PERSPEKTIVEN
PERSPEKTIVEN Ja hresbericht 2020 Stif t ung Niedersachsen
INHALT
06 08
Editorial der Generalsekretärin der Stiftung Niedersachsen, Lavinia Francke.
Diskursräume Kulturorte können Orte des Diskurses, der politischen Auseinandersetzung und des Verhandelns der Welt sein. Florian Malzacher beschreibt in seinem Essay, wie das Thea ter zu einem Ort der radikalen Vorstellungskraft und der pragmatischen Utopien wird.
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Eine wichtige gesellschaftliche Debatte konnte die Theaterproduktion Überleben von werkgruppe2 mit dem Oldenburgischen Staatstheater anstoßen. Textfragmente aus dem Stück, Interviewauszüge aus dem Programmheft und Presseberichte geben Einblicke in diese eindringliche Produktion.
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Innovationsräume Entwickelt euch! Ein Gespräch mit Katrin Löwensprung (TPZ Hildesheim), Sebastian Cunitz (Cameo Kollektiv), Feliks Oldewage (Kulturzentrum Alte Polizei) und Kai Thomsen (freier Berater) über die Herausforderungen eines Changeprozesses. Moderiert von Daniela Koß.
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Resonanzraum Wir eröffnen der niedersächsischen Kulturszene einen Resonanzraum und haben ausgewählte Projektpartner*innen nach ihrer Überzeugung, ihrer Haltung, ihren Innovationen und der Neugier, die sie antreibt, gefragt.
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42
Bildserie Danach und Danach“ Die Fotografen Klaus Dierßen und Ditmar Schädel dokumentieren mit ihrer Langzeitbeobachtung die Prozesse der Erneuerung und der Umbrüche der Nachwendezeit in der ehemaligen DDR. Die Reihe entstand zwischen 1991 und 1995 und war 2020 bei der RAW Phototriennale in Worpswede ausgestellt.
66
Neue Kulturräume Was bedeutet es, „digital kompetent“ zu sein, und welches Handwerkszeug benötigen Kulturschaffende und ihr Publikum, um sich die neuen digitalen Räume gewinn bringend anzueignen? Ein Essay von Birte Werner.
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Dazu vier persönliche Einblicke von Katharina Bäuml (Studio4Culture), der Künstle rischen Leitung von PROSANOVA 2020, Stefani Theis (LOT Braunschweig) und Michael Dreyer (Morgenland Festival Osnabrück).
Ländliche Räume Der gesellschaftliche und strukturelle Wandel stellt ländliche Regionen und kleinere Gemeinden vor große Herausforderungen. Gleichzeitig zeigt sich, dass der Kulturbereich hier seine Stärken ausspielen kann. Ein Gespräch mit Valeska Richter (Kulturverein Platenlaase), Gesche Gloystein (Seefelder Mühle), Karu-Levin Grunwald-Delitz (KulturKreis Gronau) und Elke Flake (freie Beraterin) über das sozioK_change-Programm, moderiert von Daniela Koß.
88 94
Fragen an … das Projekt PEX – Theaterarbeit in ländlichen Räumen, die Stiftung Frei lichtmuseum am Kiekeberg und die Stiftung Welterbe im Harz.
Wirtschaftliche und rechtliche Daten Gremien der Stiftung Impressum Bildnachweise
5
D
as Jahr 2020 hat neue Räume für die Kultur erschlossen.
Den Wandel nutzen und gestalten
In vorher nicht vorstellbarem Ausmaß konnten wir
Theater, Musik, Bildende Kunst und Literatur digital auf dem Bildschirm wahrnehmen. Dabei war zu beobachten, wie digi tale Formate sich von der reinen Abbildung hin entwickelten zu einer eigenen Kunstform, wie bewusst neue Möglichkei ten genutzt und die Situation der Rezipient*innen reflektiert wurde. Gleichzeitig hat das Jahr 2020 uns eindrucksvoll vor Augen geführt, wie wichtig das gemeinsame physische Erleb nis von kulturellen Veranstaltungen an einem Ort ist. Selten waren live besuchte Konzerte und Theateraufführungen so eindrucksvoll, konnte man das Hören, Sehen und Denken, die ganze Wahrnehmung künstlerischen Ausdrucks so neu und unverbraucht erleben wie in den wenigen Monaten im Sommer 2020, in denen unter strengen Hygienebedingun gen der Besuch von Kulturveranstaltungen möglich war. Zudem hat uns das Jahr 2020 mit der Frage konfrontiert, wie relevant Kultur für unser Leben ist. Was fehlt unserer Gesell schaft, wenn die Verständigung über Fragen des Zusammen lebens in den Kulturinstitutionen und in der freien Szene nicht mehr stattfinden kann? Verarmt der gesellschaftliche Diskurs, versiegt die kulturelle und politische Fantasie, lei det unser Möglichkeitssinn? Dies sind Fragen, denen wir uns stellen sollten, wenn wir Kultur weiterhin als wichtige Res source unserer Gemeinschaft, als Investition in die Zukunft und als unverzichtbar verstehen wollen. Das Corona-Jahr 2020 hat uns dies überdeutlich vor Augen geführt. In unserem Jahresbericht 2020 widmen wir uns den Themen Wandel und Transformation und eröffnen neue Perspektiven für und auf die Kultur. In zwei ausführlichen Gesprächen befragen wir Teilnehmer*innen unseres Förder programms sozioK_change nach ihren Erfahrungen mit den von der Stiftung ermöglichten Veränderungsprozessen — in urbanen Ballungszentren ebenso wie im ländlichen Raum. Dabei zeigt sich, dass die soziokulturellen Einrichtungen exemplarisch vielen Herausforderungen begegnen, denen sich eine Vielzahl von Kultureinrichtungen in den nächsten Jahren stellen müssen — sei es der Generationenwechsel, eine kluge Digitalisierung oder die Ausrichtung an (neuen) Zielgruppen. Drei geförderte Einrichtungen aus dem länd lichen Raum stellen wir zudem in Kurzporträts konkret vor.
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L A I R O T I D E In zwei grundlegenden Essays beleuchten wir Themen rund
Gastronomie nach der Wende, jeweils mit einem Abstand
um die Zukunftsfähigkeit von Kultur: Florian Malzacher
von ein paar Jahren, und macht so den abstrakten Begriff des
widmet sich in seinem Text Radikale Vorstellungskraft und prag
Wandels im scheinbar Kleinen sicht- und greifbar.
matische Utopien der Frage, wie sich politisches Theater heute definieren lässt und wie Theater zum Ort von Versammlung
Als Landeskulturstiftung stehen wir an der Seite aller Kul
als Quelle politischen Handelns werden kann. Am Beispiel
turschaffenden in Niedersachsen, die nach wie vor durch
der viel diskutierten Theaterproduktion Überleben, die die
die Corona-Maßnahmen stark eingeschränkt sind. In diesen
Göttinger werkgruppe2 gemeinsam mit dem Oldenbur
schwierigen Zeiten sollten wir auf die sinnstiftende und
gischen Staatstheater erarbeitet hat, wird dieses Potenzial
aktivierende Kraft der Kultur setzen und den gesellschaftli
deutlich. Jan-Paul Koopmann von der taz schrieb zum Stück:
chen Wandel nutzen und gestalten.
„Ihre über Oldenburg hinaus skandalisierte Produktion Überleben hat eine beispiellose Gratwanderung zwischen
Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre!
dokumentarischem Theater, politischer Diskursentfaltung und praktischer Gedenkarbeit vollbracht.“
Ihre Lavinia Francke
Des Weiteren beschreibt Birte Werner in ihrem Essay Digital
Generalsekretärin
Literacy Schlüsselkompetenzen für Kulturschaffende und ihr Publikum in einer digital vernetzten Welt. Konkrete Bei spiele machen das Thema plastisch: Wie richtet man einen digitalen Konzertsaal ein, wie liest und veranstaltet man mit Gewinn Literatur im Netz, welche Erfahrungen machen Spielende und Zuschauende mit digitalen Theaterbühnen? All dies lassen wir uns von Kulturakteuren erklären. Außerdem bieten wir 15 von uns geförderten Institutionen und freien Gruppen die Möglichkeit, ihre Haltung zu Trans formation in der Rubrik Resonanzraum mit uns zu teilen. Alle haben wir gefragt, warum ihre Organisation wichtig ist, auf welche Innovation im eigenen Haus sie stolz sind und welche gesellschaftlichen Veränderungen sie zukünftig an gehen wollen. Entstanden ist ein interessantes Panorama der niedersächsischen Kulturlandschaft, die wie wenige andere von großen Flächen ländlichen Raums und sehr unterschied lichen Rahmenbedingungen für die Kultur geprägt ist. In unserer Fotostrecke werfen wir einen retrospektiven Blick auf das Jahr 1990 und damit auf eine Zeit epochalen Wandels unserer Gesellschaft. Wir präsentieren Ihnen in der Mitte unseres Heftes das Ausstellungsprojekt DANACH UND DANACH der beiden Fotografen Klaus Dierßen und Ditmar Schädel, das im Rahmen der von uns geförderten RAW Phototriennale im letzten Jahr in Worpswede zu sehen war. Es zeigt in teils melancholischen Bildern Stätten des Einzelhandels und der Editorial
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E L A K I D A R T F A R K S G N U L L E T VORS E H C S I T A M G A R P D UN . N E I P O T U
g n u l m m a s r e Theater als V
Essay
Von Florian Malzacher
erichtsverhandlungen um Kunst
G
Verfahrensweisen auszuprobieren, zu
freiheit, Religion und Zensur;
analysieren, zu performen, darzustel
Gipfeltreffen, auf denen um Klima
len, zu testen, zu strapazieren oder gar
ziele oder Kulturpolitik gerungen
neu zu erfinden.
wird; Parlamente, in denen jene reden, die sonst nicht zu Wort kommen ...
Die Versammlung (assembly), in der
das Theater ist in den letzten Jahren
Bedeutung wie beispielsweise Occupy
vielfach zum Schauplatz gesellschaft
Wall Street den Namen verwendet hat,
licher Versammlungen auf dem schma-
spielt vor allem bei aktivistischen
len Grat zwischen Kunst und Wirk
Bewegungen eine zentrale Rolle. Sie
lichkeit geworden, zu einer demokra
markiert einen Bereich der Gemein
tischen Arena, die nicht (nur) von
schaftsbildung, des Entscheidens und
Schauspieler*innen
wird
des Experimentierens damit, wie De
und doch einen Raum der Fantasie
mokratie funktionieren kann. Solche
bespielt
und Vorstellungskraft markiert, der
Versammlungen haben nicht nur eine
anderswo so nicht existiert. Indem
eigene theatralische Ästhetik (wie den
es seinen unique selling point als ein
markanten Einsatz von Handzeichen
Medium nutzt, das temporäre Gemein
oder, bei großen Zusammentreffen,
schaften erzeugen kann, die durch
des human microphone), sie leben von
Raum, Zeit und wechselnde Regeln
körperlicher Präsenz, wie die Philoso
definiert werden, spiegelt dieses The
phin Judith Butler in ihrer Rede bei
ater Gesellschaft nicht nur, sondern
Occupy Wall Street (2011) hervorhob:
ermöglicht es, soziale und politische 8
Es ist wichtig, dass wir als Körper […] zusammen in der Öffentlichkeit auftreten, dass wir uns in der Öffentlichkeit versammeln. […] Das ist das, was hier passiert, eine Politik des öffentlichen Körpers, der Bedürfnisse des Körpers, seiner Bewegungen und seiner Stimme. […] Wir sitzen und stehen, wir bewegen uns und wir sprechen, so wie es unseren Möglichkeiten entspricht, als Wille des Volkes, den die Wahldemokratie vergessen und im Stich gelassen hat. Aber wir sind hier. Und wir bleiben hier und füllen die Formel „We, the people“ mit Leben.1
So sehr diese Beschreibung auch auf
in denen so etwas wie eine radikale
viele künstlerische Versammlungen
Vorstellung von Demokratie greifbar
zutrifft, gibt es doch einen bedeutsa
wird. Es gibt aber auch verstörende Au
men Unterschied: Die aktivistische
genblicke oder gar Ärger. Schließlich
Versammlung wird meist als ein Ort
werden die teilnehmenden Organi
der authentischen Verhandlung ver
sationen offensichtlich nicht primär
standen, ein Ort, an dem etablierte
nach Kriterien politischer Korrektheit
Hierarchien abgeschafft sind, an dem
ausgewählt. Mit einigen mag dem
eine andere Art der Entscheidungsfin
Publikum die Identifikation leichter
dung nicht nur ausprobiert, sondern
fallen – beispielsweise mit der kurdi
wahrhaftig gelebt wird. Theater als
schen Frauenbewegung –, während
Versammlung mag mit solchen Vorstel
die Ziele anderer schlichtweg inak
lungen sympathisieren, seine Stärke
zeptabel scheinen mögen, beispiels
aber ist gerade, dem Authentischen zu
weise wenn es um Nationalismus,
misstrauen, oder genauer: gleichzeitig
Gewalt, Patriarchat oder Hierarchien
authentisch und nicht authentisch zu
in vielen Unabhängigkeitskämpfen
sein. Denn Theater ist eine paradoxe
geht. Der New World Summit heißt sehr
Maschine, in der Situationen und
unterschiedliche Organisationen will
Praktiken real und fiktional, tatsäch
kommen, es wird kein Rat erteilt, wie
lich und symbolisch zugleich sind. Die
man sie zu bewerten hat oder sich in
sozialen Räume, die Versammlungen,
Beziehung setzen kann. Die einzige
die es erfindet, ermöglichen, teilzuha
Klarheit liegt in der Kritik an westli
ben und sich gleichzeitig von außen zu
chen Demokratien, deren Existenz auf
beobachten.
undemokratischer, heimlicher und nicht selten – nach ihren eigenen Stan
Zu den herausforderndsten künstle
dards – illegaler Ausgrenzung dessen
rischen Versuchen, Partizipation und
beruht, was nicht ins Schema passt.
Diversität zu ermöglichen, gehören die Arbeiten des niederländischen
Das Konzept eines agonistischen Plura
Künstlers Jonas Staal. Der New World
lismus der politischen Theoretikerin
Summit entwirft seit 2012 alternative
Chantal Mouffe beschreibt Demokra
politische Räume in Form quasi-
tie als ein Kampffeld, auf dem wir die
parlamentarischer Versammlungen,
Gelegenheit haben müssen, unsere
in denen Repräsentant*innen von
Differenzen als Gegner auszuagieren,
Organisationen aufeinandertreffen,
ohne sie beizulegen: „Die Gegner be
die vom demokratischen Diskurs
kämpfen sich – sogar erbittert –, aber
durch die Kategorisierung als „terro
sie halten sich dabei an einen gemein
ristisch“ ausgeschlossen werden. Auf
samen Regelkanon. Ihre Standpunkte
diesen „Gipfeltreffen“ gibt es intensive
werden, obwohl letzten Endes unver
und berührende Momente, in denen
söhnlich, als legitime Perspektiven
Stimmen zu hören sind, die sonst zum
akzeptiert.“2 Nur wenn wir dazu bereit
Verstummen gebracht werden, und
sind, können wir einen Antagonismus Diskursräume
9
verhindern, der allem Ver
ater ist ein Ort des Verhan
sche Künstler*innen und
der Religion fochten. Drei
handeln und Verstehen ein
delns, ein – wenn auch oft
Kurator*innen noch einmal
Tage lang wurde das Sacha
Ende setzt und dessen letz
parteiischer – Raum ago-
vor Gericht gebracht wer
row-Zentrum in Moskau
te Konsequenz (realer oder
nistischen
Pluralismus,
den, diesmal aber im Raum
zum agonistischen Raum,
zumindest symbolischer)
mögen letzte Akte noch
der Kunst. Protagonisten
in
Bürgerkrieg ist. Denn De
so oft einen beruhigenden
der tatsächlichen Fälle und
schiedliche Meinungen auf
mokratie muss immer neu
Abschluss suggerieren.
andere eng damit verbun
eine Weise ausgetauscht
erstritten und ausgehan
dem
radikal
unter
dene Menschen wurden
wurden, die außerhalb des
delt werden, sie lebt von
Die Inszenierungen poli
in einem künstlichen und
theatralen Settings längst
Konflikt und Parteinahme.
tischer
gleichzeitig
nicht mehr möglich war.
Theater kann ein solcher
und Versammlungen des
schen Setting mit einer
Raum sein, in dem ein spie
Schweizer Theatermachers
Situation konfrontiert, in
Gerichtsprozesse
hochrealisti
Ein anderes Spielfeld findet
lerischer (aber ernsthafter)
das Prinzip der performati
Agonismus
ven Versammlung – spätes
Widersprüche
nicht nur am Leben hält, sondern vor allem erlaubt, sie frei zu artikulieren. Schließlich ist es kein Zu fall, dass Mouffes Konzept seinen Namen den antiken
Florian Malzacher
Autor
tens seit Joseph Beuys’ Freier internationaler Hochschu le für Kreativität und in terdisziplinäre Forschung (1973–1988) – im Bereich der Wissensvermittlung
und
Turnieren in Sport und Kul
ist freier Kurator, Dramaturg und Autor. 2012–2017
-generierung. Einige der
tur entlehnt hat. Agon, so
war er Künstlerischer Leiter des Impulse Theater
prominentesten, aber auch
heißt auch der Wettstreit
Festivals, davor sieben Jahre Leitender Dramaturg/
am sorgfältigsten durch-
der Argumente in der grie
Kurator des Festivals steirischer herbst. Zu seinen
dachten Beispiele stammen
chischen Tragödie. Tatsäch
Publikationen gehören u. a. Not Just a Mirror.
dabei von der Theaterma-
lich war Theater immer ein
Looking for the Political Theatre of Today (Hg., 2015)
cherin Hannah Hurtzig und
Medium zur Darstellung
und Empty Stages, Crowded Flats. Performativity as
der von ihr ins Leben ge-
von Konflikten und Gegen
Curatorial Strategy (Hg. mit Joanna Warsza, 2017).
rufenen Mobilen Akademie
sätzen: zwischen Gut und
2020 erschien sein Buch Gesellschaftsspiele. Politi
Berlin. Theorie und Pra
Böse, zwischen Ideen und
sches Theater heute.
xis, Inhalt und Form sind
Ideologien, Gesellschaften
nicht voneinander trenn-
und Nationen, Mächten und
bar, wenn bei Hurtzigs
Mächtigen, Idealen und Tra
Schwarzmarkt für nützliches Wissen und Nicht-Wissen (seit
ditionen, zwischen Gene- rationen, Familien und Ehe
Milo Rau können fast als
der Kurator*innen, Künst
2004)
paaren – oder gar innerhalb
Textbuchillustrationen für
ler*innen, Kritiker*innen
und hundert Expert*innen
der Psyche eines einzelnen
ein agonistisches Theater
auf der einen Seite für die
in einem großen Saal an
Menschen.
Auseinander
gelten: Die Moskauer Pro
Freiheit der Kunst kämpf
kleinen, von je einer Glüh-
setzungen werden stellver-
zesse (2013) beispielsweise
ten, auf der anderen Seite
birne erleuchteten, sorg-
tretend ausgetragen, mal
sind ein theatrales Setup,
Fernsehmoderator*innen,
fältig arrangierten Tischen
körperlich, mal psycholo
in dem drei traumatische
orthodoxe Aktivist*innen
sitzen, bereit zu Vieraugen-
gisch, mal disk ursiv. The-
Rechtsfälle gegen russi
und Priester für das Primat
gesprächen, die Besucher*
10
zwischen
fünfzig
innen für einen Euro bu
Der Wissenstransfer als
Feld stammt: die kolum
Die Arten und Weisen, in
chen können – sofern der
kommunikativer und per
bianische Wahrheitskom
denen sich Theater als ein
Platz noch frei ist.
formativer Akt wird in
mission, die sich um die
öffentlicher
dieser Nacht im Theater,
Aufarbeitung der jüngeren
wirft, der radikale Vorstel-
Das Schachern um die Kar
dem ursprünglichen Ort öf
Geschichte und die Aner
lungskraft ebenso wie prag-
ten für ein one to one mit
fentlichen Debattierens, zu
kennung und Rechte ihrer
matische Utopien ermög
den eigenen Wunschpart
einer kollektiv gewisperten
Opfer kümmert. Thema
licht, sind vielfältig und
nern gehört beim Schwarz
Wissenserzählung.
tisch wählte der Schwarz
widersprechen sich nicht
markt einen Zugang, der das
selten sowohl in ihren äs
3
markt, der auch schon in
Raum
ent-
Braunschweig (2018) und
Dass Wissen auch sehr di
gemeinsame Reden ermög
thetischen als auch in ihren
Oldenburg (2019) stattfand
rekt politisch sein kann,
lichen sollte: Es ging um
politischen Positionen. Was
und demnächst für Hanno
machte ein Schwarzmarkt
Ozeane und Flüsse, die in
sie verbindet, ist ihr Anlie
ver geplant ist, ebenso zum
deutlich, der im Herbst
Kolumbien sowohl wichtige
gen, das Feld des Theaters
Spiel wie die hohe Wahr
2019 in der kolumbiani
Verkehrsverbindungen und
zu erweitern, seine Mittel
scheinlichkeit, dass man
schen Hauptstadt Bogotá
ökologische Lebensräume,
und Möglichkeiten heraus-
letztlich bei einem anderen
stattfand. Nach Jahrzehn
als auch Orte der Umweltka
zufordern und Wege zu
Gegenüber landet als ge
ten des Bürgerkriegs, zu
tastrophen, Allianzen, blu-
finden, sich mit den sozia-
wollt – vielleicht bei einem
Zeiten eines wackligen Viel
tigen Kämpfe und wässri
len und politischen The
Wahrsager statt der erhoff
leichtfriedens, sollte ein
gen Friedhöfe sind. Im Zuge
men unserer Zeit so ausein-
ten Wirtschaftsprofessorin
Ort entstehen, der dem Er-
der Diskussionen um Black
anderzusetzen, dass politi
oder bei einem Friseur
innern gewidmet ist und
Lives Matter reagierte der
sches Denken und Handeln
statt der weltberühmten
dieses Erinnern gleichzei
Schwarzmarkt mit einer spie
auch jenseits der Kunst da-
Choreografin. Fakten, Er
tig hinterfragt. Wichtig da-
lerisch-solidarischen Geste:
von inspiriert werden kann.
fahrungen, Selbsthilfe oder
bei war, dass dieser Schwarz
Künftig heißt er nur noch
schlicht etwas Einblick in
markt einen Auftraggeber
„Markt für nützliches Wis
Wissensgebiete, die einem
und Partner hatte, der
sen und Nicht-Wissen“ …
völlig unbekannt waren.
nicht aus dem kulturellen
inweise: Literatur und H
ochen in New Die ersten W
umentation. York. Eine Dok
upy! et al. (Hg.). Occ 2007. S. 30. Blumenkranz la ar C : ch n: Suhrkamp, na ai M t/ ur Zit iert kf an f. ochschule lusion. Fr mp, 2011. S. 35 nierte Volk sh opolit ische Il zi ka sm hr llu ko Su ha : e ie in di D rl er n. Be isse lit ische. Wid n und Nicht-W e. Ü ber das Po zm.html tzliches Wisse 2 C ha nt al Mou ff nü r fü kt /2005/schwar ar ch ts zm eu ar /d w ch om .c „S : my-berlin ie Berlin 3 Mobile A kadem .mobileacade r: http://w w w te un “, ie m kade ). der Mobilen A ptember 2019 ufen am 30. Se er fg au zt et (zul
1
Diskursräume
11
ÜBERLEBEN EIN DOKUMENTARISCHES THEATERPROJEKT VON WERKGRUPPE2 MIT DEM ENSEMBLE DES OLDENBURGISCHEN STAATSTHEATERS Eine Textcollage
werkgruppe2 um Silke Merzhäuser,
Auf der Grundlage von Interviewtex-
Julia Roesler und Insa Rudolph verfolgt
ten und O-Tönen, die wortwörtlich von
in ihren Inszenierungen die Methodik
Schauspieler*innen wiedergegeben
des verbatim theatre und entwickelt
werden, sowie musikalischen Neukom
Textfassungen ausschließlich auf der
positionen für ein Bläser-Trio ermög-
Basis von wortwörtlich übernomme
licht werkgruppe2 eine Auseinander
nen Interviewtexten. 2020 realisierte
setzung, die im weitesten Sinne vom
werkgruppe2 am und mit dem Olden
Überleben handelt: Angehörige leben
burgischen Staatstheater die Produk
ohne
tion Überleben. Das dokumentarische
weiter, Menschen haben dank ge
Theaterstück bietet Raum zur Dis
glückter Reanimationen Tötungsver
kussion der offenen Fragen und der
suche überlebt, Zeugen ringen um ihre
ihre
getöteten
Verwandten
Suche nach den Leerstellen in den
Glaubwürdigkeit, Krankenschwestern
Erzählungen rund um die Klinikmor
und Ärzt*innen erfüllen ihre Dienste
de in Oldenburg und Delmenhorst,
in den Krankenhäusern Oldenburg
die die Region und das Land so massiv
und Delmenhorst gewissenhaft und
erschüttert hatten. Die unvorstellbar
brauchen dazu das Vertrauen der
hohe Zahl an Getöteten und die der
Patient*innen.
versuchten Tötungen, ebenso der Zeitraum, in dem der Täter scheinbar
Das Stück hatte am 29. Februar 2020
unbemerkt handelte, zerstörten auch
Premiere. Eine Wiederaufnahme in
das Vertrauen in das medizinische
der kommenden Spielzeit ist geplant.
Versorgungssystem unmittelbar. Wie geht eine Stadt mit diesem Er eignis um, das jetzt Teil der eigenen Geschichte ist? 12
Ich möcht auf jeden Fall wissen, was is genau mit meinem Vater passiert … wie und warum. So bis jetzt ’ne richtig eindeutige Antwort hab ich bis jetzt noch nicht. Kann es sein … ist ja lange her …, dass man sich nicht erinnert? ... Ich glaube eigentlich, dass man sich an- ... so sehr besondere Dinge durchaus erinnern kann- ... nicht- ... ich weiß vieles nicht, was vor 15/16 Jahren war, aber- aber- so besondere Dinge- ...
Ja sowas, irgendwie mal n-n schönen Gedenkort … keine Ahnung, das-das wäre schon mal … ja, das wär ne- ich-ich würds gut finden also- sehr gut sogar … wenn man dann auch mal hinfahren kann … Ich mein jetzt kann man ja nur auf dem eigenen Grab ’ne Kerze dahin bringen … also was Allgemeines, das wär schon …
Ich würde mir eigentlich wünschen, dass ähm … dass-dass äh … ohne Angst vor Rufschädigung jetzt endlich … ja einfach reiner Tisch gemacht wird und alles offengelegt wird, was damals war …
Wenn schon damals nich richtig gehandelt und nich die richtigen Konsequenzen draus gezogen worden sind, dann würd ich mir wünschen, dass sie wenigs tens jetzt gezogen werden und dass jetzt … mit aller Kraft daran gearbeitet wird, das … aufzuarbeiten. Das würd ich mir wünschen von dem Haus ...
Diskursräume
13
IM TIEFSTEN ERSCHÜTTERT taz, 3.3.2020
Von Jan-Paul Koopmann
A
n „Überleben“, einem Theater
Was auf der Bühne geschieht, ist leicht
stück über die massenhaften
zu beschreiben, in seiner Wirkung
Patient*innenmorde an den Kliniken
aber nur schwer zu erfassen. Julia
in Delmenhorst und Oldenburg, gab es
Roesler
im Vorweg viel Kritik. Nun feiert das
Gespräche mit größtenteils anony
Stück Premiere: kluges, unaufdring
misierten Zeug*innen: Angehörige,
liches politisches Theater. Aber im
Mitarbeiter*innen der Krankenhäu
Publikum wird weiter gestritten.
ser, eine der Überlebenden. Die war
inszeniert
wortwörtliche
nach einem Unfall von „ihm“, wie der Theater ist ein Ort gesellschaftlicher
Täter hier meist nur genannt wird, in
Auseinandersetzung. Das mag über
Lebensgefahr versetzt und mit Erfolg
die „Ahs“ und „Ohs“ opulenter Insze
wiederbelebt worden.
nierungen irgendwelcher Klassiker
[…]
mitunter in Vergessenheit geraten.
Schon um diese Stimmen der Übergan
Dermaßen handgreiflich wie am ver
genen mit allen „Ähs“ und „Hmms“
gangenen Wochenende in Oldenburg
zu hören, lohnt sich der Gang ins
geraten solche Interventionen aller
Theater – auch für die Wütenden und
dings nur höchst selten. Gestritten
jene, die selbst keine Ahnung haben,
hatte man in der Stadt schon lange
wie damit jetzt umzugehen sei. „Viel-
vor dieser Premiere, eigentlich schon
leicht“, heißt es einmal im Stück, „ist
seit die Göttinger werkgruppe2 auch
es ja sogar die Aufgabe des Theaters,
nur angekündigt hatte, mit „Überle
solche Prozesse zuzuspitzen.“ Es
ben“ ein Stück über die massenhaften
bleibt nur die Frage nach dem Wie,
Patient*innenmorde an den Kliniken
und die verhandelt die werkgruppe2
in Delmenhorst und Oldenburg auf die
mit entwaffnender Offenheit.
Bühne des Staatstheaters zu bringen. Pietätlosigkeit hatte man ihnen vorge
Gleich
zu
Beginn
suchen
die
worfen, Ausverkauf und unangemes
Schauspieler*innen vor der Bühne
sene Eile […].
das Gespräch mit dem Publikum: Wann haben Sie zum ersten Mal von
Entsprechend hoch ist die Anspan
einem Fall gehört? Aus der Presse?
nung am Premierenabend vor und
Waren Sie beim Prozess? Was heißt
auf der Bühne. Immer wieder wird ge
eigentlich erinnern und wie geht das?
schluchzt, an Stellen mitunter, die gar
Auch später im Stück wird direkt mit
nicht sonderlich drastisch scheinen,
den Zuschauer*innen diskutiert, nach
sondern eher auf persönliche Erfah
Ideen für eine Gedenkstätte gefragt
rungen schließen lassen. Noch beim
und nach Einwänden.
zweiten Gong diskutieren manche, ob sie nicht doch wieder gehen sollten –
Die Antworten kommen: Den Täter zu
vereinzelt tun sie’s.
entmenschlichen, verstelle gerade den Blick auf die gesamtgesellschaftliche Verantwortung, sagt etwa ein Zuschau
14
er. Ksch. Thomas Lichtenstein und
zur Selbstreflexion und weiter zu
Dass der fast zweistündige Balance
Caroline Nagel fragen von der Bühne
Ansätzen einer Strategie des weiteren
akt bei enormer Fallhöhe nicht ein
nach, diskutieren und widersprechen
Umgangs. Bis hin zum nächsten Ein
einziges Mal auch nur ins Straucheln
auch. Als Menschen, wohlbemerkt,
zelfall, der genau dort wieder neue
kommt, ist eine Sensation. Auch wenn
nicht in ihren Rollen, sondern als
Schwierigkeiten aufzeigt.
einem das Wort hier schwer über die
langjährige Ensemblemitglieder und
Finger geht. Man ist hier nicht gerne
damit eben auch Teil der oldenburgi
Mit außerordentlichem Fingerspitzen
begeistert, und ja, es tut auch weh, wie
schen Stadtgesellschaft.
gefühl lassen die Schauspieler*innen
treffsicher das Theater die Bälle zu-
[…]
ihre Rollen zittern, verzweifeln und
rück in die Öffentlichkeit spielt, die
Und Theater ist es – das darf man bei
lachen. […] Klug ist das, wie alles hier,
sich zuvor echauffiert hatte. Denn es
aller Authentizität von Text und Wie
aber unaufdringlich – ohne dramatur
geht ja wirklich – wie einer im Text
dergabe nicht vergessen. Die Texte sind
gische Schaumschlägerei. Ein Stück
sagt – um das, „was die Gesellschaft
arrangiert, folgen einer bestechend
wie „Überleben“ ist eine Ensembleleis
im Tiefsten erschüttern muss“.
klaren Linie vom öffentlichen Diskurs
tung oder es scheitert zwangsläufig.
über verschiedene Einzelpositionen
Man könnte sagen: „Na ja, soll die nächste Generation
Jahre Menschen auf diese Weise um ihr Leben gebracht
das doch aufarbeiten.“ Die kann dann wiederum sagen:
wurden. Für die Angehörigen ist das eminent wichtig.
„Warum habt ihr nicht anders reagiert?“ Das ist immer
Das wissen wir von anderen Opfern solcher Verbrechen.
die viel einfachere Rolle. Aber bei allem, was wir aus an
Weil die den Eindruck haben müssen, es wurde uns nicht
deren Kriminalfällen und bis hin zum Genozid wissen,
nur ein Leben vorzeitig genommen durch einen Mörder,
muss man sagen, dass es genau so funktioniert: Die Ge
sondern es wird auch so getan, als sei das nichts. Weil er
neration, die Augen- und Ohrenzeugen waren, die muss
eben nicht erschossen oder überfahren wurde, sondern
es verdrängen, will es verdrängen. Und dann folgt diese
in einem Krankenhaus gestorben ist. Wo gemeinhin das
heftige Auseinandersetzung. Die Frage ist für mich, ob
Risiko zu sterben mit zur Logik gehört. Gleichzeitig ist
man diese krasse Auseinandersetzung, die dann daraus
aber die Lehre des Heilens ja immer wichtiger als die
folgt, nicht mäßigen kann, indem man sich mit seiner
Logik des Sterbens. An dieser Stelle scheint es aber in
eigenen Unterlassung einfach auseinandersetzt. Man
der Wahrnehmung eine Art Beschwichtigung zu geben.
könnte ja in diesem Falle einigermaßen gelassen sagen:
Also, wer im Krankenhaus stirbt, ist, ich sage einmal
„Na ja, wir konnten ja nichts tun. Erst als es geschehen
zugespitzt, immer auch ein bisschen selber schuld. Denn
war.“ Und damit geht es gar nicht um die Frage, ob eine
sein Körper war ja wehrlos. Oder so. Das muss man sich
Stadt öffentlich beschuldigt wird, sondern wie sie mit
unbedingt klar machen. Dass das ein Tabu ist, über das
diesem Ereignis umgeht, das jetzt Teil der eigenen Ge
man sprechen muss. Weil die Angehörigen derjenigen,
schichte ist. Das könnte ja auch entlasten. Denn es geht ja
die auf diese Weise jemanden eben nicht durch einen na
nicht um Schuldvorwürfe, sondern es geht um die Frage,
türlichen Tod verloren haben, sondern durch Mord, sonst
wie reagieren wir darauf, dass mitten unter uns über
ganz alleingelassen sind.
Diskursräume
15
ÜBER KONTROLLVERLUSTE, GEMEINSAME VERANTWORTUNG UND DAS TEILEN VON LEID Silke Merzhäuser: Vor zwei Jahren
Gespräch mit dem Künstlerischen Team und der Schauspielerin Nientje C. Schwabe (Auszug aus dem Programmheft)
Denn das ist nach wie vor der Status
haben wir begonnen uns mit den Kli
quo: Die Angehörigen und Überleben
nikmorden in Oldenburg und Delmen
den sitzen allein zuhause und kriegen
horst zu beschäftigen. Wenn wir nun,
vermittelt, die Schwierigkeiten bei der
kurz vor der Premiere, rekapitulieren,
Verarbeitung seien individuelle Pro
was sind die Themen und Fragen, die
bleme, für die sie allein verantwortlich
uns immer noch interessieren?
sind. Unsere Theaterinszenierung hält dafür keine Antworten parat, aber wir
Insa Rudolph: Mich interessiert an
laden dazu ein, gemeinsam darüber
dem Thema, wie Menschen mit etwas
nachzudenken.
so unfassbar Grausamem, Unmensch lichem umgehen können. Wie so etwas
Silke Merzhäuser: Doch die Gemein
überhaupt verarbeitet werden kann.
schaft der Betroffenen und Opfer zu
Wie eine Gesellschaft so etwas thema
benennen ist kompliziert. Es gibt die
tisiert. Wo die Auseinandersetzung
sen gemeinschaftsbildenden Moment,
in der Gesellschaft verortet, in einer
wie etwa bei einem Flugzeugabsturz,
Stadt verortet wird. Wie viel Raum
erstmal nicht. Man kann sagen, alle
es dafür gibt. Und wie Aufarbeitung
Opfer waren irgendwann in diesen
stattfindet.
Krankenhäusern. Doch bei manchen wurde Mord nachgewiesen und ein
16
Julia Roesler: Und die Frage, wie
Urteil
man Opfer ins Recht setzen kann. Im
vermutet, aber die Indizien reichten
Gerichtsprozess konnten wir erleben,
nicht aus, bei manchen konnten keine
gesprochen,
bei
manchen
dass für die Hinterbliebenen wenig
Indizien mehr gesammelt werden.
Raum zur Aufarbeitung vorhanden
Und manche haben die Manipulation
war und dass die Überlebenden nicht
und Reanimation des Täters überlebt,
einmal Teil dieses Prozesses waren.
manche davon bis heute unwissend.
Was kann es dann für gesellschaftliche
Sie sind keine Gruppe, die irgendwo
Räume geben, welche Institutionen
zusammenkommen kann, sondern
könnten Verantwortung übernehmen,
es sind viele Menschen. Diese leben
damit solche Menschen nicht so isoliert
in Oldenburg und Delmenhorst und
bleiben mit dem, was sie erlebt haben.
Umgebung oder haben dort gelebt.
Aber das gibt es ja offenbar nicht. Das
Meldesystem? Wie kann es sein, dass
Was die Gesellschaft so im
finde ich tatsächlich strukturell ein
große Mengen von Medikamenten
Tiefsten erschüttern muss, das
Defizit in unserer Gesellschaft. Also
verbraucht und bestellt werden, ohne
bleibt so unbearbeitet. Weil
ich würde mir wünschen als Betroffe
dass dokumentiert wird, wo diese
es individualisiert wird, das
ner, dass ich nicht händeringend und
eingesetzt wurden? Reicht da ein ver
Leiden.
vergeblich nach einer solchen solida
pflichtender Stationsapotheker? Wie
rischen Hilfe suchen müsste. Sondern
kann es sein, dass die Justiz erst eine
dass da irgendeine Stelle proaktiv auf
Dekade verstreichen lässt, bevor sie
mich zukommt und mir ein Angebot
ihre Arbeit umfassend macht? Wenn
macht. Was ich dann eben annehmen
die Systeme versagen, bleibt doch nur
kann oder nicht. Aber das Angebot
ein Aufruf an die Gesellschaft: Tut euch
auch die Frage nach Solidarität. Also
sollte es geben. Im Sinne gesamtgesell
zusammen! Schaut nicht weg! Greift
was gibt es über das zufällige, persönli
schaftlicher Solidarität.
an! Greift ein! Wenn der*die Einzelne
Marc-Oliver Krampe: Das ist dann
plötzlich verwundet, erkrankt und ge
che Engagement von Einzelnen hinaus an gesellschaftlichen Mechanismen,
Charlotte Pistorius: Jenseits der In
schwächt im Krankenhaus aufwacht,
die da greifen könnten? Das gibt es
stitutionskritik frage ich mich, was
ist es zu spät dazu.
nämlich offensichtlich nicht. Man
dieser Fall über unsere Gesellschaft
könnte jetzt denken: Wenn jemand
offenbart. Angefangen bei mir, wie
Julia Roesler: Die erste Inszenierung,
für einen solchen Fall zuständig wäre,
weit kann ich anders bereitstehen,
die wir hier in Oldenburg gemacht
dann wäre das die Kirche. Aber die
hinsehen und offenen Ohres sein? Wie
haben, war Blankenburg. Und im
zeigt ja wenig Interesse, sich da allzu
kann unsere Gesellschaft durchlässi
Moment entsteht für mich die Frage:
tief mit dem zu beschäftigen. Also die
ger sein?
Was tut eine Stadtgesellschaft, die
Frage nach Solidarität. Dabei ist eines
eine „Tradition“ darin hat, Menschen
interessant: Dass wir als Theater uns
Silke Merzhäuser: Aber kann ich nicht
gruppen, mit denen das Zusammen
damit befassen, das fanden irgendwie
dann erst solidarisch sein, wenn ich
leben innerhalb der Stadt schwierig
alle tendenziell ganz blöd am Anfang.
mir sicher bin, nicht betroffen zu sein?
ist, aus der Stadt nach Blankenburg
Aber was gibt es dann? Wer beschäf-
Ist nicht von dem Vertrauensverlust in
zu verdrängen, mit dieser Gruppe von
tigt sich denn damit? Wer sorgt denn
die Kliniken und von der grundsätzli
Opfern und Überlebenden der Klinik
in solchen Fällen dafür, dass eben Ge-
chen Verunsicherung, dass eine solche
morde? Auch mit diesen Menschen
sellschaft zusammenbleibt? Und von
Mordserie überhaupt hier in dieser
wird sich, meines Erachtens, zu wenig
wem könnte oder sollte ein solches
Stadt möglich war, jede und jeder
beschäftigt. Doch weiß ich, die Verun
Angebot kommen? Das ist das Eine.
Mensch betroffen?
sicherung lässt sich nicht wegschie
Und das Andere ist, dass die solidari
ben, nur verdrängen. Es gibt keine
sche Auseinandersetzung damit ganz
Nientje C. Schwabe: So wie sich das
gute Umgangskultur mit dem, was
klar auch viele erst einmal nervt. Aber
Klinikpersonal im Prozess verhalten
einen verunsichert oder wo Menschen
trotzdem glaube ich, muss das proak
hat, bleiben einfach berechtigte Zwei
versehrt sind, wo sie bedürftig sind.
tiv als Angebot einfach da sein. Als
fel, ob die Kliniken überhaupt ein Ei
Und selbst wenn am Anfang nicht klar
Angebot, das man dann auch ablehnen
geninteresse haben, über eine interne
war, dass so viele Menschen involviert
kann. Wenn man seine Ruhe haben
Kommunikationsreform nachzuden
sind – inzwischen ist es lange klar.
will oder nicht darüber reden will.
ken und diese dann umzusetzen. Wer
Dass es sehr viele Opfer gibt, dass es
aber fordert von außen diese Reform
eine große Dunkelziffer gibt von Men
ein? Die Politik mit einem halbgaren
schen, die es überlebt haben. Und wir Diskursräume
17
wissen aus den persönlichen Erzählun
kann ich da natürlich sagen, dass
gen wie tief der Schaden ist, den die
es eine Urfunktion des Theaters ist,
Umso größer der zeitliche
Menschen dabei nehmen. Das heißt,
Menschen zusammenzubringen, um
Abstand ist, umso leichter ist
eigentlich wissen wir seit langem, dass
Dinge miteinander zu verhandeln
es dann auch für die Familien
da etwas schwelt.
und zu erleben. Das ist die besondere
und so, ne. Wenn das jetzt
Kraft dieser Kunstform und je ernst-
die vierte Generation danach
Silke Merzhäuser: Also eigentlich eine
hafter wir als Künstler*innen mit
ist, die wissen das vielleicht
Krise in der Stadt, die aber gar nicht als
diesem Wissen umgehen, desto mehr
irgendwie, da gab’s was in der
solche wahrgenommen werden will.
kann in der Zusammenkunft der an-
Familiengeschichte. Aber wenn
wesenden Menschen entstehen.
das jetzt irgendwie der Vater
Julia Roesler: Ja. Die hier so punktuell
ist, dann ist das natürlich was
nur rausbricht. Plötzlich – wenn man
Charlotte Pistorius: Bedeutet ja aber
im Krankenwagen liegt.
zwangsläufig einen Kontrollverlust.
Marc-Oliver Krampe: Interessant fin-
Julia Roesler: Ja klar. Und deswegen ist
de ich auch, dass uns als Theater offen-
es wichtig für uns klarzustellen, das
sichtlich von einigen gar nicht diese
ist keine Inszenierung für die Angehö
öffentliche Funktion der Solidarität
rigen. Sondern das ist eine Inszenie
Das ist ja auch, also ich glaube
oder des Dialogangebotes zugeschrie-
rung für eine Stadtgesellschaft. Da wir
als Betroffener ist es ja auch
ben wird. Sondern dass davon ausge
das Gefühl haben, dass da ein Diskurs
schwer, sich damit auseinan
gangen wird, da wird populäre Unter
und eine Aufarbeitung für alle nötig
derzusetzen, in so ’ner, wenn
haltung geboten und das hat etwas
ist. Die Perspektiven der Angehörigen
so ’ne Distanz von dir verlangt
Unernsthaftes und verbietet sich des
und der Opfer sind dabei elementar,
wird. Aber das muss ja auch gar
halb in dem Zusammenhang. Also dass
um die Dimension und die Tragweite
nicht sein, also die Perspektive
selbst die Institutionen, die vielleicht
der Ereignisse zu begreifen. Meine
des Betroffenen, der einfach
möglicherweise ein Fenster aufstoßen
Hoffnung wäre, dass es uns gelingt,
nur wütend ist oder einfach
könnten, nicht angenommen werden
eine etwas offenere und tiefere Ausei
nur traurig ist, die ist ja auch
dafür.
nandersetzung anzuregen als den Re
okay. Aber vielleicht hilft es
flex: „Ich habe das Thema Klinikmorde
dem ja auch mehr, wenn es
ganz anderes, ne?
Julia Roesler: Man könnte sagen: Diese
so satt.“ Denn ich würde so weit gehen
mal abgefragt wird, als wenn
gesellschaftliche Funktion hatte frü
zu sagen, es gibt da ein kollektives
er das immer für sich still be
her die Kirche. Sie hat eine Gesellschaft
Trauma. Und das wirkt in diesen bei
halten muss. Also das ist doch
gerade in solchen Bereichen getragen.
den Städten. Und je weniger man es
für, möglicherweise für Opfer
Und es war klar, dass für Trauern, für
anschaut, desto länger bleibt es. Und
ja auch, oder Angehörige von
Gedenken, für Erinnern Kirchen ganz
desto unkontrollierter, unkontrollier
Opfern oder so, kann’s ja auch
wesentliche und wichtige Institutio
barer bricht es wieder hervor.
ganz gut sein, dass ich offen
nen sind. Und wenn die Kirchen nun
rede, weil was bringt’s dir
zunehmend weniger diese Institutio
denn, wenn das erst 30 Jahre
nen sind oder sein können, die diese
später aufgearbeitet wird, ne?
Räume öffnen, müssen dann andere Institutionen diese Funktion über nehmen? Und als Theatermacherin 18
Hannoversche Allgemeine Zeitung Bert Strebe, 1.3.2020 „Die werkgruppe2 gibt all dem Raum, was in Paragrafen nicht unterzubrin gen ist. Trauer. Wut. Angst. Niedergedrückt sein. Schuldgefühlen. Verzweif lung. […] Es wird klar: Die Stadt, das Land, die Politik, das Krankenhaus – alle haben zu wenig auf die geachtet, die zurückbleiben mussten. Doch das Und zu sagen, erst wenn, ja,
Theater hat ihnen zugehört.“
die Elterngeneration verstor ben ist – dann – und so lange lässt man die Finger davon? Bedeutet ja was, ne? Bedeutet ja auch genau für diese Frage, was, wessen, welche Geschichte wird eigentlich erzählt?
NordwestZeitung Oliver Schulz, 1.3.2020 „Es war die erwartete Zumutung, die die werkgruppe2 und die daran be teiligten Schauspieler und Musiker auf die Bühne brachten. Weil alles dort Gesprochene und Unausgesprochene so wirklich ist. […] Denn was gibt und gab es bislang an gesellschaftlichen Reflexen über die kollektive Betroffen heit und das persönliche Engagement Einzelner hinaus? Insofern hat sich das Oldenburgische Staatstheater selbst den Klotz ans Bein gebunden und
Im Grunde muss immer eine Generation vergehen, damit diejenigen, die sich damit be fassen, nicht die ganze Zeit das Gefühl haben, sie müssen sich mit ihren eigenen Unterlassun
verdient dafür großes Lob. ,Überleben‘ ist ein wichtiger Beitrag, der zur Premiere großen Anklang des Publikums fand. Die Inszenierung bringt Menschen zusammen, um das Thema, um die Getöteten, die Davongekommenen, die Angehörigen, aber auch die Schweiger, Verdränger und Mittäter nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Lange war Theater nicht mehr so lebensbejahend wie diesmal.“
gen beschäftigen. Und was wir jetzt dem Publikum zumuten, ist ja, dass wir dem Publikum die ganze Zeit signalisieren: Hier haben wir einen Fall von fahrlässigem Unterlassen einer ganzen Gesellschaft. Also, alle, die,
ähm,
hierherkommen,
haben schon gelebt. Das heißt, jeder und jede muss sich fra gen, wieso hat mich das vorher nicht berührt. Das ist immer automatisch eine Publikums beschimpfung. Da können wir
Süddeutsche Zeitung Alexander Menden, 1.3.2020 „Im Staatsschauspiel kann man nun einem gewagten Unterfangen beiwoh nen: Mit Mitteln des Theaters wird hier versucht, einen Teil zur Aufarbei tung dieser Verbrechen beizutragen. […] Man gewinnt den Eindruck, dass hier Menschen zum ersten Mal Gelegen heit bekommen haben, über Traumata zu sprechen, welche durch die späten Ermittlungen neu aufgerissen wurden oder durch sie überhaupt erst ent standen – und mit denen sie dann oft allein gelassen wurden.“
machen, was wir wollen.
Diskursräume
19
E G N A H C E S S E Z O R P RBANEN
IN U O I Z SO N E L L E R KULTU TUNGEN H C I R N I E
20
Ein Gespräch mit Sebastian Cunitz, Katrin Löwensprung, Feliks Oldewage und Kai Thomsen Moderiert von Daniela Koß Das Gespräch wurde am 17. Dezember 2020 via Zoom geführt.
Daniela Koß: Hallo und herzlich willkommen zu unserem digitalen Tischgespräch über Changeprozesse im urbanen Raum. Ich begrüße ganz herzlich – vor dem Hintergrund, dass wir in Deutschland seit dem 16. Dezember einen zwei ten Shutdown erleben – Katrin Löwensprung vom TPZ Hildes heim, Feliks Oldewage von der Alten Polizei in Stadthagen, Sebastian Cunitz vom Cameo Kollektiv in Hannover und Kai Thomsen, Geschäftsführer der CD-Kaserne Celle und freier Berater. Bitte stellen Sie sich und Ihre Institution einmal vor und gehen Sie auf die Herausforderungen ein, mit denen Sie in den Changeprozess gestartet sind. Herr Oldewage. Feliks Oldewage: Vielen Dank. Wir sind tatsächlich das klassische soziokulturelle Zentrum. Das Kulturzentrum Alte Polizei in Stadthagen gibt es seit 30 Jahren an dem Ort, seit 40 Jahren als Verein. Wir sind auf dem Land in der Kleinstadt Stadthagen in der Nähe von Hannover im Landkreis Schaum burg beheimatet. Das Gebäude, in dem wir ansässig sind, ist früher eine Polizeistation gewesen, und daher kommt auch unser besonderer Name. Unter normalen Umständen besu chen bis zu 50.000 Besucher*innen jährlich unser Haus und unsere Veranstaltungen. Die Stadt ist Eigentümerin unseres Gebäudes und wir haben einen Nutzungsvertrag mit ihr Innovationsräume
21
geschlossen. Dort richten wir unser klassisches Kulturprogramm aus und bieten Räumlichkeiten für die unter schiedlichsten Nutzergruppen, die bei uns im Haus von Yoga bis zu Bastelar beiten und auch mit politischer Arbeit aktiv sind, an. Darüber hinaus rea lisieren wir die unterschiedlichsten Projekte. Unsere Herausforderungen und Probleme am Anfang des Change prozesses betrafen vor allen Dingen das Thema Digitalisierung. Als wei
sUnsere Herau forderungen e und Problem am Anfang des Changeprozesses betrafen vor allen Dingen das Thema Digitalisierung.
ausrichtung. Und wir haben uns sehr intensiv mit Teamprozessen und der Entwicklung von Arbeitsstrukturen beschäftigt. Daniela Koß: Das Cameo Kollektiv ist ein ganz anderer Zusammenschluss von Kreativen in kollektiver Form. Sebastian Cunitz, bitte erzählen Sie uns, was das Cameo Kollektiv ist und wie Sie aufgestellt sind.
teren großen Themenbereich hatten
Sebastian Cunitz: Die Frage, wer wir
wir die strategische Planung unserer
sind, ist eigentlich im Moment noch
Zielgruppenansprache, Stichwort Di
aktueller als zuvor. Durch den Change
versity Management, festgelegt.
prozess sind wir was ganz Neues ge worden. Er hat uns tatsächlich in eine
Daniela Koß: Frau Löwensprung, stel
Organisation verwandelt. Zu Beginn
len Sie bitte einmal das Theaterpäda
waren wir das klassische lose Kollektiv,
gogische Zentrum in Hildesheim vor.
das sich vor allem aus Student*innen zusammengefunden hat, die der Frage
Katrin Löwensprung: Unser Verein
nachgehen wollten, wie man Migrati
ist ein Zusammenschluss von rund
on und Transkultur anders bebildern
50 Kultur- und Theaterpädagog*innen,
kann, neue Lebenswelten dazu er
die in der Regel freiberuflich tätig
schaffen kann. Und so sind am Anfang
sind. In unserer Geschäftsstelle, wo
beispielsweise
inzwischen vier hauptamtliche und
standen. Wir mussten dann aber fest
Ausstellungen
ent
ein paar sonstige Mitarbeitende invol
stellen, dass man als Kollektiv keine
viert sind, organisieren wir, fädeln die
Fördergelder beantragen kann. Und so
Kooperationen ein, bringen Projekte
ist 2016 ein Verein entstanden und wir
auf den Weg und gestalten diese in
konnten gleich zu Beginn ein relativ
haltlich. Wir sind mit einem großen
großes Projekt, das Cameo-Magazin,
Vorhaben in
sozioK_change-
umsetzen. Es ging um Coworking,
Prozess gestartet: dem Aufbau eines
es ging um begegnungsorientierte
eigenen Kulturzentrums. Wir arbeiten
redaktionelle Arbeit und es ging um
den
seit mehreren Jahren daran, in eigene
Themen wie Migration und Teilhabe.
Räume zu gehen und in der Nordstadt
Beteiligt sind vor allem Menschen mit
in Hildesheim ein eigenes Kultur- und
Migrationsgeschichte oder Menschen,
Bildungszentrum aufzubauen. Daraus
die ein postmigrantisches Verständnis
ergaben sich weitere Schwerpunkte,
teilen bzw. sich den Genderfragen stel
etwa die Arbeit an der Basisfinanzie-
len. Das Magazin war sehr erfolgreich.
rung, aber auch eine inhaltliche Neu
Allein 70 Leute haben gesagt: „Wir
22
wollen weiter daran arbeiten“ und 40
Ihrem Vorgänger geleitet, das heißt,
weiteren Kleinstädten die Bekanntheit
davon: „Wir gehen mit euch in den
Sie haben eine gut aufgestellte Institu
der Alten Polizei nicht so groß. Da
Verein und wollen ihn mit aufbauen“.
tion übernommen. Und natürlich das
sehen wir auf jeden Fall Potenzial. Im
Das sozioK_change-Programm war
Erbe Ihres Vorgängers. Zusätzlich ist
Bereich Diversity Management sind
daher mit dem Wunsch verbunden,
die Gründergeneration immer noch
wir als Akteur in der Region ohnehin
dieses Projekt in eine Organisation zu
im Vorstand aktiv. Welche Herausfor
sehr aktiv. Seit vielen Jahren sind wir
überführen. Dazu war zu klären, was
derungen mussten Sie meistern?
Anlaufpunkt für Menschen, die neu
kann diese Organisation sein und wie
nach Deutschland kommen. Unser
können wir sie dauerhaft finanzieren?
Feliks Oldewage: Ja, in jedem Fall
ganzes Programm steht unter dem
Wir mussten Strukturen schaffen, in
war das für das Team eine große Her
Motto Interkulturalität und Vielfalt.
denen die Vielfältigkeit des Projekts
ausforderung und natürlich auch für
auch weiterhin beibehalten werden
mich persönlich. Bei uns hat sich der
Daniela Koß: Wie haben Sie die Über
konnte.
Wechsel aber wirklich gut entwickelt.
gabe gestaltet? Würden Sie das einmal
40 Jahre Verein, 30 Jahre Haus, das ist
skizzieren?
Daniela Koß: Herr Thomsen, Sie
schon eine enorme Vorgeschichte. Aber
haben von unseren insgesamt 15
die Zusammenarbeit bei uns im Team
Feliks Oldewage: Wir hatten eine drei
Institutionen, die sich in Changepro-
funktioniert äußerst gut und ich habe
monatige Übergangszeit, in der Herr
zessen befinden, mehrere begleitet.
das Gefühl, dass der Changeprozess
Strempel, der vorherige Geschäftslei
Bitte sagen Sie doch etwas zu Ihrem
auch dazu geführt hat, dass das Team
ter, und ich gemeinsam arbeiten konn
Erfahr ungshintergrund.
noch mal enger zusammengewachsen
ten. Das war wirklich eine fürstliche
ist. Trotz aller Schwierigkeiten und
Zeit. Ich konnte das Team, die Partner
Kai Thomsen: Ich bin systemischer
Herausforderungen sind wir ein sehr,
und viele Institutionen kennenlernen
Organisationsberater,
systemischer
sehr gutes Team und haben eine wun
und natürlich den Changeprozess wei
Coach und hypnosystemischer Or
derbare Arbeitsatmosphäre, das kann
ter vorantreiben.
ganisationsberater, habe also zwei
ich gar nicht genug betonen. Daniela Koß: Können Sie etwas zur
große Berater-Ausbildungen genießen dürfen. Ich kümmere mich vor allem
Eine der aktuellen Herausforderungen
um Strategieprozesse, aber auch um
ist die Verjüngung und Erweiterung
Teamentwicklungsprozesse bis hin zu
unseres Publikums. Es gibt bei uns
Feliks
Führungskräfte-Coachings. Als Bera
ein großes Stammpublikum, das dem
wenn Kulturveranstaltungen laufen
ter bin ich im Kulturbereich, aber auch
Haus schon seit vielen Jahren treu ist,
und in unserer Gastronomie alle
in ganz anderen Bereichen tätig, zum
und es gibt viele Gruppen, die eine Ver
Mitarbeiter*innen tätig sein kön
Beispiel im Stiftungswesen. Zurzeit
lässlichkeit für die Zukunft erwarten.
nen, sind wir ungefähr 15 Personen.
berate ich eine Bank auf Vorstands
Aber wir haben über diese Gruppen
Im hauptamtlichen Team sind wir
ebene und coache alle Führungskräfte
hinaus wenige komplett neue Gäste
aktuell sieben Personen. Das haupt
einer großen Stadtverwaltung in
begrüßen dürfen. Es geht also nicht
amtliche Team ist ungefähr aus einer
Niedersachsen.
nur um eine Verjüngung, sondern
Generation. Ich bin fast 30 Jahre jün
auch um eine Vergrößerung durch
ger als mein Vorgänger. Meine Kolleg*
Daniela Koß: Herr Oldewage, Sie
neue
innen sind etwas älter.
stehen in der Alten Polizei für einen
haben ein relativ großes Einzugsge
Generationenwechsel. Die Institution
biet und trotzdem ist in der dörflichen
Daniela Koß: Herr Thomsen, wir hören
wurde lange Zeit sehr erfolgreich von
Struktur, um uns herum und in den
ja immer wieder, dass es beim Gene
Veranstaltungsformate.
Wir
Altersstruktur in Ihrem Team sagen? Oldewage:
In
Hochzeiten,
Innovationsräume
23
rationenwechsel auch zu
sehr viel vor. Und wenn
auch mal, jetzt ist auch mal
Sebastian Cunitz: Anfangs
Problemen kommen kann.
man als neue Geschäfts
gut. Aber dadurch haben
waren wir einfach sehr
Was wir gerade gehört
leitung beginnt, habe ich
wir uns sehr stark über alle
verliebt in die Idee, dass
haben, ist eher ein Best-
es oft erlebt, dass jüngere
Bereiche noch mal grund
alle Menschen, die für das
Practice-Beispiel – der Ge-
Führungskräfte ohne De-
legend verständigt. Wir
Cameo-Magazin
nerationswechsel
zusam
wurde
mut starten. Sie sagen: Ich
haben einerseits versucht,
mengekommen sind, auch
sehr teamorientiert und in
kremple hier jetzt alles um,
jeden Arbeitsschritt ver
die Organisation mitent
einem vertrauensvollen, zu-
was ihr aufgebaut habt.
ständlich zu machen, und
wickeln. Wir haben uns vor
kunftsorientierten
Aus
Ich habe im kulturwis
andererseits immer wieder
allem die Fragen gestellt:
tausch vollzogen. Was sind
senschaftlichen Studium
neue Dinge einzubringen.
Was ist das Cameo Kollek
die Erfolgsfaktoren? Was
das und das gelernt, und
Durch dieses hohe Maß
tiv? Ist es ein Verein oder ist
muss man bei einem Gene-
ich mache jetzt alles neu.
an Kommunikation gab es
es ein Unternehmen? Oder
rationenwechsel besonders
Das wäre quasi eine Worst
eine große Bereitschaft,
vielleicht etwas ganz ande
beachten?
Practice. Aber diese Worst
Veränderungen auch anzu-
res? Für uns war letztlich
Practice kommt vor. Auf der
nehmen. Wir haben zum
ein gemeinnütziger Verein
Kai Thomsen: Herr Olde
anderen Seite gibt es noch
Beispiel eine ganz extreme
die
wage hat tatsächlich eine
die ältere Generation: Sie
Verjüngung im Kulturcafé.
der anfänglichen Analyse
Best Practice geschildert
muss loslassen können.
Dort bringt sich die neue
zeigten sich schnell unsere
Koordination mit neuen
großen Baustellen: 1. die
Haltung heraus, wie er es
Daniela Koß: Ich habe im-
Ideen ein, sodass u. a. viele
Organisation des eigenen
geschildert hat, ist auch
mer wahrgenommen, dass
neue Veranstaltungsforma
Hauses,
erklärbar, warum es so gut
bei der Alten Polizei die
te entstanden sind. Ich ver-
Space. Hier können migran
gelaufen ist. Es gibt zwei
Kommunikation sehr gut
suche,
Mitarbeiter*
tische und andere Organi
Erfolgsfaktoren. Der eine
geklappt hat, dass es ein
innen
Gestaltungsspiel-
sationen Räume nutzen.
Erfolgsfaktor ist Demut,
großes Miteinander gab.
raum zu geben und Verant-
Wir haben das große und
und der andere ist Los
Beschäftigen wir uns ein-
wortlichkeiten zu delegie-
besondere Glück, dass die
lassenkönnen. Und beide
mal mit der Organisat ions-
ren. Auf diese Art und
Stadt Hannover uns diese
Erfolgsfaktoren sind un
struktur. Gab es in der Alten
Weise bekommen wir fri
Räumlichkeiten
fassbar schwierig für alle
Polizei Veränderungen im
sche Formate.
zur Verfügung stellt; 2. ging
Beteiligten durchzuhalten.
Organigramm, im Bereich
Ich fange mal bei der Demut
der Zuständigkeiten? Wur
an. Wir haben eine jüngere
den Aufgaben neu verteilt?
und ich finde, aus seiner
Generation, die jetzt in die
den
Wunschoption.
des
Bei
Coworking-
mietfrei
es bei uns darum, wie das Daniela
Koß:
Kommen
Magazin und die daraus
wir einmal zum Cameo
entstandene Online-Platt-
Kollektiv. Sie sind heute ein
form upgration.de redaktio
Soziokultur hineinkommt.
Feliks Oldewage: Wir haben
Verein, haben ein eigenes
nell betreut und finanziell
Das sind Menschen, die ein
nicht so viel an der Orga
kleines Haus, haben eine
auf sichere Beine gestellt
Studium gemacht haben,
nisationsstruktur geändert
sehr gut funktionierende
werden kann.
ganz andere Rahmenbe
und auch die Zusammenset
Website. Und Sie nehmen
dingungen vorfinden als
zung unseres Kernteams ist
heute auch Fördermittel in
die
Gründergeneration.
ähnlich geblieben. Aber es
Anspruch. Wie hat sich der
Sie müssen nicht mehr
gab eine intensivere Kom
Weg dorthin gestaltet?
Stein auf Stein aufbauen,
munikation. Bisweilen an
sondern finden schon sehr,
der Grenze zu: Jetzt reicht’s
24
In verschiedenen Mitglie
Daniela Koß: Und Sie
derumfragen haben wir
haben die Geschäftslei
nach der Rolle der eigenen
tung übernommen.
Person im Verein gefragt.
Ist es ein Verein oder ist es ein Unternehmen? Oder vielleicht etwas ganz anderes?
man merkt so richtig, wir sind jetzt gut aufgestellt und können einen neuen Weg gehen – sobald Corona
„Freunde“ haben wir zum
Sebastian
Cunitz:
Beispiel als Menschen defi
Genau.
mussten
niert, die gerne mal mit an
durch die ganzen struk
packen oder mal bei einem
turellen Entscheidungen
Hildesheim bestand immer
Aufruf dabei sind. Dann
feststellen, dass wir die
der große Wunsch, eigene
gab’s die „Kumpanen“, das
Geschäftsleitung im Kol
Räumlichkeiten zur Verfü
sind Menschen, die sich
lektiv nicht lösen können.
gung zu haben, doch war
mit uns schuldig machen
Dank der Beratung von
der Weg dorthin bis jetzt
wollen, das heißt die Ge
außen und, ich nenne es
recht steinig.
sellschaft
ein
jetzt mal einfach so, das
bisschen zu verändern. Und
freundlichen Klopfen auf
Katrin Löwensprung: Ja.
dann gab’s noch die „Pro
den Popo haben wir uns
Die Verantwortung für ei
jekteure“. Die Projekteure
dann zu einer Geschäfts
gene Räume bringt enorme
sind Menschen, die sich
führung durchgerungen.
zusätzliche Verbindlichkei
dazu berufen fühlen, im
Und so habe ich jetzt die
ten mit sich. Wir sind in
Cameo Kollektiv gemein
Ehre,
mit
unserer bisherigen Arbeit
sam Projekte umzusetzen.
Julius Matuschik diese zu
sehr flexibel gewesen. Wir
Und dadurch konnten wir
übernehmen. Der Verein
haben nur einen kleinen
ein Bild davon gewinnen,
brauchte aber auch noch
Anteil an laufenden Ausga
welche Menschen sich bei
einen Vorstand. Das war
ben. Wenn wir nun konti
Cameo versammeln und
eine
Riesenherausforde
nuierlich Räumlichkeiten
was ihr Selbstverständnis
rung: Niemand im Verein
bespielen, dann bedeutet
innerhalb dieses Vereins
wollte in den Vorstand.
das auch, dass man die
ist. Ausgehend von diesen
Ich glaube, die Menschen
Verantwortung dafür über-
Rollen haben wir dann alle
hatten in den Gesprächen
nimmt, zehn Jahre lang,
zusammen unsere Vision
immer das Gefühl: Oh
die Miete gegenzufinan
bzw. unsere Mission entwi
Gott, das ist so viel Verant
zieren, die Raumpflege ge-
ckelt. Das war alles nicht
wortung, und Überreden
genzufinanzieren und das
so einfach, auch weil wir
wollten wir sie nicht. Wir
inhaltliche Angebot auf die
mehrsprachig unterwegs
haben dann sehr proaktiv
Beine zu stellen. Es bedeu
sind. Aber herausgekom
in der Stadt Menschen
tet neue Aufgaben fürs
men ist dabei, dass wir
gesucht, die uns durch
Team zu überlegen, z. B. wie
gemeinsam den Vorsprung
Zusammenarbeit und Ko
organisiert man die Raum-
von Vielheit erlebbar ma
operationen kannten, und
verwaltung oder wer küm
chen möchten, und das
konnten so einen Traum
mert sich um Neuanschaf
für eine gleichberechtigte
vorstand gewinnen. Mit
fungen. Um den hohen
Gesellschaft.
diesem neuen Team macht
Druck und die Belastung
Change richtig Spaß. Und
zu minimieren, haben wir
vielleicht
Wir
gemeinsam
das mal wieder zulässt. Daniela Koß: Beim TPZ
Innovationsräume
25
nanzverwaltung eingerichtet und eine zusätzliche Stelle für Projektarbeit mit einem Schwerpunkt in der Stadt teilarbeit geschaffen. Der ganze Prozess begann mit der ein maligen Gelegenheit, dass ein Gebäu de an einen gemeinnützigen Träger zu verschenken war. Dabei handelt es sich um Räume einer Moschee, die vor drei Jahren geräumt und deren Verein wegen salafistischer Aktivitäten auf gelöst wurde. Für diese Räume haben wir ein stadtteilbezogenes Konzept erarbeitet, um kulturelle Bildung im Stadtteil zu verankern. Wir haben uns in Kooperation mit der Lebenshilfe be worben, um im Gebäude ein gemeinsa mes Kultur- und Bildungszentrum mit Schwerpunkt auf Theaterpädagogik und Inklusion einzurichten. Für dieses Konzept haben wir dann den Zuschlag bekommen. Das ist zwei Jahre her. Wir haben es seitdem geschafft, Politik und Verwaltung von unseren Ideen zu überzeugen und eine Erhöhung unserer Strukturförderung zu erhal ten. Wir haben Ausstattung für die Räumlichkeiten bewilligt bekommen und uns wurde in Aussicht gestellt, den Theaterraum und die Büroräume umbauen zu können. Dafür haben wir die Hauptförderung und die Drittmit tel eingeworben sowie über vier Jahre Mittel aus dem Bundesmodellprojekt „Utopolis, Nordstadt im Rampenlicht“, um die inhaltliche Arbeit im Stadtteil aufzubauen. Daniela Koß: Das Thema Identität steht im Prinzip immer über allem. 26
Auch das Cameo Kollektiv hat sich in
Wir sind einfach niemanden, der sehr schnell gewachsen und e irgendwie andergesagt hat: Halt, stopp, macht ds gab as m a l s.
einen zusätzlichen Minijob in der Fi
den letzten Jahren weiterentwickelt und viel Verantwortung übernommen. Wie sind nicht nur das Team, sondern auch die Mitglieder mit diesem Thema Identität und der Entwicklung umge- gangen? Sebastian Cunitz: Ich hatte ja vorhin schon einmal diese Rollen angespro chen. Aber beim Thema Identität hatten wir auch noch ganz andere Probleme. Dadurch, dass wir uns für die Themen Migration und Diversität einsetzen, gab es im Bezug auf unsere Homepage immer wieder Diskussio nen, wie man die Homepage sicherer für unsere Mitglieder machen kann. Es kamen immer wieder Anfeindun gen von rechts und unsere Mitglieder hatten doch massiv Angst vor rassisti schen Anfeindungen. Daher haben wir noch mal mit einem völligen Umbau unseres Außenbildes begonnen. Wir bauen jetzt eine völlig neue Corporate Identity auf, die eigentlich nur noch von Formen ausgeht. Die Identität unseres Vereins hat sich vor allem unterteilt in Handlungsfel der. Wir wollen eine Plattform sein. Das heißt, wir haben uns sehr stark stadt- und bundesweit vernetzt und sind sehr viel in der Wissensvermitt lung von kultureller, politischer und transkultureller Bildung unterwegs – beispielsweise arbeiten wir mit dem VNB [Anmerkung der Redaktion: Verein Niedersächsischer Bildungsini tiativen] und dem VEN [Anmerkung der Redaktion: Verband Entwicklungs politik Niedersachsen e. V.] zusammen.
Das heißt, unser zweites Handlungs
Daniela Koß: Corona hat bei uns allen
Und jetzt profitieren wir davon. Ein
feld
Wissensvermittlung.
dazu geführt, dass wir wesentlich digi
weiterer Bedarf war eine neue Website.
Darüber hinaus vergeben wir Räume
taler geworden sind und Hemmungen
Das ist ein sehr großer Aufwand für
und wir gestalten auch Räume in der
abgebaut haben. Herr Oldewage, Sie
alle Beteiligten. Die Digitalisierung
Öffentlichkeit, zum Beispiel in Leer
sind mit dem Thema Digitalisierung
hat jetzt durch die Fördermöglichkei
ständen. Das sind die Themen, die uns
schon vor einiger Zeit gestartet und
ten in der Corona-Pandemie noch mal
jetzt auch identitär prägen.
haben relativ rasant Ihr Zentrum auf
richtig Fahrt aufgenommen. Aber die
allen Ebenen, von der Telefonanlage
Implementierung in unseren Alltag,
bis hin zum Online-Booking, erneu
das wird uns noch lange beschäftigen.
ist
die
Daniela Koß: Diese Art der Selbstver gewisserung, also immer wieder zu
ert. Wie ist dieser Prozess gelaufen?
hinterfragen, wer sind wir eigentlich,
Wie lange hat er gedauert? Was ist
Daniela
wo stehen wir, und vor allen Dingen,
unterwegs passiert? Und wie stehen
Sie sind mit der Internetplattform
wer wollen wir zukünftig sein, wie
Sie heute da?
upgration.de sehr erfolgreich. Intern
wichtig ist das für eine Organisation,
Koß:
Sebastian
Cunitz,
gab es allerdings Organisationspro Feliks Oldewage: Also tatsächlich
bleme. Sie mussten bzw. wollten daher
ging es relativ rasant. Die eigene Iden
ein technisches Tool finden, das relativ
Kai Thomsen: Das ist zentral. Für alle
tität ist natürlich auch eng verknüpft
niedrigschwellig ist, das einfach zu
Organisationen wird es das Zukunfts
damit, wie man sich technisch aufstel
bedienen ist und das eine hohe Akzep
thema überhaupt sein, wer man ist, wie
len muss. Aus meiner persönlichen
tanz bei den Mitgliedern haben sollte.
man zusammenarbeiten und wie man
Sicht ist das ja alles kein Selbstzweck.
Wie sind Sie vorgegangen, um dieses
miteinander kommunizieren möchte.
Digitalisierung an sich ist weder gut
Tool zu finden?
Durch Corona wurde das Hinterfragen
noch schlecht, sie ist einfach da, und
Herr Thomsen?
und Selbstvergewissern auch noch
man muss sich damit auseinanderset
Sebastian Cunitz: Wir waren immer
mal sehr beschleunigt. Wir machen
zen. Aber immer in Zusammenhang
Freunde davon, uns zusammenzuset
das zum Beispiel in der CD-Kaserne so:
mit den sachlichen und inhaltlichen
zen, zu quatschen und zu machen,
Einmal im Jahr gibt es eine Tagung,
Fragen. Und insofern haben wir unse
und dann hatte man irgendwo noch
wo es nur darum geht, wie wollen wir
ren Digitalisierungsprozess aus dem
eine WhatsApp-Gruppe und eine Face
arbeiten, wie wollen wir miteinander
einfachen Grund gestartet, dass wir
book-Gruppe. Und auf einmal hat man
umgehen.
Defizite gesehen haben, also Bedarfe.
festgestellt, alles ist komplett intrans
Es war bei uns zum Beispiel relativ
parent. Wir sind einfach sehr schnell
Daniela Koß: Was würden Sie heute
klar, dass unser Server gewisse Funkti
gewachsen und es gab niemanden, der
empfehlen? Leitbildentwicklung? Wel
onen für die gemeinsame Arbeit nicht
gesagt hat: Halt, stopp, macht das mal
che Tools würden Sie anwenden, um
mehr erfüllen konnte. Wir haben
irgendwie anders. Im Rahmen dieser
sich selbst zu vergewissern?
glücklicherweise vor anderthalb Jah
ganzen Findung und Strukturanalyse
ren schon angefangen, die Technik
mussten wir uns dann ganz offen die
Kai Thomsen: Leitbildentwicklung,
relativ schnell umzustellen. Das war
Frage stellen: Wie können wir anders
regelmäßige, wir nennen es Pitstops,
begleitet von vielen Diskussionen:
kommunizieren, und was kann uns
Strategietagungen, wo man sich ein
Brauchen wir das? Sind nicht vielleicht
helfen? In der Folge haben wir viele
fach genau darüber unterhält. Damit
andere Dinge wichtiger? Wir haben
Projektmanagementtools in kleine
sich auch alle fallenlassen können,
aber schnell herausgefunden, dass wir
ren Kreisen ausprobiert. Schlussend
sollte es auf jeden Fall extern mode
durch die Digitalisierung gewisse Vor
lich haben wir mit Basecamp ein
riert sein.
züge haben – zum Beispiel Homeoffice.
Projektmanagementtool
und
Innovationsräume
eine 27
ung r e i s i l a t i g i D Die u hat total daz dass beigetragen, r wir viel meh als Communit y s Wir ein konkrete d. geworden sin
Schön, wie Sie das gerade
hohe
beschrieben haben.
also
rung, ist eine besondere Beim TPZ Hildesheim waren
Herausforderung. Jeder För
Sie vor ein paar Jahren noch
derer hat andere Prinzipien
gemeinsame Cloud
sehr analog unterwegs. Wie
der Abrechnung und möch
gefunden. Dokumente und
sind Sie heute aufgestellt,
te diese in unterschiedli
Ergebnisse können direkt
und was hat sich alles ent-
chen Formaten aufbereitet
an einem Ort gespeichert
wickelt?
haben. Diese ganzen Aktu
und bearbeitet werden. Ein
alisierungen von Kosten-
absoluter Benefit ist zudem,
Katrin Löwensprung: Wir
und Finanzierungsplänen
dass wir Partner in Projek-
haben viele digitale Tools,
und das Controlling und
ten super einbinden kön-
die wir jetzt benutzen. Wir
das Monitoring über die
nen. Wenn wir zum Bei-
haben unsere Prozessketten
Ausgabenplanung in den
spiel mit dem Schauspiel
analysiert und geschaut,
Projekten ist eine ganz schö
Hannover zusammenarbei-
für welche Abläufe wir
ne Herausforderung. Ich
ten, dann haben wir einen
Tools brauchen. Praktisch
habe da inzwischen aner
gemeinsamen Teamordner.
haben wir sofort einige
kannt, dass das sehr viel mit
Das hilft uns enorm auf
Dinge eingeführt, die sehr
Handarbeit und mit grauen
ganz vielen Ebenen.
hilfreich waren, wie z. B.
Zellen zu tun hat. Und dass
ein To-do-Tool, welches wir
das auch so bleiben wird.
Unsere Redaktionssitzun
gemeinsam nutzen. Unser
gen haben wir aktuell in
Server hat inzwischen eine
Daniela Koß: Es ist span
digitale Räume verlagert.
gute Struktur. Unsere ge-
nend, dass die Komplexität
Und auf einmal sind in die
samten
anscheinend doch nicht
sen Besprechungen Men-
Verwaltungsprozesse zu di
digital abgebildet werden
schen aus Indonesien, aus
gitalisieren hat leider nicht
kann. Je komplexer es wird,
Amerika oder aus Brasilien
so gut funktioniert. Das war
desto schwieriger wird es
dabei, die einfach an der
schwieriger als gedacht.
letztendlich mit der Soft-
administrativen
Diskussion über eine offene
ware.
Gesellschaft teilhaben wol
Daniela Koß: Woran lag
len. Es ist auf einmal völlig
das?
entgrenzt. Die Digitalisie
28
Projektförderung, Drittmittelfinanzie
Katrin Löwensprung: Ak tuell stellen wir komplett
rung hat total dazu beige
Katrin Löwensprung: Das
auf digitale Telefonie um,
tragen, dass wir viel mehr
Informatikerteam hat sich
sodass man entscheiden
Community als ein kon
die Aufgabe einfacher vor-
kann, wo das Bürotelefon
kretes Wir geworden sind.
gestellt, als sie ist. Wir arbei-
gerade klingelt. Wir nutzen
ten als Einrichtung 60 Pro-
jetzt Microsoft Teams. Wir
Daniela Koß: Es ist fantas
zent projektfinanziert und
haben wirklich schon viel
tisch zu sehen, wie sich aus
sind unter 10 Prozent struk
umgesetzt. Aber unsere An-
dem Lokalen auf einmal
turell gefördert. Der Rest
fangsstrategie, die Infor-
etwas Globales entwickelt.
läuft über Aufträge. Diese
matiker*innen analysieren
uns einmal und program
Daniela Koß: Sehen Sie für
Sebastian Cunitz: Unser ers
und von anderen moder
mieren uns die Schnitt
Kultureinrichtungen und
ter Schritt war ein Wochen
nen Unternehmen besucht,
stellen, das hat nicht funk-
kleine Initiativen Besonder-
ende mit allen Mitgliedern
die uns echt gute Tipps an
tioniert.
heiten?
in Petershagen unter der
die Hand geben konnten,
Leitung der Tricon AG, das
wie wir mit unserer Mit
Daniela Koß: Ich würde da-
Kai Thomsen: Nein. Ich
ist eine Unternehmensbera
gliedschaft anders und bes-
zu gerne noch Herrn Thom-
glaube
im
tung aus der Schweiz. Wir
ser kommunizieren kön-
sen befragen. Wir haben
Hinblick auf Agilität nicht.
fanden es sehr spannend,
nen. Wir sind eher die
jetzt schon vom Gelingen
Gerade in kulturellen Ein
uns von jemandem beraten
lernende Organisation. Das
tatsächlich,
und Scheitern im digita
richtungen begegnen mir
zu lassen, der nur wirt
Quäntchen Naivität ist bei
len, aber auch in anderen
ganz, ganz viele Menschen,
schaftlich denkt. Zusätz
uns immer ganz wichtig.
Bereichen gehört. Was ist
die gerne an Prozessen oder
lich beriet uns aber auch
Und das wollen wir auch
wichtig zu beachten, wenn
an Werkzeugen festhalten
Frau Wagemann von der
weiter behalten.
man sich in Changeprozes
wollen, die vor Corona
Landesarbeitsgemeinschaft
se begibt und Strategien
funktionierten. Die leiden
Soziokultur. Sie hat uns
Daniela Koß: Beim TPZ
entwickelt? Was würden
jetzt sehr, weil sie merken,
auch gesagt: So, jetzt mal
Hildesheim wurde auch
Sie empfehlen?
sie kommen nicht weiter.
Butter
Fische,
recht viel Beratung auf un
Insofern wären eigentlich
kommt mal zu einer Ent-
terschiedlichen Ebenen in
Kai Thomsen: Insgesamt bei
die Kultur und Soziokultur
scheidung. Die organisato
Anspruch genommen. Was
Strategieprozessen
hätte
sehr gut beraten daran, sich
rischen Personalentschei
genau haben Sie gemacht?
ich vor einem Jahr noch
sehr agil aufzustellen und
dungen haben dann den
gesagt, es geht vor allem
mit den ganzen Methoden
Ausschlag und uns eine
Katrin Löwensprung: Wir
um die Vision. Je unklarer
zu versorgen.
Richtung gegeben. Julius
haben die Beratung mit
Matuschik und ich haben
Elke
die Vision ist oder der ge
bei
die
Flake
intensiviert,
meinsame Fixstern, desto
Daniela Koß: Beim Cameo
diesen Prozess von Anfang
die uns ja seit vielen Jah
größer sind die Probleme
Kollektiv habe ich immer
an geleitet und waren
ren berät. Wir haben die
im Team. Das würde ich in
eine hohe Agilität festge
auch in vielen Projekten
Schwerpunkte auf die in
einem Leitbildprozess oder
stellt. Alle Institutionen im
sehr aktiv. Wir haben fest
stitutionelle Entwicklung
in einem Strategieprozess
sozioK_change-Programm
gestellt, dass wir starke
und die kommunalen Stra
immer nach vorne stellen.
haben über die letzten
treibende Kräfte sind, und
tegien gelegt. Frau Flake
Natürlich gefolgt von der
Jahre einiges an Beratung
uns zur Geschäftsführung
hat mit uns zusätzlich
Analyse, wo man eigentlich
und Weiterbildung in An
bereiterklärt.
Teamprozesse gestaltet und
gerade steht, mit allen
spruch genommen. Auch
wir haben analysiert, wie
Schwächen, Stärken usw.
das Cameo Kollektiv war
Ich persönlich bin für den
wir aufgestellt sind und
Durch Corona hat sich das
nicht nur mit einer Bera
Prozess viel gereist, um
wie wir mit Belastungen
geändert. Durch Corona
terin unterwegs, sondern
bei anderen Häusern und
im Team umgehen können.
geht es jetzt viel agiler zu.
hat durchaus verschiedene
Online-Plattformen heraus
Chris Mielke vom Landes
Und da merkt man, dass die
Angebote genutzt. Bitte er-
zufinden: Wie macht ihr
verband Soziokultur hat
Leute, die im Bezug auf agile
zählen Sie uns, was Sie ge
das? Was ist eure Vision?
die Teamprozesse später
Managementtools nicht gut
macht haben.
Was passiert da eigentlich?
übernommen und mit Kai
aufgestellt sind, natürlich
Wir haben zusätzlich Wei
Thomsen arbeiten wir nun
größere Probleme haben.
terbildungen von Zalando
auch zusammen. Außer Innovationsräume
29
dem haben wir geschaut, wer braucht
in der Zukunft. Und natürlich auch
mussten wir schwerpunktmäßig die
welche individuelle Weiterbildung.
mit der gegenwärtigen Identität.
Kombination von Online-Kommunika
Wir haben aber auch mit den Beraten
Wir haben ein ganz klares – wach
tion mit analoger kreativer Tätigkeit
den strategische Workshops zu spezifi
sendes – Aufgabenspektrum gehabt.
erproben und neue Formate finden.
schen Themen durchgeführt.
Es sind sehr viele Projekte hinzuge
Da bin ich ganz zufrieden. Da machen
Daniela Koß: Das ist schon ein bunter
kommen, der Aufgabenbereich der
wir gerade sehr viele Erfahrungen und
Alten Polizei hat sich über viele Jahre
werden auch dabeibleiben.
Strauß an Dingen. Herr Thomsen,
maßgeblich erweitert. Das ist auch der
dazu noch mal die Frage an Sie: Was
guten Zusammenarbeit mit der Kom
war Ihre größte Herausforderung?
mune zu verdanken.
Für den Changeprozess war unsere Projektitis ein wichtiges Thema. In un serem Verein werden so viele Projekte
Kai Thomsen: Das ist schwierig zu
Diesen Sommer mussten wir – wie es
umgesetzt, dass die Projekte eigentlich
beantworten. Die größte Herausforde
eben genannt wurde – sehr agil pla
die Basis sind und nicht die Ergänzung.
rung existiert immer dann, wenn es
nen. Wir brauchten unbedingt einen
In diesem Jahr kam uns das wiederum
eine unklare Führung gibt. Führung
Außenbereich. Mit dem Stadtschloss
zugute, weil diese Organisationsform
hat eigentlich nur die Aufgabe, in
haben wir einen tollen Partner gleich
sehr viel einfacher flexibles Arbei
Pattsituationen zu entscheiden, auch
gegenüber gewonnen. Dort konnten
ten ermöglicht. Ursprünglich sind
in modernen agilen Unternehmen.
wir sechs Wochen lang unseren
wir aber gestartet, um aus unseren
Immer, wenn Führung nicht das Füh
SoKo-Kultursommer durchführen –
ganzen innovativen Modellprojekten
rungsinstrumentarium, also die ganze
Sonderkommission-Kultursommer.
wiederholbare Formate und Module zu
Klaviatur spielen kann, dann wird es
Der Sommer war ein Riesenerfolg. Wir
entwickeln und anbieten zu können.
problematisch. Dann kann man nicht
waren über mehrere Wochen sehr gut
sagen: Wow, okay, wir arbeiten jetzt
besucht bis nahezu ausverkauft. Das
Daniela Koß: Wie sieht es beim Cameo
mit dem Team, machen eine tolle Klau
hat sehr dazu beigetragen, dass wir in
Kollektiv aktuell aus? Herr Cunitz, wie
surtagung. Dann muss man erstmal
der Stadtgesellschaft und in der Politik
sind Sie durch die Corona-Pandemie
ganz woanders ansetzen.
als ein maßgeblicher Standortfaktor
gekommen?
im Bereich Kultur wahrgenommen Daniela Koß: Gehen wir einmal zu
werden. Und das möchten wir inten
Sebastian Cunitz: Corona war für
der inhaltlichen Ausrichtung, Herr
sivieren, verstärken und in den nächs
uns auf jeden Fall eine Blutgrätsche.
Oldewage. Sie haben gerade ganz viel
ten Jahren ausbauen.
Neues ausprobiert. Bitte skizzieren Sie
Laufende Projekte wurden im März entweder radikal beendet oder kamen
uns einmal, was sich an inhaltlichen
Daniela Koß: Beim TPZ Hildesheim ist
einfach gar nicht zustande. Wir hatten
Dingen bei Ihnen durch Corona und
auch viel Neues ausprobiert worden,
vielfach überhaupt keine Möglichkeit,
durch den Changeprozess geändert
oder?
auf die Schnelle Lösungen dazu zu fin den. So sind viele tolle Projekte unter
hat. Gab es eine Ansprache an ein Katrin Löwensprung: Ja. Also für uns
die Räder geraten. Auf der anderen
ist natürlich die kontinuierliche Ar
Seite hat, wie schon vorhin beschrie
beit im Stadtteil neu. Manche Projekte
ben, die Online-Plattform upgration.de
inhaltliche Ausrichtung sollte auch
morphen ein paarmal, bis sie eine pas
wirklich gewonnen. Für alle, die den
immer mit einer Vision verbunden
sende Form finden, vom Online-Zirkus
Coworking-Space nutzen, ist es aber
sein, also was möchte man eigentlich
über den Sommerschnupperzirkus bis
ein Desaster, weil wir ihn komplett
damit erreichen, wie sieht man sich
zu den Stadtteil-Clowns. In diesem Jahr
geschlossen haben. Die Zeit haben wir
neues Publikum, neue Zielgruppen? Feliks Oldewage: Ich denke, eine
30
in dauerhafte Angebote umwandeln können. Also für uns war es irgendwie Chance und bitter zugleich. Ich hätte auch gut drauf verzichten können. Daniela Koß: Herr Oldewage, wie ist im Moment bei Ihnen die Situation? Feliks Oldewage: Wir haben die Corona-Zeit als Haus sehr gut über standen. Um es noch mal kurz zusam menzufassen: Wir haben eine sehr enge und sehr gute Anbindung an die Kommune. Das heißt, das hat uns maß geblich Sicherheit und Unterstützung gegeben in dieser Zeit. Wir konnten die meisten Projekte durchführen. Wir konnten das Team zusammen halten. Kopfschmerzen hat uns unser wirtschaftlicher Bereich gemacht, der komplett brachliegen musste. Trotz dem haben wir auch hierfür Wege und Mittel gefunden. Ein zentraler Punkt für unsere zukünftige Entwicklung ist die Per- sonalplanung. Was wir anfangs nicht weiter bedacht hatten, war die Not wendigkeit, mehr Personal für die ganzen Aufgaben zur Verfügung zu haben. Also alles, was wir machen, ist am Ende des Tages aus meiner Sicht auch immer eine Personalfrage. Jede Digitalisierung, jede inhaltliche Planung, auch eine Vision ist immer damit verbunden, dass wir im Team ausreichend Kapazitäten haben.
Für den Changeprozess ist so ein Corona-Lockdown total spannend, weil einfach die Normalität außer Kraft gesetzt ist.
dennoch genutzt, um zu überlegen, wie wir unsere innovativen Projekte
Dank der Fördergelder, die wir in die sem Jahr einwerben konnten, haben wir jetzt im zweiten Lockdown eine große Motivation und wir freuen uns einfach auf das nächste Jahr. Daniela Koß: Schauen wir noch mal zum TPZ Hildesheim. Wie kreativ sind Sie bis jetzt mit der Corona-Zeit umgegangen? Katrin Löwensprung: Sehr! Unsere Projekte konnten wir gut umplanen. Das war zwar viel Aufwand, weil man dreifach plant, aber das ging. Ich empfand eher die Motivation als Herausforderung: Einerseits finde ich es herausfordernd, als Geschäftslei tung das Team zu motivieren, und andererseits muss man ja selber auch mit der Situation umgehen. Und ich habe erlebt, dass ganz, ganz viele frei schaffende Kulturschaffende in sehr existenzielle Krisen geraten sind. Für den Changeprozess ist so ein Co rona-Lockdown total spannend, weil einfach die Normalität außer Kraft gesetzt ist. Es gibt halt nicht mehr die Routinen, es gibt nicht mehr die normalen Abläufe. Dafür eröffnet es einem ganz viel Spielraum, wenn die Alltagsroutinen entfallen. Daniela Koß: Zum Schluss würde ich die drei Institutionen noch bitten, ein kurzes Fazit zu ziehen. Changeprozes se sind ja eigentlich nie zu Ende, son dern gehen immer weiter. Und Corona hat von uns allen viel Flexibilität, aber auch Solidarität gefordert. Wie sieht Ihr Fazit aus, Herr Oldewage? Innovationsräume
31
Feliks Oldewage: Besonders
uns wahrscheinlich nicht
Das hat uns so viel gebracht.
im Moment geht es auch
gerade einen Gefallen ge-
Und natürlich ist die fi
ein bisschen um Resilienz,
tan, weil es ein großes Leck
nanzielle Förderung wahn-
also die Fähigkeit, Dinge
an Geld geben wird. Als
sinnig hilfreich. Wir konn
aushalten zu können und
Fazit bleibt aber, noch mal
ten
über
Möglichkeiten
trotzdem eine hohe Moti
zu sagen: Ohne den Change-
nachdenken, die wir uns
vation beizubehalten. Ich
prozess hätten wir niemals
sonst gar nicht hätten leis-
denke, insofern ist Corona
so
ten können. Von daher ist
ein großer Test für uns
dungen
Sich
das ganze Förderprogramm
alle. Als Team gehen wir
selbst erstmal bewusst zu
wirklich hilfreich. Durch
aber optimistisch in die
machen, dass man sich
den Austausch mit den
konkrete
Entschei
getroffen.
Zukunft. Der Changepro
verändern will und dass
anderen Kultureinrichtun
zess hat das aber überhaupt
man auf ein gemeinsames
gen haben wir gemerkt,
erst möglich gemacht. Wir
Ziel hinarbeitet, das hat der
dass es ist normal ist, dass
haben vor der Pandemie be
Changeprozess eigentlich
in Changeprozessen nicht
reits Dinge geschaffen, die
erst möglich gemacht. Und
alles glattgeht und dass
uns jetzt geholfen haben,
das ist das wirklich positive
nicht alles so schnell und
sprich Digitalisierung und
Fazit.
reibungslos läuft, wie man
die Entwicklung einer Zu
es sich wünscht.
kunftsvision. Eine Arbeit,
Katrin Löwensprung: Ich
die wir mehr und mehr
glaube, der größte Schritt
Daniela Koß: Vielen Dank
abstimmen. Eine intensive
war, die Anerkennung in
für diese tollen Einblicke
Kommunikation. Das sind
der Stadtverwaltung zu
in das, was über die letzten
die Sachen, die uns neu
bekommen. Da nehmen sie
Jahre geleistet und erarbei
geformt und die eine posi
uns jetzt in den verschie
tet wurde.
tive Entwicklung möglich
denen Dezernaten, also sei
gemacht haben.
es im Bau-, im Sozial- oder im Kulturbereich, als einen
Sebastian Cunitz: Stichwort
guten, zuverlässigen Part
Resilienz: Wir haben tat
ner wahr. Der auch fähig
sächlich die Sorge, dass wir
ist, für den Umbau ein paar
als ein ganz anders Cameo
hunderttausend Euro Dritt-
aus der Corona-Zeit hin
mittel zu akquirieren, und
ausgehen. Das liegt daran,
die inhaltliche Arbeit leis-
dass manche Leute im
ten kann. An der Stelle
Moment ganz andere Pro-
haben wir uns viel Respekt
bleme haben und sich auch
verdient.
dementsprechend aus unse- ren Diskussionen ausschal-
Wichtig für uns war auch
ten. Zusätzlich ist die Finan-
der Austausch mit den
zierung bei uns ein großes
anderen Einrichtungen im
Fragezeichen. Corona hat
sozioK_change-Programm.
32
Das Förderprogramm sozioK_change: 2015 bis 2021 hat die Stiftung Niedersachsen in dem exemplarischen Förderprogramm sozioK_change 15 ausgewählten soziokulturellen Einrichtungen aus Niedersachsen einen Changeprozess ermöglicht, um sich zukunftsfähig aufzustellen. Die Einrichtungen erhielten für ihren dreijährigen Veränderungsprozess 25.000 Euro, Beratungsleistungen und Fortbildungsangebote.
BIOGRAFIEN : Feliks Oldew age, geboren 1982 in Minde Abitur am R n. K indheit un atsg ymnasiu d Jugend in Sc m Stadthagen haumburg. schichte, Phil . Beginn eine osophie und s Mag isterstu Kultur w issens di u m s der G e dienaufent ha chaf ten an de lte an der Un r Universität iversität Helsi Bremen. Stu in Moskau. N nki sow ie der ach dem Absch Higher School lu of ss Economics de s Studiums Ro Russischen Fö bert Bosch Ku deration in A lt ur m rc anager in der hangelsk von in der Organ 2013 bis 2015 isat ion eines . A nschließen überregional d A ssistenz en Schülermus K irchenkreis Neustadt-Wun icalprojek ts fü storf. Seit Augu r den Ev.-lut h. tr ums A lte Po st 2018 Gesch lizei in Stadth äf tsleitung de agen. s Kulturzen
Sebastian Cunitz ist gelernter Kaufmann im Einzelhandel, freischaffender Fo tograf und studierter Master of Design and Media. Er ist Gründungsmitglied der Galerie BOHAI, des Cameo Kollektivs und der Agentur für kreative Zwischenraum nutzung in Hannover. Als Geschäftsführer des Cameo Kollektivs forscht er an den Möglichkeiten, wie transkultureller Austausch und Design gemeinsam Räume im Sinne einer offenen und gleichberechtigten Gesellschaft schaffen können. Sebas tian Cunitz beschäftigt bspw. eine Frage wie: Kann man Genuss teilen und wenn ja, wie?
K atrin Löwen sprung, gebo ren 1976 in M Projek tmanag ünchen, ist D iplom-Kulturw erin und Mus ik issenschaf tler er in . Si e ist Mitbegr ün im Hildeshei in, derin des Folk mer Trillke G ’n’Fusion Fest ut und in za hlreichen Net Seit 2009 ist ivals Katrin Löwen zwerken und sprung als G Verbänden ak eschäf tsführ des Theaterp tiv. erin und Küns ädagogischen Zent rums (T PZ tlerische Leit er ) Hildesheim in tätig.
anisat ions- gGmbH, Org le el C ne er t D -K as k auf Lehram führer der C d Germanisti ist G eschäf ts n un se ik us om M Th e rt ai K m Staats . Er studie logie. Nach de ischer Coach ho em yc st Ps sy d he un sc gogi n berater ogie und päda i verschiedene fächern Soziol ikbranche be en us eb M N r n de de in it m anage nalist und war t (Produkt m itete er als Jour ft beschäft ig ra sk ng ru examen arbe h hrung). In und Fü als Manager t, G eschäf tsfü en en rm em rfi ag ge an rä lm be Tont bH. agement, La -K aserne gGm /Vertriebsman hrung der CD fü ts äf ch ment, Retail es G atungen für m er die ren übernah it St rategieber h m Ja 00 er 20 00 r 20 h Ja den begann er im t als Berater Seine Tätigkei n. Künstler*inne professionelle
Innovationsräume
33
ÜBERZEUGUNG. UNSERE ORGANISATION IST/ WIR SIND WICHTIG, WEIL …
Theater an der Glocksee, Hannover Lena Kußmann, Milena Fischer und Jonas Vietzke
Morgenland Festival Osnabrück Michael Dreyer
Die Worpsweder Museen Matthias Jäger
… wir zeigen, dass es weit mehr span
turelle
… wir unser „Profil“ selbst nicht so
nende Musik gibt, und weil sich die
Künstlerdorfes Worpswede identitäts
wichtig nehmen! Wir erfinden uns
Diversität unserer Gesellschaft auch
stiftend sind und dem Ort und seinen
stattdessen mit jeder Produktion neu,
in den Konzerthäusern spiegeln muss.
Besucher*innen aus aller Welt immer
der Inhalt bestimmt die Form, immer
Das ist gesellschaftlich überfällig und
wieder aufs Neue ästhetische Impulse
gleichzeitig ein wundervoller Gewinn
geben.
am Puls der Zeit und darüber hinaus.
… die Worpsweder Museen als kul Kristallisationspunkte
des
an Schönheit.
Literaturhaus Hannover Kathrin Dittmer … Kultur ein Überlebensmittel ist und Literatur Raum für Reflexion und De batten bietet. Öffentliche Foren wie wir sind Teil der Demokratie. Die Entwick lung der Sprachen ist sicherlich die größte Kulturleistung des Menschen, und sie steht nicht still! Alle Kunst „spricht“ zu uns. Poesie und Prosa sind ihr Kern und bei uns zuhause.
34
LOT-Theater, Braunschweig Stefani Theis
Kulturfabrik Löseke, Hildesheim Stefan Wehner
… unser Theater ein sozialer Ort ist, an
… wir Kultur für alle zugänglich und
dem ein Zusammentreffen und eine
erlebbar machen, unser Haus als Pro
konstruktive
duktions- und Kommunikationsort,
Auseinandersetzung zu
als Kulturwerkstatt und Veranstal
unterschiedlichsten Themen möglich
tungszentrum öffnen und darüber
und gewollt ist.
hinaus das Kulturangebot der Stadt
unterschiedlichster
Menschen
mitgestalten.
Literaturhaus Oldenburg Monika Eden
Fuchsbau Festival, Lehrte Christoffer Horlitz & Lucie Werndl
musica assoluta, Hannover Kari Träder
kenntnismittel unserer Welt darstellt.
… es sich nicht an vorgegebene Choreo
Brücken schlagen, die sonst vernach
Sie verleiht den Erscheinungsformen
grafien hält, sondern aus vorhandenen
lässigt werden: klassische und zeitge
und Befindlichkeiten der Gegenwart
Festivalformen ausbricht.
… die Literatur eines der zentralen Er
Unser Ensemble ist wichtig, weil wir
nössische Musik in Spitzenqualität im
sprachlichen Ausdruck. Deshalb spie
Dialog mit gesellschaftlich relevanten
geln sich aktuelle gesellschaftliche
Themen, in spartenübergreifenden
Diskurse in zeitgenössischer Literatur
Kontexten, ohne Berührungsängste.
wider.
Kunsthalle Osnabrück Anna Jehle & Juliane Schickedanz
Kunstverein Göttingen Helmut Wenzel
Festival Theaterformen, Hannover und Braunschweig Anna Mülter
… Kunst ein Drehkreuz sein kann,
… sich unsere Ausstellungs- und Kunst-
um sich mit gesellschaftlichen Ver
vermittlungsprojekte der Aufgabe
… wir gesellschaftspolitische Themen
fasstheiten auseinanderzusetzen. Der
widmen, Welt und Leben aus ver
in neuen performativen Formen ver
Fokus auf Jahresthemen, die in Aus
schiedenen, auch ungewohnten Pers
handeln, und das in engem Austausch
stellungen oder Vermittlungsangebo
pektiven zu zeigen. Die Experimente
mit den Städten Hannover und Braun
ten münden, erlaubt es uns, von der
junger, noch nicht arrivierter Kunst
schweig und ihren Bewohner*innen.
Kunst ausgehend interdisziplinär in
können treibende Kraft für weitere
Ein zentrales Anliegen sind dabei Zu
Themen einzusteigen und diese für
Entwicklungen sein.
gänge für ein breites und vielfältiges Publikum.
ein diverseres Publikum zugänglich zu machen.
theater wrede +, Oldenburg Lou Kordts
Emsland Moormuseum Janna Gerkens
Sommerliche Musiktage Hitzacker Oliver Wille
Das theater wrede + ist wichtig, es
… Moorlandschaften in aller Munde
begreift sich seit Beginn als gesell
sind. Mit dem Moorbrand bei Meppen
… wir neugierig Abenteuer leben und
schaftspolitisch und ästhetisch aus
schaffte es auch das Emsland 2018 in
beleben, weil wir den Anspruch haben,
gerichtetes Forschungstheater. Nicht
die internationale Berichterstattung.
ausgetretene Pfade zu verlassen und
nur mit dem eigenen innovativen
Die Mitarbeitenden des Museums er
über neue Brücken ins Unbekannte zu
Theaterprogramm, sondern auch in
klärten interessierten Bürger*innen
tasten.
der Förderung neuer Talente mit dem
ein Phänomen, welches, historisch
Modellprojekt flausen+.
betrachtet, zum Alltag der in Moor regionen Lebenden gehörte, in Zeiten der Klimakrise aber deutschlandweit Schlagzeilen erzeugte.
Resonanzraum
35
HALTUNG. WIR STEHEN FÜR ...
Morgenland Festival Osnabrück Michael Dreyer
musica assoluta, Hannover Kari Träder
Die Worpsweder Museen Matthias Jäger
… Menschlichkeit in allen Facetten;
… das Zusammenleben in einer offe
… einen musikalischen Dialog, in dem
für Kunst und Kultur und deren Ver
nen Gesellschaft, die ihre Werte und
sich die Reichtümer der verschiedenen
mittlung in Einklang mit dem Kampf
ihre Ziele in einem alle Gruppen ein
Kulturen entfalten, einander beflü
für mehr soziale Gerechtigkeit und
schließenden Dialog aushandelt. Als
geln und im besten Falle etwas Neues,
Klimaschutz. Wir sind überzeugt, dass
Orte der Kunst ermöglichen wir die Be
nie Dagewesenes hervorbringen.
jedem Menschen ein instinktiver Aus
gegnung mit der Vielfalt individueller
druckswille zu eigen ist, und wollen
Welterfahrung und bereichern diesen
Mut machen, diesen zu nutzen.
Dialog so um eine unverzichtbare, ge nuin menschliche Perspektive.
Theater an der Glocksee, Hannover Lena Kußmann, Milena Fischer und Jonas Vietzke
theater wrede +, Oldenburg Lou Kordts
Kunstverein Göttingen Helmut Wenzel
Unser Motto: Theater verführt zum
… Offenheit für mögliche zukünftige
Denken. Und manchmal tut das auch
Entwicklungen, ungewöhnliche Pers
… Auseinandersetzung mit intellek
weh. Aber solange es weh tun kann, ist
pektiven auf scheinbar Selbstverständ
tuellen, wissenschaftlichen, soziolo
Theater noch ein wichtiger Ort des ge
liches, die Auseinandersetzung mit
gischen und politischen Themen, die
sellschaftspolitischen Diskurses und
Fragen zu unserem Leben in der heu
wir sinnlich erfahrbar und spürbar ma
diesen Platz verteidigen wir leiden
tigen Gesellschaft unter den Bedin
chen. Verantwortlichkeit. Gesellschaft-
schaftlich gegen jegliche autokrati
gungen unserer natürlichen Umwelt,
liche Anregung. Nähe. Austausch. Expe-
schen Bestrebungen.
Besinnung auf unsere zentralen Werte
riment. Wandel. Forschergeist. Überra
und auf das, was unserem Leben Sinn
schende Blickwinkel. Freudvolle Begeg-
gibt.
nungen.
36
LOT-Theater, Braunschweig Stefani Theis
Kulturfabrik Löseke, Hildesheim Stefan Wehner
Fuchsbau Festival, Lehrte Christoffer Horlitz & Lucie Werndl
… eine Nähe zum Publikum, für eine
… Kommunikation und Toleranz; Par
… eine diverse, kühne und politische
Verbundenheit mit „unseren“ Künstler*
tizipation fördert das Bewusstsein,
Kulturszene. Wir organisieren uns
innen, für Verlässlichkeit und Zuge
Aktivierung fördert verantwortungs
selbst und setzen Themen auf die
wandtheit. Wir wollen zu einem barri
volles Handeln. So bringt die KUFA
Tagesordnung, die unsere Generation
erefreien Ort werden.
in ihrer Arbeit Menschen mit unter
bewegen.
schiedlichen kulturellen und sozialen Hintergründen zusammen.
Literaturhaus Oldenburg Monika Eden
Kunsthalle Osnabrück Anna Jehle & Juliane Schickedanz
… die Vermittlung von Gegenwarts
für zeitgenössische Kunst in einer
… eine diskriminierungskritische Her
literatur in Gesprächsformaten, in
Architektur des 16. Jahrhunderts. Die
angehensweise, die wir sowohl auf in
denen wir Schriftsteller*innen mit
eigene Geschichte, (Arbeits-)Struktur
haltlicher als auch struktureller Ebene
Wissenschaftler*innen verschiedener
und die gesellschaftliche Einbettung
umsetzen wollen. Wir wollen einen
Disziplinen
Die Kunsthalle Osnabrück ist ein Ort
Festival Theaterformen, Hannover und Braunschweig Anna Mülter
Austausch
der Kunst sind für die Kunsthalle Aus
solidarischen Raum schaffen, in dem
führen. Dem hektischen Netzwerk-
gangspunkt für Reflexion und Kritik,
Platz für Diskussion und Austausch ist
Gezwitscher der digitalisierten Gesell
auch an der eigenen Institution und
und sich Menschen mit strukturellen
schaft begegnen wir mit der Qualität
ihrem Kontext.
Diskriminierungserfahrungen wohl
in
einen
des analogen Gesprächs.
fühlen.
Sommerliche Musiktage Hitzacker Oliver Wille
Emsland Moormuseum Janna Gerkens
Literaturhaus Hannover Kathrin Dittmer
… Geschichte und Natur erleben – Zu-
… das gute Buch zu jeglicher Stunde, für
… Tradition trifft Moderne, so steht es
kunft gestalten. Durch positive emo
Teilhabe am Dialog über Gesellschaft,
im Programm. Dies immer wieder neu
tionale Moorerlebnisse und interdiszi
Freude am Lesen, am Denken, Infor
zu erfinden, überhaupt das Festival
plinäre Wissensvermittlung schaffen
mation und Austausch. Nicht zuletzt
immer wieder neu zu erfinden – ohne
wir Verständnis für den Natur- und
für die Freiheit des Wortes, weswegen
unsere Genese mit allen Markenzei
Kulturraum Moor. Damit legen wir
wir auch das Hannah-Arendt-Stipendi
chen und erreichten Plattformen zu
Grundlagen für gesellschaftliches
um der Stadt Hannover mitbegründet
verraten – ist Ansporn, Segen und
Engagement, leisten einen Beitrag
haben und betreuen, das verfolgten
Fluch. Musikvermittlung und die fast
zu einer nachhaltigen Entwicklung
Autor*innen Schutz bietet.
jährlich neuen Formate sind dabei na
und unterstützen die heimische Iden-
türlich schönste Spielwiese, die jeweils
tität in den niedersächsischen Moor-
in die etablierten Serien und geliebten
landschaften.
Gewohnheiten greifen, um letztlich alles im Wandel zu halten. Resonanzraum
37
NEUGIER. GESELLSCHAFTLICHE VERÄNDERUNGEN, DIE WIR/UNSER TEAM ANGEHEN WOLLEN/WILL … Theater an der Glocksee, Hannover Lena Kußmann, Milena Fischer und Jonas Vietzke
musica assoluta, Hannover Kari Träder
Morgenland Festival Osnabrück Michael Dreyer
Klimafreundlicheres Leben, Nutzung
Neugier ist das Lebenselixier des
… optimistisch, kreativ, utopisch mit
der digitalen Möglichkeiten zur Ver
Morgenland Festivals – musikalisch,
zu suchen und die Lust auf Verände
ankerung von zeitgenössischer Musik
menschlich,
rung auch bei unserem Publikum zu
in der Mitte der Gesellschaft, mehr Dia
licher musikalischer Dialog ist ein
triggern. Dreck, Körper, Spucke wur
log zwischen Kunst und Wissenschaft,
Beitrag zur musikalischen Avantgarde
den 2020 verdammt, 2021 fordern wir
unkomplizierte kulturelle Bildung für
und gleichzeitig eine Metapher für
dazu auf, menschliche Grundbedürf
alle, Kreativität wagen!
eine fruchtbare und friedvolle gesell
nisse und Gemeinsamkeit künstle
gesellschaftlich.
Ehr
schaftliche Perspektive.
risch wiederzuentdecken. Wesentlich dabei: Kooperation statt Konkurrenz!
Kunsthalle Osnabrück Anna Jehle & Juliane Schickedanz
Kulturfabrik Löseke, Hildesheim Stefan Wehner
Festival Theaterformen, Hannover und Braunschweig Anna Mülter
mit dem Thema „Barrierefreiheit“
Soziale Arbeit stärken, benachteiligten
… ist die selbstverständliche Einbezie
zwischen Körpernormen und Natio
Menschen echte Chancen bieten und
hung von internationalen Künstler
nalstaatlichkeit. Wir möchten gerne
den Arbeitseinstieg niedrigschwellig
*innen mit Behinderungen, deren
das Programm nutzen, um gemeinsam
gestalten sowie praktische Erfah
eigene Arbeiten ihre Perspektiven auf
die eigene Arbeitsweise und Haltung
rungen, Teamarbeit und sinnhafte
die Welt präsentieren. Gleichzeitig
immer wieder zu (v-)erlernen. Wir fra
Tätigkeiten zu ermöglichen – auch in
wollen wir Zuschauer*innen mit ver
gen uns: Wen haben wir bisher noch
Studien- und Schulpraktika – ist im-
schiedenen Behinderungen mittels
nicht angesprochen?
mer wieder eine Herausforderung:
barrierefreier Angebote kulturelle
konkretes Handeln im Grenzgebiet
Teilhabe ermöglichen.
2021 beschäftigt sich die Kunsthalle
von Sozial, Bildung und Kultur. 38
Literaturhaus Oldenburg Monika Eden
Literaturhaus Hannover Kathrin Dittmer
Kunstverein Göttingen Helmut Wenzel
… sind bei aller Begeisterung für das
Gesellschaftliche Veränderungen er-
… sind mehr kulturelle Bildung, die
analoge Gespräch letztlich doch die
fordern, dass man genau hinsieht. Das
die drängenden Fragen und Krisen der
Digitalisierungsprozesse. Schon 2008
behalten wir bei und bleiben ein viel
Gegenwart und Zukunft kreativ ein
veranstalteten wir honeyPod 1, das
stimmiges Haus. Am liebsten würden
bezieht; mehr „Kunst für alle“ durch
erste Festival für Literatur und Neue
wir trotz Absage bis 2025 unser für
die Arbeit unserer Artothek; mehr
Medien. Um das Literaturhaus zu
das Kulturhauptstadtjahr entworfene
Anregung durch Ausstellungsprojekte
kunftsfähig aufzustellen, müssen wir
Projekt zum Thema Transfer/Transit
wie das aktuelle, das auch das Leben,
das Thema im Blick behalten. Inhalt
umsetzen, mit vielen, internationalen
die Träume und Wünsche von Minder
lich und formal.
Partner*innen.
heiten thematisiert.
theater wrede +, Oldenburg Lou Kordts
Fuchsbau Festival, Lehrte Christoffer Horlitz & Lucie Werndl
Neugier lässt uns konstant in die
… sind zum Beispiel der Kampf gegen
LOT-Theater, Braunschweig Stefani Theis
Zukunft blicken. Gesellschaftliche
den Klimawandel, welcher uns die
… sind die unterschiedlichen Zugangs
Entwicklungen mitzugestalten ist uns
nächsten Jahre immer stärker beglei
möglichkeiten zu zeitgenössischen
ein großes Anliegen: Wir wollen Ver
ten wird, und das Vorantreiben eines
Theaterformaten aufgrund fehlender
bindungen schaffen, Fragen aufwer
intersektionalen und solidarischen
Mobilität im ländlichen Raum. Unser
fen und Barrieren abbauen. Daher sind
Klassenkampfes, vor unserer Haustür
Antrieb ist, kulturelle Teilhabe und
wir überzeugt, dass Theater auch für
und global.
somit gesellschaftliche Teilhabe zu
die Kleinsten schon das Größte ist.
ermöglichen.
Die Worpsweder Museen Matthias Jäger
Emsland Moormuseum Janna Gerkens
Wandel ist das Schlüsselwort un
Der Großteil unserer Moore wurde
Sommerliche Musiktage Hitzacker Oliver Wille
serer Zeit. Angesichts der in den
entwässert und zerstört – ist somit
Wir wollen nachhaltiger werden, ver
kommenden Jahren zu erwartenden
als Naturraum bis auf wenige Reste
zichten in diesem Jahr schon auf den
ökologischen, technologischen und
verschwunden. Die aktuellen Diskus
seit 75 Jahren üblichen Programmpro
sozialen Disruptionen stehen wir als
sionen um die verbliebenen Moore
spekt. Wir wollen digitaler werden,
Kulturinstitutionen vor der gewalti
und ihre Bedeutung als CO2-Speicher,
sowohl in der Konzertpraxis – Video
gen Herausforderung, unsere Rolle
der immer noch aktive Torfabbau
wände im Saal zeigen seit 2020 in
für die Gesellschaft neu zu definieren
und Landwirtschaft auf Mooren sind
Echtzeit die Musikstücke und Informa
und uns selbst, unsere Inhalte und un
ohne historischen und ökologischen
tionen – als auch in der Reichweite – un
sere Vermittlungsformen ganz neu zu
Kontext nur schwer zu verstehen. Um
sere Künstler*innen senden via Social
denken. Da bleibt keine Zeit, sich auf
unserer Vermittleraufgabe auch zu
Media Videogrüße im Vorfeld des Fes
Erreichtem auszuruhen. Wenn wir die
künftig gerecht zu werden, erarbeiten
tivals – und wir wollen den Bereich der
auf uns zukommenden Veränderun
wir zurzeit ein Konzept zur Überar
KI betreten. Kann KI künstlerisch sein,
gen aktiv mitgestalten und nicht von
beitung und Erweiterung unserer
kann sie mit menschlicher Intuition
ihnen überrollt werden wollen, müs
Dauerausstellungen.
auf Augenhöhe treten, sind virtuelle
sen wir uns dem Wandel mit großer,
Konzepte kammermusikalisch sin
nicht nachlassender Beweglichkeit
neserweiternd? Uns interessiert fast
und Neugier stellen.
alles, außer langweilige Livestreams! Resonanzraum
39
WANDEL. EINE INNOVATION IN UNSEREM HAUS/PROJEKT/ TEAM, AUF DIE ICH STOLZ BIN/ WIR STOLZ SIND … Literaturhaus Oldenburg Monika Eden
musica assoluta, Hannover Kari Träder
Morgenland Festival Osnabrück Michael Dreyer
… ist das klimaf reundliche Festival
Dass wir in dieser herausfordernden
entwickelten und mit dem Oldenbur
„Menschlichkeit“
September!
Corona-Zeit alle Musiker*innen bezah
gischen Staatstheater als Livestream-
Unser erstes eigenes Festival bietet
len konnten, sollte keine Innovation
Quizabend um Literatur, Sprache und
eine bunte Palette an Kulturevents, die
sein. Ist es aber vielleicht doch ... und
Theater durchführten. Auf unserem
unsere Ideale wunderbar verkörpern.
ich bin ein bisschen stolz darauf ...
digitalen Spielplatz wetteiferten die
Unsere Bemühungen um den Klima
Spieler*innen in Minispielen um den
schutz beginnen bei uns selbst – auch
Sieg des Abends.
geprobt wird bereits emissionsarm.
LOT-Theater, Braunschweig Stefani Theis
Kulturfabrik Löseke, Hildesheim Stefan Wehner
… ist das Format HURRA SPRACHE!, das wir während des Lockdowns
im
Theater an der Glocksee, Hannover Lena Kußmann, Milena Fischer und Jonas Vietzke
… ist die digitale Umsetzung vom nord
Wir sind im Verlauf unseres Change-
deutschen Kinder- und Jugendtheater
prozesses als Team enger zusammen
… dass wir mutig und kreativ mit den
festival Hart am Wind im Juni 2020 als
gerückt, ziehen an einem Strang und
überraschendsten Umständen umge
partnerschaftliches Projekt zweier so
gehen verantwortungsvoller mit unse
hen: So haben wir in der Pandemie
unterschiedlicher Organisationen wie
ren Zielen und Aufgaben um.
schillernde Formate in einer flexiblen
das Staatstheater Braunschweig und
Art des Theatermachens entwickelt,
das LOT-Theater.
die uns ermöglichten kontinuierlich – auch in einem Lockdown – tätig zu bleiben.
40
Literaturhaus Hannover Kathrin Dittmer
Kunstverein Göttingen Helmut Wenzel
Kunsthalle Osnabrück Anna Jehle & Juliane Schickedanz
Bei der Kulturarbeit ist es wie in Alices
… sind unsere Kunstvermittlungspro
Seit 2020 veröffentlicht die Kunsthalle
Spiegelland (Lewis Carroll): Man muss
jekte, die seit 2008 mit innovativen
Osnabrück alle vermittelnden Texte
sehr schnell rennen, um am Platz
Methoden in Schulen, Kitas, Stadt
ausschließlich in einfacher Sprache,
zu bleiben. Am Ende nur Status quo?
teilzentren etc. arbeiten und dabei
sowohl auf Deutsch als auf Englisch.
Nein: Wir haben im Mehrgenerationen-
auch aktuelle Fragen der Gesellschaft
Texte in einfacher Sprache verste
Team neue Projekte entwickelt und
aufgreifen, wie z. B. in „Odyssee Zu
hen 85 Prozent der Besucher*innen.
unser Netzwerk ist wieder gewachsen!
kunft“ u. a. die Entstehung virtueller
Vorher haben nur 45 Prozent der Be-
Dieses Jahr in Richtung Hochschulen
Realitäten oder in „Upcycling“ die
sucher*innen unsere Texte verstanden.
und Universitäten. (Und wir haben
Klimakrise.
das schwierige Jahr 2020 gemeinsam gemeistert!)
Fuchsbau Festival, Lehrte Christoffer Horlitz & Lucie Werndl
Festival Theaterformen, Hannover und Braunschweig Anna Mülter
Sommerliche Musiktage Hitzacker Oliver Wille
weise. Unser gesellschaftlicher An-
… ist das für 2021 geplante Stadtpro
… ist das Stattfinden 2020, als (fast)
spruch und unsere inhaltlichen Kon
jekt zum Thema Klimagerechtigkeit,
einziges Festival unserer Größe in
zepte finden sich nicht nur im Pro
das marginalisierte Perspektiven ins
Deutschland. Salzburg und Hitzacker
gramm wieder, sondern überall – bis
Zentrum stellt. Gemeinsam entwi
hieß es in den Medien – das schmei
hin zu den Sanitäranlagen und der
ckeln hier indigene und behinderte
chelt und hängt die Latte für die nächs
Technik.
Künstler*innen mit lokalen Initiativen
ten Jahre hoch. Einige aus der Not
und Stadtmacher*innen alternative
geborenen Maßnahmen wurden zum
Sichtweisen auf Natur, Energie und
Aha-Erlebnis: ein neuer Saal- und Büh
… ist die Politisierung unserer Arbeits-
Konsum.
nenplan, welcher dem Motto „Nähe mit Abstand“ folgte, die „Rück-“Besinnung auf die Kraft der Kammermusik, auf die Momente aus der klingenden Stille heraus, schließlich die Erkenntnis:
theater wrede +, Oldenburg Lou Kordts
Emsland Moormuseum Janna Gerkens
Der Fluss des Wandels ist die Essenz
Seit Januar 2020 ist das Emsland Moor
Musik lässt uns nicht im Stich, sie berührt alle menschlichen Sinne und schafft Gemeinschaft.
unseres Theaters. Nicht reaktiv, son
museum vom Kultusministerium aus-
dern progressiv schauen wir, was pas
gezeichneter Lernstandort. Angelehnt
sieren muss, und setzen Impulse. So
an eine Bildung für nachhaltige Ent-
haben wir auch das Theater zum bun
wicklung ermöglichen wir handlungs-
desweiten Forschungszentrum wei-
bezogene Moorerlebnisse. Ausstellun-
terentwickelt und als Nächstes steht
gen, das große Außengelände mit Sied
der Generationswechsel an.
lerhof und Moorfläche bieten infor- melle Erfahrungsräume.
Resonanzraum
41
Langzeitbeobachtung der Nachwendezeit. Gezeigt bei der RAW Phototriennale in der Ausstellung Zeitenwende, Worpswede 2020. DANACH UND DANACH handelt von
DANACH UND DANACH wurde mit
Die Fotografen:
den Veränderungen in den neuen
dem Kodak Fotobuchpreis ausgezeich
Bundesländern nach der sogenannten
net. Ausgestellt wurden die Arbeiten
Klaus Dierßen.
Wende 1989. Farbfotografien zeigen
u. a. in: Kunstkreis Meppen, Universi-
die Außenansichten von Gebäuden
tät der Bundeswehr Hamburg, Bund
und Geschäftsfassaden in der ehemali
Bildender Künstler Hannover, Kunst
Geboren 1949 in Hildesheim. Studium an der Pädagogischen Hochschule Hildesheim (Hauptfach Bildende Kunst) und Studium der Grafik, Druckgrafik und Fotografie an der Hochschule für Bildende Künste in Braunschweig. Meisterschülerdiplom bei Prof. Malte Sartorius. Bis 2012 Dozent/Professor für Bildende Kunst und Fotografie am Institut für Bildende Kunst und Kunstwissenschaft der Universität Hildesheim. Lehraufträge, Vorträge, Ausstellungen, Publikationen und kuratorische Tätigkeiten. www.klausdierssen.de
Ditmar Schädel. Geboren 1960 in Stade, lebt in Kevelaer. Studium der Bildenden Kunst und Literatur im Studiengang Kulturpädagogik an der Universität Hildesheim. Verschiedene künstlerische Lehraufträge und wissenschaftliche Tätigkeit, seit 1995 wiss. Mitarbeiter an der Universität Duisburg-Essen. Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Photographie, Köln. Ausstellungen und Lehraufträge in verschiedenen Institutionen. www.schaedel.eu
Hildesheim,
Kreismuseum
gen DDR nach diesem geschichtsträch
verein
tigen Datum. Bei gleichem Ausschnitt
Peine, Kreismuseum Aschersleben,
und identischer Perspektive, jedoch
Kreismuseum Senftenberg, Roemer-
mit zeitlichem Abstand, wird die Ver
und Pelizaeus-Museum Hildesheim,
änderung der Situation feststellbar. In
Städtische Galerie Nordhorn, Schles-
der Gegenüberstellung der Bilder wer
wig Holstein-Haus Schwerin und RAW
den äußerlich sichtbare Änderungen
Phototriennale Worpswede.
erkennbar. Der Vergleich der Bilder deutet auch innere Befindlichkeiten an, die sich aus der zeitlichen Distanz der Bilder ablesen lassen. Das künst lerische Konzept dieser Fotografien beinhaltet das beharrliche, geduldige und langjährige Beobachten einer grundlegenden Veränderung: Typische Kennzeichen einer vergangenen Zeit verschwinden und werden von neuen Gestaltungsformen abgelöst. Die Foto- grafien sind weder als Werbung für den Aufschwung Ost noch als pittoreske Bilder voller Nostalgie und Morbidität zu verstehen.
DIGITAL . Y C A R E LIT
. s m u a R n e l a t i g i d s e d g n u Die Erober
Essay
Von Birte Werner
Warum soll ich noch in ein Museum gehen?
die Darstellenden Künste ist das Strea men einer Vorstellung, das einige Häu
Warum noch ein Theater, Tanz- oder
ser und Ensembles seit Jahren erprobt
Konzerthaus besuchen? Warum wei
hatten und das in den letzten Monaten
ter ein Archiv oder eine Bibliothek
die probate „Notlösung“ für viele in
betreten? Befeuert durch die Pan
der Szene war, ganz sicher nicht der
demie 2020 arbeiten sie alle unter
Weg, mit dem sie sich dauerhaft arran
Hochdruck an ihrer Online-Präsenz.
gieren werden. Zum einen konkurriert
Kulturförderprogramme und Privat
das Streaming einer Performance oder
wirtschaft unterstützen sie seit etli-
der ins Netz gestellte Mitschnitt mit
chen Jahren dabei. Inzwischen kann
dem Medium Film. Die Mehrheit der
ich mit den digitalisierten Samm-
abgefilmten Bühnenereignisse kann
lungsbeständen eines Museums meine
es aber an technischer, dramaturgi
eigene Ausstellung im Netz kuratieren
scher und erzählerischer Qualität
(www.oww.io). Ich komme meinen
nicht mit einem Film aufnehmen. Eine
Lieblingsschauspieler*innen, Tänzer*
abgefilmte Performance wird in der
innen und Musiker*innen im Live-
Aufmerksamkeitsökonomie eines brei
stream so nah, wie ich es in einem
teren Publikums den Kürzeren ziehen,
Theater niemals könnte – ausreichend
wo Netflix und Co. als second screen ver
gute Kameratechnik und Bildregie vor
fügbar sind. Zum anderen fehlt beiden
ausgesetzt. Ich kann europaweit durch
Seiten – Bühnenkünstler*innen und
digitalisierte Kunst- und Archivschätze
Publikum – der unmittelbare Kontakt,
stöbern (www.europeana.eu) und kann
die Kopräsenz im Raum, im Moment,
in der Digital Public Library of America,
das unmittelbare Feedback.
die nach dem Vorbild der Europeana entstanden ist, weitermachen. Warum 66
also noch „physisch hingehen“? – Für
Wir sind mittendrin im digital-analogen Vernetzungsprozess.
erst noch mit neuen Begriffen wie
every time you are given a new tool, it
Digitalität vertraut machen müssen,
gives you a different way of impacting
sehen uns andere längst in der post
upon the world. […] We need to talk
digitalen Realität angekommen, in
about digital literacies, because they
Das Tempo ist rasant. Interessant ist,
der „nachdigitalen“ Gegenwart, in der
are plural. They are context-depen
was an den Schnittstellen zwischen
uns ubiquitous computing selbstver
dend. And they need to be socially ne
analoger Praxis, digitalen Plattformen
ständlich geworden ist und sich unser
gotiated.“1 In eine ähnliche Richtung
und Tools an neuen künstlerischen
Denken, Wahrnehmen und Handeln,
zielen Georg Dietz und Emanuel Hei
Formen und Möglichkeiten entwickelt
unsere Identität dadurch grundlegend
senberg mit ihrem jüngsten Buch, in
wurde und weiter entwickelt werden
verändert haben. Das Wissen und
dem sie darüber nachdenken, wie sich
wird. Die klare Trennung zwischen
die Fähigkeiten, die jede*r von uns
mit Technologie die Demokratie neu
einem „Hier“, der analogen Welt, in
braucht, um die technischen Möglich
erfinden lässt: „Technologie ist eine
dem das Original, das „auratische“
keiten und neuen Entwicklungen zu
Art, zu denken und zu handeln. Darin
Kunstobjekt, zuhause ist, und einem
überblicken, kritisch zu befragen, auf
liegt das konstruktive Potenzial, eine
„Da draußen“, der virtuellen/digitalen
den eigenen Kontext zu beziehen, für
andere Form von Gesellschaft zu ima
Welt, ist in Auflösung begriffen. Span
sich nutzbar zu machen und gestalten
ginieren und zu gestalten. Wie können
nend ist, aus ihrer Verzahnung inhalt
zu können, werden unter dem Begriff
Prozesse und Abläufe beschleunigt
lich kluge, künstlerisch interessante
digital literacy zusammengefasst. Digi
und
transparenter,
durchlässiger,
Funken zu schlagen. Was brauchen
tal literacy ist das, das Kunstschaffende
partizipativer,
Kunstschaffende und ihr Publikum
und ihr Publikum jetzt und zukünftig
werden?“2 Es geht um Zukunft und
dafür? Wenn dieser Text erscheint,
brauchen.
ihre Gestaltung, es geht um Teilhabe
wird die große Jahrestagung der Dra maturgischen Gesellschaft sich gerade in mehreren Konferenz-Sessions mit dieser Frage beschäftigen.
Digital literacy meint mehr als nur die Fähigkeit, einen Computer nutzen und sich im WWW bewegen zu können.
Ubiquitous computing, die Allgegenwart
gerechter
gemacht
und Mitbestimmung, um öffentlichen Raum. Welche Rolle – so müssen sich insbesondere Künstler*innen und/oder Kulturvermittler*innen fragen, die ihre Arbeit auch als eine politische ver stehen – können und wollen sie dabei
rechnergestützter Informationsverar
Der Begriff umfasst politische, ju
spielen? Welche Themen wollen sie
beitung, prägt unseren Alltag, digitale
ristische, kreative, ethische und ge-
für und mit ihrem Publikum verhan
Medien sind omnipräsent. Der Begriff
sellschaftliche Dimensionen. Dough
deln? Sind Identität, Aushandlungs
„Digitalität“ entstand als Neologismus
Belshaw, der sich seit vielen Jahren
prozesse, wünschenswerte Formen
aus „digital“ und „Materialität“, um
als Experte für Bildung mit digital
von Gesellschaft nicht ihre Themen?
die Verzahnung und wechselseitige
literacy
dass
Interessant ist darum nicht nur, was
Durchdringung der digitalen mit
darum im Plural von digital literacies
an den Schnittstellen zwischen ana
der materiellen Welt beschreiben zu
zu sprechen sei. Er schlägt ein Modell
loger Praxis und digitalen Tools neu
können. Im Moment wird auf allen
vor, das acht Aspekte berücksichtigt.
an künstlerischen Formen und Mög
erdenklichen Ebenen ausgehandelt,
Kognitive, kreative, kommunikative
lichkeiten entsteht. Interessant sind
welche demokratischen Regeln gelten
und gesellschaftspolitische Gesichts
insbesondere die Inhalte: Was haben
beschäftigt,
betont,
sollen, um die sich damit eröffnenden
punkte ebenso wie die Fähigkeit,
die Künste unter Nutzung der neuen
Möglichkeiten für alle nutzbar zu
einen informiert-kritischen Blick auf
digitalen Möglichkeiten inhaltlich zu
machen und gleichzeitig Missbrauch
das Feld richten zu können: „Digital li
diesem Diskurs beizutragen?3
auszuschließen. Während viele sich
teracy […] effects your identity. Because Neue Kulturräume
67
Be online, or else be dead.
sich in radikalisierter Form, wenn die
überhaupt die grundsätzliche Haltung
Veranstaltung online stattfindet. Die
eines ganz wesentlichen Teils der
Zugespitzt formuliert war das im
Konkurrenz, der sie damit ausgesetzt
Netz-Community, nämlich Wissen zu
Frühjahr 2020 die Situation für ei
ist, ist riesig. Sie ist auch internatio
teilen, Tools allen kostenlos zur Ver
nige Kultureinrichtungen und viele
nal. World Wide Web eben. Die Frage
fügung zu stellen und sie kollaborativ
Freischaffende, die im Bereich Kultur
„Warum soll ich noch in ein Museum
weiterzuentwickeln, in den analogen
und/oder Vermittlung arbeiten. Die
gehen?“ stellt sich gleichlautend, egal,
Arbeitsalltag Einzug halten sollte.
Notwendigkeit, sich dem Thema Di
ob von einem Gebäude oder einem
Wenn dieser Prozess gelingt, wird sich
gitalität verstärkt oder erstmals zu
digitalen Angebot die Rede ist.
die Szene verändern und weiterent
widmen, war und ist entsprechend groß. Viele der technischen und
It’s all about content, stupid!
sozialen Probleme, die sich aktuell
wickeln können.
Was ist mit dem Publikum?
dabei stellen – nicht jede*r hat ein
In dem Maße, wie neue technische
ausreichend gutes Endgerät; nicht
Entwicklungen aufhören werden, ein
Weiterhin gilt, dass viele Kulturein
jede*r hat schnelles Internet; nicht
Publikum um ihrer selbst willen zu
richtungen und -veranstaltungen ein
jede*r kann aus Datenschutzgründen
interessieren – „Wow, Theater in VR!“
spezifisches Vorwissen bei ihrem
mit jeder Plattform und allen Tools
„Krass, Malerei durch KI!“ –, werden
Publikum
arbeiten – harren ihrer (politischen)
Inhalte wieder verstärkt in den Fokus
adressieren sie bestimmte Menschen
Lösung, werden hoffentlich in nicht
rücken und mit darüber entscheiden,
mit ihrem Programm, während sie
zu ferner Zukunft gelöst sein. Wichtig
welches Publikum sich warum für
andere nicht im Blick haben. Ein Be
wäre, dass aus der extrinsischen Moti
welches Angebot interessiert. Im Mo
wusstsein nicht nur dafür, sondern
vation des Jahres 2020, sich aus exis
ment sind viele Kulturinstitutionen,
ein Wissen um alle Aspekte von Di
tentiellen Gründen mit dem Thema
Künstler*innen und Kulturschaffende
versität, verbunden mit einer offenen,
Digitalität beschäftigen zu müssen,
in der Phase des Experimentierens
selbstkritisch-reflexive Haltung, ist bei
nun ein genuines Interesse und damit
und Lernens. Was es für sie bräuchte,
weitem noch nicht verbreitet genug.
die intrinsische Motivation erwächst,
sind spartenübergreifende Treffen,
In den kommenden Jahren muss das
am Thema zu bleiben (so man auf dem
um sich wechselseitig inspirieren und
selbstverständlich werden. Ein Instru
voraussetzen.
Dadurch
Feld nicht ohnehin unterwegs war).
voneinander lernen zu können. Dazu
ment dazu sind Besucher*innen- bzw.
Es gilt, digital literacies zu erweitern
bedarf es grundsätzlich einer besseren
Nicht-Besucher*innen-Studien. „Wen
und zu vertiefen: sich zu informieren,
Kommunikations- und neuen Fehler
erreichen wir? Evaluation der Educa
Überblick und Inspiration zu suchen,
kultur. Aus Fehlern lernt man am
tion-Arbeit in professionellen Orches
sich weiterzubilden und zu vernet
besten. Warum müssen alle dieselben
tern Baden-Württembergs“4 ist eine
zten, um für die jeweilige Institution
Fehler selber machen? Das ist nicht
der jüngsten Arbeiten zu diesem The-
oder die individuelle Praxis kluge,
nur ineffizient, das ist auch frustrie
ma, die zeigt, dass die Befragten mehr
interessante Konzepte zu entwickeln.
rend und demotivierend. Wenige Pro
heitlich weiblich, älter als 51 Jahre und
Denn hat man die nicht, dann – um bei
grammpunkte bei Konferenzen sind
sehr gebildet sind. Die Herausforde
der zugespitzten Formulierung zu blei
so unterhaltsam, so ermutigend und
rung, die sich hier spiegelt, ist seit
ben – ist man zwar mit einem Angebot
so hilfreich wie „Fuck up nights“, bei
Jahren bekannt: Ob in Deutschland
online, aber trotzdem tot. Tot im Sinne
denen grandios gescheiterte Ideen und
jemand an Kunst und Kultur partizi
der Aufmerksamkeitsökonomie. Denn
Projekte vorgestellt werden. Fehlerwis
piert, woran genau, und ob eine Person
die Frage, warum sich ein Publikum zu
sen sollte viel selbstverständlicher ver
aktiv daran teilhaben kann, hat u. a.
einer Veranstaltung begeben soll, stellt
öffentlicht und geteilt werden. Wie
mit den Parametern gender, race, age,
68
education, class zu tun. Wenn zukünf tig Angebote entwickelt werden, die ein bestimmtes Maß an digital literacy beim Publikum voraussetzen, was ist dann mit in den Blick zu nehmen? „Hurra, dann erreichen wir vor allem junge Menschen zwischen 14 und 35!“, mag man denken. Sicher ist das eine Altersgruppe, die sich selbstver ständlich in der postdigitalen Welt bewegt. Das heißt aber nicht, dass sie auch über die höchste digital literacy verfügte. Es gibt eine Studie dazu, wo in der Bevölkerung aktuell die höchste digitale Mündigkeit vorhan den ist. Digitale Mündigkeit ist ein Aspekt von digital literacy und meint die Befähigung zum konstruktiven und souveränen Umgang mit digitalen Räumen.5 Der Studie zufolge verfügen in Deutschland mehrheitlich Männer mit hohem Bildungsniveau nicht zu hohen Alters darüber. Die Fragen, was es braucht, damit ein Publikum von einem Angebot erfährt, sich davon angesprochen fühlt und welche Vor aussetzungen es ggf. mitbringen muss,
Autorin
Dr. Birte Werner ist seit April 2021 Leiterin des neugegründeten Kom petenzzentrum Kulturelle Bildung und Vermittlung Baden-Württemberg. Zuvor leitete sie den Programm bereich Darstellende Künste an der Bundesakademie für Kulturelle Bildung Wolfenbüttel. Zusammen mit Yves Regenass (machina eX) hat sie die berufsbeglei tende Qualifizierungsreihe „Gameplay@stage“ für die Akademie konzipiert und geleitet. Nach ihrem Germanistik- und Kunstgeschichtsstudium an der Universität Göttingen arbeitete sie als Wissenschaft liche Mitarbeiterin an der FU Berlin, schloss ihre Promotion über die österreichische Exilautorin Anna Gmeyner ab und war von 2006 bis 2011 als Dramaturgin am Theater engagiert. 2008 war sie Sti pendiatin beim Internationalen Forum des Berliner Theatertreffens. Birte Werner ist Vorstandsmitglied der ASSITEJ und gibt die Zeitschrift IXYPSILONZETT. Magazin für Kinder- und Jugendtheater mit heraus. Sie wirkt in Jurys und Kuratorien mit und unterrich tet an Hochschulen.
um daran teilhaben zu können, sind in postdigitalen Zeiten noch wichtiger und vielschichtiger geworden.
inweise: Literatur und H
z 2012, TED -Talk, Mär s. ie ac er lit l digita n. l elements of tie neu er finde : The essent ia 1 Dough Belshaw e die Demok ra nuar 2021). gi Ja lo 5. f no if ch gr Te Zu it tzter w ir m 3nhdyW k (le e people. Wie Quelle: bit.ly/ g: Power to th er nb se ei H l d Emanue 2 G eorg Dietz un vöse Systeme. 9. nte, war „Ner n rlin, 2020, S. ko Be r en se rn an le H : Fragen 16. München elt, Berlin, 20 viel zu diesen hestern lturen der W , in der man sionellen Orc Ku es r of de pr s 3 Eine Ausstellu ng in au t H . ei e“ ion-A rb e soziale Frag on der Educat s Leben und di w ir ? Evaluati n he 2021). ic re Quant ifizierte er ven grif f 5. Januar aun: Wen m konstr uk ti ann, Olivia Br zOP (letzter Zu Ko 3h y/ 4 A nd rea Hausm t.l eutschland zu bi D e: in ll ue er Q rg . Bü 20 st 20 ar 2021). eiten der embergs. Augu Zugrif f 5. Janu se der Fähigk r ly te tz na A (le ne pe Baden-Württ Ei m 3on5 ündigkeit. . Quelle: bit.ly/ a.: Digitale M 5 Roman Beck u. en. März 2018 um Rä n le ta it digi en Umgang m und souverän Neue Kulturräume
69
Wie macht man Konzerte digital erlebbar? Studio4Culture.net – eine digitale interaktive Musikplattform Von Katharina Bäuml Gründerin Ensemble Capella de la Torre und Studio4Culture
er Moment des Livekonzerts bleibt ein
D
stream Zeit, in der die Musiker*innen vor
zigartig und ist nicht ersetzbar. Aber
der Kamera für Fragen zur Verfügung ste
es braucht vor allem in dieser Zeit innova
hen, die im Chat gestellt werden, eine neue
tive Möglichkeiten, um Musik weiterhin
Form von Nähe und Austausch, die sich
erleben zu können. Dabei dürfen wir uns
bereits bewährt hat.
nicht vorrangig an unserer gewohnten ana logen Welt und ihren Ritualen orientieren.
Um Musik und weitere Inhalte besser ken
Vielmehr sind Umdenken und Neugierde
nenzulernen, können Nutzer*innen selbst
gefragt. Welche neuen Strategien und
entscheiden, wann, wo oder wie viel Infor
Interaktionsmöglichkeiten gibt es, um ein
mationen sie im digitalen Programmheft
zufriedenstellendes digitales Erleben von
lesen möchten. Per Mausklick sind für alle
Kultur zu ermöglichen? Mit Experimentier
Titel Informationen abrufbar, auch die
freude und Pioniergeist kann es gelingen,
Gesangs- und Notentexte stehen zur Ver
die Lücke zwischen digital und analog auf
fügung. Wer nur einmal kurz in einen
neue, kreative Weise weiter auszuloten und
Konzertabend „hineinschnuppern“ möchte,
die Krise auch als nachhaltige Chance für
kann dies problemlos tun und dabei Berüh
neue Formate des (gemeinsamen) Kultur
rungsängste mit der klassischen Musik nach
erlebens zu nutzen.
und nach abbauen. Auch der „BackstageBereich“ im weiteren Sinn kann in digitaler
Wir müssen anders vergleichen,
Form nun für das Publikum zugänglich
nach neuen Wegen suchen
werden: mit Erklärungen, Lageberichten
Das Projekt Studio4Culture möchte Live-
und Mitmach-Formaten.
konzerte nicht ersetzen, sondern sie auf neue Weise ergänzen und digitale Wege
Neue Denkansätze sind gefragt
gehen, die auch später noch funktionieren
Singen ist in einer Zeit der Corona-Beschrän
und sich zu nachhaltigen Bausteinen der
kungen oft nicht erlaubt – was können wir
Kulturlandschaft entwickeln. Seit Septem
aber auf neuen digitalen Wegen tun, das
ber 2020 sind auf der digitalen Plattform
vielleicht sonst nicht geht? Zusammen mit
eine ganze Reihe von Auftritten etwa von
Profis singen und musizieren, z. B. im Win
Capella de la Torre oder dem RIAS Kammer
terkaraoke. Für Studio4Culture wurden
chor audiovisuell abrufbar, auch weitere
noch weitere eigens angepasste Konzert-
Ensembles sind zur Mitwirkung eingeladen.
Formate entwickelt, die im Zusammen
Es gibt einerseits Livestreams, aber auch
spiel mit Disziplinen wie Videokunst und
andere Konzertformate, die speziell für die
Mediendesign die Interdisziplinarität des
Plattform entwickelt wurden.
Projekts belegen.
Interaktion zwischen Akteur*innen
Einen Konzertsaal digital umzusetzen
und Publikum
braucht Mut und Experimentierfreude, si
Besonders wichtig ist die Interaktion zwi
cher wird es keinen vollwertigen Ersatz für
schen Akteur*innen und Publikum. Hier
das gemeinsame Liveerlebnis geben, aber
bietet der digitale Raum eine Möglichkeit
eine perfekte Ergänzung dazu. Gemeinsam
zur Nähe, die live nicht möglich wäre. Auf
wird ein Schuh draus …
Studio4Culture gibt es nach jedem Live- 70
F
rüh stand für uns fest, dass wir im Pro
Dabei geschah viel Gutes und Interessantes!
gramm des PROSANOVA 2020 mehr als
Vieles ließ sich übersetzen, anderes war
eine Veranstaltung zum Übersetzen haben
überhaupt nur digital möglich. Nehmen
wollten: Wir dachten an Reibungsmomente
wir das neu erfundene Genre „Text-Video“
zwischen den Sprachen. Wir dachten, mit
(angelehnt an Musikvideos), das wir von
Enis Macis Eiscafé Europa und Marius Gold
Anaïs Meier bekamen, aber auch die me
horns Park, auch an die Übersetzung digita
ditative Video-Illustration der Texte von
ler Alltagspraktiken in Literatur (Wissen im
Judith Keller. Isabelle Lehns Literarisierungs
Text als Reihe offener Tabs, Gefühle darin
maschine und das Zusammen-Schreiben der
als Spotify-Playlist). Was wir nicht dachten:
Brüder Tharayil brauchten den abgefilmten
dass wir innerhalb von zweieinhalb Mona
Bildschirm.
ten ein analoges Festival in ein OnlineLiteratur-Event umwandeln müssten.
Eine allgemeine Bilanz:
Ein von Beginn an digital geplantes PROSA-
– Videos haben insgesamt mehr Beachtung
NOVA hätte mit Sicherheit anders ausgese
gefunden als Audios. Eine Ausnahme
hen. Durch die Übersetzungsarbeit verschob
bildeten Audio-Walk (flexen*-Flaneusen
sich kurz vor Schluss, was uns beschäftigte:
schreiben Städte) und Hörspiel (Zusammen
Es war plötzlich nicht mehr die Frage „wie
von Simone Dede Ayivi), die das Publikum
könnten wir performativ den Festivalablauf
in den öffentlichen Raum und in Bewe
stören: Wann kommen die Megafone in den
gung brachten.
PROSANOVA 2020 – Reibung und schließlich Glätte Von der Künstlerischen Leitung von PROSANOVA 2020
Raum, durch die wir die Missstände des Be triebs anklagen?“. Stattdessen erweiterten
– Vorgedrehte Videos sind für Publikum
wir unser Team um Verena Spilker, die eine
und Veranstalter*innen angenehmer als
wunderbar reibungslos funktionierende
Liveveranstaltungen.
Webseite für uns einrichtete, und um Júlia Kühne Éscolà, die professionell Videos für
– Um der Vereinsamung vor dem Bild-
uns drehte und schnitt. Zwischen März und
schirm entgegenzuwirken, helfen inter-
Juni kümmerten wir uns um den Versand
aktive Formate (wie eine Drama-Telefon-
von Videokameras. Um sichere oder förde
Hotline). Aber auch community-Plattfor
rungswürdige Alternativen zu den digita
men wie Gather.town und nicht zuletzt
len big playern Zoom, Telegram, Instagram
die Telegram-Gruppe zum Festivalwo
und Google Drive kümmerten wir uns
chenende konnten ahnen lassen, dass
nicht. Subversion erfordert vielleicht ganz
auch andere gerade live dabei sind.
einfach eine gewisse Expertise im Umgang mit dem Medium. Ein von vorneherein digi
Hin und wieder entdecken wir jetzt auf
tal gedachtes Festival hat hier hoffentlich
Fotos von verschiedensten Personen unse
mehr Ambitionen. Gewissermaßen aus
ren Festival-Merch wieder und sehen es als
Versehen verlegten wir uns auf das Schöne,
Zeichen: Auch 2020, wenn auch unsichtbar
Laufende – auf die Glätte, die der Bildschirm
für uns, haben mit dem PROSANOVA hun
mit sich bringt.
derte Menschen die deutschsprachige Lite ratur gefeiert.
Wie liest man im Netz? Neue Kulturräume
71
Wie führt man sein Publikum ins Netz?
Morgenland digital Von Michael Dreyer Künstlerischer Leiter Morgenland Festival Osnabrück
D
er Weg des Morgenland Festivals Osna
mischlo im kurdischen Teil Syriens nach Os
brück in die digitale Welt startete eher
nabrück und hinterließ uns alle sprachlos,
zufällig. 2009 wurde ich mit dem Praetorius-
erstmals trafen Mitglieder der NDR Bigband
Preis ausgezeichnet und der NDR drehte ein
auf Musikerkolleg*innen aus Damaskus und
kleines Porträt für das Kulturjournal. Die
Teheran und das Morgenland Chamber Or
Dreharbeiten fanden ein paar Tage vor der
chestra wurde aus der Taufe gehoben.
Eröffnung des Festivals statt. Als alle Stative und Kameras verpackt waren und das Dreh
Aus dem Filmmaterial entstand der preis
team nach Hamburg aufbrechen wollte,
gekrönte Dokumentarfilm „Eastern Voices“.
saßen wir noch kurz vor dem Kulturzentrum
Wir starteten einen YouTube-Kanal und
Lagerhalle und hörten durch die Fenster eine
stellten kurze Ausschnitte der Konzerte vor.
syrische Band, die zum Spaß „Deine blauen
2009/2010 waren diese Kanäle bei weitem
Augen“ von Ideal spielte. Die Redakteurin
nicht so allgegenwärtig wie heute und ich
traute ihren Ohren nicht. Wir blieben also
staunte nicht schlecht, als wir innerhalb
noch ein bisschen sitzen und ich beklagte,
kurzer Zeit Zigtausende Zuschauer*innen
dass wir zwar den Osnabrücker NDR direkt
hatten. Ich war begeistert, dass wir so viel
vor der Haustür hätten, dieser aber unsere
mehr Menschen erreichen konnten als über
Konzerte nie mitschneide, weil das nun mal
das Festival selber, und beschloss, diesen
nicht zu seinem Tagesgeschäft und seinen
Kanal sehr sorgfältig zu kuratieren und im
Formaten passe. Wir hatten mit Frank
Budget zu bedenken.
Scheffer einen der renommiertesten Doku mentarfilmer im Bereich Musik zu Gast,
Für mich ist dieser Kanal ein wichtiger Teil
es fehlten nur professionelle Kameras und
des Festivals geworden. Er wird uns über
Kameraleute. Die Redakteurin überlegte
leben, auch wenn das Festival irgendwann
kurz und sagte, ihr Mann sei Kameramann
einmal ein Ende finden sollte. Für Musikin
und musikbegeistert noch dazu. Sie rief
teressierte weltweit ist er eine großartige
ihn an und ein paar Stunden später war er
Quelle. Für die Musiker*innen selber bietet
da … Das war der Anfang unserer filmischen
er eine großartige Form der Präsentation.
Dokumentationen und somit auch unserer
Der uigurische Sänger Perhat Khaliq etwa
digitalen Aktivitäten.
wurde durch ihn zum ersten uigurischen Superstar in China. Über den Kanal errei
2009 war ein fantastischer „Jahrgang“:
chen wir eine Altersgruppe, die uns in den
Alim Qasimov sang so, dass Michael Boder
Konzerten oft zu rar erscheint: Die 27- bis
ihn später den Sängern der Wiener Staats
34-jährigen machen den Löwenanteil der
oper vorspielte, „um zu zeigen, was geht“.
Zuschauer aus.
Ibrahim Keivo kam zum ersten Mal aus Qa 72
Wie konnte sich dieses digitale Medium so erfolgreich entwickeln? „Morgenland“ präsentiert eine Musikkultur, die immer noch nahezu unbekannt in der westlichen Welt ist und bislang höchstens als „Weltmusik“ gelabelt ein Nischendasein führt. Unsere Projekte sind eigene Produk tionen, die wir mit demselben Respekt, derselben Liebe und letztlich auch demsel ben Budget zu realisieren versuchen wie die Top-Acts der klassischen Musikwelt. Die Musik, die wir vorstellen, ist für die meisten Hörer*innen im wahrsten Sinne des Wortes „unerhört“. Es geht um Entdeckungslust und das Teilen von Begeisterung, um kulturelle Heimat und die Belebung eines unfassbar anachronistischen Konzertbetrie bes. Das spürt das Publikum in Osnabrück und das spüren auch die Menschen an den Bildschirmen. Diese Begeisterung auch digital zu ver- mitteln gelingt dadurch, dass das gesamte Team – eben auch Kameraleute, Tontech- niker*innen und Künstlerbetreuer*innen – an dieser Entdeckungstour teilhaben. Ich bin überzeugt, dass sich immer am Ende Au thentizität, gute Musik und Liebe durchset
MORGENLANDYOUTUBE-KANAL IN ZAHLEN (STAND JANUAR 2021): 16.000 – 20.000 ZUSCHAUER*INNEN TÄGLICH 17,2 MIO. ZUSCHAUER*INNEN INSGESAMT WEITERE 5 MIO. AUF ANDEREN KANÄLEN 51.200 ABONNENT*INNEN, ETWA 1.000 NEUE ABONNENT*INNEN PRO MONAT
zen werden. Das klingt banal und kitschig, ist aber im Falle des Morgenland Festivals nicht weniger als jährlich zehn Tage geleb tes Utopia im echten Leben und tausendfach täglich ein Hauch davon im Web.
Neue Kulturräume
73
Von Stefani Theis Geschäftsführung LOT-Theater e. V.
K
eine einfache Frage, wir beantworten
größte Schwierigkeit war, den unterschied
sie für jede Produktion neu. Grund
lichen Bedürfnissen des Publikums (junges
sätzlich geht es um die Entscheidung, ob
Publikum, Pädagog*innen, Fachpublikum,
live oder eine zusammengeschnittene Auf
Eltern etc.) in einem Stream gerecht zu
zeichnung gestreamt werden soll. Letztere
werden. Das ist auch nicht immer gelungen.
hat den großen Vorteil, dass durch eine
Die drei Tage hatten einen durchgetakteten
Kameraregie ein filmisches Rohmaterial
Sendeplan mit komplexer Bild- und Tonregie
entsteht, das die Grundlage für einen der
ähnlich wie bei Livesendungen beim Fernse
Produktion dienlichen Zusammenschnitt
hen und sie endeten mit der Prämierung der
ist. Gerade bei Tanzchoreografien können
Kinder- und Jugendjury in einer Liveschal
durch die Rhythmisierung der Schnitte im
tung mit den Gruppen/Theatern, die sehr
Zusammenspiel mit Musik und Bewegung
berührend war.
die Handschriften der Choreograf*innen hervorgehoben werden.
Allgemein kann ich sagen, dass ein Live stream von unterschiedlichen Kamerapers
Beim norddeutschen Kinder- und Jugend
pektiven, der Direktheit der Spieler*innen
theaterfestival Hart am Wind bildete die
in der Interaktion mit den Kameras und mit
Grundlage ein Livestream aus dem Hart-
dem virtuellen Publikum lebt. Unsere Er
am-Wind-Studio mit unterschiedlichen
fahrung zeigt, dass Streamings seitens der
Programmpunkten, die live im Studio
technischen Betreuung, der Kameraregie
stattfanden oder per Zoom zugeschaltet
und der Kosten nicht zu unterschätzen sind.
wurden. An bestimmten Stellen des Sen
Erfreulich ist, dass wir einen Zuwachs bei
deplans
vorproduzierte
der Publikumszahl haben und sich damit
Filmbeiträge der ausgewählten Gruppen/
wurden
auch
die Reichweite der Produktionen erhöht.
Theater und der Kinder- und Jugendjury
Unser Ziel ist auch, neues Publikum zu
zugeschaltet. Außerdem gab es teilnahme
erreichen, das bisher nicht ins LOT-Theater
begrenzte Online-Workshops, die nicht im
gekommen ist oder auch kommen kann.
Livestream zu sehen waren. Intention war,
Wir können sehen, dass Streaming Zugänge
den Festivalcharakter für das Publikum an
schafft, die bisher nicht da waren. Unter
den Bildschirmen erlebbar zu machen. Die
dem Arbeitstitel „LOTflix“ bauen wir gerade an einer Streamingplattform, d. h. wir wol len uns ein Know-how an der Schnittstelle Film und Theater zulegen, wobei der Film das Theater nicht ersetzen oder einfach nur abbilden soll. Wir wollen damit mehr Lust auf Theater und weiterführende Experimen
Wie filmt man Theater? 74
Neue Kulturräume
te auch für hybride Formate machen. Parallel gilt es auch den Aspekt von Be zahlschranken beim Streaming mitzuent wickeln, damit Kunst im Netz nicht per se kostenfrei ist.
CHANGEPRO ZESSE IN LÄNDLIC HEN SOZIOKULTU RELLEN EINRICHTUN GEN Ein Gespräch mit Elke Flake, Gesche Gloystein, Karu-Levin GrunwaldDelitz und Valeska Richter Moderiert von Daniela Koß Das Gespräch wurde am 14. Dezember 2020 via Zoom geführt.
Daniela Koß: Hallo und herzlich willkommen. Ich darf Sie ganz herzlich begrüßen zu unserem digitalen Tischgespräch über Changeprozesse im ländlichen Raum. Frau Richter, Sie haben mir irgendwann im Laufe des Prozesses, als ich Sie fragte: „Was haben Sie eigentlich erreicht in der Zeit?“, geantwortet: „Wir leben noch.“ War es wirklich anfangs so schlimm? Valeska Richter: Ja, die Ausgangslage war, dass wir als kleine Initiative im Rahmen des ganzen Gorleben-Widerstandes angefangen haben und immer größer geworden sind. Aber die Strukturen sind nicht entsprechend mitgewachsen. Und es gab keine gut funktionierende interne Kommuni kation mehr, die diese Vergrößerung abgebildet hätte. Die ganzen ehrenamtlich organisierten Bereiche, alles, was mit Veranstaltungen zu tun hat, hatte keine Verbindung mehr untereinander. All das, was sonst abends beim Bier am Tresen besprochen wurde, hatte sozusagen keinen Ort mehr, an dem es jetzt hätte besprochen werden können. Und Ländliche Räume
75
dadurch kam es zu Reibereien in den Abläufen, es kam zu schwierigen Ver anstaltungskonstellationen. So lief im Kino ein Film über ein relativ schwie riges Thema, und nebenan war Party. Das war oft nicht so gut. Dann gab es große Reibereien im Büro, das in klei nen Kultureinrichtungen eine relativ wichtige Institution ist. Das Büro ist
Wie können wir diese Personalstellen überhaupt mittelfristig halten?
ßen, aber auch mit den Menschen vor Ort weiterzuarbeiten. Ziel war und ist es, im Sinne der Gründergeneration weiterzuarbeiten, aber auch die See felder Mühle weiterzuentwickeln. Mit den hauptamtlichen Stellen entstand die Frage: Wie können wir diese Per sonalstellen überhaupt mittelfristig halten? Weil eben die Finanzierung
bei uns die Eier legende Wollmilchsau.
von Jahr zu Jahr erneut sichergestellt
Wir machen Veranstaltungsplanung,
werden musste.
wir machen Abrechnung, und wir sind auch immer Ansprechpartner*in für
Daniela Koß: Ich denke, in Gronau war
alle. Es waren aber Kompetenzen nicht
das ähnlich? Herr Grunwald, wie sind
geklärt. Und da hat es richtig gekracht.
Sie gestartet?
Wir hatten aber die Hoffnung, dass wir unsere Probleme über diesen Change
Karu Grunwald: Bei uns war die große
prozess mit ein paar bezahlten Mehr
Frage: Wie kann es für die hauptamtli
stunden wieder in den Griff kriegen.
che Führung des Vereins weitergehen? Wir hatten zu dem Zeitpunkt schon
Daniela Koß: Frau Gloystein, Sie sind
zwei Jahre lang eine hauptamtliche
heute hier als ehemalige Geschäftslei
Geschäftsführung, die ich innehabe,
tung der Seefelder Mühle – sie haben
die immer nur auf befristeten Förder
vor kurzem den Job gewechselt. Sie
mitteln gefußt hatte, und wir hatten
haben den Changeprozess aber über
keine langfristige Perspektive zur
einen längeren Zeitraum begleitet.
Finanzierung der Stelle. Und gleich
Womit sind Sie gestartet?
zeitig mussten wir auch den Vorstand weiter entlasten. Die größte Frage
Gesche Gloystein: Wir hatten eigent
war also: Wie können wir langfristig
lich eine ganz ähnliche Ausgangslage.
überleben, wenn wir mehr und mehr
Die Seefelder Mühle ist auch ein lange
Verantwortung aus dem Ehrenamt ins
Jahre überwiegend ehrenamtlich ge
Hauptamt geben, aber nicht wissen,
führtes Kulturzentrum gewesen. 2013
wie wir es finanziert kriegen? Und
gab es eine erste Geschäftsführung,
dann gab’s noch andere Themen,
meine Vorgängerin. Auch dieser Verein
zum Beispiel wie können wir beim
war so groß geworden, dass er ehren
Kino eine schwarze Null am Ende des
amtlich nicht mehr zu führen war.
Jahres schreiben, oder wie finden wir
Außerdem wollten viele Ehrenamtli
überhaupt qualifiziertes Personal und
che, die vor 30 Jahren dort angefangen
binden jungen Nachwuchs im Ehren
hatten, ein bisschen weniger machen.
amt ein?
Und so entstand eine Lücke. Es war bis jetzt ein Prozess, diese Lücke zu schlie 76
Daniela Koß: Gehen wir noch mal auf
dessen Erlös dann in die Kasse des
Slam- und Singer/Songwriter-Formate
die Kombination aus Haupt- und Ehren
Kulturzentrums fließen soll. Und eben
anzubieten, was dann inhaltlich eine
amt ein. Frau Gloystein, was haben Sie
auch, die Mühlenflüsterer zu überneh
neue Richtung genommen hat, was
im Prozess getan, damit dieses Verhält
men, das ist eine Theatergruppe, die
aber auch vom Stammpublikum und
nis weiter gut Bestand haben kann,
unser Vorstand immer sehr intensiv
von den Ehrenamtlichen gut ange
und wie sind Sie mit Problemen, die
begleitet hat. Wir wollten durch neue
nommen wurde.
aufgetaucht sind, umgegangen?
Bündelung und auch neue Verantwort lichkeiten für mehr Entlastung bei
Daniela Koß: Auch in Gronau gab es
Gesche Gloystein: Wir haben im Laufe
den Ehrenamtlichen sorgen. Und das
sehr viele gestandene ältere Damen
des Prozesses erstmal analysiert,
hat tatsächlich sehr gut funktioniert
und Herren, die diesen Verein nicht
woran das Ungleichgewicht liegt. Wir
und einen neuen Drive in die Gruppe
nur aufgebaut und getragen haben,
haben viele inzwischen nicht mehr ak
gebracht. Es gab nun nicht mehr die
sondern zum Teil auch sehr stark in
tive Ehrenamtliche, die diesen Status
eine große Ehrenamtlichengruppe,
einer Person ein großes Arbeitskontin
aber auch gerne behalten möchten,
sondern vier Untergruppen, mit denen
gent gebündelt haben. Wie haben Sie,
also sich noch ein wenig einbringen
wir dann auch einzelne Treffen durch
Herr Grunwald, das neu strukturiert?
wollen, aber nicht mehr so viel. Das hat
geführt haben. Sie haben sich dadurch
sich ein bisschen unbefriedigend ange
auch mehr eingebunden gefühlt und
Karu Grunwald: Wir haben viel an
fühlt, weil man manchmal nicht mehr
wurden auch aktiver.
der internen Struktur gearbeitet, also das Organigramm neu oder erstmals
wusste, wer unterstützt jetzt wen wie. Daniela Koß: Und wie ist das Verhält
richtig aufgestellt und Arbeitsbereiche
viel Arbeit im Büro liegen. Wir sind
nis von Ihnen als junger Geschäftslei
neu definiert – vom Vorstand über die
den Prozess so angegangen, dass wir
tung zu den gestandenen Damen und
Geschäftsführung bis hin zur Be
versucht haben, alle mitzunehmen,
Herren? Sie haben im Vergleich zum
reichsleitung. Da sind wir immer noch
und wir haben uns mit Gruppentreffen
Ehrenamt relativ viel Arbeit und dafür
im Prozess. Das ist langwierig, da es so
diesem Changeprozess erstmal ange
relativ wenige Stunden zur Verfügung.
einfach ist, in alte Strukturen zurück
Und irgendwie bleibt dann doch sehr
nähert. Wir haben eine Vision und ein
zufallen. Und da gab es manchmal auch
Leitbild mit den Ehrenamtlichen for
Gesche Gloystein: Grundsätzlich war
Unsicherheiten oder Missverständnis
muliert und daraus konnte das Büro
unser Arbeitsverhältnis immer sehr
se, doch an den Stellen, wo der Prozess
die nächsten Handlungen ableiten.
gut und freundlich. Aber man hat auch
schwierig geworden ist, haben uns
Der nächste Schritt mit den Ehren
ab und zu mal ein bisschen Widerstän
immer unser Vertrauen ineinander
amtlichen war, eine neue Gruppe
de gespürt. Die waren häufig unausge
und unser großer Respekt voreinander
zu gründen. Wir hatten langjährige
sprochen. Nach dem Motto: Das haben
geholfen. Also das Wissen, dass wir alle
Gruppenleiter*innen, die teilweise
wir aber immer so und so gemacht.
mit Herzblut dabei sind. Der Verein
auch noch aktiv sind, aber eben auch
Oder: Das hätten wir eigentlich auch
kommt aus dem Ehrenamt, das heißt,
ein paar neue Interessent*innen, die
lieber weiter so behalten, aber du bist
bevor es mich als Geschäftsführung
wir in neue Gruppen eingebunden
ja die Junge, also mach mal. Das war
gab, waren die Mitarbeitenden eher die
haben. In eine Fundraising-Gruppe,
manchmal ein bisschen aufreibend,
Unterstützenden der Ehrenamtlichen.
die wir neu gegründet haben, eine
da den Mittelweg zu finden. Zum Bei
Dieses Verhältnis bewegt sich nun im
Catering-Gruppe, die sich bei den grö
spiel jüngere Formate ergänzend zu
Prozess mit einer hauptamtlichen
ßeren Veranstaltungen zum Beispiel
dem Standardprogramm anzubieten,
Geschäftsführung und einer damit
beim
Mühlenwochenende
auch wenn es ein bisschen mehr Arbeit
einhergehenden höheren Professiona
um einen Crêpes-Stand kümmert,
für uns ist. Zum Beispiel auch Poetry-
lisierung Schritt für Schritt von der
großen
Ländliche Räume
77
Unterstützung weg und
diese basisdemokratischen
als Ärztin oder Arzt, als
hört auf? Wie kriegen wir
hin zu einer Leitung der
Strukturen wiederbeleben
sonst was, und es ist ihre
junges Publikum? Wer sind
Ehrenamtlichen. Und da
möchten, wir möchten ein
Freizeit, die sie uns freund-
wir in diesem Publikum?
steckt natürlich ganz viel
mal in der Woche ein Ple
licherweise zur Verfügung
Die Bedingungen sind auf
Konfliktpotenzial drin.
num haben, wir möchten,
stellen. Sie sind natürlich
dem Land auch anders als
dass alle beteiligt sind an
mit anderen Voraussetzun-
in der Stadt. Es muss mehr
der Programmgestaltung
gen dabei und haben nicht
Gemischtwarenhandlung
Zeit,
sein. Wir können keine klar
für
abgegrenzte Zielgruppe an-
Daniela Koß: Gehen wir noch mal nach Platenlaase.
und an dem Wissen um den
die
ganze
Da ist es ein bisschen anders
Verein. Wir konnten in dem
zu
überlegen,
gelagert. Erzählen Sie doch
Prozess Kommunikations
den Verein sinnvoll ist.
noch mal, Frau Richter, wie
wege festlegen, wir konn
Und dadurch hatte die
das Haupt- und Ehrenamt
ten Verantwortlichkeiten
hauptamtliche Bürogruppe
Daniela Koß: Frau Flake,
bei Ihnen strukturiert ist.
festlegen und wir konnten
häufig einen Diskussions
Sie
auch Kompetenzen festle
vorsprung. Dadurch hatten
zähen Prozesse über einen
Valeska Richter: Wir haben
gen, also wer darf wann
wir aber auch oft Vermitt
langen Zeitraum mit un
uns im Gegensatz zu vielen
was entscheiden. Das ist ein
lungshakeleien mit denen,
endlich vielen Workshops,
anderen entschieden, kein
langwieriger Prozess und
die sich aus nachvollziehba
Austauschgesprächen und
Geschäftsführungsmodell
entsprechend
ren Gründen nicht so viel
Strategieentwicklungsplä
einzuführen. Nach wirklich
als Erfolg nach außen zu
damit beschäftigt haben.
nen begleitet. Nehmen wir
langen und auch durchaus
verkaufen. Das ist viel in
Dieser
Abstimmungspro
einmal das Thema Haupt
kontroversen Diskussionen
terne Kommunikation und
zess war sehr, sehr zäh. Ich
amt/Ehrenamt. Wie wir ge-
haben
beschlossen,
ganz viel Abstimmung. Es
finde, letztendlich hat es
rade gehört haben, wurde
die basisdemokratischen
basiert, wie Herr Grunwald
sich gelohnt. Es haben alle
das sehr strukturell ange
Tugenden
wiederzubele
gesagt hat, ganz viel auf
nachvollziehen
können,
gangen und sehr kleintei
ben. Durch die Förderung
Vertrauen, auf gegensei
warum wir das so machen.
lig überlegt, wie mit den
von sozioK_change und
tiger Akzeptanz, darauf,
Alle waren damit einver
Problemen
der LAGS hatten wir ein
dass wir akzeptieren, dass
standen. Und es tragen alle
wird. Wie wichtig ist diese
paar Arbeitsstunden mehr
Menschen anders sind und
mit. Wir haben wirklich
Vorgehensweise für einen
zur Verfügung, die sonst
dass natürlich auch Haupt-
mit allen geredet, die an
Changeprozess?
im Alltagsgeschäft nicht
und Ehrenamt sehr unter
Entscheidungsprozessen
drin sind. Wir haben eine
schiedlich funktionieren.
und an Gestaltungspro
Elke Flake: Ich habe schon
wir
schwierig
Woche was
sprechen.
haben
diese
etwas
umgegangen
zessen beteiligt sind. In
viele
mit allen Ehrenamtlichen,
Ich habe mir bezahlterwei
dieser Diskussion stellt sich
und du kommst immer auf
Menschen, die für unsere
se viele Gedanken darüber
natürlich dann auch raus,
viele, viele kleinteilige Ge
Veranstaltungen zuständig
machen können, was wir
wer wir eigentlich sind und
schichten. Es ist fast egal,
sind und die auch sonst
für eine Struktur brauchen,
was wir eigentlich wollen.
welchen Faden du ziehst,
Sachen übernehmen im
was ich sinnvoll und richtig
Kulturverein, und haben
finde. Die Menschen, die
Die
Herausforderungen,
das Thema Struktur auf,
uns zusammengesetzt und
bei
ehrenamtlich
die Frau Gloystein und
kommt immer das Thema
überlegt, wie wir weiter
engag iert sind, arbeiten
Herr Grunwald beschrei
Hauptamt/Ehrenamt rein,
machen wollen. Und haben
40 Stunden die Woche als
ben, sind natürlich auch
kommt das Thema der
dann entschieden, dass wir
Erzieher*in, als Lehrer*in,
für uns ein Problem: Wer
internen Kommunikation
Strukturgruppe
78
gebildet
uns
Prozesse
begleitet
irgendwie kommt immer
Wie finden Struktur, wir eine gutecht alles sodass das ni riftet? auseinanderd und des Vertrauens mit
wann mal haben sie dann
Kultur gäbe. Wir mussten
dazu. Wenn eine Gruppe
gemeinsam die Lösungen
ein Standing als Verein
anfangs wenig Vertrauen
gefunden, und zwar durch
entwickeln, vor allem beim
ineinander hatte, dann ist
aus auf Wegen, die nicht
Vorstand und bei den Eh
es klar, dass dieses Vertrau
die Standardwege sind.
renamtlichen, dass man für
en erstmal wachsen muss.
das, was wir hier beitragen,
Und das sind immer ganz
Daniela Koß: Gehen wir
auch um Geld fragen darf.
kleinteilige,
mühselige
noch auf das wichtige
Und im nächsten Schritt
Prozesse, die man übrigens
Thema Finanzen ein. Alle
sich zu trauen, dieses Geld
auch häufig wiederholen
Einrichtungen sind struk-
auch anzufragen. In der
muss. Das ist normal bei
turell unterfinanziert, und
Öffentlichkeit, vor der Pres-
Gruppenprozessen.
man
wün
se und gegenüber den Bür-
dann braucht es eine ganze
schen, dass die hauptamt-
germeistern zu sagen: Wir
Weile, bis ein Durchbruch
liche Tätigkeit kontinuier
haben ein Problem, uns
erzielt wird, und dann
lich nachhaltig gefördert
laufen die Förderungen
kann man hinterher sagen:
werden w ürde. Herr Grun
aus, und ab nächstem Jahr
Das hat sich gelohnt!
wald, Sie sind an dieses
haben wir ein richtig gro
Thema sehr strategisch her
ßes Problem. Das waren
Daniela Koß: Gibt es den
angegangen. Was haben Sie
zwei wirklich sehr grund
Moment, wo der Knoten
konkret getan und wie ist es
legende Schritte.
platzt?
zum Erfolg gekommen?
Und
würde
sich
Daniela Koß: Und was Elke Flake: Irgendwann
Karu Grunwald: Wir haben
haben Sie getan, dass es tat-
ist zumindest das Gefühl
uns damit beschäftigt, wie
sächlich geklappt hat?
da: Mein Gott, wir haben
viel Geld wir brauchen und
was geschafft. Und dann
woher wir es bekommen
Karu Grunwald: Ich glau
kann man den Erfolg rück
können. Da stand dann
be, offen mit der Situation
blickend an bestimmten
ziemlich schnell die Zahl
umzugehen. Wir haben Ge-
Dingen
In
15.000 Euro im Raum und
spräche gesucht mit der
Gronau haben sie sehr viel
dass unsere einzige Mög
Presse und mit unseren
geschafft. Der Durchbruch
lichkeit darin bestand, das
beiden Bürgermeistern, der
kam mit der dauerhaften
Geld bei der Stadt Gronau
Samtgemeinde
Finanzierung. Das hatten
anzufragen. Wir sind ins
Stadt. Wir haben zwei Jubi-
festmachen.
und
der
sie sich anfangs auch als
gesamt sehr strategisch
läumsjahre, das vom Kino
Ziel gesetzt und zäh daran
vorgegangen.
gearbeitet. Und in Pla
wichtigsten
tenlaase war die zentrale Frage: Wie finden wir eine
bewusstsein zu steigern.
auf uns aufmerksam zu
gute Struktur, sodass das
Zu schauen, was wir als
machen. Wir haben Presse
nicht alles auseinanderdrif
Verein alles machen und
reihen um die Veranstaltun
tet? Und irgendwann sind
wie wichtig wir vor Ort sind
gen drum herum gestrickt.
die Fragen gelöst. Irgend
und dass es ohne uns keine
Daher waren wir über an
Einer
der
und das vom Verein, dazu
Schritte
zu
genutzt, um Sonderveran
Beginn war, unser Selbst
staltungen zu machen und
Ländliche Räume
79
Sie sind quasi das Kulturamt. Und mit diesem Bewusstsein konnten sie
das Gespräch mit den Bürgermeistern und mit wichtigen Förderern gesucht und sind kontinuierlich im Austausch mit den Bürgermeistern gewesen und an der Politik drangeblieben. Also es war wirklich ein sehr gezieltes Vor gehen. Die Stadt hat auch ziemlich bald gesehen, was sie an uns hat. Wir haben auch die Zahlen aufbereitet: was wir alles leisten, wie viele Leute wir erreichen, wie hoch unser Haus halt ist, warum das alles nicht mehr nur Ehrenamtliche alleine bewältigen können und wie teuer so eine Stelle anderswo wäre. Und dann haben wir auch einfach einen guten Zeitpunkt erwischt. Daniela Koß: Dazu würde ich gerne noch Frau Flakes Meinung hören. Sie haben den Prozess intensiv begleitet und sind auch ein alter Hase in diesem Bereich, verfügen über sehr viel Er fahrung aufgrund eigener politischer Arbeit. Wie würden Sie den Erfolg in Gronau einschätzen: Gab es ein Zeit fenster? Warum war dieser Prozess gerade in Gronau erfolgreich? Elke Flake: Es gibt drei Gelingens bedingungen, die vorhanden sein müssen, oder vielleicht sind es sogar vier, wenn man sich erfolgreich durchsetzen will. Die erste ist: Ich bin überzeugt von der Sache, sodass ich sie auch mit Vehemenz nach außen vertreten kann. In Gronau waren sie hinterher selbst erstaunt, dass sie fast die gesamte Kulturarbeit organisie ren und dass es sonst gar nichts gibt. 80
In Gronau waren dass sie fast die sie hinterher selbst erstaunt, und dass es sonsgesamte Kulturarbeit organisie ren t gar nichts gibt .
derthalb Jahre wesentlich häufiger als sonst in der Presse, haben relativ früh
auch selbstbewusst auftreten. Das ist der erste Punkt. Der zweite Punkt ist Kompetenz. Und zwar Kompetenz in zwei Richtungen: Einerseits machst du gute Arbeit und bist kompetent, und andererseits wird dir auch viel zuge traut. Das brauchte der Kulturverein nicht mehr zu beweisen, das war klar. Wichtig war auch das Wissen um die Strukturen der Kommune und des Um feldes. Wir haben zum Beispiel einen ganzen Nachmittag im Internet die kommunalen Haushalte studiert, weil wir wissen wollten, wie sieht es dort überhaupt aus. Und die dritte Sache nenne ich immer das Möglichkeiten fenster. Es gibt manchmal Situationen, da entsteht ein Zeitfenster, in dem be stimmte Dinge möglich werden. Und das war in Gronau der Fall: Es war klar, es musste kulturell was geschehen. Daniela Koß: Auch bei der Seefelder Mühle gab es ein solches Zeitfenster. Sie hatten die Möglichkeit, Ihre Geschäfts stelle längerfristig für die nächsten drei bis fünf Jahre finanzieren zu kön nen. Wie ist es dazu gekommen? Gesche Gloystein: Ende 2018 waren wir auch in einer zwar nicht ganz so düsteren Lage, aber es zeichnete sich ab, dass eine bis dahin erst einmal gewährte Förderung durch den Land kreis nicht noch mal gezahlt werden sollte und auch die Gemeinde sich nicht mehr engagieren wollte. Man muss dazu wissen: Die Gemeinde trägt die ganzen Gebäudekosten, stellt uns die historische Mühle und die Neben
gebäude kostenfrei für unsere Vereins
Künstlerwohnung umgebaut worden.
Für diesen Umfang lassen sich keine
arbeit zur Verfügung und zahlt auch
Unsere Finanzierung setzt sich aus
jungen Leute mehr finden. Und jetzt
die Nebenkosten. Also man kann nicht
ungefähr 50 Prozent Fördermitglied
steht man vor der Herausforderung:
sagen, dass die Gemeinde nichts tun
schaften
haben
Wie kriege ich es hin, Nachwuchs zu
würde. Sie tut eigentlich sehr viel, aber
300 Leute, die irgendwas zwischen
finden und den Betrieb zu sichern,
eben noch nicht für die Personalkos
5 und 100 Euro jeden Monat zahlen
wenn zusätzliche Mittel fehlen und
ten. Und wir haben, als sich abzeichne
und damit ungefähr die Hälfte der
nicht erwirtschaftet werden können?
te, dass es ab 2019 wieder schwieriger
Betriebskosten und Personalkosten
werden würde, eine kleine Demo mit
decken. Und die andere Hälfte sind
Daniela Koß: Ich würde da gerne ganz
unseren Vereinsmitgliedern organi
erwirtschaftete Gewinne. Das ist alles
kurz einhaken und Frau Gloystein zu
siert und sind vors Rathaus gezogen.
nicht üppig. Und für jedes Extra fehlt
diesem Themenkomplex der abwan
Dort haben wir für die Kulturarbeit
uns eben Geld. Also diese Extrastun
dernden jungen, gut ausgebildeten
der Seefelder Mühle demonstriert.
den für Strukturarbeit, diese Extra
Führungskräfte befragen. Ich weiß,
Um es abzukürzen: Wir haben über
stunden, um mal draufzugucken. Es
dass Sie gerne in der Seefelder Mühle
mehrere Gespräche hinweg erreicht,
würden uns auch Extrastunden für
gearbeitet und dort mit viel Herzblut
dass die Gemeinde uns mit 10.000 Euro
Kommunalpolitik fehlen.
die Dinge vorangetrieben haben. Wie
zusammen.
Wir
jährlich fürs Personal fördern will.
hätten die Rahmenbedingungen für
In diese Gespräche haben wir auch
Daniela Koß: Kommen wir zu den Pro
Sie sein müssen, damit Sie geblieben
immer den Landkreis miteinbezogen
zessen und zur Prozessbegleitung. Elke
wären?
und konnten auch dort im letzten Jahr
Flake: Wie sind Ihre Erfahrungen? Was
einen Vertrag über eine Förderung
ist wichtig, in den Changeprozessen
Gesche Gloystein: Ich hätte mir ein
von 20.000 Euro jährlich abschließen.
zu beachten, vielleicht auch mit dem
bisschen mehr Perspektive gewünscht.
Das ist schon ziemlich gut, allerdings
besonderen Blick auf den ländlichen
Man bekommt immer nur Jahresver
erst einmal nur für fünf Jahre. Und es
Raum?
träge, das hat mich gestresst und auf längere Zeit hin belastet. Da hätte ich
deckt tatsächlich nur ungefähr 50 Pro zent der Personalkosten ab.
Elke Flake: Der ländliche Raum hat
mir ein bisschen mehr Verlässlichkeit
immer ein paar spezifische Bedin
gewünscht, dass zum Beispiel irgend
Daniela Koß: Wie ist das im Wendland
gungen. Erstens haben sich dort
wann eine Entfristung in Aussicht
in Platenlaase? Sie haben sich für die
Einrichtungen etabliert, die mit der
stehen könnte. Aber das kann man in
basisdemokratische Variante entschie
Zeit gewachsen und ganz stark eh
diesen Strukturen gar nicht verspre
den. Sind Sie auch finanziell unabhän
renamtlich getragen sind. Das sind
chen. Das wäre hochgradig unseriös.
gig geblieben?
bedeutsame Zentren im ländlichen Raum geworden. Allerdings mit einer
Daniela Koß: Kommen wir zum Pro
Valeska Richter: Das Haus ist vor
Ausstattung, die richtig mies ist. Wenn
zess zurück. Ich fand es sehr spannend,
30 Jahren von ein paar Leuten gekauft
es eine fest bezahlte Stelle gibt – die
zwei Institutionen, also die Seefelder
worden. Im Wendland sind Häuser
meistens auf mehrere Personen auf
Mühle und der Kulturverein Platen
zu diesem Zeitpunkt durchaus er
geteilt wird –, ist das schon fast eine
laase, haben beide einen Leitbildpro
schwinglich gewesen. Es ist in den
Luxusausstattung. Und jetzt kommt
zess gemacht. Frau Richter, Sie sind das
90ern zu einem wirklich großen Kul
nach und nach überall der Generati
mit viel Spaß und Energie angegangen.
turzentrum für unsere Gegend mit
onenwechsel. Die Gründergeneration
Was hat Ihnen dieser Leitbildprozess
Kino, Theater, Musiksaal, Büro, einem
leistet die Arbeit ehrenamtlich mit
für die Institution gebracht?
großen Café und einer Gäste- und
20, teilweise 30 Stunden die Woche. Ländliche Räume
81
Was hat Ihnen dieser ss Leitbildprozeution für die Instit gebracht?
Gesche Gloystein: Ja. Das
sisdemokratische
hat in erster Linie viel
gibt, die Einrichtung auch
Klarheit gebracht. Auch
anders organisieren kann.
bei uns waren viele der
Es funktioniert und es gibt
Dinge, die wir in den
sinnvolle Strukturen. Das
Valeska Richter: Ein biss
Workshops
formuliert
war meine schwierigste
chen mehr Klarheit, wer
haben, bereits vorher da,
Erfahrung. Normalerwei
wir eigentlich sind und wen
aber ich fand sehr schön,
se kann man sagen: Man
wir ansprechen wollen.
gemeinsam mit den ande
bringt Struktur und Ord
Anfangs dachten wir, wir
ren Hauptamtlichen wie
nung rein und irgendwann
müssen unbedingt junges
auch den Ehrenamtlichen
funktioniert der Laden.
Publikum gewinnen, wir
und dem Stammpublikum
Und das war in Platenlaase
müssen unbedingt einen
festzuhalten, was unsere
nicht erreichbar, weil es
Generationswechsel einlei
Schwächen und Stärken
nicht gewollt wurde.
Kultur
ten. Und dann haben wir
sind. Und dann zu überle
gemerkt: nein, eigentlich
gen, was können wir, wenn
Daniela Koß: Also auch das
nicht. Eigentlich haben wir
wir uns auf unsere Stär
kreative Chaos kann funk
in unserem Verein tolle
ken konzentrieren, noch
tionieren, das ist doch auch
Leute. Eigentlich haben wir
besser machen.
eine wunderbare Aussage.
witzige Formate und auch ein Publikum dafür. Klar, es
Daniela Koß: Aber eine
Valeska Richter: Ich fand
braucht natürlich trotzdem
Selbstvergewisserung, dass
es sehr schön, gerade in
auch eine Verjüngung und
man mit dem, was man
dieser Begleitung von Elke
neue Formate, aber dieses
aktuell macht, eigentlich
Flake, den Raum zu haben,
Ja zum Gemischtwarenla
genau das Richtige tut, ist
tatsächlich etwas Eigenes
den war für uns ein ganz
auch viel wert. Ich würde
zu finden. Gerade in dieser
spannender Prozess. Fest-
gerne noch Frau Flake
hartnäckigen Auseinander-
zustellen: Wir wollen ba
fragen: Was war denn Ihre
setzung darum, was für
sisdemokratisch sein, wir
größte Herausforderung?
uns der richtige Weg ist
wollen unabhängig sein,
82
und sich für uns sinnvoll
und wir wollen auch unsere
Elke Flake: Ich war immer
anfühlt, das Eigene zu
Strukturen darauf ausrich
der Meinung, irgendwann
finden.
ten, dass es so gelebt wer
braucht eine Einrichtung
den kann und so sein kann.
eine Leitung. Daher habe
Elke Flake: Und am Schluss
ich immer von Leitung
hat es sich für alle, auch
Daniela Koß: Und wie war
und
Geschäftsführung
für mich, gut angefühlt.
es in der Seefelder Mühle?
gesprochen. Ich habe mit
Aber das stimmt, wir haben
Sie haben ja zusätzlich
dem Team aus Platenlaase
uns gerieben während des
auch noch anfangs eine
in einem wirklich für mich
Prozesses. Auch das ist viel
SWOT-Analyse, also eine
langwierigen, mühsamen
leicht manchmal gar nicht
Stärken-Schwächen-Ana
Prozess gelernt, dass man,
falsch.
lyse, gemacht.
wenn es eine starke ba
gerieben, sodass es Störun
Nicht
emotional
gen gab, sondern es war
strategische
Überlegung
Sinn macht, an den Prozes
auch einiges getan, zum
ganz klar, wir waren unter
dahintersteckte. Wie ging
sen, die in der Stadt und im
Beispiel sind neue Do-it-
schiedlicher
es mit der Projektarbeit los,
Umfeld gerade wichtig sind,
yourself-Angebote ausgear
Ich wollte in eine andere
welches waren die Zielgrup
anzudocken und gemein
beitet worden. Was hat sich
Richtung als die Gruppe.
pen und was ist letztendlich
sam an einem Strang zu
über die Strukturen hinaus
dabei herausgekommen?
ziehen. So viele finanzielle
inhaltlich neu entfaltet?
Auffassung.
Valeska Richter: Ja, das
und personelle Ressourcen Karu Grunwald: Einer der
gibt’s einfach nicht. Daher
Gesche
ersten Schritte war die
lohnt es sich, die Kräfte zu
kann sagen, dass die Seefel
Daniela Koß: Das ist span-
Erkenntnis in Bezug auf
bündeln. Wir haben uns
der Mühle schon recht gut
nend. Sie alle haben an-
unser Publikum: weg von
dann ein Projekt überlegt,
vernetzt war und dass wir
stimmt.
Gloystein:
Man
fangs ähnliche Fragestel-
den Jugendlichen und den
in dem es einerseits darum
versucht haben, aktuelle
lungen entwickelt und ähn
Fokus legen auf Ü40, weil
ging, Geschichten aus den
Themen mit dem bestehen
liche Herausforderungen
das die Zielgruppe ist, die
Dörfern zu sammeln, und
den Netzwerk zu verknüp
benannt. Aber natürlich hat
unser eigentliches Publi
andererseits die Menschen
fen. Zum Beispiel in Gestalt
jede Einrichtung ihren indi
kum ist und die auch für
und Geschichten miteinan
von DIY-Workshops. Das
viduellen Weg gewählt und
eine ehrenamtliche Mitar
der zu verbinden. In der Ge
war total erfolgreich und
unterschiedliche Ergebnis
beit interessant ist. Außer
meinschaft sollten durch
hat noch mal ganz neue
se erzielt. Also letztendlich
dem arbeite ich nebenbei
das Projekt die Dörfer mehr
Leute ins Kulturzentrum
das Ergebnis, das für die
noch als freischaffender
zusammenwachsen.
geholt. Damit haben wir
Einrichtung sinnvoll und
Theater- und Schreibpäda
auch unser Verein ist daran
versucht, das etwas ange
gut war und das alle mit
goge, das heißt, ich komme
total gewachsen. Im An
staubte Image der Mühle
Und
tragen konnten. Ich glaube,
selber aus der Projekt
schluss an dieses wirklich
ein bisschen zu entstauben
das ist in Changeprozessen
arbeit. Es lag nahe, das
erfolgreiche Projekt haben
und neue Akzente zu set
besonders wichtig, dass
miteinander zu verbinden.
wir gesehen, dass plötzlich
zen. Zum Beispiel durch
jede Institution ihren ei
Und
in
viel mehr Menschen aus
die Workshops, aber auch
genen Prozess durchläuft
Gronau gerade die einzel
der Region wissen, wer wir
durch ein Ukulelenfesti
dann
wurden
und nichts von außen über
nen früher selbstständigen
sind. Die meisten finden un
val. Die Ukulele ist ja ein
gestülpt bekommt, sondern
Dörfer neu eingemeindet.
sere Arbeit gut. Und wenn
Trendinstrument und hat
wirklich ihre eigenen Wege
Da gab es Reibereien und
wir jetzt ein neues Projekt
ein unglaubliches Come
geht. Nur so kann man alle
Ängste, dass die eigene
vorstellen, haben gleich
back in den letzten drei,
mitnehmen. Und nur so
Dorfidentität verloren geht.
viel mehr Lust mitzuma
vier Jahren erlebt. Ganz
kann es letztendlich gut
Und gleichzeitig gab es von
chen. Wir werden plötzlich
viele Menschen haben im
funktionieren.
der Stadt den Wunsch, dass
als Netzwerkpunkt in der
Moment Interesse daran.
eine gemeinsame Identi
Region gesehen.
Daher haben wir das Festi
Kommen wir zur inhaltli
tät, eine Art Wir-Gefühl
chen Ausrichtung. Auch in
entsteht. Die strategische
Daniela Koß: Aus einem Pro
val Ukulele-Jamboree ins Leben gerufen und konn
haltlich ist einiges passiert.
Überlegung war, dass wir
jekt erwuchsen gleich meh
ten damit von Groningen
Besonders in Gronau wurde
uns hier beteiligen und ein
rere Folgeprojekte und es
bis Hamburg ein überregi
ein Schwerpunkt auf die
bringen. Aus der heutigen
entstand eine extrem sinn-
onales Publikum anlocken.
Projektarbeit gelegt, aber
Perspektive kann ich sagen,
volle Netzwerkarbeit. In der
Ansonsten haben wir es
in dem Sinne, dass eine
dass es auf dem Land total
Seefelder Mühle hat sich
inhaltlich
versucht
Ländliche Räume
mit 83
Poetry-Slam und Singer/Songwriter-
Im Wendland Theater zu studieren
Daniela Koß: Alle drei Vereine haben
Konzerten, was gemischt angenom
geht nicht. Und dadurch haben wir
ihre Corporate Identity überarbeitet,
men wurde.
immer diese Generationenlücke. Zwi
eine neue Website aufgebaut und den
schen 18 und 30 sind alle weg und
gesamten Außenauftritt neugestaltet,
Daniela Koß: Wie sieht es aus in Pla-
studieren, machen ihre Ausbildung
sind jetzt auch Smartphone-kompati
tenlaase? Da gab es anfangs ein vom
etc. Wenn sie wiederkommen, sind
bel. Zusätzlich gibt es Online-Booking.
Verein geliebtes Kinoprogramm, zu
sie in der Regel in der Familienphase
Frau Richter, wie ist das bei Ihnen
dem nur noch drei Leute kamen. Was
und haben eigentlich erst wieder als
gelaufen?
hat sich inhaltlich geändert?
Rentner*in richtig Zeit oder wenn die Kinder aus dem Haus sind, sich in un
Valeska Richter: Auch da haben wir
Valeska Richter: Dieses Programm,
serem Verein zu engagieren. Das ist ein
uns bemüht, ein paar von den alten Sa
wir lieben es immer noch, haben wir
Dauerproblem, das wir natürlich auch
chen mitaufzunehmen. Wir haben ein
trotzdem beibehalten. Wir haben
nicht punktuell in Platenlaase lösen
neues Logo. Die Website musste drin
ein Weihnachtsmärchen, das seit be
können. Wir haben immer wieder ver
gend überarbeitet werden. Ich finde,
stimmt 15 Jahren läuft. Wir haben Ju
stärkt junge Formate dazugenommen,
dass das alles ziemlich toll geworden
gendtheaterworkshops, auch seit über
wir haben zum Beispiel mit einer Ham
ist. Wir haben Flyer, und wir haben
zehn Jahren. Diese Formate haben sich
burger Gruppe zusammengearbeitet,
eine wunderbare Sache etabliert, die
bewährt. Es gibt im Kino ein Format,
die Partys bei uns veranstaltet hat.
heißt Groschenroman für die Dorfbe
das heißt „Politisch-ökologische Film
Wir haben viel mit politisch und so
völkerung, eine Fortsetzungsgeschich
reihe“, die wir zusammen mit der BI
zial engagierten Leuten im Landkreis
te, die in jedem Flyer erscheint. Sehr
[Anmerkung der Redaktion: Bürger
zusammengearbeitet. Wir haben eine
schön schräg. Das ist alles auch auf der
initiative Umweltschutz Lüchow-Dan
Projektreihe gemacht mit einer Grup
Website zu finden. Und die Gestaltung
nenberg] veranstalten, die gut besucht
pe, die Projekte in Afrika unterstützt.
der Website und des öffentlichen Auf
wird und auch schon viele Jahre läuft.
Zusammen haben wir ein Konzert und
tritts ist wieder im Büro verortet. Das
Und anknüpfend an diese Formate
eine Party veranstaltet und eine Info
war vorher an verschiedenen Stellen
haben wir einfach neue Partner ge
veranstaltung gemacht. Wir probieren
verteilt. Und wir hatten keinen CMS-
sucht und auch neue Gruppen, die bei
neue Akzente zu setzen, aber auch bei
Zugriff, also keinen eigenen Zugriff
uns in der Region initiativ sind, mit
den bewährten Sachen zu bleiben. Was
auf die Gestaltung unserer Website.
denen wir zusammen Veranstaltun
wir in einem sehr witzigen Change-
Wir mussten alles zum Programmierer
gen gemacht haben. Zwei Jugendliche,
Workshop rausgekriegt haben, war,
schicken, der musste es einarbeiten,
die über viele Jahre regelmäßig in den
dass unsere Coaches im Workshop
was viel Zeitverzögerung bedeutete.
Jugendclubs dabei waren, studieren
gesagt haben: Probiert es doch mal mit
Das war nicht so richtig praktikabel.
inzwischen Regie und Schauspiel, und
weniger und steckt da mehr Zeit, Ener
Das ist jetzt alles besser.
die haben bei uns ein Stück inszeniert.
gie und Herzblut rein. Das gelingt uns
Es wird tatsächlich was fortgeführt, es
nicht so wirklich gut. Es ist tendenziell
ist nachhaltig. Es ist natürlich immer
eher immer ein bisschen viel.
dasselbe Problem: Die jungen Leute, die eine Ausbildung machen wollen, müssen aus dem Landkreis rausgehen.
lem: b o r P e b l e s s a en mer d h m c i a h m c i g l r n ü u t d a l Ausbi Es ist n e n i e e n. i e d , h e e t g u s e u L a r n s e i g e ndkr a Die jun L m e d s u a en wollen, müss 84
Wir haben festgestellt, nachdem wir
Daniela Koß: Was würden Sie sagen,
Daniela Koß: Wie sieht es aktuell in
das neue CD mit großem Elan umge
wie hat sich Corona bei Ihnen aus-
Platenlaase aus?
setzt haben und uns wirklich gefreut
gewirkt? Die Pandemie ist gerade im
haben, dass auf dem Land tatsächlich
Bezug auf die Digitalisierung ein ex
Valeska Richter: Ach, heute war ein
viel über Mundpropaganda und über
tremer Beschleuniger gewesen. Alle
grausiger Tag: Leider ist unser Corona-
unser etabliertes Magazin läuft. Die
haben schnell dazugelernt und nut
Überbrückungsprojekt
Leute informieren sich darüber und
zen die sozialen Medien verstärkt.
worden. Wir hatten Umbaumaßnah
über die Tagespresse. Ja, und dass es
Wie hat sich Corona bei Ihnen aus-
men geplant, um die Zeit zu nutzen.
noch ein bisschen braucht, bis sich tat
gew irkt?
Der Antrag auf Investitionszuschuss
sächlich das Internet, Newsletter und
abgelehnt
ist abgelehnt worden. Ansonsten ist
Websites als Informationsmedium
Karu Grunwald: Sehr unterschiedlich.
es so ähnlich, wie Karu Grunwald es
durchsetzen.
Es hat Vor- und Nachteile. Wenn ich
beschreibt. Wir waren beim ersten
gute Laune habe, gucke ich auf die
Lockdown froh, dass wir unsere Mas
Daniela Koß: Das ist ja spannend.
Vorteile. Wir müssen immer noch bei
sen an Überstunden abbauen konnten.
Wie ist das bei den anderen? Frau
den Zuständigkeiten nachbessern, also
Wir haben viele, viele, viele Absagen
Gloystein, wie ist das bei der Seefel
wer bei uns was entscheidet. Und mit
schreiben müssen. Wir haben gese
der Mühle? Würden Sie das auch so
Corona gab es sehr viele grundlegende
hen, wie eng es wird für die Künstler*
unterschreiben?
Entscheidungen zu treffen. Verträge
innen, wie gerne sie auftreten wollen.
mussten neu überprüft und verhandelt
Wir haben ein sehnsüchtig an der Tür
Gesche Gloystein: Auch bei uns ist
werden, Veranstaltungen mussten ab
kratzendes Publikum. Und wir haben
die Tageszeitung noch eine sehr, sehr
gesagt oder verlegt werden. Das heißt,
natürlich auch Verantwortung für
wichtige Quelle. Ich sehe aber auch,
plötzlich sind ganz viele Entscheidun
die Gesundheit aller. Es war schon
dass unser Facebook-Auftritt und
gen bei mir gelandet, die vorher noch
sehr aufwendig, Veranstaltungen zu
unsere Homepage gut frequentiert
nicht bei mir als Geschäftsführung
machen und die Hygienemaßnahmen
werden. Im Allgemeinen sind unsere
waren, die aber eigentlich zur Ge
einzuhalten. Insgesamt hatten wir
Facebook-Nutzer ja auch schon 55, 60
schäftsleitung gehören. Und das war
ein tolles Publikum: entspannt, wo
plus. Das hat sich im Vergleich zu frü
spannend, weil wir angefangen haben,
es möglich war, und diszipliniert, wo
her gewandelt. Die Rückmeldungen
in dieser Nichtroutine eine Routine zu
es nötig war. Für uns war außerdem
sind gut, und unsere Veranstaltungs
bekommen. Ich habe nun auch endlich
großartig zu merken, dass die Netz
werbung wird wahrgenommen.
Zeit, mich mit der Geschäftsordnung
werke tragen. Wir haben keinen für
und mit den Problemen unserer Buch
große Veranstaltungen geeigneten
Daniela Koß: Wie ist das in Gronau? Da
haltung zu beschäftigen.
Außenbereich. Daher haben wir mit Raum 2, das ist ein anderer Kulturver
geht der Kartenverkauf auch über das Online-Booking. Wird das angenom
Die andere Seite ist, dass es einfach
ein im Wendland, Open-Air-Konzerte
men? Oder sind auch die alten Medien
deprimierend ist, dass alles zu ist.
veranstaltet. Die machen das einfach
noch die wirkungsvolleren?
Aktuell haben wir aber glücklicher
klasse und die haben viel Platz. Und
weise keine finanziellen Sorgen, weil
wir konnten eine Lesereihe im riesigen
wir über die institutionelle Förderung
Garten des Künstlerhofs Schreyahn
Karu Grunwald: Es ist so fifty-fifty. Mit Corona ist es allerdings noch mal
von der Stadt und über Soforthilfen,
durchführen. Die Veranstaltungen
digitaler geworden. Im Moment gibt
jetzt mit der Novemberhilfe und der
waren ausverkauft. Das war toll, dass
es mehr Online-Booking und die Leute
Dezemberhilfe ganz gut abgesichert
die Veranstaltungen so unkompliziert
haben verstanden, dass das Tagesaktu
sind. Es gab anfangs vom Landschafts
mit Hilfe unserer Kooperationspartner
ellste bei uns die Website ist und nicht
verband eine Soforthilfe für Vereine.
ausgelagert werden konnten.
der Flyer.
Damit kommen wir eine ganze Weile zurecht.
Ländliche Räume
85
Daniela Koß: Dann lenken wir den
Daniela Koß: Corona fordert uns alle
men neue Details, die geklärt werden
Blick noch einmal zur Seefelder Mühle.
heraus, fordert von allen Solidarität
müssen. Und das finde ich schön: Jetzt
und Flexibilität. Ich möchte Sie nur
kommt der zweite Changeprozess für
Gesche Gloystein: Bei uns war es
abschließend noch um ein kurzes
uns obendrauf, der noch mal ein Stück
auch von allem ein bisschen. Ich bin
Fazit in Bezug auf die Changeprozesse
mehr Professionalität mit sich bringt.
noch gar nicht auf unser Café zu spre
bitten. Sie haben alle viel gearbeitet
chen gekommen. Wir haben einen
und auch viel erreicht in dieser Zeit.
Daniela Koß: Und noch eine Abschluss
wirtschaftlichen Betrieb in unserem
Und das gerät leider in der aktuellen
frage an Frau Flake: Wir haben von
Verein. Und das Café hat unter Corona
Situation ein bisschen ins Hintertref
vielen unterschiedlichen Prozessen
wirklich gelitten. Es musste von heute
fen. Aber ich würde Sie abschließend
gehört, die auch ohne Beratung hät
auf morgen komplett schließen, gera
um eine kurze Einschätzung bitten.
ten stattfinden können. Bei der Bera
de als die Saison losgehen sollte. Auch
tung gab es immer ein strategisches
das Caféteam hat sich im Lauf des Pro
Valeska Richter: Also für uns war es
Vorgehen und auch eine relativ eng
zesses und in der Folge eines Seminars
wichtig. Es hat uns geholfen, uns zu
maschige Begleitung von Seiten der
mit Elke Flake umstrukturiert. Sie
sortieren. Und es hat uns geholfen,
Berater*innen. Wie wichtig schätzen
haben Midijobs geschaffen, um den
eine solide Grundlage für die Weiter
Sie diese Unterstützung im Prozess
mitarbeitenden Frauen aus der Umge
entwicklung zu schaffen.
ein?
zu geben, ein bisschen mehr Stunden
Gesche Gloystein: Uns hat es sehr
Elke Flake: Also ich glaube, Beratung
möglich zu machen und auch für den
geholfen, die Beratung in Anspruch
ist schon deshalb wichtig, weil jemand
laufenden Betrieb besser aufgestellt
nehmen zu können und dadurch eine
den Prozess begleitet, strukturiert
zu sein. Und das sollte im März/April
Verbindlichkeit und Kontinuität auf
und eine gewisse Verbindlichkeit der
alles richtig anlaufen. Corona war für
rechtzuerhalten. Die Seefelder Mühle
Treffen erzeugt. Ob man sich sonst
alle eine Vollbremsung und sie muss
wird sicherlich weiter daran arbeiten.
als Gruppe konstant trifft, wenn kein
ten in Kurzarbeit. Zum Glück haben
Viele Dinge, die wir dieses Jahr noch
Druck dahinter ist, da bin ich mir
wir sofort Hilfe der N-Bank fürs Café
nicht umsetzen konnten, werden
nicht so sicher. Außerdem sind der
bekommen. Damit war das Gröbste zu
dann hoffentlich im nächsten Jahr
Blick von außen und eine Moderation
bewältigen.
umgesetzt werden.
der Workshops und Gespräche oft
Für den Kulturbereich war es anfangs
Karu Grunwald: Wir haben eine Basis
im Changeprozess für sehr sinnvoll,
bung dort ein bisschen mehr Sicherheit
hilfreich. Also ich halte die Beratung eine schöne Entspannung, da wir mal
geschaffen, auf der wir die nächsten
wobei ich natürlich kein objektives
ein bisschen Luft zum Durchatmen
Jahre überleben können. Strukturell
Urteil als Beraterin abgeben kann.
hatten. Das Telefon nicht mehr ganz so
ist geklärt, wie Haupt- und Ehrenamt
viel klingelte und auch nicht mehr ganz
zusammenarbeitet, dass wir weiter Eh
Daniela Koß: Vielen Dank für das Ge- spräch!
so viele Leute mit vielen Extraanliegen
renamtliche finden müssen und dass
im Büro standen. So konnten wir uns
die Aufgabenverteilung im Moment
ein bisschen sammeln und auch den
gut funktioniert. Wir haben eine fi
Changeprozess voranbringen. Beson
nanzielle Sicherheit, die wir vorher nie
ders mit Blick auf die Homepage und
hatten. Das ist das eine. Das andere ist,
unsere geplanten Publikationen. Alles
dass wir eine Verortung der soziokul
mit der Werbeagentur zu kommunizie
turellen Projektarbeit für uns gefun
ren, braucht einfach viele Gedanken
den haben. Sie ist ein Bestandteil des
und Zeit. Daher hat uns die Situation
Vereins geworden. Und ich habe das
auch ein bisschen geholfen. Außerdem
Gefühl, dass wir auf einer neuen Ebene
haben wir Investitionsanträge gestellt,
der Professionalisierung angekommen
die auch bewilligt wurden.
sind. Wir haben durch den bisherigen Prozess so viel erreicht, und jetzt kom
86
Weitere Informationen zum Programm sozioK_change finden Sie unter http://www.soziokultur-change.de/
BIOGRAFIEN : G esche Gloys tein ist Kult u rschaf fende dem Studium hinter, neben der Szenischen und auf der Bühne. Nach Kü ns te an Oldenburgisch der Universitä e Staatstheate t Hildesheim r ha ge t es sie ans zogen. Von 20 gin für Niede 12 bis 2015 w rdeutsches Sc ar si e dort Dramatur hauspiel und in Kontak t. A kam nachhalt us dieser Täti ig mit der Re gk gionalsprach ei t entw ickelten PL ATTart-Fes e sich auch ihr tival und eine Engagement Tätigkeit als für das bis 2020 war Au to ri n und Poet ry-S sie Geschäf ts lammerin. Vo führerin des n 2017 Soziok ulture und hat vere llen Zent rum insget ragene s Seefelder M Kulturarbeit ühle im ländlichen 2020 ist sie ve rant wortlich Raum umgese für die Fachst tzt. Seit Ende Landschaft un el le Plattdeutsch d setzt eigene bei der Emslän Projek te um, dischen derung für de au ßerdem betreu n Bereich nie t sie dort die derdeutsche Kulturför Kultur.
Karu-Levin Grunwald-Delitz hat Kulturwissenschaften, Sozial- und Schreibpäda gogik studiert. Seit 2015 arbeitet er als Geschäftsführer für den KulturKreis Gro nau e. V. Dort war er maßgeblich für den Changeprozess und die Einführung der Projektarbeit verantwortlich. Neben dieser Tätigkeit arbeitet er als freischaffender Schreib- und Theaterpädagoge und ist bildungspolitisch im Bereich Geschlechter vielfalt tätig.
Valeska R ic ht er machte in den 1980er Ja bildung zur Au hren als eine der ersten Fr tomechaniker auen eine Au in in Berlin. A nfang der 19 s A ls Großstad 90er Jahre in tflücht ling zo s aufständisch g es si e ab rin des Westw er e Wendland. Heute ist sie G endischen Ku nstvereins in eschäf tsführ beim Kultur ve e Gartow und en rein Platenla gagiert sich ha ase. uptamtlich
m urelle Zent ru das soziok ult re h Ja er 80 in ehren der 19 ute A nfang s Zent rum re ba da e e rd ak u Fl w re ke er Ja h in Dr. El g mit auf. Vi häftsf ührend Braunschwei tamtlich gesc up ha e si ar Br unsv iga in 19 w 19 war sie Ab 1985 bis 20 n 1991 bis 20 n. Vo be g. ie ti tr tä be n h efi nzch d amtlic ngs- und Fina dersachsen un ziok ultur Nie a als Verwaltu ig So t sv af un ch Br ns r ei de tet, unter beitsgem der Landesar ten und beglei n ra ri be te it ra be be ar al Kultur in Region n Fragen der icklung und ffende in alle isat ionsent w ha an sc rg ur O lt r Ku de t , ha it 2006 pterstellung und zudem se in der Konze raterin ak tiv be ur lt anderem auch Ku e ei t sie als fr ssen. Heute is Changeproze g. Braunschwei Stadtrates in Mitglied des
Ländliche Räume
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2 FRAGEN AN … PEX – PERFORMIN G EXCHANGE F Ü R NIEDERSACH SEN Wie prägen die freien Darstellenden Künste die kulturelle Identität in ländlichen Räumen?
Das
soziale
Zugehörigkeitsgefühl
zur
Geschichte und Gegenwart ländlicher Regionen zu entwickeln, ist eine ständige Suchbewegung: persönlich, wandelbar – sicher nie ungebrochen. Verschiedene Formen der professionellen Darstellenden Künste siedeln sich – wenn auch rar gesät, weil dem unternehmerischen Existenzri siko ausgesetzt – von den „Speckgürteln“ bis in die „peripheren“ Regionen Nieder sachsens an und realisieren kurz- oder langfristige Kunstprojekte. Freie Theater, vom Figurentheater mit fester Spielstätte bis zum tourenden Performancekollektiv, leisten außerhalb der Ballungszentren Vielfältiges: Sie setzen sich per Open Air oder in umgebauten Kuhställen künstle risch mit Geschichte(n) und der eigenen Umgebung auseinander. Sie überschreiten die Grenzen zwischen Spielenden und Publikum und erreichen so den direkten Austausch mit den Dorfbewohner*innen.
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Sie bringen (unterrepräsentierte) ländliche Themen in die Kunst, indem sie z. B. lokale Praktiken aus den Dörfern adaptieren und in diesen Formaten künstlerisch arbeiten. Sie erzählen globale wie regionale Stoffe mit bekannten popkulturellen Motiven und sind Publikumsmagnet über den Ortskern hinaus: Die Leute aus der Stadt fahren dann für ein Kulturerlebnis hinaus aufs Land. Sich auf die Lebenswirklichkeit vor Ort zu beziehen und mit dem Publikum ein Miteinander zu kreieren, ist Anspruch und Gelingensbedingung für die freie Szene. Gelingt es darüber hinaus, den Blick über den Dorfrand zu werfen und in einer glo balisierten Welt neue Wege für ein sich veränderndes „Wir“ zu gehen, werden auch längere Wegstrecken sowohl vom Publikum als auch von den Macher*innen selbst auf sich genommen. Um dennoch Freie Theater
Welche Rolle spielen Kooperation und Mobilität in ländlichen Regionen?
auch in „entlegenen“ ländlichen Regionen zahlreicher auftreten und hier attraktive Beziehungsarbeit leisten zu lassen, müssen sie sowohl finanziell als auch durch Schlüs selpersonen vor Ort beratend besser unter stützt werden.
Ein Impuls, den PEX in die Szene geben will:
Zunächst einmal genau hinzuschauen, um
Beantwortet von
sich und die eigene Vermittlungsarbeit besser kennenzulernen. Dabei ist schon
Hannah Jacob
jetzt deutlich geworden: Die Freien Theater
Geschäftsführung Landesverband
auf dem Land schaffen künstlerische Ge
Freier Theater
sprächsanlässe auf Augenhöhe und für alle!
Niedersachsen e. V. Ländliche Räume
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… N A N E G A 2 FR G N U T STIF T H C I L I E R F M U E S MU G R E B E K E I AM K Welche Bedeutung haben Museen in ländlichen Regionen?
Museen in ländlichen Räumen können sich – weit über ihre zentralen Museumsaufgaben hinaus – eine vielgestaltige Bedeutung erar beiten. Das Interesse der Bewohner*innen ist in vielen Orten vorhanden, es muss jedoch aktiv befördert werden. Museen können mit ihrem Umfeld wirken und als Kulturort für gemeinsame Kulturarbeit stehen, als Ort für regionale Kreativität, Wissenstransfer und Begegnung. In einem sich seit längerem wandelnden Umfeld im ländlichen Raum können sie sich zu einem nichtkommer ziellen Raum entwickeln, der bestenfalls gemeinschaftsbildend für Besucher*innen, unabhängig von Alter, Geschlecht, Herkunft oder Bildungsstand, wirkt. Der Erfolg: Der* Die klassische teilnehmende Besucher*in wird zum*zur Kollaborateur*in. Hier gilt es, aus Museumssicht eine Grenze auszuloten: Wie viel Freiheit kann die Institution zulas sen, wie viele Restriktionen muss sie (z. B. aus konservatorischer, museumsethischer, ausstellungsdidaktischer Sicht) einsetzen?
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Peripherisierungs- und Marginalisierungs phänomene auf der einen, zunehmende Siedlungstätigkeit auf der anderen Seite ver ändern traditionelle Gemeinschaftsstruktu ren in Dörfern und fördern eine Anonymität und Austauschbarkeit. Museen können zur Identifikation mit dem Lokalen beitragen, zur Gemeinschaftsbildung. So können sie zum Beispiel Treffpunkt sein, an dem unterschiedlich interessierte Menschen au ßerhalb bestehender, symbolisch exkludie
Wie können Museen die Transformation des ländlichen Raums mitgestalten?
render Gruppen aufeinandertreffen – zum reinen Plausch, für kreative Projekte oder die Verwirklichung gemeinschaftlicher Ideen. Museen können aber auch Image träger sein – für den einzelnen Ort, aber auch für den ländlichen Raum an sich. Die positive Wahrnehmung und Anerkennung von außen unterstützt die Identifikation mit dem Ort, hält Fachkräfte und Gewerbe oder zieht sie an und wirkt nachhaltig positiv in die Gemeinschaft.
Ein Beispiel aus dem Mühlenmuseum Moisburg, einer Außenstelle des Freilichtmuseums am Kiekeberg
Das Mühlenmuseum in der historischen Wassermühle im Dorfkern des kleinen Ortes Moisburg eignet sich ideal als nichtkommerzieller Treffpunkt. Seit 2018 hat sich ein ehrenamtlich organisierter, platt deutscher Kaffee-Nachmittag vor allem für die älteren Menschen aus der Region etabliert: der Moisburger Mühlenschnack. „Muttersprachler*innen“ laden jeden Monat interessante Gäste ein, die zu einem Schwer- punktthema referieren, auf Platt singen oder aus eigenen Büchern lesen. Die Themen wer
Beantwortet von
den anschließend als Anregung genutzt – für ausführliche Gespräche bei Kaffee und
Marion Junker
Kuchen.
Stabsstelle PR + Marketing Ländliche Räume
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… N A N E G A 3 FR G N U T STIF M I E B R E T L E W Z R A H Die Stiftung vereint die Stärken des Weltkulturerbes im Harz. Welche Vorteile bringt die Kooperation?
Zur Entwicklung des Weltkulturerbes im Harz haben sich unter dem Dach der Stiftung Bergwerk Rammelsberg, Altstadt von Goslar und Oberharzer Wasserwirtschaft (Stiftung Welterbe im Harz) maßgebliche Stakeholder zusammengeschlossen. Die Stiftung hat als primäre Aufgabe das Ziel der Erschließung und Vermittlung des Welterbes. Zum Welterbe im Harz gehören zahlreiche kleinere Museumseinrichtungen, die vor dem Hintergrund einer Ressourcen- und Finanzausstattung, die lediglich den All tagsbetrieb abgedeckt, ohne das TRAFOProjekt nur schwierig in der Lage gewesen wären, konzeptionelle Überlegungen oder Planungen anzustrengen oder in die Tat umzusetzen. Von besonderer Bedeutung war zudem, dass mit dem Projekt Finanzzuweisungen von Kommunen für den Regelbetrieb der Einrichtungen verbindlich und auf eine Zeitdauer fixiert festgelegt werden konnten.
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Die bestehenden Erinnerungsorte der Indus triekultur sind als der Versuch der Rekon struktion einer ehemaligen Arbeitswelt aus der Subjektivität der lokalen Akteur*innen heraus zu verstehen. Bei der Transformation zu Vermittlungs orten ging es um einen konzeptionellen
Wie konnte der Wandel zu Vermittlungsorten gelingen?
Ansatz, der unter Herausarbeitung von Alleinstellungsmerkmalen der Einzelein richtungen, der Verwendung von repräsen tativen Exponaten und der Hinzufügung museumspädagogischer Experimente die Wahrnehmungsform der Gegenwartsgene ration mit dem Wissen vergangener Genera tionen verknüpfen sollte.
Der Wandlungsprozess der kulturellen Orte wurde im Kontext eines engmaschi gen Partizipationsprozesses mit lokalen Akteur*innen, Schüler*innen sowie unter schiedlichen Vereinsstrukturen realisiert. Teile der Akteur*innen begriffen die Welt erbeeinrichtungen schon vor Prozessablauf als Teil ihrer Identität, andere, wie etwa Schüler*innen, begannen sich zunehmend mit den Objekten zu identifizieren.
Welche Rolle spielen die Kulturorte für den Identitätswandel der Region?
Deutlich wurde, dass die Institutionen als faktisch „generationsübergreifende Beglei
Beantwortet von
ter“ angesehen wurden.
Gerhard Lenz M. A., Geschäftsführer/Stiftungsdirektor Ländliche Räume
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D N U E H C I L T F A H C S T WIR N E T A D E H C RECHTLI
Die Stiftung Niedersachsen wurde 1987 als Stiftung bürger
Seit ihrer Gründung hat die Stiftung 3.500 Projekte mit
lichen Rechts mit Sitz in Hannover gegründet. Sie fördert
116,7 Mio. Euro gefördert. 2020 wurden 4,7 Mio. Euro für
Kunst, Kultur, Bildung und Wissenschaft in Niedersachsen
Förderz wecke ausgeschüttet.
und trägt mit der Unterstützung von Projekten Dritter und eigenen Programmen zur Entwicklung des Landes im Inter
Gemäß ihrer Satzung verwaltet die Stiftung auch Zuwen
esse des Gemeinwohls bei.
dungen, die mit einer besonderen Zwecksetzung versehen sind. Durch die Übernahme solcher treuhänderischer
Zum 31. Dezember 2020 betrug das Stiftungskapital 56 Mio.
Stiftungen unterstützt sie mit ihren Erfahrungen privates
Euro. Es ist im Wesentlichen in festverzinslichen Wertpapie
auf Gemeinwohl bezogenes Engagement. Mit der Konrad
ren und A ktien angelegt. Im Eigentum der Stiftung befinden
Liebmann-Stiftung, die ein umfangreiches Dürer-Konvolut
sich zusätzlich Kunstwerke im Wert von 7,4 Mio. Euro.
umfasst, und der Richard und Dietrich Moderhack-Stiftung, die die Forschung zur niedersächsischen Landesgeschichte
Neben den Erträgen aus dem Vermögen in Höhe von
fördert, befinden sich zwei treuhänderische Unterstiftun
1,0 Mio. Euro partizipierte die Stiftung im Jahr 2020 gemäß
gen in der Obhut der Stiftung Niedersachsen.
dem Niedersächsischen Glücksspielgesetz an der Glücks spielabgabe in Höhe von 4,8 Mio. Euro.
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R E D N E I M GRE N E S H C A S R E D E I N G N STIFTU 2020
Präsident
Senat
Dr. Gunter Dunkel
Michael Becker Prof. Dr. Ulrike Beisiegel
Generalsekretärin
Dr. Jan B. Berentzen
Lavinia Francke
Heinz-Günter Bongartz Maria Bruns
Verwaltungsrat
Edelgard Bulmahn
Dr. Gunter Dunkel, Präsident
Dr. Gunter Dunkel
Edelgard Bulmahn, Vizepräsidentin
Lavinia Francke
Jörg Waskönig, Schatzmeister
Kirsten Gerberding Prof. Dr. Yasemin Karakaşoğlu Dr. Thomas Köhler Dr. Karl-Hinrich Manzke Belit Onay Prof. Dr. Susanne Pfleger Monika Schnetkamp Dr. Annette Schwandner Björn Thümler Prof. Dr. Thomas Vogtherr Jörg Waskönig
Die Stiftung Niedersachsen
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M U S S E R P M I Geschäftsstelle der Stiftung Niedersachsen Lavinia Francke | Generalsekretärin Monika Drees | Stiftungssekretariat Dr. Gesa Schönermark | Musik, Literatur, Wissenschaft und Bildung Daniela Koß | Theater und Soziokultur Dr. Tabea Golgath | Kunst und Museen Katharina Nitsch | Presse und Kommunikation Dr. Matthias Dreyer | Leiter Verwaltung Claudia Thiesing | Assistentin Verwaltung Sieglinde Prüßner | Sachbearbeiterin Verwendungsnachweise (bis Juni 2020) Gabriele Kranz | Sachbearbeiterin Verwendungsnachweise (seit Juni 2020) Tanja Scheimann | Projekt- und Verwaltungsassistentin
Stiftung Niedersachsen
Digitalisierung der Bildstrecke
Sophienstraße 2 | Künstlerhaus
Rüdiger Lubricht Fotografie, Worpswede
30159 Hannover Telefon: +49 (0)511 9 90 54-0
Realisation
Telefax: +49 (0)511 9 90 54-99
Dievision · Agentur für Kommunikation GmbH, Hannover
info@stnds.de | www.stnds.de Druck Redaktion
Gutenberg Beuys Feindruckerei GmbH, Langenhagen
Katharina Nitsch Auflage Korrektorat
730 Exemplare
Wieners+Wieners GmbH, Ahrensburg Redaktionsschluss Transkription Gespräche sozioK_change
27. Januar 2021
Stefanie Saier, Berlin Papier Umschlag: Papiersorte Rives Design (natur), Innenteil: Munken Pure (gelblichweiß)
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E S I E W H C BILDNA
Fotografen: Klaus Dierßen, Hildesheim und Ditmar Schädel, Kevelaer Orte, in denen die Fotografien zwischen 1991 und 1995 aufgenommen wurden: S. 44/45: Klaus Dierßen | Wernigerode S. 46/47: Ditmar Schädel | Quedlinburg S. 48/49: Klaus Dierßen | Nordhausen S. 50/51: Klaus Dierßen | Magdeburg S. 52/53: Klaus Dierßen | Quedlinburg S. 54/55: Klaus Dierßen | Magdeburg S. 56/57: Ditmar Schädel | Sangerhausen S. 58/59: Ditmar Schädel | Berlin S. 60/61: Klaus Dierßen | Wernigerode S. 62/63: Ditmar Schädel | Zarrentin S. 64/65: Ditmar Schädel | Quedlinburg Alle Abbildungen aus: Klaus Dierßen, Ditmar Schädel: DANACH UND DANACH. Texte von Dieter Lüttge und Jan Berg Im Buchhandel erhältlich ISBN 3-922469-88-4 Die Stiftung Niedersachsen
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Künstlerhaus | Sophienstraße 2 | 30159 Hannover Telefon: +49 (0)511 9 90 54-0 | Telefax: +49 (0)511 9 90 54-99 www.stnds.de | info@stnds.de