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10 Jahre ICT-Berufsbildung – was hat sich getan?
Elisa Marti
Zehn Jahre sind eine kurze Zeit. Verglichen mit anderen Berufsverbänden steckt ICT-Berufsbildung Schweiz in den Kinderschuhen. Trotzdem konnte der Verband dank dem Engagement von einigen hundert Beteiligten in der Bildungslandschaft zugunsten der Wirtschaft und Gesellschaft viel bewegen. Bei den rasant fortschreitenden technologischen Veränderungen ist es gerade in ICT-Berufen unabdingbar, dass die Ausbildungen regelmässig überprüft, aktualisiert und aufeinander abgestimmt werden. Nur so kann der Nachwuchs in der Wirtschaftswelt bestehen und die Schweiz ihren Platz in den vordersten Rängen des Innovationswettbewerbs halten. Seit zehn Jahren ist ICT-Berufsbildung Schweiz genau dafür zuständig. Der im März 2010 gegründete Verband sorgt dafür, dass die berufliche Grundbildung und die höhere Berufsbildung den ständig wandelnden Anforderungen der
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Vor einer Dekade wurde der nationale Verband ICT-Berufsbildung Schweiz ins Leben gerufen. Seither hat sich in der Berufsbildung und im Berufsfeld ICT viel verändert. Manche Themen sind heute noch genauso aktuell und dringlich wie damals. Wir schauen zurück und werfen einen Blick in die Zukunft.
Wirtschaft entsprechen und auf internationale Standards abgestimmt sind und mithalten können.
Die Entwicklung in Zahlen Seit 2010 stieg die Zahl der ICT-Beschäftigten um über 28 Prozent auf rund 200000 Fachkräfte. Der Wachstumspfad ist mit 3,7 Prozent pro Jahr stark überdurchschnittlich. Gleichzeitig konnte die Zahl der ICT-Lehrverhältnisse, dank diverser Massnahmen von ICT-Berufsbildung Schweiz, um rund 27 Prozent auf 9200 Lehrverhältnisse erhöht werden. Seit Beginn an beschäftigt ICT-Berufsbildung Schweiz der zunehmende Bedarf an qualifizierten Fachkräften in allen Branchen der Wirtschaft. Der grösste Zusatzbedarf wird auf der Ebene der Hochschulabschlüsse gesehen. Über 80 Prozent der tertiären Abschlüsse basieren jedoch auf der beruflichen
Grundbildung, da überdurchschnittlich viele EFZ-Absolventinnen und -Absolventen eine weiterführende Schule oder ein Studium im Anschluss an die Lehre wählen. Nichtsdestotrotz ist die Anzahl Prüfungsteilnehmende in der höheren Berufsbildung seit Jahren rückläufig. Hatten 2010 noch 500 Personen eine eidgenössische Prüfung zum Fachausweis oder Diplom abgelegt, sind es heute noch knapp 300 Teilnehmende. Die Gründe sind vielfältig: Die grosse Zunahme an Alternativangeboten der Fachhochschulen, der Trend hin zu Bachelor- und Masterabschlüssen sowie die mangelnde Bekanntheit und Anerkennung der eidgenössischen Berufsabschlüsse in der Wirtschaft und Gesellschaft spielen sicherlich eine entscheidende Rolle.
Wie haben sich die ICT-Ausbildungen verändert? In der beruflichen Grundbildung wurde 2014 die revidierte Bildungsverordnung für den Beruf Informatiker/in EFZ mit den heutigen drei Fachrichtungen, Applikationsentwicklung, Betriebsinformatik und Systemtechnik, in Kraft gesetzt. Seit 2018 ersetzt der 3-jährige Abschluss ICT-Fachmann/-frau EFZ das vormalige, 2-jährige EBA Informatikpraktiker/in, um das in der Praxis geforderte Niveau der Abgängerinnen und Abgänger zu gewährleisten. Im August 2019 begannen die ersten Mediamatik-Lernenden EFZ ihre Ausbildung nach der revidierten Bildungsverordnung, welche in den Kompetenzbereichen digitale Medien, Webtechnologien und Marketing gestärkt wurde. Einzigartig in der ICT-Berufsbildung ist das modularisierte Ausbildungskonzept, welches die Berufsbildung flexibler macht und noch stärker auf neue
Technologien und Trends reagieren lässt. Der ICT-Modulbaukasten definiert und strukturiert die Inhalte der ICT-Ausbildungen und steht öffentlich zur Verfügung. Auch in der höheren Berufsbildung hat sich in den letzten 10 Jahren viel getan. 2012 wurden vier Berufsprüfungen (eidg. Fachausweise) eingeführt: in ICT-System- und Netzwerktechnik, ICT-Applikationsentwicklung, Wirtschaftsinformatik und Mediamatik. Ein Jahr später wurde das eidg. Diplom ICT-Manager/in lanciert, welches die bisherigen Informatik-Diplome ersetzte. 2019 wurde der neue Fachausweis Cyber Security Specialist lanciert – eine Antwort auf den Fachkräftebedarf in dem Spezialgebiet und Zulieferer für das 2017 eingeführte Diplom ICT Security Expert. Nebenher hat der Verband seine kommunikativen Tätigkeiten stark ausgebaut und mit verschiedensten Initiativen, Kampagnen und Events zur Bekanntheit und Attraktivität der ICT-Berufe beigetragen.
Die Herausforderungen von gestern, heute und morgen Vier strategische Herausforderungen beschäftigen ICT-Berufsbildung Schweiz seit Anbeginn und werden auch in Zukunft im Zentrum stehen. Dies sind 1. der weiterhin zunehmende Fachkräftebedarf im Berufsfeld der ICT, 2. der Mangel an Lehrstellen, um zusätzlich benötigte Fachkräfte auf den Markt zu bringen, 3. der tief bleibende Frauenanteil trotz zahlreicher Massnahmen sowie 4. die nachhaltige Finanzierung von ICT-Berufsbildung Schweiz.
Die vielzitierte, regelmässig durchgeführte Studie von ICT-Beruf Bildung Schweiz prognostiziert für 2026 einen zusätzlichen Fachkräftebedarf von 88500 Personen. Das heisst theoretisch, über 40000 zusätzliche Fachkräfte müssten innert sieben Jahren ausgebildet werden. Dafür braucht es unbedingt zusätzliche ICT-Lehrstellen. Ein ergänzender, ebenfalls zentraler Ansatzpunkt ist die Erhöhung des Frauenanteils in der ICT. Dieser stagniert in den letzten zehn Jahren bei rund 15 Prozent trotz einer Vielzahl an Initiativen, Kampagnen und Förderprogrammen. Um dies zu ändern, braucht es Sensibilisierung, veränderte Denk- und Handlungsmuster und verbesserte Rahmenbedingungen auf verschiedensten Stufen. Die vierte strategische Herausforderung betrifft die Finanzierung der ICT-Berufsbildung. Seit seiner Gründung sucht ICT-Berufsbildung Schweiz nach einer nachhaltigen Finanzierungsquelle. Über die Jahre hinweg wurden zahlreiche Modelle geprüft und mehrheitlich verworfen. Damit der Verband den gesetzlichen Auftrag erfüllen und die Voraussetzungen für einen qualifizierten und zahlenmässig ausreichenden ICTNachwuchs schaffen kann, muss eine langfristige Lösung gefunden werden, die von der Wirtschaft mitgetragen wird.
Wo stehen wir heute? Derzeit befindet sich der Beruf Informatiker/in EFZ in der obligaten Revision. Die vorausgehende Befragung bei Betrieben, Berufsfachschulen, üK-Zentren und Lernenden ergab höchst erfreuliche Ergebnisse: 91 Prozent der Befragten sind eher bis sehr zufrieden mit der aktuellen Lehre. Dennoch gibt es Optimierungspotenzial, welches im Revisionsprozess neu definiert und ausgeschöpft wird. Voraussichtlich im August 2021 werden die
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ersten Lernenden auf Basis des revidierten Berufsbildes ihre Informatik-Lehre starten. Auch die Fachausweise und Rahmenlehrpläne werden einer umfassenden Revision unterzogen. Die zeitgleiche Aktualisierung sämtlicher Fachausweise und Rahmenlehrpläne HF bringt den Vorteil, dass die Abschlüsse als Ganzes aufeinander abgestimmt werden können. Zudem wird ein Rahmenlehrplan für eine HF ICT entwickelt – ein absolutes Novum. Alle diese wegweisenden Neuerungen bilden die Basis für einen gut qualifizierten ICT-Nachwuchs. Um diese Leistungen auch in Zukunft erbringen zu können, muss das Finanzierungsproblem gelöst werden. ICT-Berufsbildung Schweiz ist auf Unterstützungsbeiträge aus der Wirtschaft angewiesen – und zwar über die ICT-Branche hinaus. Nur so kann der steigenden Nachfrage nach ICT-Fachkräften in allen Wirtschaftszweigen Rechnung getragen und schweizweit ein vielfältiges, qualitativ hochwertiges Bildungsangebot mit ausreichend ICT-Lehrstellen sichergestellt werden. ■