TypExperiment #1 : UGL-Y

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#1 UGL-Y

Ausgangspunkt

UGL-Y Täglich läutet Quasimodo die Glocken von Notre-Dame. Die Pariser Bürger genießen den schönen Klang seines Glockengeläuts, ihn selbst, deformiert und buckelig, verabscheuen sie wegen seiner Hässlichkeit. Fernab der Fiktion, kann auch Schrift zugleich funktional und unästhetisch sein?

Mit einem Augenzwinkern orientiert sich der Name der UGL-Y an Adrian Frutigers ORC. Analog zu der für die optische Zeichenerkennung (optical character recocnition) optimierten ORC-A, ist auch die UGL-Y ultra gut lesbar – wenn auch etwas häßlich (eng. ugly).

Skizze zu einer Studie von Adrian Frutiger zur optimalen Lesbarkeit von Ziffern.

Ausgehend von einem rationalen Schriftbild mit großer x-Höhe, schmallaufenden Zeichen und einer Optimierung für kleine Punktgrößen soll eine Schrift entstehen, die ähnlich der Telefonbuchschriften durch extreme Einschnitte für die Unversehrtheit der Buchstaben trotz Schnelldruck und schlechtem Papier sorgt. Zusätzlich versehen mit einer mittleren Schriftstärke, die in direkter Konkurrenz zu großen, gut lesbaren Innenräumen steht und mit Halb-Serifen, die an sinnvollen Stellen die Lesbarkeit des Zeichens betonen. Trotz einer leichten humanistischen Anmutung soll ein technischer Charakter die maschinelle Texterkennung möglich machen. Unterstützt die optimale Differenzierung jedes einzelnen Zeichens die Lesbarkeit oder hindern die überzogenen Faktoren für eine gute Wahrnehmung das homogene Schriftbild?


#1 UGL-Y


#1 ugl-y

01 Für die Lesbarkeit optimiertes Zeichen mit weiter Punze, jedoch insgesamt noch zu humanistisch.

Glyphen-entwicklung

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02 Extreme Ausdünnung des Grundstrichs an Schnittpunkten und 04 Ink Traps stärken das Schriftbild in kleinen Punktgrößen.

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03 Weite, offene Punzen und teils betonte Serifen 05 ermöglichen eine einfache Lesbarkeit.

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06 »Außen weich und innen hart«. Die eckigen Punzen vergrößern die Binnenflächen. 07 Die abgeflachte Außenformen ermöglichen helle Schnittpunkte und unterstützen den technischen Charakter.

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06

08 Betonte Buchstabendetails für Betrachter mit eingeschränkter Sehvermögen.

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09 Der tiefe Einschnitt unterstützt die Differenzierung zu formähnlichen Buchstaben und verhindert das Zulaufen im Druck. 10 Um den Raum zwischen Vertikale und Diagonale zu vergrößern, sollte die Diagonale abknicken.

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11 Differenzierung zum Versal-O.

15 12 Serife und Querstrich liegen zu nah aneinander. Zudem ragt die Serife vertikal in die Leserichtung. Die verlängerte Serife 13 am Fuß gibt der Glyphe mehr Stand.

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14 Zu starke technische Anmutung durch die eckige Diagonale. 15 Serifen laufen zwar horizontal zur Leserichtung, aber dennoch in eine entgegengesetzte Richtung.

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Glyphen-entwicklung

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16 Ink Trap. 17 Starke Verringerung des Grundstrichs bei Binnenformen. 18 Der vergrößerte linke Binnenraum und 19 die Serife unterstützen die Unterscheidbarkeit.

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20 Die vergrößerte Punze und 21 die Ausweitung der Richtung des Bogens schaffen eine besser zu erkennende Ziffer.

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24 23

22 Überprüfung der Wirkung bei schlechtem Druckbild durch Unschärfe und Rasterung.

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23 Keine vertikalen Serifen, um den horizontalen Lesefluss nicht zu unterbrechen. 24 Größtmögliche Unterscheidbarkeit zwischen formähnlichen Zeichen.

25 25 / 26 Formal anderer Ink Trap stört die Homogenität der Schrift. 27

27 Bessere Unterscheidbarkeit. Form-Idee aus der FE-Schrift von Karlgeorg Hoefer.

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n 31

28 Zu viel Schwung im Bein. 29 Keine Einschnitte von außen, wenn Ink Trap durch Erweiterung der Punze möglich ist. 30 Große, betone Serife zur Differenzierung zum b. 31 Der Verzicht auf Serifen in den Binnenräumen, um diese möglichst weit und offen zu halten.


#1 ugl-y

Auswertung

Die größtmöglichste Differenzierung der einzelnen Buchstaben ermöglicht eine schnelle und eindeutige Identifizierung und beeinträchtigt währenddessen den gleichmäßigen Gesamteindruck des gesamten Schriftbildes in ganzen Wörtern und Sätzen nur wenig. Die Lesbarkeit ist demnach garantiert. Insgesamt kreieren die Elemente, die zur Unterstützung der Darstellung unter problematischen Bedingungen eingesetzt werden eine technische Anmutung. Die extremen Einschnitte, die eckigen Diagonalen und die teils großen, betonenden Serifen erfüllen einerseits ihre Funktion, werden anderseits aber auch markantes Stilmittel. Dieser Umstand gibt der UGL-Y trotz bzw. gerade wegen ihrer funktionalen Hässlichkeit einen gewissen Charme.

Gerade in kleinen Punktgrößen, tritt der eigenwillige Charakter der Schrift in den Hintergrund und ihre Funktion kommt vollständig zur Geltung. Zudem bietet die UGL-Y eine exemplarische Vorlage für die Gestaltung von lesbarer Schriften unter schwierigen Bedingungen. In ihrer weiteren Entwicklung könnte die UGL-Y ihren Zeichensatz ausbauen und zudem durch eine kursive Auszeichnungsschrift ergänzt werden. Diese müsste trotz ihres handschriftlichen Ursprungs die technischen und kantigen Elemente der UGL-Y in sich tragen. Zudem interessant wäre die Gestaltung eines sehr leichten Schnittes, dessen dünnen Linien auch im schlechten Druckbild standhalten.

Schrift muss so sein, dass man sie nicht beachtet. Wenn du dich an die Form des Löffels erinnerst, mit dem du die Suppe gegessen hast, dann hatte der Löffel eine schlechte Form. Löffel und Buchstabe sind Werkzeuge. UGL-Y Medium / 19 pt Adrian Frutiger

Die Formsprachen der UGL-Y sind bei jedem Zeichen angepasst, um eine optimale Unterscheidbarkeit – auch bei Rotation oder Spiegelung ähnlicher Formen – zu garantieren.


Besonderheiten

#1 ugl-y

Überprüfung der Erkennbarkeit der einzelnen Zeichen und der Lesbarkeit von Wörtern bei Störfaktoren. 01

01 Simulation einer kontrastarmen Darstellung durch Weichzeichnen. 02 Simulation eines unvorteilhaften Druckbilds durch Weichzeichnen mit anschließenden Scharfzeichnen. 03 Simulation eines ungünstigen Untergrundes durch ein Farbraster.

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UGL-y Medium

ABCDEFGHIJ KLMNOPQRST UVWXYZ abcdefghijklmn opqrstuvwxyz 0123456789 äÄöÖüÜß.,:;Schriftgestaltung am Rande, aber im Rahmen der Lesbarkeit Bachelorarbeit von Jakob Runge ( jakob@26plus-zeichen.de) 2010 Hochschule Würzburg-Schweinfurt


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