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#4 graphit
Ausgangspunkt
Graphit Gut lesbare Schriftgestaltung muss auf den Grauwert achten, auf das ausgewogene Verhältnis von zu bedruckter Fläche und Weißraum. Bekannte Heavy und UltraBold Schriftschnitte kennzeichnen sich zwar durch die Form ihrer Punzen, diese verschwinden aber, wegen ihrer geringen Größe, im Hintergrund und lassen ein fettes, schwarzes Schriftbild in den Vordergrund treten. Ähnlich den schmalen Fugen einer Mauer, in der jeder Baustein optimal mit seinem Nachbar verzahnt ist.
Die grau bis schwarz schimmernden Kristalle des Elements Kohlenstoff werden Graphit genannt.
Was passiert, wenn die Trennung zwischen Punzen und Zeichenabstand verschwimmt, wenn jedes Zeichen nur einen minimalen Weißraum bekommt? Wie lassen sich betonte Serifen in einen Buchstaben integrieren, der bereits ein großer, dunkler Block ist? Wie wenige Ligaturen braucht es, um den Schwarzwert zu halten?
Zeichenabstand Vor- und Nachbreite jeweils 1/2 Punze
Zeilenabstand Unter- und Überlänge jeweils 1/2 Punze
Punze
#4 Graphit
Glyphen-entwicklung
01 01 Runde Buchstaben mit spitzen Ecken und 02 Aussparungen sorgen für die nahtlose Verzahnung zwischen den Glyphen.
03
03 Ungewohnter Überhang des Bogens als Grundlage für gefüllte Weißräume.
02
04 04 Die extreme Neigung der Serifen lässt das gesamte Zeichen kippen.
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05 Zu extremer Überhang in der Unterlänge. 06 Grobe Skizze zum grundlegenden Charakter der Schrift.
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07 Zu hohe Oberlänge 08 Zu starke Dynamik durch die abgerundeten Serifen. 09 Sehr steiler Bogeneinlauf.
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12 10 Einige Zeichen müssen das System der Verzahnung leicht brechen, um erkennbar zu bleiben.
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11 Zu eckig. 12 Fehlende Rundung, um einen Zusamenhang zu runden Buchstaben zu schaffen, dafür aber mit leichtem Überstand 13 der für eine Verzahnung mit der unteren Zeile sorgt.
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Glyphen-entwicklung
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14 Überflüssige Punze. 15 Ästhetisch spannende Variante mit zu vielen Punzen. 16 Die leichte Drehung der Horizontalen gleicht die Proportionen von oberer und unterer Hälfte an.
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15
18 19
17 Fehlender Einschnitt an der unteren Schleife. 18 Zu runde Biegung der Serife. 19 Überflüssige und 20 zu sehr abgerundetet Serife.
20 17
23 21
21 Die betonte Serife am oberen Bogen fehlt. 22 Sehr runder und kleiner Schweif.
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23 Die Verzahnung problematischer Serifen muss mit möglicher Ersetzung der Alternativ-Form behoben werden. 24 Zu geringe Ausdehnung des Zeichens im unteren Bereich.
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25 Die Form der Punze ist zu rund. 26 Formal neue Punzenform. 27 Die ästhetische Proportion steht im Konflikt mit der geringen Unterlänge.
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26 27
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Auswertung
Wie auch die Schriftzügen im Graffiti mit ihren sich meist überlappenden Buchstaben, die sich erst durch das anschließende Umranden wieder von einander differenzieren, definiert sich die Graphit durch ihren minimalen Weißraum. Ihr Grundsystem besteht zum einen aus immer gleichen, schmalen Punzen und ebenso dünnen Wortzwischenräumen. Die visuelle Trennung von Zeichen innerhalb eines Wortes wird somit erschwert. Zum anderen greifen die betonten, aber kurzen Serifen am oberen Zeichenbeginn und unteren Zeichenende ineinander und ver zahnen somit die Zeichen untereinander.
Wir glauben Schrift sei schwarz-weiß. T�tsächlich ist es das Weiß, der Raum zwischen dem Schwarz, der die Schrift ausmacht. Wie bei Musik, nicht die Note, sondern die Pausen machen die Melodie. Graphit / 18 pt Massimo Vignelli
Neben den Buchstaben mit geradlinigen Kanten stellen Zeichen mit Bögen und Rundungen eine Herausforderung an die Verzahnung der Zeichen und ihren minimalen Abständen untereinander. Um den Grauwert schwieriger Zeichenabstände von runden Buchstaben mit denen der geometrisch perfekt einrastenden Zeichen anzugleichen werden eckige Kanten teils geglättet, Rundungen verzerrt und Zwischenräume nicht immer parallel angelegt. Alternativ-Zeichen und Ligaturen beheben die restlichen schwierigen Zeichenkombinationen. Die Schrift erhält so einen organischen, handwerklichen Charakter. Durch ihren sehr flächigen und blockhaften Charakter kann die Graphit mit Fotografien belegt werden – bis auf die dezenten Punzen und Wortzwischenräume, welche Worte in das Foto schneiden, wird das Bild nicht maßgeblich beeinträchtigt. Neben dem Ausbau von weiteren AlternativZeichen und Ligaturen für eine Optimierung des dunklen Grauwerts der Graphit, könnte noch eine Lösung für weniger große Zwischenräume von Zeile zu Zeile entwickelt werden.
Besonderheiten
#4 graphit
Neben einigen Ligaturen besitzt die Graphit Alternativ-Zeichen, um die Verzahnung der Buchstaben und somit den größtmöglichsten Schwarzwert zu gewährleisten. Per OpenType-Feature wird der Austausch automatisch vorgenommen. feature liga { sub t‘ @vor_rund by t.alt ; sub @nach_rund a‘ by a.alt; sub e‘@vor_rund by e.alt; sub c‘@vor_rund by c.alt; sub d‘
@vor_rund by d.alt;
sub f i by f_i; sub f f by f_f; sub f l by f_l; sub f f f by f_ff; sub f f i by f_if; sub v‘ @alle_zeichen by v.alt; sub y‘ @alle_zeichen by y.alt; sub w‘ @alle_zeichen by w.alt; sub v a‘by a.alt2; sub y a‘by a.alt2; sub w a‘by a.alt2; sub v adieresis‘by adieresis.alt2; sub y adieresis‘by adieresis.alt2; sub w adieresis‘by adieresis.alt2; sub r a‘ by } liga;
a.alt2;
Graphit
ABCDEFGHI JKLMNOPQRS TUVWXYZ abcdefghijklmn opqrstuvwxyz 0123456789 äÄöÖüÜß.,:;ff�fi�fl Schriftgestaltung am Rande, aber im Rahmen der Lesbarkeit Bachelorarbeit von Jakob Runge ( jakob@26plus-zeichen.de) 2010 Hochschule Würzburg-Schweinfurt