Nukleare Kohlevergasung in Zeiten knapper Energiereserven? Künstliches Erdgas und Benzin aus Kohle und Hochtemperaturreaktorwärme. Reinhard Storz, Gasthörer Mittwoch, 14. November 2007 Vortragsraum der USB Köln Die Arbeiten, über die hier berichtet wird, wurden sowohl vom Bundesministerium für Forschung und Technologie als auch vom Wirtschaftsministerium des Landes NRW gefördert.
Wie alles begann: 1973
1. Öl(preis)krise
1977
2. Öl(preis)krise
Folgen: Fahrverbot für Kraftfahrzeuge. Wanderer und Radfahrer auf Autobahnen; Später Geschwindigkeitsbeschränkung 100km/h auf den Autobahnen. Die deutsche Wirtschaft geriet in ernste Schwierigkeiten.
Suche nach Ausweg: Regierung und Wirtschaft suchten nach Abhilfe. Besinnung auf Stein- und Braunkohle als heimische Energieträger um von OPEC - Öl unabhängiger zu werden. Forschungsministerium beauftragte Fachleute damit, die verschiedenen Kohleveredelungsverfahren zur Vergasung- und Verflüssigung von Braun- und Steinkohle auf Wirtschaftlichkeit zu untersuchen. Basis: Techniken in Deutschland vor 1945 und in Betrieb befindliche Anlagen im Ausland sowie in absehbarer Zeit mögliche Weiterentwicklungen.
Empfehlung der Fachleute: Für die Kohleveredelung werden erhebliche Wärmemengen bei Temperaturen von ca. 900°C benötigt. Autotherme Verfahren, bei denen ein Teil der Kohle verfeuert wird um aus dem anderen Teil Gas oder Treibstoff herzustellen, wurden wegen Kohlemangel nicht befürwortet. Stattdessen wurde empfohlen, die erforderliche Wärme für die Kohleveredelung von Hochtemperaturreaktoren erzeugen zu lassen.
Wärme aus dem Hochtemperaturreaktor Der Heliumgekühlte KugelhaufenHochtemperaturreaktor AVR war zu dieser Zeit in Jülich schon viele Jahre in Betrieb. Zunächst wurde er mit einer Kernaustrittstemperatur von 850°C, später dann mit 950°C betrieben. Das Helium wurde in einem oberhalb des Reaktorkerns angeordneten Dampferzeuger direkt wieder heruntergekühlt. Der dabei erzeugte Dampf wurde zur Stromerzeugung genutzt. Höchste Temperatur in der Dampferzeugerwand zwischen Helium und Wasserdampf beim AVR war ca. 650°C.
Einleitung 3
Einleitung 3
Einleitung 3
Empfohlene Verfahren: Empfohlene Kohleveredelungsverfahren:
Wasserdampfvergasung von Steinkohle und
Hydrierende Vergasung von Braunkohle. Die bei diesen Verfahren aus Kohle entstehenden Produkte könnten dann zu Methan (Erdgas), Benzin, Dieselöl, Heizöl, Methanol etc. weiterverarbeitet werden und auf diese Weise das knappe Mineralöl beim Heizen, im Verkehr und in der Industrie und Chemie ersetzen.
Prototypanlage Nukleare Prozesswärme Um einheitliche Planungsgrundlagen zu haben wurde das Projekt
„Prototypanlage Nukleare Prozesswärme“ definiert und jeweils ein Fließschema und ein verbindlicher Datensatz bezüglich Temperaturen, Drücke, Massenströme usw. für die verschiedenen Kreisläufe der beiden Kohleveredelungsverfahren festgelegt.
Prototypanlage Nukleare Prozesswärme
Hochtemperaturreaktor mit Wasserdampfkohlevergasungsanlage (vereinfachte Darstellung) Hoch950°C temperatur 40bar Reaktor
Helium Wärmetauscher
Rohgas 900°C
WasserdampfKohlevergaser Prozessdampfüberhitzer
Abfall 200°C 43,5bar
292°C PrimärkreisHeliumgebläse
Steinkohle
SekundärkreisHeliumgebläse
Dampferzeuger
Prototypanlage Nukleare Prozesswärme
Hochtemperaturreaktor mit hydrierender Kohlevergasungsanlage (vereinfachte Darstellung)
950°C 40bar
RSO
Rohgas
Braunkohle
H2 + CO
Hydrierende Kohlevergasungsanlage
HTR CH4 DE
292°C PrimärkreisHeliumgebläse
H2O
Abfall
G
Projektpartner Bergbauforschung, Essen
●
Rheinische Braunkohlenwerke, Köln
●
Forschungszentrum Jülich
●
Hochtemperatur Reaktorbau, Mannheim
●
GHT / Interatom, Bergisch Gladbach
●
Nukem, Hanau, Brennelementeentwicklung
●
Eidgenössisches Institut für
●
Reaktorforschung, Würenlingen /Schweiz Gebrüder Sulzer, Winterthur, Schweiz
●
Was zu Beginn noch fehlte: Zu Beginn des Projektes wurde auf vielen Gebieten Neuland betreten. Es fehlten beispielsweise: ➔geeignete Werkstoffe für den vorgesehenen Temperaturbereich, ➔Schweiß- und Prüfverfahren für diese nicht erprobten Werkstoffe, ➔Festigkeitskennwerte für die Berechnung der Komponenten und Bauteile, ➔Kenntnisse über das langzeitige Korrosions- und Kriechverhalten im vorgesehenen Temperaturbereich.
Was zu Beginn noch fehlte: Auch die besten metallischen Werkstoffe haben bei 950°C nur noch etwa ein Zehntel der Festigkeit, die sie bei 750°C haben. Da Helium die Oxidschichten auf den Metalloberflächen reduziert kommt es bei Berührung von unbehandelten Metallflächen zu Kontaktverschweißen. Potentiell gefährdete Flächen müssen daher beschichtet werden. Geeignete Beschichtungsverfahren mußten entwickelt und erprobt werden.
Pragmatisches Vorgehen Durch Extrapolation erster Ergebnisse aus der Werkstoffentwicklung wurden Annahmen getroffen, die erreichbar erschienen und auf Basis dieser Annahmen wurden erste Entwürfe für die Komponenten angefertigt. ●Sicherheitstechnische Schlüsselfragen wurden vordringlich bearbeitet. ●
Man war sich einig, dass alle Komponenten und Bauteile unter repräsentativen Bedingungen erprobt werden müssen, bevor sie mit einem Reaktor verbunden werden dürfen. ●
Pragmatisches Vorgehen Dringende Schlüsselfragen wurden in einem Sicherheitssofortprogramm bearbeitet: Ein Sicherheitskonzept für den Umgang mit explosiblem Gas am- und im Reaktorgebäude wurde erarbeitet. ●Konzepte für prüfgerechtes Konstruieren wurden erstellt . ●Die Machbarkeit der Wirbelstromprüfung von 40m langen Wendelrohren wurde erprobt. ●
Die Beherrschbarkeit der Tritiumdiffusion wurde nachgewiesen. ●
Beispiele für beteiligte Industriefirmen ●
Balcke – Dürr, Ratingen / Neubeckum
U- Rohr Zwischenwärmetauscher und Heißer Sammler. ●
L & C Steinmüller, Gummersbach
Wendelrohr- Wärmetauscher, Röhrenspaltofen und Dampferzeuger. ●
Thyssen Edelstahlwerke
Hochtemperatur- Werkstoffentwicklung. ●
Mannesmann Forschungsinstitut
Hochtemperatur- Werkstoffentwicklung. ●
Sigri Elektrographit, Meitingen
Graphit und CFC. ●
Didier, Wiesbaden
Sonderisolierung. ●
Lurgi, Frankfurt
Verfahrenstechnik.
Erprobung der Komponenten Art- und Umfang der erforderlichen Erprobung wurden zwischen den beteiligten Stellen im Detail abgestimmt. (z.B. rechnerische Auslegung HeliumWärmetauscher auf 983°C bei 52,6 bar.) Es wurde schon zu Beginn der Arbeiten deutlich, dass eine repräsentative Erprobung in Helium bei hohen Temperaturen wegen der langen Fertigungsdauer der Testkomponenten, der aufwendigen Instrumentierung und der hohen Kosten nur der letzte bestätigende Schritt sein könnte.
Erprobung der Komponenten So wurden Strömungstechnische-, Schwingungstechnische- und Vermischungsuntersuchungen zunächst in einem Windkanal mit Luft bis zu Drücken von 6 bar an preiswerten Blech- oder Kunststoffmodellen mit geringem Aufwand bezüglich Instrumentierung und Versuchsbetrieb durchgeführt. Fragestellungen, die nur durch Experimente in Helium beantwortet werden konnten, wurden zunächst in kleinerem Maßstab experimentell untersucht.
Erprobung der Komponenten Zum Abschluss kam dann die experimentelle Erprobung in repräsentativem Maßstab bei Betriebsbedingungen. Dazu wurden bei den Projektpartnern die erforderlichen Versuchseinrichtungen geschaffen, die hier nur beispielhaft genannt werden können: Wasserdampfkohlevergasungs- Versuchsanlagen bei der Bergbauforschung in Essen. ●
Anlage zur Erprobung der hydrierenden Vergasung von Braunkohle bei Rheinbraun in Hürth. ●
Anlage zur Erprobung des Röhrenspaltofens in der KFA (heute Forschungszentrum Jülich) ●
Großanlage zur Erprobung der Erdbebensicherheit bei HRB in Jülich. ●
Erprobung der Komponenten Inzwischen waren während der geschilderten Arbeiten einige Jahre vergangen und die Werkstoffentwicklung hatte Ergebnisse erarbeitet, aus denen man bei Einsatz der besten Werkstoffe durch Extrapolation ableiten konnte, dass die meisten Komponenten und Bauteile für 40 Jahre Lebensdauer, davon 32 Vollastjahre, ausgelegt werden könnten. Nur bei den Helium- Wärmetauschern war nicht sicher, ob dieses Ziel zu erreichen sei. Möglicherweise hätte man nach der halben Lebensdauer des Reaktors diese Apparate erneuern müssen.
Erprobung der Komponenten Auch die Entwicklung der Schweiß- und Prüftechnik sowie der Beschichtung von Oberflächen gegen Verschweißen hatte die gesetzten Ziele erreicht. Daraufhin wurden die Testkomponenten im repräsentativen Maßstab in Auftrag gegeben, gefertigt, mit der erforderlichen Instrumentierung versehen und für die Erprobung bereitgestellt. Vordringlich war die Erprobung des sogenannten Heißen Sammlers im KVK bei Interatom, um die Rechenprogramme, die das Werkstoffkriechen im Hochtemperaturbereich beschreiben, in großem Maßstab zu überprüfen und abzusichern.
Erprobung der Komponenten Bei Interatom in Bergisch Gladbach wurde zur Erprobung einer Vielzahl metallischer- und keramischer Bauteile, auf die im Folgenden näher eingegangen wird, der Komponenten- VersuchsKreislauf KVK mit einer Leistung von nominal 10MW errichtet und zunächst im Einkreisbetrieb betrieben, später arbeitete er dann, zur Erprobung der Helium Wärmetauscher im 2- Kreisbetrieb. Das Helium wurde gezielt mit geringen Mengen an Fremdgasen dotiert um einer Kohlenstoffverarmung der Werkstoffe im Hochtemperaturbereich entgegenzuwirken. Kontrolle der Effektivität dieser Maßnahme durch Beprobung während des Betriebes.
Erprobung der Komponenten
Erprobung der Komponenten
Erprobung der Komponenten
Erprobung der Komponenten
Erprobung der Komponenten
Erprobung der Komponenten
Erprobung der Komponenten
Erprobung der Komponenten
Erprobung der Komponenten
Erprobung der Komponenten
Erprobung der Komponenten
Erprobung der Komponenten
Fertigung des U- Rohr Wärmetauschers im Reinraum bei Balcke-Dürr in Neubeckum
Erprobung der Komponenten
Erprobung der Komponenten
Erprobung der Komponenten
Erprobung der Komponenten
Erprobung der Komponenten
Erprobung der Komponenten
Erprobung der Komponenten
Erprobung der Komponenten
Erprobung der Komponenten Die bisher gezeigten Komponenten wurden erfolgreich bei Interatom im Komponentenversuchskreislauf KVK erprobt. Im folgenden Bild ist der von Interatom konzipierte und von der Firma Steinmüller gebaute Röhrenspaltofen während der Fertigung in Gummersbach zu sehen. Dieser Röhrenspaltofen wurde nach seiner Fertigstellung in der EVA II – Anlage im Forschungszentrum Jülich, gemeinsam mit Rheinbraun, erfolgreich erprobt.
Erprobung der Komponenten
Fertigung RSO im Reinraum bei Steinmüller in Gummersbach
Erprobung der Komponenten
Testdauer einiger Komponenten: 10MW U-Rohr Wärmetauscher 10MW Wendelrohr Wärmetauscher Heißer Sammler Primärkreis Heißgasleitung Primärkreis Kompensator Sekundärkreis Heißgasleitung Bogen für Sekundärkreis Heißgasleitg Heißgasventil DN200 Heißgasventil DN700 Heißgas Kugelhahn 10MW-Dampferzeuger Röhrenspaltofen
4.700 h 5.300 h 7.100 h 10.100 h 5.300 h 10.600 h 10.100 h 12.000 h 5.300 h 5.300 h 16.000 h 13.000 h
Erprobung der Komponenten Nach erfolgreichem Abschluss der Erprobung wurden die Testkomponenten in die Herstellerwerke zurücktransportiert, zerlegt und dabei von Fachleuten der beteiligten Projektpartner in allen Einzelheiten inspiziert. Auch dabei wurden keine Hinweise auf Schwachstellen gefunden, die bei einem längeren Betrieb zu Schäden hätten führen können. Die für die nukleare Kohlevergasung erforderlichen Komponenten waren also im Verlauf von 15 Jahren einsatzbereit gemacht worden, womit das Ziel des Forschungsprogramms erreicht war und dieses endete, indem die Ergebnisse dokumentiert und veröffentlicht wurden.
Das Ende des Programms Auf der Basis der nun erprobten Technik fußende Wirtschaftlichkeitsberechnungen zeigten, daß mit Reaktorwärme aus Kohle hergestelltes Benzin an der Tankstelle zwischen 1,70 und 1,80 DM kosten würden. Darin war noch keine Mineralölsteuer enthalten. Da Erdöl und Erdgas in ausreichender Menge zu akzeptablen Preisen verfügbar waren, bestand in Deutschland kein aktuelles Interesse an dieser Technik.
Ich habe für interessierte eine Liste mit Literaturhinweisen zu diesem Thema vorbereitet, die ich als e-mail Anhang verschicken könnte. Ich bedanke mich für Ihr Interesse und Ihre Aufmerksamkeit und stehe für Fragen zur Verfügung.