April 2012
EUROPÄISCHE KULTURAGENDA ARBEITSPLAN FÜR KULTUR 2011-2014
ZUSAMMENFASSUNG STRATEGIELEITFADEN ZUR STRATEGISCHEN NUTZUNG DER EU-STÜTZUNGSPROGRAMME, EINSCHLIESSLICH DER STRUKTURFONDS, ZUR FÖRDERUNG DES KULTURPOTENZIALS FÜR DIE LOKALE, REGIONALE UND NATIONALE ENTWICKLUNG UND DER AUSWIRKUNGEN AUF DIE WIRTSCHAFT IM ALLGEMEINEN
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Offene Koordinierungsmethode (OKM) Experten-Arbeitsgruppe der EU-Mitgliedstaaten: Kultur- und Kreativwirtschaft
1 | Einführung Die Kultur- und Kreativwirtschaft befindet sich in einer strategisch günstigen Position zur Förderung des intelligenten, nachhaltigen und integrativen Wachstums in allen EU-Regionen und -Städten und damit zum Leisten eines Beitrags zur Strategie Europa 2020, der EU-Wachstumsstrategie für das nächste Jahrzehnt. Jedoch haben wohl nicht alle EU-Regionen die Kultur- und Kreativwirtschaft optimal nutzen können, um die sozioökonomische Entwicklung anzukurbeln – trotz des Einsatzes von EU-Strukturfonds. Das Ziel dieses Strategieleitfadens ist eine gesteigerte Sensibilisierung von lokalen, regionalen und nationalen Behörden sowie des Kulturwesens für das Potenzial der Kultur- und Kreativwirtschaft im Hinblick auf die Förderung der regionalen und lokalen Entwicklung. Der Leitfaden soll als Unterstützung bei der Entwicklung von lokalen, regionalen und nationalen Strategien für die Kultur- und Kreativwirtschaft dienen. Er ist außerdem als Hilfsmittel bei der Planung und Umsetzung einer strategischen Nutzung der EU-Stützungsprogramme, einschließlich der Strukturfonds, zur Förderung des Kulturpotenzials für die lokale, regionale und nationale Entwicklung und der Auswirkungen auf die Wirtschaft im Allgemeinen gedacht. Die Zielgruppe dieses Leitfadens sind die politischen Entscheidungsträger auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene, die für die kulturelle und wirtschaftliche Planung verantwortlich sind, sowie die mit der Planung der EU-Strukturfonds beauftragten Personen.
2 | Kontext des Leitfadens Ausgearbeitet wurde dieser Leitfaden von der Arbeitsgruppe für Kultur- und Kreativwirtschaft, bestehend aus 27 Experten, die jeweils einen EU-Mitgliedstaat repräsentieren. Die Arbeitsgruppe wurde Anfang 2011 im Rahmen des Arbeitsplans für Kultur 2011-20141, durch den die Europäische Kulturagenda 2 umgesetzt wird, ins Leben gerufen. Die Arbeitsgruppe arbeitete unter Anwendung der Offenen Koordinierungsmethode (OKM) zusammen. Die OKM ist eine freiwillige Form der Zusammenarbeit zwischen EU-Mitgliedstaaten mit dem Ziel, Politikgestaltung und strukturierte Kooperation durch Austausch von bewährten Verfahren zu verbessern. Die Methode wurde 2008 auf den Bereich Kultur ausgeweitet. Anlass war die Empfehlung der Europäischen Kommission in der Europäischen Kulturagenda (2007). Die Aufgabe der Arbeitsgruppe bestand in einer Auseinandersetzung mit dem Thema „Strategische Nutzung der EU-Stützungsprogramme, einschließlich der Strukturfonds, zur Förderung des Kulturpotenzials für die lokale, regionale und nationale Entwicklung und der Auswirkungen auf die Wirtschaft im Allgemeinen“. So erhofft man sich, dass die in diesem Strategieleitfaden dargestellten Ergebnisse bei der Verteilung der Fördermittel des aktuellen Zeitraums und der Verteilungsplanung für die Fördermittel
europaïsche Union
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des nächsten Zeitraums effektiv für die Förderung des vollen Potenzials der Kultur- und Kreativwirtschaft bei politischen Vorhaben zur lokalen und regionalen Entwicklung genutzt werden können. Außerdem befasste sich die Arbeitsgruppe mit nationalen und regionalen Innovationsstrategien für intelligente Spezialisierung, ein potenzielles Hilfsmittel für die EU bei der Verwirklichung von intelligentem Wachstum.
3 | R ahmen für die EU-Kohäsionspolitik und die Zukunft der Strategie für intelligente Spezialisierung Die EU-Kohäsionspolitik und ihre Auswirkungen auf die Kultur A. Auswirkungen der Kohäsionspolitik 2007-2013 auf die Kultur Seit 2007 erfolgen Kulturinvestitionen durch die Strukturfonds weitgehend in Verbindung mit dem Schutz und der Förderung des Kulturerbes und der Schaffung von Infrastruktur und Dienstleistungen mit dem Ziel der Stärkung der Attraktivität und des Ausbaus des Tourismus. Etwa 6 Mrd. EUR (1,7 % der Gesamtmittel) wurden direkt dem Bereich Kultur zugewiesen. 2,9 Mrd. EUR davon sind für das Ziel „Schutz und Erhaltung des Kulturerbes“ zweckgebunden, 2,2 Mrd. EUR für die Entwicklung der kulturellen Infrastruktur und 797 Mio. EUR für die Unterstützung kultureller Dienstleistungen. Kulturbezogene Projekte können auch über andere thematische Ziele finanziert werden, wie etwa Tourismus, städtische und ländliche Erneuerung sowie Innovation und Unternehmertum. Im Hinblick auf die Kultur- und Kreativwirtschaft können sich die Investitionen auch auf Forschung und Entwicklung (Unternehmertum, kleine und mittlere Unternehmen [KMU], Cluster, Netzwerke), auf die Informationsgesellschaft (Digitalisierung), auf Bildung, Jugend, Stadtsanierung (im Rahmen integrierter Projekte), Verbesserung des Human- und sozialen Kapitals sowie Kompetenzentwicklung beziehen. Es gibt jedoch keine Daten über den Umfang der Mittel aus den Strukturfonds, welche diese Bereiche unterstützen. B. Auswirkungen der Kohäsionspolitik 2014-2020 auf die Kultur Am 6. Oktober 2011 verabschiedete die Europäische Kommission den Entwurf für ein Gesetzgebungspaket, das den Rahmen für die Kohäsionspolitik im Zeitraum 2014-2020 bilden wird. Die neuen Vorschläge sollen die strategische Dimension der Politik stärken und sicherstellen, dass EU-Investitionen für die Umsetzung von Europas langfristigen Zielen für Wachstum und Beschäftigung („Europa 2020“) eingesetzt werden. In diesem Zusammenhang werden nationale und regionale Regierungen aufgefordert, „Strategien für intelligente Spezialisierung“ zu entwickeln, die auf ihren jeweiligen Stärken und Wettbewerbsvorteilen aufbauen, um die öffentlichen Mittel auf wenige Hauptprioritäten zu konzentrieren, anstatt geringe Investitionssummen auf viele Gebiete und Branchen zu verteilen. Im Idealfall wird bei solchen Strategien die Festlegung von Zielen (gemäß Europa 2020) mit einem dynamischen und unternehmerischen Entdeckungsprozess kombiniert, an dem wichtige Akteure aus Regierung, Wirtschaft, Hochschulen und anderen wissensbildenden Institutionen beteiligt sind. In vielen Regionen und Städten bilden die kulturellen und kreativen Branchen ein wichtiges Gut im Hinblick auf Wachstum. Die Herausforderung besteht nun darin, diese Sektoren weiter in Innovationsstrategien für intelligente Spezialisierung zu integrieren. Dazu müssen die Regionen die komplexen Verbindungen zwischen traditionellen Kulturgütern (Kulturerbe, dynamische kulturelle Einrichtungen und Dienstleistungen) und die Entwicklung von kreativen Unternehmen oder Tourismus vollständig in Betracht ziehen. Die EU-Mitgliedstaaten und Regionen werden daher aufgefordert, durch die Strukturfonds ihre eigenen Strategien in diesem Bereich zu finanzieren. Dies geschieht durch Investitionsprioritäten wie die „Förderung von Kompetenzzentren, Förderung von Clustern, Entwicklung von IKT-Produkten und -Dienstleistungen, Förderung des Unternehmertums, Entwicklung neuer Geschäftsmodelle für KMU (besonders für die Internationalisierung), Verbesserung der städtischen Umwelt, Förderung von Gründerzentren, Unterstützung der Sanierung und wirtschaftliche Belebung benachteiligter städtischer und ländlicher Gebiete und Gemeinschaften usw.“ Der Rat der Europäischen Union und das Europäische Parlament verhandeln derzeit über diese Vorschläge der Kommission. Dabei wird angestrebt, sie bis Ende 2012 zu verabschieden, damit 2014 eine neue Generation kohäsionspolitischer Programme anlaufen kann.
Kultur- und Kreativwirtschaft und die Strategie für intelligente Spezialisierung A. M apping der regionalen Stärken (unter Berücksichtigung der Entwicklungsstufe der Kulturund Kreativwirtschaft in der Region): • identifizieren von Spezialisierungsmustern in der Region (quantitative und qualitative Analyse); • identifizieren von optimalen Bedingungen speziell für die Kultur- und Kreativwirtschaft und Entwickeln eines positiven kreativen Klimas zur Steigerung der Attraktivität der betreffenden Stadt oder Region; • identifizieren von federführenden Organisationen und dynamischen Einzelpersonen als potenzielle Partner bei der Entwicklung von Projekten und möglichen Strukturen zur Koordinierung von Aktionen; • sammeln von statistischen Daten und Durchführen von qualitätsbasierten Umfragen zum besseren Verständnis der Dynamik der Kultur- und Kreativwirtschaft zur Verwendung bei der Umsetzung von Strategien für intelligente Spezialisierung; • durchführen von Leistungsvergleichen (Benchmarking) zum besseren Verständnis der Position der betreffenden Region im Bereich der Kultur- und Kreativwirtschaft im Vergleich mit anderen EU-Regionen. B. Beteiligung aller Akteure aus Kultur, Verwaltung und Politik am Entscheidungsprozess: • entwickeln von Partnerschaften zwischen nationalen und regionalen Behörden, die mit verschiedenen öffentlichen Belangen wie zum Beispiel wirtschaftlicher Entwicklung, Beschäftigung, Hochschulbildung und Kultur betraut sind; • einrichten von Plattformen, Netzwerken und Clustern, um die Bildung von Partnerschaften mit Vertretern aus dem Privatsektor zu unterstützen und um die Schaffung von wertvollen Synergien für die regionale wirtschaftliche Entwicklung zu ermöglichen; • fördern der transnationalen Zusammenarbeit zum Erfahrungsaustausch, sowohl auf der Ebene der KMU in der Kultur- und Kreativwirtschaft als auch auf der Ebene der Behörden, die für die Entwicklung von lokalen kreativen Strategien zum besseren Transfer von Wissen und Fähigkeiten und zur Beschleunigung des Lernpfades zuständig sind. C. S trategischer und inklusiver Ansatz im Hinblick auf Investitionen und die Nutzung von finanziellen Ressourcen: • umgestalten der Unterstützung durch regionale, nationale und EU-Finanzmittel im Hinblick auf die verschiedenen Anforderungen des Kultur- und Kreativsektors; • entwickeln innovativer Finanzinstrumente wie Aktienfonds oder Garantiefonds zur Kofinanzierung von Investitionen in den Kultur- und Kreativsektor; • optimierte Nutzung von Verbindungen zwischen der Kultur- und Kreativwirtschaft und anderen wichtigen Politikbereichen für Kohäsion und/oder Politik zur ländlichen Entwicklung, insbesondere städtische und ländliche Erneuerung, territoriale Zusammenarbeit, Kulturerbe und Tourismus; • fördern von Investitionen in den Schutz, die Förderung und die Entwicklung des Kulturerbes, die Entwicklung und Nutzung neuer Informationstechnologien, die Stärkung des Unternehmergeists in der Kultur- und Kreativwirtschaft, die Unterstützung für Stadterneuerung, die Entwicklung von IKTbasierten kulturellen Produkten, Anwendungen und Dienstleistungen und die Unterstützung von neuen Geschäftsmodellen für KMU in der Kultur- und Kreativwirtschaft usw.
4 | Vorschläge für Maßnahmen Dieser Leitfaden bietet auch nützliche Beispiele für Maßnahmen, die von verschiedenen Mitgliedstaaten ergriffen wurden, um das Potenzial der Kultur- und Kreativwirtschaft zur Stärkung der regionalen und lokalen Entwicklung zu fördern. Natürlich gibt es im Bereich der Kultur- und Kreativwirtschaft keine einzelne Strategie, die auf alle Fälle anwendbar ist, und es liegt in der Verantwortung jeder einzelnen Region der EU, auf der Grundlage der eigenen Stärken eigene Lösungen zu finden. Die in diesem Leitfaden aufgeführten bewährten Verfahren können nationalen, regionalen und lokalen Behörden jedoch als Beispiel und Inspiration dienen. Die Beispiele werden in der Reihenfolge der logischen Entwicklung vorgestellt: 1. Am Anfang stehen Maßnahmen zur Schaffung von günstigen Voraussetzungen für die Entwicklung der Kultur- und Kreativwirtschaft. Bei der Mehrheit der erfolgreichen Fälle in ganz Europa wurde ein ähnliches Prozessmodell durchlaufen – zuerst wurden verschiedene Akteure aus Kultur und Wirtschaft zusammengebracht, dann wurden Informationen zu verfügbaren Ressourcen gesammelt, es wurde eine MappingStudie zum Potenzial der Kultur- und Kreativwirtschaft im betreffenden Gebiet durchgeführt und eine starke politische Unterstützung für den Prozess herausgebildet, dann wurden Aufklärungsmaßnahmen für Politiker, kulturelle Akteure und Unternehmerinnen und Unternehmer der Kreativbranche, für den Bildungs-
sektor und für Unternehmen aus anderen Branchen durchgeführt, und schließlich wurde eine Strategie mit zweckbestimmten Ressourcen (hauptsächlich aus verschiedenen EU-Programmen, einschließlich derjenigen der Strukturfonds) initiiert. 2. Daraufhin folgen Strategien zur Stärkung der Kultur- und Kreativwirtschaft sowie in diesem Bereich tätiger Unternehmer: Um die Kultur- und Kreativwirtschaft auszubauen, muss sie Zugang zu einer Vielzahl von Dienstleistungen und Unterstützungsmechanismen haben. Als wichtigstes Ziel muss festgestellt werden, wann allgemeine Mechanismen zur Unternehmensunterstützung den speziellen Bedürfnissen der Kultur- und Kreativwirtschaft gerecht werden und wann neue, branchenspezifische Maßnahmen eingeführt werden sollten. 3. Abschließend werden Initiativen zur Angliederung der Kultur- und Kreativwirtschaft an andere Bereiche aufgeführt. Die Kultur- und Kreativwirtschaft hat viele positive Auswirkungen/Spillover-Effekte auf die Wirtschaft und die Gesellschaft als Ganzes: angefangen bei der Inspiration und Entwicklung eines kreativen und innovativen Unternehmertums bis zur Förderung von Innovation in anderen Branchen, von der Förderung eines qualitätsorientierteren Tourismus bis zur Unterstützung der sozialen und städtischen Wiederbelebung. Die Regionen und Städte sollten solche Auswirkungen und innovative Verbindungen fördern.
Rahmen für die Entwicklung der Kultur- und Kreativwirtschaft OKM-Arbeitsgruppe der EU zur Kultur- und Kreativwirtschaft, 2012
Schaffung von Voraussetzungen Ziel: Günstige Bedingungen für die Entwicklung der Kulturund Kreativwirtschaft
Stärkung der Kulturund Kreativwirtschaft Ziel: Wettbewerbsfähigkeit und Export kreativer Unternehmen
Auswirkungen Ziel: Angliederung der Kulturund Kreativwirtschaft an die übrige Gesellschaft und die Wirtschaft
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Strategien, Politische Initiativen, Maßnahmen
Netzwerke und Cluster
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Informationsdienstleistungen zur Aufklärung
Zugang zu o Finanzmitteln o
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Strategische Allianzen, Institutionelle Rahmenbedingungen
Gründerzentren für kreative Unternehmen
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Physische o Infrastruktur o
Mapping, Studien
Kapazitätsaufbau
Innovation und Produktivität
Bildung und lebenslanges Lernen
Soziale Innovation und Wohlbefinden
Tourismus und Branding
Regionale Entwicklung
Umweltverträglichkeit
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1 Vorgeschlagen von der Europäischen Kommission im Mai 2007 und Zustimmung durch den Rat der Europäischen Union im November 2007: http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:C:2007:287:0001:0004:DE:PDF 2 http://www.consilium.europa.eu/uedocs/cms_data/docs/pressdata/en/educ/117795.pdf
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Den gesamten Bericht finden Sie unter folgendem Link: http://ec.europa.eu/culture/our-policy-development/documents/120505-cci-policy-handbook.pdf Vorsitzender der OKM-Arbeitsgruppe Kultur- und Kreativwirtschaft und Strukturfonds Ragnar Siil (EE); E-Mail: Ragnar.Siil@kul.ee Europäische Kommission Generaldirektion Bildung und Kultur Direktion D – Kultur und Medien Referat D1 – Kulturpolitik, Vielfalt und interkultureller Dialog E-Mail: EAC-UNITE-D1@ec.europa.eu Relevante Links: http://ec.europa.eu/culture/our-policy-development/cultural-and-creative-industries_de.htm http://ec.europa.eu/culture/our-policy-development/cultural-and-creative-industries/greenpaper_de.htm http://ec.europa.eu/culture/our-policy-development/documents/icc-platform-info.pdf