Gehören Helikopter an die Uni? Es ist Bachelor-Infotag an der Leuphana Universität Lüneburg. Von 8-18 Uhr sind Infoveranstaltungen und -Stände auf dem Hauptcampus. Trotz drückender 29 Grad im Schatten nutzen das Angebot über 1000 Besucher. Man erkennt sie an dem Aufkleber auf ihrer Brust: „Gast“. Mitte Mai. Der gläserne Hörsaalgang erin-
teressierten mehr Raum zu geben, in dem
nert an ein Gewächshaus. Die Temperaturen
wir eine Parallelveranstaltung für Eltern&Co
sind tropisch-feucht. Schwitzende, rotange-
in der Mensa anbieten.“ Dem verspäteten
laufene Erwachsene gehen zielstrebig auf
Abnabelungsprozess wird von Uniseiten mit
Infostände zu „Guten Tag, mein Kind
Skepsis begegnet. In der VWL-Einführung
möchte hier gerne studieren…“. Daneben
steht ein Vater auf, er ist sogar ohne Kind
steht das Kind und sagt nichts. „Wo kann
gekommen. Besorgt erkundigt er sich:
man denn hier wohnen? Wie läuft das mit
„Kann man die Uni auch noch wechseln?“
dem Zulassungsverfahren?“ Eltern haben viele Fragen.
Mitten auf dem Campus schallt aus einem buntbemalten Bauwagen elektronische Mu-
Bei den Toiletten wird gedrängelt. Eine Frau
sik. Jungs in Röhre stehen hinter den Turn-
Mutter klopft an die mit Edding verzierte
tables. Eine junge Frau verdreht die Augen
Toilettentür. „Julia, beeil dich bitte, die Oma
„Das machen die hier doch nur, damit wir
muss auch.“ Ein Teil der hier anwesenden
denken, das sei immer so.“ Sie ist alleine
will tatsächlich ein Studium aufnehmen, der
unterwegs. „Ich wäre nicht einmal auf die
Rest besteht aus den dazugehörigen Eltern,
Idee gekommen meine Eltern mitzubrin-
Geschwistern und Großeltern. „Wer von
gen.“ So geht’s auch.
ihnen möchte denn studieren?“, lautet oft die erste Frage angesichts der Großfamilie in der Studienberatung.
Bei Dean ist das anders. Er sitzt mit seinen Eltern Kerstin und Bob auf einer Bank im
Caro Verfürth ist für das Hochschulmarke-
Schatten. Sein Stigma sind die zwei Punkte
ting und den Infotag verantwortlich. Sie
im Deutsch-Abi. Seit dem rotiert seine Mut-
kennt ihre neue Zielgruppe: die Helikopter-
ter. Sie organisiert ihm nach der Schule ein
eltern. Sie umkreisen ihr Kind übervorsorg-
Praktikum in Australien. In Down-Under hätte
lich bis zum 25. Lebensjahr. Auch wenn die
er mit seinen Talenten bereits Store-manager
Leuphana eine ehemalige Kaserne ist, einen
werden können, in Deutschland möchte
Landeplatz für sie gibt es hier nicht. Im Ge-
man ihrem Sohn ich einmal den Ausbil-
genteil, man probiert sich in Ablenkungsma-
dungsplatz zum Industriekaufmann gewäh-
növern. „Wir haben versucht den Studienin-
ren. „Die Schule bereitet doch gar nicht
mehr angemessen vor“, klagt die Mutter von
Unternehmens in der Pharmabranche. Ihre
zwei Söhnen. In Deans Schulzeit wird der
silberne Tasche der Marke Prada hält sie fest
Ausfall einer Lehrkraft als geminderte Wett-
im Griff. Ein abgebrochenes Bachelorstudi-
bewerbschance für die Schüler wahrgenom-
um wäre noch „legitim“. Aber eigentlich
men. Im Abi hat er dann auch noch die „fal-
auch nicht. Sie schaut Rebecca in die Augen
schen Prioritäten“ gesetzt: Lieber einen Mu-
„Genau das wollten wir ja eigentlich mit der
sikwettbewerb organisiert, anstatt zu lernen.
Begabungsanalyse verhindern.“ Sie lächelt,
Kerstin ist sauer. Hingegen begeistert ist sie
dabei bewegt sich nur ihr Mund. In der
von den Möglichkeiten die „heutzutage den
Stadtvilla daheim in Goslar liegt ein knapp
jungen Leuten offen stehen“. Ihre Augen
200 Seiten langer Analysebericht über Re-
werden ganz groß. Dafür ist sie bereit alles
beccas Fähigkeiten. Frau Fitzler unterstützt
zu geben. Bei ihr war das anders. „Meine
nach eigener Aussage ohne zu bevormun-
Eltern habe ich fast nur am Wochenende
den, denn keinesfalls möchte sie eine „ja-
gesehen“. Dean lobt den elterlichen Rü-
sagerin“ zur Tochter. „Die gehen unter“.
ckenwind. Er stockt. „Ich will euch nicht
Rebecca bestätigt den Support von Daheim.
verurteilen, aber der Druck ist auch ganz
Sie kann alles machen was sie will.
schön groß.“ Die Angst um eine falsche Entscheidung wiegt schwer. Vater Bob blickt seit einer Stunde desinteressiert in die Ferne. Er kommt aus Manchester, hat mit 15 angefangen zu arbeiten, seine zwei Söhne aus erster Ehe haben ganz alleine den Weg in den Beruf gefunden. Er versteht das ganze Heckmeck nicht.
An ihrem Hals haben sich rote Flecken gebildet. Die Schülerin wendet sich an ihre Mutter: „Was ich nur nicht verstehe, warum darf in dann nicht Philosophie studieren?“ Anne Fitzler lächelt unbeirrt: „zu unmodern“. Rebecca stammt aus dem G8 Jahrgang und ist erst 17. Für die Aufnahme eines
Aus dem Thema Unistart und der zuneh-
Studiums braucht sie die Unterschrift der
menden Unsicherheit darüber ist ein Ge-
Erziehungsberechtigten.
schäft geworden. Es gibt Infomessen, die nur auf Eltern zielen. Dr. Anne Fitzler braucht diese nicht, sie kennt die Regeln des Erfolgs. „Netzwerken ist das A und O.“ Sie ist heute mit ihrer Tochter Rebecca angereist. „Ich sag immer, bedenkt den Lebensstandard den ihr gewohnt seid – von vergrößern wollen wir mal gar nicht sprechen. Aber Fallen ist hart.“ Sie hat selbst promoviert, arbeitet im Marketing eines großen