Tunsel – Schmidhofen Das Kirchle
ein Kirchenführer
Felix und Nabor
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Vorwort
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iebe Besucherin, lieber Besucher,
sehr herzlich begrüßen wir Sie im Schmidhofener Kirchle Felix und Nabor. Wir freuen uns über Ihren Besuch und über Ihr Interesse. Unsere Vorfahren haben mit großer Begeisterung und viel Freude zur Ehre Gottes und im Vertrauen auf die Fürsprache der Heiligen Kapellen und Kirchen erbaut. So auch unser wundervolles Kirchle Felix und Nabor. Als nachfolgende Generationen haben wir die Verantwortung, diese Kulturgüter zu pflegen und zu erhalten. Seit 1987 trägt der Kirchenbauverein St. Michael Tunsel ideell und finanziell dazu bei, die Pfarrkirche St. Michael und die Maria Hilf-Kapelle in Tunsel sowie das Kirchle Felix und Nabor in Schmidhofen zu renovieren. Leider können wegen des Priestermangels heute nicht mehr regelmäßig hl. Messen in Schmidhofen gefeiert werden. Wortgottesdienste und Andachten finden statt. Sehr gerne wird die besondere Atmosphäre auch bei familiären Anlässen wie Hochzeiten, Taufen usw. genutzt. Seit vielen Jahrzehnten übernehmen Irma und Bernhard Pfefferle mit größtem Engagement und inniger Verbundenheit ehrenamtlich alle Arbeiten „im und um’s Kirchle“. Dafür sagen wir ihnen ein besonders herzliches Vergelt’s Gott. Frau Brigitte Winterhalter sind wir außerordentlich dankbar, dass sie uns mit diesem Kirchenführer das Kirchle Felix und Nabor und die damit eng verbundene Geschichte des Ortsteiles Schmidhofen vorstellt. Wir wünschen Ihnen viel Freude beim Lesen und Erkunden. Kirchenbauverein St. Michael Tunsel
Helmut Schillinger Vorsitzender
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Erste Erwähnungen
n den Urkunden des Heilig-GeistSpitals Freiburg wurde Schmidhofen 1295 erstmals erwähnt. Acht Bauernhöfe zählte der Weiler um 1850, die sich in der Folge auf dreiundzwanzig erhöhten. Noch Mitte des letzten Jahrhunderts hatte Schmidhofen um die hundert Einwohner. Durch die Erschließung neuer Baugebiete sind es bis heute etwa zweihundertfünfzig Bewohner. Seit frühester Zeit zählte der Weiler zum Hauptort Tunsel und somit bis zur Säkularisation im Jahre 1806 zu den Besitzungen der Benediktinerabtei St. Trudpert Münstertal. Damals war der Breisgau, sowie Teile des Elsasses und der Schweiz Besitztum des Hauses Habsburg. Diese Gebiete wurden Vorderösterreich oder die österreichischen Vorlande genannt.
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In einer mit dem kleinen Stadtsiegel versehenen Urkunde vom 9. August 1363 aus der offenen Ratsstube der Stadt Freiburg wurden dem Weiler Schmidhofen die Holznutzungsrechte in den Waldungen des Klosters St. Trudpert bestätigt. Als Abgabe an die Klostermönche erbrachten die Bewohner Schmidhofens vornehmlich Honig und Bienenwachs. Aus dem Jahre 1370 existiert ein Kaufvertrag, in dem auch das Schmidhofener Kirchle erwähnt ist. Lange Zeit hatten die Schmidhofener ihren eigenen Friedhof um das Kirchle. In Tunsel wurden für die Filialkirchengemeinde zeitweise eigene Standesbücher geführt.
Eine Filialkirche (Succursalkirche oder Lokalie) ist ein als Nebenkirche einer Hauptkirche existierendes Kirchengebäude (lat. Filia = Tochter)
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Die Patrone
ie Patrone des Kirchles, Felix und Nabor, waren römische Soldaten in Afrika, die aufgrund ihres christlichen Glaubens im Jahre 302 unter der Christenverfolgung des römischen Kaisers Diokletian in Lodi den Märtyrertod erlitten. Sie gelten als Nothelfer für Ohrenleidende. Ihr Namenstag ist der 12. Juli. Es scheint, dass die Verehrung der Patrone Felix und Nabor aus St. Avold in Lothringen über Straßburg und St. Trudpert nach Schmidhofen kam. Die Gebeine der Märtyrer brachte der heilige Ambrosius 386 nach Mailand, von wo sie mit den Reliquien der heiligen drei Könige nach Köln kamen – dort liegen sie im Dreikönigsschrein des Doms.
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Die Wallfahrt
uf die Fürsprache der heiligen Felix und Nabor sollen sich zwei Wunderheilungen in Schmidhofen ereignet haben: 1716 und 1726 erlangten Zunftmeister Johann Hering aus Breisach und Pfarrer Johann Baptist Metzger aus Gündlingen, die beide unter Taubheit litten, ihr Gehör wieder. Diese Heilungen brachten so viele Wallfahrer nach Schmidhofen, dass das Kirchle zu klein wurde. Abt Paul II Ehrhardt von St. Trudpert ließ daher Ende März 1759 sechs Maurer von Bregenz kommen, um eine neue größere Kapelle zu errichten. Bis zum 4. April war das alte Kirchle abgerissen und das neue nach den Plänen des Steinhauermei-
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sters Johannes Gänswein aus Pfaffenweiler, im barocken Stil bereits bis zur Chilbi am 12. Juli wieder aufgebaut. Das Wappen dieses Abtes, der von 1770 bis zu seinem Tod 1791 im Tunsler Pfarrhaus residierte, ist über dem Torbogen zum Chor im Innenraum des Kirchles zu sehen. Es zeigt die Bischofs(Abt) mütze, den Bischofsstab und das Schwert des Apostels Paulus, sowie den Habsburger Löwen und die Linde, die sich auch im Tunsler Dorfwappen befindet. Zur Verpflegung der Pilger ließ Abt. Paul II Ehrhardt im Jahre 1764 das Gasthaus zum Storchen gegenüber dem Kirchle erbauen. In unmittelbarer Nähe des Kirchles liegt der ehemalige Widumhof, in welchem sich eine Schuhmacher- und Schmiedewerkstätte befanden. Das kleine Gebäude existiert noch und ist zu einem Wohnhaus ausgebaut. Ein Haken an der Eingangstür erinnert noch an
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Die Wallfahrt
diese Zeit. Diese Werkstätten bezeugen eine enge Verbindung zu den Pilgern, die hier ihre abgelaufenen Schuhe besohlen und ihre Zugtiere beschlagen lassen konnten. Anfang des neunzehnten Jahrhunderts wurden die Wallfahrten durch die Reformen des Habsburgerkaisers Josef II auch in Vorderösterreich auf ein Minimum reduziert. Offizieller Wallfahrtstag zum Schmidhofener Kirchle war nur noch der 12. Juli. Die Tunsler Gläubigen pilgerten bis etwa 1965 jedes Jahr am Markustag, dem 25. April, frühmorgens in einer Prozession mit Kreuz und Fahnen nach Schmidhofen, wo vom Ortspfarrer die Messe gelesen wurde. Mit einem Festgottesdienst und anschließendem Hock im Kirchhof, ausgerichtet von der Schmidhofener Feuerwehr, wird auch heute noch jedes Jahr die Schmidhofener Chilbi am Sonntag vor oder nach dem 12. Juli gefeiert.
Weitere Baugeschichte
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ie 1688 gegossene Glocke tat bis 1852 ihren Dienst und wurde dann durch die jetzige neunzig Pfund schwere Glocke ersetzt. Bis heute wird jedem Schmidhofener Verstorbenen mit dieser Glocke das Scheidzeichen geläutet. Seit 1995 eine elektrische Läuteanlage eingebaut wurde, wird auch zu den Betzeiten geläutet. Im Jahre 1905 haben Maurermeister Alois Burget, Zimmermeister Hermann Späth, Blechnermeister Emil Sahl, Malermeister Josef Schätzle und Glasmacher Josef Stritt für 2.097,82 Mark das Kirchle renoviert und das Türmlein vollkommen erneuert. Neu ausgemalt wurde der Innenraum 1911 durch Malermeister Franz Ranft. Seit 1958 hat das Kirchle durch Spenden der Schmidhofener Bürger eine eigene Weihnachtskrippe. Zur Schmidhofener Chilbi 1959 konnte die dringend fällige Außenrenovierung unter vorbildlicher Mitarbeit der einheimischen
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Bevölkerung fertiggestellt werden und man feierte ein großes Fest zum zweihundertsten Jubiläum in den Gärten gegenüber des Kirchles. 1971 wurde dann das Kirchle nochmals innen restauriert, und 1982 fand eine notwendige Außenrenovierung statt. Außerdem bekam der Innenraum ein neues Gestühl und eine neue Treppe zur Empore. Der barocke Kreuzweg, der auf dem Kirchenspeicher lag, wurde wieder angebracht. Zur Chilbi 2006 erhielt das Kirchle einen Volksaltar.
Als Volksaltar bezeichnet man den frei stehenden Altar in katholischen Kirchen, an welchem sich der Priester bei der Eucharestiefeier den Gläubigen zuwendet (versus populum), so dass diese sich als um den Altar versammeltes Volk erfahren.
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Führung durch das Kirchle
Der Hauptaltar r stellt die Kreuzabnahme Christi dar. Schmerzerfüllt nimmt Maria ihren toten Sohn in die Arme. In ihrem Leid wird sie von Jesu Lieblingsjünger Johannes tröstend gestützt. Maria Magdalena hält die Hand ihres dahingeschiedenen Herrn. Rechts im Bild liegen die drei Kreuzigungsnägel und die Dornenkrone, sowie die Tafel mit der Kreuzesinschrift des Pilatus „INRI“ (Jesus Nazarenus, Rex Judaeorum - Jesus von Nazareth, König der Juden).
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Haupt- und Seitenaltar
Die Statuen der Patrone Felix und Nabor thronen rechts und links des Altarbildes. Im Auszug des Altars erblickt man den heiligen Dunstan, Erzbischof von Canterbury. Dieser englische Primas hatte große Bedeutung für die Klosterreform in England und auch am Oberrhein. Wahrscheinlich wurde er in Schmidhofen als dritter Ohrenpatron gewählt, denn er deutet auf dem Bild mit einem Finger auf sein blutendes Ohr (siehe Seite 4). Zwischen Altarbild und Auszug ist wiederum das Wappen des Abtes Paul II Ehrhardt als vergoldetes Schnitzwerk angebracht.
Die Seitenaltäre Auf dem linken Seitenaltar (Bild oben) begegnen dem Betrachter noch zwei weitere Nothelfer bzw. Nothelferinnen. Die heilige Odilia als Patronin der Augenkranken trägt auf einem Buch ihre erblindeten Augen. Und die heilige Appolonia mit der Zange als Fürbitterin für die Zahnkranken.
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Der rechte Seitenaltar ist dem heiligen Benedikt und der heiligen Scholastika geweiht. Benedikt gründete das berühmte Kloster auf dem Monte Casino und starb dort im Jahre 542. Er gilt als Mitbegründer des abendländischen Mönchtums. Auch St. Trudpert war, wie bereits erwähnt, eine Benediktiner-Abtei. Benedikts Ordensregel „Ora et labora“ (bete und arbeite) sowie Seßhaftigkeit, Armut, Keuschheit und Gehorsam, hat bis heute Bedeutung für das Ordensleben in Europa. Für seine Schwester Scholastika erbaute Benedikt ein Nonnenkloster in unmittelbarer Nähe seines Klosters. Das Altarbild dieses Seitenaltars stellt die Gewitterszene aus der Benediktlegende dar. Papst Gregor erzählt in seinen Aufzeichnungen über den heiligen Benedikt: Eines Tages besuchte der Ordensmann seine Schwester Scholastika in ihrer Klosterzelle. Sie beteten den ganzen Tag. Als es Nacht wurde, wollte sich Benedikt auf
Der rechte Seitenaltar
den Heimweg in sein Kloster machen. Scholastika bat ihn inständig über Nacht bei ihr zu bleiben, da sie fühlte, dass es sein letzter Besuch vor ihrem Tod sein sollte. Die benediktinische Ordensregel schreibt jedoch vor, niemals über Nacht seinem Kloster fernzubleiben und Benedikt wollte sich trotz ihrer Bitten verabschieden. Da bat Scholastika inständig, Gott möge doch ein Unwetter schicken, damit der Bruder sie nicht verlassen konnte. Und so geschah es. Ein schweres Gewitter ging nieder, sodass Benedikt nicht aufbrechen konnte. Erst am Morgen kehrte er zurück. Drei Tage später verstarb Scholastika. Benedikt sah von seiner Zelle aus ihre Seele in Gestalt einer Taube zum Himmel fliegen. Daher wird die heilige Scholastika stets mit einer Taube dargestellt.
Die Schnitzarbeiten der Altäre werden dem Bildhauer Johann Michael Hartmann zugeschrieben, der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts in Südwestdeutschland mehrere Kirchen mit seinen Schnitzwerken bestückte. Er starb 1810 vermutlich in Spirzen bei St. Märgen.
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Die Deckengemälde
Die Deckengemälde Im Chor ist der Erzengel Michael, der mit dem Feuerschwert die bösen Engel und die Schlange besiegt, abgebildet. Die Offenbarung des Johannes berichtet in Kapitel 12, Vers 7 bis 9: Da erhob sich ein Kampf im Himmel. Michael und seine Engel kämpften mit dem Drachen. Gestürzt wurde der große Drache, die alte Schlange, die den Namen Satan trägt, der den ganzen Erdkreis verführt; er wurde hinabgestürzt auf die Erde, und seine Engel wurden mit ihm gestürzt. Somit stellt diese Darstellung die Verbindung zur Hauptkirche in Tunsel dar, die das Patronat des heiligen Michael trägt.
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Im Deckengemälde des Kirchenschiffes befindet sich die eindrucksvolle Szene der Bekehrung des Paulus aus der Apostelgeschichte Kapitel 9, Vers 3 bis 30. Mit den Worten „Saule, Saule“ beruft Christus Saulus als Paulus in seine Nachfolge. Zu Tode erschrocken stürzt der in römische Rüstung gekleidete Paulus mit seinem Gefolge, zu Boden. Die Pferde bäumen sich auf und können nur mühsam gehalten werden. Dieses Motiv findet sich auch auf dem Deckengemälde im Schiff der Klosterkirche St. Trudpert, die ursprünglich den Aposteln Petrus und Paulus geweiht ist.
Informationen über die Deckeneckbilder finden Sie auf der Klappseite 17.
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Impressionen
Die Deckengemälde
n den Ecken der Decke des Schiffs zeigen vier Medaillons berühmte Kirchenlehrer. Über der Empore Papst Gregor , der das Leben des heiligen Benedikt dokumentierte und den heiligen Hieronimus mit seinem Atribut, dem Löwen. Vorne im Schiff sind der Bischof Ambrosius und der heilige Augustinus mit dem flammenden Herz dargestellt.
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Der Grundriss
Deckengemälde Altarraum Seite 12
Hauptaltar Seite 8
Linker Seitenaltar
Rechter Seitenaltar
Seite 9
Seite 10
Deckengemälde Hauptraum Seite 13
Empore
Eingang Nord
Über den Seitenaltären befanden sich die Darstellungen des Herz-Jesu und des Herz Mariä als Waldgemälde (siehe Seite 3), die jedoch bei einer Renovierung, vermutlich 1971 übermalt wurden.
Impressum
Herausgeber: © im Juli 2010 Kirchenbauverein Tunsel e.V. Geschichtliche Recherchen / Texte: Brigitte Winterhalter Fotos / Layout: Johannes Klatt TypoGrafik