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ZUSATZBLATT 2
Aufbaumodule 2011/2012 Tagesseminar: Mit JUGENDlichen GEMEINDE gestalten
Moduli di approfondimento 2011/2012 Seminario giornaliero: Progettare il COMUNE con i GIOVANI 29.01.2011 Brixen/Bressanone
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Mit JUGENDlichen GEMEINDE gestalten: Inhalte des Tagesseminars am 29.01.2011 in Brixen "Eine starke Demokratie lebt von der Lust miteinander zu reden, sich zu streiten, nach Lösungen zu suchen, immer in der Überzeugung, dass es sich lohnt, das Miteinander-Leben zu verbessern". Raingard Knauer
Stimmungsbild des Tagesseminars Zum Tagesseminar meldeten sich 17 GemeindepolitikerInnen an, von welchen 15 an der Veranstaltung teilnahmen. Die TeilnehmerInnen reisten aus vielen Landesteilen Tirols und Südtirols an: Reutte, Kufstein, Osttirol, Innsbruck-Land, Vinschgau, Pustertal und Eisacktal. Die TeilnehmerInnen wurden vom Referenten Peter Egg in die Welt der Mitbestimmung und Beteiligung von Jugendlichen eingeführt und verbrachten einen spannenden Tag zusammen. Peter Egg ist seit 21 Jahren im Bereich Partizipation tätig und hat zahlreiche Kinder- und Jugend-Projekte für Gemeinden durchgeführt. Als Ausgangspunkt für seine Ausführungen dienten die unterschiedlichen und doch ähnlichen Lebenswelten der GemeindevertreterInnen, denen in einer ausführlichen Vorstellungsrunde Raum gegeben wurde. Die Erfahrungsberichte, Anliegen und Problemstellungen der einzelnen TeilnehmerInnen bereicherten die Runde und eröffneten den Betrachtern neue Blickwinkel für ihre Gemeinde. Das Hauptaugenmerk von Peter Egg lag darin, den GemeindepolitikerInnen etwas mitzugeben, das sich aus keinem Buch erlernen lässt, allerdings sich allzu oft als entscheidend für das Gelingen von partizipativen Vorhaben erweist: nämlich die innere Haltung darüber was Mitbestimmung und Teilhabe im Detail bedeutet. Dabei fielen Stichworte wie: "Heartbeat of participation”, dem Herzschlag oder auch natürlichen Ablauf eines Beteiligungsprozesses, so Peter Egg. Einem Herzschlag entsprechend ist ein Partizipationsprozess von vielen Höhen und Tiefen und auch Ruhephasen gekennzeichnet. Als eine der zentralsten Eigenschaften des/r Gemeindepolitikers/in erweist sich den Phasen entsprechend zu reagieren. Zu dem Zeitpunkt wenn Jugendliche mitgestalten möchten und ein Beteiligungsprozess in Gang gesetzt wird, ist der/die Gemeindepolitiker/in gefragt. Er/sie muss sehr schnell z.B. die Rahmenbedingungen für die Durchführung des Prozesses schaffen. Überdies ist ein gewisses Durchhaltevermögen von Bedeutung, um auch die Ruhephasen und Tiefen, die als natürlicher Teil solcher Prozesse gesehen werden können, "auszuhalten“.
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Was bedeutet Kinder- und Jugendbeteiligung? Kinder- und Jugendbeteiligung bedeutet die verbindliche Einbindung von Kindern und Jugendlichen in Entscheidungsprozesse, von denen sie mittelbar oder unmittelbar betroffen sind.
Peter Egg geht es hauptsächlich um den politischen Aspekt der Beteiligung, der unter dem Begriff der Mitbestimmung gefasst wird. Für ihn stellt die Einbindung von Kindern und Jugendlichen insbesondere in politische Entscheidungen einen wesentlichen Schritt in Richtung “Demokratisierung der Gesellschaft” dar. Eine funktionierende Demokratie braucht Beteiligung und Mitbestimmung sowie engagierte Menschen und Rahmenbedingungen, die dieses Engagement ermöglichen. Wenn wir von jungen Menschen fordern, aktive, engagierte und politisch eigenständig denkende Menschen zu werden, dann müssen wir auch die Basis dafür schaffen – durch demokratische Beteiligung von klein auf. Kinder und Jugendliche reden mit, gestalten mit und bestimmen mit – ausgehend von ihrem Lebensumfeld, über die Schule sowie Kinder- und Jugendräume bis hin zu Planungen in Gemeinden, Stadtteilen und Regionen. Partizipation heißt: Demokratie gestalten, Demokratie leben.
Was bewirkt Kinder- und Jugendbeteiligung? Kinder und Jugendliche erleben durch ihr Mittun Veränderungen und machen dadurch die Erfahrung von Selbstwirksamkeit: • Das Engagement junger Menschen wird gefördert • Die Identifikation mit der Gemeinde, der Schule usw. wird gestärkt • Kinder und Jugendliche erwerben demokratische Kompetenzen • Die Eigen- und Mitverantwortung junger Menschen erhöht sich • Erwachsene lernen die Ideen, Visionen und Bedürfnisse von jungen Menschen kennen • Die Lebensqualität aller Beteiligten steigt • Die intergenerative Kommunikation wird verstärkt • PolitikerInnen und EntscheidungsträgerInnen treten in direkten Kontakt mit Kindern und Jugendlichen • Finanzmittel werden gezielter eingesetzt, Fehlplanungen vermieden
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Welche Formen der Beteiligung gibt es? Projektbezogene Formen Hier beteiligen sich Kinder und Jugendliche an einem bestimmten Projekt, zeitlich und thematisch begrenzt, z.B. bei der Planung eines Jugendzentrums/-treffs, bei der Dorfplatzgestaltung usw. Offene Formen Hier beteiligen sich Kinder und Jugendliche bei Interesse punktuell, bringen ihre Ideen ein, äußern ihre Kritik, z.B. in Jugendforen, BürgermeisterInnensprechstunden, Befragungen usw. Parlamentarische Formen Hier beteiligen sich Kinder und Jugendliche im Rahmen einer institutionalisierten, strukturell verankerten Form über einen längeren Zeitraum hindurch. In Tirol und Südtirol werden unterschiedliche Begriffe für diese Formen verwendet: Kinder- und JugendgemeinderätInnen, JugendbeirätInnen, Jugend(gemeinde)teams, Schulparlamente, Jugendlandtage, Kinder- und Jugendparlamente usw. Alltägliche Formen (Alltagspartizipation) Hier beteiligen sich Kinder und Jugendliche an der Gestaltung ihrer Lebenswelten (zu Hause, in der Schule, im Jugendzentrum, am Arbeitsplatz). Mitbestimmung junger Menschen ist dabei durchgängiges Arbeitsprinzip und gehört zur Alltagskultur. In der Praxis findet Kinder- und Jugendbeteiligung oftmals in einer Kombination der unterschiedlichen Formen statt!
Welche Qualitätskriterien der Jugendbeteiligung gibt es? Erwachsene ProzessbegleiterInnen/ModeratorInnen stehen beratend und unterstützend zur Seite. Sie verfügen über pädagogische und methodische Kompetenzen, stellen die Verbindung zu den Entscheidungsstrukturen (Politik, Verwaltung, Schulen usw.) sicher und sorgen für kinder- und jugendgerechte Prozesse. Freiwilligkeit und Selbstbestimmtheit Kinder und Jugendliche beteiligen sich freiwillig und selbstbestimmt. Sie überlegen selbst, welchen Themen sie sich widmen wollen und welche Schwerpunkte sie sich setzen. 3
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Wertschätzung Kinder und Jugendliche sind ExpertInnen ihrer Lebenswelten. Die Zusammenarbeit aller Beteiligten findet respektvoll und wertschätzend statt. Engagement von Jugendlichen, das auf ehrenamtlicher Basis geleistet wird, verdient ganz besonders Anerkennung und Wertschätzung. Echtes Interesse an den Jugendlichen und ihren Anliegen bzw. die Bereitschaft, die Jugendlichen ernst zu nehmen und ihre Ideen ebenso bestimmt umzusetzen, sind Gesten, die eine solche Wertschätzung zum Ausdruck bringen. Mittels eines Gemeindebeschlusses kann diese Ernsthaftigkeit unterstrichen werden. Aktivität und Selbstwirksamkeit Kinder und Jugendliche sind in möglichst allen Phasen der Projekte aktiv beteiligt und erleben bewusst, wie sie Prozesse und Veränderungen mitgestalten können. Gemeinsame Zielformulierung Alle am Partizipationsprozess Beteiligten – Kinder, Jugendliche, EntscheidungsträgerInnen, ProjektträgerInnen, PartnerInnen – definieren gemeinsam die Ziele des Prozesses und stecken den erforderlichen Rahmen ab (Zeit, Ressourcen, Verbindlichkeiten). Verbindlichkeit Gemeinsame Vereinbarungen werden verbindlich umgesetzt. Die dafür notwendigen Ressourcen (finanziell, zeitlich, personell, räumlich etc.) liegen in der Verantwortung der EntscheidungsträgerInnen. Überparteilichkeit Kinder und Jugendliche werden im selbstbestimmten politischen Denken gefördert und nicht für politische Richtungen vereinnahmt. Im Hinblick auf politische Parteien, Konfessionen bzw. weltanschauliche Positionen besteht Überparteilichkeit. Für die Bedürfnisse und Interessen der jungen Menschen wird dagegen eine (reflektierte) Parteilichkeit eingenommen. Soziale Gerechtigkeit Die Beteiligungsangebote sind gender- und diversitätsgerecht gestaltet. Sie sprechen junge Menschen in ihrer Vielfalt an und beziehen Mädchen und Burschen gleichermaßen ein. Die unterschiedlichen Arbeitsformen sind dabei auf die vielfältigen Interessen, Bedürfnisse und Hintergründe abgestimmt. Generationenübergreifender Dialog Im Laufe des Mitbestimmungsprozesses findet ein Austausch zwischen jungen Menschen und Erwachsenen verschiedenen Alters statt. Dieser Dialog fördert das gegenseitige Verständnis für unterschiedliche Bedürfnisse und Sichtweisen der verschiedenen Generationen.
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Dokumentation und Transparenz Die Schritte und Ergebnisse des Partizipationsprozesses werden laufend dokumentiert und allen Beteiligten in verständlicher Form transparent gemacht. Öffentlichkeitsarbeit Die Öffentlichkeit (Kinder, Jugendliche, Erwachsene) wird durch verschiedene, den Zielgruppen entsprechende Kanäle über den Mitbestimmungsprozess informiert. Erwachsene werden dabei für die Anliegen von Kindern und Jugendlichen und das Recht junger Menschen auf Mitbestimmung sensibilisiert. Evaluierung Rahmenbedingungen, Verlauf und Ergebnisse werden gemeinsam mit allen Beteiligten reflektiert. Alle Erfahrungen – ob Erfolge oder Scheitern – sind wertvoll und fließen in zukünftige Beteiligungsprozesse ein. Quelle: ARGE Partizipation Österreich (www.jugendbeteiligung.cc)
Exkurs: Eine spezielle Situation für Südtirol In Südtirol sieht das Regionalgesetz Beteiligungsformen für Jugendliche in den Gemeinden vor. In den meisten Gemeindesatzungen ist dies als Muss- Bestimmung verankert.
“Die Gemeindesatzung sieht Formen der Beteiligung minderjähriger Jugendlicher vor, damit durch deren Beitrag in Belangen, die diese betreffen, die Gemeindepolitik sich an den Anliegen dieser Altersgruppe orientiert, diese fördert und deren Mitwirkung an jenen Projekten ermöglicht, die sie betreffen.“ Autonome Region Trentino – Südtirol, REGIONALGESETZ, vom 22. Dezember 2004, Nr. 7, Art 1/1-ter
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Links: Leitfäden für nachhaltige Beteiligung junger Menschen im kommunalen Umfeld www.jugendbeteiligung.cc www.mitbestimmung.cc http://issuu.com/jugendring/docs/mit_kinder-_und_jugendbeteiligung_in_der_gemeinde_ Stufen gelingender Beteiligung junger Menschen http://www.jugendbeteiligung.cc/fileadmin/downloads/methoden/print_stufenleiter.pdf Methoden der Partizipation http://kinderpolitik.de/methodendatenbank/uebersicht.php Partizipationsprojekte: Formen und Beispiele http://www.jugendbeteiligung.cc/index.php?id=4
Literatur: -
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Bertelsmann Stiftung (Hg.): Mehr Partizipation wagen. Argumente für eine verstärkte Beteiligung von Kindern und Jugendlichen. E-Book, 2010. DJI (Hg.): Beteiligung von Kindern und Jugendlichen in der Kommune. Modelle gesellschaftlicher Beteiligung von Kindern und Jugendlichen. München: Presse- Druck- und Verlags- GmbH Augsburg, 1999. Egg, Peter: Patchwork der Kinder- und Jugendbeteiligung. Mitbestimmungsprozesse junger Menschen verstehen lernen. Saarbrücken: VDM-Verlag, 2008. Egg, Peter: Jugendbeteiligung aus der Sicht von Jugendlichen. Saarbrücken: VDM-Verlag, 2008. Egg, Peter: Wir haben was zu sagen. Kindermitbestimmung in Theorie und Praxis. Bonn: KidVerlag, 1998. Egg, Peter: Gemeinsam mit jungen Menschen Gemeinde gestalten. Innsbruck: Dietrich, 1999. Gerhard Dinger und Bjorn Franke: Der Aufmischer. Buch des Kreisjugendrings des Rems-MurrKreises über Jugendbeteiligung. Aspekte der Beteiligung im kommunalen Umfeld. Tübingen: DGVT Verlag, 2004. Hermann, Michael C.: Jugendgemeinderäte in Baden Württemberg. Pfaffenweiler: Centaurus, 1996. Pro juventute (Hg.): Jugendpolitik jetzt! Handbuch für eine aktive Jugendpolitik in der Gemeinde. Egg/ Zürich: Fotorotar AG, 1998. Verein „mitbestimmung.cc“/ Innsbruck (Hg.): Gemeinsam mit jungen Menschen Gemeinde gestalten. Ein Beispielbuch für Kinder- und Jugendbeteiligung. Innsbruck: Eigendruck Land Tirol, 1999. 6