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Wenn der Freelancer ungewollt zum Angestellten wird

Yves Gogniat

Zuerst gilt es einmal einen Blick auf den Begriff des Freelancers zu werfen. Es wird zwar oft vom Freelancer-Vertrag oder der Anstellung eines Freelancers gesprochen. «Freelancer» ist jedoch kein im Gesetz definierter Rechtsbegriff. Im täglichen Gebrauch wird der Begriff meist für eine temporäre Arbeitskraft oder einen Berater, der als Einzelkämpfer auftritt, verwendet. In den allermeisten Fällen wollen die Parteien nicht, dass dieser zum Arbeitnehmer des Kunden wird, sondern selbstständiger Auftragnehmer bleibt. Die Beauftragung eines Freelancers nach Auftragsrecht bringt dem Kunden diverse Vorteile. So kann er diesem jederzeit kündigen, er muss keine Abwesenheit (Ferien, Krankheit etc.) bezahlen, die Arbeitszeiterfassung ist ebenfalls kein Thema (zumindest nicht im arbeitsrechtlichen Sinne) und der administrative Aufwand ist auch geringer. Im Gegensatz zum Arbeitnehmer ist der Freelancer flexibel in der Arbeitsgestaltung, kann meist eine höhere Vergütung verlangen und ebenfalls kurzfristig kündigen. Die Zusammenarbeit nach Auftragsrecht birgt daher für beide Seiten Vorteile.

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Gerade Unternehmen in der IT-Branche greifen gerne auf Freelancer zurück, um personelle Spitzen abzudecken oder kurzfristig Spezialwissen einzukaufen. Neben den erwähnten Vorteilen birgt die Nutzung von externen Personalressourcen einige Risiken, die nicht unterschätzt werden dürfen. Es ist deshalb wichtig, jeden Einsatz eines Freelancers rechtlich zu prüfen und allenfalls Massnahmen zur Risikoreduktion vorzunehmen.

Selbstständige Erwerbstätigkeit

Damit ein Freelancer überhaupt im Auftrag tätig werden kann und nicht ungewollt in ein Arbeitsverhältnis hineinrutscht, muss er selbstständig erwerbstätig sein. Als selbstständig erwerbend gelten grundsätzlich Personen, die unter eigenem Namen und auf eigene Rechnung arbeiten, in unabhängiger Stellung sind und ihr eigenes wirtschaftliches Risiko tragen. Das SECO gibt hier einige Merkmale zur Zuordnung vor. Insbesondere muss ein Freelancer für mehrere Auftragnehmer tätig sein, er muss in der Arbeitserbringung frei sein und darf nicht an Weisungen gebunden sein. Des Weiteren muss er sich selbstständig bei den Sozialversicherungen versichern.

Scheinselbstständigkeit

Gerade die Sozialversicherungen schauen entsprechend genau hin, da sie Scheinselbstständigkeit und die damit verbundene Umgehung der Sozialversicherungsabzüge verhindern wollen. Lehnt die Sozialversicherung die selbstständige Tätigkeit ab und qualifiziert die Zusammenarbeit als unselbstständige Tätigkeit, hat dies gravierende Folgen für den Kunden. Sozialversicherungsrechtlich wird dieser dann einerseits als Arbeitgeber qualifiziert und andererseits für die korrekte Entrichtung der Beträge haftbar gemacht. Dies führt nicht nur zu schmerzhaften Mehrkosten, sondern kann auch zivilrechtliche Fragen nach sich ziehen (bspw. ungewollte Entstehung eines Arbeitsvertrages). Endet die Zusammenarbeit im Streit, besteht die Gefahr, dass sich ein Freelancer auf das vorteilhaftere Arbeitsrecht beruft. In der IT-Branche ist das Risiko einer Qualifikation einer unselbstständigen Erwerbstätigkeit oft gross. Freelancer sind vielfach projektbezogen im Einsatz und haben daher häufig nur einen Kunden gleichzeitig. Ausserdem ist die Abgrenzung zwischen Auftrag und einer temporären Arbeitsstelle schwierig, da die Grenzen vielfach fliessend sind. Bei agilen Entwicklungs- und Projektmethoden wird einerseits bereits den eigenen Mitarbeitern mehr Freiraum in der Arbeitsgestaltung gelassen und anderseits müssen sich für eine funktionierende Zusammenarbeit alle involvierten Personen an die vereinbarte Projektmethode und die Arbeitsorganisation halten. Dies erfordert ein Einordnen und allenfalls Unterordnen des externen Personals. Wird des Weiteren auf ein iteratives und ergebnisoffenes Vorgehen gesetzt, kann der Arbeitsauftrag im Auftrag nur ungenau definiert werden. Anstelle von genau definierten Arbeitsergebnissen wird bspw. die Mitarbeit an einer X-Anzahl

Sprints vereinbart. Im Ergebnis läuft dies auf den Einkauf von Time & Material hinaus, was wiederum sehr nahe beim Arbeitsverhältnis liegt. In vielen Fällen besteht daher das Risiko, dass die Tätigkeit als unselbstständig qualifiziert werden könnte.

Lösungsmöglichkeiten

Für Kunden gibt es verschiedene Möglichkeiten, diese Problematik anzugehen. Die einfachste Möglichkeit besteht darin, das Personal nur bei grösseren IT-Unternehmen einzumieten. Diese Variante ist jedoch meist mit höheren Kosten verbunden. Wird regelmässig Personal mit einer Gewinnabsicht verliehen, benötigt das verleihende Unternehmen eine entsprechende Bewilligung. Bei Abschluss von mehr als zehn Verleihverträgen pro Jahr ist die Regelmässigkeit zu bejahen (Art. 29 Abs. 2 AVV). Der Kunde verschiebt somit das Risiko zum Unternehmen. In der Folge hat das Unternehmen zu prüfen, ob es sich um einen Personalverleih oder Auftrag handelt. Als Kunde kann man sich weiterhin strafbar machen, wenn Dienste eines Verleihers beansprucht werden, von dem man weiss, dass die erforderliche Bewilligung fehlt. Eine Vertragsklausel sollte daher festhalten, dass das Unternehmen alle notwendigen Bewilligungen eingeholt hat und auf Verlangen die Bewilligungen vorzuweisen sind. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, Freelancer über ein Payroll-Unternehmen einzumieten. Das Payroll-Unternehmen tritt hier als Personalverleiher auf und übernimmt die Abrechnung der Sozialleistungen. Im Gegensatz zu IT-Unternehmen ist das Payroll-Unternehmen auf die Verleihung von temporären Arbeitskräften spezialisiert. Es bestehen daher keine Abgrenzungsfragen bezüglich Werkvertrag, Auftragsrecht oder Personalvermittlung. Payroll-Unternehmen erbringen ihre Leistungen gewinnorientiert, was dem Kunden wiederum höhere Kosten verursacht, als wenn er den Freelancer direkt einstellte. Aufgrund der oben genannten Risiken sind viele Freelancer dazu übergegangen, mit einer eigenen GmbH aufzutreten und darüber abzurechnen. Diese Variante ist sicherlich kostengünstiger als die Abwicklung über ein Drittunternehmen und birgt sozialversicherungsrechtlich weniger Risiken als die Anstellung eines Einzelunternehmers. Ein Restrisiko bleibt jedoch auch bei dieser Variante bestehen. Bei Projekten, bei denen das Risiko der Entstehung eines Arbeitsverhältnisses besteht, sollte bereits von Beginn an nach den Regeln des Personalverleihs vorgegangen werden. Die GmbH oder AG, welche als Personalverleiherin auftritt, kann ihre Inhaber und Mitbesitzer ohne eine Personalverleihbewilligung ausleihen (Art. 28 Abs. 2 AVV). Nach erfolgter Prüfung stellen die kantonalen Vollzugsstellen eine entsprechende, auf zwei Jahre begrenzte Bestätigung aus. Der administrative Aufwand hält sich in Grenzen und bringt ausserdem beiden Parteien zusätzliche Rechtssicherheit. Erfolgt die Tätigkeit grenzüberschreitend, ist zudem Vorsicht geboten, da hier die sozialversicherungsrechtlichen Fragen nochmals komplexer werden und eine grenzüberschreitende Verleihtätigkeit in gewissen Konstellationen gar verboten ist. Egal, für welche Variante sich ein Kunde entscheidet, eine Prüfung der Rechtslage ist in jedem Falle zu empfehlen, um nachträglichen Streit sowie empfindliche Kostenfolgen zu vermeiden. ■

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