdischen BürgermeisterInnen eine Koordinierungsstelle für die Kobane-Hilfe eingerichtet. Als wir unsere Spende abgeben wollen, ruft er Mitglieder der Koordinierungsstelle, weil er als Parteimitglied keine Spenden annehmen möchte. Im Moment macht die Versorgung der Babys und Kleinkinder die größten Probleme. Auch Trinkwasser und vor allem Räumgerät werden benötigt. Die Bilder von Kobane sind um die ganze Welt gegangen. Auf Hilfe aus aller Welt warten sie vergebens. Es sind in erster Linie Medico International und kleinere private Gruppen aus Europa, die sich am Aufbau und der Versorgung beteiligen und mit der Koordinierungsstelle zusammenarbeiten. 14
BERICHT 2015
Gesprächspartner und Schwerpunkte: Nusaybin und Mardin
worden. Das sei Terrorismus! In den kurdischen Kommunen gebe es durchgehend eine Doppelspitze. Da der Staat jedoch nur einen Bürgermeister vorsehe, teilt sich die Doppelspitze das Gehalt.
Auf der Rückfahrt nach Urfa halten wir an dem großen staatlichenFlüchtlingslager. Wir dürfen nicht hinein, können aber am Tor mit einem Presseoffizier sprechen: Das Lager sei für 35.000 Flüchtlinge ausgelegt und sei das modernste in der ganzen Türkei. Zur Zeit lebten dort 20.000 Flüchtlinge, 90 % seien Kurden. Es gebe 18 Abteilungen, die von den Flüchtlingen selbst verwaltet werden. In jedem Abschnitt gibt es fünf Toiletten und fünf Duschen. Die Flüchtlinge bekommen Lebensmittel und 85 türkische Lira Bargeld pro Kopf und Monat. Es gibt einen Dolmuş (Kleinbus) nach Suruç und eine Schule für die Kinder, die von LehrerInnen unter den Flüchtlingen unterrichtet werden, die dafür bezahlt werden.
24. März 2015: Nusaybin und Mardin Nusaybin: Bürgermeisterin Sara Kaya und Co-Bürgermeister Cengiz Kok Das Gespräch verläuft chaotisch. Die Bürgermeisterin führt das Wort. Um ihre Aussagen zu Sara Kaya untermauern, ist sie ständig in telefonischem Kontakt mit Partnern in Qamishli (kurdisch: Qamishlo). Die Situation an der Grenze hat sich etwas entspannt. Sie können humanitäre Hilfslieferungen hinüberbringen. Auch das UNHCR schickt weiter Hilfslieferungen an den Roten Halbmond und die syrische Regierung. Für Flüchtlinge, Verwandte und Verletzte sei die Grenze aber weiterhin geschlossen.
23. März 2015: Viranşehir Bürgermeister Emrullah Cin und Co-Bürgermeisterin Filiz Yilmaz Nach einem kleinen Abstecher zu der steinzeitlichen Ausgrabungsstätte Göbekli Tepe, die seit letztem Jahr weiter Emrullah Cin und Filiz Yilmaz ausgebaut worden ist, treffen wir in Viranşehir unseren langjährigen Gesprächspartner Cin und seine Co-Bürgermeisterin Yilmaz. Cin war gerade in Münster, wo er für die Sache der Kurden geworben habe. Er wisse, dass viele Menschen in Deutschland und Europa sich für die kurdischen Belange und für den Frieden einsetzen. Dafür seien sie dankbar – es reiche aber nicht: Die Regierungen der großen Länder stellten ihre Interessen über den Schutz der Menschen. Durch NATO-Waffen hätten die Kurden sehr gelitten. Sie hätten sich mit den Deutschen über die Wiedervereinigung gefreut, die Lieferung der NVA-Waffen an die Türkei habe aber bei ihnen großen Schaden angerichtet. Der IS sei nicht plötzlich als Monster aufgetaucht, die Geheimdienste seien sehr wohl über das informiert gewesen, was sich da zusammengebraut habe. Falls sie gedacht hätten, dass sich im Nahen und Mittleren Osten ein „Islam Light“ installieren ließe, sei das gründlich danebengegangen. Beim IS sind die Barbaren – die KurdInnen, dagegen, die alle Menschen unabhängig von Religion und Ethnie verteidigt hätten, würden weiterhin als Terroristen bezeichnet. Er wisse, welche Politik die AKP-Regierung verfolge. Was aber wollen die Europäer, die die Regierung unterstützen? Geht es Ihnen darum, dass alle Kurden und alle Minderheiten aus der Region verschwinden? Die Grenzen hier, die so viel Blut kosten, hätten die Europäer gezogen. Die Vision der Kurden sei ein Naher Osten ohne Grenzen, wie in Europa. In Münster sei das sehr positiv aufgenommen worden. Auf die Wahlen setze er große Hoffnungen. Wenn es nicht zu massiven Manipulationen kommt, werde die HDP die undemokratische Zehn-Prozent-Hürde überwinden. Die beiden Bürgermeister möchten, dass das Parlament ein Garten aus allen Gruppen der Bevölkerung wird. Sein Gerichtsverfahren läuft noch. Das Ganze sei eine Farce: bisher sei er nicht einmal vernommen
Mardin, Ahmet Türk Im Rathaus treffen wir auf eine junge Jesidin aus Celle. Sie hat Politikwissenschaf ten studier t u n d zu m T h e m a Kommunalver waltung in den kurdiAhmet Türk schen Gebieten der Türkei promoviert. Ahmet Türk hat sie als politische Beraterin ins Rathaus seiner Stadt geholt. Der große alte Mann der kurdischen Bewegung hat sich als Bürgermeister von Mardin noch einmal einer neuen Herausforderung gestellt. Der türkische Staat hat bisher eine Politik betrieben, die ganze Gruppen ausgeschlossen habe. So sei die ganze Region im Südosten vernachlässigt worden. Diese Politik auf der einen Seite und der Angriff des IS auf der anderen bereiten große Probleme. Etwa 40-50.000 Flüchtlinge leben in und um Mardin und werden nicht von der Regierung versorgt: Das stellt sie vor große Herausforderungen. In vielen staatlichen Krankenhäusern wurden Betten für verwundete IS-Kämpfer reserviert. Die kurdischen Verwundeten aus Kobane wurden dagegen mit primitiven privaten Mitteln versorgt oder sogar festgenommen. Die Ereignisse in Kobane und in Sindschar finden in der Welt nicht die nötige Aufmerksamkeit. Es reicht nicht, den IS zu vertreiben. Es geht auch um den Wiederaufbau. Die Rückkehrer nach Kobane seien wegen der nicht geborgenen Leichen unter den Trümmern einer großen Seuchengefahr ausgesetzt. Es sei eine Aufgabe der internationalen Ärzteschaft, hier 15
DELEGATIONSREISE TÜRKEI-KURDISTAN
Gesprächspartner und Schwerpunkte: Diyarbakir II
genehmigt werden. Das dauert lange und das Universitätsteam wird immer wieder aufgefordert, Änderungen vorzunehmen, weil z.B. die Kinder im Lehrbuch kurdische und nicht die gängigen türkischen Namen haben. Die Zusammenarbeit mit anderen Instituten klappt am besten mit dem Nordirak. Außer in London ist Kurdologie in Europa nirgends als universitäres Fach etabliert. Und in der Westtürkei gebe es wenig Verständnis. Vor einiger Zeit sei eine Gruppe aus Bursa dagewesen. Sie hätten gefragt, was unterrichtet wird. „Kurdologie? Ihr meint Turkologie, wir sind doch alle Brüder“Musa Anter schrieb einmal: Wenn man ein Telegramm schickt, kostet ein Wort eine Lira. Wenn das Telegramm auf Kurdisch ist, kostet es 50 Lira pro Wort.
eine Lösung zu finden. In seinen vielen politischen Gesprächen mit VertreterInnen der EU-Regierungen und der NATO habe er nicht den Eindruck gewonnen, dass diese den IS wirklich besiegen wollten. Er verstehe nicht, welches Spiel da gespielt werde. Der IS sei eine Seuche, die die ganze Welt bedrohe. Er glaube auch nicht, dass die Türkei wirklich einen islamistischen Nachbarn haben wolle. Die türkische Regierung wolle in erster Linie die Kurden zu schwächen. Die Türkei liebe den IS nicht, aber die Kurden möge sie noch weniger. Die NATO verteidige die Türkei wie eine Festung, die sie schützen wolle. Alles andere, die Unterdrückung der Kurden, die Menschenrechtsverletzungen blende man aus. Wenn man die Kurden und andern Minderheiten abziehe, blieben nicht viele Türken übrig. Das gelte auch für den Irak und den Iran.
25. März 2015: Diyarbakir Sarmaşik-Efeu, M. Serif Camci und Dilek Akus
Wir reden noch ein wenig über seine Stadt Mardin und die großen Aufgaben, die da vor ihnen liegen. Mardin ist so alt wie Jerusalem, wurde aber immer vernachlässigt. Die Stadt hat jährlich Besuch von einer Million Touristen, peilt aber drei Millionen an. Die wenigsten Touristen bleiben in der Stadt, sie reisen nur durch. Das bringt wenig Geld in die Stadt. Ahmet Türks kurdische Vorfahren waren am Armeniergenozid beteiligt. Es gab aber auch Kurden, die Armenier gerettet und sich damit selbst in Gefahr gebracht haben. Eine Einladung nach Armenien zum 100-jährigen Gedenken haben sie wegen des Wahlkampfs abgesagt. Im Gegensatz zu früher sei die kurdische Bevölkerung jetzt sehr politisiert. Der Kampf für die Freiheit hat viele Opfer gekostet. Türk selbst war fünf Jahre im Gefängnis. Er wünscht sich ein demokratisches Zusammenleben der Völker. Die Kurden haben einen bewaffneten Kampf begonnen, aber nicht aus Überzeugung, sondern aus der Not heraus. Öcalan habe hier eine wichtige Tür geöffnet. Weder die Türken noch die Kurden seien in der Lage, weiter Krieg zu führen. Ahmet Türk war gerade in Oslo: Die Schweden hätten viel Erfahrung als Friedensvermittler. Sie haben mit ihm zusammen iner der Dozenten, mit denen wir gesprochen haben gesessen, um Lösungen für die Region zu finden. Wenn die türkische Regierung es ehrlich meint, wird es klappen.
In einer großen Leichtbauhalle hat die Organisation Sarmaşik-Efeu ihr Lager und ihr Büro. Sie organisiert die Tafel M. Serif Camci von Diyarbakir, eine Plattform aus vielen verschiedenen Gruppen, unter anderem beteiligen sich AKP, CHP, HDP, BürgermeisterInnen, Arbeitgebervereinigungen und Berufsverbände. Zu Beginn hatten sie drei Ziele: die Gründe der Armut zu untersuchen, der Öffentlichkeit bekannt zu machen und Druck auf die Verantwortlichen auszuüben. Die von ihnen entwickelte Armutskarte ergab ein sehr verwirrendes Bild. 5.000 Familien, also 30.000 Menschen, leiden Hunger und haben keinerlei Einkommen. Selbst wenn man Arbeit für sie hätte, gäbe es keinen, der zur Arbeit fähig ist. Wenn diese Menschen keine Almosen bekämen, müssten sie hungrig schlafen: Es sind zerrissene Familien ohne Oberhaupt und Zusammenhalt. Die Familienoberhäupter sind im Gefängnis, in den Bergen oder tot. Die Kinder sind oft aus Not straffällig geworden und sitzen deshalb teilweise im Gefängnis. Armut ist in der ganzen Welt ein Problem, aber in Diyarbakir sind die Zustände mit Afrika vergleichbar. In Afrika sind es die Dürre und die fehlende Infrastruktur. Warum es in Diyarbakir so schlimm ist, dafür haben sie keine logische Erklärung: Denn eigentlich hat die Gegend Entwicklungspotential. Die Armut hier ist durch die Haltung des Staates zustande gekommen. Seit Gründung der Republik ist die Region vernachlässigt worden. Wenn man die Städte hier mit denen im Westen vergleicht, wird das ganz deutlich: Der Staat benutzt die Wirtschaftspolitik als Waffe, weil er die Kurden politisch nicht kontrollieren kann.
Kurdologische Fakultät der Mesopotamischen Universität in Mardin Der Rektor, Prof. Kadri Kamuran, mit dem wir letztes Jahr spr ac hen, wurde verhaftet und kandidiert jetzt als HDPAbgeordneter fürs Parlament. Der neue assyrische Direktor ist weniger politisch An der Kurdologischen Fakultät und nicht in der Opposition. Dadurch hat sich die Situation des Instituts und der Dozenten verschlechtert. Sie bilden weiter Kurdischlehrer aus, auch wenn die Aussicht auf eine Anstellung nicht gut ist. Das Schulbuchprojekt macht Fortschritte. Die Bücher müssen vom Erziehungsministerium
Als die Mitglieder von Sarmaşik-Efeu sahen, dass 30.000 Menschen hungern, haben sie ihre Struktur geändert. Sarmaşik-Efeu ist eine der größten Organisationen, die Lebensmittel verteilen. Sie betreibt Gesundheitsstationen, Schulungen und Ausbildung für Frauen, Beschulung der Kinder und soziologische Studien. Sie haben zwei Part16
BERICHT 2015
Gesprächspartner und Schwerpunkte Diyarbakir II
meist keine Haftverschonung. Der Staat nutzt die kranken Gefangenen offenbar als Druckmittel. Es gibt einen Dialog zwischen Regierung und HDP. Im Oktober gab es schon einen Gesetzesentwurf, der aber angesichts der Ereignisse in Kobane zurückgezogen wurde. Wir verabreden mit Derya Us, uns bei unserer nächsten Reise, 2016, früher zu melden, damit wir eine gemeinsame Aktion planen können.
ner in Deutschland. Einer ist der junge IPPNW-Kollege Serhat Sönmez aus Düsseldorf, der gerade zu Besuch ist. Die Familien, die hier Hilfe bekommen, kommen nicht demütig mit gebeugtem Rücken. Die Organisation versucht den Menschen zu vermitteln, dass es ihr Recht ist, Hilfe zu finden. Die Waren werden in neutrale Tüten gepackt, so dass niemand sieht, dass sie von Sarmaşik kommen. Die Würde der Menschen ist wichtig. Viele andere Organisationen, auch der Staat, demütigen sie wegen ihrer Armut. Zu Beginn sorgte Sarmaşik dafür, dass 73 Straßenkinder wieder zur Schule gehen konnten. Diese Kinder werden von der Grundschule bis zur Universität unterstützt. Sie bekommen ein Stipendium. Vier von ihnen haben ihr Studium abgeschlossen und Arbeit gefunden. Sie arbeiten jetzt ehrenamtlich für die Stiftung. In der letzten Zeit hat Sarmaşik durch die Situation in Kobane und Rojava und die Not der Flüchtlinge viele Spender verloren. UnterstützerInnen aus der ganzen Welt spenden 10-20 türkische Lira, maximal 100 türkische Lira im Monat. Der Staat schikaniert UnterstützerInnen mit bürokratischen Auflagen und Kontrollen (Spendenaufruf: S. 36)
Zum Abschluss der Reise verbringen wir noch einen sonnigen Tag in der Altstadt und auf der Mauer mit einem Live-Konzert in einem der schönen restaurierten Bürgerhäuser. Seit Juli 2015 ist die Mauer UNESCO-Weltkulturerbe. Große TeiIn der Altstadt von Diyarbakir le innerhalb der Mauer sind inzwischen abgerissen, die Bewohner mit ihrem Einverständnis in Wohnblocks außerhalb umgezogen. Noch ist das alte Leben lebendig, die Binnenflüchtlinge, die hier schon lange leben, haben viele syrische Flüchtlinge aufgenommen. Geplant ist eine radikale Sanierung des Viertels, das sich in eine Art Freilichtmuseeum mit Shoppingmall verwandeln soll.
TUHAD-DER
Derya Us, Vorsitzende der TUHAD-DER
An der schlechten Situation der Gefangenen hat sich nichts geändert. Noch immer werden die Kranken nicht ausreichend medizinisch versorgt und die Sterbenden erhalten
SYRISCHE FLÜCHTLINGSKINDER IM FRAUENZENTRUM DIYARBAKIR 17
DELEGATIONSREISE TÜRKEI-KURDISTAN
Van und Hakkâri
BURGBERG IN VAN
FAHRT NACH HAKKÂRI 18
BERICHT 2015
Insel Akdamar
ST.-GIRAGOS-KIRCHE AUF AKDAMAR
AUF DEM VANSEE 19
DELEGATIONSREISE TÜRKEI-KURDISTAN
Notizen zu den Gesprächen zwischen der kurdischen Befreiungsbewegung und der AKP-Regierung Mehmet Desde
Nach Gesprächen zwischen Abdullah Öcalan und VertreterInnen der HDP, der Demokratischen Partei der Völker, auf der Gefängnisinsel Imrali fanden am 28. Februar 2015 Gespräche zwischen der HDPDelegation und Vertretern der türkischen Regierung im Dolmabahçe-Palast in Istanbul statt. An den Gesprächen nahmen Pervin Buldan, Idris Baluken und Sirri Süreyya Önder von der HDP-Delegation teil und für die AKP-Regierung der stellvertretende Ministerpräsident Yalçin Akdoğan, der Innenminister Efkan Ala, der Staatssekretär für öffentliche Ordnung und Sicherheit, Muhammed Dervişoğlu und der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der AKP, Mahir Ünal, teil. Danach gab es erstmalig eine gemeinsame Pressekonferenz der beiden Kriegsparteien. Damit hat die AKP-Regierung Abdullah Öcalan und die PKK als offiziellen Verhandlungspartner anerkannt – das war ein Tabubruch.
Punkte-Erklärung verabschiedet, über die verhandelt werden soll. Bei diesen Punkten geht es unter anderem um demokratische Prinzipien, die Frauenfrage, pluralistische Gesellschaftsstruktur, Identität und Staatsbürgertum, sowie ökologische Fragen. Die Lösung der Kurdenfrage in Nordkurdistan/der Türkei wird dabei als Teil eines allgemeinen Demokratisierungsprozesses betrachtet.
In der Presseerklärung äußerte sich Sirri Süreyya Önder von der HDP-Delegation: „... die Phase des Dialogs, der von Zeit zu Zeit hakt und unterbrochen wurde, ist an einem verantwortungsvollen und ernsten Punkt angelangt.“ Bei den Verhandlungen geht es darum, unter welchen Umständen und wie die PKK ihren bewaffneten Kampf in Nordkurdistan beendet.
Wir wissen, dass wir im Lösungsprozess mit Offenheit, Mut und Entschlossenheit zu einem Ergebnis kommen. Für uns ist wichtig, dass sich beide Seiten bereit erklären, auf eine Niederlegung der Waffen hinzuarbeiten, (...) so dass demokratische Politik als Methode in den Vordergrund rücken kann. Eine demokratische Entwicklung kann erst stattfinden, wenn die Waffen außen vor gelassen werden. In der Demokratie gewinnen dann diejenigen Gedanken, Ansichten und Verfahren an Wert, die für die Bevölkerung wichtig sind. Wir hoffen auf gutes Gelingen und auf die Unterstützung der Nation und sind entschlossen, in diesem Prozess eine Entscheidung zu erreichen. Wir sehen die neue Verfassung als wichtige Gelegenheit, viele grundsätzliche und chronische Fragen zu lösen.
Zuletzt wird eine neue Verfassung als unabdingbar für eine Demokratisierung bezeichnet – Grundlage dafür sei, dass die Grenzen der türkischen Republik nicht in Frage gestellt werden und eine Lösung ohne Krieg im Rahmen der Verfassung angestrebt werde. Auch die AKP will eine neue Verfassung, besteht aber auf einem Präsidialsystem. In der gemeinsamen Pressekonferenz sagte der stellvertretende Ministerpräsident Yalçin Akdoğan:
2013 waren wir sehr froh gewesen, als auf dem Newrozfest die Botschaft Öcalans verlesen wurde, die PKK werde die Waffen niederlegen (siehe Reisebericht von 2013). Und wir sahen zu Hause die Bilder der abziehenden KämpferInnen. Ab September 2013 aber kam der Rückzug zum Stillstand, da die AKP-Regierung keinerlei Entgegenkommen gezeigt hatte. Im Gegenteil: Der Bau von Militärstationen und Grenzposten wurde massiv fortgesetzt und neue Dorfschützer wurden eingestellt, anstatt das Dorfschützersystem abzuschaffen. Die neuen Sicherheitsgesetze nahmen nun zusätzlich jeden Handlungsspielraum.
Entgegen der Erwartungen von Regierung und regierungsnahen Medien stand dabei nicht der Kongress zur Niederlegung der Waffen im Vordergrund, sondern die Betonung, dass die Regierung erst die zehn Punkte zur Demokratisierung aktiv angehen müsse. Der ursprünglich für den Frühling 2015 geplante Kongress wurde somit vertagt.
Besonders wütend mussten die KurdInnen zusehen, wie die türkische Regierung im Kampf gegen den Islamischen Staat auf syrischkurdischem Gebiet die Öffnung eines Hilfskorridors verweigert und die Kämpfer des IS in vielfacher Weise logistisch unterstützt hatte. Öcalan hatte damals mit dem Ende des Friedensprozesses gedroht, sollte Kobane fallen. Und nun doch offizielle Gespräche.
Die Regierung will, dass erst die Waffen in der gesamten Türkei schweigen. Hiermit sind allerdings nur die Waffen der PKK gemeint: Die PKK dürfe das Gewaltmonopol der Regierung nicht in Frage stellen. Auf dem Weg zur Demokratie sei dies die Vorbedingung der Regierung. Die PKK ihrerseits erklärt, die Regierung müsse zuerst demokratisierende Schritte einleiten, bevor die Waffen schweigen könnten – oder dass beides zumindest gleichzeitig erfolgen müsse. Trotz allem ist dies der offizielle Beginn neuer Verhandlungen zwischen der PKK und der Regierung.
Abdullah Öcalan rief dazu auf, einen gemeinsamen Kongress vorzubereiten, auf dem über die Beendigung des bewaffneten Kampfes in Nordkurdistan seitens der PKK verhandelt wird. Es wurde eine Zehn20
BERICHT 2015
Der Lösungsprozess: Gesprächsnotizen
Auf der bei den Newrozfeierlichkeiten am 21. März in Diyarbakir auf Kurdisch und Türkisch vorgetragenen Botschaft Öcalans wurde der Aufruf zu einem Kongress wiederholt, jedoch ohne Bezug auf das Datum Frühling 2015. Öcalan sprach von einem Beobachtungsrat und von einer „Wahrheits- und Auseinandersetzungskommission“, die sich aus Vertretern des Parlaments und des Beobachtungsrats zusammensetzen sollte. Jemand, der die Geschichte der KurdInnen etwas kennt, versteht, dass der Lösungsprozess ein brüchiger ist und die KurdInnen berechtigte Gründe haben, der türkischen Regierung nicht zu trauen. Aus Sicht einer der Kriegsparteien, der PKK, besaß der Krieg von Beginn an eine Berechtigung mit einem demokrati schen Kern. Elementare Rechte der KurdInnen konnten aus ihrer Sicht nur noch mit militärischen Mitteln durchgesetzt werden. Im Verlauf des Krieges änderten sich die Ziele. Zu Beginn war das Ziel des Krieges der PKK ein unabhängiges, vereintes, demokratisches Kurdistan, zu dem alle Teile Kurdistans gehören sollten. 1993 änderte sich dies. Als Ziel wurde eine „demokratische Autonomie“ innerhalb der territorialen Einheiten des türkischen Staates ausgerufen.
DER "LÖSUNGSPROZESS": VERHANDLUNGEN ZWISCHEN HDP UND AKP AM 1. MÄRZ 2015 FOTO: HILMI HACALOĞLU / WIKIMEDIA COMMONS
Cemil Bayik, der KCK-Sprecher forderte, dass die Haftbedingungen von Abdullah Öcalan verbessert werden und die Sicherheitsgesetze zurückgenommen werden müssen. Der Bau von Sicherheitsposten müsse gestoppt werden, das Bandenwesen, das Dorfschützerwesen dürfe nicht weiter entwickelt werden, der Bau von Straßen und Staudämmen zu militärischen Zwecken müsse aufhören. Militärische Operationen des türkischen Militärs und das Auskundschaften von Oppositionellen müssten beendet werden. Danach kam die Erklärung der HDP-Delegation, dass man sich mit der Regierung auf eine Beobachtungsdelegation geeinigt habe und es eine Liste mit 16 Namen gebe. Jedoch wurde Kritik aus der HDP und der PKK laut, die Regierung halte ihre Versprechen nicht ein und leite keine Schritte zu einer Lösung ein.
Nach der Festnahme und dem Prozess gegen Abdullah Öcalan forderte er, die PKK solle ihre eigene Kraft der Macht der Türkei hinzufügen, so dass sie eine dominante Macht im Nahen Osten würde. Dann könne man sich auf minimale demokratische Forderungen beschränken, wie sie in der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung festgelegt sind: so zum Beispiel auf eine Schulbildung in der Muttersprache, eine gesellschaftliche Teilhabe derjenigen PKK-Kämpfer, die die Waffen niederlegen, und auch Verbesserungen der Haftbedingungen für Abdullah Öcalan. Es sei für die PKK sinnlos, dafür Krieg zu führen. Im Gegenteil: Das Erreichen der politischen Forderungen würde so eher verzögert. Der türkische Staat führte von Anfang an einen reaktionären kolonialen Krieg gegen Forderungen nach der Anerkennung nicht-türkischer Nationalitäten. Für dieses Ziel wurden tausende von KurdInnen brutal ermordet. Tausende von kurdischen Dörfern wurden entvölkert. In diesem Krieg wurden in den Reihen der türkischen Armee zehntausende von türkischen, kurdischen und Jugendlichen anderer Nationen gezwungen, eine Uniform anzuziehen und an die Front eines ungerechten Kriegs zu ziehen, der der ihre war. Tausende von türkischen Soldaten starben oder wurden verletzt. Der Krieg der PKK wurde zuerst als „Aufstand einer Handvoll von Plünderern gegen den Staat“ bezeichnet und die Türkei erwartete für sich einen schnellen Sieg. Im Verlauf bekannte sich ein großer Teil der kurdischen Bevölkerung zum Krieg der PKK. Zuletzt dauerte er fast 30 Jahre.
Bei Reden und Gesprächen in Balikesir, Muş und mit Dorfvorstehern betonte Erdoğan, in der Türkei gebe es keine Kurdenfrage mehr: „Meine kurdischen Brüder haben Probleme“, meinte er. Die Antwort aus den Reihen der HDP war, das eigentliche Problem in der Türkei sei die Ein-Mann-Diktatur einer Person, die in illegal errichteten Palästen wohne. Die Äußerungen von Erdoğan waren verkürzt folgende:
Was als Lösungsprozess bezeichnet wird, läuft nicht ohne mich – und erst recht nicht gegen mich. Jeder muss seine Grenzen kennen. Die PKK muss den bewaffneten Kampf einstellen. Ein Zehn-Punkte-Plan legt der Sache nur Steine in den Weg. Es gibt keine kurdische Frage. Es gibt nur ein Problem damit, dass die PKK nicht vom bewaffneten Kampf ablässt. Schritte wie die Versammlung in Dolmabahçe oder die Einrichtung des Beobachtungsrat dienen eigentlich nur der PKK, legitimieren diese und sind kontraproduktiv. Der Prozess muss durch mich geführt werden. In der Verwaltung gibt es in gewisser Weise zwei Köpfe. Die Regierung bezieht mich nicht immer ein. Die Lösung ist das Präsidialsystem!
Gleichzeitig verstärkte sich auch innerhalb der türkischen Bevölkerung die Meinung, die kurdische Frage sei nur in einem demokratischen Prozess zu lösen. Und das geht nur über Verhandlungen. Das kurdische Volk sehnt sich nach Frieden – aber nicht um jeden Preis. Beide Seiten fordern eine neue Verfassung. Aber was die Inhalte einer neuen Verfassung betrifft, sind beide Seiten weit auseinander. Der Weg ist noch lang. Aber die wiederaufgenommenen Verhandlungen sind ein Neubeginn.
(Anmerkung: Als Präsident hat Erdoğan nur beratende Funktion. Er möchte aber regieren. Deshalb dringt er auf eine Verfassungsänderung, die dem Präsidenten mehr Macht einräumen soll.) 21
DELEGATIONSREISE TÜRKEI-KURDISTAN
Feudalstrukturen am Beispiel des Bucak-Clans von Siverek Friederike Speitling
im Auto saßen der Istanbuler Polizeichef Huseyin Kocadag und Sedat Bucak, damals Abgeordneter der regierenden DYP. Sedat Bucak überlebte den Unfall schwerverletzt. Von den Bodygards im nachfolgenden Wagen wurde der Unfallort umgehend „aufgeräumt“. Geld, Waffen, Koffer mit Drogen und gefälschte Dokumente verschwanden. In der türkischen Öffentlichkeit lösten der Unfall und die Zusammensetzung der Opfer Proteste aus. Eine parlamentarische Untersuchungskommission wurde zur Klärung der Affäre eingesetzt. Leider verlief das Verfahren im Sande und Sedat Bucak wurde mangels Beweisen freigesprochen.
Auf der Fahrt von Diyarbakir nach Urfa, kurz bevor der Name Siverek auftaucht, halten wir an einer großen Tankstelle mit Namen Bucak. In diesem Teil Südostanatoliens ist das Land fruchtbar, die sehr großen Felder sind steinfrei gesammelt und gut bestellt. In der Regel sind die Bauern landlos. Sie sind Landpächter oder arbeiten als Tagelöhner für den Bucak-Clan, der in dieser Region den größten Einfluss hat. Der Stammesname Bucak hat eine lange Geschichte und kam des öfteren auch in der türkischen Politik vor. Die Regierung in Ankara versuchte ihre Macht im Südosten durch Einfluss auf die Stämme zu etablieren. Seit den 1950er Jahren wurden die Stammesführer als Abgeordnete in den Systemparteien platziert. Einerseits wurden die Stammesmitglieder in die Regierungsinteressen eingebunden, und andererseits wurde die Clanführung an der Regierungsmacht beteiligt.
Im September 1997 sollte der kurdische Friedenszug „Musa Anter“ von Brüssel nach Diyarbakir stattfinden. 300 Menschen aus ganz Europa, unter ihnen mehrere Friedensnobelpreisträger und etwa die gleiche Anzahl kurdischer Funktionsträger machten sich auf den Weg. Mit dabei waren Gisela und Nesmil aus unserer Reisegruppe, die sich gut an die aufregende Fahrt erinnern. Der damalige deutsche Innenminister Kanter hatte eine Durchquerung von Deutschland mit dem Friedenszug verboten. So wurde ein Flug von Brüssel nach Istanbul organisiert. Von Istanbul aus ging der Zug mit Bussen Richtung Diyarbakir weiter. Kurz vor Siverek wurde der Konvoi von Bucak-Leuten und Militärs gestoppt. Die Demonstration wurde aufgelöst, die Busse nach Istanbul zurück eskortiert. So endete der Friedenszug in Siberek.
1985 wurde das Dorfschützersystem von der Regierung eingerichtet, um die kurdischen Dörfer zu kontrollieren. Diese Paramilitärs wurden von der Regierung bewaffnet und bezahlt. Vom Bezirk Siverek wird erzählt, dass vom Bucak-Clan ca. 10 000 Männer als Dorfschützer zur Verfügung gestellt wurden, die alsbald Angst und Schrecken verbreiteten. Offiziell kassierten aber nur 350 Dorfschützer ein Gehalt aus Ankara. Die nicht bezahlten Dorfschützer begannen sich durch Schutzgelderpressung, Raubüberfälle und andere kriminelle Aktivitäten zu finanzieren. Der offizielle Sprachgebrauch zur Rechtfertigung der Verbrechen war der „Kampf gegen die Terroristen der PKK“. So wurden alle ermordeten Dörfler offiziell zu PKK-Kämpfern erklärt. Am 3. November 1996 wendete sich das Blatt. Durch einen Autounfall kam der meistgesuchte Anführer der grauen Wölfe, Abdullah Çatli, mit seiner Geliebten, dem Model Gonca Oğuz, ums Leben. Mit
Minamie's Photo / creativecommons.org / CC-BY-SA-2.0
Der ländliche Raum im Kurdengebiet Südostanatoliens wird heute noch feudal in Großgrundbesitzermanier regiert. Die Clanchefs bestimmen in der Regel die politische Haltung ihrer Mitglieder. Dies steht in großem Widerspruch zur modernen städtischen kurdischen Gesellschaft.
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BERICHT 2015
Menschenrechtsverletzungen im Osten und Südosten der Türkei Mehmet Bayval
Bilanz der Menschenrechtsverletzungen im Osten und Südosten der Türkei in den Jahren 2006 bis 2014: Der Menschenrechtsverein IHD Diyarbakir erstellt jedes Jahr eine Statistik über die Fälle, die bekannt geworden sind.
In der Tabelle werden die Zahlen im Vergleich der letzten Jahre dargestellt. Man sieht, dass die Todesfälle zurückgegangen sind. Es ist jedoch wieder ein Anstieg von Verhaftungen und Verurteilungen zu erkennen.
2006 Art der Rechtsverletzung In Gefechten Getötete / Verletzte
tot
tot
verletzt
2008 tot
verletzt
2009 tot
2010
verletzt
tot
verletzt
2011 tot
2012
verletzt
tot
verletzt
Sicherheitskräfte
188 273 191 318 184 338
67 102 117 284 149 295 237 459
PKK-Einheiten
114
5 196
72
13 100
Durch unbekannte Täter und Sicherheitskräfte getötete ZivilistInnen Minenopfer und Opfer von Explosionsmaterialien Sicherheitskräfte, die unter ungeklärten Umständen starben oder verletzt wurden
Suizide und Suizidversuche
2007
verletzt
30 147
14
68
72
30
63
95
81
54
31
58
26
35
10 169
6 284
70 115 114 199 6
42
6
49
1
7
11
28
56 228
28
35
4
13
12
26
tot
verletzt
14
10
9
1
56 103 2
20
9
3
14
7
47
1
45
4
31
6
27
4
22
1
51
36
42
26
51
16
36
14
85
63
64
23
41
8
32
13
29
7
Männer
40
25
46
25
52
15
39
14
82
49
57
22
45
22
34
4
29
6
Kinder
23
8
38
11
36
14
34
8
39
12
28
15
20
4
14
12
8
Soldaten/Polizei
6
13
4
17
6
27
4
26
5
11
5
12
4
2
1
11
12
4
27
23
5
8
1
4
8
5
Gesamtzahl der Getöten und Verletzten
10
4 133
2014
verletzt
Frauen
Ehrenmorde (Frauen-Männer-Kinder)
2
15
16 194
2013 tot
7
6
1
6
4
532 508 656 523 612 529 423 271 629 585 666 619 741 777 185 82
181 158
Verhaftungen
2822
2681
4847
4475
3706
6306
4418
1352
Inhaftierungen
1094
730
1809
1444
987
1917
1475
364
669
Vorwurf über Folter und schlechte Behandlung mit Übergriffen
334
232
798
1016
741
1555
876
395
1480
Eingriffe während gesellschaftlicher Anzahl Ereignisse Ereignisse Verletzungen
15
28
105
236
221
494
213
130
230
425
31
173
373
222
932
315
112
1106
Anzahl der Personen, die angeklagt wurden und eine Strafe hinnehmen mussten
1777
2974
5315
1917
3368
2201
1971
984
1493
Menschenrechtsverletzungen in den Gefängnissen
165
147
799
931
933
1412
3263
1431
406
Wirtschaftliche und soziale Rechtsverletzungen
113
407
1369
670
1311
1206
395
3565
8161
1893
839
2490
5712
7553
6663
2367
1890
10302
17195
14246
18415
24870
21107
10967
19614
Andere Menschenrechtverletzungen (ungeklärte Todesfälle, Frauen, Kinder und Menschenrechtsverletzungen gegen behinderte Menschen und Bildung-Gesundheit-EigentumWohnen-Reisen-Umwelt-Kultur. Verbrennung der Wälder, Verbote, Land zu nutzen nicht herausgegebene Leichnamen, Diskriminierung .) Gesamtzahl der Menschenrechtsverletzungen
7785
Quelle: IHD / Menschenrechtsverein Sektion Diyarbakir, Kontakt: diyarbakir@ihd.org.tr
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3840
DELEGATIONSREISE TÜRKEI-KURDISTAN
FLÜCHTLINGSLAGER FINDIKLI BEI DIYARBAKIR
Jesiden auf der Flucht Sigrid Ebritsch
Wie viele von den JesidInnen auf der Flucht ums Leben kamen, als sie in das nahe gelegene Sindschar-Gebirge geflohen waren und dort bei Hitze und ohne Trinkwasser und Nahrung ausharren mussten, ist nicht bekannt.
Während unserer Delegationsreise im März 2013 besuchten wir auch das religiöse Zentrum der Jesiden, Lalisch, im Norden des Irak. Damals ahnte keiner von uns, dass gut ein Jahr später die Jesiden, die in der westlich von Mossul gelegenen Sindschar-Region lebten, auf grausamste Art und Weise vertrieben werden würden. Im August 2014 haben Extremisten der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) das letzte Hauptsiedlungsgebiet der Jesiden, die Region Sindschar im Nordwesten des Irak, überrannt und unter ihre Kontrolle gebracht.
Erst den Kämpferinnen und Kämpfern der PYD und PKK gelang es, einen Korridor zu schaffen und den geflohenen JesidInnen einen Fluchtweg in Richtung Syrien und in die Türkei zu ermöglichen. Dort sind die aus dem Nordirak geflohenen JesidInnen in verschiedenen Städten und Kommunen, zum Teil bei Verwandten und zum größten Teil in unterschiedlichen Lagern untergebracht, z. B. in Batman, Mardin und Diyarbakir.
Die Anhänger dieser jahrtausendealten Religion wurden und werden diskriminiert und als Ungläubige, Teufelsanbeter und Gottlose verfolgt – vom IS, aber auch von anderen Gruppierungen im Irak und in der Türkei.
Einigen wenigen, die noch ihre finanziellen Mittel retten konnten, ist es gelungen, weiter in den Westen – nach Europa – zu fliehen. Das bevorzugte Ziel ist Deutschland, weil dort mit 60.000 Menschen die größte jesidische Exilgemeinde zuhause ist.
Berichten zufolge konnten ca. 400.000 Jesiden aus ihren angestammten Dörfern und Städten vor dem IS fliehen. Wer nicht fliehen konnte und es abgelehnt hat, zu konvertieren, wurde hingerichtet. Auch muslimische Nachbarn sollen sich gegen die Jesiden gewandt haben und mit dem IS sympathisiert haben. Sie sollen sich an Erschießungen, Plünderungen und Vertreibungen der Jesiden beteiligt haben. Der IS ging, wie überall, außerordentlich grausam vor. Sie trennten die Männer von Frauen und Kindern. Die Männer wurden zum großen Teil erschossen, die Frauen geschlagen, getreten und brutal zum Teil von mehreren Männern vergewaltigt. Berichten zufolge wurden insgesamt 5.000-6.000 jüngere Frauen entführt und teils als Sklavinnen an Islamisten verkauft. Viele vergewaltigte jesidische Frauen sind für ihr Leben gezeichnet. Sie können nicht in ihre Familien zurück, da sie als unrein gelten. Häufig sehen sie den Selbstmord als einzigen Ausweg.
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BERICHT 2015
Verloren und hoffnungslos: Eindrücke aus einem jesidischen Flüchtlingslager Sigrid Ebritsch und Margit Iffert
Einzig die Stadt Diyarbakir hat sich der jesidischen Flüchtlinge angenommen. Die Hilfe belastet den städtischen Haushalt enorm. Rund 25.000 Euro muss die Stadt jeden Tag für das Lager aufwenden. Die Menschen erhalten dreimal am Tag Verpflegung. Meistens gibt es Gemüse und Getreide, einmal in der Woche Fleisch. 100 Menschen teilen sich eine Toilette und eine Dusche. Die Stromkosten machen einen hohen Anteil der Gesamtkosten aus. Der Stromverbrauch schlägt monatlich mit ca. 170.000 Euro zu Buche. In dem kalten osttürkischen Winter wurden die Zelte bis in den März hinein mit Strom beheizt. Selbst jetzt, Ende März, schneit es. Aber die Verantwortlichen fürchten den Sommer. Es kann in der Tigris-Ebene bis zu 50 Grad heiß werden. „Im Sommer können die Flüchtlinge hier nicht bleiben“, warnt die Campleiterin.
Auf unserem Weg zum Newroz-Fest in Diyarbakir sehen wir ca. 15 km vor der Stadt Reihen von grau-weißen Zelten. Es ist das Camp Findikli, wo 3.750 jesidische Flüchtlinge aus Sindschar im Nordirak seit acht Monaten ausharren. Die Ärztekammer von Diyarbakir ermöglicht es uns, das Camp zu besuchen. Für den türkischen Staat gelten die Jesiden als Illegale. Deshalb erhalten sie keinen Flüchtlingsstatus. Im Unterschied zu den Flüchtlingen aus Syrien erhalten die Jesiden aus dem Nordirak keinen legalen Aufenthaltstitel. Abgeschoben werden sie auch nicht. Der türkische Staat ignoriert sie. Dadurch gibt es auch keine internationale Hilfe. Die Menschen, die in Camp Findikli auf der Flucht vor den Gräueltaten des IS gestrandet sind, sind schwer traumatisiert. Für sie gibt es keinerlei medizinische und psychologische Betreuung. Die Flüchtlinge haben keinen Anspruch auf staatliche medizinische Versorgung. In den Krankenhäusern müssen sie privat bar bezahlen. Doch Geld haben die Wenigsten. Die lokale Ärztekammer der Stadt Diyarbakir hat einen ehrenamtlichen Dienst auf die Beine gestellt. Freiwillig und ohne Entgelt arbeiten Ärzte aus Diyarbakir stundenweise in der kleinen Krankenstation im Camp. Die Apotheker der Stadt haben Medikamente gesammelt. Aber das alles reicht nicht aus für ein Lager von der Größe einer Kleinstadt. Nicht alle Medikamente sind vorrätig. Viele Menschen bleiben unbehandelt und mit ihren Traumata und Erkrankungen allein. Verbreitet sind besonders Erkältungen und Hautkrankheiten.
Bei unserem Besuch scharen sich schnell einige junge Jesiden um uns. Sie sind verzweifelt und zornig. Seit acht Monaten wissen sie nicht, wie es weiter geht. Sie können nicht zurück in die noch immer vom IS bedrohte Sindschar-Region und haben in der Türkei keine Perspektive. Sie fühlen sich verlassen. Die Männer klagen, dass die Gesundheitsversorgung nicht ausreicht und zu wenig Mitarbeiter im Camp sich um die Flüchtlinge kümmern. Insgesamt hat die Stadt Diyarbakir im Flüchtlingslager 80 haupt- und ehrenamtliche MitarbeiterInnen im Einsatz. Die Stadt tut ihr Mögliches, ist unser Eindruck. Das Camp liegt auf einem ehemaligen Sportund Picknickgelände. Es gibt einen Volleyballplatz, ein Fernsehzelt und Schulunterricht für 160 Kinder. Die Hoffnung der JesidInnen ist Europa. Aber sie sind in den vergangenen Monaten immer enttäuscht worden. „So viele Delegationen waren hier, heute Ihr Deutschen, gestern Italiener, letzte Woche Franzosen. Aber nichts ist passiert“, sagt ein junger Mann bitter.
Die von der Stadtverwaltung eingesetzte Leiterin des Lagers betont, dass die psychische Verfassung der jesidischen Flüchtlinge das größte Problem ist. So kommt es im Camp öfter zu Selbstmordversuchen von jungen Frauen.
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DELEGATIONSREISE TÜRKEI-KURDISTAN
BLICK AUF DAS ZERSTÖRTE KOBANE VON SURUÇ AUS
Kobane und die kurdische Solidarität
um Lücken in die Menschenkette zu schlagen, damit Waffen und ISKämpfer durchgelassen werden konnten. In Urfa und Gaziantep gab es Krankenhausbetten zur Versorgung der IS-Kämpfer. (Natürlich wollen wir als ÄrztInnenorganisation, dass alle Verletzten versorgt werden.) Die verletzten KurdInnen aber mussten meist in Privathäusern versorgt werden oder wurden verhaftet.
Christa Blum In keinem der Gespräche, die wir führten – mit welcher Organisation auch immer – fehlte der Name Kobane. Und alle kannten Menschen, die dorthin gefahren waren, um zu helfen – manche von ihnen waren gestorben.
Erst wenige Tage vor Ende der Kämpfe um Kobane wurde von türkischer Seite ein Flüchtlingslager für 25.000 Menschen eröffnet. Nun liegt die Stadt Kobane in Trümmern – wir sehen es von der anderen Seite der Grenze. Viele der Flüchtlinge sind inzwischen in die Stadt zurückgekehrt. Da die meisten Häuser zerstört sind, können sie die Zelte mitnehmen. In der Stadt fehlt es an Wasserversorgung, großen Geräten, Baumaterialien, Elektrizität, an medizinischer Versorgung und an fast allem anderen. Es gibt die Angst vor Minen. Frauen und Kinder sollen möglichst noch nicht zurückgehen.
Der Kampf des Islamischen Staats gegen die drei „Rojava“ genannten syrisch-kurdischen Gebiete nahe der türkischen Grenze hatte international großes Aufsehen erregt. In vielen Städten der Türkei und in anderen Ländern waren Menschen für Kobane auf die Straße gegangen, um ihre Solidarität zu zeigen. Die Demonstrationen, Informationszelte und Veranstaltungen in Deutschland zu Kobane zeigten uns auch hier die nicht nur für die KurdInnen existenzielle Bedeutung dieser Stadt. Und so machten auch wir uns auf den Weg Richtung Kobane – in die Stadt Suruç auf der türkischen Seite der Grenze. Im Büro der HDP berichteten uns der Vorsitzende und andere Anwesende von der Zeit der militärischen Auseinandersetzungen.
Wofür steht Kobane als Teil von Rojava? Rojava ist Symbol des Glaubens und des Versuchs einer demokratischen Gesellschaft, die alle Bevölkerungsgruppen unabhängig von Religion oder Ethnie einbezieht, einer Gesellschaft ohne nationalistische Grenzen, in der Frauen neben Männern gleichberechtigt sind. Das bedeutet auch Widerstand gegen den Zentralismus, den Machismo, gegen die diktatorischen Tendenzen des türkischen Staates und seine neoliberale Politik. Der Neuaufbau von Kobane soll ohne monopolistische Bauindustrie stattf inden. Kobane bedeutet auch, dass der Mythos der Unbesiegbarkeit des IS gebrochen ist, auch wenn der Kampf so viele Opfer gefordert hat.
Sie berichteten darüber, als sei es gestern gewesen: Die Verletzten, die anfangs nicht über die syrisch-türkische Grenze gelassen wurden – wie die Menschen geschrien haben „Grenze für Verletzte aufmachen! Lasst sie durch!“ Und erst als immer mehr Flüchtlinge kamen – zuletzt waren es 30.000 – wurde die Grenze geöffnet. Und wie sollten sie alle Flüchtlinge unterbringen und versorgen? Anfangs in Privatunterkünften, dann in Zelten. Es gab Mangel an so vielem. Dazu die Angst, dass Angehörige oder FreundInnen verletzt oder tot sein könnten. Und wie könnte man den Kämpfenden helfen ?
Kobane steht für den Stolz der KurdInnen darauf, dass sie mit all ihrem Mut und Einsatz die Terrormiliz besiegen konnten. Die Welt schenkt einem fast vergessenen Volk von 40 Millionen Menschen weltweit wieder Beachtung. Es ist ein alter Traum von Demokratie, den die Kurdinnen und Kurden besonders in Rojava zu realisieren versuchen. Dieser Versuch steht dem Denken des IS, aber auch der Politik des türkischen Staates massiv entgegen.
Es gab eine 25 km lange Menschenkette von UnterstützerInnen aus der Türkei entlang der Grenze, um zu verhindern, dass militärisches Material an den IS geliefert wird. Und wieder die Erfahrung, dass der türkische Staat vor nichts mehr Angst zu haben scheint, als dass die KurdInnen politisch gestärkt werden. Nachts kamen Wasserwerfer, 26
BERICHT 2015
AUF DER INSEL AKDAMAR: DIE ARMENISCHE KIRCHE ZUM HEILIGEN KREUZ
Seit 100 Jahren: Leugnung des Völkermordes durch den türkischen Staat Mehmet Desde
Armenische Frauen, Kinder und GreisInnen wurden aus ihren Häusern gezerrt, in langen Kolonnen auf eine „Reise ins Nichts” getrieben, wie es der damalige Innenminister Talat Pascha in einem Telegramm ausdrückte. Armenische Frauen wurden auf diesen Todesmärschen von Soldaten und marodierenden Banden vergewaltigt, gefoltert und ermordet. Zahllose ArmenierInnen verhungerten und verdursteten in der syrischen Wüste Deir ez-Zor, dem „Nichts”
In Istanbul wurden vor 100 Jahren, in der Nacht des 24. April 1915, hunderte armenische Intellektuelle, die kulturelle Elite der armenischen Nation, festgenommen. Sie wurden vom osmanischen Staat verschleppt und fast alle ermordet. Die türkisch-osmanische Presse bejubelte die Verhaftungswelle als Aktion zur „Zermalmung des Kopfs der Schlange”. Im spätosmanischen Reich wurden immer wieder Pogrome gegen die armenische und nicht-islamische, meist christliche Bevölkerung verübt.
Heldenhafter Widerstand armenischer Gemeinschaften und WiderstandskämpferInnen, wie auf dem Berg Musa Daghi, konnten die Mordmaschinerie nicht aufhalten. Nur sehr wenige mutige türkische und kurdische Menschen standen dem armenischen Volk bei.
Aber am 24. April 1915 nahm die Verfolgung eine andere Dimension an. Es war der blutige Auftakt zum Völkermord an eineinhalb Millionen Armeniernnen und Armeniern. Die islamische und türkisch-nationalistische Regierung des „Komitees für Einheit und Fortschritt“ (Ittihat ve Terakki Cemiyeti) setzte eine systematisch von staatlichen Stellen und Heer durchgeführte ethnische Säuberung in Gang. Auf die Festnahme der armenischen Intellektuellen folgte in Anatolien – und vor allem in Westarmenien – eine blutrünstige Hetzjagd auf das armenische Volk.
Die Armenier sind eines der autochthonen Völker Anatoliens, das aus seiner Heimat vertrieben und in der syrischen Wüste vernichtet wurde. Seine Kulturzeugnisse, Architektur, Hand- und Kunstwerke, Literatur und Musik wurden zerstört. Diesen Völkermord haben im Osmanischen Reich nur wenige zehntausend ArmenierInnen überlebt, weil sie ihre Identität geheim halten konnten oder zwangsweise zum Islam konvertierten. Elternlose armenische Kinder wurden von türkischen und kurdischen Familien aufgenommen und zwangsassimiliert.
Unter der muslimischen, türkischen und kurdischen Bevölkerung wurde chauvinistischer, religiöser Hass gegen Armenier und Christen geschürt. Die staatlichen Instanzen stachelten sie zum Mord an ihren armenischen Nachbarn und zum Raub von deren Hab und Gut an. Die in der osmanischen Armee dienenden armenischen Männer wurden entwaffnet und wie alle anderen armenischen Männer zur Sklavenarbeit gezwungen und so meist zu Tode geschunden. Die Überlebenden dieser Torturen wurden entweder direkt von den Soldaten der osmanischen Armee bestialisch massakriert oder zur Ermordung örtlichen bewaffneten Banden überlassen.
In der offiziellen, osmanischen Sprachregelung wurde der Genozid an den Armeniern als „Umsiedlung“ verbrämt und als „kriegsbedingte Maßnahme“ gerechtfertigt. Denn 1914 war das Osmanische Reich an der Seite Deutschlands und Österreich-Ungarns in den ersten imperialistischen Weltkrieg gezogen. An dem vom türkisch-osmanischen Staat verübten Völkermord an den Armeniern tragen alle im27
DELEGATIONSREISE TÜRKEI-KURDISTAN
Berichte
ganz kleiner, positiver Schritt, der aber angesichts zum Beispiel der aktuellen Politik nur auf der Ebene von Lippenbekenntnissen bleibt – so zum Beispiel die Bildungspolitik: Die neuen Schulbücher 2014/2015 tischen wieder alle bisherigen Verleumdungen, Lügen und Geschichtsfälschungen über den Völkermord auf. Die SchülerInnen „lernen“, dass das Wort „Armenier“ ein Synonym für „Feind“ und „Verräter“ ist.
perialistischen Großmächte eine Verantwortung: Frankreich, England, Italien, Russland – vor allem aber Deutschland. Hohe Generäle der deutschen kaiserlichen Armee hatten Führungspositionen im Generalstab der osmanischen Armee. Sie waren über jeden Schritt in diesem Völkermord informiert, involviert und haben ihn aktiv unterstützt. Im Zusammenspiel dieser Großmächte wurden die Verbrechen dem Vergessen und der Verdrängung übergeben. Auf Druck der Siegermächte England und Frankreich schuf das Osmanische Reich im besetzten Istanbul 1919-20 Sondertribunale. Darin wurden aber nur einige osmanische Militärs und Verwalter wegen „Kriegsvergehen“ schuldig gesprochen. Von Völkermord war keine Rede, die politischmilitärisch Verantwortlichen und Befehlshaber wurden nicht zur Rechenschaft gezogen.
Was fühlen armenische SchülerInnen, deren Vorfahren hingemetzelt wurden, angesichts dieser Geschichtsverfälschung? Welchen Anfeindungen sind sie ausgesetzt? Bis auf den heutigen Tag ist die armenische Gemeinschaft in Nordkurdistan Rassismus, türkischem Chauvinismus, Verfolgung und Diskriminierung ausgesetzt. Hrant Dink, ein Aktivist für die Völkerversöhnung und für die armenische Identität, wurde 2007 eines seiner Opfer. Noch heute ist dieser Völkermord ein Tabu und sein Aussprechen lebensgefährlich.
Für die auf den Trümmern des Osmanischen Reiches 1923 gegründete kemalistische Republik Türkei gab es keine „Armenierfrage”. Ihre Politik beruhte auf der Leugnung des Völkermordes sowie auf der Unterdrückung der kurdischen Nation und anderer nationaler und religiöser Minderheiten wie der wenigen überlebenden Armenier, Assyrer, Pontosgriechen, Araber, Roma, Sinti und anderer.
In diesem Jahr haben wir mit unserer Delegation die Stadt Van besucht. Wie schon bei einem früheren Besuch haben wir auch die Burg angesehen. Als ich sie betrat, führte mich meine Erinnerung 100 Jahre zurück. Van war einst eine armenische Stadt. Was ist mit diesen Menschen passiert? Wie wurden sie ermordet? Mir kam der armenische Widerstand vom April 1915 in Van in den Sinn. Diese Burg war einer der Orte, an denen es zu Zusammenstößen gekommen war. Hier war 1885 die erste armenische Partei, Armenakan gegründet worden. Später gründete sich 1887 in Genf die Revolutionäre Hinçak-Partei und 1890 folgte in Tiflis die Gründung von Taşnaksutyun (Armenische Revolutionäre Föderation). Alle drei Parteien waren in Van ziemlich gut vertreten. Im Oktober 1914 wurde der Schwager von Enver Pascha, Cevet Bey zum Gouverneur von Van ernannt. In dieser Zeit nahmen die zuvor geplanten Übergriffe auf die Armenier, die als potentielle Kriminelle betrachtet wurden, zu. Die in der Umgebung von Van lebenden Armenier wurden von Kurden ermordet. Armenische Bauern, die vor den kurdischen Banden flohen, füllten Van. Cevdet Bey, der Gouverneur von Van begnügte sich nicht damit und erteilte dem „Schlachter-Bataillon“, das unter seinem Befehl stand, den Auftrag, die armenischen Dörfer zu zerstören. Gegen Mitte April wurden alle führenden Köpfe der in Van lebenden Armenier auf Befehl des Gouverneurs verhaftet und getötet. Die Waffen der in den Dörfern lebenden Armenier wurden konfisziert. In Erciş wurde alle armenischen Männer auf den Dorfplätzen versammelt und erdrosselt. Am 15. April wurden im Dorf Akants bei Van 500 Armenier durch die osmanische Regierung standrechtlich erschossen. Die Massaker wurden in 80 Dörfern von Van fortgeführt. In drei Tagen starben 24.000 Armenier.
In den 1970er und 1980er Jahren brachen bewaffnete armenische Diaspora-Organisationen wie ASALA (Armenische Geheime Armee für die Befreiung Armeniens) durch Attentate auf türkische Diplomaten im Ausland das anhaltende Schweigen über diesen Völkermord und zwangen die türkischen Regierungen, sich zu erklären. Die türkische Geschichtsschreibung lautete bisher:
Aufgrund der Wirren des ersten Weltkrieges brachen armenische Aufstände in Ostanatolien aus; armenische Banden überfielen türkische Dörfer und mordeten türkische Bauern; armenische Banden haben in Zusammenarbeit mit Russland die osmanische Armee an der Ostfront bedroht. Bei diesen Kriegsereignissen war auch die armenische Zivilbevölkerung betroffen. Um die Lage an der Ostfront zu bereinigen und die Zivilbevölkerung zu schützen, wurde die Umsiedlung der armenischen Bevölkerung beschlossen. Dabei kam es aufgrund der schweren Kriegsumstände zu einigen nicht wünschenswerten Ereignissen. Aber der von einigen Türkeifeinden erfundene Völkermord ist nichts als eine Lüge. Als dies nicht mehr ausreichte, hat die türkische Bourgeoisie durch die AKP-Regierung Anfang des neuen Jahrtausends ihre Position umformuliert. Nun hieß es: „In der Geschichte beider Völker seien unerwünschte Ereignisse geschehen. Die Bewertung der historischen Fakten solle aber den Historikern überlassen werden.“
Am 20. April 1915 wurde ein osmanischer Soldat gegen eine armenische Frau gewalttätig. Armenische Jugendliche, die dies sahen, schossen – und damit begann der Widerstand. Während es in Van zu Gefechten kam, wurden die führenden Köpfe der Armenier in Istanbul vom 24. April an nach Ayaş und Çankiri deportiert. Der Gouverneur von Van, Cevdet Bey verließ am 14. Mai 1915 Van und ließ sich
2013 hat der damalige Ministerpräsident und heutige Präsident Erdoğan zum ersten Mal sein „Beileid auch den in den unerwünschten Ereignissen gestorbenen armenischen Brüdern” ausgesprochen. Ein 28
BERICHT 2015
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in Başkale nieder. Der armenische Widerstand von Van dauerte bis zum 19. Mai 1915. Am 20. Mai 1915 besetzte die russische Armee Van. Die russischen Einheiten setzten in dem unter Kontrolle der Armenier stehenden Van Aram Manukyan als Gouverneur ein.
Der aus Diyarbakir/Amed stammende Armenier Gaffur Türkay traf unsere Delegation in der armenischen Sankt-Giragos-Kirche. Er berichtete über die fortgesetzte Verfolgung der Armenier in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts:
Ich war betrübt, dass anlässlich des 100. Jahrestags des Völkermords an den Armeniern keine Feierlichkeiten in Van durchgeführt wurden.
Am 100. Jahrestag des Völkermords an den Armeniern fehlt es an Sensibilität. Anfang des 20. Jahrhunderts waren 60 % der Bevölkerung von Amed Christen und 40 % Moslems. An diesem Beispiel kann man erkennen, wie es in der gesamten Türkei aussah. Im heute türkischen Teil des osmanischen Reiches lebten 2,5 Millionen Armenier. Jetzt wären wir 20 Millionen. Damit würden die Armenier ein Viertel der Bevölkerung ausmachen. Was ist mit ihnen passiert?
Ohne einen Besuch in der Akdamar-Kirche (Kirche zum Heiligen Kreuz) konnten wir Van nicht verlassen. Sie wurde zwischen 915 und 921 unter Gagik Abu Morvan Ardzruni I., dem Herrscher von Vaspurakan durch Keşiş Mimar Manuel auf einer kleinen Insel im Vansee erbaut. Die Kirche wurde von der türkischen Regierung restauriert und am 29. März 2007 als Museum eröffnet. In der Kirche, deren Umgebung erneuert wurde, ist es den Armeniern gestattet, ein Mal im Jahr einen Gottesdienst abzuhalten. Der erste Gottesdienst fand 2010 statt und der sechste wird im September 2015 stattfinden. Der Name der Insel wurde türkisiert und in Akdamar geändert. Jedes Mal, wenn ich auf diese Insel fahre, wenn ich die Gegend besuche, in der das armenische Volk einst lebte, kommen mir die Massaker und die Art, wie die armenische Nation vernichtet wurde, in den Sinn. Die Armenier, die den Völkermord überlebten, wurden wie die Kerne eines Granatapfels in viele Teile der Welt verstreut.
Zwischen 1970 und 1980 gab es in Amed zwischen 300 und 400 armenische Familien. 1974 kam es zum Zypernkrieg. Dieser Stadtteil hier wurde als Stadtteil der Ungläubigen bezeichnet. Ein Mullah versammelte die Menschen. Die Armenier wurden zu Sündenböcken für die Probleme mit Zypern erklärt. Morddrohungen gegen armenische Mitbürger wurden laut. Wegen der Aufstachelung durch die Mullahs sind die armenischen Familien fortgezogen. Es sind 30-40 Familien geblieben. Diese Familien waren bis in die 90er Jahre hier. Als die Morde anonymer Täter mehr wurden, sind auch die restlichen Familien fortgezogen. Den Genozid von 1915 überlebten hauptsächlich drei Gruppen: Die schönsten Frauen und jungen Mädchen – Kinder, die in kurdische Familien aufgenommen wurden, welche es meist auf den Besitz der Eltern abgesehen hatten, und Handwerksmeister, die für ihre hohe Kunstfertigkeit bekannt waren. Es gab damals Armenier, die zu Muslimen wurden. Es wird geschätzt, dass es drei bis vier Millionen konvertierte Armenier gibt. Die konvertierten Armenier wurden assimiliert. Ich wurde hier geboren. Meine Muttersprache ist Kurdisch. Bis vor fünf Jahren war ich Muslim. Uns wurde viel Leid zugefügt.
WIEDERAUFGEBAUT: DIE ARMENISCHE KIRCHE ZUM HEILIGEN KREUZ Am 24. April 2015 sollten zum 100. Jahrestag des Völkermords meinen Informationen nach in Diyarbakir zum ersten Mal Gedenkfeiern und Versammlungen abgehalten werden. Es ist erfreulich, dass mit Unterstützung des Gomidas-Instituts, des IHD Diyarbakir, der Anwaltskammer Diyarbakir, der Stadtverwaltung der Großstadt und von Sur, sowie dem sozio-politisch-ökonomischen Rechercheinstitut Zan, der Sankt-Giragos-Kirche und durch Nor Zartonk Veranstaltungen unter freiem Himmel und mit Podium abgehalten werden sollen. Neben Diyarbakir wird es auch in Bitlis und Batman Podiumsdiskussionen geben. In den anderen Provinzen von Nordkurdistan – Mutki, Sasun und Van – werden zum Gedenken Kirchen und Klöster besucht. 29
In vielen Provinzen Nordkurdistans wurden Massaker an den ArmenierInnen verübt. In jeder Region, in der es zu solchen Massakern kam, hat die lokale Bevölkerung eine aktive Rolle gespielt. Das kurdische Volk muss sich mit der Realität des Völkermords an den ArmenierInnen auseinandersetzen. Es ist zu begrüßen, dass etliche kurdische PolitikerInnen und die HDP den Völkermord an den ArmenierInnen anerkennen. Auch wenn es ein positives Signal ist, den Völkermord auf einer theoretischen Ebene anzuerkennen, reicht das allein nicht aus. Den theoretischen Bekenntnissen muss eine entsprechende Praxis folgen.
Auch der deutsche Staat war wesentlich an den Verbrechen beteiligt. Das Buch von Jürgen Gottschlich „Beihilfe zum Völkermord“ (Christoph Links Verlag 2015, ISBN 978-3-86153-817-2) beschreibt ausführlich Deutschlands Rolle bei der Vernichtung der Armenier.
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Berichte Touristische Aufbruchsstimmung: Kurdistan besinnt sich auf seine Tradition der Vielfalt: Margit Iffert
Wein hier, im ältesten Anbaugebiet der Welt, noch „versteckt“, so macht heute ein kleiner Weinladen nach dem anderen auf. In den hübsch dekorierten Schaufenstern der Altstadt liegen die Flaschen offen aus. Keiner scheint sich mehr daran zu stören. Der Oberbürgermeister hofft, dass es gelingen wird, die Zahl der Touristen in den nächsten Jahren zu verdreifachen. Nach seinen Angaben besucht jährlich rund eine Million Touristen die Stadt. Seine Überlegungen zielen aber nicht nur darauf, die Zahl der Touristen, sondern auch die Dauer ihres Aufenthalts zu erhöhen. Denn viele bereisen drei herausragende Sehenswürdigkeiten des Südostens an einem Tag: Mardin, Midyat und Hasankeyf. Das werde der Bedeutung und der einzigartigen Atmosphäre dieser Orte nicht gerecht.
„Bitte sagen Sie den Menschen in Deutschland: Hier ist es sicher. Sie können unbesorgt kommen,“ appelliert Ahmet Türk an unsere Gruppe. Der 73-jährige ist eine der großen Persönlichkeiten der kurdischen Politik. Seit vergangenem Jahr ist er Oberbürgermeister von Mardin und die Entwicklung des Tourismus steht auf seiner Agenda ganz weit vorn. Ahmet Türk ist eine aristokratische Erscheinung, ein Mann, der in seinem Leben gegen viele Widerstände stets für seine Überzeugung eingetreten ist. Jetzt, in seinem Amt als Oberbürgermeister, setzt er viele Zeichen dafür, dass die „multiethnische und multikulturelle Tradition“ der uralten Stadt neu auflebt. Bewusst hat Türk Dr. Leyla Ferman, eine junge, in Deutschland aufgewachsene Jesidin, für internationale Beziehungen eingestellt. Es ist eine Personalie, die für den liberalen Geist steht, der durch die engen Gassen Mardins weht, das nach den Worten Türks mit seiner 5.000 Jahre alten Geschichte zu den ältesten Städten im Nahen Osten zählt. Kirchen sind in den letzten Jahren restauriert worden, das Kreuz ist sichtbar in der Silhouette der Stadt. Wurde vor wenigen Jahren der
Es ist für das kurdische Gebiet der Türkei ein schwerer Rückschlag, dass jenseits der türkischen Grenze im Irak und in Syrien ein mörderischer Krieg tobt und damit viele Touristen vor der Reise abschreckt. In den Jahren des Terrors war der Osten der Türkei ein dunkles Land, Terra incognita für die allermeisten Türken im Westen des Landes. Gerade im inländischen Tourismus steckt Potential. Denn „der Westen“ ist durchaus neugierig. Eine in den letzten Jahren stark gewachsene türkische Mittelklasse hat außerdem die finanziellen Mittel, um den unbekannten Osten zu bereisen. Seit der Friedensprozess ausgerufen wurde, hat sich die Zahl der in- und ausländischen Gäste stetig erhöht. Vor zwei Jahren wurde die Zwei-Millionen-Grenze überschritten. Die Infrastruktur ist da: Flughäfen, gute Straßen, Hotels jeder Preisklasse. In den Tourismus wird investiert: Göbekli Tepe beispielsweise, konnte unsere Gruppe beobachten, wurde innerhalb eines Jahres professionell zu einem Besucherzentrum ausgebaut – mit einem modernen und umweltverträglichen Konzept.
MARDIN
Foto: Nevit Dilmen / creativecommons.org / CC BY-SA 3.0
„In den Provinzen (…) Urfa, Diyarbakir, Mardin, Batman, Bitlis (…) Hakkâri und Van besteht ein erhöhtes Risiko für Reisende. Die aktuelle Berichterstattung sollte aufmerksam verfolgt werden.“ So warnt das Auswärtige Amt in Berlin (Stand Juni 2015). Das ist nicht gerade förderlich für den Tourismus im Südosten der Türkei. Rund 900 km lang ist die Grenze der Türkei zu den Nachbarn Syrien und Irak. Das Auswärtige Amt warnt eindringlich davor, sich in Grenznähe zu begeben. Wie sicher ist die Region? Von den Dachterrassen der Restaurants in Mardins Altstadt hat man einen weiten Blick in die mesopotamische Tiefebene. Dort verläuft die syrisch-türkische Grenze, die Häuser in der Ferne stehen auf syrischem Staatsgebiet. 20, 30 km Luftlinie mögen es sein. Ist das aus Sicht des Auswärtigen Amtes nah?
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HARRAN
BERICHT 2015
Berichte
Harran
In Diyarbakir, von der Touristinformation die „Stadt aus Steinen und Träumen“ genannt, wird ebenfalls stark auf den Tourismus als Wirtschaftsfaktor gesetzt. Und so wie Mardin erinnert sich auch Diyarbakir an seine multiethnische und multireligiöse Historie. Es ist ein besonderes Gefühl, unter einem mächtigen Holzdach auf den Bänken in der wunderbar restaurierten St.-Giragos-Kirche, der größten armenischen Kirche des Nahen Ostens, zu sitzen, zumal man hier vor fünf Jahren noch in einem steinernen Gerippe stand, das dem Verfall ausgesetzt war. Das Kirchengebäude zieht viele Touristen an. In diesem Jahr wurde ein Café direkt bei der Kirche aufgemacht. Es gibt viele Initiativen dieser Art in der Stadt. Vor allem junge Leute beleben die Höfe und Häuser der Altstadt mit Cafés, Restaurants, kleinen Kulturveranstaltungen. Die jungen Kurden sind mit ihren Initiativen wesentlich weiter als noch viele offizielle Stellen. So ist die GiragosKirche dem aufwändig gestalteten bereits erwähnten Stadtführer gerade mal ein paar mickrige Zeilen wert. In der Touristinformation auf dem Dağ Kapi Meydani kommt man selbst mit Englisch nicht weiter, das archäologische Museum schläft verschlossen den Dornröschenschlaf, allerdings umwuchert von Unkraut und nicht von Rosen.
Harran hat etwa 8.000 Einwohner. 44 Kilometer südöstlich von Urfa gelegen, ist es einer der ältesten Siedlungsplätze der Welt, schon seit dem dritten Jahrtausend v. Chr. dauerhaft bewohnt. Es ist den drei Buchreligionen als der Ort vertraut, an dem sich Abrahams Vater Terach von Ur kommend, niederließ. Von hier zog er mit Sarah und seinem Neffen Lot weiter nach Kanaan (Genesis 11,31 – 28,10).
Verschlafen, fast unberührt, wirken die einzigartigen Trullihäuser von Harran. Obwohl es sich möglicherweise um eine der ältesten durchgängig besiedelten Ortschaften der Welt handelt, verirrt sich kaum ein Tourist hierher, ca. 45 Kilometer östlich von Urfa. Hier gibt es noch keine touristische Infrastruktur mit Hotels und Restaurants. Harran ist eines von vielen, noch unerschlossenen Juwelen des Südostens, der so viele Kulturen, Ethnien und Religionen gesehen hat.
In historischer Zeit kam Harran als wichtiger Handelsstützpunkt mit allen Machtzentren des „fruchtbaren Halbmondes" in Kontakt. Fruchtbarer Halbmond ist die Bezeichnung für das niederschlagsreiche Winterregengebiet nördlich der Syrischen Wüste bzw. im Norden der arabischen Halbinsel. Dieses umfasst die Levante, das Zweistromland zwischen Euphrat und Tigris und den Westen Irans. Ab dem 15. Jh. v. Chr. war Harran religiöses Zentrum des babylonischen Mondkultes und besaß einen Tempel, in dem bis in die römische Kaiserzeit die Mondgöttin Selene verehrt wurde. Kaiser Theodosius ließ 382 n.Chr. alle „heidnischen Tempel“ zerstören. Auf der Grundlage einer neuplatonischen Akademie wurde im 8. und 9. Jahrhundert eine Madrasa, eine Koranschule gegründet, die auch als erste islamische Universität gilt. Griechen, Römer, Byzantiner, Araber und Kreuzritter herrschten und bauten in Harran, bis die Stadt im Mongolensturm 1260 unterging. Danach verlagerten sich die Handelswege und die Stadt verlor an Bedeutung.
In Kurdistan wächst der Stolz auf diese Geschichte und er äußert sich in vielen Gesprächen mit den Politikern vor Ort. Auch damit setzen die Kurden ein deutliches Zeichen gegen den Islamischen Staat und den Geist, der ihn trägt. Gegen, wie Emrullah Cin, Bürgermeister von Viranşehir, deutlich sagt, „Terrorismus und Barbarei“.
Die Ruinen der bereits um 600 n. Chr. ummauerten antiken Altstadt mit dem gut erhaltenen Minarett liegen auf dem unbebauten Hügel neben der heutigen Stadt. Das einzig erhaltene Stadttor bietet einen einfachen Zugang zum heute fast leeren Altstadthügel, auf dem archäologische Grabungen seit den 1950er Jahren Zeugnisse vieler Kulturen ans Licht brachten. Jenseits des Hügels schließt sich das Dorf Altinbasak an. Hier stehen die bekanntesten Bauten von Harran, die bienenkorbartigen Lehmhäuser, die historisch sehr jung, aus dem 19. Jh. n. Chr. stammen und den rheinhessischen Trulli ähneln. Sie sind auch touristisch gut erschlossen.
HARRAN 31
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Berichte „In schwierigsten Zeiten an der Seite der Kurdinnen und Kurden“: Preis der Ärztekammer Diyarbakir für Dr. Gisela Penteker Margit Iffert
Denn eigentlich stand die Veranstaltung ganz im Zeichen von Kobane und dem Widerstand der KurdInnen gegen den IS. Wir waren am Vortag zu dem Festakt der Ärztekammer eingeladen worden und wussten lediglich, dass wir dort unter anderem Asya Abdullah sehen würden, die Co-Vorsitzende der PYD. Sie hatte während der Angriffe des Islamischen Staats in Kobane ausgeharrt und gearbeitet. Asya Abdullah war damals immer wieder vor die Fernsehkameras getreten, hatte die Welt unermüdlich über die Situation in der von drei Seiten bedrohten Stadt informiert.
Für ihren jahrelangen Einsatz für die Kurdinnen und Kurden wurde unsere IPPNW-Delegationsleiterin Dr. Gisela Penteker kurz nach dem Newroz-Fest mit einem Preis der Ärztekammer Diyarbakir geehrt. „Wir kennen Gisela Penteker seit 16 Jahren. Sie ist einer der Menschen, die auch in den schwierigsten Zeiten zu uns gestanden haben. Sie verdient nicht nur einen Preis, sondern auch einen besonderen Applaus“, hieß es in der Laudatio. Der Beifall der ca. 300 Gäste im Kulturzentrum in Diyarbakir war herzlich, als Gisela Penteker auf die Bühne ging, wo sie die Ehrenmedaille und ein prächtiges Blumenbouquet entgegen nahm. So richtete sich bei dem Festakt in der Ärztekammer für einige Minuten die Aufmerksamkeit auf unsere IPPNW-Delegation. Es war für uns die Überraschung des Abends.
Sie erhielt den Hauptpreis der Ärztekammer zusammen mit Prof. Dr. Cem Terzi, einem Chirurgen, der im vergangenen Jahr die medizinische Hilfe im Grenzgebiet organisierte. Er hatte in einer Eilaktion ein freiwilliges Ärzteteam zusammengestellt. Prof. Dr. Cem erinnerte an die vielen KollegInnen aus der Osttürkei, die auf beiden Seiten der Grenze Verletzte versorgt hatten. Einige starben bei diesem Einsatz. Auf der Veranstaltung wurden die Namen von zehn kurdischen Ärzten verlesen, die in den Kämpfen um Kobane umkamen. Asya Abdullah schilderte die aktuelle Lage in Kobane. Jetzt werde die Stadt unter größten Schwierigkeiten wieder aufgebaut. Ein großes Problem sind die Minen. Weite Teile der Stadt seien vermint. Unter den Trümmern werden noch viele Tote vermutet. Bislang seien 370 Leichen geborgen worden. „Lang lebe Kobane!“, skandierten die Gäste an diesem Abend immer wieder. Welche Bedeutung der Kampf um Kobane für das Selbstbewusstsein der Kurdinnen und Kurden hat, zeigten die Worte des Bürgermeisters von Diyabakir in seiner Ansprache: „Kobane hat uns Kurden gezeigt, dass wir auch Zeugen des Sieges sein können.“
MAHMUT ORTOKAYA UND GISELA PENTEKER
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Berichte
Was können wir für die Kurden bewirken? Friedrich Vetter
Es gibt mehrere Möglichkeiten:
Was könnt Ihr schon bewirken? Mit dieser oder einer ähnlichen Frage wird man von Freunden immer mal wieder konfrontiert, wenn man von seinen Reiseabsichten und seinem Engagement für die kurdische Sache berichtet.Und die Frage ist berechtigt: Ohnmächtig und hilflos stehen wir immer wieder vor großen Problemen – eine Lösung ist kaum denkbar und schon gar nicht sichtbar. Die kleine Delegationsreisegruppe der IPPNW lässt sich von der Ohnmacht und Hilfslosigkeit nicht erdrücken, sondern begegnet dieser in drei Schritten:
Die Öffentlichkeit auf die Situation der kurdischen Bevölkerung hinweisen, ihre Leiden und ihren Schmerz, ihre Verfolgung und ihre Opfer deutlich aufzeigen, jedoch auch ihren starken Willen nach Gerechtigkeit und Frieden. Dies erreichen wir:
Sehen / Hören – Nachdenken/ ein Urteil finden – Handeln! Das Sehen und Hören erfolgt vor allem auf der Reise, in den Gesprächen mit den VertreterInnen der unterschiedlichsten Organisationen (Gewerkschaften, Anwaltskammer, IHD, Ärztekammer, Journalisten, Parteien, auch der AKP u.a.) an verschiedenen Orten in der Südosttürkei (unter anderem in Van, Diyarbakir, Mardin) In den Reiseberichten der IPPNW informieren wir darüber immer wieder ausführlich. Das Nachdenken und Sich-ein-Urteil-Bilden erfolgt in den Gesprächen mit den kurdischen und türkischen GesprächspartnerInnen, aber auch in der IPPNW -Reisegruppe und zu Hause in den Gesprächen mit den Freunden. Wer sich vom Schicksal der Kurdinnen und Kurden berühren lässt, der kann sich dann nicht mehr ruhig hinsetzen, sondern überlegt, wie er diese seit Jahren für ihr Recht kämpfende Minderheit in der Türkei hier in Deutschland unterstützen kann.
•
durch Pressegespräche oder öffentliche Veranstaltungen, auf denen wir erzählen, was wir im kurdischen Teil der Türkei erlebt haben
•
durch Gespräche mit Bundestagsabgeordneten aus dem eigenen Wahlkreis
•
durch Gespräche mit Abgeordneten im Europäischen Parlament (siehe auch Bericht von Rainer Kohlhaas auf S. 31f.)
•
dadurch, dass wir GesprächspartnerInnen aus der Türkei von unseren Reisen nach Deutschland einladen und ihnen eine Plattform bieten, um die Situation der Kurden bei uns öffentlich zu machen.
Zusammenfassend ist deutlich: Wir versetzen keine Berge, doch wir lassen uns auch nicht von Hilflosigkeit und Ohnmacht überwältigen, sondern versuchen nach unseren Kräften und Möglichkeiten vor Ort, auf die Verbesserung der Situation der Kurdinnen und Kurden in der Türkei hinzuwirken.
NEWROZFEST IN DIYARBAKIR
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Berichte
Der veränderte Blick Deutschlands auf die Kurden Rainer Kohlhaas
Düzgün C., angeklagt der mutmaßlichen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland (§ 129b StGB), ist am 28. Mai nach vier Verhandlungstagen vor dem Oberlandesgericht Koblenz aus der Untersuchungshaft entlassen worden. Im Verlaufe des Verfahrens hatten sowohl der Senat des OLG als auch die Staatsanwaltschaft ein „kleines Verfahren“ zugelassen, so dass die Anklage gegen den 57-Jährigen schlussendlich auf Verstoß gegen das Vereinsgesetz beschränkt wurde (§ 154 Strafprozessordnung). Düzgün C. war Mitte Dezember vergangenen Jahres festgenommen worden. Die Strafverfolgungsbehörden beschuldigten ihn, das „Gebiet Saarbrücken“ als „hauptamtlicher Kader“ der PKK seit Mai 2013 verantwortlich geleitet zu haben und für die Regelung der „organisatorischen, finanziellen, personellen sowie propagandistischen Angelegenheiten“ in seiner Region zuständig gewesen zu sein. (...)
richte haben solche Strafen noch 2014/15 bestätigt. Gleichzeitig hat sich die Situation in der Türkei zwischen Kurden und Regierung seit 2012 deutlich verändert. Seit 2012 verhandeln der türkische Staat und der inhaftierte Kurdenführer Abdullah Öcalan sowie die Kurdenpartei HDP über eine Beendigung der Konflikte. Es wurden mehrfach abgestimmte Presseerklärungen abgegeben, zuletzt auf dem Newroz-Fest 2015. In dem sogenannten „Friedensprozess“, der sich seitdem entwickelt, wurde die Untersuchungshaft begrenzt, die öffentliche Verwendung der kurdischen Sprache zugelassen – und das sogar auf Wahlkampfveranstaltungen der AKP 2014 in Diyarbakir. An der Universität Mardin wurde die Ausbildung von KurdischlehrerInnen und die Herausgabe von Kurdisch-Schulbüchern erlaubt. Auch wenn bisher jede rechtliche Absicherung dieser Erleichterungen fehlt und neue Sicherheitsgesetze die Handlungsmacht der Polizei nochmals erhöht haben, bestätigten alle kurdischen GesprächspartnerInnen, allen voran die Bürgermeister von Mardin (Ahmet Türk) und Viranşehir (Emrullah Cin) Fortschritte und setzten auf die Fortführung des Prozesses. Seit sich die Türkei 2014 im Kampf um Kobane auf die Seite des IS schlug und Hilfen der benachbarten KurdInnen behinderte, ist die Stimmung aber erneut belastet.
AZADI e.V., Rechtshilfefonds für Kurdinnen und Kurden in Deutschland, Köln, am 29. Mai 2015 Seit 1993 werden kurdische AktivistInnen als Mitglieder „terroristischer Vereinigungen“ mit dem § 129b StGB verfolgt und mit hohen Freiheitsstrafen belegt. (Umfang und Ausmaß der Verfolgung werden regelmäßig von AZADI dokumentiert). Mehrere Oberlandesge-
Montecruz Foto / creativecommons.org, CC-BY-SA 2.0
DEMONSTRATION GEGEN DAS PKK-VERBOT IN BERLIN 2013
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gegen kurdische AktivistInnen vor einem baldigen Ende steht. In diesen Kontext fügt sich auch die Initiative von drei Mitgliedern der IPPNW-Delegation, die am 30. April in Straßburg mit drei Mitgliedern der Sozialistischen Fraktion im EU-Parlament zusammentrafen: Birgit Sippel, Josef Weidenholzer und Arne Lietz empfingen uns im Parlament, begleitet von je einer Mitarbeiterin. Von Seiten der IPPNW nahmen Christa Blum, Friedrich Vetter und Rainer Kohlhaas an dem Gespräch teil. Wir hoben im Gespräch mit den Europa-Abgeordneten die Statements unserer kurdischen GesprächspartnerInnen zur positiven Rolle der PKK bei der Rettung der Jesiden im SindscharGebirge und beim Kampf um Kobane hervor und regten an, die Behandlung der PKK in Europa zu überprüfen.
Die deutsche Regierung scheint auf den ersten Blick noch in alter Treue zum NATO-Partner Türkei deren innenpolitisch motivierte Behandlung der Kurdenfrage zu stützen.Seit 2014 verschieben sich jedoch die Gewichte zugunsten der Kurden in der deutschen Öffentlichkeit. Die schrecklichen Berichte aus dem Sindschar-Gebirge und das Versagen der irakischen Armee sowie der Peschmerga führten dazu, dass plötzlich die PKK unübersehbar als Retterin der Jesiden dastand. Beim Kampf um Kobane im August 2014 musste die türkische Regierung auf internationalen Druck hin die Durchfahrt von kurdischen Hilfstruppen aus dem Nordirak über die Türkei akzeptieren. Die Teilnahme von PKK-KämpferInnen wurde nicht dementiert. Dagegen wurde sehr negativ kommentiert, dass türkische Militärs die Hilfe der kurdischen Zivilgesellschaft für ihre Verwandten in Kobane behindert haben.
Die drei Abgeordneten interessierten sich besonders für unsere Einschätzung, ob eine Aufhebung des PKK-Verbots in Europa dem 'Friedensprozess' in der Türkei eher nützen oder schaden würde. Dieser Aspekt war ihnen sehr wichtig, zumal das deutsche Auswärtige Amt in Zusammenhang mit dem Bundestagsbeschluss zum Völkermord an den Armeniern behauptet hatte, dass ein solcher den innertürkischen Dialog stören würde. Demgegenüber konnten wir, gestützt auf konkrete Aussagen der kurdischen PolitikerInnen, die Nützlichkeit eines solchen Schrittes bestätigen.Die Abgeordneten erwähnten, dass sie in dieser Sache bereits eigene Überlegungen angestellt hatten und versprachen weitere Schritte, z.B. eine überfraktionelle Initiative im Europaparlament zu versuchen.
Im politischen Feld forderten VertreterInnen der Linken und der Grünen schon längere Zeit eine Entkriminalisierung. Erstmals kam es aber auch bei VertreterInnen der großen Parteien zu wahrnehmbaren Veränderungen.
Kampf gegen den IS-Terror – Neueinordnung der PKK diskutieren Im Konflikt mit dem IS könne Deutschland durch Diplomatie zu einer politischen Lösung beitragen, erklärte der SPD-Fraktionsvize Rolf Mützenich im Oktober 2014 im Deutschlandfunk. Die Türkei müsse sich jedoch an ihrem Wort messen lassen, dass Kobane nicht fallen werde. Zudem werde eine Neubeurteilung der als Terrororganisation eingestuften PKK bei einem verlässlichen Friedensprozess notwendig. (Verschriftetes Interview unter: kurzlink.de/DF-interview)
Fazit: Unsere Sache, die steht nicht schlecht!
Selbst die Bundesregierung wurde vom Druck der Ereignisse bewegt. Waffenlieferungen der deutschen Regierung an die irakischen Kurden und entsprechende Ausbildungsmissionen dauern seitdem an. Selbst der jüngste Newsletter des Bundesamtes für Verfassungsschutzes (Nr. 1/2015 – Thema 5) bestätigt die seit 2012 veränderte Lage in der Türkei. Versuche, das PKK-Verbot in Deutschland zu beenden, ordnet der Verfassungsschutz zwar immer noch dem „deutschen linksextremistischen Spektrum“ zu und unterstellt den PKKAnhängerInnen in Deutschland, auch weiter das grundsätzliche Gewaltkonzept der PKK zu unterstützen. Damit wird zumindest die weitere Überwachungstätigkeit gerechtfertigt. Eine Aufweichung selbst dieses Amtes deutet sich dennoch an. Echte Hoffnung macht dagegen die oben zitierte Entscheidung des Oberlandesgerichts Koblenz, das Verfahren gegen Düzgün C. auf ein vereinsrechtliches Verfahren herunterzustufen. Das lässt erstmalig hoffen, dass auch vor deutschen Gerichten der Terrorismusvorwurf 35
DELEGATIONSREISE TÜRKEI-KURDISTAN
Foto: Sarmaşik-Efeu
Spendenaufruf
Sarmaşik-Efeu Europa e.V. organisiert Stipendien für Kinder und Jugendliche
Der Rojava-Verein in Suruç: Spenden für den Wiederaufbau von Kobane
Die Idee, humanitäre Hilfe in und um Diyarbakir zu leisten, ist eine Überlegung, die viele Menschen aus der Region haben, wenn sie aus dem Ausland in ihre Heimat reisen und mit den dortigen Umständen konfrontiert sind. Zurück aus der Heimat, begleitet die dortige humanitäre Lage weiterhin den Alltag Vieler. Auch die Ereignisse der kriegsähnlichen Situation seit den 90er Jahren hinterließ und hinterlässt tiefe Spuren im Erinnerungsvermögen Vieler in der Diaspora. Als die Schülerin Güllü Güler im Jahre 2007 zum ersten Mal den dortigen Opfern, vor allem Binnenkriegsflüchtlingen, begegnete, versuchte sie nach ihrer Rückkehr MitstreiterInnen für den Kampf gegen die katastrophalen Bedingungen, in denen die Menschen leb(t)en, zu finden. In verschiedenen europäischen Städten bildeten sich im Anschluss kleine Gruppen, die sich vor allem für den in Diyarbakir noch neu gegründeten Verein „Sarmaşik -Yoksullukla Mücadele ve Sürdürebilinir Kalkinma Derneği“ begeisterten, weil sie darin ein probates und nachhaltiges Mittel gegen die in der Region grassierende Armut sahen. Denn Sarmaşik arbeitet wie bisher kein anderer Verein nach völlig transparenten Vergabekriterien und besticht durch nachhaltige Konzepte.
Wer für den Wiederaufbau von Kobane spenden möchte, kann das über den Rojava-Verein in Suruç tun:
Spendenkonto: Rojava Derneği IBAN: TR13 0006 4000 0028 3030 2128 85 BIC: ISBTRS oder über Pro Humanitate e.V., Bank: Sparkasse Köln-Bonn, Stichwort Rojava IBAN: DE16 3705 0198 0010 2625 33, BIC: COLSDE33XXX Unser langjähriger Freund und Mitstreiter Memo Sahin garantiert, dass die Spenden bei den Menschen vor Ort ankommen.
Spendenkonto: Sarmaşik-Efeu Europa e.V. IBAN: DE89 3055 0000 0093 349884 BIC: WELADEDNXXX Bank: Sparkasse Neuss, Konto-Nr.: 0093349884 BLZ: 305 500 00
www.sarmasik-efeu.de 36
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Diyarbakir
DIE ALTSTADT VON DIYARBAKIR
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DELEGATIONSREISE TÜRKEI-KURDISTAN
DAS NEWROZ-FEST IN DIYARBAKIR
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BERICHT 2015
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Delegationsreise Türkei – März 2015 © IPPNW e.V. / August 2015
Zur Delegationsleitung: Dr. Gisela Penteker ist Allgemeinärztin i.R. in Otterndorf an der Nordsee und seit 1983 Mitglied der IPPNW. Seit Jahren führt sie zusammen mit Mehmet Bayval aus Frankfurt/Main Delegationsreisen in die Türkei/Kurdistan durch.
© IPPNW e.V., August 2015 Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck nur mit Genehmigung möglich.
TeilnehmerInnen der Reise und AutorInnen des Berichts: Christa Blum, Mehmet Bayval, Mehmet Desde, Sigrid Ebritsch, Margit Iffert-Roeingh, Dr. Nesmil Kassemlou, Rainer Kohlhaas, Dr. Gisela Penteker, Dr. Friederike Speitling, Friedrich Vetter
IPPNW – Deutsche Sektion der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkriegs, Ärzte in sozialer Verantwortung e.V.
Endredaktion: Christa Blum, Dr. Gisela Penteker, Regine Ratke Layout: IPPNW e.V. / Regine Ratke Titelfoto: Sigrid Ebritsch
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