Jesus and Justice

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Jesus und die Gerechtigkeit

Internationale Kommission fĂźr soziale Gerechtigkeit


© Heilsarmee-Verlag Köln und Bern Alle Rechte vorbehalten, auch der auszugsweisen Wiedergabe und Fotokopie. Erstmals veröffentlicht unter dem Titel „Jesus and Justice“, Copyright © 2010 The Salvation Army International Social Justice Commission, 221 East 52nd Street, New York, NY 10022, USA. Jesus und die Gerechtigkeit 1. Auflage 2012 in deutscher Sprache Übersetzung: ks Bearbeitung: Redaktion „Heilsarmee-Magazin“, Köln Layout: Druck:

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JESUS UND DIE GERECHTIGKEIT Richtig leben und Unrecht zurechtrücken Der Auftrag Jesu lässt sich als eine einzige Vision mit zwei Dimensionen beschreiben. Seine Hoffnung auf eine erneuerte Menschheit umfasst das Wohlergehen von Menschen, die geistlich arm sind, und von Menschen, die sozial arm sind. Und während er unter ihnen lebt, sind die Ereignisse seiner Tage und Nächte von Rechtschaffenheit und Gerechtigkeit geprägt. Jesus lebt richtig und er bringt das Leben für andere in Ordnung. Nach Jesu Verständnis heißt lieben, gerecht sein. Gerecht sein heißt lieben. Und wenn wir Jesus folgen, sind wir Jünger der Gerechtigkeit. Jesu Auftrag auf der Erde zu seiner Zeit ist auch unser Auftrag auf der Erde in unserer Zeit.

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INHALTSVERZEICHNIS EINLEITUNG

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TEIL A – JESUS UND DIE GERECHTIGKEIT: DIE AUSGEGRENZTEN EINBEZIEHEN

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1.

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AUSSENSEITERN DER GESELLSCHAFT MIT NÄCHSTENLIEBE BEGEGNEN Aussätzige: Matthäus 8,1-3; Lukas 17,11-19; Markus 1,40-44

2.

GEGEN DIE UNGLEICHBEHANDLUNG DER GESCHLECHTER PROTESTIEREN

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Frauen: Lukas 10,38-42; Matthäus 9,18-26; Johannes 20,11-18

3.

DIE AUSGEGRENZTEN ANNEHMEN

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Kinder: Lukas 18,15-17; Matthäus 18,1-7

TEIL B – JESUS UND DIE GERECHTIGKEIT: KULTURELLE PRAKTIKEN HINTERFRAGEN

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1.

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RASSISMUS ABLEHNEN Samariterin: Johannes 4,1-42

2.

BÜRGERN ZWEITER KLASSE W ÜRDE VERLEIHEN

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Barmherziger Samariter: Lukas 10,25-37

3.

DEN GUTEN RUF RISKIEREN

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Zöllner und Sünder: Matthäus 9,9-13; Lukas 7,36-50; Matthäus 21,28-32

TEIL C – JESUS UND DIE GERECHTIGKEIT: DEN MÄCHTIGEN ENTGEGENTRETEN

28

1.

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UNGERECHTES VERHALTEN HINTERFRAGEN Steuereintreiber: Lukas 19,1-10

2.

GEISTLICHER ARROGANZ GEGENÜBERTRETEN

32

Pharisäer: Lukas 6,1-11; Matthäus 23,1-3.23-28

3.

POLITISCHE MACHT NEU ORDNEN

35

Machtstrukturen: Markus 12,13-17; Matthäus 20,20-28

TEIL D – JESUS UND DIE GERECHTIGKEIT: FÜR DIE UNTERDRÜCKTEN EINTRETEN

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1.

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FÜR DIE ARMEN EINTRETEN Hungernde, Kranke und Gefangene: Lukas 14,12-14; Matthäus 25,31-46

2.

FÜR DIE PRIVILEGIERTEN EINTRETEN

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Reicher Mann und Nikodemus: Lukas 18,18-27; Johannes 3,1-16

3.

DIE GEFANGENEN BEFREIEN

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Dämonen der Seele: Markus 1,22-34; Lukas 4,16-21

SCHLUSSFOLGERUNG

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JESUS UND DIE GERECHTIGKEIT Richtig leben und Unrecht zurechtrücken EINLEITUNG Die ersten Lebenstage Jesu waren von Armut geprägt. Die Familie war unterwegs. Es war kein Zimmer frei – nirgendwo. Ein stinkender Verschlag in einem Stall war der Ort, an dem das Leben Jesu begann. Die Einzelheiten über die Nacht seiner Geburt sind weitgehend unbekannt. Vielleicht gab es eine Hebamme, die in einem nahe gelegenen Hotel wohnte. Sicher kam jemand mit Wasser und einer Schüssel, um das Neugeborene zu waschen. Wie es dort genau aussah, bleibt unserer Fantasie überlassen. Wir wissen nur, dass es ein schwerer Start war. Es gab nur das Allernötigste. Wir wissen auch, dass die Geburt nicht unbemerkt blieb. Die Hirten, die draußen in der Nacht ihre Arbeit taten, wurden mit der ersten Geburtsanzeige beehrt. Sie beeilten sich, dieses besondere Kind als erste anzubeten. Die Hirten machten sich über den Ort, an dem Jesus geboren wurde, keine großen Gedanken. Sie waren schon in vielen Ställen gewesen. Sie hatten kein Problem damit, im Stroh zu knien. Sie sahen keinen Widerspruch darin, dass der Sohn Gottes einen so kärglichen Start hatte. Die Schwierigkeit für uns, die wir Jesus nachfolgen, besteht darin, Jesu erste Tage mit seinem weiteren Auftrag in Verbindung zu bringen. Die Hirten, die so geehrt wurden, waren arm. Sie konnten mit ihrer Arbeit kaum das Essen auf den Tisch bringen. Doch sie waren die ersten, die Jesus anbeteten. Als Beispiele für Gottes Vorliebe für Arme sind die Hirten geistliche Helden der Geschichte. Sie erinnern uns daran, dass Gottes Herz nach wie vor für die schlägt, die mit weniger auskommen müssen. Am deutlichsten beschreibt Jesus seinen Auftrag auf der Erde in seiner Antrittsrede, die er in der Synagoge seiner Heimatstadt hält. Auch hier stellt er sich zu den Armen. „Als er nach Nazareth kam, wo er seine Kindheit verbracht hatte, ging er wie gewohnt am Sabbat in die Synagoge und stand auf, um aus der Schrift vorzulesen. Man reichte ihm die Schriftrolle des Propheten Jesaja, und als er sie aufrollte, fand er die Stelle, an der steht: ‚Der Geist des Herrn ruht auf mir, denn er hat mich gesalbt, um den Armen die gute Botschaft zu verkünden. Er hat mich gesandt, Gefangenen zu verkünden, dass sie freigelassen werden, Blinden, dass sie sehen werden, Unterdrückten, dass sie befreit werden und dass die Zeit der Gnade des Herrn gekommen ist.‘ Er rollte die Schriftrolle zusammen, gab sie dem Synagogendiener zurück und setzte sich. Alle in der Synagoge sahen ihn an. Und er sagte: ‚Heute ist dieses Wort vor euren Augen und Ohren Wirklichkeit geworden!‘“ Lukas 4,16-21 NL Zu Beginn seines Wirkens kehrte Jesus nach Nazareth zurück. Es waren bereits Gerüchte über seine Lehre und seine wundersamen Kräfte in Umlauf. Er wurde eingeladen, in der örtlichen Synagoge zu sprechen, wo er schon als Kind gebetet hatte. Jesu Zuhörer an jenem Morgen waren skeptisch: „Was macht der Sohn von Maria und Josef jetzt? Kann irgendetwas Gutes aus Nazareth kommen?“

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Jesus spürte, dass es ein besonderer Moment war, und nutzte die Gelegenheit, um seinen Auftrag darzulegen. Er las den hebräischen Text des verehrten Propheten Jesaja (61,2-2) vor. Und als er fertig war, rollte er die Schriftrolle zusammen und sagte im Wesentlichen: „Lasst mich euch erklären, was das bedeutet.“ Das Wesen des Auftrags Jesu lässt sich in einer einzigen Vision erfassen – einer Vision mit zwei Dimensionen: Jesu Hoffnung auf eine erneuerte Menschheit hat einen zweifachen Schwerpunkt: Menschen, die geistlich arm sind und Menschen, die sozial arm sind. GEISTLICH ARM: Jesus beginnt, indem er von sich sagt: „Der Geist des Herrn ruht auf mir.“ Ich bin von Gott berührt worden und ich bin in Kontakt mit Gott. Und die gute Nachricht, die ich denen unter euch bringe, die geistlich arm sind, lautet: Auch ihr könnt in Kontakt mit Gott kommen. SOZIAL ARM: Jesus weiß, dass soziale Armut systembedingt ist. Er sieht Menschen in Armut als solche, die gefangen sind. Sie werden unterdrückt. Sie sind Opfer ihrer Umstände. Menschen, die in sozialer Armut leben, brauchen Augen, um über die Mauern ihres Gefängnisses hinauszusehen. Sie müssen befreit werden, damit sie eine neue Zukunft entdecken können. Auf den folgenden Seiten wird immer wieder deutlich werden, dass Jesus richtig lebte – dass Rechtschaffenheit sein Lebensstil war. Dieses Material wird auch darlegen, dass Jesus immer wieder Unrecht zurechtgerückt hat – dass es seine Absicht und seine Praxis war, Gerechtigkeit zum Wohl anderer zu suchen. Jesu Auftrag war zweischneidig. Er erwachte morgens mit einer Sicht für das geistliche Wohlergehen der Menschen. Und er sah Möglichkeiten für Menschen, deren Leben durch bedrückende Zwänge und lebensfeindliche Mächte eingeengt war. Jesus lebte richtig und bekämpfte Unrecht. Und für diejenigen von uns, die Jesu Nachfolger sein wollen, ist Jesu Auftrag auf der Erde zu seiner Zeit auch unser Auftrag auf der Erde in unserer Zeit.

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TEIL A JESUS UND DIE GERECHTIGKEIT: DIE AUSGEGRENZTEN EINBEZIEHEN Ausgrenzung zu erleben ist furchtbar. Es ist, wie wenn man beim Fußballspiel ungerechterweise die Rote Karte erhält. Man war auf dem Spielfeld, spielte als Angreifer den eigenen Mitspielern den Ball zu und fing als Verteidiger die Bälle der gegnerischen Mannschaft ab. Dann plötzlich, nachdem man den Gegner, nach Ansicht des parteiischen Schiedsrichters, absichtlich gefoult hat, ist man im Abseits und aus dem Spiel. Leider kommen im wirklichen Leben viele Menschen nie von der Seitenlinie weg und ins Spiel. Ohne jemals die Regeln verletzt oder irgendjemandem wehgetan zu haben, werden sie vom Platz verwiesen. Sie dürfen im Spiel des Lebens nicht mitspielen.

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1. AUSSENSEITERN DER GESELLSCHAFT MIT NÄCHSTENLIEBE BEGEGNEN Unsere Welt kann ein unfreundlicher Ort sein. Kastensysteme gibt es in vielerlei Gestalt. Soziale Vorurteile haben viele Gesichter. Die Entstellten, die körperlich Eingeschränkten, die geistig Behinderten und selbst Kinder, die auf dem Schulhof gehänselt werden, können Opfer von Unrecht sein, ohne dass sie irgendetwas getan hätten außer sie selbst zu sein. Sie sind Außenseiter. Sie werden einfach ausgeschlossen. Und diese ungerechtfertigte Ausgrenzung ist demütigend. Historisches Dilemma: Aussätzige Zur Zeit Jesu wurden Aussätzige (Leprakranke) ohne eigenes Zutun diskriminiert. Sie waren Außenseiter der Gesellschaft. Da ihre Körper von Hautverletzungen betroffen waren, die ihre Gliedmaßen und Augen entstellten, mussten Aussätzige von anderen getrennt leben. Sie wurden ausgegrenzt. Einer der bekanntesten Aussätzigen zu Zeiten des Alten Testaments war Naaman. Ein einflussreicher Mann, „der oberste Heerführer von Syrien, war ein ausgezeichneter Soldat und Stratege. Er genoss hohes Ansehen, und der König schätzte ihn sehr, hatte doch der Herr durch Naaman den Syrern zum Sieg über die Feinde verholfen. Doch Naaman war aussätzig!“, 2. Könige 5,1 Hfa. Und als Aussätziger musste selbst Naaman „unrein, unrein“ rufen, wenn andere Menschen in seine Nähe kamen. Obwohl Lepra heute gut behandelt werden kann und kaum ansteckend ist, mussten die Erkrankten in Kolonien leben, und das gibt es auch heute noch. Statt sie menschenwürdig zu behandeln, hält man sie für nicht gesellschaftsfähig und verurteilt sie zu sozialer Isolation. Heute gibt es laut Weltgesundheitsorganisation noch etwa 200 000 Menschen, die an Lepra erkrankt sind. Gebiete hoher Gefährdung bestehen nach wie vor in manchen Teilen von Angola, Brasilien, der Zentralafrikanischen Republik, der Demokratischen Republik Kongo, Indien, Madagaskar, Mosambik, Nepal und der Vereinigten Republik Tansania. Diese Länder bemühen sich nach wie vor sehr, die Krankheit auszurotten, und intensivieren ständig ihre Aktivitäten zur Kontrolle der Lepra. Gott in der biblischen Geschichte begegnen Erlaube dir, an einen neuen geistlichen Ort zu reisen. Gestatte dir, an diesem neuen Ort auszuruhen, bevor du zu deiner nächsten Reise aufbrichst. • • • • •

Lesen Sie die drei folgenden Texte nacheinander laut vor. Sprechen Sie zunächst nicht darüber, sondern lesen Sie die Abschnitte still noch einmal durch und lassen Sie den Text auf sich wirken. Denken Sie still darüber nach. Teilen Sie Ihre Gedanken einander mit, ohne darüber zu diskutieren. Nachdem sich alle mitgeteilt haben, laden Sie jeden ein, noch eine abschließende Bemerkung zu machen.

Jesus heilt Aussätzige. „Viele Menschen folgten Jesus, als er den Berg hinuntergestiegen war. Da trat ihm ein Aussätziger in den Weg. Er fiel vor ihm nieder und sagte: ‚Herr, wenn du willst, kannst du mich gesund machen.‘ Jesus berührte ihn. ‚Ich will es tun‘, sagte er. ‚Sei gesund!‘ Und im selben Augenblick war der Mann von seiner Krankheit geheilt.“ Matthäus 8,1-3 NL „Auf dem Weg nach Jerusalem kamen Jesus und seine Jünger durch das Grenzgebiet zwischen Galiläa und Samarien. In einem Dorf begegneten ihnen zehn Aussätzige. Im vorgeschriebenen Abstand blieben sie stehen und riefen: ‚Jesus, Meister! Hab doch Erbarmen mit uns!‘ Er sah sie an

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und forderte sie auf: ‚Geht zu den Priestern und zeigt ihnen, dass ihr geheilt seid!‘ Auf dem Weg dorthin wurden sie gesund. Einer von ihnen lief zu Jesus zurück, als er merkte, dass er geheilt war. Laut lobte er Gott. Er warf sich vor Jesus nieder und dankte ihm. Es war ein Mann aus Samarien. Jesus fragte: ‚Habe ich nicht zehn Männer geheilt? Wo sind denn die anderen neun? Weshalb kommt nur einer zurück, noch dazu ein Fremder, um sich bei Gott zu bedanken?‘ Zu dem Samariter aber sagte er: ‚Steh wieder auf! Dein Glaube hat dir geholfen.‘“ Lukas 17,11-19 Hfa „Ein Aussätziger kam zu Jesus, kniete vor ihm nieder und bat ihn, ihn zu heilen. ‚Wenn du willst, kannst du mich gesund machen‘, sagte er. Jesus hatte Mitleid mit ihm und berührte ihn. ‚Ich will es tun‘, sagte er. ‚Sei gesund!‘ Im selben Augenblick verschwand der Aussatz und der Mann war geheilt. Daraufhin schickte Jesus ihn sofort weg und befahl ihm: ‚Geh zum Priester und lass dich von ihm untersuchen. Sprich unterwegs mit niemandem. Nimm das Opfer mit, das Mose für die Heilung von Aussatz vorgeschrieben hat. Das soll für alle ein Beweis deiner Heilung sein.‘“ Markus 1,40-44 NL

Aktuelle Herausforderungen Mitgefühl entsteht durch Einfühlungsvermögen. Es führt zu Verhalten, das das Leben aus der Sicht des anderen sieht. Echtes Mitgefühl bringt Reaktionen hervor, die Türen öffnen, durch die Außenseiter in die Gemeinschaft hineinkommen können. Soziale Außenseiter erkennen Die Skala der gesellschaftlichen Ausgrenzung hat viele Ebenen. Manche Ausgrenzungserfahrungen sind offensichtlich schmerzhafter als andere. Kindheitserinnerungen können noch im Erwachsenenalter starke Gefühle auslösen. Von den Freunden abgelehnt zu werden, mit einer Lernschwäche zurechtkommen zu müssen, in der Schule sitzen zu bleiben oder immer als Letzter in eine Sportmannschaft gewählt zu werden, kann emotionale Narben hinterlassen. Der kulturelle Grund für die Ausgrenzung kann etwas so Einfaches sein wie dass man als Mädchen geboren wurde oder das Stigma einer HIV/Aids-Diagnose. Im religiösen Bereich sind Frauen manchmal von Leitungspositionen ausgenommen oder werden im Gottesdienst in einen abgetrennten Bereich verbannt. In manchen Kreisen kann es zur Entfremdung von Beziehungen führen, wenn man geschieden ist oder alleine Kinder großzieht. Eine bestimmte sexuelle Vorliebe oder ein gewisser Lebensstil kann Türen zu anderen Menschen verschließen. Auf der Skala der Ausgrenzung sind die Reaktionen anderer Menschen manchmal schwerer zu verkraften als die emotionale Last einer körperlichen oder geistigen Beeinträchtigung. Und dann sind da noch die zahlreichen Folgen der wirtschaftlichen Ungleichheit. Wer dauerhaft arbeitslos oder langfristig auf Sozialhilfe angewiesen ist, oder wer auf der Straße lebt, ohne eine Adresse, an die die Behörden Schecks schicken könnten, muss damit rechnen, an nahezu jeder Ecke auf Schilder mit der Aufschrift „Kein Eintritt“ zu stoßen. • Schauen Sie zunächst auf sich. Suchen Sie in Ihrer Erinnerung nach einer Zeit, in der Sie ausgegrenzt wurden – einem Ereignis, bei dem Sie ein Außenseiter waren. Beschreiben Sie mit einzelnen Worten, wie Sie sich damals gefühlt haben. Schreiben Sie die Worte auf und lassen Sie sie auf sich wirken. Nehmen Sie ehrlich wahr, welche Gefühle sie in Ihnen wecken. Sprechen Sie mit anderen über Ihre Erfahrungen. •

Beschreiben Sie die sozialen Außenseiter von heute.

Mein Heimatland • Nennen Sie zwei oder drei Gruppen von Menschen, die ausgegrenzt werden – die Außenseiter sind. Schauen Sie genau hin und denken Sie in einem umfassenden Rahmen.

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Meine Gemeinde/Konfession • Nennen Sie Personen, die Außenseiter sind. Seien Sie ehrlich. Sie werden vielleicht geduldet, aber sind sie wirklich willkommen? Schauen Sie auch hier genau hin. Meine weltweiten Nachbarn • Nennen Sie mindestens zwei Gruppen von Menschen, die Außenseiter sind. Achten Sie auf jene, die stigmatisiert und diskriminiert werden. Menschen mit HIV/Aids sind ein bekanntes Beispiel. Zählen Sie noch weitere auf. Gehen Sie die Liste der in den drei Kategorien als Außenseiter identifizierten Personen noch einmal durch. Wählen Sie aus jeder Kategorie eine Person und/oder Gruppe und beschreiben Sie Taten der Nächstenliebe, durch die Außenseiter in die Gemeinschaft integriert werden – bei denen die Ausgegrenzten einbezogen werden können. Antwortgebete Konzentrieren Sie sich zunächst auf Ihr Heimatland. Wenden Sie sich dann einem weltweiten Schwerpunkt zu.

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2. GEGEN DIE UNGLEICHBEHANDLUNG DER GESCHLECHTER PROTESTIEREN Der kulturelle Rahmen zur Zeit Jesu war ein Geflecht aus römischen, griechischen und jüdischen Traditionen. Es herrschte ein faszinierendes Wechselspiel zwischen politischer Macht, gesellschaftlichen Gepflogenheiten und religiösen Einflüssen. Die jüdischen Bräuche und religiösen Praktiken waren die stärksten Faktoren in der damaligen Gesellschaft. Auch wenn der Umgang mit Frauen nicht mit der Stigmatisierung der Aussätzigen gleichgesetzt werden kann, stellten die gemeinsamen römischen, griechischen und jüdischen Einstellungen gegenüber Frauen sie doch auf eine deutlich niedrigere Stufe als Männer. Frauen waren Menschen zweiter Klasse, die eine untergeordnete Rolle einnahmen. Historisches Dilemma: Frauen Viele Verfechter der Gleichstellung von Männern und Frauen würden hierzu vielleicht fragen: „Was hat sich denn verändert?“ Sie sind der Meinung, dass die Unterdrückung der Frau auch heute noch ein Problem ist. Religiöse Vorurteile zugunsten von Männern sind in manchen christlichen Traditionen und vielen Kirchen immer noch Realität. Es gibt nach wie vor Debatten über den Mann als „Haupt“ und darüber, welche Aufgaben Frauen in der Gemeinde übernehmen dürfen. In den Leitungsgremien von Unternehmen sitzen mehrheitlich Männer, die an ihren Stühlen kleben. Auch in unserer sogenannten „aufgeklärten Zeit“ glauben viele Menschen weiterhin, dass die vorrangige Lebensaufgabe einer Frau darin besteht, Kinder zu bekommen und sich um den Haushalt zu kümmern. Selbst wenn Frauen nicht auf diese Rolle beschränkt sind, werden sie doch oft zwischen den doppelten Anforderungen von Beruf und Haushalt aufgerieben. Und dennoch haben Frauen in vielen Teilen der heutigen Welt bedeutend mehr Rechte als zur Zeit Jesu. In Jesu Umfeld und Zeit galten Frauen weniger als Männer. Die Kultur des Neuen Testaments war geprägt von den Normen des Alten Testaments. Das Erbe Evas, der „Verführerin“ im Garten Eden, lebte weiter. Unverheiratete Frauen durften das Haus ihres Vaters nicht verlassen. Verheiratete Frauen waren an das Haus ihres Mannes gebunden. Mit Fremden zu sprechen oder vor Gericht auszusagen war ihnen verboten. Frauen standen unter der Weisungsbefugnis von Männern – mehr wie ein Besitz als wie eine Person. Ihr Status war eher „sklavenähnlich“ als dass sie als Menschen mit Würde lebten. Die Hervorhebung von Maria, der Mutter Jesu, und die Aufnahme ihres Lobgesangs in die Heilige Schrift steht im Kontrast zur kulturellen Praxis der Zeit. Jesus war ein Sozialrevolutionär und ein religiöser Erneuerer. Er bezog Frauen in sein Leben ein, während andere einflussreiche Personen sie ausschlossen. Die folgenden Bibeltexte zeigen, wie Jesus gegen die ihn umgebende Ungleichbehandlung der Geschlechter protestierte. Gott in der biblischen Geschichte begegnen Bringe den Lärm deiner zerstreuten Gedanken zur Ruhe, öffne dich in stiller Ehrfurcht für das, was Gott dir schenkt, mache dich bereit, die Heilsgeschichte zu leben. • • • •

Lesen Sie die drei folgenden Texte nacheinander laut vor, ohne zu kommentieren. Lesen Sie die Abschnitte ein zweites Mal. Achten Sie auf ein Wort oder einen Satz, der Ihnen auffällt. Denken Sie zwei oder drei Minuten lang still über diese Aussage nach. Teilen Sie Ihren Gedanken mit einfachen Worten den anderen mit, ohne ihn weiter auszuführen. Hören Sie einander aufmerksam zu und achten Sie auf mögliche Verbindungen zwischen den Aussagen der anderen und Ihrem eigenen Gedanken. 11


• •

Nehmen Sie sich einige Augenblicke Zeit, um das Gehörte zu reflektieren. Falls sie eine Verbindung zwischen Ihrer eigenen Beobachtung und der eines anderen entdeckt haben, beschreiben Sie, inwieweit die beiden Gedanken einander verstärken.

Jesus besucht Marta und Maria. „Auf ihrem Weg nach Jerusalem kamen Jesus und die Jünger auch in ein Dorf, in dem eine Frau mit Namen Marta sie in ihr Haus einlud. Ihre Schwester Maria saß Jesus zu Füßen und hörte ihm aufmerksam zu. Marta dagegen mühte sich mit der Bewirtung der Gäste. Sie kam zu Jesus und sagte: ‚Herr, ist es nicht ungerecht, dass meine Schwester hier sitzt, während ich die ganze Arbeit tue? Sag ihr, sie soll kommen und mir helfen.‘ Doch der Herr sagte zu ihr: ‚Meine liebe Marta, du sorgst dich um so viele Kleinigkeiten! Im Grunde ist doch nur eines wirklich wichtig. Maria hat erkannt, was das ist – und ich werde es ihr nicht nehmen.‘“ Lukas 10,38-42 NL Ein Mädchen wird zum Leben erweckt und eine Frau wird geheilt. „Noch während Jesus sprach, trat der Vorsteher einer Synagoge zu ihm, kniete vor ihm nieder und sagte: ‚Meine Tochter ist gerade gestorben, aber du kannst sie wieder lebendig machen, wenn du nur kommst und ihr die Hände auflegst.‘ Auf dem Weg zum Haus des Vorstehers folgte Jesus und den Jüngern eine Frau, die schon seit zwölf Jahren starke Blutungen hatte. Sie berührte heimlich den Saum seines Mantels, denn sie dachte: ‚Wenn ich nur seinen Mantel berühre, werde ich wieder gesund.‘ Da drehte Jesus sich um und sagte zu ihr: ‚Meine Tochter, hab keine Angst! Dein Glaube hat dich geheilt.‘ Und im selben Augenblick war die Frau wieder gesund. Als Jesus ins Haus des Vorstehers kam, fand er laut weinende Menschen vor und hörte Trauermusik. Da sagte er: ‚Geht hinaus, das Mädchen ist nicht tot; es schläft nur.‘ Aber die Menge lachte ihn aus. Als die Leute endlich alle draußen waren, ging Jesus zum Mädchen hinein, nahm es bei der Hand, und es stand auf. Die Nachricht von diesem Wunder verbreitete sich wie ein Lauffeuer in der ganzen Gegend.“ Matthäus 9,18-26 NL Jesus erscheint Maria Magdalena. „Maria stand weinend draußen vor dem Grab, und während sie weinte, beugte sie sich vor und schaute hinein. Da sah sie zwei weiß gekleidete Engel sitzen, einen am Kopf- und einen am Fußende der Stelle, an der der Leichnam von Jesus gelegen hatte. ‚Warum weinst du?‘, fragten die Engel sie. ‚Weil sie meinen Herrn weggenommen haben‘, erwiderte sie, ‚und ich nicht weiß, wo sie ihn hingelegt haben.‘ Sie blickte über ihre Schulter zurück und sah jemanden hinter sich stehen. Es war Jesus, aber sie erkannte ihn nicht. ‚Warum weinst du?‘, fragte Jesus sie. ‚Wen suchst du?‘ Sie dachte, er sei der Gärtner. ‚Herr‘, sagte sie, ‚wenn du ihn weggenommen hast, sag mir, wo du ihn hingebracht hast; dann gehe ich ihn holen.‘ ‚Maria!‘, sagte Jesus. Sie drehte sich um zu ihm und rief aus: ‚Meister!‘ ‚Berühre mich nicht‘, sagte Jesus, ‚denn ich bin noch nicht zum Vater aufgefahren. Aber geh zu meinen Brüdern und sage ihnen, dass ich zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott auffahre.‘ Maria Magdalena fand die Jünger und erzählte ihnen: ‚Ich habe den Herrn gesehen!‘ Dann berichtete sie, was er ihr aufgetragen hatte.“ Johannes 20,11-18 NL

Aktuelle Herausforderungen Was sagen uns diese Bibeltexte über Jesu Ansichten, seine Beziehungen und sein Verhalten gegenüber Frauen? • • • • • •

Frauen gehörten zum engsten Freundeskreis Jesu. Er war ansprechbar – er stellte seine Zeit und seine Aufmerksamkeit zur Verfügung. Jesus führte ehrliche Gespräche mit den Frauen, die er kannte. Wenn er auf den Schmerz von Eltern einging, machte er keine Unterschiede zwischen Töchtern und Söhnen. Die Frau mit den Blutungen galt damals als unrein. Jesus ignorierte die rituellen Reinheitsgesetze und verlieh ihr trotz ihres Makels Würde. Vor dem Grab im frühen Morgenlicht erkannte Maria die Stimme Jesu – die Stimme dessen, der sich die Zeit genommen hatte, ihr Lehrer zu sein. 12


• •

An einem besonders kritischen Punkt in der Geschichte der Christenheit offenbarte sich Jesus als Erstes einer Frau. In einer Kultur, die die Zeugenaussage einer Frau vor Gericht nicht anerkannte, vertraute Jesus Maria als Erster die Aufgabe an, die Botschaft von seiner Auferstehung weiterzusagen.

Jesus gab den Frauen in seiner Zeit eine neue Lebensqualität. In einem kulturellen Umfeld, in dem Frauen unterdrückt und als minderwertig angesehen wurden, verlieh er ihnen Würde. Er begegnete ihrer Ungleichbehandlung mit seiner Art, das Leben wieder in Ordnung zu bringen. In unserer Zeit spielen die Strukturen demokratischer und säkularer Gesellschaften die führende Rolle bei der Bewältigung der sozialen Ungerechtigkeit gegenüber Frauen. Die Charta der Grundrechte, die Arbeitsgesetze, Menschenrechtstribunale und die Entscheidungen von Gerichten setzen sich vorrangig für die Gleichbehandlung von Frauen und Männern ein. Die beunruhigende Frage, die sich dem Volk Gottes stellt, lautet: „Wenn Jesu Auftrag auf der Erde zu seiner Zeit auch unser Auftrag auf der Erde in unserer Zeit“ ist, wie sollte unsere Haltung und unser Verhalten gegenüber Frauen heute aussehen? Denken Sie über Frauen in Ihren verschiedenen Beziehungen und gesellschaftlichen Bereichen nach: Familie, Freundeskreis, Nachbarschaft, Wohnort, christliche Gemeinde, Arbeit, Politik, Gesellschaft und Welt. Wählen Sie einen oder zwei konkrete Bereiche, die Ihnen auffallen. • •

Als Frau: Mit welchen Haltungen und Verhaltensweisen können Sie gegen Unrecht vorgehen, wenn Sie „das Leben in Ordnung bringen“ möchten? Als Mann: Mit welchen Haltungen und Verhaltensweisen können Sie gegen Unrecht vorgehen, wenn Sie „das Leben in Ordnung bringen“ möchten?

Antwortgebete Konzentrieren Sie sich zunächst auf Ihr Heimatland. Wenden Sie sich dann einem weltweiten Schwerpunkt zu.

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3. DIE AUSGEGRENZTEN ANNEHMEN Christen auf der ganzen Welt betrachten Jesus zwar durch unterschiedliche „Brillen“, doch die meisten sehen in als den „Erlöser“. Er ist der Sohn Gottes, der auf die Erde kam, um am Kreuz zu sterben, den Menschen ihre Sünden zu vergeben und die Welt zu erlösen. In dieser Studienreihe bekräftigen wir Jesus als den Sohn Gottes und gleichzeitig feiern wir sein Menschsein als den vollendeten Ausdruck dessen, wie das Leben am besten gelebt werden kann. Jesus ist sowohl Gott als auch Mensch – eine einzigartige und einmalige Offenbarung. Nach Gottes Plan zeichnet sich Jesu Menschsein durch die göttliche Gegenwart aus, die ihn heilig und für Menschen an allen Orten ansprechbar macht. Leider neigen viele, die Jesu Gottheit betonen, dazu, die Bedeutung seines Menschseins zu schmälern. Und diejenigen, die Jesu Menschsein am meisten schätzen, neigen dazu, seine Gottheit abzuschwächen. Wenn wir Jesus sowohl als Gott als auch als Mensch annehmen und versuchen, ihn durch die Brille der Gerechtigkeit zu betrachten, erhalten wir eine zweifache Bestätigung. Jesu Gottheit beglaubigt sowohl seine Lehre über die Gerechtigkeit als auch seine Verhaltensweisen. Und sein Menschsein erhebt sein Leben zum Vorbild für optimales Gerechtigkeitsverhalten. Wenn wir daher betrachten, wie Jesus mit Aussätzigen, Frauen und Kindern umging, können wir lernen, wie Gott ausgegrenzte Menschen sieht und wie wir heute am besten mit ihnen umgehen können. Jesus zeigt uns, wie wir leben und lieben sollen. Historisches Dilemma: Kinder Die Menschen zur Zeit des Neuen Testaments waren genauso von den Normen ihrer Kultur geprägt wie wir heute von den Normen unserer Kultur. Und zur Zeit Jesu waren die Kultur und die Gebräuche stark patriarchalisch. Männer herrschten an allen Fronten. Als Familienvorstand traf ein Mann alle Entscheidungen. Wenn der Ehemann nicht das alleinige Sagen hatte, hatte er doch das letzte Wort. Die Autorität von Vätern wurde nicht hinterfragt. Söhne waren viel wichtiger als Töchter, besonders als erstgeborenes Kind einer Familie. Natürlich wurden Kinder von ihren Familien dennoch geliebt. Brüder und Schwestern spielten und stritten miteinander. Sie liefen um die Wette und trugen Ringkämpfe aus. Sie kicherten und weinten wie Kinder das tun. Doch als Kinder waren sie den kulturellen Bräuchen ihrer Zeit unterworfen. Man dachte dabei auch sehr praktisch. Frauen sollten ihrem Mann einen männlichen Erben zur Welt bringen. Von Kindern wurde erwartet, dass sie ihre Familie materiell unterstützten. Sie bildeten das soziale Sicherheitsnetz für ihre Eltern, wenn diese alt wurden. Die Kindheit war ein Lebensabschnitt, in dem man den Eltern gehorchte und sich darauf vorbereitete, ein verantwortungsvoller Erwachsener zu werden. Kinder wurden nicht ermuntert davon zu träumen, was sie einmal werden könnten. Außerhalb ihrer Familien spielten sie keine Rolle in der Gesellschaft. Sie waren kulturell unbedeutend. Ihre Stimmen zählten nicht. Daher wurden die Frauen und Kinder auch nicht mitgezählt, als Jesus auf wunderbare Weise 5000 Personen zu essen gab. Gott in der biblischen Geschichte begegnen Bringe deinen Geist in Suchstellung, lies aufmerksam, horche auf Gottes Stimme, lebe im Glauben. 14


Jesus begann seine Menschwerdung nicht als Erwachsener, sondern er kam wie wir alle als Baby zur Welt. Seine Kindheit mit Maria, Josef und seinen übrigen Angehörigen verlieh den Alters- und Entwicklungsstufen von Kindern eine eigene Würde. Später in seinem Leben zeigte Jesus sich als kinderlieb. Er mochte Kinder und segnete sie. • • •

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Lesen Sie die folgenden Abschnitte still durch. Lesen Sie langsam und horchen Sie auf Gottes Stimme. Lesen Sie die Texte ein zweites Mal laut vor. Versetzen Sie sich in die darin beschriebenen Situationen: o Beschreiben Sie, wie sich die Kinder wahrscheinlich gefühlt haben. o Beschreiben Sie, wie sich die Jünger und die erwachsenen Zuschauer gefühlt haben müssen. Erstellen Sie in der Stille eine mentale Liste von Kindern, die Ihnen einfallen. Lesen Sie die Bibeltexte noch einmal laut vor. Nennen Sie die Namen der Kinder, die Ihnen in den Sinn kommen. Sprechen Sie für jedes der genannten Kinder ein kurzes Gebet.

Jesus segnet die Kinder. „Eines Tages brachten Eltern ihre kleinen Kinder zu Jesus. Er sollte ihnen die Hand auflegen und für sie beten. Doch die Jünger fuhren die Leute an, ihn nicht zu belästigen. Da rief Jesus die Kinder zu sich und sagte zu den Jüngern: ‚Lasst die Kinder doch zu mir kommen. Hindert sie nicht daran! Denn solchen gehört das Reich Gottes. Ich versichere euch: Wer nicht wie ein Kind glaubt, wird nicht ins Reich Gottes kommen.‘“ Lukas 18,15-17 NL Wahre Größe „In jener Zeit kamen die Jünger zu Jesus und fragten: ‚Wer ist eigentlich der Größte im Himmelreich?‘ Jesus rief ein Kind, stellte es in ihre Mitte und sagte: ‚Ich versichere euch: Wenn ihr nicht umkehrt und wie die Kinder werdet, könnt ihr nicht ins Himmelreich kommen. Darum: Wer sich selbst erniedrigt und wie dieses Kind wird, der ist der Größte im Himmelreich. Und wer solch ein Kind um meinetwillen aufnimmt, der nimmt mich auf. Wer aber einen von diesen gering Geachteten, die an mich glauben, zu Fall bringt, der käme noch gut weg, wenn man ihm einen Mühlstein um den Hals hängen und ihn damit in der Tiefe des Meeres versenken würde. Wehe der Welt wegen der Dinge, durch die Menschen zu Fall kommen! Es ist zwar unausweichlich, dass solche Dinge geschehen, doch wehe dem Menschen, der daran schuld ist!‘“ Matthäus 18,1-7 NGÜ

Aktuelle Herausforderungen Jesus verhält sich gegenüber Kindern auf eine Weise, die die kulturellen Normen hinterfragt. Jesus schließt sie nicht aus, sondern nimmt sie an. Jesus drängt die Kinder nicht, wie seine Jünger es tun, an den Rand des Lebens, sondern er stellt sie in die Mitte. Jesus stellt die gesellschaftlichen Normen auf den Kopf, indem er seine Jünger ermahnt: „Lasst euch von den Kindern etwas beibringen. Schließt sie nicht aus. Lernt von ihnen.“ „Wahrlich, ich sage euch: Wer nicht das Reich Gottes annimmt wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen.“ „Wahrlich, ich sage euch: Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen.“

Was lehrt Jesus uns hier? Inwiefern sollen wir wie Kinder sein, um in Gottes Reich – Gottes Familie – aufgenommen zu werden?

Kinder sind schwach und verletzlich. Jesus ermahnt uns, sie zu beschützen und vor allem kein „Stolperstein“ für sie zu sein. Wenn wir sie auf Abwege führen, hat das Konsequenzen. 15


Mit welchen Hindernissen und Stolpersteinen haben Kinder in ihren Beziehungen mit Erwachsenen zu tun? Wie können Erwachsene Kinder auf Abwege führen?

Was die Bedürfnisse von Kindern betrifft, welchen Schutz brauchen Kinder von Erwachsenen in der heutigen Zeit?

Vervollständigen Sie den folgenden Satz: „Menschen, die sich für Kinder einsetzen ...

Antwortgebete Konzentrieren Sie sich zunächst auf Ihr Heimatland Wenden Sie sich dann einem weltweiten Schwerpunkt zu.

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TEIL B JESUS UND DIE GERECHTIGKEIT: KULTURELLE PRAKTIKEN HINTERFRAGEN Gerechtigkeit ist ein Begriff mit vielen Bedeutungen. Sie hat zu viele Dimensionen, um sich auf eine einzige Wörterbuchdefinition reduzieren zu lassen. Zum einen gibt es Gerechtigkeit im juristischen Sinn/vor Gericht: In demokratischen Gesellschaften und vielen anderen Kulturen wird davon ausgegangen, dass „man bekommt, was man verdient“. Gute Taten werden belohnt, Böses wird bestraft und Kriminelle kommen vor Gericht. Sie erhalten ihren „gerechten Lohn“ und werden nach dem Gesetz als Schuldige verurteilt. Das Rechtssystem hält Gericht und Strafen werden dem Vergehen entsprechend verhängt. Dann gibt es die ethische Gerechtigkeit/die Menschenrechte: Ethische Gerechtigkeit interpretiert den Satz „man bekommt, was man verdient“ anders. Nach der moralischen Gleichung, die mit dem Menschsein gewisse Grundrechte verbindet, steht es jedem Einzelnen von Natur aus zu, von der Gesellschaft unterstützt zu werden. Bürger haben daher ein Recht auf Bildung, Gesundheitsversorgung und Arbeit, um ein menschenwürdiges Leben führen zu können. Eine Gesellschaft ist dann eine „gerechte Gesellschaft“, wenn alle gleichermaßen Zugang zu den Möglichkeiten und Mitteln der Nation haben. Verfechter der sozialen Gerechtigkeit vertreten die Ansicht, dass diese Menschenrechte und Gleichheitsgrundsätze allen Bewohnern der Erde gewährt werden sollten. Und es gibt die göttliche/Gottes Gerechtigkeit: Gottes Gerechtigkeit umfasst Elemente sowohl der juristischen als auch der ethischen Gerechtigkeit. In mancher Hinsicht bekommen Menschen, die Gottes Lebensgesetze missachten, „ihren gerechten Lohn“. Selbstsucht bringt irgendwann ihre eigene Strafe mit sich. Ungezügelte Gier garantiert Verachtung und sogar Vergeltung vonseiten der Ausgebeuteten. Betrug mag sich kurzfristig auszahlen, bringt aber langfristig Leid mit sich. Gottes moralische Gleichung erhebt das Leben von der ehrenvollen Ebene des „gleiche Rechte für alle“ zu der menschlichen Erfahrung, zu lieben und geliebt zu werden. Gottes Vision einer gerechten Schöpfung sieht die Menschen in guten Beziehungen miteinander. Liebe schützt die Schwachen und bietet das Recht zu versagen und die Freiheit, noch einmal von vorn zu beginnen. Die Ethik der Liebe und die Praxis des „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“ sind der Kern von Gottes Vision einer gerechten Schöpfung. Die Beharrlichkeit von Gottes Liebe weigert sich, Unrecht zu akzeptieren. Auf der geistlichen Ebene liegt das Besondere der göttlichen Gerechtigkeit darin, dass wir eben nicht bekommen, was wir verdienen. Statt Gefängnis erhalten wir Vergebung. Statt unsere Schuld für immer zu tragen, dürfen wir mit einer weißen Weste – einer Art Begnadigung – neu anfangen. Wir sind eingeladen, mit Jesus zu gehen, der uns bereits gezeigt hat, wie man leben und lieben soll. Als Menschen, die Vergebung und Liebe erfahren haben, macht Gott uns fähig, richtig zu leben und dazu beizutragen, dass auch das Leben anderer in Ordnung kommt.

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1. RASSISMUS ABLEHNEN Rassismus ist eine lebensverneinende Kraft, eine Waffe des Unrechts. Er ist eine „Sündenstruktur“, die Menschen Chancen verweigert, gleichberechtigt neben anderen zu stehen. Rassismus erniedrigt seine Opfer und leugnet deren wahre Menschlichkeit. Seine missbräuchliche Macht verurteilt Menschen zu ethnischen Gefängnissen und sozialen Ghettos. Rassismus verschließt die Türen zu erstrebenswerter Arbeit, schränkt Beziehungen ein und lässt Menschen materiell verarmen. In den dunkelsten Stunden der Geschichte hat der Rassismus Todesschwadrone hervorgebracht und „ethnische Säuberungen“ und Völkermord gerechtfertigt. Und auch wenn wir uns nicht erlauben können, solche schrecklichen Dinge zu tolerieren, gibt es, wenn wir ehrlich sind, in uns allen Spuren dieser lebensfeindlichen Krankheit. Insgeheim glauben wir, aufgrund unserer Rasse, unserer Nationalität, unserer Kultur oder unseres persönlichen Stolzes irgendjemandem irgendwo überlegen zu sein. Historisches Dilemma: Rassismus Rassismus wurzelt in einem Gefühl herkunftsbedingter Überlegenheit, durch das Menschen annehmen, sie hätten das Recht, „die anderen“ zu kontrollieren und zu verletzen. Zur Zeit Jesu waren rassistische Äußerungen an der Tagesordnung und wurden offiziell gebilligt. Vorurteile und Diskriminierung richteten sich gegen die Samariter. Diese lebten in dem Gebiet von Samaria, dem früheren Nordreich Israels. In den Jahrhunderten vor Jesu Geburt entstanden die Samariter durch Mischehen zwischen Assyrern und Israeliten. Sie waren Mischlinge – eine ethnisch unreine Kreuzung. Juden fanden, dass die rassische Reinheit der Samariter befleckt sei. Folglich wurden sie kulturell von den ethnisch Reinen ausgesondert. Die sozialen Folgen führten zu Feindseligkeit zwischen Juden und Samaritern. Jesus war mit der herrschenden kulturellen Praxis – den Vorurteilen und der Trennung – vertraut. Auch die nicht namentlich benannte samaritische Frau am Brunnen kannte ihren Platz: „Wie, du bittest mich um etwas zu trinken, der du ein Jude bist und ich eine samaritische Frau?“, Johannes 4,9. Doch in seinem entschlossenen aber ruhigen Zugehen auf eine unbekannte samaritische Frau widersprach Jesus der Kultur und brach die Barrieren des Rassenfanatismus und der Geschlechterdiskriminierung. Gott in der biblischen Geschichte begegnen Geben wir zu, dass wir uns Gottes Willen und Wegen widersetzen können, bekennen wir, dass wir von der Kultur um uns herum beeinflusst werden, erlauben wir dem Wissen, unser Verhalten zu evangelisieren, gestatten wir dem Geheimnis, unsere Aufmerksamkeit zu fesseln. • • •

Lesen Sie die Geschichte still durch und achten Sie dabei besonders auf die Dynamik zwischen Jesus und der Frau. Lesen Sie die Geschichte ein zweites Mal, diesmal hörbar. Stellen Sie sich vor, dass Sie die Szene vor Ort beobachten. Hören Sie dem Dialog zwischen der Frau und Jesus aufmerksam zu. Widerstehen Sie der Versuchung, die Begegnung geistlich zu deuten, und versuchen Sie, sich in die Frau hineinzuversetzen. Überlegen Sie, mit welchem Selbstbild sie zum Brunnen kam und denken Sie dann darüber nach, wie sich die Begegnung mit Jesus auf die Frau ausgewirkt hat. Versuchen Sie ihre Gefühle zu beschreiben, als sie Jesus verließ und vom Brunnen wegging. Wenn Sie die Gedanken der Frau hören könnten, als sie die Straße entlangging, was, denken Sie, hat sie wohl zu sich gesagt? 18


Vergleichen Sie Ihre Beobachtungen und Kommentare mit anderen in der Gruppe.

Jesus und die Samariterin „Den Pharisäern war zu Ohren gekommen, dass Jesus noch mehr Nachfolger gewann und taufte als Johannes – obwohl er nicht einmal selber taufte, sondern nur seine Jünger. Als Jesus, der Herr, das erfuhr, verließ er Judäa und kehrte nach Galiläa zurück. Sein Weg führte ihn auch durch Samarien, unter anderem nach Sychar. Dieser Ort liegt in der Nähe des Feldes, das Jakob seinem Sohn Josef geschenkt hatte. Dort befand sich der Jakobsbrunnen. Müde von der langen Wanderung setzte sich Jesus an den Brunnen. Es war gerade Mittagszeit. Da kam eine Samariterin aus der nahe gelegenen Stadt zum Brunnen, um Wasser zu holen. Jesus bat sie: ‚Gib mir etwas zu trinken!‘ Denn seine Jünger waren in die Stadt gegangen, um etwas zu essen einzukaufen. Die Frau war überrascht, denn normalerweise wollten die Juden nichts mit den Samaritern zu tun haben. Sie sagte: ‚Du bist doch ein Jude! Wieso bittest du mich um Wasser? Schließlich bin ich eine samaritische Frau!‘ Jesus antwortete ihr: ‚Wenn du wüsstest, was Gott dir geben will und wer dich hier um Wasser bittet, würdest du mich um das Wasser bitten, das du wirklich zum Leben brauchst. Und ich würde es dir geben.‘ ‚Aber Herr‘, meinte da die Frau, ‚du hast doch gar nichts, womit du Wasser schöpfen kannst, und der Brunnen ist tief! Wo willst du denn das Wasser für mich hernehmen? Kannst du etwa mehr als Jakob, unser Stammvater, der diesen Brunnen gegraben hat? Er selbst, seine Kinder und sein Vieh haben schon daraus getrunken.‘ Jesus erwiderte: ‚Wer dieses Wasser trinkt, wird bald wieder durstig sein. Wer aber von dem Wasser trinkt, das ich ihm gebe, der wird nie wieder Durst bekommen. Dieses Wasser wird in ihm zu einer Quelle, die bis ins ewige Leben hinein fließt.‘ ‚Dann gib mir dieses Wasser, Herr‘, bat die Frau, ‚damit ich nie mehr durstig bin und nicht immer wieder herkommen und Wasser holen muss!‘ Jesus entgegnete: ‚Geh und ruf deinen Mann. Dann kommt beide hierher!‘ ‚Ich bin nicht verheiratet‘, wandte die Frau ein. ‚Das stimmt‘, erwiderte Jesus, ‚verheiratet bist du nicht. Fünf Männer hast du gehabt, und der, mit dem du jetzt zusammenlebst, ist nicht dein Mann. Da hast du die Wahrheit gesagt.‘ Erstaunt sagte die Frau: ‚Ich sehe, Herr, du bist ein Prophet! Kannst du mir dann eine Frage beantworten? Unsere Vorfahren haben Gott auf diesem Berg dort angebetet. Warum also behauptet ihr Juden, man könne Gott nur in Jerusalem anbeten?‘ Jesus antwortete: ‚Glaub mir, die Zeit wird kommen, in der ihr Gott, den Vater, weder auf diesem Berg noch in Jerusalem anbeten werdet. Ihr wisst ja nicht einmal, wen ihr anbetet. Wir aber wissen, zu wem wir beten. Denn das Heil der Welt kommt von den Juden. Doch es kommt die Zeit – ja, sie ist schon da –, in der die Menschen den Vater überall anbeten werden, weil sie von seinem Geist und seiner Wahrheit erfüllt sind. Von diesen Menschen will der Vater angebetet werden. Denn Gott ist Geist. Und wer Gott anbeten will, muss von seinem Geist erfüllt sein und in seiner Wahrheit leben.‘ Die Frau entgegnete: ‚Ja, ich weiß, dass einmal der Messias kommen soll, der auch Christus genannt wird. Er wird uns schon alles erklären.‘ Da sagte Jesus: ‚Du sprichst mit ihm. Ich bin der Messias.‘ Als seine Jünger aus der Stadt zurückkamen, wunderten sie sich, dass er mit einer Frau redete. Aber keiner fragte ihn: ‚Was willst du von ihr? Warum sprichst du mit ihr?‘ Da ließ die Frau ihren Wasserkrug stehen, lief in die Stadt und rief allen Leuten zu: ‚Kommt mit! Ich habe einen Mann getroffen, der alles von mir weiß! Vielleicht ist er der Messias!‘ Neugierig liefen die Leute aus der Stadt zu Jesus. Inzwischen hatten ihm seine Jünger zugeredet: ‚Meister, iss doch etwas!‘ Aber er sagte zu ihnen: ‚Ich habe eine Speise, von der ihr nichts wisst.‘ ‚Hat ihm wohl jemand etwas zu essen gebracht?‘, fragten sich die Jünger untereinander. Aber Jesus erklärte ihnen: ‚Ich lebe davon, dass ich Gottes Willen erfülle und sein Werk zu Ende führe. Dazu hat er mich in diese Welt gesandt. Habt ihr nicht selbst gesagt: In vier Monaten beginnt die Ernte? Macht doch eure Augen auf und seht euch um! Das Getreide ist schon reif für die Ernte. Wer sie einbringt, bekommt schon jetzt seinen Lohn und sammelt Frucht für das ewige Leben. Beide sollen sich über die Ernte freuen: wer gesät hat und wer die Ernte einbringt. Hier trifft das Sprichwort zu: Einer sät, der andere erntet. Ich habe euch auf ein Feld geschickt, das ihr nicht bestellt habt, damit ihr dort ernten sollt. Andere haben sich vor euch abgemüht, und ihr erntet die Früchte ihrer Arbeit.‘ Viele Leute aus Sychar glaubten allein deshalb an Jesus, weil die Frau überall erzählt hatte: ‚Dieser Mann weiß alles, was ich getan habe.‘ Als sie nun zu Jesus kamen, baten sie ihn, länger bei ihnen zu bleiben, und er blieb noch zwei Tage. So konnten ihn alle hören, und schließlich glaubten noch viel mehr Menschen an ihn. Sie sagten zu der Frau: ‚Jetzt glauben wir nicht nur deshalb an Jesus, weil du uns von ihm erzählt hast. Wir haben ihn jetzt selbst gehört und wissen: Er ist wirklich der Retter der Welt!‘“ Johannes 4,1-42 Hfa

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Aktuelle Herausforderungen •

Die Idee der Überlegenheit bestimmter Gesellschaftsschichten über andere durchzieht die Welt der Menschen. Ein Gefühl der Überlegenheit kommt meist dann auf, wenn wir uns mit anderen vergleichen und denken: „Ich bin besser als du.“ Es entzündet sich z. B. an der Familiengeschichte, am wirtschaftlichen Status, an der Intelligenz, dem Bildungsniveau, der beruflichen Stellung, der geistlichen Reife, sozialen Fertigkeiten, der Hautfarbe und der Volkszugehörigkeit. Ermitteln Sie einen oder zwei dieser Faktoren, bei denen Sie, wenn Sie ehrlich sind, leicht in Versuchung geraten, sich gegenüber anderen überlegen zu fühlen. Warum, denken Sie, empfinden Sie so? Wie wirkt sich das Gefühl der Überlegenheit auf Ihr Verhalten aus? Was können Sie tun, um Ihre Einstellungen und Ihre Anfälligkeit in diesem Punkt zu verändern?

Die Samariterin begann den Tag mit einem angeschlagenen Ruf. Ein paar Stunden später war sie auf eine andere Weise Dorfgespräch. Was haben die Leute im Dorf wohl nach ihrer Begegnung mit Jesus über sie gesagt? Wenn Sie das Gespräch der Jünger beim Abendessen belauscht hätten, welche Kommentare hätten Sie gehört?

Der Holocaust, das Apartheid-Regime, die „Killing Fields“ von Kambodscha, der Völkermord in Ruanda, die Gräueltaten in Darfur und andere rassistisch motivierte Grausamkeiten haben die Menschheit entehrt und Gottes Schöpfung verunstaltet. Wir fühlen uns demgegenüber oft hilflos. Doch wenn Schweigen und Rückzug in diesen Situationen keine gute Möglichkeit sind, was können wir tun? Als Einzelne? Gemeinsam?

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2. BÜRGERN ZWEITER KLASSE WÜRDE VERLEIHEN „Wer ist mein Nächster?“ ist eine lästige und komplexe Frage. Sie ist dann besonders heikel, wenn sie mit Gerechtigkeitsfragen verbunden ist, die ein Verantwortungsgefühl für die Notlagen anderer Menschen bedingen. Die Begegnung zwischen Jesus und dem Gesetzeslehrer, die den Anlass zum Gleichnis vom barmherzigen Samariter gab, ist unser Ausgangspunkt, um die Vielschichtigkeit dieser Problematik zu entwirren (vgl. Lukas 10,2537). Lassen Sie uns eines klarstellen: Sowohl im Alten als auch im Neuen Testament geht es in dem Gebot „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“ nicht um die Kunst, in wechselseitigen Beziehungen zu leben. Die Maxime „eine Hand wäscht die andere“ genügt nicht. Wenn Sie mich zum Abendessen zu sich einladen und ich mich wieder mit einer Einladung revanchiere, werde ich diesem Anspruch dennoch nicht gerecht. Stattdessen ist es hilfreich, wenn wir die Nächsten über einen externen Sucher bestimmen. Der Nächste ist insbesondere „jeder in Reichweite unserer Bereitschaft zu helfen und etwas zu verändern“. Der Nächste ist nicht einfach irgendjemand von irgendwo. Er ist ein Mensch, den ich mit meiner Hilfsbereitschaft erreichen kann. Jesus fordert uns heraus zu entdecken, wie weit unsere Hilfsbereitschaft reichen kann. •

Schauen Sie genau hin: Verstehen Sie „Nächste“ als Menschen, die Sie namentlich kennen. Beginnen Sie mit Ihren Verwandten und erweitern Sie dann auf Ihre Freunde. Fügen sie dem Kreis Menschen hinzu, die in Ihrer Nähe wohnen, Kollegen am Arbeitsplatz und Menschen in Ihrer Gemeinde. Erweitern Sie auf Beziehungen, die früher für Sie wichtig waren und halten Sie sich bereit für Menschen, die erst noch in Ihr Leben treten werden.

Gehen Sie über Ihr Eigeninteresse hinaus: Nur für sich selbst zu leben ist etwas für Jammerlappen. Wenn das Gleichnis vom barmherzigen Samariter uns irgendetwas lehrt, dann, das Eigeninteresse gegen das Wohl des „anderen“ auszutauschen. Die christliche Bedeutung des Nächsten wendet unsere Augen und Ohren nach außen.

Handeln Sie global: Wenn das Streben nach Gerechtigkeit mit Jesu Vision, richtig zu leben und das Leben für andere in Ordnung zu bringen verbunden ist, ist die Liebe zu unseren weltweiten Nächsten nicht verhandelbar. Globale Mitmenschen sind informiert. Sie beten intelligent, spenden strategisch, verteidigen die Menschenrechte und setzen sich auch über ihre Landesgrenzen hinweg für Gerechtigkeit ein.

Historisches Dilemma: Mitmenschen Die Geschichte gibt uns viele Anlässe zum Feiern, doch sie ist auch durch einen Mangel an Mitmenschlichkeit gekennzeichnet, der die Menschheit durch Ausbeutung und Misshandlung entstellt hat. Der Sklavenhandel erinnert uns daran, wie rassistisch und grausam Menschen gegenüber „anderen“ sein können. Die Insel Gorée liegt wenige Kilometer vor der Küste von Dakar, Senegal, in Westafrika. Heute ist die Insel eine Touristenattraktion, auf der Architektur aus der portugiesischen, niederländischen und französischen Kolonialzeit zu sehen ist. Doch historisch war Gorée eine Gefängnisinsel für den Sklavenhandel. Es war eine der Durchgangsstationen, wo gefangene Schwarzafrikaner gesammelt und eingesperrt wurden, bevor sie in die Neue Welt verschifft wurden. Wer die Überfahrt überlebte, wurde eine Handelsware zugunsten der wirtschaftlichen Interessen von Plantagenbesitzern und anderen Menschen mit gesellschaftlicher Macht.

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Heute ist das anders. Die Vereinigten Staaten von Amerika haben einen begabten Schwarzen zum Präsidenten gewählt. Doch wenn man die kulturellen Spuren mit den Ereignissen der Geschichte verbindet, zeigen sich doch noch zahlreiche Auswirkungen. Gehen Sie etwa durch die Straßen von Savannah, Georgia, und beobachten Sie das schwierige Erbe der Vergangenheit. Hotelmanager sind weiß und Servicekräfte sind Afroamerikaner. Geschäftsinhaber sind weiß und Kassierer sind schwarz. Touristen werden eingeladen, die Plantagen zu besichtigen, um zu sehen, wie das Leben einmal war, doch es ist nur zu deutlich, dass die Klassenstruktur und die Diskriminierung der Geschichte in vielerlei Hinsicht weiter besteht. Auch der historische und kulturelle Kampf der indigenen Völker in anderen Industriestaaten geht weiter. Die Ureinwohner in Kanada und Australien, Indianer in südamerikanischen Ländern und Palästinenser in Israel haben täglich mit Diskriminierung und Unterdrückung zu tun. Sie gelten als Bürger zweiter Klasse. Jesus lebte in einer Klassenkultur, in der Diskriminierung weit verbreitet war. Die religiösen Anführer gehörten zur Oberschicht. Samariter wurden diskriminiert. Die volle Teilhabe an der Glaubensgemeinschaft war den Mitgliedern einer einzigen Volksgruppe vorbehalten. Und mitten in diesem sozialen Umfeld war Jesus ein kultureller Störenfried. Im Laufe seines öffentlichen Wirkens gewann Jesus eine gewisse gesellschaftliche Bedeutung. Im Land wurde über diesen neuen Propheten geredet. Jesu Lehre sorgte für Aufsehen. Seine Wunder machten Schlagzeilen. Es verbreiteten sich Gerüchte, er sei der Messias. Jesus wurde vorsichtiger und überlegter als in früheren Tagen. Und wieder kann man ihn in der Öffentlichkeit finden, diesmal im Gespräch mit einem Gesetzeslehrer. Im biblischen Bericht stellt der Gesetzeslehrer die erste Frage: „Meister, was muss ich tun, um das ewige Leben zu bekommen?“ Jesus antwortet mit zwei Gegenfragen: „Was steht darüber im Gesetz Moses? Was liest du dort?“ Der Gesetzeslehrer nimmt den Köder, sieht eine Gelegenheit, seine Schriftkenntnis zu präsentieren und trägt die richtige Antwort vor. Mit scharfem Verstand führen der Gesetzeslehrer und Jesus ihr Wortgefecht fort. Dann nutzt Jesus die Situation für eine beeindruckende Lektion, indem er die Geschichte vom barmherzigen Samariter erzählt. Die Wirkung des Gleichnisses ist tiefgreifend. Die Zielgruppe sind Jesu eigene Leute. Durch sein kulturelles Erbe ist er sich der ethnischen Spannungen zwischen Juden und Samaritern voll bewusst. Er stellt die vorherrschenden gesellschaftlichen Positionen auf den Kopf. Die angesehenen Priester und die levitischen Tempeldiener werden als Bösewichte gezeigt. Die niedriggestellten Samariter werden für ihr vorbildliches moralisches Verhalten gelobt. Jesu Worte befreien die Samariter aus ihrer Zweitrangigkeit. Sein Gleichnis begegnet Rassenvorurteilen, lobt den Ausgegrenzten und begrüßt religiöse Praktiken außerhalb der Rituale im Heiligtum. Auf eine radikale Weise werden die Türen zur Gemeinschaft der Gläubigen für mehr als nur ein Volk geöffnet. Die vorherrschende Meinung, Gott liebe eine Rasse oder Klasse mehr als eine andere, wird zerschlagen. Jesu Taten verkünden, dass alle Völker von Gott erwählt und geliebt sind. Die kulturelle und ethnische Begrenzung des Glaubens wird erschüttert. Diese Begegnung ist ein herber Schlag für den kulturellen Status quo. Gott in der biblischen Geschichte begegnen Beten Sie gemeinsam: Gott, erhelle unsere Erinnerungen, damit wir Irrtümer aus der Vergangenheit nicht wiederholen, wecke unser Gewissen, damit wir heute das Richtige tun, forme unseren Charakter, um unser künftiges Verhalten zu leiten. 22


• • •

Sie benötigen drei Personen: Einen Erzähler, der die verbindenden Sätze im Text liest, eine zweite Person, die die Rolle des Gesetzeslehrers übernimmt und eine dritte Person, die die Worte von Jesus liest. Hören Sie aufmerksam zu, während der Text laut vorgelesen wird. Kommentieren Sie zunächst nicht, sondern nehmen Sie sich Zeit, um in Stille über das Gehörte nachzudenken. Lassen Sie die drei Personen die Begegnung noch einmal vorlesen. Fällt Ihnen in der Geschichte etwas auf, das Sie der Gruppe mitteilen möchten? Tauschen Sie sich über Ihre Beobachtungen aus.

Das Gleichnis vom barmherzigen Samariter „Ein Mann, der sich im Gesetz Moses besonders gut auskannte, stand eines Tages auf, um Jesus mit folgender Frage auf die Probe zu stellen: ‚Meister, was muss ich tun, um das ewige Leben zu bekommen?‘ Jesus erwiderte: ‚Was steht darüber im Gesetz Moses? Was liest du dort?‘ Der Mann antwortete: ‚Du sollst den Herrn, deinen Gott, von ganzem Herzen, von ganzer Seele, mit deiner ganzen Kraft und all deinen Gedanken lieben. Und: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.‘ ‚Richtig!‘, bestätigte Jesus. ‚Tu das, und du wirst leben!‘ Der Mann wollte sich rechtfertigen; deshalb fragte er Jesus: ‚Und wer ist mein Nächster?‘ Jesus antwortete: ‚Ein Mann befand sich auf der Straße von Jerusalem nach Jericho, als er von Räubern überfallen wurde. Sie raubten ihm seine Kleider und sein Geld, verprügelten ihn und ließen ihn halb tot am Straßenrand liegen. Zufällig kam ein jüdischer Priester vorbei. Doch als er den Mann dort liegen sah, wechselte er auf die andere Straßenseite und ging vorüber. Dann kam ein Tempeldiener und sah ihn ebenfalls dort liegen; doch auch er ging auf der anderen Straßenseite vorüber. Schließlich näherte sich ein Samariter. Als er den Mann sah, empfand er tiefes Mitleid mit ihm. Er kniete sich neben ihn, behandelte seine Wunden mit Öl und Wein und verband sie. Dann hob er den Mann auf seinen eigenen Esel und brachte ihn zu einem Gasthaus, wo er ihn versorgte. Am nächsten Tag gab er dem Wirt zwei Denare und bat ihn, gut für den Mann zu sorgen. Sollte das Geld nicht ausreichen, sagte er, dann werde ich dir den Rest bezahlen, wenn ich das nächste Mal herkomme. Wer von den dreien war nun deiner Meinung nach der Nächste für den Mann, der von Räubern überfallen wurde?‘, fragte Jesus. Der Mann erwiderte: ‚Der, der Mitleid hatte und ihm half.‘ Jesus antwortete: ‚Ja. Nun geh und mach es genauso.‘“ Lukas 10,25-37 NL

Aktuelle Herausforderungen •

Auf die Not von Mitmenschen zu reagieren ist unbequem und kann kostspielig sein. „Liebe deinen Nächsten“ beansprucht die kostbaren Währungen von Zeit und Geld. Paradoxerweise ist es aber oft so, dass es Menschen, die Zeit haben, am Geld fehlt, und denen mit Geld fehlt oft die Zeit. Welche Währung ist Ihnen wichtiger? Zeit oder Geld, was können Sie leichter loslassen?

Denken Sie über Ihre Nächsten nach. Schreiben Sie Namen von Personen in drei Kategorien auf: 1.) Personen in Ihrer Nähe – Menschen, die Sie namentlich kennen; 2.) Menschen, an die Sie manchmal denken – Leute, von denen Sie lesen oder im Fernsehen hören; Menschen, die in Ihrer Nähe gewohnt haben, aber weggezogen sind; Menschen, auf die Sie in schwierigen Situationen aufmerksam werden; Menschen, die jenseits Ihres Eigeninteresses leben, Ihnen aber immer wieder in den Sinn kommen; 3.) weltweite Nachbarn – Menschen in Ländern, die über die Entfernung hinweg manchmal Ihr Interesse und Ihr Mitgefühl wecken. Wählen Sie eine Person aus, die es schwer hat. Benennen Sie eine Situation, die Ihr Mitgefühl weckt. Beschließen Sie etwas Konkretes zu tun, um Ihr Interesse auszudrücken.

Denken Sie über die Kultur nach, in der Sie leben. Benennen Sie Personengruppen – besonders Bürger zweiter Klasse, die unter einem sozialen, sexuellen oder religiösen Stigma leiden. Welche Ausdrucksformen von „gut nachbarlichem“ Verhalten bringen ein Lächeln auf ihr Gesicht? Von welchen Aktivitäten können sie gesellschaftlich profitieren? 23


Das Gleichnis Jesu konzentriert sich auf die individuelle Fürsorge. Das Opfer wird vom Samariter gerettet. Ein genauerer Blick offenbart die systemischen Sozialstrukturen, die das Verhalten des Priesters und des Leviten steuern. Finden Sie Organisationen, die mit einigen der Personengruppen arbeiten, die Sie unter der vorigen Frage benannt haben. Laden Sie einen Vertreter einer Organisation ein, die Arbeit in Ihrer Gruppe vorzustellen; vereinbaren Sie einen Termin, um die Büros der Organisation zu besichtigen; denken Sie darüber nach, ob Sie sich ehrenamtlich für die Ziele dieser Organisation einsetzen könnten.

Antwortgebete Konzentrieren Sie sich zunächst auf Ihr Heimatland. Wenden Sie sich dann einem weltweiten Schwerpunkt zu.

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3. DEN GUTEN RUF RISKIEREN Jesu Gleichung für ein erfülltes Leben ist verblüffend: Zeige Liebe zu Gott, dir selbst und anderen und du wirst leben; weigere dich, Liebe zu Gott, dir selbst und anderen zu zeigen, und du wirst sterben. In anderen Worten: Leben ohne zu lieben ist wie Selbstmord in Zeitlupe. Und die Prämisse dieses Arbeitsbuches ist, dass Jesus nicht nur solide Theorie lehrt, sondern dass sein Leben am besten ausdrückt, wie man leben und lieben soll. Jesus zeigt immer wieder, dass es ein Ausdruck von Liebe ist, Gerechtigkeit für „andere“ zu suchen. Es mag uns nicht wundern, dass Jesus Samariter verteidigte und für die Würde derer eintrat, die von der Hauptstraße des Lebens ausgeschlossen sind. Doch wenn wir sehen, wie Jesus Zeit mit Prostituierten und Säufern verbrachte, werden wir stutzig. Mitleid mit Menschen zu haben, die in Sünde leben, ist das eine, aber sie in seinen Freundeskreis einzuladen, ist schockierend (vgl. Lukas 7,34). Doch auch da überrascht das Verhalten Jesu nur so lange, bis wir seinen allgemeinen Umgang mit Menschen genauer ansehen. Jesus übertrat immer wieder die Normen der gesellschaftlichen Konvention. Seine Liebe zu seinen Mitmenschen erstreckte sich auf alle in Reichweite seiner Bereitschaft, zu helfen und etwas zu verändern. Historisches Dilemma: Ein schlechter Ruf Steuereintreiber, Frauen mit beschädigtem Ruf und Pharisäer sind die Hauptpersonen der folgenden biblischen Berichte. Gegenüber den Zöllnern aus der Zeit Jesu erscheinen die heutigen gesetzestreuen Finanzbeamten sehr freundlich. Zu Zeiten des Neuen Testaments kamen die Taktiken der Steuereintreiber eher einer Erpressung gleich. Sie waren nicht nur Kollaborateure mit ausländischen Machthabern, die Geld für die Römer eintrieben, man sagte ihnen auch nach, dass sie die Armen zu ihrem eigenen Vorteil ausbeuteten. Unerlaubter Geschlechtsverkehr war schon immer ein leichtes Ziel für Kritiker. Das Gesetz des Mose verbat nicht nur die Prostitution, sondern befürwortete auch die Steinigung der schuldigen Parteien (3. Mose 19,29; 5. Mose 22,21; Johannes 8,2-11). Das kulturelle Klima machte es leicht, mit Fingern auf das zu zeigen, was man bis heute das „älteste Gewerbe der Welt“ nennt. Zur Zeit Jesu galten Frauen noch immer als Eigentum des Mannes und wurden häufig auch so behandelt. Die Pharisäer gehörten damals zur religiösen Führungsschicht. Obwohl sie im Hohen Rat in der Minderheit waren, verstärkte ihre Beliebtheit beim Volk ihre religiöse Autorität. Als Bewahrer sowohl des schriftlichen als auch des mündlichen Gesetzes, das Mose zugeschrieben wird, verkündeten und überwachten sie, was aus religiöser Sicht richtig war. Sie setzten sich für die Verteidigung des Glaubens und die Verankerung der mosaischen religiösen Traditionen ein. Nach ihrem Selbstverständnis brauchten sie keinen geistlichen Arzt. Jesus kam mit anderen Absichten in dieses kulturelle Klima. Statt sich von den Steuereintreibern fernzuhalten, berief er einen dieser prominenten Sünder in den Kreis seiner Jünger. Statt mit dem Finger anklagend auf Frauen mit beflecktem Ruf zu zeigen, hieß Jesus sie in seiner Nähe willkommen. Sein Sendungsbewusstsein war stärker als die Sorge um seinen Ruf. Jesus durchbrach kulturelle Grenzen. Doch es war seine Sicht für die geistlich Kranken, die ihn dazu motivierte, die religiösen Autoritäten herauszufordern und sich mit ihren Ansichten über das, was aus religiöser Sicht richtig war, auseinanderzusetzen.

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Gott in der biblischen Geschichte begegnen Lass dich von Gottes Gnade in seine Nähe ziehen, lass dich von Gottes Wahrheit inspirieren, lass dich von Gottes Liebe begeistern. • • • • •

Lesen Sie die drei Texte nacheinander still und ohne zu kommentieren. Lassen Sie jemanden die Texte ein zweites Mal laut vorlesen. Konzentrieren Sie sich darauf, wie Jesus Zöllnern und Frauen begegnete. Lesen Sie die Abschnitte ein drittes Mal, ebenfalls laut. Achten Sie diesmal besonders darauf, wie Jesus den Pharisäern antwortete. Schreiben Sie Ihre ersten Eindrücke auf. Sprechen Sie miteinander über Ihre Eindrücke.

Jesus beruft Matthäus. „Als Jesus die Straße entlangging, sah er Matthäus in seiner Zollstation sitzen. ‚Komm mit und folge mir nach‘, sagte er zu ihm. Und Matthäus stand auf und folgte ihm nach. Am selben Abend lud Matthäus Jesus und seine Jünger zum Abendessen ein. Einige andere Steuereintreiber und viele stadtbekannte Sünder waren ebenfalls eingeladen. Die Pharisäer waren empört. ‚Wie kommt euer Meister dazu, mit solchem Abschaum zu essen?‘, fragten sie seine Jünger. Als Jesus es hörte, antwortete er: ‚Die Gesunden brauchen keinen Arzt – wohl aber die Kranken.‘ Und er fügte hinzu: ‚Nun geht und denkt einmal darüber nach, was mit dem Wort in der Schrift gemeint ist: Ich will, dass ihr barmherzig seid; eure Opfer will ich nicht. Denn ich bin für die Sünder gekommen und nicht für die, die meinen, sie seien schon gut genug.‘“ Matthäus 9,9-13 NL Eine Sünderin erfährt Vergebung. „Einmal wurde Jesus von einem Pharisäer zum Essen eingeladen. Er ging in das Haus dieses Mannes und setzte sich an den Tisch. Da kam eine Prostituierte herein, die in dieser Stadt lebte. Sie hatte erfahren, dass Jesus bei dem Pharisäer eingeladen war. In ihrer Hand trug sie ein Fläschchen mit wertvollem Salböl. Die Frau ging zu Jesus, kniete bei ihm nieder und weinte so sehr, dass seine Füße von ihren Tränen nass wurden. Mit ihrem Haar trocknete sie die Füße, küsste sie und goss das Öl darüber. Der Pharisäer hatte das alles beobachtet und dachte: ‚Wenn dieser Mann wirklich ein Prophet wäre, müsste er doch wissen, was für eine Frau ihn da berührt. Sie ist doch eine stadtbekannte Hure!‘ ‚Simon, ich will dir etwas erzählen‘, unterbrach ihn Jesus in seinen Gedanken. ‚Ja, ich höre zu, Lehrer‘, antwortete Simon. ‚Ein reicher Mann hatte zwei Leuten Geld geliehen. Der eine Mann schuldete ihm fünfhundert Silberstücke, der andere fünfzig. Weil sie das Geld aber nicht zurückzahlen konnten, schenkte er es beiden. Welcher der beiden Männer wird ihm nun am meisten dankbar sein?‘ Simon antwortete: ‚Bestimmt der, dem er die größte Schuld erlassen hat.‘ ‚Du hast Recht!‘, bestätigte ihm Jesus. Dann blickte er die Frau an und sagte: ‚Sieh diese Frau, Simon! Ich kam in dein Haus, und du hast mir kein Wasser für meine Füße gegeben, was doch sonst selbstverständlich ist. Aber sie hat meine Füße mit ihren Tränen gewaschen und mit ihrem Haar getrocknet. Du hast mich nicht mit einem Kuss begrüßt. Aber seit ich hier bin, hat diese Frau immer wieder meine Füße geküsst. Du hast meine Stirn nicht mit Öl gesalbt, während sie dieses kostbare Öl sogar über meine Füße gegossen hat. Ich sage dir: Ihre große Schuld ist ihr vergeben; und darum hat sie mir so viel Liebe gezeigt. Wem aber wenig vergeben wird, der liebt auch wenig.‘ Zu der Frau sagte Jesus: ‚Deine Sünden sind dir vergeben.‘ Da tuschelten die anderen Gäste untereinander: ‚Was ist das nur für ein Mensch! Kann der denn Sünden vergeben?‘ Jesus aber sagte zu der Frau: ‚Dein Glaube hat dich gerettet! Geh in Frieden.‘“ Lukas 7,36-50 Hfa Taten sind wichtiger als Worte. „Was sagt ihr dazu: Ein Mann hatte zwei Söhne. Er bat den ersten: ‚Mein Sohn, arbeite heute in unserem Weinberg!‘ ‚Ich will aber nicht!‘, entgegnete dieser. Später tat es ihm leid, und er ging doch an die Arbeit. Auch den zweiten Sohn forderte der Vater auf, im Weinberg zu arbeiten. ‚Ja, Herr‘, antwortete der. Doch er ging nicht hin. Wer von den beiden Söhnen hat nun getan, was der Vater wollte?“ Sie antworteten: „Der erste natürlich!“ Da sagte Jesus: „Eins ist sicher: Die betrügerischen Zolleinnehmer und Huren kommen eher in Gottes neue Welt als ihr. Johannes der Täufer zeigte euch den Weg zu Gott und forderte euch auf, zu Gott umzukehren. Aber ihr wolltet nichts von ihm wissen.

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Die Betrüger und Huren dagegen folgten seinem Ruf. Und obwohl ihr das gesehen habt, kamt ihr nicht zur Besinnung und wolltet ihm immer noch nicht glauben.“ Matthäus 21,28-32 Hfa

Aktuelle Herausforderungen •

Meinen Ruf wahren: In seiner Welt des „Abstand halten – nicht berühren“ erlaubte Jesus einer Frau, seine Füße zu salben und ihre Haare als Handtuch zu verwenden. Während er sich den religiösen Führern entgegenstellte, die ihre eigene Sündhaftigkeit leugneten, war er gerne mit Sündern zusammen und befürwortete ihre Art zu glauben. Jesus überschritt Grenzen und löste dadurch Gerüchte aus, die seinen Ruf beschädigten. Die meisten von uns wahren ihren Ruf mit einer Strategie, die Sicherheit an die erste Stelle setzt. Welche Kräfte und Faktoren halten uns davon ab, in Beziehungen mehr Risiken einzugehen, abenteuerlicher zu leben oder kreativer zu dienen?

Menschenhandel: Diese Bibeltexte laden ein, die aktuelle Not der Prostituierten und anderer Menschen, die in der heutigen Welt von Menschenhandel betroffen sind, in den Blick zu nehmen. Der Begriff Menschenhandel umfasst „die Anwerbung, Beförderung, Verbringung, Beherbergung oder Aufnahme von Personen durch die Androhung oder Anwendung von Gewalt oder anderen Formen der Nötigung, durch Entführung, Betrug, Täuschung, Missbrauch von Macht oder Ausnutzung besonderer Hilflosigkeit oder durch Gewährung oder Entgegennahme von Zahlungen oder Vorteilen zur Erlangung des Einverständnisses einer Person, die Gewalt über eine andere Person hat, zum Zweck der Ausbeutung.“ (Definition aus dem UNO-Protokoll von 2000) Menschenhandel ist eine florierende moderne Form der Sklaverei, der die Heilsarmee überall auf der Welt entgegenzutreten versucht. Frauen und Kinder leiden am häufigsten unter diesem Unrecht. Die kommerzielle Ausbeutung von Menschen ist meist mit der Sexindustrie, der Ausbeutung in Fabriken oder als Haussklaven, mit landwirtschaftlicher Arbeit und Schuldknechtschaft verbunden. Frage: Schauen Sie noch einmal zurück auf die zuvor geschilderten Begegnungen mit Jesus. Beschreiben Sie seine Haltungen und Taten. Was können wir von seinem Vorbild für unsere eigenen Reaktionen und Verhaltensweisen im Blick auf den Menschenhandel lernen? Weitere Informationen und Vorschläge für Aktionen gegen den Menschenhandel finden Sie unter dem Link zur „International Social Justice Commission“ (Internationale Kommission für soziale Gerechtigkeit) auf der internationalen Website der Heilsarmee: www.salvationarmy.org

Antwortgebete Konzentrieren Sie sich zunächst auf Ihr Heimatland. Wenden Sie sich dann einem weltweiten Schwerpunkt zu.

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TEIL C JESUS UND DIE GERECHTIGKEIT: DEN MÄCHTIGEN ENTGEGENTRETEN Wenn wir nun den dritten Teil dieser Studienreihe beginnen, ist es Zeit für einen ehrlichen Blick auf die menschlichen Kosten und Konsequenzen des Unrechts. Wir werden von der Tatsache herausgefordert, dass Ungerechtigkeit sowohl individuelle als auch soziale Dimensionen hat. Wir wissen, dass persönliches Unrecht oft die Folge von strukturellem Unrecht ist und dass zu jedem sozialen Thema menschliche Gesichter gehören. Wir werden daran erinnert, ... WENN Achtjährige nicht lesen können, Familien kein Wasser trinken können, ohne davon krank zu werden, HIV-positive Frauen ihre Neugeborenen nicht schützen können, Begräbnisse an die Stelle von vermeidbaren Todesfällen treten, WENN Kinder an sieben Abenden pro Woche hungrig zu Bett gehen, Eltern ihre Kinder beerdigen müssen, weil diese an Malaria gestorben sind, Frauen, Mädchen und Jungen als Sexsklaven ausgebeutet werden, Arbeiter für einen unverschämt niedrigen Lohn Designerkleidung herstellen, WENN die Erde ohne Rücksicht auf kommende Generationen ausgebeutet wird, Hautfarbe und sozialer Status Türen zu Chancen verschließen, gesunde und gebildete Menschen ihre Arbeitskraft nicht einsetzen können, WENN die Gerechten und Heiligen die Verarmten und Unsauberen ignorieren, Gottes Barmherzigkeit in Heiligtümern und Tempeln eingeschlossen wird, die Starken und Privilegierten die Schwachen und Unterdrückten missachten, DANN regiert Ungerechtigkeit, werden zahllose Menschenleben vergeudet, wird unsere gemeinsame Menschheit entehrt, und die Dunkelheit siegt.

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1. UNGERECHTES VERHALTEN HINTERFRAGEN Nach Gerechtigkeit zu streben ist ein Kampf. Oft finden wir uns damit ab, dass etwas Gerechtigkeit besser ist als keine Gerechtigkeit. Wir trösten uns damit, dass mehr Gerechtigkeit besser ist als weniger Gerechtigkeit. Doch wir hoffen weiter, bleiben dran und glauben, dass volle Gerechtigkeit erreicht werden kann. Erst dann werden wir mit anderen feiern können, wenn sie anhaltende Gerechtigkeit erleben. Als Nachfolger Jesu hängt unsere Vision einer gerechteren Welt vor allem an zwei „Transportsystemen“: dem sozialen und dem geistlichen. Eine gerechte Sozialordnung: Eine Sozialordnung ist ein Merkmal einer gesunden Gesellschaft – und eine gesunde Gesellschaft setzt sich für das Wohlergehen all ihrer Bürger ein. Durch eine Sozialordnung, die die Rechte und Pflichten der Bürger umfasst, wird die Vorstellung von sozialer Gerechtigkeit umsetzbar. In bürgerlichen Gesellschaften ist es Aufgabe der Politik, sich um Gerechtigkeit zu bemühen. Wie bereits bemerkt, verankert eine gerechte Sozialordnung die ethische Gerechtigkeit/Menschenrechte in einer Kultur. Unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Kapazitäten stärker und weniger entwickelter Länder besteht das Ziel darin, dass alle Menschen den gleichen Zugang zu den Mitteln der Nation erhalten. Neben ihren anderen Aufgaben sind Politiker dazu da, das Recht zum Zugang zu Bildung, Gesundheitsversorgung und Ressourcen wie sauberem Wasser zu gewährleisten. Politische Korruption wird nicht geduldet. Eine vordringliche Aufgabe sind Strategien zur Sicherstellung einer Wirtschaft, die den Lebensunterhalt von Familien unterstützen kann. Banken halten das Geld im Umlauf. Auch wenn Unternehmen gewinnorientiert arbeiten, liegt ihr gesellschaftlicher Beitrag darin, dass sie Dienstleistungen und Produkte anbieten, die Arbeitsplätze schaffen. Raum für unternehmerische Innovationen, die den Status quo infrage stellen, ist die Norm. Wettbewerb führt zu hoher Leistung. Raum für ethnische Vielfalt und andere Unterschiede schließt auch den Schutz der Schwachen in der Gesellschaft ein. Mittel werden bereitgestellt, damit Arbeitslose eine berufliche Umschulung machen können, Behinderte Unterkünfte aus Steuermitteln erhalten und Sozialprogramme finanziert werden. Wenn die Gesellschaftsstrukturen angemessen sind, wird die daraus resultierende soziale Ordnung allen gerecht. Gerechtigkeit der geistlichen Veränderung: Wenn Gottes Leute es richtig machen, bringen sie einen unverwechselbaren Beitrag auf den Tisch der Gerechtigkeit. Auch wenn die Nachfolger Jesu nicht als Einzige Zugang zu menschlichen Tugenden haben und auch nicht exklusiv für sich beanspruchen können, prinzipientreue Menschen zu sein, haben sie doch zwei Vorteile: Christen haben die Bibel, die ihnen hilft, Gottes Willen und seine Wege für sich und andere zu erkennen; und sie haben den historischen Jesus, der zeigte, wie menschliches Leben am besten sein kann und sollte. Machen Sie sich nichts vor, Nachfolger Jesu werden die Schönheit und Weisheit des geschichtlichen Christus nie vollkommen nachahmen. Doch ihr Glaube weist sie in die richtige Richtung. Das Verständnis, das sie aus der Schrift gewinnen, und ihre Beziehung zum Geist Gottes können sie in die Lage versetzen, ihre Überzeugungen in mitfühlendes Verhalten zu übersetzen, das dem Wohl anderer dient. Die Umstände werden immer auch die Reaktionen von Gottes Leuten beeinflussen. Doch persönliche Probleme, Eigeninteressen und materieller Gewinn werden nicht das letzte Wort haben. Christen werden sich für Randgruppen einsetzen und von der Ethik der Liebe geleitet werden. Gesunde Beziehungen werden die Regel sein. Die Liebe wird sich durchsetzen. Die Gerechtigkeit wird das Unrecht übertrumpfen. Und in aller Stille werden Christen wissen, 29


dass Gott ihnen vergeben und sie wiederhergestellt hat – sie zu besseren Menschen gemacht hat, als sie von sich aus je gewesen wären. Und unabhängig von ihrem Glauben werden politische Akteure, die eine Sicht für eine gerechte Sozialordnung haben, immer die Mitwirkung gläubiger Menschen begrüßen. Historisches Dilemma: Sünder Jesu Begegnung mit Zachäus war keines seiner kunstvoll verfassten Gleichnisse. Sie war ein realer Wortwechsel mit einem lebendigen, denkenden, fühlenden, innovativen, wenn auch hinterlistigen Menschen. Als Steuereintreiber gehörte Zachäus zum römischen Finanzapparat, dessen Aufgabe es eigentlich gewesen wäre, zur sozialen Ordnung und zu mehr Gerechtigkeit für alle beizutragen. Der kulturelle Konsens der Juden besagte es eindeutig: Steuereintreiber waren Sünder. Sie waren Schurken in mehrfacher Hinsicht. Für die Römer zu arbeiten galt als Kollaboration mit dem Feind. Dieser Eindruck wurde zusätzlich durch die römische Praxis verstärkt, Lizenzen zum Eintreiben von Steuern an den jeweils Meistbietenden zu vergeben. Die Steuereintreiber durften alle erdenklichen Methoden anwenden, um der Bevölkerung so viel Geld wie möglich abzunehmen, solange sie ihren Anteil an die römischen Behörden zahlten. Aus geistlicher Sicht galten Steuereintreiber als Menschen, die sich an ein Leben der Sünde und eine bewusste Missachtung der Gebote Gottes verkauften. Zachäus war auf Kosten anderer reich geworden und wurde sozial ausgegrenzt. Er galt als oberster Sünder. Angesichts dieser Umstände warf man Jesus mangelndes Urteilsvermögen vor. Da saß er und genoss ein üppiges Mahl mit einem reichen Sünder. Gott in der biblischen Geschichte begegnen Sprich mit dir, als ob niemand sonst zuhört, höre den anderen zu, als ob niemand sonst zuhört. • • • • • • •

Lesen Sie die Geschichte gemeinsam als Gruppe laut vor. Denken Sie still über Ihre ersten Eindrücke nach. Bleiben Sie in der Stille. Lesen Sie die Geschichte noch einmal und achten Sie dabei sorgfältig auf das Verhalten von Zachäus. Notieren Sie, was Ihnen an Zachäus auffällt. Bleiben Sie in der Stille und lesen Sie die Geschichte ein drittes Mal. Schauen Sie dabei genau auf das Verhalten von Jesus. Schreiben Sie auf, was Ihnen an Jesus auffällt. Tauschen Sie sich über die notierten Eindrücke aus.

Jesus und Zachäus „Jesus kam nach Jericho und ging durch die Stadt. Dort lebte ein Mann namens Zachäus. Als einer der mächtigsten Steuereintreiber war er sehr reich. Zachäus hatte versucht, einen Blick auf Jesus zu werfen, aber er war zu klein, um über die Menge hinwegschauen zu können. Deshalb lief er voraus und kletterte auf einen Maulbeerfeigenbaum am Wegrand, um Jesus von dort aus vorübergehen zu sehen. Als Jesus kam, blickte er zu Zachäus hinauf und rief ihn beim Namen: ‚Zachäus!‘, sagte er, ‚komm schnell herunter! Denn ich muss heute Gast in deinem Haus sein.‘ Zachäus kletterte so schnell er konnte hinunter und geleitete Jesus voller Aufregung und Freude in sein Haus. Doch den Leuten in der Menge gefiel das nicht. ‚Bei einem berüchtigten Sünder kehrt er als Gast ein‘, murrten sie. Währenddessen stellte Zachäus sich vor den Herrn hin und sagte: ‚Herr, ich werde die Hälfte meines Reichtums den Armen geben, und wenn ich die Leute bei der Steuer betrogen habe, werde ich es ihnen vierfach erstatten!‘ Jesus erwiderte: ‚Heute hat dieses Haus Rettung erfahren, denn dieser Mann hat sich als Sohn Abrahams erwiesen. Der Menschensohn ist gekommen, um Verlorene zu suchen und zu retten.‘“ Lukas 19,1-10 NL

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Aktuelle Herausforderungen •

Eine Mahlzeit bei jemand anderem zu Hause kann recht aufschlussreich sein. In einem gewissen Sinne kennt man jemanden erst dann richtig, wenn man bei ihm zu Besuch war. Der Stil seiner Gastfreundschaft, Familienfotos, Bilder an der Wand, eine Atmosphäre der Zufriedenheit oder Anspannung erzählen alle von der privaten Realität eines Menschen. Der private Raum offenbart etwas von der wahren Identität, die am Arbeitsplatz nicht gezeigt wird. Stellen Sie sich vor, wie es im Haus von Zachäus aussah. Versetzen Sie sich in das Tischgespräch zwischen Zachäus und Jesus. Wie würden Sie den Ton ihres Dialogs beschreiben? Die weiteren Ereignisse weisen darauf hin, dass Jesus offenbar an irgendeinem Punkt das Verhalten von Zachäus hinterfragt hat. Was, denken Sie, war der Schwerpunkt ihrer Unterhaltung?

Die Begegnung zwischen Zachäus und Jesus hatte vor allem zwei Auswirkungen: eine soziale und eine geistliche. Zachäus ordnete sein öffentliches Verhalten neu. Er wurde barmherzig gegenüber den Armen und begann seinen Reichtum zu teilen. Er gab seine Erpressungsmethoden zu und verpflichtete sich zu großzügiger Entschädigung. Auf der geistlichen Ebene erfuhr Zachäus Vergebung und Heil. Jesu Auftrag, die geistlich Verlorenen zu suchen und zu retten wurde auf zwei wesentliche Arten erfüllt. Zachäus brachte seine Beziehung zu dem Gott, der ihn liebte, wieder in Ordnung, und die Menschen, die er betrogen hatte, erfuhren Gerechtigkeit. Denken Sie darüber nach, welchen Eindruck das auf die Bewohner von Jericho machte. Welche Gerüchte kursierten wohl in der Stadt? Was sagten die Leute über Zachäus und über Jesus?

Denken Sie über Ihr eigenes Umfeld nach: Nachbarn, Freunde, Gemeindemitglieder, Arbeitskollegen. Welche Gerüchte sollten sie am liebsten über Sie hören? Wenn Sie ein „Glaubenskompliment“ von Ihren Freunden oder Arbeitskollegen bekommen könnten, was würden Sie gerne von ihnen hören? Was sollten die Menschen in Ihrer Stadt über Ihre Gemeinde sagen?

Bereits der Gedanke an das Zahlen von Steuern kann einen sonnigen Tag mit Wolken überziehen. Beim Ausfüllen der Steuererklärung spüren viele die Spannung zwischen dem Recht auf Steuerumgehung und der Versuchung der illegalen Steuerhinterziehung. Doch in den meisten Ländern wird die soziale Ordnung erst durch die Steuern ermöglicht. Konzentrieren Sie sich auf Ihren eigenen Ort. Wenn Sie die Lokalpolitik bestimmen könnten, welche zwei oder drei Gesellschaftsbereiche würden vorrangig Steuermittel bekommen?

Antwortgebete Konzentrieren Sie sich zunächst auf Ihr Heimatland. Wenden Sie sich dann einem weltweiten Schwerpunkt zu.

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2. GEISTLICHER ARROGANZ GEGENÜBERTRETEN Der höchste Ausdruck von geistlicher Arroganz ist Selbstgerechtigkeit. Selbstgerechte Menschen sind die „Guten“. Sie haben nur eine Meinung. Sie hören mit einem Ohr und sehen mit einem Auge. Sie neigen mehr dazu zu verkünden als zuzuhören. Da sie in geschlossenen Systemen leben, fällt es ihnen leicht, andere zu verurteilen. Und sie setzen gerne ihren Willen und ihre Sichtweise durch, egal ob andere ihnen zustimmen oder nicht. Es wäre ein Fehler, Selbstgerechtigkeit nur im religiösen Bereich zu suchen. Bei Menschen, die sich z. B. für den Umweltschutz, für das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung, gegen das Rauchen oder gegen Abtreibung engagieren, kann man dieselben einseitigen Forderungen für ihre Sache beobachten. Das bedeutet nicht, dass selbstgerechte Menschen keine bewundernswerten Tugenden hätten. Man kann sich darauf verlassen, dass sie für ihre Überzeugungen eintreten, und das oft mit ehrlichen Absichten. Doch wenn man anderer Meinung ist und von ihnen abgeurteilt wird, kann es schwer sein, sie zu lieben. Historisches Dilemma: Selbstgerechtigkeit Jesus geriet durch seine Lehre und sein Leben in Konflikt mit der Selbstgerechtigkeit der religiösen Elite. Die Pharisäer und Schriftgelehrten waren die Machtmenschen der damaligen Zeit. Sie verfügten über gesellschaftliches Ansehen und geistliche Autorität. Die Pharisäer waren eine kleine aber einflussreiche Gruppe, die darauf achtete, dass die Normen des Gesetzes und der rituellen Reinheit befolgt wurden. Sie waren Gelehrte, die viel wussten und von den Menschen respektiert wurden. Auch die Schriftgelehrten gehörten zur religiösen Führungsschicht. Sie standen an der Spitze der Hierarchie von Priestern, die für den Gottesdienst im Tempel zuständig waren. Die Schriftgelehrten und Pharisäer bildeten den Hohen Rat, der als Gerichtshof der Juden fungierte. Daher waren sie nicht nur öffentliche Lehrer und Ausleger des religiösen Gesetzes, sondern als Richter auch für die Durchsetzung der staatlichen Gesetze zuständig. Gemäß dieser mosaischen Tradition genossen die Schriftgelehrten und Pharisäer sowohl politische Macht als auch religiöses Ansehen. Jesu fortschrittliche Lehre, seine offene Kritik an ihrer Art von Gerechtigkeit und seine zunehmende Beliebtheit beim Volk brachte ihn auf Kollisionskurs mit der bestehenden Machtstruktur (vgl. Matthäus 5,20). Jesus weigerte sich, ihre restriktive Anwendung der Gesetze Moses und ihre permanente Kontrolle der Israeliten gutzuheißen. Verglichen mit Jesu Beispiel, wie man Gott lieben und dem Nächsten dienen soll, lief die Gesetzlichkeit der Schriftgelehrten und Pharisäer auf religiöse Unterdrückung hinaus. Und aus der Unterdrückung zu befreien war Jesu Lebensaufgabe. Gott in der biblischen Geschichte begegnen Bekenne deine Gleichgültigkeit und lege sie ab, nimm wahr, wo dein Geist ruhig ist, wenn er beunruhigt sein sollte, schaffe Raum in deiner Seele, damit die Liebe darin wohnen kann. • • • • • •

Lesen Sie den Text „Über den Sabbat“ still durch. Lesen Sie den Abschnitt noch einmal im Stillen, achten Sie dabei besonders auf die Pharisäer. Notieren Sie Ihre Beobachtungen über die Pharisäer. Lesen Sie den Text ein drittes Mal still, achten Sie dabei besonders auf Jesus. Schreiben Sie Ihre Beobachtungen über Jesus auf. Tauschen Sie sich über Ihre Beobachtungen aus und vergleichen Sie die Pharisäer und Jesus miteinander.

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• • • •

Lesen Sie nun den Abschnitt „Die Heuchelei der Pharisäer und Schriftgelehrten“ laut vor. Nehmen Sie sich etwas Zeit, um sich in die Szene hineinzuversetzen. Machen Sie sich bereit, Jesu Worte als jemand aus der Menschenmenge oder als einer der Jünger zu hören. Lesen Sie den Text noch einmal laut vor. Welche Botschaft tritt darin für Sie am deutlichsten hervor? Teilen Sie diese Botschaft den anderen in der Gruppe mit.

Über den Sabbat „Als Jesus an einem Sabbat durch die Kornfelder ging, rissen seine Jünger ein paar Ähren aus, zerrieben sie mit den Händen und aßen die Körner. Da sagten ein paar Pharisäer zu ihnen: ‚Das dürft ihr nicht! Es verstößt gegen das Gesetz, am Sabbat zu arbeiten, indem man Getreide erntet.‘ Jesus erwiderte ihnen: ‚Habt ihr nie in der Schrift gelesen, was David tat, als er und seine Begleiter hungrig waren? Er ging in das Haus Gottes, aß von den Broten, die den Priestern vorbehalten sind, und gab auch seinen Freunden davon zu essen. Auch das verstieß gegen das Gesetz.‘ Und Jesus fügte hinzu: ‚Der Menschensohn ist auch Herr über den Sabbat.‘ An einem anderen Sabbat befand sich ein Mann mit einer verkrüppelten Hand in der Synagoge, während Jesus lehrte. Die Schriftgelehrten und Pharisäer passten genau auf, ob Jesus den Mann am Sabbat heilen würde, denn sie suchten nach einem Vorwand, Anklage gegen ihn zu erheben. Doch Jesus wusste sehr wohl, was sie dachten. Er sagte zu dem Mann mit der verkrüppelten Hand: ‚Komm her und stell dich hier in die Mitte.‘ Da stand der Mann auf. Dann sagte Jesus zu ihnen: ‚Ich habe eine Frage an euch. Entspricht es dem Gesetz, am Sabbat Gutes zu tun, oder ist der Sabbat ein Tag, um Schaden zuzufügen? Ist er ein Tag, um Leben zu retten oder zu vernichten?‘ Er sah einen nach dem anderen an und sagte dann zu dem Mann: ‚Streck deine Hand aus.‘ Der Mann streckte seine Hand aus, und sie wurde wieder gesund! Darüber gerieten die Gegner von Jesus außer sich vor Zorn und sie begannen, Pläne zu schmieden, was sie gegen ihn unternehmen könnten.“ Lukas 6,1-11 NL Die Heuchelei der Pharisäer und Schriftgelehrten „Dann sprach Jesus zu der Volksmenge und zu seinen Jüngern: ‚Die Schriftgelehrten und Pharisäer sind dazu eingesetzt, euch das Gesetz des Mose auszulegen. Richtet euch nach ihren Vorschriften! Folgt aber nicht ihrem Beispiel! Denn sie selber tun nicht, was sie von den anderen verlangen ... Wehe euch, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer! Ihr Scheinheiligen! Sogar von Küchenkräutern wie Minze, Dill und Kümmel gebt ihr Gott den zehnten Teil. Aber die viel wichtigeren Forderungen Gottes nach Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und Glauben sind euch gleichgültig. Doch gerade darum geht es hier: Das Wesentliche tun und das andere nicht unterlassen. Ihr aber entfernt jede kleine Mücke aus eurem Essen, doch ganze Kamele schluckt ihr bedenkenlos hinunter. Andere wollt ihr führen und seid doch selber blind! Wehe euch, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer! Ihr Heuchler! Ihr poliert eure Becher und Schüsseln außen auf Hochglanz, so wie das Gesetz es erfordert. Doch gefüllt sind sie mit dem, was ihr in eurer maßlosen Gier anderen abgenommen habt. Ihr blinden Verführer, reinigt eure Becher erst einmal von innen, dann werden sie auch außen sauber sein. Wehe euch, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer! Ihr seid wie die gepflegten Grabstätten: von außen sauber und geschmückt, aber innen ist alles voll stinkender Verwesung. Ihr steht vor den Leuten als solche da, die Gott ehren, aber in Wirklichkeit seid ihr voller Bosheit und Heuchelei.‘“ Matthäus 23,1-3; 23-28 Hfa

Aktuelle Herausforderungen •

Religion, die Nebensachen zur Hauptsache macht, ist unterdrückerisch. Wenn der Glaube durch Gesetzlichkeit erstickt wird, statt der Duft des Lebens zu sein, riecht und schmeckt er nach Tod. Wie Jesus sagt, sind manche Elemente des Glaubens – wie Gerechtigkeit, Gnade und Vertrauen – wichtiger als andere. Welche Sicherheitsvorkehrungen können wir treffen, um die geistlichen Prioritäten im Blick zu behalten und nicht in geistliches Niemandsland abzudriften?

Wer fällt Ihnen ein, wenn Sie an religiöse Macht denken? Wo sollten wir für uns nach Quellen geistlicher Autorität suchen? Wie können wir uns vor Missbrauch durch 33


fehlgeleitete religiöse Macht schützen? Wer ist verantwortlich dafür, geistliche Leiter zur Rechenschaft zu ziehen? •

Die Vortäuschung von Frömmigkeit ist ein anderer Weg zur religiösen Unterdrückung. Zwar brauchen wir alle Gnade und Barmherzigkeit, doch wenn wir nicht versuchen, im Glauben zu leben, sind wir Betrüger. Schauen Sie auf Ihren Glaubensweg zurück. Erinnern Sie sich an Zeiten, in denen Ihr Glaube, wie Sie ihn gelebt haben, Ihnen Kraft gegeben hat und Sie die Freiheit verspürten, das zu leben, wozu Gott Sie geschaffen hat. Erzählen Sie eine Begebenheit als Beispiel.

Antwortgebete Konzentrieren Sie sich zunächst auf Ihr Heimatland. Wenden Sie sich dann einem weltweiten Schwerpunkt zu.

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3. POLITISCHE MACHT NEU ORDNEN Die Verbindung zwischen Politik und Religion hat eine lange Geschichte. In vielen Fällen bildete sie eine explosive Mischung. Zu Zeiten des Alten Testaments wurden die Israeliten nach den Gesetzen der Tora regiert. Das Gebot „Liebe den Herrn, deinen Gott, und deinen Nächsten wie dich selbst“ war Teil der Schrift, galt aber als unzureichend, um alle Konflikte eines gottesfürchtigen Lebens abzudecken. In dieser Theokratie bildete das religiöse Gesetz des Mose die gesellschaftliche Norm. Kein politisches System ist perfekt. In vielen islamischen Republiken herrscht religiöse Unterdrückung. Einige Monarchien und Diktaturen erlauben keine religiöse Vielfalt. Marxismus und Kommunismus verbannen Gott aus der Gesellschaft und setzen den Atheismus an seine Stelle. Selbst demokratische Staaten haben Mühe mit dem sich verändernden Willen der Menschen und ihren ständig wechselnden Glaubensüberzeugungen und bevorzugten Verhaltensweisen. Historisches Dilemma: Macht und Autorität Jesus war damals von politischen und religiösen Spannungen umgeben. Markus 12 beschreibt eine Situation, in der Jesus genau beobachtet wurde, um ihn dabei zu erwischen, dass er entweder das bürgerliche oder das religiöse Gesetz übertrat. Die Pharisäer suchten nach einem Anlass, ihn anzuklagen. Dasselbe galt für die Herodianer, Anhänger von König Herodes, der das Land Galiläa im Auftrag Roms regierte. Trotz ihrer Unterschiede waren die beiden Gruppen bereit zusammenzuarbeiten, wenn es darum ging, einen Anklagepunkt gegen Jesus zu finden. Sie verschleierten ihre Motive und setzten Täuschung und Schmeicheleien ein, um Jesus in die Falle zu locken. In der Begebenheit aus Matthäus 20 begegnen wir der Frage, wie politische Anführer ihre Macht und Autorität einsetzen sollten. Die Situation zeigt, wie verworren die Vorstellungen der Jünger über die Art des „Reiches“ waren, das Jesus aufrichten würde. Jakobus und Johannes dachten über ihre künftige Position in Jesu neuer Regierungsordnung nach. Statt sich persönlich um das Amt des künftigen Premierministers oder Finanzchefs zu bewerben, versteckten sie sich hinter ihrer Mutter, die sich in ihrem Namen an Jesus wandte. Die anderen Jünger waren darüber nicht begeistert. Sie begannen sich untereinander zu zanken. Jesus hatte genug gehört. Er versammelte seine Jünger für eine Lerneinheit um sich. Jesu Stimme klang streng. Was er sagte, war verwirrend. Seine Anweisung war deutlich: „Bei euch muss es anders sein!“ Gott in der biblischen Geschichte begegnen Lies, um dich zu informieren, meditiere, um zu verstehen, betrachte, um dich erneuern zu lassen, wende an, um im Glauben zu leben. • • • • •

Lesen Sie die beiden Abschnitte nacheinander laut vor. Lesen Sie den Markustext über das Zahlen von Steuern noch einmal laut vor. Versetzen Sie sich dabei in die Lage Jesu. Wie hätten Sie sich an seiner Stelle gefühlt? Was hätten Sie gesagt? Gehen Sie noch einmal zum Matthäustext und lesen Sie ihn laut vor. Hören Sie genau hin. Jesus macht mehrere unterschiedliche Aussagen. Suchen Sie eine einzelne Aussage, die Ihnen auffällt. Tauschen Sie Ihre Beobachtungen mit anderen in der Gruppe aus und erklären Sie, was Ihnen daran wichtig ist. 35


Steuern für den Kaiser „Danach schickten sie einige Pharisäer und Anhänger des Herodes zu Jesus. Sie hofften, Jesus mit seinen eigenen Worten in eine Falle locken zu können, damit sie ihn verhaften konnten. ‚Lehrer‘, sagten sie, ‚wir wissen, wie ehrlich und wahrhaftig du bist. Du lässt dich nicht beeinflussen und bevorzugst niemanden. Du lehrst die Wege Gottes und was du sagst, ist wahr. Nun sage uns: Ist es richtig, an den Kaiser Steuern zu zahlen? Sollen wir sie bezahlen oder nicht?‘ Jesus durchschaute ihre Scheinheiligkeit und sagte: ‚Wen wollt ihr mit euren Fangfragen überlisten? Zeigt mir eine römische Münze, und ich werde es euch sagen.‘ Als sie ihm eine reichten, fragte er: ‚Wessen Bild und Titel ist hier eingeprägt?‘ ‚Bild und Titel des Kaisers‘, antworteten sie. ‚Nun‘, sagte Jesus, ‚dann gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und gebt Gott, was Gott gehört.‘ Diese Antwort verwunderte sie sehr.“ Markus 12,13-17 NL Die Bitte der Mutter von Jakobus und Johannes „Da kam die Frau des Zebedäus mit ihren Söhnen zu Jesus und warf sich vor ihm nieder; sie wollte ihn um etwas bitten. ‚Was möchtest du?‘, fragte er. Sie antwortete ihm: ‚Erlaube doch, dass meine beiden Söhne in deinem Reich neben dir sitzen, der eine an deiner rechten Seite und der andere an deiner linken Seite.‘ Jesus entgegnete: ‚Ihr wisst nicht, um was ihr da bittet. Könnt ihr den bitteren Kelch trinken, den ich trinken werde?‘ – ‚Das können wir!‘, erklärten sie. Da sagte Jesus zu ihnen: ‚Meinen Kelch werdet ihr zwar auch trinken; aber darüber zu verfügen, wer an meiner rechten und an meiner linken Seite sitzen wird, das steht nicht mir zu. Wer dort sitzen wird, das hat mein Vater bestimmt.‘ Die übrigen zehn Jünger hatten dem Gespräch zugehört und ärgerten sich über die beiden Brüder. Da rief Jesus sie alle zusammen und sagte: ‚Ihr wisst, dass die Herrscher über die Völker sich als ihre Herren aufführen und dass die Völker die Macht der Großen zu spüren bekommen. Bei euch soll es nicht so sein. Im Gegenteil: Wer unter euch groß werden will, soll den anderen dienen; wer unter euch der Erste sein will, soll zum Dienst an den anderen bereit sein. Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben als Lösegeld für viele hinzugeben.‘“ Matthäus 20,20-28 NGÜ

Aktuelle Herausforderungen •

Jesu geniale Antwort an seine Gegner zeigt, dass seine Nachfolger ihre Pflicht sowohl Gott als auch dem Staat gegenüber erfüllen müssen: „Gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und gebt Gott, was Gott gehört.“ Diese Anweisung deutet auf eine doppelte Bürgerschaft hin: Seid Bürger des Reiches Gottes und Bürger eures Landes. In welchen Lebensbereichen verstärken sich die Gebote Gottes und die Gesetze des Staates gegenseitig? Wo können sie in Konflikt geraten?

Eine vorrangige Rolle des Staates besteht darin, für einen gleichberechtigten Zugang zu Dienstleistungen zu sorgen und die soziale Ordnung zu gewährleisten. Benennen Sie eine Bevölkerungsgruppe, die besondere Bedürfnisse hat, aber bei der politischen Planung in Ihrem Dorf/Ihrer Stadt nicht berücksichtigt wurde. Machen Sie Vorschläge, wie die Probleme der Übersehenen angesprochen werden können.

Jesus kritisiert die Methoden und Prioritäten der Herrschenden seiner Zeit: „Ihr wisst, dass die Herrscher über die Völker sich als ihre Herren aufführen und dass die Völker die Macht der Großen zu spüren bekommen. Bei euch soll es nicht so sein. Im Gegenteil: Wer unter euch groß werden will, soll den anderen dienen.“ Die Botschaft ist deutlich: Politische Macht soll dazu eingesetzt werden, zu dienen. Statt ihren persönlichen Gewinn zu suchen, sollen Politiker ihre Weisungsbefugnis dazu nutzen, im besten Interesse der Menschen in ihrem Machtbereich zu handeln. Welche Mechanismen gibt es bereits und welche zusätzlichen Systeme werden benötigt, damit Politiker ihrer Verantwortung gerecht werden?

Gottes Ziel der Gleichberechtigung und Gerechtigkeit überschreitet alle politischen Ideologien. Die Verantwortung, Gerechtigkeit zu suchen, ist nicht auf irgendeine Rasse oder Glaubensgemeinschaft beschränkt. Und sich für Gerechtigkeit einzusetzen ist auch nicht das exklusive Recht irgendeiner Nation oder Kultur. Stellen 36


Sie eine Liste von Ländern zusammen, die zurzeit in dem Ruf stehen, die Menschenrechte zu ignorieren. Finden Sie heraus, welches Regierungssystem sie haben und wie ihr Staatsoberhaupt heißt. Erstellen Sie eine Gebetsliste, die Menschen auf die Situation in diesen Ländern aufmerksam macht und sie zur Fürbitte einlädt. Geben Sie diese Liste an andere weiter. Bleiben Sie offen für Ideen, die umgesetzt werden wollen. Antwortgebete Konzentrieren Sie sich zunächst auf Ihr Heimatland. Wenden Sie sich dann einem weltweiten Schwerpunkt zu.

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TEIL D JESUS UND DIE GERECHTIGKEIT: FÜR DIE UNTERDRÜCKTEN EINTRETEN Die beiden wichtigsten Faktoren im Leben jedes Menschen sind, an welchem Ort und in welche Familie er geboren wird. Der tiefgreifende Einfluss der eigenen Familie und die unausweichlichen Folgen der geografischen Herkunft sind enorm. Doch niemand kann sich irgendeine dieser Gegebenheiten aussuchen. Dennoch machen sich diese beiden Kräfte bemerkbar, indem sie den wirtschaftlichen Status, die gesellschaftliche Stellung und die geistliche Entwicklung eines Menschen bestimmen. Wer in eine muslimische oder christliche Familie geboren wird, übernimmt höchstwahrscheinlich diese muslimische oder christliche religiöse Identität. Wer in einem Land am unteren Rand des Entwicklungsindex arm geboren wird, ist, sofern die Familie nicht zu den wirtschaftlich Privilegierten gehört, dazu verurteilt, in Armut zu leben. Dieses Szenario vermittelt den Eindruck, als sei das Leben von Menschen vorherbestimmt. Sicher, es gibt auch Ausnahmen. Einzelne können sich entscheiden, ihr religiöses Erbe abzulehnen oder zu einer anderen Glaubensgemeinschaft zu konvertieren. Manche, die in Armut geboren wurden, können ihren sozialen Status verbessern. Ein paar wenige Ausnahmen sind in der Lage, über ihre Anfänge hinauszugehen und zur nächsten Generation an Führungskräften zu gehören, die weitere Veränderungen einleitet. Doch die Mehrheit der sechs Milliarden Menschen auf der Erde ist an ihre Lebensverhältnisse gebunden. Warum sind Menschen wirtschaftlich arm? Sind sie faul? Weniger intelligent? Sozial unbeholfen? Sind die Armen selbst schuld an ihrer Not oder sollte man sie für ihren heroischen Überlebenskampf bewundern? Die folgende Antwort ist nicht vollständig, aber sie ist ein Anfang. Wenn man in Sierra Leone, Malawi, Burundi, Bangladesch, Haiti, Vietnam, den Palästinensischen Autonomiegebieten oder Teilen von Indonesien oder Indien geboren wird, stellt dieser Geburtsort sehr wahrscheinlich sicher, dass man wirtschaftlich arm ist. Auch wenn man nichts dafür kann, dass man in eine Kultur mit Kastensystem hineinkommt und nicht das Privileg hat, zu einer „oberen Kaste“ zu gehören, wird der fehlende soziale Status zu Mangel und anhaltender Armut führen. Wenn Menschen gezwungen sind, ohne Wahlmöglichkeiten und Mittel zu leben, leiden sie darunter. Fehlender Zugang zu Bildung, Gesundheitsversorgung, täglichen Mahlzeiten und sauberem Wasser beeinträchtigt die Entwicklung und zerbricht die Seele. Menschliches Potenzial wird vergeudet und Möglichkeiten für sinnvolle Arbeit gehen verloren. Auch Opfer von Missbrauch, Korruption und Gewalt sind von verheerender Armut betroffen. Man sollte die Ursachen nicht ignorieren, die ganze Bevölkerungsgruppen zu Opfern machen. Politische Korruption, die den Reichtum korrupten Anführern zuspielt, muss gestoppt und bestraft werden. Inkompetente Staatsführung muss benannt und infrage gestellt werden. Unterdrückerische Kriegsherren müssen aufgehalten und entmachtet werden. Staatsoberhäupter müssen für das Wohl ihres Volkes zur Verantwortung gezogen werden. Dennoch ist es nötig, dass Entwicklungshilfe für weniger entwickelte Nationen bereitgestellt wird, die einen guten Standard ihrer Programme vorweisen und Rechenschaft über deren Erfolg ablegen. Ungeachtet der Komplexität erfordert die anhaltende weltweite Ungleichheit zwischen den stärker und weniger entwickelten Nationen strategische und humanitäre Maßnahmen. Sonst werden wir gleichgültig gegenüber Menschenrechtsverstößen und finden uns immer mehr mit systemischer Ungerechtigkeit ab.

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Warum sind Menschen geistlich arm? Sind sie von Natur aus eigenwillig? Sind sie daran gewöhnt, unabhängig zu sein? Haben sie irgendwann schlechte Erfahrungen mit der Religion oder mit religiösen Menschen gemacht? Bei der geistlichen Armut müssen wir darauf achten, dass wir dieses höchst komplexe Thema nicht zu einfach darstellen. Und doch gibt es primäre und sekundäre Ursachen. Viele christliche Theologen verweisen zurück auf den Garten Eden und verbinden geistliche Armut mit einer ererbten menschlichen Veranlagung zu Sünde und Ungehorsam. Wer kann leugnen, dass wir Menschen dazu neigen, eigenwillig und unabhängig zu sein? Auf unserer Suche nach den Gründen für geistliche Armut sind die Fragen „Wer ist deine Familie?“ und „Wo bist du geboren?“ ebenfalls wichtige Faktoren. Die Rolle des Glaubens in einer Familie liefert einen starken Anhaltspunkt dafür, wie die nächste Generation auf Glaubensfragen ansprechen wird. Wenn die Eltern ernstlich gläubig sind und die Art, wie sie leben, die geistliche Erfahrung der Familie bereichert, werden die Kinder durch ihr Erbe geprägt. Fehlt der Glaube in der Familie, sind die Kinder ungeschützt und geistlich benachteiligt. Auch das geografische und kulturelle Erbe lässt darauf schließen, wie jemand die Rolle des Glaubens in seinem Leben sehen wird. Wer in einer islamischen Republik zur Welt kommt, wird sehr wahrscheinlich Moslem sein. Menschen, die auf den Philippinen oder in Südamerika geboren werden, übernehmen vermutlich eine römisch-katholische Identität. In Nationen, die religiös stark gemischt sind oder von Protestanten und Katholiken dominiert werden, spielt der familiäre Hintergrund eine starke Rolle dabei, wie die Einzelnen ihren Glauben entwickeln und ausdrücken. Ein fehlendes geistliches Bewusstsein kann zu einem von geistlicher Armut geprägten Lebensweg führen. Gottes Liebe zurückzuweisen, seine Wahrheit zu leugnen und die Folgen der Sünde zu ignorieren ist schädlich für das geistliche Wohlergehen. Jesu Auftrag lässt sich in eine einzige Vision mit zwei Dimensionen fassen. Seine Hoffnung auf eine erneuerte Menschheit umfasst das Wohlergehen für Menschen, die geistlich arm und für solche, die sozial arm sind.

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1. FÜR DIE ARMEN EINTRETEN Jesus setzte sich für geistliches und soziales Wohlergehen ein. Das war für ihn keine Nebensache, sondern stand im Mittelpunkt seines Wirkens. Während der letzten Tage mit seinen Jüngern bezeichnete Jesus sich selbst als „Fürsprecher“ und versprach ihnen auch einen anderen zu senden, den Heiligen Geist. Die gute Nachricht für uns alle ist, dass Jesus auch weiterhin für uns eintritt: „Meine Kinder, dies schreibe ich euch, damit ihr nicht sündigt. Und wenn jemand sündigt, so haben wir einen Fürsprecher bei dem Vater, Jesus Christus, der gerecht ist.“ 1. Johannes 2,1

Historisches Dilemma: Armut Die Not der Armen war ein ständiges Anliegen im Leben Jesu. Ein deutlicher Beleg seiner Vorliebe für die Armen findet sich während eines Besuchs im Haus von Simon dem Aussätzigen. Eine Frau unterbrach das Gespräch mit einem Krug voll kostbarem Salböl in der Hand und begann es Jesus auf den Kopf zu gießen. Einige der Gäste meinten, man hätte das Geld für das Salböl lieber den Armen geben sollen. Jesus bestätigt die guten Absichten der Frau und tadelt ihre Kritiker: „Die Armen werdet ihr immer bei euch haben. Ihr könnt ihnen helfen, wann immer ihr wollt“, Markus 14,7 NL. Dieser Vorfall unterstreicht, wie schwierig es ist abzuwägen, inwieweit man Geld für Feste ausgeben oder an die beständige Not der Armen denken soll. Gott in der biblischen Geschichte begegnen Widerstehe der Versuchung, auszublenden, was deinem bisherigen Verständnis widerspricht. Erkenne, was gut und richtig ist, damit deine geistliche Einsicht deine künftigen Pläne leiten kann. Die beiden folgenden Abschnitte sind recht gegensätzlich. Der erste lädt uns ein, mit den Armen zu feiern, und der zweite verpflichtet uns dazu, bewusst denen zu dienen, die auf unterschiedliche Weise Not leiden. • • • • • • • • •

Lesen Sie den Lukastext gemeinsam laut vor. Kommentieren Sie nicht und nehmen Sie sich die Zeit, darüber nachzudenken, wie Sie die Anweisung Jesu empfinden. Lesen Sie den Text noch einmal still durch. Notieren Sie Ihre Gefühle und Reaktionen. Kommentieren Sie nicht und bewahren Sie Ihre Notizen für den Austausch nach dem zweiten Text auf. Lassen Sie jemanden den Text aus dem Matthäusevangelium laut vorlesen. Lesen Sie den Abschnitt ein zweites Mal still und achten Sie dabei besonders auf den Ausdruck: „Das will ich euch sagen. Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr für mich getan!“ Schreiben Sie die Aussage Jesu noch einmal in Ihren eigenen Worten auf. Lesen Sie Ihre umschriebenen Aussagen einander vor und sprechen Sie über das, was Sie dabei gelernt haben. Kehren Sie zu Ihren früheren Notizen zurück über Ihre Gefühle angesichts der Anweisung, Festessen für Menschen zu veranstalten, die sich nicht revanchieren können. Empfinden Sie noch genauso, nachdem Sie sich mit dem zweiten Text beschäftigt haben? Tauschen Sie Ihre Gedanken miteinander aus.

Ein Fest mit den Armen „Schließlich sagte Jesus zu seinem Gastgeber: ‚Zu einem Essen solltest du nicht deine Freunde, Geschwister, Verwandten oder die reichen Nachbarn einladen. Sie werden dir danken und dich wieder

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einladen. Dann hast du deine Belohnung schon gehabt. Bitte lieber die Armen, Verkrüppelten, Gelähmten und Blinden an deinen Tisch. Dann wirst du glücklich sein, denn du hast Menschen geholfen, die sich dir nicht erkenntlich zeigen können. Gott wird dich dafür belohnen, wenn er die von den Toten auferweckt, die nach seinem Willen gelebt haben.‘“ Lukas 14,12-14 Hfa Das Weltgericht „Wenn der Menschensohn in seiner ganzen Herrlichkeit, begleitet von allen Engeln, kommt, dann wird er auf dem Thron Gottes sitzen. Alle Völker werden vor ihm erscheinen, und er wird die Menschen in zwei Gruppen teilen, so wie ein Hirte die Schafe von den Böcken trennt. Rechts werden die Schafe und links die Böcke stehen. Dann wird der König zu denen an seiner rechten Seite sagen: ‚Kommt her! Euch hat mein Vater gesegnet. Nehmt die neue Welt Gottes in Besitz, die er seit Erschaffung der Welt für euch als Erbe bereithält! Denn als ich hungrig war, habt ihr mir zu essen gegeben. Als ich Durst hatte, bekam ich von euch etwas zu trinken. Ich war ein Fremder bei euch, und ihr habt mich aufgenommen. Ich war nackt, ihr habt mir Kleidung gegeben. Ich war krank, und ihr habt mich besucht. Ich war im Gefängnis, und ihr seid zu mir gekommen.‘ Dann werden sie, die nach Gottes Willen gelebt haben, fragen: ‚Herr, wann bist du denn hungrig gewesen und wir haben dir zu essen gegeben? Oder durstig und wir gaben dir zu trinken? Wann haben wir dir Gastfreundschaft gewährt, und wann bist du nackt gewesen und wir haben dir Kleider gebracht? Wann warst du denn krank oder im Gefängnis und wir haben dich besucht?‘ Der König wird ihnen dann antworten: ‚Das will ich euch sagen. Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr für mich getan!‘ Zu denen an seiner linken Seite aber wird er sagen: ‚Geht mir aus den Augen, ihr Verfluchten, ins ewige Feuer, das für den Teufel und seine Helfer bestimmt ist! Denn ich war hungrig, aber ihr habt mir nichts zu essen gegeben. Ich war durstig, aber ihr habt mir nichts zu trinken gegeben. Ich war ein Fremder unter euch, aber ihr habt mich nicht aufgenommen. Ich war nackt, aber ihr wolltet mir nichts zum Anziehen geben. Ich war krank und im Gefängnis, aber ihr habt mich nicht besucht.‘ Dann werden auch sie ihn fragen: ‚Herr, wann haben wir dich denn hungrig oder durstig, ohne Unterkunft, nackt, krank oder im Gefängnis gesehen und dir nicht geholfen?‘ Darauf wird ihnen der König antworten: ‚Lasst es euch gesagt sein: Die Hilfe, die ihr meinen geringsten Brüdern verweigert habt, die habt ihr mir verweigert.‘ Und sie werden der ewigen Strafe ausgeliefert sein. Aber die Gottes Willen getan haben, erwartet unvergängliches Leben.“ Matthäus 25,31-46 Hfa

Aktuelle Herausforderungen Beide Abschnitte unterstreichen Jesu Auftrag, Ressourcen mit denen zu teilen, die weniger haben. Doch es geht um mehr als nur um Großzügigkeit. Gleichgültigkeit gegenüber den Bedürfnissen der Armen zeugt für fehlenden Glauben. Die Weigerung, die Not der Armen im „Hier und Jetzt“ zu lindern, wird zu einem Kriterium für das letzte Urteil vor Gott. Und das ist noch nicht alles. Wenn Nachfolger Jesu praktische Liebe zeigen, bringen sie auch die Berührung durch Jesus in das Leben der Armen. Christus ist da, wo Gottes Leute sind, und Gutes zu tun ist ein praktischer Ausdruck von Gottes Liebe. •

Jesu Anweisung, großzügig gegenüber Menschen zu sein, die es nicht „zurückzahlen“ können, erinnert uns daran, über unsere selbstbezogenen Interessen hinaus zu leben. Denken Sie an Ihren Wohnort und an einige Menschen in Ihrer Nähe, deren Bedarf größer ist als ihre begrenzten Mittel. Gibt es eine Situation, in der Sie anbieten können, sich einmal um die Kinder zu kümmern, damit ein alleinerziehender Vater oder eine alleinerziehende Mutter abends ausgehen kann? Können Sie einem Schüler Nachhilfeunterricht geben, berufliche Kenntnisse vermitteln oder Ihre Gemeinde dazu anregen, einen sozialen Dienst in ihrem Umfeld anzubieten? Auf globaler Ebene haben die Vereinten Nationen acht Millenniumentwicklungsziele formuliert, als eine allgemeine Strategie zur Bewältigung von Problemen der weltweiten Armut und der sozialen Gerechtigkeit. 1. Bekämpfung von Hunger und extremer Armut 2. Primarschulbildung für alle 3. Gleichstellung der Geschlechter / Stärkung der Rolle der Frauen 41


4. 5. 6. 7. 8.

Senkung der Kindersterblichkeit Verbesserung der Gesundheitsversorgung der Mütter Bekämpfung von HIV/Aids, Malaria und anderen schweren Krankheiten Ökologische Nachhaltigkeit Aufbau einer globalen Partnerschaft für Entwicklung

Nehmen Sie die weniger entwickelten Teile der Welt (manchmal auch Dritte Welt genannt) in den Blick, gehen Sie die Millenniumsziele noch einmal durch und benennen Sie die Ihrer Meinung nach gravierendsten Fälle von Ungerechtigkeit, die das soziale und geistliche Wohlergehen von Menschen verhindern. •

Fürsprache ist eine bewährte Strategie, um sich gemeinsam gegen Armut und Ungerechtigkeit einzusetzen. Die folgende Definition nennt einige Elemente erfolgreicher Fürsprache. Gehen Sie diese einmal durch.

Fürsprache ... nennt Unrecht beim Namen. ... entwirft Strategien, um Systeme zu verändern. ... schätzt benachteiligte Menschen als Akteure des Wandels. ... bietet Fachwissen, um Ziele umzusetzen. ... bringt die Mächtigen dazu, ihre Politik zu verändern. ... ruft Gleichgesinnte auf, sich ihrer Sache anzuschließen. ... verändert Richtlinien, Praktiken und Einstellungen. ... sehnt sich nach einer Gerechtigkeit, die Zukunftsfähigkeit bewirkt. Welches Element/welche Funktion der Fürsprache sticht Ihnen besonders ins Auge? Erläutern Sie Ihre Wahl kurz. •

Lassen Sie uns konkret werden. Sammeln Sie Ideen, wie Sie und andere sich für Veränderungen im Blick auf folgende Themen einsetzen könnten: o

Soziales Thema: Primarschulbildung für alle

Eine der Ungerechtigkeiten in weniger entwickelten Teilen der Welt betrifft den Zugang zu „gebührenfreier“ Primarschulbildung. Bildung ist das beste Mittel gegen Arbeitsplätze ohne Aufstiegschancen, beständige Abhängigkeit von sozialer Fürsorge und ein Leben in Armut. Welche Schritte können unternommen werden, um die Bildungslücke zu schließen? Finden Sie heraus, welche Hilfs- und Entwicklungsorganisationen sich vorrangig für die weltweite Bildung einsetzen, und wählen Sie eine, die Sie unterstützen möchten. Treten Sie in Kontakt zu politischen Entscheidungsträgern, die für die Entwicklungshilfe zuständig sind. Motivieren Sie eine Schule an Ihrem Wohnort, sich mit einer Schule in einem weniger entwickelten Land zusammenzutun und zu überlegen, was man gemeinsam unternehmen kann. o

Geistliches Thema: Religionsfreiheit

Im Jahr 1948 bekräftigte die Generalversammlung der Vereinten Nationen in ihrer Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (Artikel 18): „Jeder hat das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit; dieses Recht schließt die Freiheit ein, seine Religion oder seine Weltanschauung zu wechseln, sowie die Freiheit, seine Religion oder seine Weltanschauung allein oder in Gemeinschaft mit anderen, öffentlich oder privat durch Lehre, Ausübung, Gottesdienst und Kulthandlungen zu bekennen.“ Informieren Sie sich. Recherchieren Sie und finden Sie heraus, welche Länder die UNErklärung unterschrieben haben, aber die Prinzipien der Religionsfreiheit nicht einhalten. Finden Sie heraus, welche Organisationen zur Sicherstellung der Religionsfreiheit existieren. 42


Stellen Sie sich hinter die Bemühungen einer Organisation, die Ihnen vertrauenswürdig erscheint. Werden Sie aktiv. Antwortgebete Konzentrieren Sie sich zunächst auf Ihr Heimatland. Wenden Sie sich dann einem weltweiten Schwerpunkt zu.

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2. FÜR DIE PRIVILEGIERTEN EINTRETEN Man könnte annehmen, dass privilegierte Menschen keine Fürsprecher brauchen. Sie haben schließlich die Mittel und Möglichkeiten, alleine zurechtzukommen. Doch Jesus sieht das nicht so. Für ihn ist die größte geistliche Schwäche aller Menschen – aus allen Kulturen und zu allen Zeiten – die Selbstgenügsamkeit. Selbstgenügsamkeit ist verlockend. Warum abhängig sein, wenn man unabhängig sein kann? Warum den Rat anderer Menschen suchen, wenn man selbst alle Antworten hat? Warum Schlange stehen, wenn man einen Diener oder Angestellten hinschicken kann, der für einen wartet? Warum sich Sorgen machen, wie man seine Familie ernähren soll, wenn man einen Kühlschrank voll Lebensmittel haben und sich aussuchen kann, was auch immer man essen möchte? Warum Bus fahren, wenn man erster Klasse fliegen kann? Hätten Sie nicht auch lieber Kapitalanlagen und Geld auf der Bank, als sich über die nächste Rückzahlungsrate Ihres Kredits zu sorgen? Wer, der bei Verstand ist, würde schon lieber auf der Straße betteln als zu einem Platz in der ersten Reihe geleitet zu werden, um ein Konzert zu genießen? Historisches Dilemma: Selbstgenügsamkeit Geld spielt bei der Selbstgenügsamkeit immer eine große Rolle. Es ist kein Wunder, dass Jesus dieses Thema so direkt ansprach. Er warnte vor der Macht des Geldes: „Niemand kann zwei Herren dienen. Immer wird er den einen hassen und den anderen lieben oder dem einen treu ergeben sein und den anderen verabscheuen. Ihr könnt nicht gleichzeitig Gott und dem Geld dienen“, Matthäus 6,24 NL. Soziale Hierarchie und wirtschaftliche Ungleichheit gehörten offensichtlich auch vor 2000 Jahren schon zum Leben. Sonst hätte Jesus diese Aussage nicht in die Bergpredigt einschließen müssen. Der reiche und angesehene Mann war ein selbstgenügsames Mitglied der Gesellschaft. Er war reich und sozial privilegiert. Diese Vorteile machten keinen schlechten Menschen aus ihm. Vieles an seinen Absichten war gut. Seine geistliche Sehnsucht war bewundernswert. In seinem tiefsten Inneren wollte er mit Gott ins Reine kommen. Auch wenn er vielleicht selbstbezogen war, folgte er den Geboten des Alten Testaments. Als Jesus den Maßstab höher legte als der Reiche akzeptieren wollte, zog er sich traurig zurück. Wer konnte es dem Mann verübeln, dass er mehr wollte? Er hatte bereits so viel vom Himmel auf Erden wie man sich nur erhoffen konnte. Warum fügte er dem nicht noch das ewige Leben als höchsten Gewinn hinzu? Auch Nikodemus war privilegiert – geistlich privilegiert. Er war ein angesehener Pharisäer, ein Mitglied des Hohen Rates. Nikodemus war ein Gelehrter, ein offiziell beglaubigter Lehrer Israels. Er war ein Mann, der sich dem Gesetz Gottes gewidmet hatte. Nikodemus gab Antworten auf die religiösen Fragen seines Volkes. Dennoch ging es ihm wie den anderen Israeliten, die weder verstanden, wer Jesus war, noch akzeptierten, was er von ihnen zu glauben forderte. Nikodemus besaß mehr äußerliche Qualifikationen als Jesus, doch innerlich war er unruhig. Jesus hatte etwas, das Nikodemus anzog. Er wusste, dass Jesus Wunder tat und dass seine erstaunlichen Lehren allmählich kontrovers diskutiert wurden. Vielleicht war seine Unzufriedenheit mit dem verbunden, wie er und die anderen Pharisäer Gottes Gebote interpretierten. Was auch immer seine Motivation war, Nikodemus kam in der Stille der Nacht zu Jesus. Zwei Lehrer begegneten sich in einem vertraulichen Rahmen. Doch für Nikodemus war es Zeit, sich verwundbar zu machen. Es war Zeit für ihn, offen zu seinen eigenen geistlichen Fragen zu stehen.

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Gott in der biblischen Geschichte begegnen In den folgenden Berichten weht ein geistlicher Wind. Bei dem reichen Mann ist er böig und stürmisch. Für Nikodemus ist es eine sanfte, aber beunruhigende Brise. Erlaube dem Wehen des Geistes, deine Aufmerksamkeit zu erregen und dich auf Kurs zu halten. Habe den Mut, ehrlich mit dir zu sein. Ersehne die Dinge Gottes und bleibe offen für das Flüstern des Geistes. • • • •

Lesen Sie den Text über den angesehenen und reichen Mann still für sich durch. Lassen Sie sich Zeit. Lesen Sie die Geschichte noch einmal alleine durch und stellen Sie einen Aspekt des Geschehens heraus, der Ihnen besonders auffällt. Warum hat Sie dieser Aspekt besonders angesprochen? Tauschen Sie sich mit anderen in der Gruppe darüber aus.

Angesehener und reicher Mann: sozial privilegiert „Ein angesehener Mann fragte Jesus: ‚Guter Meister, was muss ich tun, um das ewige Leben zu bekommen?‘ – ‚Warum nennst du mich gut?‘, entgegnete Jesus. ‚Gut ist nur Gott, sonst niemand. Du kennst doch die Gebote: Du sollst nicht die Ehe brechen, du sollst keinen Mord begehen, du sollst nicht stehlen, du sollst keine falschen Aussagen machen, ehre deinen Vater und deine Mutter!‘ Der Mann erwiderte: ‚Alle diese Gebote habe ich von meiner Jugend an befolgt.‘ Da sagte Jesus zu ihm: ‚Eines fehlt dir noch: Verkaufe alles, was du hast, und verteile den Erlös an die Armen, und du wirst einen Schatz im Himmel haben. Und dann komm und folge mir nach!‘ Der Mann wurde sehr traurig, als er das hörte, denn er hatte ein großes Vermögen. Als Jesus ihn so traurig sah, sagte er: ‚Wie schwer ist es doch für Menschen, die viel besitzen, in das Reich Gottes zu kommen! Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher ins Reich Gottes kommt.‘ Da fragten die Zuhörer: ‚Wer kann dann überhaupt gerettet werden?‘ Jesus antwortete: ‚Was bei den Menschen unmöglich ist, das ist für Gott möglich.‘“ Lukas 18,18-27 NGÜ

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Lesen Sie den Text über Nikodemus still für sich. Lassen Sie sich Zeit. Lesen Sie die Geschichte noch einmal alleine durch und stellen Sie einen Aspekt des Geschehens heraus, der Ihnen besonders auffällt. Warum hat Sie dieser Aspekt besonders angesprochen? Tauschen Sie sich mit anderen in der Gruppe darüber aus.

Nikodemus: geistlich privilegiert „Einer der führenden Männer des jüdischen Volkes, ein Pharisäer namens Nikodemus, suchte Jesus einmal bei Nacht auf. ‚Rabbi‘, sagte er zu ihm, ‚wir wissen, dass du ein Lehrer bist, den Gott gesandt hat. Denn niemand kann solche Wunder tun wie du, wenn Gott nicht mit ihm ist.‘ Jesus entgegnete: ‚Ich sage dir: Wenn jemand nicht von neuem geboren wird, kann er das Reich Gottes nicht sehen.‘ – ‚Wie kann ein Mensch, wenn er alt geworden ist, noch einmal geboren werden?‘, wandte Nikodemus ein. ‚Er kann doch nicht in den Leib seiner Mutter zurückkehren und ein zweites Mal auf die Welt kommen!‘ Jesus erwiderte: ‚Ich sage dir eins: Wenn jemand nicht aus Wasser und Geist geboren wird, kann er nicht ins Reich Gottes hineinkommen. Natürliches Leben bringt natürliches Leben hervor; geistliches Leben wird aus dem Geist geboren. Darum sei nicht erstaunt, wenn ich dir sage: Ihr müsst von neuem geboren werden. Der Wind weht, wo er will. Du hörst zwar sein Rauschen, aber woher er kommt und wohin er geht, weißt du nicht. So ist es bei jedem, der aus dem Geist geboren ist.‘ ‚Aber wie kann das geschehen?‘, fragte Nikodemus. ‚Du als Lehrer Israels weißt das nicht?‘, entgegnete Jesus. ‚Ich will dir etwas sagen: Wir reden von Dingen, die wir kennen; das, was wir bezeugen, haben wir gesehen. Wir bezeugen es, aber ihr nehmt es nicht an. Und da ihr mir nicht einmal glaubt, wenn ich über die irdischen Dinge zu euch rede, wie werdet ihr mir dann glauben können, wenn ich über die himmlischen Dinge zu euch rede? Es ist noch nie jemand in den Himmel hinaufgestiegen; der Einzige, der dort war, ist der, der aus dem Himmel herabgekommen ist – der Menschensohn. Und wie Mose damals in der Wüste die Schlange erhöhte, so muss auch der Menschensohn erhöht werden, damit

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jeder, der glaubt, in ihm das ewige Leben hat. Denn Gott hat der Welt seine Liebe dadurch gezeigt, dass er seinen einzigen Sohn für sie hergab, damit jeder, der an ihn glaubt, das ewige Leben hat und nicht verloren geht.‘“ Johannes 3,1-16 NGÜ

Aktuelle Herausforderungen Was du zu fassen bekommst, bekommt dich zu fassen. Was du umklammerst, umklammert dich. Der reiche Mann lieferte sich der Macht des Geldes und den Privilegien von Reichtum und Ansehen aus. Nikodemus verkaufte seine Seele an das religiöse Establishment. Er umklammerte, was er ererbt hatte. Die Kultur seines Volkes und seine religiösen Regeln und Verordnungen führten dazu, dass er in einem geschlossenen System lebte. Sowohl der reiche Mann als auch Nikodemus waren im Gefängnis ihrer Privilegien eingeschlossen. Jesus setzte sich für sie ein, auch wenn sie das zu dem Zeitpunkt nicht erkannten. Jesus wollte sie von den Mächten befreien, die sie gefangen hielten. •

Im Fall des reichen Mannes nährten Geld und soziales Prestige sein Gefühl der Selbstgenügsamkeit. Wenn wir uns für unabhängig halten, werden wir unsere eigene Autorität. Wir konstruieren unsere Werte, Gebräuche und Überzeugungen selbst. Wir setzen unsere eigenen Schwerpunkte, lassen unsere Entscheidungen von Eigeninteressen bestimmen und haben das letzte Wort darüber, was richtig und was falsch ist. Wir meinen zu wissen, was das Beste ist. Doch unsere angebliche Stärke macht uns blind dafür, dass wir Gott brauchen. Der reiche Mann hatte den Gott der Schöpfung gegen den Gott des Geldes ausgetauscht. Identifizieren und besprechen Sie die Einflüsse in Ihrem Leben, die Ihre Selbstgenügsamkeit und Autonomie nähren. Denken Sie über Jesu Absichten mit dem reichen Mann nach. Was, denken Sie, versuchte Jesus zu erreichen? Was wissen Sie über Gottes Absichten mit Ihnen und anderen Menschen?

Aus irgendwelchen Gründen wurde das religiöse System von Nikodemus gestört. Er hatte nicht mehr alle Antworten. Seine Antworten wurden sogar zu Fragen, die ihn beunruhigten. Jesus machte Nikodemus deutlich, dass seine bisherigen geistlichen Voraussetzungen unzulänglich und unvollständig waren. Es gab für ihn mehr zu entdecken und zu erfahren. „Wenn jemand nicht aus Wasser und Geist geboren wird, kann er nicht ins Reich Gottes hineinkommen ... ihr müsst von neuem geboren werden.“ Nikodemus hatte Mühe zu begreifen, was Jesus meinte. Was verstehen Sie unter „aus Wasser und Geist geboren werden“ oder „von neuem geboren werden“? Schreiben Sie mit eigenen Worten auf, was das für Sie bedeutet, ohne diese besonderen Ausdrücke zu verwenden. Sprechen Sie über Ihre Erklärungen.

Evangelisation und christliches Zeugnis in ihrer besten Form sind ein Ausdruck von geistlicher Fürsprache. Jesus half uns die Rolle des Heiligen Geistes zu verstehen, als er zu Nikodemus sagte: „Der Wind weht, wo er will. Du hörst zwar sein Rauschen, aber woher er kommt und wohin er geht, weißt du nicht. So ist es bei jedem, der aus dem Geist geboren ist.“ Was können wir aus Jesu Worten darüber lernen, wie Menschen zum Glauben an Jesus Christus kommen und gerettet werden?

Es gibt in der Bibel zwei weitere Hinweise auf Nikodemus und seine Reaktion auf Jesus. In Johannes 7,45-52, setzt sich Nikodemus gegenüber seinen Pharisäerkollegen für Jesus ein. Nach der Kreuzigung kauft Nikodemus etwa dreißig Kilo Myrrhe und Aloe, um Jesu Leichnam einzubalsamieren (vgl. Johannes 19,38-42). Man kann daraus wohl schließen, dass Nikodemus zum Glauben kam und ein Nachfolger Jesu wurde.

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Antwortgebete Konzentrieren Sie sich zunächst auf Ihr Heimatland. Wenden Sie sich dann einem weltweiten Schwerpunkt zu.

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3. DIE GEFANGENEN BEFREIEN Vielen Menschen ist es unangenehm, wenn Dämonen auch nur erwähnt werden. Dieselben Leute mögen einräumen, dass es irgendeine geistige Welt gibt, aber sie bezweifeln die Existenz von bösen Geistern. Ironischerweise vertrauen diese Menschen auf Horoskope, Okkultismus und Hellseher, aber sie haben keinen Platz für die Mächte und Gewalten des Bösen. Für Engel vielleicht, aber niemals für Dämonen. Viele Christen gehen selbstverständlich davon aus, dass wir mitten in einer geistigen Welt leben, in der die Mächte von Gut und Böse nebeneinander existieren und gegeneinander kämpfen. Nach ihrer Weltanschauung ist Satan der Böse, der Fürst der Dämonen. Gewalten und Mächte verdunkeln das Innere der menschlichen Seele und Menschen, die von Gott dazu befähigt werden, im Namen Jesu Dämonen auszutreiben, erhalten Beifall. Historisches Dilemma: Innere Dämonen Die Bibel berichtet an 70 Stellen von Dämonen. Nur zwei davon stehen im Alten Testament. Jesus hat Menschen immer wieder von der Anwesenheit und Macht ihrer inneren Dämonen befreit. Bilder von Licht und Dunkelheit und Kämpfe zwischen Gut und Böse illustrieren häufig die Seiten der Schrift. Die beiden folgenden Bibelabschnitte zeigen, dass die vielfältigen Erscheinungsformen von Dämonen in ihren Auswirkungen sehr ähnlich sein können. Dämonen sind bedrückend. Sie dringen in den menschlichen Geist ein. Sie sind verführerisch und hartnäckig. Sie täuschen, zwingen und kontrollieren. Sie sind geistlich destruktiv. Kurz gesagt: „Dämonen der Seele sind die antigöttlichen Kräfte in unserem Leben.“ Gott in der biblischen Geschichte begegnen Nimm Gottes Geschenk der geistlichen Nahrung an. Bete um genug Kraft, noch eine Stunde, einen Tag, eine Woche treu zu bleiben. Bemühe dich, noch einen Konflikt, noch eine Enttäuschung, noch eine Überraschung bewusst zu durchleben. Der folgende Abschnitt aus dem ersten Kapitel des Markusevangeliums hat zwei Teile. Der erste spielt in der Öffentlichkeit, in der Synagoge. Der zweite beginnt in einem Privathaus mit vier Jüngern Jesu. In beiden Situationen geschieht letztlich eine wundersame Heilung. • • • •

Hören Sie aufmerksam zu, während beide Teile laut vorgelesen werden. Lesen Sie den gesamten Abschnitt noch einmal leise durch und erlauben Sie Ihrer Aufmerksamkeit, bei einem bestimmten Aspekt der Geschichte hängenzubleiben. Nehmen Sie sich Zeit, über das nachzudenken, was Ihnen aufgefallen ist. Sprechen Sie miteinander über Ihre Beobachtungen und Gedanken.

Jesus siegt über Dämonen und böse Geister. „Sie kamen in die Stadt Kapernaum. Am Sabbat ging Jesus in die Synagoge und lehrte dort die Menschen. Sie waren von seiner Lehre überwältigt, denn er sprach – anders als die Schriftgelehrten – mit Vollmacht. In der Synagoge war ein Mann, der von einem bösen Geist besessen war. Er fing an zu rufen: ‚Was willst du von uns, Jesus von Nazareth? Bist du gekommen, um uns zu vernichten? Ich weiß, wer du bist – der Heilige Gottes, den er gesandt hat!‘ ‚Schweig!‘, herrschte Jesus ihn an. ‚Verlass diesen Mann.‘ Da schüttelte der böse Geist den Mann hin und her, schrie auf und verließ ihn. Staunen erfasste die Zuschauer, und sie redeten untereinander darüber. ‚Was ist das für eine neue Lehre, die so viel Vollmacht hat?‘, fragten sie einander aufgeregt. ‚Sogar böse Geister gehorchen seinem Befehl!‘ Und die Nachricht von dem, was Jesus getan hatte, verbreitete sich rasch in ganz Galiläa. Nachdem Jesus und seine Jünger die Synagoge verlassen hatten, gingen sie zum Haus von Simon und Andreas; auch Jakobus und Johannes kamen mit. Simons Schwiegermutter war krank und lag mit

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hohem Fieber im Bett. Sofort erzählten sie Jesus von ihr. Er trat an ihr Bett, nahm ihre Hand und half ihr, sich aufzusetzen. Da verschwand das Fieber, und sie stand auf und machte ihnen etwas zu essen. Am Abend nach Sonnenuntergang brachte man alle Kranken und von Dämonen besessenen Menschen zu Jesus. Vor dem Haus versammelte sich eine große Menschenmenge, Leute aus ganz Kapernaum waren gekommen. Jesus heilte viele Menschen, die an den verschiedensten Krankheiten litten, und befahl vielen Dämonen, ihre Opfer zu verlassen. Den Dämonen verbot er zu sprechen, denn sie wussten, wer er war.“ Markus 1,22-34 NL

Im folgenden Abschnitt aus Lukas 4 kehren wir dorthin zurück, wo wir in der Einleitung begonnen haben. Jesus steht am Anfang seines öffentlichen Wirkens. Er ist in seiner Heimatstadt und spricht in der Synagoge, wo er als Kind gelernt und Gottesdienst gefeiert hat. Und genau dort erklärt er seinen Auftrag auf der Erde mit den Worten, die wir seine „Antrittsrede“ genannt haben. In dem Markustext oben wurden Menschen auf wunderbare Weise von bösen Geistern und aus der Bedrückung durch körperliche Krankheiten befreit. In dem Abschnitt aus Lukas 4 nimmt Jesus andere Formen von Gefangenschaft in den Blick. Er hat gute Nachrichten für diejenigen, die blind gegenüber ihrer Not sind und von den „antigöttlichen Kräften“ in ihrem Leben gefangen gehalten werden. • • • • •

Lesen Sie den Text aus Lukas 4 gemeinsam laut vor. Lesen Sie den Abschnitt noch einmal still für sich. Überfliegen Sie den Text ein drittes Mal und stellen Sie einen zentralen Gedanken heraus. Schreiben Sie Ihre Beobachtungen auf. Tauschen Sie Ihre Wahrnehmungen mit den Mitgliedern Ihrer Gruppe aus und verbinden Sie das, was Gott den anderen sagt, mit Ihren eigenen Eindrücken.

Jesu Antrittsrede „Als er nach Nazareth kam, wo er seine Kindheit verbracht hatte, ging er wie gewohnt am Sabbat in die Synagoge und stand auf, um aus der Schrift vorzulesen. Man reichte ihm die Schriftrolle des Propheten Jesaja, und als er sie aufrollte, fand er die Stelle, an der steht: ‚Der Geist des Herrn ruht auf mir, denn er hat mich gesalbt, um den Armen die gute Botschaft zu verkünden. Er hat mich gesandt, Gefangenen zu verkünden, dass sie freigelassen werden, Blinden, dass sie sehen werden, Unterdrückten, dass sie befreit werden und dass die Zeit der Gnade des Herrn gekommen ist.‘ Er rollte die Schriftrolle zusammen, gab sie dem Synagogendiener zurück und setzte sich. Alle in der Synagoge sahen ihn an. Und er sagte: ‚Heute ist dieses Wort vor euren Augen und Ohren Wirklichkeit geworden!‘“ Lukas 4,16-21 NL

Aktuelle Herausforderungen Der Glaube an Dämonen und ihre zerstörerische Macht ist in manchen Denominationen und auch in bestimmten Regionen der Welt verbreiteter als anderswo. Wenn daher die charismatischen Gemeinden ihre Art des Evangeliums voll „Mächte und Gewalten“ predigen, wird Gottesdienst mit Hochspannung gefeiert. In manchen der weniger entwickelten Länder der Welt sind die Armen oft reich im Glauben. Wo der Zugang zu medizinischer Versorgung begrenzt ist, zeigt sich offensichtlich eine tiefere Abhängigkeit von Gott. Das Gebet hat Macht und man rechnet fest mit Heilungswundern. •

Beurteilen Sie, wie Ihre Gemeinde mit „Dämonen“ und dem Bedarf an Wundern gegen diese „Mächte und Gewalten“ umgeht. Was ist Ihre persönliche Meinung?

Jahrhundertelang kannten Christen eine Liste von sieben „Todsünden“, die wir für unsere Zwecke als „Dämonen der Seele“ oder „antigöttliche Kräfte“ in unserem 49


Leben betrachten können. Die historische Liste umfasst Wollust, Völlerei, Habgier, Trägheit, Zorn, Neid und Hochmut. Denken Sie über Ihre Gesellschaft, Ihr Land und Ihren Wohnort nach. Benennen Sie aus der Liste der „Todsünden“ zwei, die Ihrer Meinung nach die verheerendsten Auswirkungen auf das Leben um Sie herum haben. Was würde sich im Leben verändern, wenn es sie nicht mehr gäbe? •

Denken Sie über die Folgen eines anderen Dämonen der Seele nach, der antigöttlichen Macht der Weigerung zu vergeben. Vergebung zu verweigern ist ein Todesurteil. Es ist ein sich selbst auferlegter Zustand der Unterdrückung. Vergebung hingegen befreit Menschen. Vergebung setzt Menschen dazu frei, die Vergangenheit zu bewältigen und einen Weg in die Zukunft zu finden. Stellen Sie sich eine Welt ohne Vergebung vor. Besprechen Sie die Auswirkungen. Und dann stellen Sie sich eine Welt vor, in der Vergebung in Kriegsgebieten verbreitet, an zerrüttete Familien verschenkt, in schwierige Arbeitssituationen eingebracht und Einzelpersonen, die in ihren Erinnerungen gefangen und unfähig zu einem Neuanfang sind, eingeflößt werden kann.

Lenken Sie Ihre Aufmerksamkeit auf einen weiteren zerstörerischen Dämon der Seele: die antigöttliche Macht des Egoismus. Wenn Gott Liebe ist und Gottes Gebot lautet zu lieben, dann ist Egoismus die größte lebensfeindliche, unterdrückerische, ungerechte Kraft in unserer Welt. Der Egoismus ist eine Katastrophe. Egoismus begrenzt das Leben auf die eigenen Interessen. Egoismus hält Menschen in ihrer eigenen kleinen Welt gefangen. Egoismus verletzt Menschen, die den eigenen Wünschen im Weg stehen. Egoismus verweigert Gerechtigkeit und leugnet die Rechte anderer. Egoismus ignoriert Menschen, die unter Armut leiden. Egoismus schließt die Ausgegrenzten aus. Tragischerweise macht Egoismus seine Opfer blind für ein lebenswertes Leben. Liebe hingegen spendet Leben. Leben ist lieben und lieben ist leben. Es ist Gottes Liebe und Gottes Liebe in uns, die sich mutig für gefährdete und unbeliebte Menschen einsetzt. Die Ethik der Liebe weigert sich, die Wahrheit mundtot zu machen. Das Prinzip der Liebe nimmt Außenseiter auf. Die Emotion der Liebe weckt Kreativität, Freigiebigkeit und Risikobereitschaft. Die Moral der Liebe sucht Gerechtigkeit für alle. Die Grenzen der Liebe reichen weit über das Eigeninteresse hinaus. Zum Glück gibt es in Gott mehr Liebe als Egoismus in uns.

Antwortgebete Konzentrieren Sie sich zunächst auf Ihr Heimatland. Wenden Sie sich dann einem weltweiten Schwerpunkt zu.

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SCHLUSSFOLGERUNG Was können wir aus alledem schließen? Jesus lebte richtig. Rechtschaffenheit war sein Lebensstil. Wenn er anderen begegnete, hatte er dabei ihr geistliches Wohlergehen im Blick. Jesus hat immer wieder auch Unrecht zurechtgerückt. Jesu Vision von Gerechtigkeit für die Schwachen steuerte seine Wünsche und leitete sein Handeln. In seiner Lehre und seinem Leben schuf Jesus neue Möglichkeiten für Menschen, deren Lebenssituation durch lebensfeindliche Mächte eingeengt war. Jesu Leben ist eine Demonstration dessen, wie man leben und lieben soll. Jesus verkörperte die bewusste Liebe. Er zeigte absichtliche, zielbewusste und kreative Liebe: Liebe zu Gott, zu sich selbst, zum Nächsten, zur Wahrheit, zur Rechtschaffenheit und zur Gerechtigkeit. Jesus hatte bereits das im Blick, was es noch nicht gab. Er trat ein für Freiheit von Unterdrückung – Diskriminierung, Ausgrenzung, Ungleichbehandlung, Armut, Sünde und Ungerechtigkeit. Nach Jesu Verständnis bedeutet lieben, gerecht sein. Gerecht sein heißt lieben. Und wenn wir Jesus folgen, sind wir Jünger der Gerechtigkeit. Jesu Auftrag auf der Erde zu seiner Zeit ist auch unser Auftrag auf der Erde in unserer Zeit. Im Gottesdienst gibt es manchmal eine Frage und eine Antwort, die es wert sind, das letzte Wort in dieser Studienreihe über „Jesus und die Gerechtigkeit“ zu bekommen. Frage: „Wollt ihr euch um Gerechtigkeit und Frieden unter allen Menschen bemühen und die Würde eines jeden Menschen respektieren?“ Antwort: „Ja, mit Gottes Hilfe.“

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