ANDERS

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Heft Nr. 1 - 12/2012

AUS DEM PARTEILEBEN:

Sommerprogramm Bianca Ritter berichtet über die innovativen Aktionen, denen die Jusos Nürnberg im Sommerprogramm nachgegangen sind - Seite 4

JUSOS UNTERWEGS IN NÜRNBERG:

Sex, Geld, Arbeit... Die Jusos haben bei ihrer Reise durch Nürnberger Lebensrealitäten bei Kassandra, einer ProstituiertenSelbsthilfe und Beratungsstelle Halt gemacht. Carl Veldman erzählt die interessante Geschichte - Seite 7

DEBATTE:

Streit um die Frauenquote Fördert eine etwaige Quote den im Grundgesetz verankerten allgemeinen Gleichheitsgrundsatz? Nadine Segert und Max Bär führen Pro und Contra an - Seite 16

Das Bild

der Jugend Zwischen „Null-Bock-Generation“ und unkritischem Spießertum

www.jusos-nuernberg.de


Inhalt Dezember 2012 - Unsere Erstausgabe! Titelthema:

Das Bild der Jugend Zwischen „Null-Bock-Generation“ und unkritischem Spießertum Seite 3: Kommentar: Die Jugend von heute Seite 5: Bibis Kolumne: Früher war nicht alles besser Seite 8: Leitartikel: Das Bild der Jugend

Plädoyer für die Religionsfreiheit AUS DEM PARTEILEBEN:

Sommerprogramm Bianca Ritter berichtet über die innovativen Aktionen, denen die Jusos Nürnberg im Sommerprogramm nachgegangen sind. - Seite 4

Seite 18

Soziale Ökologie wagen Seite 19 EHEMLIGENVEREIN

Bertolt Brecht im 21. Jahrhundert Seite 20

JUSOS UNTERWEGS IN NÜRNBERG:

Sex, Geld, Arbeit...

AUS DEM PARTEILEBEN

Die Jusos haben bei ihrer Reise durch Nürnberger Lebensrealitäten bei Kassandra, einer Prostituierten-Selbsthilfe und Beratungsstelle Halt gemacht. Carl Veldman erzählt die interessante Geschichte. - Seite 7

Seite 21

GRUNDSATZFRAGEN:

Fahrradtour durchs Fränkische Seenland Das BIBER-Interview Der legendäre Juso-Biber im Interview mit dem neuen Juso-Geschäftsführer, Marc Rücker - Seite 22

Wer verdient schon, was er verdient? Überlegungen zur Lohngerechtigkeit - Seite 10

Debatte um den Veggie-Day in Nürnberg

Lyrisches

Bevormundung durch Öko-Fundamentalisten? - Seite 11

Liebe zur Politik

RASSISMUS

Von Richard Siebentritt

Die Angst vor einem Turm Xenophobie als Trittbrett zum Stimmenfang - Seite 12

Liberaler Rassismus Seite 13 INTERVIEW

„Wir wollen eine Verbindung zwischen Gesellschaft und Politik“ Nasser Ahmed, Vorsitzender Jusos Nürnberg Seite 14 DEBATTE:

Streit um die Frauenquote Fördert eine etwaige Quote den im Grundgesetz verankerten allgemeinen Gleichheitsgrundsatz? Nadine Segert und Max Bär führen Pro und Contra an - Seite 16

Love Sex - Hate Sexism Seite 18

A NDE RS

Träume träumen nicht allein, das Leben damit zu füttern und färben, sollte Ziel und Weg für Politik sein. Neugier auf Neues, auch altes zu erben. Spanne den Bogen von jung bis alt, schieß deine Pfeile um einen Reim dir zu machen, erschaffe mit vielen Menschen daraus ein Gedicht, bunte Gedanken von jedem Gesicht. Reime im Ernst und mal zum Lachen, und oft reimt es sich nicht, so ist es halt. Politik und Demokratie mit offenen Augen und Ohren, jeder ders wagt ist dazu auch erkoren. Probieren und testen, eines gefällt, jenes steht nicht zum Besten. Machs anders! Spiele mit Ideen, bewege dich oder andere und du wirst sehen. Sei offen und zu verstehen bereit – Es gibt viel zu entdecken, nimm dir die Zeit.


Kommentar

Die Jugend von heute – alles unverantwortliche Rowdys? „Ich habe überhaupt keine Hoffnung mehr in die Zukunft unseres Landes, wenn einmal unsere Jugend die Männer von morgen stellt. Unsere Jugend ist unerträglich, unverantwortlich und entsetzlich anzusehen.“ Diese beinahe verbitterte Aussage stammt vom hoch geschätzten, antiken Philosophen Aristoteles und somit immerhin schon aus dem vierten Jahrhundert vor Christus. Auch Sokrates soll sich ähnlich geäußert haben, worauf meine Kollegin Yasemin Yilmaz im Leitartikel dieser Ausgabe ANDERS eingehen wird. Von der Jugend ein negatives Bild zu haben und damit eine fast schon kulturpessimistische Einstellung an den Tag zu legen – dass es mit der Gesellschaft und Kultur aufgrund der Jugend irgendwie langsam aber sicher zugrunde ginge – das ist anscheinend kein neues Phänomen. Der ein oder andere, der sich auch heute noch bei manchem Thema mal schlicht über „die Jugend“ als Ganze beschwert, mag sich vielleicht durch Aristoteles in seiner Meinung bekräftigt fühlen. Doch bei genauerer Betrachtung zeigt sich, dass diejenigen, die die heutige Jugend des Sittenverfalls beschuldigen, gestern selbst noch die Beschuldigten gewesen sind. Auch wir Jusos sind regelmäßig vom genannten Phänomen betroffen. Erst letztens durfte ich beispielsweise in der Leserbriefspalte einer Tageszeitung lesen, dass mein Blick auf die ‚Realität’ durch die ‚jugendrote Sonnenbrille’ wohl etwas getrübt sei. Dass ich Kneipenhooligans unterstützen und Rowdytum begünstigen würde. Es ging – mal wieder – um ein Alkoholverbot, diesmal in der Nürnberger Altstadt. Als Juso-Vorsitzender halte ich solche ordnungspolitische Maßnahmen für unsinnig, erst recht um Lärmbelästigung und diverse andere Delikte zu bekämpfen. Für den Autor des Leserbriefes wohl kein Wunder, da auch ich Teil einer vermeintlich verkorksten Jugend bin, die – wenn man dem öffentlichen Bild über die Jugend glaubt – jedes Maß und jegliches Verantwortungsgefühl verloren hat. Ein Beispiel, an dem sich solche öffentlichen Ressentiments entladen, ist der Themenkreis „Alkohol, Alkoholmissbrauch und Alkoholismus“. Dabei sind

diese keineswegs jugendspezifische Phänomene, sondern im Gegenteil gesamtgesellschaftliche. Übermäßiger Alkoholkonsum wird von Erwachsenen und von Vorbildern in Fernsehen, Medien und Musikbranche vorgelebt. Er ist somit salonfähig und gilt in der Mitte der Gesellschaft als mehr oder minder anerkannt. Es ist unlauter beim Problemfeld Alkohol ordnungspolitische Forderungen – wie etwa Alkoholverbote oder längere Sperrstunden – welche überwiegend Jugendliche träfen in den Mittelpunkt zu stellen. Dies suggeriert, dass Jugendliche die einzigen wären, welche ein Problem mit Alkohol hätten. Fast noch schlimmer ist jedoch der Umgang mit Jugendgewalt. Neun von zehn Deutschen denken, dass diese zugenommen habe. Einziges Problem daran ist, dass das genaue Gegenteil der Fall ist. Seit 2007 nehmen die Fälle, bei welchen Jugendliche in der polizeilichen Kriminalstatistik als Verdächtige bei schweren Körperverletzungsdelikten geführt werden ab! Bis dahin nahm sie seit der Wiedervereinigung leicht zu. Es zeigt sich jedoch, dass dieser Zuwachs darauf zurückzuführen war, dass Opfer ihre Peiniger eher anzeigen als früher, was eher eine positive Entwicklung darstellt. Fakten, die in der Diskussion über einen Warnschussarrest für Jugendliche, schnellstmögliche Abschiebung von Intensivtätern und in der Debatte über gute alte ‚Deutsche Werte’ niemand hören möchte. Früher war eh alles besser! Bei den beiden Beispielen geht es uns Jusos nicht darum, bestehende Probleme kleinzureden. Es geht uns darum, wie darüber geredet wird und ob Lösungsvorschläge sachdienlich sind oder nur gegen eine bestimmte Gesellschaftsgruppe im Ganzen gerichtet sind. Beim Thema Alkohol als

Das Bild der Jugend – Zwischen Spießertum und Rowdytum!

auch Gewalt muss es darum gehen, Politik im Sinne eines sozialdemokratischen Gesellschaftsbildes zu machen. Und an solchen Lösungen und politischen Agenden sind wir Jusos interessiert und beteiligt. Eine solche Politik bedeutet, soziale Ungerechtigkeiten, die hinter bestimmten Problemen stehen, aufzudecken, auf eine gerechtere Gesellschaft hinzuarbeiten und Menschen, die Probleme haben, bei deren Bewältigung zu helfen. Es geht – mal wieder – um mehr Miteinander, statt einem blinden Gegeneinander. In dieser ersten Ausgabe von ANDERS geht Yasemin Yilmaz im Rahmen des Titelthemas noch näher auf das Bild der Jugend ein und zeigt auf, welche Klischees über die Jugend im Einzelnen bestehen. Sie seziert die gesellschaftlich wahrgenommenen „Bilder der Jugend“, um zum Schluss zu einem differenzierteren Blick auf die Lebensrealität junger Menschen von heute zu gelangen. Zudem geht meine Kollegin Bianca Ritter in ihrer Kolumne in dieser Ausgabe (Bibis Kolumne) detailliert auf die Funktion des Vorurteils im Generationenverhältnis ein und zeigt, dass früher nicht alles besser, aber vielleicht anders war.

VON NASSER AHMED Vorsitzender der Jusos Nürnberg

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Aus dem Parteileben

Ich bin Juso, was machst du so?! Das Juso-Sommerprogramm VON FRANZISKA SCHILDKNECHT Ja, es ist kaum zu glauben, aber tatsächlich wahr: Wir Jusos, wir können nicht nur Politik. Unser Sommerprogramm 2012 begann am 4. August mit der Teilnahme am ChristopherStreet-Day an dem wir die Schwusos tatkräftig unterstützten. Weiter ging es zum „Bouldern“ ins Café Kraft – Klettern ohne Absicherung in einer Halle. Eine wahre Mutprobe für uns, bei der wir Mädels von den Jusos leider unterrepräsentiert waren, 17 Uhr. Ende? Offen. Die letzten Gäste gingen gegen 3 Uhr nachts – offensichtlich hat es allen sehr gefallen.

wie man so schön sieht. Allerdings war es deshalb nicht weniger lustig. Man konnte den Jungs dabei zusehen wie sie sich gegenseitig zu übertreffen suchten und regelmäßig – aufgrund von Raucherlungen, fehlender Beweglichkeit, unbequemer Bekleidung – daran scheiterten. ;-) Alles in allem ein gelungener Tag Hier ein paar Einblicke:

Zwei Wochen später trafen wir uns zum Picknicken vor dem Karl-Bröger-Zentrum. Wir genossen den schönen sonnigen Tag mit belegten Broten und ein paar kühlen Getränken. Anschließend siedelten wir zum „Blu Bowl“ über. Dort übertrafen wir uns gegenseitig in unseren mehr oder weniger genialen Wurfkünsten. Jetzt waren wir Mädels

nicht mehr unterrepräsentiert, was sich als Glücksfall herausstellte, da wir dank „Ladies‘ Night“ einen Prosecco abgestaubt haben.

Am 11. August startete dann endlich unser alljährliches Sommerfest mit Jusos aus allen möglichen Regionen Bayerns, (Partei-)Freunden und Bekannten. Zusammen machten wir es uns auf dem Falkenturm gemütlich und ließen es uns mit Gegrilltem, ein paar Bierchen oder ein, zwei Tequila, guter Musik und angeregter Unterhaltungen richtig gut gehen. Beginn? A NDE RS

Als kleinen Wiedereinstieg in die politische Arbeit trafen wir uns dann am 27. und 30. August im Arbeitskreis Grundsatzfragen. Unter Leitung von Marco Fatfat diskutierten wir zwei Abende lang frei über die Fragestellung „Gibt es ein Recht auf Arbeit?“. Ein Schwerpunkt lag auf der Problemstellung wie Arbeitslose in unserer Gesellschaft beurteilt und behandelt werden anstatt die Ursachen struktureller Arbeitslosigkeit zu begreifen und zu bekämpfen.


Bibis Kolumne

Früher war nicht alles besser Plädoyer für eine differenziertere Betrachtung VON BIANCA RITTER Jeder kennt das: Skeptische Blicke von Leuten, die ihre besten Jahre hinter sich haben. Die Jugend von heute! Was macht die da schon wieder?! Wieso lachen, saufen, schäkern, pöbeln oder gucken die so? Ja, eine gute Frage eigentlich. Warum tun wir das? Der Grund für unsere Ausgelassenheit ist so einfach wie banal: Fehlende Ernsthaftigkeit dem Leben gegenüber. Hat auch Nachteile, muss man ganz klar sagen: Wir verzetteln uns, verlieben uns unglücklich, verpassen Termine, daddeln stundenlang, fluchen laut, mogeln uns durch, sind anti - plötzlich pro, phasenweise extrem engagiert, um anschließend in ein tiefes Phlegma zu versinken, mal ganz für uns - dann unerwartet laut, sind Rudeltiere - schotten uns mit MP3Player und Co. wieder ab, sind nächtelang unterwegs und verkriechen uns wieder. Wir wollen nicht erwachsen sein – zumindest nicht jetzt gleich oder zumindest nicht gleich auf Vollzeit. Aber wir dürfen das: sprunghaft, fl exibel, relaxt sein. Die Zeit, in der wir nicht mehr aufhören dürfen ernsthaft zu sein, kommt früh genug. In den neuen Bachelor-und Masterstudiengängen werden wir in verschulte Stundenpläne gepresst und auch einige Ausbildungsrichtungen sind stark theoretisiert – wir bekommen keine Luft. Unser Ventil: Gelassenheit. Würden wir alles so eng sehen, würden wir demnächst alle an „Burnout“ verenden, unter jenem Phänomen unter dem große Teile unserer Gesellschaft zunehmend leiden. Fakt ist: Wir trinken nicht zu viel Alkohol und schlägern uns auch nicht häufi ger als früher – ganz im Gegenteil: Die Gewaltbereitschaft unter Jugendlichen sinkt und der Alkoholkonsum ebenso.

Doch es ist schon was Wahres dran: Wenn wir trinken, trinken wir heftiger. Wenn Jugendliche gewaltbereit sind, dann schlägt es häufi ger ins Extreme aus im Vergleich zu den letzten Jahrzehnten. Aber wir müssen vorsichtig

den Sprachkurs oder das Aufbaustudium machen? Man braucht sich nicht zu wundern, warum sich die Jugend – zusammen mit dem Rest der Welt - immer stärker zu betäuben sucht oder in Parallelwelten flüchtet. Um eben das zu vermeiden, müssen einige Leute die Frage umformulieren:

Warum lache ich nicht so viel? Und das ist der richtige Ansatz. mit Vorurteilen sein: Diese Entwicklung unterscheidet sich nicht von denen aus anderen Altersgruppen. Viel wichtiger ist es, sich über die Ursachen Gedanken zu machen. Wir alle stehen unter einem enormen Druck. Unsere Wirtschaft propagiert Wachstum. Wir, das „Jungvolk“, sollen dieses Wachstum in Zukunft erzeugen und garantieren. Immer mehr, es ist nie genug. Manch einer fragt sich da: Bin ich genug? Gebe ich alles? Sollte ich nicht doch noch diese Fortbildung oder jenes Seminar,

Wie kann ich mein Leben gelassener angehen? Was macht mich wirklich glücklich? Macht, Geld, Wachstum? Und: Muss ich mich den Ansprüchen meines Umfelds oder gar der Weltwirtschaft wirklich unterordnen? Ein ganz klares „Nein“ von meiner Seite. Ein guter Freund sagte einmal zu mir: „Tu das was dich glücklich und andere reich macht!“, und das klappt eben manchmal schon mit einem Lachen.

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Sex,

Geld,

Arbeit…

A NDE RS


Jusos unterwegs in Nürnberg

VON CARL VELDMANN Mit der Veranstaltungsreihe „Jusos Unterwegs“ haben wir es uns zum Ziel gesetzt, aktiv auf die Gesellschaft zuzugehen. Dabei wollen wir bewusst die vertrauten vier Wände unseres Sitzungszimmers verlassen und uns vor Ort über die wertvolle, aber oft von der Gesellschaft nicht wahrgenommene Arbeit zahlreicher Organisationen informieren. Dies ist ein wichtiger Schritt hin zur Sensibilisierung für die Nöte und Belange anderer Menschen, die wir sonst im Alltag nicht antreffen würden.

Eine unserer Stationen in den letzten Monaten war ein Besuch bei Kassandra e.V. – eine Prostituiertenselbsthilfe und Beratungsstelle für SexarbeiterInnen. Kaum einem Beruf wird mit so vielen Vorurteilen begegnet wie der Prostitution. Beinahe jeder glaubt ein Urteil abgeben zu dürfen, ob als moralische Empörung, vermeintliches Mitleid oder abwertende Witze. Wir waren daher ganz besonders gespannt auf die bevorstehende Diskussion, als wir uns am 23. April 2012 in den Räumlichkeiten von Kassandra eingefunden haben. Unsere Gesprächspartnerinnen, die hauptamtlichen Sozialarbeiterinnen Frau Ahlborn und Frau Schulz, kennen die vermeintlichen Wahrheiten und gesellschaftlichen Ansichten über Prostitution nur zu gut und konnten mit viel Verständnis (und auch mal mit einem Augenzwinkern) unsere Fragen ausführlich beantworten. Dabei wollten sie eines von vornherein klar stellen: die Beratungsstelle richtet sich an Frauen und Männer, die freiwillig sexuelle Dienstleistungen anbieten und bei der Ausübung ihres Berufes Unterstützung brauchen. Sie beraten ausschließlich diejenigen, die aus freiem Willen diesen Beruf ausüben. Zwangsprostitution, und der damit einhergehende Menschenhandel, ist ein Verbrechen und wird, sobald sie davon erfahren, zur Anzeige gebracht. Das gesagt, ist es uns auch klar geworden, dass es sich für die überwiegende Mehrheit der SexarbeiterInnen um eine bewusste Entscheidung für diesen Beruf handelt. Die Mehrheitsgesellschaft glaubt zu wissen, dass es sich hier um armselige Frauen und drogenabhängige Stricher-Jungs handelt, die aus Verzweiflung ihren Körper an sexbesessene, perverse Männer verkaufen. Dabei sind die SexarbeiterInnen und deren Kunden alles andere als eine homogene Gruppe. Vom sozialen Hintergrund, Alter, Bildungsstand und Persönlichkeit decken beide Seiten das komplette gesellschaftliche Spektrum ab. Auch die Entscheidung in der Sexarbeit tätig zu werden oder die Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen ist so individuell wie der Mensch selbst. Die Grenzen der Privatsphäre sind ebenfalls höchst individuell. Und das Verhältnis zu der eigenen Sexualität liegt stets im Ermessen des Einzelnen. Es ist daher nicht die Frage, ob dieser Beruf von einem selber ausgeübt

werden könnte, die der eigenen Meinungsbildung dienen sollte. Vielmehr sollte die Mehrheitsgesellschaft akzeptieren und respektieren, dass sexuelle Dienstleistungen für die SexarbeiterInnen keine Perversion darstellen sondern mit dem persönlichen Lebensentwurf vereinbar sind. Dabei hat Frau Ahlborn einen passenden Vergleich gezogen: obwohl unsere Gesellschaft sehr viel (oder gar zu viel) Fleisch konsumiert, käme der Beruf des Schlachters nicht für jeden in Betracht. Es könnte nicht jeder Mann oder jede Frau Tag für Tag mehrere Rinder, Schweine oder Hühner schlachten und psychisch damit umgehen. Auch hier muss der Betroffene in der Lage sein mit einer Arbeit umzugehen, die nicht jeder ausüben könnte und zwar ohne dass er durch die Mehrheitsgesellschaft auf diese berufliche Tätigkeit reduziert und dadurch definiert wird. Er kann für sich die Arbeit mit seinen moralischen Überzeugungen vereinbaren und erfüllt auf dieser Weise ein Bedürfnis seiner Mitmenschen. Mit diesem plastischen Bild vor Augen musste ich Frau Ahlborn Recht geben. Die Wahl eines Berufes oder einer bestimmten Tätigkeit reflektiert auch die eigenen Vorstellungen und Werte. Es gibt sehr viele Berufe, die für mich persönlich niemals in Frage kommen würden, aber dies stellt längst kein Grund dar diese moralisch zu bewerten. Immer mehr musste ich feststellen, dass der Beruf der SexarbeiterInnen nur deswegen verurteilt wird, weil die Sexualität in unserer Gesellschaft ein großes Thema ist. Aber sollte auch nicht hier ein Umdenken stattfinden? Trotz zunehmender gesellschaftlicher Toleranz im Umgang mit der Sexualität, brauchen SexarbeiterInnen immer noch Unterstützung und Beratung im Umgang mit ihrem Beruf und bei der Sicherung ihrer Existenz. Hier kommen die engagierten Damen von Kassandra ins Spiel, die nicht nur gesundheitliche Aufklärung leisten, sondern auch bei Behördengängen, Gewerbeanmeldung und zu den Fragen rund um Kranken- und Sozialversicherung mit Rat und Tat zur Seite stehen. Der Besuch bei Kassandra hat uns eine klare Botschaft mit auf den Weg gegeben: SexarbeiterInnen haben den gleichen Anspruch auf Recht und Respekt wie alle ArbeiterInnen auch! 7


Das Bild der Jugend Zwischen „Null-Bock-Generation“ und unkritischem Spießertum oder gibt es doch mehr als das Denken in schwarz-weiß? VON YASEMIN YILMAZ „Die Jugend liebt heutzutage den Luxus. Sie hat schlechte Manieren, verachtet die Autorität, hat keinen Respekt vor den älteren Leuten und schwatzt, wo sie arbeiten sollte. Die jungen Leute stehen nicht mehr auf, wenn Ältere das Zimmer betreten. Sie widersprechen ihren Eltern, schwadronieren in der Gesellschaft, verschlingen bei Tisch die Süßspeisen, legen die Beine übereinander und tyrannisieren ihre Lehrer.“ - Sokrates (469 v. Chr. - 399 v. Chr.) An dieser Stelle sei versichert: Obiges Zitat wird tatsächlich dem großen Philosophen zugeschrieben, dessen Lebensziel es war, seinen Mitmenschen zur Einsicht in die Wahrheiten des Lebens zu verhelfen. Auch mein Anliegen ist es nun mit euch einen kleinen Schritt in Richtung „Erkenntnis des Alltags“ zu gehen, auch wenn unser Schritt (leider) wohl kaum in einer Philosophiestunde rekonstruiert werden wird. Blicken wir erneut auf das Zitat, wird deutlich: Der große Philosoph machte vor nicht ganz 2500 Jahren seinem Frust über die Jugend seiner Zeit Luft - und das in Worten, welche wir bei einer Befragung beliebiger nicht-jugendlicher Zeitgenossen in ähnlicher Weise zu hören bekommen könnten. Blätterten wir durch Leserbriefe in lokalen Zeitungen oder hörten wir uns einmal um, könnten wir das gängige Bild der Jugend in diese plakativen Worte fassen: „Die Jugend von heute ist feierwütig und arbeitsscheu. Sie zeigt schlechtes Benehmen und hat keinen Respekt gegenüber dem Alter. Sie sollte endlich von ihrer Wohlstandscouch kommen und mal was für die Gesellschaft tun. Sie hat keine Ziele im Leben und unpolitisch ist sie auch. Immer sagen sie ‚Null Bock!‘ und saufen in der Innenstadt oder am Hauptbahnhof - und wer leidet darunter? Wir.“ – et voilà: schon haben wir das gängige Bild der Jugend von heute, das von vielen Vorurteilen gezeichnet ist. Es wird deutlich zwischen „den Anderen“, d.h. der negativ dargestellten Jugend, und dem positiven „wir“, den nicht-jugendlichen Bürgern, unterschieden. Dennoch ist Sokrates Ausspruch nicht nur ein gutes Beispiel für ein noch immer gültiges Stereotyp der Jugend, sondern A NDE RS

eben auch dafür, dass hinter einem solchen in einfachen Zügen gemalten Bild eine viel komplexere Realität steht. Denn seien wir ehrlich: Standen die Griechen zu Sokrates Lebzeiten – also die Vertreter der seinerzeit ach so schlimmen Jugend – denn wirklich für Sittenverfall und Unfähigkeit? Dem gängigen Verständnis der Weltgeschichte folgend wohl kaum. Weshalb sollte also die Jugend unserer Gesellschaft mit dem ähnlich plakativen Bild richtig getroffen sein? Und wie lässt sich diese Vermutung damit verbinden, dass jedes schwarz-weiß-Bild auf einer Reduktion komplizierterer Phänomene beruht, es also auch nicht frei erfunden sein kann? Blicken wir doch auf die beiden gängigen Stereotype der Jugend, ‚Null-Bock-Generation‘ und ‚neue Spießer‘, und auf die Realität dahinter! Null-Bock-Generation trifft spießige Materialisten Gegensätzlicher könnte die Typisierung der Jugend kaum sein: So stehen sich der ‚null-Bock-Jugendliche‘ und der ‚pragmatische Spießer‘ gegenüber - beide sind natürlich auch in weiblicher Form erhältlich. Ersterer Typus weiß sich nicht den Anforderungen der Gesellschaft anzupassen, letzterer spielt dieses Spiel für manchen Journalisten doch gar zu gut und zu brav. Doch lasst uns an den journalistischen OPTisch treten und beide Objekte in einem Eilverfahren sezieren: Der Null-Bock-Jugendliche scheint ganz mit sich beschäftigt zu sein und sich in die ihm zur Verfügung stehenden Angebote jugendlicher Subkultur zu flüchten: Er ist vermeintlich computersüchtig, weshalb er kein Interesse am realen Leben in Familie und Peer Group habe. Realität und Fiktion verschmelzen für ihn. Er gibt sich


Titelthema

regelmäßig dem Alkoholrausch hin und liebt es, seine Umwelt mit seinen Gewaltexzessen, das Potential verdankt er natürlich den Vorbildern seiner Jugendkultur, aufzumischen. Auf eine Ausbildung hat er keine Lust. Eltern und Pädagogen beißen sich regelmäßig an diesem nicht einsichtigen und potentiell zu Kriminalität neigenden Objekt regelmäßig die Zähne aus, sodass nur die ordnungspolitischen Maßnahmen, wie Alkoholverbot und Sperrstunden, weiterhelfen können. Der Zeitung Die Welt folgend liegt die Wurzel dieses Übels in der Erziehung der Eltern: Denn eigentlich seien diese schuld, da sie ihre Kinder überbehüten und somit ihrem Nachwuchs überhaupt ermöglichen sich dem Karrieredruck und den Anforderungen der Gesellschaft entziehen zu können. Die Generation Praktikum sei weiterhin ein Gerücht, denn diese jugendlichen Objekte, die nie Subjekte ihres Lebens werden könnten, seien gar nicht mehr in der Lage etwas zu leisten. Ihre Ideenlosigkeit gefährde geradezu den Standort Deutschland. Andere haben mit derselben ‚Zukunft des Landes‘ ein ganz anderes Problem: Ihre Vertreter seien superangepasste Streber, da deren Selbstverwirklichung auf materielle Sicherheit angewiesen ist. Sie planen ihre Karriere und träumen von sicherer Arbeit, einer Familie und dem kleinen Glück. Das Wort Revolution kennen sie aus der Schule - eine tiefere Bedeutung sehen die meisten darin nicht. Wenn doch, dann sehen sie es als Übel, das ihr kleines Glück bedrohe. Sie seien also unpolitische Biedermeier, die an eher konservativen Werten orientiert sind. Sie versuchen sich in dem gegebenen System zu verwirklichen ohne die Vision einer alternativen und besseren Gesellschaft zu haben oder höchstens davon heimlich zu träumen. Das Glück außerhalb des Privaten scheint unerreichbar. Den ehemaligen 68ern und linken Visionären wird bei ihren Einstellungen oft Angst und bang. Die Wahrheit über die „pragmatische Jugend“ Nun liegen beide Bilder vor uns. Ist eines von ihnen ein Trugbild oder ist die Jugend gar schizophren? Der 16. Shell Jugendstudie folgend, liegen beiden Zerrbildern

durchaus tatsächliche Verhaltensmuster zugrunde, auch wenn sie in ihrer stereotypen Verwendung stark überzeichnet werden. Jedoch sollten beide Typen als zwei Perspektiven auf eine komplexe Realität verstanden werden, wobei jedes der Bilder ein Extrempunkt der möglichen Strategien der Lebensbewältigung in Zeiten wirtschaftlicher und beruflicher Unsicherheit und eines enormen Drucks darstellt. Der Durchschnittsjugendliche ist folglich irgendwo zwischen diesen Bildern zu verorten.

über 300 Juso-Mitglieder in Nürnberg. Die überzeichneten Bilder der heutigen Jugend, die doch so weit verbreitet sind, stören das Miteinander der Generationen - doch die Unterschätzung des politischen Potentials dieser Generation scheint sogar noch verheerender. Insgesamt sollte für das Miteinander der Generationen gelten: Wird das tatsächliche Potential der Jugend mit Zerrbildern übertüncht, entzieht man der Lösung gesellschaftlicher Konflikte jedwede Grundlage.

Ganz entgegen der Erwartungen sind die Jugendlichen überwiegend optimistisch eingestellt. Zum Schutz dieser Zuversicht im Angesicht des Drucks gesellschaftlicher und beruflicher (Eigen-)Erwartungen, pflegen Jugendliche einen lockeren Umgang mit den Herausforderungen ihres Lebens und genießen ihre Freizeit mit Anderen. Dieser gesunde Hedonismus ist also in den meisten Fällen keineswegs ausufernde Realitätsflucht, sondern ein angemessenes Gegengewicht zur abverlangten Anpassung. Nur wenn dieses Verhalten missverstanden wird, könnte man es als ‚gesellschaftsschädliches Handeln‘, wie im Falle des Zerrbildes des ‚Null-BockJugendlichen‘ verkennen. Jugend und Politik In einem bestimmten Punkt blenden jedoch beide Bilder einen wichtigen Aspekt der heutigen Jugend aus: Die meisten Jugendlichen sind keineswegs an Gesellschaft und Politik desinteressiert, wie im Falle des ‚Null-Bock-Jugendlichen‘, oder zu sehr in gegenwärtigen Strukturen verhaftet, wie der ‚moderne Spießer‘. So ist das politische Interesse dieser Gruppe in den letzten Jahren wieder leicht gestiegen - trotz ihrem Misstrauen gegenüber Politikern. Jugendliche wollen durchaus mitgestalten! Dieser Partizipationswille kann jedoch viele verschiedene Formen, wie Internetaktivitäten, Demonstrationen oder den Wandel der eigenen Lebensweise, beispielsweise im kritischen Konsumverhalten, annehmen. Das geringere Interesse an etablierten Partizipationsmöglichkeiten, wie die Parteiarbeit, ist also nicht mit einem allgemeinen Desinteresse zu verwechseln. Dass jedoch auch diese Form des politischen Engagements nicht vor ihrem Ende steht, zeigen u.a. die 9


Wer verdient schon, was er verdient? Überlegungen zur Lohngerechtigkeit VON MARCO FATFAT Im Rahmen der Juso-Seminarreihe zu sozialdemokratischen Grundsatzfragen haben wir uns unter anderem auf Grundlage des Buches „Wer verdient schon, was er verdient?“ von Walter Pfannkuche mit der Frage der Lohn- und Einkommensgerechtigkeit auseinandergesetzt. Erklärt werden können die Einkommensunterschiede über Marktmechanismen, Arbeitsangebot und die Nachfrage nach Arbeit. Aber können diese massiven Ungleichheiten, die die Chancen und Lebensbedingungen der Menschen in unserer Gesellschaft maßgeblich bestimmen, auch gerechtfertigt werden? Zunächst ist hierbei ganz grundsätzlich anzumerken, dass die herrschenden Lohn- und Einkommensstrukturen auch

immer etwas mit gesellschaftlichen Macht- und Herrschaftsverhältnissen sowie mit bestimmten Vorstellungen über Leistung und Leistungsgerechtigkeit zu tun haben. Das bedeutet unter anderem, dass die Leistung von zwei Menschen, die in unterschiedlichen Berufen jeweils 40 Stunden in der Woche arbeiten, unter Umständen gesellschaftlich unterschiedlich wertgeschätzt wird. Insofern werden uns die ungleichen Lohnverteilungen auch in der Regel nicht bloß als Ergebnis jener erwähnten Marktmechanismen vorgestellt, sondern zudem als durchaus gerechtfertigt verkauft. Es zeigt sich aber sehr schnell, dass die üblichen Argumente, die hierbei immer wieder angeführt werden, bei genauerer Betrachtung rasch an Überzeugungskraft verlieren oder gar zu der A NDE RS

Schlussfolgerung führen können, dass viele schlecht bezahlte Arbeiten eigentlich besser entlohnt sein müssten. Häufig wird beispielsweise argumentiert, dass die höheren Löhne deshalb gerecht seien, weil sie die Belastungen, die mit „anspruchsvollen“ Tätigkeiten einhergehen, ausgleichen. Bei sog. „einfachen“ Tätigkeiten hingegen sollen diese Belastungen nämlich nicht vorhanden sein. Aber von welchen Belastungen ist dabei eigentlich die Rede? Oft werden hierbei die besondere Leistungsbereitschaft in der Ausbildungsphase oder auch die große Verantwortung, die mit gut bezahlten Tätigkeiten verbunden ist, vorgetragen. Es muss aber stark bezweifelt werden, dass diese angeblichen Belastungen tatsächlich eine Kompensation nötig machen. Mit anderen Worten: Die Rechtfertigung, dass viele Besserverdienende höhere Gehälter aufgrund bestimmter Belastungen tatsächlich verdienen, kann in den wenigsten Fällen überzeugen. Werden beispielsweise Weiterbildung oder Studium tatsächlich nur als Qual erlebt, oder werden sie nicht von den meisten eher als bereichernd empfunden? Ebenso verhält es sich mit dem Argument, dass diejenigen, welche viel Verantwortung tragen - beispielsweise für ihre untergeordneten Mitarbeiter_innen - auch mehr Geld verdient haben. Zwar mag es Fälle geben, in denen eine besonders große Verantwortung mit mentalem oder körperlichem Stress einhergeht und einen Mehrverdienst rechtfertigen kann – hier ist exemplarisch die Berufsgruppe der Fluglotsen zu nennen, welche jede Sekunde die Verantwortung über Hunderte von Menschenleben trägt. In den meisten Fällen wird im Beruf übertragene Verantwortung aber

auch als sehr erfüllend wahrgenommen - gehen Verantwortung und Führung im Beruf doch auch damit einher, flexibler in der Einteilung der Arbeit zu sein und unabhängiger arbeiten zu können. Abgesehen davon, dass diese beiden gängigen Argumente also hinterfragt werden können, lässt sich darüber hinaus umgekehrt fragen: Wenn der Lohn Belastungen, die mit der Tätigkeit einhergehen, ausgleichen soll, weshalb verdienen dann gerade Menschen, die körperlich anstrengende, häufig monotone Arbeiten ausführen, in der Regel deutlich weniger? Und tragen die vielen Menschen, die beispielsweise in sozialen Berufen arbeiten, nicht auch eine große Verantwortung? Verdienten der vorherrschenden Leistungslogik folgend nicht gerade diese Menschen besonders hohe Löhne? Diese Bemerkungen sollten nicht unbedingt zum Ausdruck bringen, dass Leistungsbereitschaft und die Übernahme von Verantwortung keine Rechtfertigung für Einkommensunterschiede darstellen können. Die kurze Diskussion der beiden Argumente aber sollte zum einen deutlich gemacht haben, dass gegenwärtig kursierende Rechtfertigungen für die enormen Ungleichheiten so pauschal nicht gelten. Zum anderen sollte erkennbar werden: Wenn die Einkommensunterschiede mit dem Argument gerechtfertigt werden, dass sie die Menschen für bestimmte Belastungen entschädigen sollen, ist es nur schwer zu erklären, weshalb gerade viele sog. „einfache“ Tätigkeiten schlecht bezahlt sind. Diese Einsicht sollte bei vielen arbeits- und sozialpolitischen Themen und sicher nicht zuletzt bei den Diskussionen über Steuergerechtigkeit mitgedacht werden.


Grundsatzfragen

Debatte um den Veggie-Day in Nürnberg Bevormundung durch Öko-Fundamentalisten? VON NASSER AHMED Als Befürworter eines fleischlosen Tages in den städtischen Kantinen Nürnbergs darf man sich zurzeit einiges anhören. Das Hauptargument: es handele sich hierbei um Bevormundung, einen Eingriff in die Freiheitsrechte und „Zwangsbeglückung“.

Dabei gerät der Kern dieser Aktion vollkommen aus dem Blick. Fleischkonsum ist nicht nachhaltig. Zudem sind die unglaublichen Mengen an Fleisch, die jeder Deutsche durchschnittlich isst aus ernährungs-physiologischer Sicht unsinnig und sogar ungesund. Würden sich alle Menschen auf der Welt einen ähnlichen Lebensstil aneignen, bräuchten wir drei bis vier Erden, um den Umweltverbrauch zu kompensieren. Die Nachfrage nach einer solch großen Anzahl an Tieren hat zudem eine industrialisierte Viehzucht zur Folge, bei der qualvolle Massentierhaltung, Überzüchtung und übermäßiger Einsatz von Medikamenten und Chemikalien vorprogrammiert sind. Tiere haben es nicht verdient, wie irgendwelche Produkte im kapitalistischen Warensystem behandelt zu werden, sondern wie Lebewesen! Menschen haben es nicht verdient, mit Fleisch überschüttet zu werden, das durch und durch von Chemikalien und Medikamenten durchsetzt ist, da es ihnen schadet. Aufgrund dieser unumstrittenen Tatsachen ist es durchaus legitim, politische Impulse zu setzen, die einen bewussteren Umgang mit Fleisch fördern. Dem Staat bzw. der Stadt Nürnberg kommt hierbei eine besondere Vorbildfunktion zu. Keine Bevormundung sondern Erfüllung der Vorbildfunktion Es wird immer wieder angebracht, dass der fleischlose Donnerstag, wie wir ihn fordern, eine Bevormundung für die Kundinnen und Kunden der städtischen Kantinen darstellt. Dabei geht es bei dieser Maßnahme gar nicht um ein Fleischverbot für die MitarbeiterInnen der Stadt Nürnberg. Es soll lediglich

kein Fleisch in der Kantine angeboten werden. Das ist ein großer Unterschied, da die Stadt in der Tat niemanden zu Fleischverzicht verpflichten kann. Einen Impuls setzen kann sie jedoch schon, indem die städtischen Kantinen durch vorzüglich angerichtete vegetarische Gerichte beweisen, dass fl eischlosen Gerichten bei richtiger Anfertigung überhaupt nichts fehlt. Dieser „AhaEffekt“ ist es, der die gesellschaftlichen Vorurteile über vegetarische Gerichte widerlegen soll. Indem städtische Kantinen zeigen, dass fl eischlose Speisen mehr als nur zusammengewürfelte Beilagen sind, würde die Stadt Nürnberg eine Vorbildrolle einnehmen.

voranzugehen und keine Bevormundung! Die Rolle der Kantinen-Betreiber Die gelegentlich angebrachte Angst der Pächter vor erheblichen Umsatzverlusten gilt es einerseits ernst zu nehmen und andererseits zurückzuweisen. Auf der einen Seite zeugt diese Angst vor einer tiefen gesellschaftlichen Verankerung des übertriebenen Fleischkonsums, dem sich die Betreiber der Kantinen ausgesetzt fühlen. Aufgrund enger Kalkulation und niedriger Gewinnmargen haben die Betreiber naturgemäß Angst, dass niemand ihre fl eischlosen Gerichte essen will. Andererseits würden sich die Betreiber im Falle eines Veggie-Days sehr darum bemühen, anspruchsvolle und v.a. ansprechende vegetarische Gerichte zuzubereiten. Dadurch würden sie ihren KundInnen beweisen, wie sehr es eigentlich doch möglich ist, auf Fleisch zu verzichten ohne gleichzeitig auf den Genuss zu verzichten.

Diese Maßnahme stellt auch gegenüber den Pächtern der jeAlles in allem sind weiligen Kantiwir uns dessen nen keinerlei Bebewusst, dass es vormundung dar. mit einer MaßStaatliche Hyginahme nicht geenevorschriften, tan ist und dass das Verbot des solch kleine ImAusschanks von Die Zutaten für einen veganen Mett-Igel pulse wohl nicht Alkohol an Minreichen, um eine derjährige u.v.m. überfälligen gesind Vorschriften, die sogar private Be- sellschaftlichen Wandel anzustoßen. triebe hinnehmen, ohne dass man hier Doch wir sind davon überzeugt, dass von Bevormundung sprechen könnte. ein Wandel eintreten muss. Alle KritiBei den Kantinen handelt es sich aber kerInnen fordere ich deshalb dazu auf, nicht um Dönerbuden oder private Re- trotz ihrer Bedenken gegenüber dem staurants, sondern um Einrichtungen, fl eischlosen Donnerstag, Vorschläge bei denen die Stadt Eigentümerin ist. dafür zu machen, wie wir das übergeHier kann sie also weitergehende ordnete Ziel erreichen können. Und vor Vorschriften machen. Es ist folglich allem: welchen Beitrag die Stadt Nürnangemessen, einen Tag als fl eischlos berg für einen bewussteren Umgang vorzuschreiben, um als gutes Beispiel mit Fleisch leisten kann. 11


Die Angst vor einem Turm Xenophobie als Trittbrett zum Stimmenfang

Copyright: Giovanni Dall’Orto

VON MARTIN BEHR Der Umgang mit dem Fremden, dem Anderen ist eine Grunderfahrung des Menschseins und eine wichtige Konstante der Identitätsbildung eines jeden einzelnen Menschen. Sicherlich birgt Fremdes immer erst ein gewisses Risiko, da wir nur wenig oder gar nichts darüber wissen. Die natürliche Reaktion auf Fremdes beinhaltet daher stets auch eine mehr oder weniger große Portion Selbstschutz. Im Miteinander der Menschen stellt sich

allerdings in den meisten Fällen heraus, dass die Erkundung von Fremdem, die Neugier im Gegensatz zur Abneigung und der Versperrung vor neuen Erfahrungen eine gewinnbringende Erfahrung für den Einzelnen sowie die Gesellschaft ist. Gerade in der Stadt Nürnberg, die einen vergleichsweise hohen MigrantInnenanteil aufweist, lassen sich derartige Erfahrungen sehr leicht machen.

A NDE RS

Dabei ist es sehr schade und gleichzeitig auf das Schärfste zu verurteilen, dass bestimmte politische Kräfte im Lande versuchen, sich der dem Menschen biologisch innewohnenden, aber auch soziologisch bedingten Grundangst vor Fremdem zu bedienen, um die eigenen Gruppennormen zu stabilisieren und aufrechtzuerhalten. Ängste sind eine starke Motivation für Menschen und spielen sicherlich in vielen Fällen eine entscheidende Rolle für die Stimmvergabe bei Wahlen. So können die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes, die Angst vor fehlender oder mangelnder gesundheitlicher Versorgung (siehe USA), die Angst vor Altersarmut oder die Angst vor mangelhafter Bildung Triebfedern für eine Entscheidung zugunsten einer bestimmten Partei sein. Doch diese bestimmte Art von Angst, die Xenophobie, mit Blick auf die Wählergunst zu instrumentalisieren, läuft dem Gedanken der Integration, der Meinungsfreiheit und der Freiheit der Ausübung der kulturellen Identität zuwider. Bei den Bauplänen für die insgesamt zwölfte Moschee in Nürnberg wurde die Angst der CSU-Stadtratsfraktion vor der Dekomposition ihrer Gruppennormen geschürt, da es sich bei dem Bauvorhaben der reformorientierten Ahmadiyya-Gemeinde in der Conradtystraße um die erste Moschee in Nürnberg handelt, der zu repräsentativen Zwecken ein Minarett zur Seite gestellt werden soll. Im Juni diesen Jahres berichteten die Zeitungen über die Haltung der CSU, die sich kurz und prägnant in etwa wie

folgt zusammenfassen lässt: Moschee ja – Minarett nein. Worin liegt nun diese große Angst vor dem Turm begründet? Neben den repräsentativen und religiösen Zwecken eines Turmes als Bestandteil von Glaubenshäusern dienten und dienen hochragende Gebäude wie Kirchtürme oder Minarette auch der Orientierung. In mittelalterlichen Städten überragten die Kirchtürme alle anderen Gebäude und waren somit stete Wegweiser im engen Gewimmel der Stadt. Gleiches gilt für die Minarette, was die wörtliche Bedeutung des Ursprungswortes, aus dem sich der Begriff Minarett entwickelte, der als „Ort des Lichts“ übersetzt werden kann, verdeutlicht. Ferner stehen Türme für eine gewisse Weitsicht, die nicht zuletzt dem Schutz der Menschen dienten. Aufgrund dieser Eigenschaften dienen Türme des Weiteren auch der Kommunikation, sei es von Turm zu Turm, wie es etwa durch die Römer am Limes praktiziert wurde, oder vom Turm zu den Menschen wie im Falle der Kirchtürme und Minarette. Kurz gesagt: Türme sind architektonische Pfeiler einer Gesellschaft. Dass unsere Gesellschaft offen für alle Meinungen und Kulturen ist, findet sich im Grundgesetz verankert. Die CSU beweist in der Frage um den geplanten Bau einer Moschee mit Minarett durch die Ahmadiyya-Gemeinde in der Conradtystraße keine der oben aufgeführten Qualitäten eines Turmes, eines Pfeilers der Gesellschaft. Weder gibt sie den Menschen die richtige Orientierung, noch versteht sie es in diesem Falle, die Kommunikation zwischen den Kulturen zu fördern, noch beweist sie die nötige Weitsicht. Vielmehr wird auf kurzfristig wichtige Wählerstimmen geschielt. Die CSU sitzt in dieser Frage sozusagen in einem voraufklärerischen, engen, sehr weit rechts von allen Arten von Türmen gegrabenen Kellerloch, einem „Ort der Dunkelheit“, in den sie mehr und mehr verängstigte Menschen (Angst kommt etymologisch von eng) zu locken sucht.


Rassismus

Liberaler Rassismus Diskriminierung im Namen der Aufklärung? VON NASSER AHMED Im Namen der Aufklärung und der Menschenrechte wurde viel zum Positiven bewegt. Abschaffung der Sklaverei, Emanzipation und Inklusion von Menschen mit Behinderung sind nur drei Beispiele für begonnene „Projekte“. Neuere Entwicklungen zeigen aber, dass Aufklärung auch für diskriminierende Rhetorik ausgenutzt wird. Ein gutes Beispiel stellt dafür die entgleisende Islamkritik dar. IslamgegnerInnen bringen inklusive Errungenschaften, wie Menschenrechte, gegen ganze Bevölkerungsteile in Stellung. Sie schaffen es also, Menschenrechte, welche grundsätzlich zum Abbau von Vorurteilen und Diskriminierung beitragen sollen, als neuerlichen Grund für Diskriminierung zu nutzen. Aussagen, wie etwa „Dem Islam fehlt einfach die Aufklärung“ oder „Der Koran ist der Grund für die Unterdrückung von Frauen und Gewalt“, fallen häufig. Doch sie helfen weder im „Integrationsprozess“ noch denjenigen, die tatsächlich von Gewalt oder Unterdrückung betroffen sind! Studien zeigen, dass die absolute Mehrheit der deutschen Muslime weder mit internationalem Terrorismus sympathisiert, noch Zwangsehen oder Ehrenmorde befürwortet oder übermäßig verroht und gewalttätig ist. Doch oft wird behauptet, solch liberale Muslime seien eigentlich gar keine echten Muslime. Die Rede vom eigentlichen Islam ist gefährlich. So werden einer eigentlichen Religion negative Eigenschaften zugeschrieben, um im Rückschluss diskriminierende Politik zu rechtfertigen (Muslime abschieben oder gar nicht aufnehmen, kein Moscheebau, etc.). Zudem darf man nicht vergessen, dass solche Zuschreibungen durch eine Rhetorik der Eigentlichkeit, immer Teil von Rassismus, Sexismus und anderen Unterdrückungsformen ist und war. Platz

für Individuen gibt es in einem solchen Denksystem nicht, somit ist es letztlich autoritär. So wird in vielen Diskussionsbeiträgen der Eindruck erweckt, echte Muslime könnten gar nicht anders handeln, als gegen „westliche Werte“. Individuen kommen dabei nicht vor. Vielmehr werden sie als Gefangene in ihrer Rolle als Gläubige dargestellt. Menschenrechtsverletzungen, wie etwa Gewalt oder Entmündigung, haben immer komplexe Ursachen. Es reicht nicht zu attestieren, Religion und Kultur seien das Problem. Es gilt einzugestehen, dass auch die Anhänger innerhalb einer Religionsgemeinschaft handelnde Subjekte sind. Das heißt: Man muss sich in der Analyse und bei der Bekämpfung von Menschenrechtsverletzungen nicht nur fragen, wo der kulturelle und religiöse Einfluss liegt, sondern auch weshalb traditionell-menschenunwürdige Ideen, Lebensentwürfe und Handlungen für bestimmte Menschen in Deutschland auch von praktischer Relevanz bleiben? Somit gilt es Umstände zu verbessern und Überzeugungsarbeit zu leisten – die Mittel des Strafrechts sind sowieso schon gegeben. Es braucht Lösungen, die Betroffene einbeziehen, Beratungsstrukturen für Opfer bieten und Empowerment-Ansätze, die struktureller Unterdrückung (z.B. von Frauen) in traditionellen Milieus entgegenwirken. Ein reines Abstellen auf Religion führt nur zu sinnlosen Debatten, wie: „Passt der Islam zu Deutschland?“. Das Verständnis der Menschenrechte als Antwort auf Unrechtserfahrungen, der Aufklärung als Lernprozess, sowie das Eingeständnis, dass es auf dem Weg auch immer Irrungen und Wirrungen gibt, kann im deutschen Integrations-

diskurs helfen, weg von Klischee und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit hin zu Differenzierung und einem aufgeklärten Multikulturalismus zu kommen. Der Fortschritt bestünde nicht darin, dass nicht mehr schlecht über den Islam geschrieben und geredet werden dürfte, sondern er besteht darin, dass genau, differenziert und selbstkritisch über ihn berichtet würde. Denn hinter ‚dem Islam’ stehen in Deutschland mehrere Millionen einzelner Menschen. Kein Mensch hat es verdient aufgrund seiner Gruppenzugehörigkeit diskriminiert zu werden – erst recht nicht im Namen der Aufklärung. Nur so kann man kulturkämpferischen Hasspredigten entgegentreten. Menschenrechte gehen vom In di v i duum aus und sind in erster Linie dazu gedacht, Individuen zu schützen und nicht Menschengruppen auszuschließen! Deshalb ist es sehr wichtig, die Opfer von Menschenrechtsverletzungen in den Diskurs einzubeziehen und ihnen Mittel zur Hilfe anzubieten. Gesunde Selbstkritik und das Eingeständnis, dass Aufklärung kein exklusiv westlicher Wert ist, den ‚die Anderen’ erst einmal lernen müssen, bilden die Grundlage für einen differenzierten und fairen Umgang. Denn Aufklärung ist auch in Deutschland ein unabgeschlossener Lernprozess! Ohne dieses Eingeständnis endet ein solcher Diskurs unweigerlich in Forderungen, die gegen die Menschenrechte verstoßen. Denn auch ein „liberaler Rassismus“ bleibt ein Rassismus. 13


„Wir wollen eine Verbindung zwischen Gesellschaft und Politik.“ INTERVIEW VON ASIM RIAZ UND MAX MAUDER Im heutigen Interview haben wir Nasser Ahmed. Nasser ist 1988 geboren und studiert im Master Politikwissenschaften. Er ist seit 2009 Mitglied bei der SPD und der Vorsitzende der Jusos Nürnberg. Außerdem ist er im Vorstand der Nürnberg SPD und Stellvertretender Vorsitzender des Ortsvereins St. Peter.

Was war deine Motivation, Vorsitzender der Jusos Nürnberg zu werden? Was hast du seitdem verändert und erreicht? Es hat mich schon immer interessiert, Dinge mitzugestalten und zu verändern. Bei den Jusos gab es viele Gleichgesinnte und die Schwelle war nicht so groß. Später ist dazu gekommen, dass ich Vorsitzender wurde. Seitdem habe ich z.B. verändert, dass wir zum einen

und Solidarität perfekt wieder in der Menschenrechtsagenda, weshalb sie für mich am umfassendsten erscheint. Überall wird von der Politikverdrossenheit der Jugend berichtet. Worin siehst du die Ursachen und wieso sollten junge Menschen sich bei den Jusos engagieren? Auf die Verdrossenheit bezogen, denke ich, der Anspruch der Jugend-

Gemeinsam mit den Jusos möchte Nasser Ahmed Bewegung in die Politik bringen

in unserer Arbeit mehr grundsätzliche Dinge besprechen – also nicht nur Themen, die uns vor Ort wichtig sind oder tagesaktuell. Zum anderen aber auch, dass wir in den Diskussionen nicht zu sehr abheben, sondern uns auch Gedanken um die Umsetzung machen. Zudem ist es mir wichtig, diese Angebote speziell für Jugendliche zu schaffen. Was sind eigentlich deine politischen Schwerpunkte? Meine Schlagworte wären: Menschenrechtspolitik, soziale Gerechtigkeit und Sozialpolitik. Meiner Meinung nach finden sich Freiheit, Gleichheit A NDE RS

lichen an Politik hat sich verändert. Früher bestand politische Teilhabe aus Wählen gehen allein. Heute haben junge Leute den Anspruch, gesellschaftlich etwas zu bewegen. Sie sind verbohrter. Außerdem schotten Parteien sich in gewissem Maße von der Außenwelt ab. Genau das wollen wir nicht. Wir wollen eine Verbindung zwischen Gesellschaft und Politik. Wir als Jusos schaffen genau dieses Angebot. Wir arbeiten mit Bündnispartnern und bieten ein großes Spektrum an Themen, bei denen Jugendliche sofort mitarbeiten und mitentscheiden können. Damit sind wir sehr demokratisch.

Was hältst du von der deutschen Politik im innereuropäischen Vergleich? Deutschland hat eine der stärksten wirtschaftlichen Positionen in Europa, was auch viel mit der politischen Ausrichtung der letzten Jahrzehnte zu tun hat, insbesondere mit sozialdemokratischer Politik. Deutschland hat wirtschaftlich einen großen Vorsprung gegenüber anderen europäischen Ländern. Und damit hat Deutschland eine Vorbildrolle, die es nicht wirklich erfüllt, wenn man auf Arbeitnehmer und die Menschen, die hier vor Ort leben, schaut. Auch Sozialdemokraten haben - trotz der guten Ausgangslage - eine stärkere Umverteilung von unten nach oben mitgemacht! Nicht nur die derzeitige Bundesregierung sondern auch die vorherigen haben das verbrochen – da muss man auch die SPD in Haftung nehmen. Im heutigen Zustand können wir nicht als Vorbild für eine gerechte Einkommens- und Wohlstandsverteilung dienen. Stattdessen lassen wir weitere Verschärfungen im Niedriglohnsektor zu. Das ist nicht unbedingt das Vorbild, das ich mir wünschen würde! Aus diesen wirtschaftlichen Voraussetzungen heraus, für eine innereuropäische Sozialpolitik zu sorgen, davon sind wir ganz weit entfernt. Hierfür ein Beispiel: wir fordern, von anderen Staaten zu sparen, was dann zu Privatisierung und Sozialabbau führt und im Endeffekt auch zu einer weiteren Verschärfung der Ungerechtigkeit. Alles in allem hat Deutschland jedoch eine gute Ausgangslage und ich finde, man könnte den genannten Solidaritätsgedanken von der Regierung auf weitere Akteure ausweiten, z.B. durch


Das große Interview

das verbesserte Einbinden wirtschaftlicher Akteure.

einem Atemzug mit Menschenrechten genannt werden sollte!

Bei deinen Schwerpunkten hast du die Menschenrechte erwähnt. Wie siehst du die Situation in Amerika? Bist du der Meinung, dass Amerika seine Vorbildfunktion erfüllt oder gar verloren hat?

Bis auf Sudan, Syrien, Myanmar und Deutschland haben alle Nationen der UN das Antikorruptionsgesetz unterschrieben. Viele deutsche Politiker erhalten von großen Firmen Gelder. Ist unter solchen Umständen wahre Demokratie umsetzbar?

Also innenpolitisch gehört die USA zu einem der reichsten Staaten der Welt. Vorhandener Reichtum ist einer der Maßstäbe, nach denen man bemisst, wie sehr ein Staat Menschenrechte umsetzen könnte. Deswegen muss man zu den USA ganz klar sagen, sie hätten die Möglichkeit! Wenn man dort dann die unglaublichen Armutsund Reichtumsverhältnisse sieht, muss man stutzig werden. Selbst die von Obama eingeführte Krankenversicherung ist nicht ausreichend für europäische Standards, wenn man sieht wie Menschen dort durch Krankheit ans Existenzminimum geraten, wie Leute an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden. Auch der Umgang einiger Bundesstaaten mit der Todesstrafe – dass es sie dort immer noch gibt – lässt die USA innenpolitisch nicht unbedingt als Vorbild dienen. Innenpolitisch kann man die USA allerdings nicht als Schurkenstaat verurteilen. Sie sind auf einem relativ hohen Niveau, könnten aber viel mehr leisten. Anders verhält es sich außenpolitisch bzw. international. Die USA haben auf eine gefährliche Art und Weise ihre militärische und interventionalistische Außenpolitik mit dem Anspruch verbunden, Menschenrechte umzusetzen. Das ist bedenklich. Viele Interventionen waren richtig und notwendig und auch völkerrechtlich vollkommen in Ordnung, jedoch muss man verstehen, dass vor allem im Nahen Osten die Menschenrechtsidee ausgerechnet innerhalb der Gesellschaften als den Menschen gegenüber feindlich, fremd und westlich angesehen wird. Man muss aufpassen was man im Namen der Menschenrechte alles tut. Krieg folgt eigenen Regeln. Kriegsverbrechen, außergesetzliche Haftanstalten, Guantanamo, Folter usw. sind nicht das Beste, was in

Es ist sehr wichtig, dass man in der repräsentativen Demokratie differenziert: auf der einen Seite Lobbying, was erlaubt ist, da jedes Unternehmen die Möglichkeit haben muss auch die

können. So etwas ist in Deutschland erlaubt! Und da wundert es mich, dass Deutschland einer völkerrechtlichen Abmachung im Wege steht! In 4 kurzen Sätzen: Was würdest du als Bundeskanzler in Deutschland ändern? 1)Neue Art von solidarischer Einheit in Deutschland, woraus eine faire Reichtumsverteilung, sprich Mindestlohn und hohe Steuern für hohe Gehälter, folgen würden. 2) In Bezug auf die europäische Union: neben der Wirtschaftsunion eine Sozialunion schaffen.

Nasser Ahmed mit den Interviewern Max Mauder (l.) und Asim Riaz (r.)

Verbindung zu seinen Abgeordneten zu finden. Auf der anderen Seite jedoch nicht tolerierbare Korruption. Das ist sehr wichtig für eine gesunde Demokratie, sodass Bürger und Bürgerinnen das Vertrauen in ihre Institution nicht verlieren. Deswegen würde ich nicht von einem Ausverkauf der Demokratie sprechen. Ich glaube das war schon immer problematischer Teil der Demokratie, dass korrupte Sachen gelaufen sind. Es gilt hier jedoch Nachholbedarf anzumelden, es anzuzeigen, denn viele Menschen wissen davon gar nichts. In vielen Bereichen in Deutschland, vor allem im Gesundheitswesen ist Korruption sogar Gang und Gäbe. Bei der Vergabe öffentlicher Aufträge, bei der Verteilung staatlicher Mittel gibt es viele mit Grauzonen. Und dann gibt es auch offene Korruption, wie zum Beispiel, dass Ehegatten von Abgeordneten große Beträge von Lobbyisten überwiesen bekommen

3) Eine menschenfreundliche Asylpolitik in Deutschland erarbeiten, nachdem ich den jetzigen Asylkompromiss, revidiert habe. Das auch auf die europäische Ebene übertragen. 4) Den europäischen Zivilstatus nutzen, um auf der Welt für Frieden zu sorgen und weltweite Solidarität zu schaffen. Was haben die Jusos Nürnberg für die nähere Zukunft noch geplant? Wir werden in Klausur gehen und dort für den Kommunalwahlkampf unser Leitprogramm aufstellen, wo viele Sachen auftauchen, die ich genannt hatte. Wir werden debattieren, wie wir in die Bundes- und Landtagswahlen gehen werden. Dann werden wir versuchen, das Thema Jugend und Politik zusammen mit der SPD besser anzugehen. Jugendliche brauchen Teilnahmestrukturen, die es zu schaffen gilt. 15


Debatte:

Streit um die Quote Frauen sind in den großen Wirtschaftsunternehmen eindeutig unterrepräsentiert. Doch wäre eine Quote wirklich hilfreich? Grundsätzlich: Die Unternehmen stellen ein, wen sie wollen - und das ist auch gut so. Die Personalplanung entscheidet über das Wohl und Wehe der Firma und ist ein wichtiger Faktor im Wettbewerb. Wenn der Staat hier hineinregiert und einen Teil der Personalplanung übernimmt, dann müsste er ja auch einen Teil der Verantwortung und Haftung übernehmen - Gott bewahre! Außerdem würde die Quote die Büchse der Pandora öffnen: Jeder der sich benachteiligt fühlt wird sein Recht einfordern: Migrantenquoten und Quoten für Über-60-Jährige sind schon in Reichweite. Herzlich Willkommen in der Personalplanwirtschaft! Einige Personalabteilungen dürften, bei Einführung einer festen Frauenquote vor größten Problemen stehen. Seit jeher ist der deutsche Arbeitsmarkt geschlechtsspezifisch geteilt. Frauen sind in der IT Branche oder der Metall- und Elektroindustrie um ein Vielfaches weniger häufig anzutreffen als Männer. Sollen sich diese Unternehmen weibliche Nachwuchskräfte herbeizaubern? Ist eine Quote denn sinnvoll, wenn sie bedeutet, dass Männer mit entsprechender Kompetenz, Positionen nicht besetzen dürfen, auf der anderen Seite aber kein qualifizierter Bewerberpool an Frauen besteht? Wir haben es hier mit einem strukturellen Problem zu tun, dass schon auf die jeweiligen Entscheidungen für einen bestimmten Studiengang zurückzuführen ist. Frauen entscheiden sich nun mal sehr häufig für geistes-, sozial-,

NADINE SEGERT 22 Jahre, Studentin der politischen Wissenschaft und Soziologie, Juso-Mitglied A NDE RS

und kulturwissenschaftliche Studiengänge, hingegen kaum für solche mit technischem oder naturwissenschaftlichem Bezug. Hier müssen Anreize für Frauen geschaffen werden, nicht vor männerdominierten Berufen zurückzuschrecken, mit denen sie später oft mehr Aufstiegs- und Entwicklungsmöglichkeiten hätten. Auch gerne vorgetragen: Frauen würden die Kultur eines Unternehmens verändern, sie menschlicher machen. Kühn wird gar die These aufgestellt, die Finanz- und Wirtschaftskrise wäre vielleicht vermeidbar, jedenfalls viel weniger exzessiv ausgefallen, wenn es nur mehr weibliches Führungspersonal gegeben hätte. Wie naiv! Jeder Mensch - auch eine Frau - kann profitorientiert, knallhart und wenn es sein muss, skrupellos sein. Einer ganzen Reihe von weiblichen Führungskräften in den USA kann man viel Nachsagen, aber sanfteres Wirtschaften ganz sicher nicht. Hervorragend qualifizierte Frauen haben außerdem selbst ein Interesse gegen die Quote zu sein. Wer sich nach oben arbeitet, ist Stolz auf seine eigene Leistung und Kompetenz. Wir würden diese Frauen schwächen, wenn sie als „Quotenfrauen“ stigmatisiert werden können. Eine Quote ist eine positive Diskriminierung, viele jüngere Frauen spüren diese und sind unglücklich. Sie fühlen sich und ihre eigene Leistung entwertet und geschmälert. Diese neue Generation von Frauen bevorzugt die Freiheit und fühlt sich durch Herausforderungen motiviert. Mit einer Quoten ist die Geschlechtergleichheit vielleicht formell erreicht, zu einer höheren Akzeptanz und tief greifenden Veränderungen der Unternehmenskulturen führt sie in der Praxis jedoch nicht. Das eigentliche Ziel, nämlich, dass bei der Besetzung von Führungspositionen in Zukunft das Geschlecht nicht mehr ausschlaggebend ist, wird hierdurch wohl kaum erreicht. In der Öffentlichkeit wird fälschlicherweise der Eindruck erweckt, dass für gut ausgebildete, moderne Frauen, die Karriere an vorderster Stelle stünde. Dabei wird ver-

Skandin Bundes Ursula bringt men? kerte uns

gessen, dass sich viele, gerade auch hoch qualifizierte Frauen bewusst gegen einen Aufstieg, zu Gunsten eines gut funktionierenden Familienlebens, entscheiden. Gerade eine Führungsposition in Vorständen ist von einem hohen Zeit- und Leistungsaufwand begeleitet, der nur schwer mit der Mutterrolle oder einem geregelten Familienleben vereinbar ist. Viele Frauen sind nicht bereit diesen hohen Preis zu zahlen. Kompatibel zu der teilweise menschenverachtenden und schindenden Arbeitswelt sind nur die alten Lebensentwürfe: Frau zu Hause - Mann macht Karriere.

Hier können und müssen Staat und Gewerkschaften tatsächlich eingreifen: Flexiblere Arbeitszeiten, humanere Arbeitszeiten, Kinderbetreuung in den Unternehmen, flächendeckendes Kita-Angebot. Die Rahmenbedingungen stimmen nicht, diese sind nicht nur frauen-, sondern menschen- und familienfeindlich. Mehr Verständnis für elterliche Pflichten, weniger Abendtermine und Präsenzpflicht am Arbeitsplatz. Davon würden Frauen und Männer profitieren. Kinder und Arbeit müssen als Normalfall und nicht als Störfall gesehen werden. Es ist höchste Zeit der jungen Generation dieses Angebot zu machen - die Quote allein löst diese Probleme nicht. Trotz aller schlechten Zahlen und Statistiken gibt es auch einige Positivbeispiele, wie das der deutschen Telekom. Das Unternehmen hat sich frühzeitig auf eine Quotenregelung von 30 Prozent Frauen in Fach- und Führungspositionen bis 2015 festgelegt. Das zeigt, dass wir am Anfang eines durchschlagenden Veränderungsprozesses stehen. Dieser mag sich, nach Auffassung Einiger, vielleicht zu langsam vollziehen. Dass er sich aus den Unternehmen heraus vollzieht und insofern auch eine höhere Legitimation von allen Seiten erfährt, ist nicht von der Hand zu weisen.


PRO & CONTRA

avien hat sie schon, Deutschland diskutiert. kanzlerin Angela Merkel lehnt sie ab, Arbeitsministerin von der Leyen befürwortet sie. Die SPD sowieso. Was eine Frauenquote für Führungspositionen in UnternehUnd inwieweit fördert sie den, im Grundgesetz verann, Geschlechtergleichheitsgrundsatz? Wir Jusos streiten und präsentieren Euch leidenschaftlich pro und contra. In den 200 größten deutschen Unternehmen sind 3,2 Prozent der Vorstandsposten mit Frauen besetzt. Die praktische Verwirklichung und Umsetzung des Wortlauts aus Artikel 3 Absatz 2 des Grundgesetzes scheint gescheitert: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“ Welch Hohn - angesichts solcher Zahlen. Frauen machen die Hälfte der Bevölkerung aus. Sie besuchen genauso häufig Hochschulen und erzielen dort sogar bessere Abschlüsse. Was Qualifi kation und Anteil an der Gesamtbevölkerung angeht, sind beide Geschlechter ungefähr gleich, nur dass die Einen wesentlich häufiger Karriere machen und in Führungspositionen landen und die Anderen nicht – welch schreiende Ungerechtigkeit, die endlich entschlossen und konsequent beseitigt werden muss! In nobler Zurückhaltung setzte die Politik - in bester Absicht, nicht alles regulieren zu wollen - auf Selbstverpflichtungen. Die Appelle und Absichtserklärungen wurden immer wieder feierlich zelebriert, egal ob es um Spitzenjobs für Frauen, Qualitätskontrollen oder Umweltschutz ging. Das erbärmliche Ende ist bekannt (siehe oben). Gut gemeint ist nun mal das Gegenteil von gut gemacht. Es ist offensichtlich, dass man die Privatwirtschaft nicht mit gutem Willen und netten Worten zur Vernunft bringen kann, es muss das verbindliche Schwert der gesetzlichen Regelung nun endlich eingreifen, um den theoretisch gleichen Rechten

für Frauen auch gleiche Repräsentanz zu geben. Das kann fatale Folgen haben: In der Finanzkrise hat eine Schicht von männlichen, gierigen, zahlenfixierten, amoralischen Siegertypen fast die gesamte Weltwirtschaft ruiniert. Niemand kann belegen, dass Frauen in dieser Situation als Spitzenbanker anders gehandelt hätten, jedoch Fakt ist, dass es nun mal Männer waren, die diesen Irrsinn an den Finanzmärkten verursacht haben, für den alle Steuerzahler nun bluten müssen. Die These ‚Männer hätten bessere Führungsqualitäten‘ bewahrheitet sich hier also nicht. Selbst die CSU hat parteiintern eine Diskussion über die Quote geführt und erkannt, dass sich bei der Frauenförderung ohne Quote nichts bewegt. Die verschworenen Gemeinschaften, die Männerzirkel, haben eine starke Tendenz, Männerzirkel zu bleiben und keine Öffnung oder Transparenz zuzulassen: Man(n) wählt als Mitstreiter jene Kandidaten, in denen man sich selbst wieder erkennt, die einem selbst ähnlich sind. Öffentlich gerechtfertigt wird dies mit formalen Argumenten, wie: Grundvoraussetzung für einen Aufstieg in höhere Kreise sei nun mal ein lückenloser Lebenslauf mit hervorragender Qualifikation, eine klassische Normalerwerbsbiografie eben, und Frauen könnten diese, aufgrund von längeren Erwerbsunterbrechungen, wegen Mutterschaft und Erziehungszeit oder Teilzeitbeschäftigung, nicht vorweisen. Sehr unglaubwürdig, betrachtet man eine Bevölkerung in der Kinderkriegen immer unpopulärer wird und eine steigende Anzahl von Doppelkarrierepaaren ohne Kinder zu verzeichnen ist. Und selbst diese Frauen, karriereorientiert und kinderlos, fallen der Diskriminierung zum Opfer. Die biologischen

MAX BÄR, 25 Jahre, Rechtsreferendar am Oberlandesgericht Nürnberg, stv. Vorsitzender der Jusos Nürnberg

Voraussetzungen zum Kinderkriegen an sich mitzubringen, schien über Jahrzehnte und scheint immer noch für Personalchefs ein Ausschlusskriterium zu sein. Die Quote an sich sorgt selbstredend nicht für eine familienfreundlichere Wirtschaft oder Gesellschaft. Jedoch brauchen die Unternehmen den Druck der Quote, um familienfreundlicher zu werden: Viele Frauen sind nicht bereit, ihre Familie zu opfern, um Karriere zu machen. Ihre Kinder sind ihnen wichtiger als das Unternehmen - und das ist auch gut so. Um diese Frauen als Spitzenkräfte zu halten, müssen die Arbeitsbedingungen so angepasst werden, dass ein harmonischer Kompromiss und eine work-life Balance möglich sind, die Zufriedenheit stiftet und beiden Seiten nutzt. Die Quote löst nicht alle Probleme, sie ist ein Übergangsinstrument. Ein notwendiges Mittel, um unserem Grundgesetz Rechnung zu tragen und für tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung zu sorgen. Es geht um die dauerhafte Akzeptanz dieses Gedankens und eine Integration in die Kultur eines Unternehmens. Die meisten Unternehmen haben es bis heute verschlafen, Frauen ebenso zu fördern wie Männer, um ausreichende Fachkräfte heranzuziehen und diese langfristig auf eine Aufgabe als Führungskraft vorzubereiten, ungeachtet der großen Potentiale. Sie werden jetzt nicht plötzlich von alleine damit anfangen. Wie schon Willy Brandt wusste: „Nichts kommt von selbst. Und nur wenig ist von Dauer.“ Die Quote macht Druck und beschleunigt die wünschenswerten Entwicklungen für eine gerechtere Gesellschaft. Und diesen Druck und verbindliche Spielregeln braucht unsere Marktwirtschaft, wenn sie weiter „sozial“ heißen will! 17


Sexismus

Love Sex – Hate Sexism VON FRANZISKA SCHILDKNECHT „Die Weltbevölkerung umfasst zwei Gruppen von Menschen. Eine Mehrheit von 49 Prozent Männern und eine Minderheit von 51 Prozent Frauen.“ (Leif Johansson)

sind in der Bibel untergeordnet und dienen dem Mann. Diese Geschlechterrollen sind immer noch präsent.

Hört man das Wort Sexismus, fällt einem sofort die Ungleichbehandlung, die Diskriminierung und Unterdrückung von Frauen ein. Es sollte jedoch auch darauf Aufmerksam gemacht werden, dass es sich hier um beide Geschlechter handelt, sowie deren sexuelle Orientierung. Sexismus kann durchaus gefährlich werden, wenn die Diskriminierung und Unterdrückung von Personen aus Machtpositionen ausgeführt wird. Dies führt oftmals zur Entmündigung von Personen.

Diese Beispiele sollen zeigen, dass man die Augen aufmachen und nicht zusehen soll, wie Menschen aufgrund ihres Geschlechtes, ihrer Sexualität, ihrer Rasse oder aus irgend einem anderen Grund diskriminiert, unterdrückt und ungleich behandelt werden. Sexismus passiert in vielen Facetten, also nicht weg sehen!

Ein alltägliches Beispiel für Sexismus in der Öffentlichkeit ist wohl die zur Schau Stellung von Frauen in Werbeanzeigen.

Frauen werden auf ihren Körper reduziert, weil sie halb nackt Produkte in aufreizenden Outfits präsentieren sollen und die eigentliche Botschaft, das Produkt, in den Hintergrund gestellt wird. Ein Problem in unserer Gesellschaft besteht darin, dass Männer ebenso von Sexismus betroffen sind wie Frauen, sie aber meistens nicht zugeben, dass sie auch z. B. in bestimmte Rollen gedrängt werden oder auf ihr Geschlecht reduziert werden. Auch die Bibel bietet uns viele Beispiele für Sexismus. Homosexualität soll laut dem Alten Testament sogar mit beidseitiger Hinrichtung bestraft werden. Frauen

Eine Facette spielt sich auch in Beziehungen ab. Auch hier besteht die Gefahr, dass Partnerinnen und Partner auf ihr Geschlecht reduziert werden. Doch weil der Partner oder die Partnerin mit dir schlafen möchte, musst du es nicht tun, wenn du es nicht willst.

Impulse aus dem Verband: Beschneidungs-Debatte

Plädoyer für die Religionsfreiheit VON ILIA CHOUKHLOV Ob ich meinen Sohn beschneiden darf oder nicht, muss mir selbst überlassen sein! Wenn versucht wird Menschen vorzuschreiben, wie sie ihre Kinder zu erziehen haben, dann ist das sicherlich keine Freiheit mehr, sondern ein Diktat. In der jüdischen Tradition werden Jungen schon seit Tausenden von Jahren beschnitten, diese Praxis wurde noch niemals hinterfragt, bei vielen jüdischen Familien gehört dieses Ritual zur Tradition und ist Teil der Identität und Identitätsbildung der Kinder. Einer Familie gibt unser Grundgesetz das Recht ihre Kinder auf der Wertegrundlage, welche auch jene ihrer Religion beinhaltet, zu erziehen. Jüdischen Eltern ist es hierbei auch wichtig, ihren Kindern jene Werte weiterzugeben, welche sie selbst von ihren Eltern und Großeltern vermittelt bekommen haben. Plötzlich wollen Richter diese „Wertesystemweitergabe“ unterbrechen, was ausgerechnet bestimmte religiöse Minderheiten in Deutschland trifft. Das Wertesystem, welches jüdische Menschen ihren Kindern über Jahrtausende hinweg vermittelt haben, hat seiA NDE RS

nen Niederschlag in der abendländischen Kultur gefunden. Diese Werte verbinden seit Jahrtausenden nicht nur die Juden, sondern auch Christen und Muslime. Die Beschneidung ist nun einmal eine tiefe, grundlegende religiöse Tradition. Die derzeitige Diskussion um die Beschneidung von jüdischen und muslimischen Jungen ist mit Klischees behaftet, welche nichts mit einer richtig durchgeführten Beschneidung zu tun haben. Die Medien zeigen vermehrt Bilder von Beschneidungen, die mit Bildern einer Schlacht zu vergleichen sind, und sich darauf konzentrieren, die „Brutalität“ des Eingriffs aufzuzeigen. Dennoch muss man innerhalb dieser Debatte ganz sachlich und ohne Bedienung emotionaler und verzerrter Bilder vorgehen. Die Beschneidung von Jungen ist nicht im Entferntesten gleichzusetzen mit der Beschneidung und Verstümmelung von Frauen. Durch die Beschneidung beim Säugling wird die Wahrscheinlichkeit für eine Harnweginfektion gesenkt, im Erwachsenenalter ist die Gefahr einer Geschlechtskrankheit

oder die Gefahr eines Peniskarzinoms kleiner als bei einem unbeschnittenen Mann. Die Partnerin hat ein kleineres Risiko an Gebärmutterhalskrebs zu erkranken. Es bleibt einzuräumen, dass im Judentum eine Beschneidung am 8. Tag vorgenommen wird, das Risiko eines physischen oder psychischen Traumas erscheint in diesem Alter doch sehr gering. Das Argument, Beschneidungen zu verbieten weil im Erwachsenenalter dadurch die Möglichkeit eines Übertrittes in eine andersgläubige Religionsgemeinschaft verwehrt wird, entbehrt jeder Grundlage. Es scheint politisch notwendig geworden zu sein ein Gesetz auf dem Weg zu bringen. Dieses Gesetz soll die Beschneidung erlauben, die von einem Arzt nach dem Ritus der jeweiligen Religionsgemeinschaft durchgeführt wird. Durch diese Praxis würden auch die Kinder vor „Beschneidung im Hinterhof“ geschützt werden, ebenso dürfen sich durchführende Beschneider nicht von Strafverfolgung bedroht sehen.


Soziale Ökologie

Soziale Ökologie wagen! Sozialdemokratie sollte Ökologie stets mitdenken VON FLORIAN GOERTZ Und plötzlich sind wir angekommen, im Zeitalter der großen umweltpolitischen Probleme. Der Klimawandel stellt sich als eine große, wenn nicht als die größte Herausforderung unserer Zeit dar. Laut wissenschaftlichen Studien bleiben dem Menschen etwa 15 bis 20 Jahre, um seine biologischen Lebensgrundlagen vor einer Klimakatastrophe zu bewahren.

dem öffentlichen Personennahverkehr, der einen Garanten für ökologisch vereinbare Mobilität in einer modernen Stadt darstellt. Ökologie und Ökonomie – kein Gegensatz Soziale Verantwortung auch in wirtschaftlichen Fragen nicht außer Acht zu lassen, das ist ein grundsätzliches Bestreben der Sozialdemokratie. Als großes Ziel

Zweifellos ist ökologisches Denken und Handeln daher mittlerweile zu einer gesellschaftlichen Aufgabe geworden. Insbesondere wir Sozialdemokraten nehmen uns in die Pflicht und stehen aus unserem Grundsatzprogramm heraus für eine umweltbewusste und nachhaltige Politik ein.

und Rückzugsort der Menschen unserer Gesellschaft mit aller Kraft zu schützen. Auch der Solidaritätsgedanke, den kommenden Generationen einen ökologisch nutzvollen Lebensraum zu hinterlassen, ist Kern sozialdemokratischer Einstellung.

Ökopolitik mit sozialem Grundgedanken Während die Union in ökopolitischen Fragen bereits seit Jahren auf einer großen Wolke des Opportunismus schwebt, stellt sich die Frage, wie die derzeitige Bundesregierung es tatsächlich schaffen soll, die großen umweltpolitischen Herausforderungen unserer Zeit zu lösen. Für die prinzipien- und konzeptlose Umweltpolitik der CDU/CSU steht beispielhaft, dass bereits kurz nach dem Regierungsantritt von Angela Merkel alle von der rot-grünen Regierung auf den Weg gebrachten politischen Maßnahmen zur Energiewende revidiert wurden.

Hierbei steht der Lebensraum Stadt nicht im Kontrast zum Lebensraum Land. Vielmehr muss es ein Ziel für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sein, dafür zu sorgen, dass Ökologie im städtischen Raum gelingt. Die städtische Umweltpolitik stellt bei der Bewältigung Der Autor im Naherholungsgebiet Wöhrder-See umweltpolitischer Fragen einen elementaren Faktor dar. Unsere Intention muss es sein, den stellt es sich deshalb auch dar, die GrundKlimaschutz innerhalb unserer Städte lage für ein umweltbewusstes Denken in durch eine nachhaltige und intelligente der regionalen Wirtschaft zu schaffen. Umweltpolitik voranzutreiben und im Hierbei steht die Förderung der regioGegenzug auch die ökologische Lebens- nalen Wirtschaftskreisläufe absolut im qualität der Bevölkerung zu stärken. Das Vordergrund. In Nürnberg ist mit dem Stadtgrün ist dabei wesentlicher Bestand- Projekt „Biomodellstadt Nürnberg“ ein teil für den städtischen Klimaschutz und solider Grundstein gelegt worden, dem der urbanen Naherholung für die Bürge- örtlichen Wirtschaftskreislauf eine größerinnen und Bürger der Stadt. Ebenso ist re wirtschaftliche Bedeutung zu geben. es von elementarer Bedeutung mit der Dieses Konzept steht als Beispiel für ökoLebensgrundlage Energie nachhaltig um- logisch sinnvolle Ökonomie. Zielführend zugehen. Hierfür muss das kommunale ist es, auch weiterhin daran festzuhalten, Energiemanagement in einem ständigen ökonomisches Handeln mit ökologischem Prozess zukunftsfähig weiterentwickelt Verstand zu verknüpfen. werden. Auch die Abfallentsorgung ist ein Thema, dem man sich mit Verstand Mehr soziale Ökologie ist möglich widmen muss. Hierfür ist es zielführend, Im Zentrum sozialer Ökopolitik stehen nach und nach den Weg von der Abfall- der Mensch und sein natürlicher Lebenszu einer echten Kreislaufwirtschaft zu raum. Sozialdemokratische Werte sind ebnen. die Grundlage für die Bewältigung ökologischer Herausforderungen unserer Zeit. Die Mobilität der Bevölkerung prägt das Denn eine solidarische Wertegesellschaft moderne Leben in einer Stadt. Deshalb ist die Grundlage für eine gesunde Umliegt ein besonderes Augenmerk auf welt.

Auch die plötzliche Einsicht bei der CSU nun doch aus der Atomenergie auszusteigen, erscheint doch recht merkwürdig, nachdem der bayerische Staatsminister Markus Söder noch im Juni 2010 die CSUFraktion im Bayerischen Landtag darauf einschwor, dass in Bayern weiter an der Kernenergie festgehalten werde. Mit der umweltpolitischen Einstellung der Union ist eine geradlinige Umweltpolitik daher mehr als fraglich. Die SPD hingegen stand und steht zur Energiewende, die wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten als Schlüsselaufgabe des 21. Jahrhunderts sehen. Bereits aus dem sozialen Grundgedanken unserer Partei ist auch ein ökologischer Sozialgedanke abzuleiten, die Umwelt als Lebensraum, natürliche Ressource

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Ehemaligenverein

Bertolt Brecht im 21. Jahrhundert In unserer Rubrik Ehemaligenverein versetzen wir historische Persönlichkeiten in die Jetzt-Zeit. In dieser Ausgabe: Bertolt Brecht VON MAX BÄR Was wäre, wenn der am häufigsten gespielte Dramatiker der Gegenwart während seines Juso-Alters (bis zum 35. Lebensjahr) nicht in Augsburg und Berlin, sondern in Nürnberg gelebt hätte? Ein dünner kleiner Mann wäre zur Türe des SPD-Hauses herein gekommen. Schlecht gekleidet und unrasiert. Hätte sich vorgestellt als „Brecht“, man könne ihn Bert nennen. „Ich will die Welt verändern, darum bin ich hier.“ Doch der jun-

ge Brecht wäre anders gewesen, er wäre zu wild und anarchistisch gewesen, um sich von einer Parteistruktur bändigen zu lassen. Mit 19 Jahren hätte er sein erstes Drama geschrieben - Baal. Wild und kräftig in der Sprache, so wäre er sofort angeeckt bei den Jusos. Hätte polarisiert. „Wenn der Brecht da ist - dann geht‘s ab.“ Brecht hätte diskutiert, gestritten, provoziert und hätte mit Kraft und Lust die Umkehrung der Verhältnisse gefordert. Während der Sitzungen hätte er seinen Block vollgekritzelt. Sein ArtikulationsA NDE RS

zwang wäre nicht zu bändigen gewesen. Immer wieder hätte er Gedichte geschrieben. Bei den Kneipenabenden vorgetragen. Ein kraftvolleres, poetischeres Pathos bei der Partei eingefordert. In seinen Gedichten auf der Einladung zur Juso-Jahreshauptversammlung hätte er die sinnlos schöne Lust am Untergang besungen. An ertrunkenen Mädchen und an verlorenen Abenteurern. Er hätte uns erzählt wie kurz wir doch dächten. Mit viel Provokationen hätte er von sich ein Bild geschaffen: das des jungen, anarchischen Genies. Die Abgründe der Menschen und der Verhältnisse, die asozialen Mördern und egoistischen Feiglinge würde er in seinen Stücken auftreten lassen. Unruhig und auf der Suche nach der Wahrheit. Brecht hätte gespürt, wie der Politik das Heft aus der Hand genommen wird. Er hätte sich verloren gefühlt in einem Zeitalter in dem anonyme Mächte über das Schicksal des Einzelnen entscheiden: Wirtschaft, Banken und Märkte. Er wäre aufgestanden gegen die Allmacht des Geldes - dem kalten Herz der Gesellschaft. Brecht hätte gewusst: Als Einzelner bin ich zu schwach, um die Verhältnisse zu ändern. Er hätte Freunde gefunden bei den Jusos. Er wäre auf diese Freundesgruppe zum Leben und Arbeiten angewiesen gewesen. Seine Faszination an der Gewalt und Anarchie hätte sich gewandelt. Die Jusos hätten ihm eine Plattform geboten für seine kollektive Produktionsweise. Er hätte eine enorme Anziehungskraft auf Frauen ausgeübt, mehrere Affären parallel gehabt und diese immer wieder mit Diskussionen und Trinkgelagen verbunden, gefesselt von seiner Vorstellung einer neuen Welt.

Parteimitglied wäre er nie geworden. Er hätte sich nicht binden, sich nicht vereinnahmen lassen. Er wollte mit dem Theater - und nicht durch die Politik - die Gesellschaft verändern. Bei den offenen und leidenschaftlichen Diskussionen der Jusos Nürnberg hätte er aber Kreativität und Energie aufgesogen und schließlich umgewandelt in Kunst.

IMPRESSUM

Herausgeber: Der Juso-Biber Chefredaktion: Yasemin Yilmaz, Nasser Ahmed (V.i.S.d.P.) Redaktionsanschrift: Jusos Nürnberg Redaktion ANDERS Karl-Bröger-Str. 9, 90459 Nürnberg info@jusos-nuernberg.de Bildredaktion: Bianca Ritter Ressortleiter: Max Bär, Carl Veldman, Bianca Ritter, Marco Fatfat, Max Mauder, Asim Riaz, Richard Siebentritt Cover-Models: Dominik Forster, Adelheid Klein Layout, Satz, Produktion: Ingo Remde Auflage: 2.000 Exemplare Dank gilt: der NürnbergSPD, Martin Burkert, MdB, Christian Vogel


Aus dem Parteileben

Fahrradtour durchs Fränkische Seenland Treffpunkt Nürnberg Hbf Am Samstag, den 11.8.12 trafen sich einige JUSO-Mitglieder gegen 10.30 Uhr auf Gleis 5 des Nürnberger Hauptbahnhofs. Es war bei Temperaturen um die 24°C weder zu warm, noch zu kalt, um nicht scharenweise Radfahrer an die schon bereitstehenden Zug zu drängen. Die Fahrradabteile waren schon längst überfüllt, während immer noch weitere Menschen mit Drahteseln hinzukamen. Obwohl die Bahn vorausschauend Hinweisschilder „Fahrradmitnahme begrenzt möglich“ angebracht hatte, kamen dank einer gut aufgelegten Zugbegleiterin wohl noch alle in den Türbereichen der verbleibenden Waggons unter. Daher musste sich auch die JUSO-Gruppe vorübergehend aufteilen. Ankunft im Fränkischen Seenland In Pleinfeld angekommen, sollte der Umstieg auf eine Regionalbahn Richtung Gunzenhausen erfolgen. Es schien, als wollte gut die Hälfte der Radfahrer ebenfalls ins Fränkische Seenland zum Radeln, und mussten daher in den selben Zug umsteigen. Da aber nunmehr keine fünf, sondern nur noch zwei Waggons zur Verfügung standen, und es für die JUSOS sowieso nur noch eine Station hätte weiter gehen sollen, entschieden sich ein paar JUSOS aufopferungsvoll den Rest der Anreise mit dem Fahrrad zu unternehmen. Eine Viertelstunde später wurde die andere Hälfte am Haltepunkt Ramsberg gefunden und die eigentliche Radtour konnte beginnen. Beginn der Radtour Es herrschte reger Verkehr auf den ausgewiesenen Radrouten um den Brombachsee, sodass nebeneinander her fahren nur unter dem Ärger der entgegen kommenden Radler möglich war.

Auf dem Damm zwischen kleinem und großem Brombachsee posierten wir für das erste Foto. Übereinstimmend wurde das Wetter für Radtour- und badetauglich erklärt. Da es aber nicht so überragend heiß war, überwunden sich nur drei unserer Gruppe, ein paar Kilometer später an der Badehalbinsel

Absberg ins Wasser zu gehen. Das Seewasser war wärmer als erwartet, und so wurden einige Hundert Meter geschwommen und geplaudert. Anschließend gab es Mittagessen auf der Terrasse der Gaststätte „Seeblick-Stüberl“. Bei Pommes mit Currywurst, Käsespätzle, Cola, Weizenbier und Wasser stieß ein weiterer Teilnehmer hinzu. Nach dem Essen machte sich die Gruppe auf, den Kurztrip in Richtung Gunzenhausen zu beenden. Gespräch mit Joachim Federschmidt Unterwegs das gehabte Bild: Viel Verkehr auf den Radwegen, aber dennoch eine lohnenswerte Route entlang des Altmühlüberleiters. Dank einer längeren Wartepause an einer Bahnschranke kam die Gruppe etwas verspätet im Biergarten „Leuchtturm“ an, weshalb sie zeitgleich mit dem Bürger-

meister von Gunzenhausen, Joachim Federschmidt, eintraf. Mit dem bereits wartenden JUSOS aus dem Unterbezirk Ansbach fanden sich die Radfahrer mit dem Bürgermeister am Biertisch zusammen. Es folgte ein sehr lebendiges Gespräch, bei dem sich der Bürgermei-

ster um die zwei Stunden Zeit nahm. Es wurde viel über das Fränkische Seenland im Allgemeinen, den Zustand des Altmühlsees im Besonderen, sowie die Herausforderungen der Zukunft, welche die Stadt Gunzenhausen und die Region zu bewältigen haben werden, diskutiert. Themen dabei waren u.a. die Bedeutung des Tourismus, Einwohnerschwund, Instandhaltungskosten der Infrastruktur der Wasserversorgung usw. Der Bürgermeister zeigte sich bereit, auch in Zukunft für ähnliche Treffen und Gespräche zur Verfügung zu stehen. Rückkehr nach Nürnberg Die Gruppe aus Nürnberg verabschiedete sich und fuhr nach einem kurzen Blick über den Altmühlsee, zum Bahnhof Gunzenhausen, um die Rückreise anzutreten. Diesmal wurde ein komplett unbemanntes Zugabteil vorgefunden, und es gab keine beförderungstechnischen Herausforderungen mehr. Der Tag konnte, angekommen am Nürnberger Hbf, beim Sommerfest der JUSOS auf dem Dach des Handwerkerhofs - bei Grillfleisch und Bier zu Solidaritätspreisen - gemütlich ausklingen. 21


Heft Nr. 1 - 12/2012

Das BIBER-Interview Der legendäre Juso-Biber und Herausgeber dieser Zeitschrift im Interview mit dem neuen Juso-Geschäftsführer, Marc Rücker Die Jusos Nürnberg haben seit 1. Oktober 2012 einen neuen Geschäftsführer. Im Rahmen der neu geschaffenen Stelle sollen organisatorische Aufgaben bewältigt werden und die Arbeit der Jusos Nürnberg soll noch effizienter und reibungsloser funktionieren. Die neue Stelle bekleidet Marc Rücker. Für die Leserinnen und Leser von ANDERS hat unser Biber ihn interviewt: Biber: Seit wann bist du eigentlich SPDMitglied und was hat dich zur Mitgliedschaft bewegt? Marc: Ich bin seit 2010 bei der SPD, weil diese Partei am ehesten meinen politischen Vorstellungen entspricht und

engagierter junger Menschen. Da ist es selbstverständlich, dass es zu Meinungsverschiedenheiten mit der Mutterpartei kommen kann. Als meine Aufgabe sehe ich es nun, in solchen Streitfällen zwischen SPD und Jusos zu vermitteln und einen Konsens zu finden. Biber: Was willst du in deiner neuen Tätigkeit für uns Biber tun? Marc: Natürlich setze ich mich auch für den Umweltschutz ein und tue alles dafür, um unsere Flora und Fauna zu schützen. Um ein funktionierendes Öko-System zu erhalten, liegt mir besonders der Schutz von vom Aussterben bedrohter Tierarten am Herzen. Biber: Auch von Bibern? Marc: Vor allem von Bibern.

meine unantastbaren Werte, wie soziale Gerechtigkeit und Solidarität, bestmöglich verkörpert. Biber: Was willst du als Geschäftsführer bei den Jusos unter anderem bewegen? Marc: Mein Ziel als Geschäftsführer ist es unter anderem eine Brücke zwischen der SPD und den Jusos zu schlagen. Denn die Jusos sind für mich weniger eine reine parteiliche Jugendorganisation, sondern vielmehr ein eigenständiger und mündiger Zusammenschluss A NDE RS

Biber: Was gefällt dir vor allem an der Parteiarbeit? Marc: An der Parteiarbeit genieße ich besonders den Kontakt zu den Menschen…und natürlich auch Bibern, um mit ihnen den Dialog zu suchen und mit ihnen Spaß zu haben. Deshalb stehe ich auch immer für öffentliche Veranstaltungen, wie das Rosa-Panther-Fußballturnier oder Rock im Park gerne zur Verfügung, wo ich meine Leidenschaft voll ausleben kann. Biber: Was ist die deiner Meinung nach die größte Herausforderung bei der Jugendparteiarbeit? Marc: In einer Zeit, in der Politik unter jungen Leuten unverständlicherweise oft als „uncool“ angesehen wird und Wählen als Zeitverschwendung gilt,

wird es immer schwieriger Jugendliche von der Bedeutung und Arbeit unserer Partei zu überzeugen und sie am politischen Prozess teilhaben zu lassen. Mein Wunsch ist es nun diese jungen Leute mit ins Boot zu holen. Biber: In welchem Punkt bist du mit mir als Biber auf einer Wellenlänge? Marc: Ich würde sagen, dass ich genauso verbissen bin wie du, auch wenn dies bei mir eher im übertragenen Sinne gemeint ist. Denn habe ich einmal ein Ziel vor Augen, lasse ich so schnell nicht mehr davon ab. Ich akzeptiere kein „nein“, bin jedoch immer kompromissbereit. Biber: Was würdest du als erstes ändern, wenn du Bayerischer Ministerpräsident wärst? Marc: Da fällt mir sofort das Thema Bildungspolitik ein. So bin ich der Meinung, dass in der gesamten Bundesrepublik Studierenden dieselben Voraussetzungen geschaffen werden sollten, um ihnen eine ordentliche akademische Ausbildung zu gewährleisten. Sei dies durch die Abschaffung der Studiengebühren oder durch ein solidarisches und bezahlbares Semesterticket. So verwundert es mich nicht, dass immer mehr Kommilitonen das Studium im Ausland bevorzugen, da ihnen dort humanere Grundvoraussetzungen gegeben werden. Somit würde ich versuchen Bayern im europäischen Vergleich wieder zu einem beliebten und attraktiven Standort für Studieninteressierte aus aller Welt zu machen. Biber: Und mit welchem Wahlslogan würdest du die wichtige Wählerschaft der Biber ansprechen wollen? Marc: Holz für alle, der Letzte zahlt! Biber: Marc, vielen Dank für das Interview!


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