Fotos: Jörg Preis /photoschmie.de
Liebe Mum, lieber Dad, dieses Board ist bei 120 km/h von Bongs Kombi geflogen. Bong fand‘s lustig und dem Rest der Crew war es egal. Ich habe mir dann von einem Local ein Board geliehen und es leider gesnapped. Jetzt schulde ich dem Kerl 600 US-Dollar. Er ist 2, 10 Meter groß und hat vor nichts und niemandem Angst. Schickt bitte so schnell es geht 800 US-Dollar an mich, c/o Bluff Caravan Park. Die zusätzlichen 200 US-Dollar brauche ich für seinen Schmerz und sein Leiden (so sagt er jedenfalls). Ich stimme ihm in diesem Punkt zu. Vergesst nicht, dass ich nur 1,58 Meter groß bin. Verkauft meine „Tracks“-Sammlung, wenn ihr müsst. Ausgenommen Volume 22 mit den Fotos von Pamela Andersons „Ihr-wisst-schonwas“. Maurice
Geschickt „Es ist nie zu spät, wie Jesus mal alle Zehn hängen zu lassen...“ Für Eltern ist so gut wie alles, was ihre Kinder anstellen, ein zweischneidiges Schwert. Einerseits ist Surfen natürlich toll, weil die Kids von der Straße sind, sich körperlich betätigen, die Natur genießen und dabei auch noch fremde Kulturen kennen lernen. Andererseits entziehen sich die Kinder dem nicht-surfenden Elternpaar im Wasser, können sich verletzen, von Haien und Monsterwellen gefressen und nach einem durchsoffenen Abend mit den anderen Groms am frühen Morgen interkulturelle Konflikte an der eigenen Haut erleben, wenn sie bekifft auf den Hausaltar des indonesischen BackpackerHotels pinkeln. Damit sich seine Eltern nicht so große Sorgen machten, schickte der 15-jährige Maurice seine alten Boards, beschrieben mit aufmunternden Botschaften von seiner ersten großen Reise an der Westküste Australiens nach Hause an die Ostküste. Ein munterer Brief-Board-Wechsel auf australische Art. Lieber Reverend, erinnern Sie sich daran, wie Sie uns früher in der Sonntagsschule erzählt haben, dass Jesus übers Wasser läuft? Welche Überraschung, dass man vor kurzem bei einer archäologischen Ausgrabung ein versteinertes, aber komplett erhaltenes Malibu Surfboard gefunden hat. Natürlich liegt es nahe, dass das DER Stick ist, den Jesus an jenem historischen Tag benutzt haben muss. Man geht davon aus, dass Jesus´ Vater Josef – bekanntermaßen Schreiner von Beruf – diese epische 9,2er Gun geshaped hat, die jetzt in der Basilika in Rom gelagert wird. Natürlich darf nur der Papst darauf surfen. Nach eingehenden Studien der Malereien Michaelangelos in der Sixtinischen Kapelle haben sich nun Wissenschaftler und Theologen darauf geeinigt, dass Jesus wohl ein Natural-Footer war und nicht Goofy stand. Auch haben die Herren Wissen schaftler neue Textpassagen in der Bibel entdeckt, die eindeutig darauf hinweisen, dass Jesus nichts mehr liebte, als an einem sonnigen Tag surfen zu gehen und mit seinen Jüngern Brot und Fische an seinem Lieblingsstrand zu teilen. Deswegen bitte ich Sie, lieber Herr Reverend: Tun Sie der Welt einen Gefallen und kaufen Sie sich ein 9,6er Malibu und fahren runter zu einem Spot, den wir Cactus nennen. Es ist nämlich nie zu spät, wie Jesus alle Zehn mal hängen zu lassen... ▶
TIDE˜42
▼
▲ Liebe Mum, lieber Dad, bitte setzt euch, bevor ihr weiter lest. Sitzt ihr? Ich habe 150 Stiche in meinem Bein und Rücken von einer Barrel mit acht Fuß. Ein verwildertes Mädchen aus Tasmanien pflegt mich – und sie bekommt ein Kind von mir. Sie hat nur sieben Tattoos (eins davon im Gesicht). Ihr Vater kann zu unserer Hochzeit aus dem Gefängnis kommen, wenn ihr das Haus als Sicherheit beleiht. Ich sollte in sechs Monaten wieder laufen können. Ihr Vater wird euch einen Brief schreiben, um alles zu erklären. Er hat zwar lebenslänglich bekommen, darf aber bei Familien angelegenheiten raus (gut was?). Bevor ich weitermache, solltet ihr wissen, dass nichts von dem gerade Erwähnten wahr ist. Dafür habe ich mir ein Tattoo stechen lassen und verglichen mit der Geschichte von oben ist ein Tattoo wirklich keine große Angelegenheit. Mum, es sieht so aus... Nein, keine Angst Mum, es ist nur ein Rotkehlhüttensänger und es ist auf meinem Hintern. Also wird es auch keiner sehen…
▲ Mein lieber Sohn, stelle dich bitte auf den Kopf und flüstere, während du das hier liest. Alle guten Philosophen und Surfer behandeln ihre Körper wie Tempel und nicht wie Reklametafeln. Deine Mutter und ich würden lieber ein Rotkehlchen in den Bäumen anschauen als deinen Hintern... Wie dem auch sei, wir bewundern deine Vorstellungskünste, mit denen du uns versuchst Angst einzujagen... War es Nat oder Albert Einstein, der mehr oder w eniger meinte: „Vorstellungskraft ist wichtiger als Wissen.“? Nutze also dein Talent „Vorstellungskraft“ und tue Gutes. Ganz nebenbei: Deine Mutter hat einen alten T opfreiniger und eine Flasche Allesreiniger hier auf dem Regal für deine Rückkehr bereitgestellt. Ich denke, den Flo hat ihr Onkel Wally ins Ohr gesetzt, als er ihr von Methoden der Tattoo-Entfernung im Krieg erzählt hat (es muss Hölle weh tun). Bells lief gestern bei 8 bis 10 Fuß. Irgendein Kaufhaus-Surfer droppte „old Joe“, als der gerade in der Tube steckte. Das letzte, was ich von „old Joe“ gehört habe, war, dass er den Surfer immer noch mit einem Samurai-Schwert durch Torquai verfolgt. Einer von den japanischen Touris dachte, dass „old Joe“ einer der letzten vermissten Kriegsgefangenen sei. Meine Philosphie ist: Wenn du es dir vorstellen kannst und du mit deinem Herzen daran glaubst, dann kannst du es auch machen. Niemand weiß genug, um Pessimist sein. Mein Sohn, denk dran: Was du von dir selber hältst, ist weit mehr als alle anderen von dir halten. Denk immer positiv, es ist immer ein 6- bis 8-Fuß-Swell in der Nähe...
▲ Mein lieber Sohn, mir sind noch drei Dinge eingefallen, an die du während deiner Reisen immer denken solltest: 1. Das Meer ist das Zuhause der Haie. Bleib also nicht länger als vorgesehen (auf jeden Fall vor Dunkelheit raus aus dem Wasser)! 2. Über 50 Haiarten sind vom Aussterben bedroht. Wenn dein Leben allerdings in Gefahr ist – kill the sucker! 3. Haie werden von tierischen Nebenprodukten angezogen. Vermeide es also in den Wetsuit zu pinkeln (nicht mal einen Tropfen). Es ist schön zu hören, dass du abgesehen von den Haien eine gute Zeit hast. Dein Bruder ist immer noch besser als du, obwohl er weder dein Talent noch dein Genie hat. Arbeite also an deinen Cutbacks und Re-Entrys und nicht an dem G lauben, wen du schlagen kannst. Deine Mutter ist eine großartige Rasenbowlerin, weil sie hart an sich arbeitet und nicht, weil sie all die anderen alten Schachteln locker in die Tasche steckt. Ganz nebenbei: Vergangene Nacht habe ich mal w ieder meine 9,6er Gun abgestaubt und mich daran erinnert, wie ich damit einen geilen Drop auf der größten „son-of-a-bitch“Welle bei Bells bei 15 Fuß, einem leichten On-Shore Wind, Sonnenschein und nur vier Jungs im Wasser, gestanden habe. Das hättest du sehen sollen. Dein alter Vater....
TIDE˜43
Mum + Dad, das ist echt ein heißes Board. Ich habe es auf dem PenongSchuttplatz gefunden und mich gefragt, wer wohl dieses Board gesurft hat und wer auf das konkave Tail gekommen ist, lange bevor es Standard wurde. Mann, Dad! Ich liebe das Surfen und werde nie vergessen, dass du es mir beigebracht hast. Vielen Dank noch mal dafür.... Ich werde auch nie den Tag vergessen, an dem du mich bei Bells mit aufs Wasser genommen hast. Es hatte 8 Fuß und ich war erst 12 Jahre alt und Mum wurde ein bisschen wild danach und war ein paar Wochen böse auf dich, weil ich mir fünf Rippen gebrochen habe, als ich auf meinem Board landete. Dank dir war ich in der Schule ein Held. Erinnerst Du dich noch an die Tage, als wir zusammen bei Winkipop raus gepaddelt sind und es dann bis zu 10 Fuß hoch wurde, so dass wir bis zu Cowards Corner runter paddeln mussten. Damals sagtest du noch, dass ich das niemandem weiter erzählen dürfe und schon gar nicht meiner Mutter, da sie sich sonst von dir scheiden lassen würde. Oh, Mann. Das waren die guten alten Zeiten. Jetzt bin ich schon 15 2/3 Jahre alt und schlau genug, um mit den Locals bei Cactus auszukommen. Die meisten Touris droppen ja den Locals rein (nur einmal). Ja, die lernen es auf die harte Tour. Einer von den Touris wurde nackt auf der Hauptstraße gefunden. Er war an einen Pfosten gebunden und trug ein Schild um den Hals: „Ignorance is not a bliss in Catctus.“ Er ist so was wie eine Wiedergeburt von Jesus Christus und kümmert sich jetzt um die hiesige Kirche... Ich habe die Dings mit einem Kreuz markiert. ▼
Dieses Board ist nicht mehr zu reparieren. Dead, bitte versuch es also nicht wieder. Und das Auge des Hais. Mum, keine Angst, ich bin okay. Liebe Mum, lieber Dad, ich bin am Freitag in Magret River angekommen. Am Samstag hat der Hai das Board angeknabbert (dafür habe ich ihm das Auge aus dem Leib gerissen). Ich habe mich schließlich nicht bis ans obere Ende der Nahrungskette gekämpft, um dann von einem Hai gefressen zu werden. Dad, ich habe das linke Auge des Hais? Hast du das gesehen? Von jetzt an werde ich immer vier Eisennägel in mein Board stecken, um auf der sicheren Seite zu sein. Auf dem neuen Board gehe ich voll ab und rechne damit, dass ich Kelly Slater endlich schlagen werde: Egal wann, egal wo... solange es nicht über 10, 8, 5, 3 Fuß hat. Hast du vergessen, dass du ein schlechtes Gedächtnis hast, Dad? Schick mir mein Taschengeld, schnell! Love, Maurice ▼
▲ Liebe Eltern, schickt 5000 US-Dollar in nicht n ummerierten 5-Dollar-Scheinen an die „Anhänger der Erweckungsbewegungs-Kirche in Penong“ oder Ihr Sohn wird in der Hölle schmachten. Er v erehrt einem falschen Gott Namens „Occy“. Ihr Sohn bezeichnet sich selbst als Grommet. Welch e iner teuflisch, endzeitstimmungs-freakigen Kirche gehört Ihr Sohn nur an? Sobald ich das Geld habe, kann ich den Teufel aus ihm austreiben und ihn dazu bringen, die Wahrheit zu erkennen. Surfen ist böse. Es korrumpiert die Jugend. Ihr R everend Twitt.
TIDE˜44
Liebe Mu, lieber Da, der Cousin zweiten Grades von Midget Farely hat mir dieses Board für 50 US-Dollar verkauft. Es gehörte mal einem GunSurfer, den er getroffen hat. Der hieß Jerry Lopez und surfte Pipeline. Dad, ist der irgendwie mit deinem Lieblingssänger Trini Lopez verwandt? Du meintest früher immer, dass Trinis lateinamerikanische Musik deinen Donnerkeil auf Trab bringt. Was passierte mit Jerry? Ist er so fett geworden wie Onkel Wally? Gibt er vielleicht Surf-Unterricht? Hat er eine Homepage im Internet? Wie kann ich ihn kontaktieren? Macht er auch Yoga? Der Kneipenwirt vom Penong Hotel meinte, dass er einen Job als Schankkellner haben könnte, wenn er mit mir hier bei Cactus leben möchte. Lass mich wissen, was er vorhat. Love, Maurice ▼
▲ Liebe Mum, lieber Dad, das ist mein Held: Occy, Occy, Occy, König, Gott, Prinz – alles in einem. Wer sonst könnte so fett sein (220 Kilogramm), dann ein Comeback starten und World Champion werden? Er ist die Nummer 1. Hey Dad, kannst du mir eine Jacke wie die von Occy kaufen? Ich liebe Occy. Er hat mich so sehr begeistert, mit Surfen weiter zu machen, obwohl meine Freundin „Pepper“ mich für einen blöden „New-Age-Grommet“ verlassen hat. Vergangene Woche habe ich den „Cactus-Contest“ gewonnen. Seitdem habe ich eine Menge neuer Freundinnen. Dank Occy. Love Maurice.
▲ Lieber Maurice, dieser Mann war mein Held, als sich so alt war wie du: Duke Kahanamoku, der 1912 der Welt das Surfen zeigte. Der Duke begeisterte mich so sehr im Jahre 1965, als er im Alter von 71 Jahren noch 1000 Liegestütze machte, dann von Pipeline rüber nach Waimea in nur zweiStunden schwamm, dort dann 25-Fuß-Wellen surfte, wieder zurück nach Hause schwamm und für den Rest des T ages wieder Lifeguard war. Für mich war er genauso eine Legende wie dein Occy. Love, Dad Ihr könnt mich unter www.cactus.com erreichen.
TIDE˜45