Selbstdarstellungsbroschüre Jusos Oberbayern

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Wir Jusos - Einblick in Positionen und Selbstverst채ndnis V.i.S.d.P.: Anno Dietz, Oberanger 38 / 4. Stock, 80331 M체nchen Gestaltung: Simon Wendl, Anno Dietz In vorliegender Form beschlossen durch die Delegierten der Bezirkskonferenz der Jusos Oberbayern im April 2011.


Liebe Leserin, lieber Leser, diese Broschüre hat der Bezirksvorstand der oberbayerischen Jusos im Jahr 2011 erstellt. Eine Bezirkskonferenz hat die grundsätzliche inhaltliche Ausrichtung im April 2011 bestätigt – auch wenn sicherlich nicht jeder Satz und jede Formulierung dort abgestimmt wurde. Ebenso musste später aus redaktionellen oder layouttechnischen Gründen einiges gekürzt werden. Die Broschüre soll uns Jusos hauptsächlich anhand unserer inhaltlichen Positionen vorstellen. Sie bietet neueren Mitglieder sowie allen Interessierte und vielleicht auch erfahreneren Genossinnen und Genossen einen Überblick über jungsozialistische Positionen; ist also gleichermaßen an vorhandene und neuere, wie auch an zukünftige Mitglieder gerichtet.

Außerdem danke ich natürlich dem gesamten Bezirksvorstand, aus dem jeder und jede seinen Beitrag zu der Broschüre geleistet hat. Wir wünschen viel Spaß bei der Lektüre und freuen uns auf spannende Diskussionen um alle aufgeführten Positionen! Uns Jusos wird von der SPD immer wieder nachgesagt, zu viel zu diskutieren wir wissen aber auch, dass nur dort, wo diskutiert wird, lebendige Politik gemacht werden kann! Für den Bezirksvorstand der Jusos Oberbayern im Dezember 2011, Mit sozialistischen Grüßen,

Dank schulden wir neben dem korrekturlesenden Genossen Sebastian Lang und dem layoutenden Genossen Simon Wendl auch allen Delegierten der Bezirkskonferenz, die sich an Diskussionen und mit zahlreichen Änderungsanträgen in die Erstellung der Broschüre eingemischt haben. Das war eine der besten Diskussionen auf Bezirksebene der vergangenen Jahre!

Christian Köning Bezirksvorsitzender bis 2012

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Inhalt I. Das Selbstverständnis der Jusos

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II. Politische Positionen der Jusos zu einzelnen Politikfeldern

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1. Gute Arbeit und Sozialstaat

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Wir stehen für gute Arbeit

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Der Sozialstaat ist ein Erfolg der ArbeiterInnenbewegung

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2. Bildung und Ausbildung

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Unsere Vorstellung von Bildung

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Unsere Forderungen zur Umgestaltung des Bildungssystems

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3. Finanz- und Steuerpolitik

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Ein starker Staat braucht starke Finanzierungsgrundlagen!

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Reiche müssen mehr tragen als Schwache!

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4. Jugendpolitik

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Vor welchen Herausforderungen steht die Jugend heute?

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5. Umwelt, Energie, Kommunales

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Umweltpolitik

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Ökologische Gerechtigkeit durch linke Energiepolitik

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Wir Jusos sind gegen Atomkraft

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Die Jusos und die Kohle

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Unsere Vorstellungen von Kommunalpolitik

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6. Internat., Antifa, Integration

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Internationales

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Abrüstung

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Friedens-und Sicherheitspolitik

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Entwicklungszusammenarbeit

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Jusos sind AntifaschistInnen

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Unser Kampf gegen Rechts

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7. Migration und Integration

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Asylpolitik

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Integrationspolitik

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8. BürgerInnenrecht, Netzpolitik

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Freiheiten für mündige BürgerInnen!

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Entkriminalisierung von Cannabis

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Gegen den Überwachungsstaat!

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Umfassender Datenschutz für alle!

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Freiheit, Gleichheit und Solidarität gelten auch im Netz!

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9. Gleichstellungspolitik

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Forderungen zur Umsetzung des Feminismus in der Alltagspolitik

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III. Was sind die Jusos Oberbayern?

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IV. So machst DU bei UNS mit!

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I. Das Selbstverst채ndnis der Jusos


Wir Jusos sehen uns selbst als sozialistischer, feministischer und internationalistischer Richtungsverband in der SPD. Damit stehen wir in der Tradition der politischen ArbeiterInnenbewegung. Wir, das sind bundesweit ca. 70 000 Genossinnen und Genossen unter 35 Jahren, die entweder als SPD-Mitglieder automatisch Jusos sind, oder als Juso-Mitglieder nur bei den Jusos mitarbeiten. Zur SPD haben wir ein Verhältnis, das wir selbst als kritisch-solidarisch bezeichnen. Wir setzen uns politisch sehr stark mit der SPD und ihren alltagspolitischen Forderungen auseinander und wollen bei Parteitagen auf lokaler, landes- und bundespolitischer Ebene in sie hineinwirken. Oftmals bedeutet das auch harsche Kritik am Kurs der Partei. Allerdings stehen wir eben auch solidarisch zu unserer Mutterpartei und kämpfen für und um die SPD. Eine fortschrittliche linke Politik ist für uns in Deutschland ohne eine starke SPD nicht umzusetzen. Dafür kämpfen wir innerhalb der Partei, sind hierbei aber nicht nur Parteijugend und machen Wahlkampf, kleben Plakate und geben junge Gesichter neben Abgeordneten ab – sondern haben unsere Meinung und bringen diese ein.

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Selbstverständlich hört unser Engagement nicht an den Parteigrenzen auf! Wir wollen aktiv die Gesellschaft und den Staat verändern. Nichts Weniger ist unser Ziel. Unser Engagement in der Zivilgesellschaft, den Gewerkschaften, Verbänden und Organisationen parallel zur SPD läuft für uns unter dem Begriff der „Doppelstrategie“. Hierunter verstehen wir, dass wir unsere politischen Ziele innerhalb der Partei, allerdings auch in der Gesellschaft verankern und durchsetzen wollen. Politik findet nicht nur auf Parteitagen oder im Parlament statt, sondern auch vor Ort, bei Demonstrationen, auf der Straße, an Info-Ständen oder bei politischen Aktionen. Im Folgenden wirst Du unsere politische Richtung, als erstes unsere Grund werte (Sozialismus, Internationalismus und Feminismus), dann unsere Positionen in bestimmten Politikfeldern, also das wofür wir streiten und kämpfen, den Sinn unseres politischen Engagements kennenlernen.


Darum sind wir SozialistInnen!

Darum sind wir InternationalistInnen!

Unter Sozialismus verstehen wir das Anstreben einer „Gesellschaft der Freien und Gleichen“. Diese kann nicht in einer kapitalistischen Gesellschaft entstehen, da der Kapitalismus sich immer am freien Markt orientiert. Da der zentrale Baustein des freien Marktes die Konkurrenz ist, und Konkurrenz immer zu GewinnerInnen und VerliererInnen führt, können wir eine sozialistische Gesellschaft nur erreichen, indem wir den Kapitalismus überwinden.

Internationalismus ist für uns der Gegensatz zum Nationalismus, welchem wir uns natürlich mit aller Ausdrücklichkeit entgegenstellen. Nationen sind menschlich konstruierte Gebilde, die oftmals mehr trennen, als dass sie einen. Denn Probleme, wie zum Beispiel die Unterdrückung der Armen und sozial Schwachen, die Hungersnot in der Dritten Welt oder der Klimawandel, können nicht von einzelnen Staaten alleine gelöst werden. Hierfür ist eine nationenübergreifende Politik notwendig, die auf der Zusammenarbeit aller Länder basieren muss.

Gleichzeitig bedeutet Sozialismus für uns immer auch Demokratie. Nur in einem demokratischen System können wir frei handeln. Diese Freiheit ist nicht von Gerechtigkeit und Solidarität zu trennen, denn solange es ein ungerechtes Wirtschaftssystem gibt, ist Freiheit immer nur die Freiheit der finanziell Starken, während Gerechtigkeit nur in einem freiheitlichen politischen System existiert.

Um unsere globalen Ziele zu erreichen, engagieren wir uns gemeinsam mit unseren sozialistischen Schwesterorganisationen in der Jugendinternationalen IUSY (International Union of Socialist Youth) und ECOSY (European Community Organisation of Socialist Youth).

Für diese Vision treten wir ein und kämpfen innerhalb des bestehenden parlamentarischen Systems für unsere Überzeugungen.

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Die IUSY (International union of socialist youth

Die ECOSY - (European Community Organisation of Socialist Youth)

Die Anfänge der IUSY gehen zurück auf den internationalen SozialistInnenkongress im August 1907. Die damals gegründete „Internationale Verbindung sozialistischer Jugendorganisationen“ wählte Karl Liebknecht zum Vorsitzenden und blieb zunächst ein eher loser Zusammenschluss. Nachdem in den Jahren nach dem 1. Weltkrieg mehrere Verbände parallel existiert hatten, wurde schließlich im September 1946 die IUSY in ihrer heutigen Form ins Leben gerufen.

Deutlich jünger hingegen ist die ECOSY. 1992 gegründet, hat sie seitdem ihr Sekretariat in Brüssel. Intention war, die bereits im Rahmen der IUSY stattfindenden europäischen Kooperationen besser zu verzahnen und zu intensivieren. Mit ihren 38 Mitgliedsverbänden ist auch sie immer noch Teil der Jugendinternationalen.

Heute hat sie ihren Sitz in Wien und umfasst 148 Organisationen aus allen Kontinenten. Damit ist sie die weltweit größte Jugendorganisation. Regelmäßig finden Festivals statt, bei denen man sich trifft und gemeinsam Workshops besucht, sich über aktuelle Entwicklungen in anderen Ländern aus erster Hand informieren kann und nicht zuletzt auch miteinander feiert. So wird es möglich, internationale Solidarität auch zu leben.

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In den Jahren, in denen kein IUSYFestival veranstaltet wird, richtet die ECOSY für gewöhnlich ein Festival aus. Mit und in diesen beiden Organisationen kämpfen wir für eine gerechte Welt.


Darum sind wir FeministInnen! No socialism without feminism! Ein bisschen mehr als die Hälfte der Menschheit wird täglich immer noch ein bisschen mehr benachteiligt als die andere Hälfte innerhalb derselben Ethnie, Religion, Klasse oder Altersgruppe. Frauen sind in allen gesellschaftlichen Gruppen Objekt von Diskriminierung aufgrund des Geschlechts. Frauen sind schuld daran, wenn sie für dieselbe Arbeit schlechter bezahlt werden als ihre männlichen Kollegen immerhin können sie Kinder gebären, gehen in Mutterschutz, verpassen den Anschluss oder arbeiten gleich nur Teilzeit. Frauen sind auch schuld daran, wenn sie Erzieherin oder Friseurin werden und damit im Niedriglohnbereich bleiben - immerhin haben sie die freie Wahl, was sie einmal werden wollen und so ein Handwerker leistet im Gegensatz zur Friseurin auch die körperlich deutlich anstrengendere Arbeit. Frauen sind im Übrigen auch schuld daran, wenn sie untergewichtig sind, - keineR zwingt sie, sich den Schönheitsidealen der Werbeindustrie zu unterwerfen. Es gefällt ihnen, wenn sie in Clubs und Bars Opfer sexueller Belästigung werden; sie sind selbstbewusst und modern, wenn sie sagen,

sie bräuchten die Quote nicht und sie sind frei in ihrer Sexualität, wenn sie von Männern ausgenutzt werden. Wir Jusos sind ein feministischer Richtungsverband, so definieren wir uns in unserer Satzung. Die Konsequenz daraus ist der politische Kampf um die Gleichstellung der Geschlechter auf allen Ebenen; in der AG, im Unterbezirk, im Bezirk und im Landes- und Bundesverband. Eine freie und gleiche Gesellschaft kann es ohne die Gleichstellung der Frau nicht geben; die Frauenfrage ist kein Nebenschauplatz! Geschlecht ist ein Konstrukt Im 21. Jahrhundert hat man(n) zumindest in einigen Erdteilen erkannt, dass es nicht gottgegeben ist, dass Frauen lange Haare haben, nur Röcke oder Kleider tragen, Puppen und Kinder mögen, weil sie nichts anderes werden möchten und können als Hausfrau und Mutter. Tradierte heteronormative Geschlechterbilder, die mit biologistischen haarsträubenden „Fakten“ unterlegt wurden, befinden sich in Auflösung; im Gegenzug hält und entwickelt sich ein subtilerer Biologismus fort, der traditionelle Geschlechterbilder in ihrer dualen, polaren und hierarchischen Ordnung stärkt. 11


Dass Frauen aber Röcke tragen können und Männer nicht, ist nicht biologisch determiniert. Ganz im Gegenteil zeigt sich in der Betrachtung verschiedener Kulturen, verschiedener Epochen und in den verschiedenen Milieus innerhalb einer Kultur eine deutlich größere Vielfalt. Geschlecht erfasst mehrere Dimensionen, die sich in Gender (Verhaltensmuster für Männer und Frauen), Sex (Merkmale des Körpers) und Desire (die individuelle sexuelle Ausprägung) erfassen lassen. Jede der genannten Dimensionen unterliegt der Ausgestaltung des einzelnen Individuums, das wiederum Produkt seiner Umwelt ist. Gender, Sex und Desire sind gesellschaftlich produziert; das heterosexuell Normative in unserer Gesellschaft ist männlich definiert und alles außerhalb ist das „Andere“. Aber es ist nun mal nicht so, dass jede Frau ausschließlich emotional und jeder Mann ausschließlich rational ist; es ist nun mal nicht so, dass jeder Mensch heterosexuell ist und alles andere eine Krankheit ist und es ist nun mal auch nicht so, dass jeder Mensch eindeutig als Mann oder Frau kategorisiert werden kann.

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Gleichberechtigt ist nicht gleichgestellt* Die geltenden Theorien zu Staat und Politik, Institutionen und Organisationen, der Arbeitsmarkt, unser Bildungssystem und die Medien sind nicht geschlechtsneutral, sondern androzentristisch - männliche Bedürfnisse, Sichtweisen und Lebenssituationen sind die Norm. Zwar sind Frauen und Männer laut Art. 3 Abs. 2 Grundgesetz gleichberechtigt, aber deswegen noch lange nicht gleichstellt. Daraus ergibt sich der Zirkelschluss, dass, solange Frauen in Wissenschaft, Politik, Institutionen, Organisationen und auf dem Arbeitsmarkt nicht dieselben Chancen haben wie Männer und ihre Sichtweisen, Lebenssituationen und Bedürfnisse einfließen, lassen können, eine echte Gleichstellung nicht zu erreichen ist. Dies wollen wir erkämpfen. * Die folgenden Ausführungen basieren aus Gründen der empirisch nachweisbaren Diskriminierung der größten, allgemein als „Frauen“ bezeichneten Geschlechtergruppe auf einer binären Geschlechterstruktur und sind in sich sexistisch. Da es jedoch keinen neutralen Standpunkt gibt und eine aus dem Kategoriedenken resultierende Diskriminierung in der entsprechenden Denkweise kritisiert werden sollte, wird dies vernachlässigt.


II. Politische Positionen der Jusos zu einzelnen Politikfeldern


1. Gute Arbeit und Sozialstaat Wir stehen für Gute Arbeit

Für uns Jusos ist Arbeit zentral. Arbeit ist eine Konstante, deren Veränderung und politische Gestaltung unmittelbar auf die Lebensverhältnisse der meisten Menschen Auswirkungen hat. Zentralität der Arbeit bedeutet jedoch nicht, die Verwendbarkeit und Leistungsfähigkeit des Menschen im Produktionsprozess dem Einzelnen überzuordnen und so als Totalität zu verankern. Die Definition von Leistung ist und war immer zuallererst eine Machtfrage. Wir Jusos halten fest: Leistung ist kein neutraler Begriff! Die Arbeitswelt verändert sich immer mehr; vom Normalarbeitsverhältnis abweichende Arbeitsrealität bei einer zunehmende Individualisierung sind zu beobachten. Diese sind auch von 14

der politischen Linken und uns Jusos gesondert zu betrachten und zu analysieren. Dennoch bleibt die Abhängigkeit von Lohn- oder Erwerbsarbeit in der Vielzahl der verschiedenen Arbeitsverhältnisse die gemeinsame Realität, die die Menschen im grundlegenden Interessengegensatz zwischen Produktivkräften und Eigentümer der Produktionsmittel verortet und verbindet. Arbeit ist mehr als der bloße Verkauf der individuellen Arbeitskraft zur Sicherstellung der Befriedigung der grundlegenden Bedürfnisse der Menschen. Arbeit ist immer auch eine Quelle der menschlichen Selbstdefinition, idealerweise der Selbstverwirklichung. Sie schafft soziale Inklusion und ermöglicht die Teilhabe am öffentlichen Leben. Menschen identifizieren sich mit dem Produkt ihrer Arbeit, sind auf die sozialen Kontakte, die ihnen ihre Arbeit, ihre Arbeitsumgebung ermöglicht, angewiesen. Deswegen sind die Arbeitsverhältnisse der Menschen von entscheidender Bedeutung. Gerade deshalb kämpfen wir für Gute Arbeit.



Der Sozialstaat ist ein Erfolg der ArbeiterInnenbewegung! Die ArbeiterInnenbewegung hat es geschafft, im 19. und 20. Jahrhundert große soziale Errungenschaften immer gegen die Interessen der Unternehmen, oft auch gegen Konservative oder deren Regierungen durchzusetzen. Seit den 1980er Jahren wird der Sozialstaat weltweit ausgehölt, so auch in Deutschland unter den Regierungen von Helmut Kohl, auch unter Schröder und jetzt unter Merkel: Der Kündigungsschutz wurde beschnitten, Leihund Zeitarbeit ermöglicht, öffentliche Betriebe der Daseinsvorsorge wie Post und Bahn privatisiert, die Kommunen als Hauptträger öffentlicher Daseinsvorsorge finanziell ausgeblutet, soziale Absicherung durch die Hartz-Reformen verschlechtert, effektive Lohnkürzungen nicht nur bei den Privaten sondern auch im öffentlichen Sektor durchgeführt, längere Arbeitszeiten umgesetzt, durch die Rente mit 67 eine reale Rentenkürzung eingesetzt, und Vieles mehr! Das ist keine Politik, wie wir Jusos sie wollen. Wir fordern einen umfassenden Ausbau des Sozialstaates.

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Es ist Aufgabe des Staates, durch soziale Sicherungssysteme alle Menschen gegen Risiken wie Arbeitslosigkeit, Krankheit, Armut und reduzierter Erwerbsfähigkeit (aufgrund des Alters oder von Unfällen) durch Transferleistungen, Versicherungsleistungen und öffentliche Dienstleistungen abzusichern. Gemäß unserer Vision einer gerechten Gesellschaft wollen wir mehr Gleichheit zwischen den sozialen Klassen. Dazu muss der Sozialstaat eine Umverteilungsfunktion haben. Armutsbekämpfung heißt nicht nur die Deckung eines Existenzminimums, sondern geht darüber hinaus. Der Sozialstaat hat einen emanzipatorischen Charakter. Er stärkt durch das Bereitstellen von materiellen Sicherheiten das Selbstbewusstsein vieler Menschen und gibt ihnen die Möglichkeit, das Leben nach den eigenen Vorstellungen und Wünschen zu gestalten. Ohne ihn gäbe es keine Möglichkeiten, sich zu engagieren und an der Gesellschaft teil zu haben. Versuche der Neoliberalen und Konservativen, den Sozialstaat zu diskreditieren, bekämpfen wir Jusos entschieden.


Für uns liegt das Problem nicht in einzelnen Missbräuchen des Systems, sondern in einer Politik gegen die Interessen der Mehrheit der Bevölkerung, besonders gegen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer! Unsere kurzfristigen Forderungen: Vollbeschäftigung durch aktive Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik Wir Jusos stehen für Vollbeschäftigung. Arbeitslosigkeit ist ein großes gesellschaftliches Problem, das aktiv durch den Staat bekämpft werden muss. Gerechtigkeit ist nur dann möglich, wenn jeder und jede eine wirkliche Möglichkeit hat, durch Arbeit am Leben teilzuhaben. Wir wollen, dass möglichst viele dazu beitragen, Wohlstand zu produzieren, der anschließend gerecht verteilt werden soll. Der Staat schafft in einer aktiven Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik die Grundlagen dafür. Wirtschaftswachstum ist politisch gestaltbar! Durch eine an den Konjunkturzyklen orientierte Wirtschaftspolitik, einen starken Staat, ein Stopp von Ausgliederungen und Privatisierungen als Teil eines Konzepts zur Umkehr des Beschäftigungsabbaus im öffentlichen Dienst sind nur ein Anfang.

Einführung eines ÖBS In unserer Gesellschaft bleibt viel gesellschaftlich notwendige, aber nicht bezahlte Arbeit unerledigt. Gleichzeitig gibt es viele langzeitarbeitslose Menschen, die auf absehbare Zeit keine Vermittlungschancen in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung haben. Anstatt diese Personen von Maßnahme zu Maßnahme zu schicken, in einem entwürdigenden Kreislauf durch die Jobcenter und Beschäftigungsmaßnahmen zu hetzen, wollen mit der Finanzierung von Arbeit statt Arbeitslosigkeit ernst machen. Durch Arbeit wird für Teilhabe und Anerkennung gesorgt. Diese Arbeiten sollen zusätzlich und im öffentlichen Interesse sein und unseren Anforderungen von Guter Arbeit gerecht werden. Die Finanzierung erfolgt durch die öffentliche Hand bei Zusammenführung der bisher aufgewendeten Mittel zur „Finanzierung der Arbeitslosigkeit“. Reformen im System der Hartz-Gesetze Wir Jusos haben mit vielen Teilen der größten Reformen des deutschen Sozialstaates Probleme und wollen einige entscheidende Punkte verändern!

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Eine Verlängerung der Bezugsdauer des Arbeitslosengeld I, eine Erhöhung des Regelsatzes für das Arbeitslosengeld II, die das soziokulturelle Existenzminimum absichert und sich am wirklichen Bedarf orientiert, die Einschränkung der „Schnüffelpraxis“ der Jobcenter, die gerade junge Menschen besonders betrifft, sowie die Abschaffung der Sanktionen gegenüber LeistungsempfängerInnen sind erste Schritte hin zu einer sozialdemokratischen Politik. Grundsätzlich sehen wir Arbeitslosigkeit als gesellschaftliches Problem, das nicht auf die Betroffenen individualisiert und abgeschoben werden darf.

Einführung einer BürgerInnenversicherung Wir Jusos stehen für das Konzept der BürgerInnenversicherung. Diese beinhaltet die Überführung der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung in eine solidarische BürgerInnenversicherung, in der sich alle BürgerInnen nach ihrer Leistungsfähigkeit an der solidarischen Finanzierung beteiligen. Dazu sind alle Einkommensarten zur Finanzierung heranzuziehen, und es besteht eine Versicherungspflicht. Rücknahme der Rente mit 67

Ablehnung der Kopfpauschale dafür solidarische Gesundheitspolitik! Wir Jungsozialistinnen und Jungsozialisten sagen ‚Nein‘ zur Kopfpauschale. Sie ist unsozial und nicht finanzierbar. Für uns steht das Prinzip, dass Gesunde für Kranke und Starke für Schwache ein-stehen, nach wie vor an erster Stelle einer solidarischen Absicherung des Lebensrisikos Krankheit. Dabei soll das Gesundheitssystem auch wieder voll paritätisch finanziert werden: Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sowie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollen zu gleichen Teilen für die Gesundheit bezahlen.

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Die Rente mit 67 ist ein sozial- und beschäftigungspolitischer Fehler. Sie ist darüberhinaus eine faktische Rentenkürzung, da nur ca. ein viertel aller 60 bis 64 jährigen in Deutschland noch einen sozialversicherungspflichtigen Job haben. Wir wollen im Gegensatz zu den bisherigen Privatisierungstendenzen eine Stärkung des öffentlichen Rentensystems, mit dem Ziel, die RentnerInnen regelmäßig am steigenden Wohlstand zu beteiligen. Hierzu ist eine Anpassung der Beitragsbemessungsgrenze sowie die Anrechnung weiterer Einkommensarten notwendig.


2. Bildung und Ausbildung Unsere Vorstellung von Bildung Bildung ist die Grundlage dafür einen kritischen Geist zu entwickeln, der uns ermöglicht, die Welt, in der wir leben, nicht einfach hinzunehmen, sondern Entwicklungen progressiv voranzutreiben und Missstände anzugreifen. Gleichzeitig leistet Bildung auch einen wichtigen Beitrag, um einen Arbeitsplatz zu finden und dadurch seinen Lebensunterhalt zu sichern. Bildung ist Voraussetzung, um sich selbstbestimmt entwickeln zu können. Daher muss der Staat gleichen Zugang und gleiche Chancen zu qualitativ hochwertiger Bildung ermöglichen. Bildung darf nicht unter einem Verwertungsaspekt stehen, der der „Wirtschaft“ dient. Das deutsche Bildungssystem ist sozial ungerecht, da es wirkliche Chancengleichheit verhindert. In keinem anderen vergleichbaren Land ist Bildung so sehr von sozialer Herkunft abhängig wie in Deutschland. Eine „Durchlässigkeit“ zwischen Schule, Ausbildung, Hochschule und Berufsbildung ist in der Realität nicht gegeben. Die von der Bundeskanz-

lerin ausgerufene „Bildungsrepublik Deutschland“ und das „Lebenslange Lernen“ finden nicht statt, während die Wirtschaft einen Fachkräftemangel predigt, selbst aber nicht genügend ausbildet. Und Studiengebühren schränken gerade für Jugendliche aus ärmeren Familien die Möglichkeiten zu studieren immer weiter ein. Wir Jusos stehen dagegen für eine gemeinsame Schule für alle, in der der Unterricht auf einem inklusiven System basiert, dass das dreigliedrige Schulsystem überwindet und förderungsbedürftige Kinder einbezieht. Wir wollen eine hochwertige Berufsbildung und Ausbildungsplätze für alle BewerberInnen. Wir kämpfen mit den Juso-Hochschulgruppen für demokratische Hochschulen, an denen Studierende wirkliche Einflussmöglichkeiten haben. In einem gerechten System staatlicher Förderung muss qualitativ hochwertige Weiterbildung unter finanzieller Einbeziehung der Unternehmen für alle ermöglicht werden.

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Unsere Forderungen zur Umgestaltung des Bildungssystems Ganztagsschule, die auch ein gemeinsamer Lebensraum mit Sportund Freizeitmöglichkeiten wird. Gute Ausbildung, mehr Ausbildungsplätze und Ausbildungsplatzübernahme

Abschaffung des dreigliedrigen Schulsystems Das dreigliedrige Schulsystem zementiert soziale Ungerechtigkeit. Gerade die Hauptschule hat in dieser Form weder in Bayern noch anderswo eine Zukunft, ihre AbsolventInnen leider viel zu häufig auch keine gute. Wir Jusos wollen eine Gemeinschaftsschule für alle. Diese Schule gibt allen Schülerinnen und Schülern die gleichen Möglichkeiten und trennt nicht nach der vierten Klasse. Gleichzeitig wollen wir eine 20

Eine Ausbildung muss fair bezahlt und auch qualitativ hochwertig sein. Am dualen System wollen wir festhalten, das Berufsprinzip stellen wir nicht in Frage. Eine Mindestausbildungsvergütung muss als unterste Grenze eingeführt werden. Aber es geht auch um die Interessenvertretung; Auszubildende müssen in ihren Betrieben gesondert gehört werden. Wir fordern deshalb auch eine Stärkung der Betriebsräte und Jugendund Auszubildendenvertretungen. Aufgrund der mangelnden Bereitschaft der Unternehmen, ihrer Verantwortung nachzukommen und auszubilden, finden nicht alle einen Ausbildungsplatz. Insgesamt ist in der Gruppe der 15- bis 24-Jährigen die Erwerbslosenquote mit 14,9 Prozent fast doppelt so hoch wie in der Gesamtbevölkerung. Rund 50% aller


Auszubildenden werden nicht mehr übernommen. Das ist ein Skandal, den sich die Gesellschaft nicht gefallen lassen darf. Auch Unternehmen haben Verantwortung und profitieren von einer Übernahme. Wir fordern eine gesetzlich geregelte Übernahmepflicht. Aber auch diejenigen, die in diesem nur auf kapitalistischer Verwertungslogik bezogenen Konkurrenzkampf keinen Ausbildungsplatz finden können, verdienen eine Chance. Deshalb fordern wir, allen Jugendlichen über 20 Jahren ohne abgeschlossene Berufsausbildung eine kostenfreie schulische Ausbildung zu garantieren. Schutz von PraktikantInnen Wer eine Berufsausbildung oder ein Studium abgeschlossen hat, befindet sich nicht mehr in einem Lernverhältnis und muss somit ordentlich beschäftigt werden. Wir setzen uns für eine stärkere Absicherung und insbesondere Bezahlung von Praktikantinnen und Praktikanten ein.

Jeder und jede, der/die studieren kann und will, muss sich auch ein Studium leisten können. Es kann nicht sein, dass Studierende mehr arbeiten, als studieren, um sich ihr Studium finanzieren zu können. Sie müssen sich aber auf ihr Studium konzentrieren können und in der vorlesungsfreien Zeit die Möglichkeit haben, bspw. Praktika für ihr Studium zu absolvieren. Sie sollen nicht als schlecht bezahlte Arbeitskraft das Geld für die Studiengebühren verdienen müssen. Um hier Gerechtigkeit zu schaffen und Bildung nicht abhängig vom Geldbeutel der Eltern zu machen, fordern wir deshalb die Abschaffung von Studiengebühren und setzen uns für eine Erhöhung des BAföG ein, das einem erweiterten Kreis zur Verfügung steht. Ohne Entwicklungsmöglichkeiten gibt es keine guten Ausbildungen. Wir wollen Durchlässigkeit auch nach dem Berufsabschluss und fordern daher dessen Anerkennung als gleichberechtigten Hochschulzugang.

Abschaffung von Studiengebühren und Reform des BAföG, Entwicklungsmöglichkeiten nach einer Aubildung.

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3. Finanz- und Steuerpolitik Ein starker Staat braucht starke Finanzierungsgrundlagen! Neben unserer Forderung nach einer Beibehaltung und Ausweitung der Finanzierungsgrundlagen der Sozialversicherungen erfolgen große Teile der Finanzierung staatlicher Ausgaben über Steuern. Ohne Steuern hat der Staat keine Handlungsmöglichkeiten.Dringend erforderliche Zukunftsausgaben und zentrale Forderungen von uns Jusos, wie wirklich gleiche Bildungschancen für alle, hochwertige öffentliche Dienstleistungen, ein Schließen der Schere zwischen Arm und Reich, zentralen Zukunftsinvestitionen für Wachstum und Beschäftigung oder der ökologische Umbau der Industriegesellschaft könnten bei leeren Kassen nicht erfolgen.

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Die Politik der Entstaatlichung, die versuchte über möglichst drastische Steuersenkungen, Wachstum zu erzeugen, ist gescheitert. Dies war und ist Teil der neoliberalen Ideologie vom Zurückdrängen des Staates. Wir Jusos waren und sind gegen diese undemokratische und gefährliche Ideologie, die den Zusammenhalt der Gesellschaft aufs Spiel setzt und kapitalistischen Interessen nutzt. Auch mit Generationengerechtigkeit hatte diese Kürzungspolitik nichts zu tun; die zukünftige Generation hat nicht nur Interesse an „soliden Staatsfinanzen“, sondern auch Interesse an guter Infrastruktur, einem sozial gerechten und starken Bildungssystem, einer möglichst nachhaltigen Umweltpolitik und einer sozial gerechten Gesellschaft.


Reiche müssen mehr tragen als Schwache! In einer gerechten Gesellschaft tragen Starke mehr zu den finanziellen Bedürfnissen des Staates bei als Schwache. In den letzten Jahren wurden die Steuern immer mehr gesenkt, selbst unter der Rot-Grünen-Regierung kam es zu einem Absenken des Spitzensteuersatzes. Durch das Senken der Unternehmenssteuer wurden auch die Unternehmen immer mehr entlastet. Wir Jusos haben drei einfache kurzfristige Ansatzpunkte für mehr Steuergerechtigkeit entwickelt: Für eine gerechte Besteuerung von Vermögen In kaum einem anderen Land ist die Besteuerung von Vermögen so niedrig wie in Deutschland. Es geht nicht um eine Neiddebatte, auch nicht darum der Oma mit einer Vermögenssteuer das Haus, in dem sie wohnt, wegzunehmen, sondern schlicht um eine gerechte Beteiligung derjenigen, denen es in der Gesellschaft besser geht. Inzwischen besitzen die reichsten 10 Prozent der Gesellschaft über 60 Prozent des Vermögens, während die „untere“ Hälfte der

Gesellschaft praktisch keine Vermögenswerte hat. Siehe dazu nebenstehende Diagramm mit Anteil am Nettogesamtvermögen 2007. Bei einem Freibetrag von 500.000 Euro würden wir Jusos alle darüberhinausgehende Vermögen von jedem und jeder mit einer Abgabe in Höhe von 1% jährlich besteuern. Wer dann zum Beispiel eine Million Vermögen hat, muss pro Jahr 5.000 Euro Steuern zahlen. Damit würde der Staat im Jahr rund 20 Mrd. Euro zusätzlich einnehmen können. Darüber hinaus fordern wir Jusos eine Reform der Erbschaftssteuer. Für die Besteuerung von Finanztransaktionen Die Finanz- und Wirtschaftskrise hat gezeigt: Eine Regulierung der Finanzmärkte ist unabdingbar. Das einfachste Mittel dazu, das auch noch die Beteiligung derer, die die Krise verursacht haben, an den Kosten ermöglicht, ist die Finanztransaktionssteuer. Diese verteuert eine Spekulation umso mehr, je kürzer ihr 23


Zeithorizont ist. Kurzfristige destabilisierende Spekulationen würden dadurch weniger profitabel, während langfristige Investitionen kaum betroffen wären. Dadurch wäre eine Stabilisierung der Finanzmärkte vorprogrammiert, da plötzlich langfristiges Agieren lohnender wäre als kurzfristiges Spekulieren. Bei einem Satz von 0,05 %, wären zusätzliche Einnahmen in Höhe von 17 bis 36 Milliarden Euro möglich.

oberstes Zehntel

61,1 %

9. Zehntel

19,0 %

8. Zehntel

11,1 %

7. Zehntel

6,0 %

6. Zehntel

2,8 %

Mehr Steuerfahndung zur wirklichen Umsetzung bestehender Steuern – Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt! Immer wieder war in der Vergangenheit von Fällen großer Steuerhinterziehung zu lesen. Dabei betraf es fast immer Einnahmen aus Vermögen und Kapitalgewinnen. Wir wollen, dass endlich ernst gemacht wird mit Steuergerechtigkeit. Dabei müsste nur der Wille da sein, auch so viele SteuerprüferInnen einzustellen, wie es nötig wäre. Mit einer besseren Personalausstattung wären pro Jahr Mehreinnahmen von bis zu 12 Mrd. Euro möglich. 1,6 % -1,6 %

5. - 2. Zehntel unterstes Zehntel

Vermögensverteilung in Deutschland Anteil am Gesamtvermögen 2007

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4. Jugendpolitik Vor welchen Herausforderungen steht die Jugend heute? Im Vergleich zu älteren Generationen spielt die Jugend als Lebensabschnitt eines Menschen eine größere Rolle. Heute sind Menschen aufgrund der verlängerten Ausbildungszeiten, der späteren Familiengründungen, aber auch aufgrund eines sich verändernden Lebensgefühls gesellschaftlich gesehen länger Teil der Jugend und fühlen sich auch so. Diese Jugend ist dem durch die kapitalistische Globalisierung entstehendem Rationalisierungs- und Konkurrenzdruck in hohem Maße ausgesetzt. Die Spaltung der Gesellschaft nimmt zu, oftmals auch unter Zuhilfenahme einer Argumentation, die Alt gegen Jung ausspielen will, wie bspw. bei der Schuldenbremse oder Rentenkürzungen. Gleichzeitig sind staatliche Versprechen, wie das vom gesellschaftlichen Aufstieg oder die sichere Rente im Alter, immer weniger wert. Die Aufstiegschancen der Jugend sinken, für viele junge Menschen wird das Emanzipationsversprechen, das durch eine in vielen Gesichtspunkten freie und sehr

individualisierte kapitalistische Gesellschaft gegeben wird, zur Illusion. Das führt teilweise zum Rückzug ins Private, zu einer anscheinend gerade in den sogenannten Unterschichten unpolitischen Jugend. Dagegen wehren wir uns und glauben nicht, dass das stimmt und lassen es uns selbst nicht vorhalten. Eine Politik gegen die Interessen der Jugend darf es nicht geben, sozialer Fortschritt wird nie ohne die Jugend erreicht. Politik muss auch die Grundlagen für die Beteiligung der Jugend an gesellschaftspolitischen Prozessen schaffen. Gerade die SPD hat hier leider seit langem keinen attraktiven Gesellschaftsentwurf und auch kein politisches Angebot, dass es schafft, die Jugend zu politisieren und mitzunehmen. Genau das wollen wir in der SPD und mit der SPD, aber viel mehr noch in Diskussion und Kontakt mit der Jugend entwickeln. Dazu haben wir einige konkrete Ansatzpunkte entwickelt:

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Mehr Freiräume für Jugendliche zulassen! In vielen Orten, ob in Oberbayern oder anderswo, gibt es teilweise zwar durch öffentliche Mittel bei Trägern oder der Kommune selbst geförderte Jugendzentren oder Freizeitheime. Dies ist positiv, allerdings auch nur ein erster Schritt. Wir wollen autonome Jugendzentren und eine Erhöhung der Mittel für Jugendarbeit. Demokratie für Jugendliche erlebbar machen! Egal, ob in den Jugendauszubildendenvertretungen, den SchülerInnenmitverwaltungen oder den Studierenden-Parlamenten, oftmals sind die demokratischen Mitbestimmungsmöglichkeiten sehr gering. Das wollen wir verändern! Darüber hinaus stehen wir Jusos für eine Absenkung des Wahlalters bei einem gleichzeitigen Ausbau der politischen Bildung in der Schule.

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Gegen die Ökonomisierung des Bildungssystems – für mehr Freizeit für Kinder und Jugendliche! Wir glauben, dass Kinder und Jugendliche Zeit brauchen; Zeit um zu spielen, sich mit FreundInnen zu treffen, zu lesen oder anderen Interessen nachzugehen. Diese Zeit ist besonders wichtig, um Erfahrungen zu sammeln und entscheidende Prägungen zu erfahren, um sich zu einem verantwortungsvollen und reflektierenden Mitglied unserer Gesellschaft zu entwickeln. Die Zeit haben heutige Kinder und Jugendliche nicht mehr. Zu erklären ist dies vor allem durch die strukturellen Mängel unseres Bildungssystems. Diese sind nicht nur im G8 zu sehen, auch die Modularisierung der Ausbildungsplätze oder der Bologna-Prozess tragen zu dieser Entwicklung bei. All diesen Maßnahmen liegt vor allem der kapitalistische Konkurrenzgedanke zugrunde, der vom Kindesalter an versucht, Nachwuchs für die Unternehmen und die Wirtschaft zu produzieren. Wir wollen dieser Entwicklung vehement entgegentreten und fordern die Ausbildung von Menschen und nicht von Maschinen. Das ist aber nur möglich, wenn die Ökonomisierung im Bildungsbereich rückgängig gemacht wird und genügend Freiräume vorhanden sind.


5. Umwelt, Energie, Kommunales Umweltpolitik Wir sind davon überzeugt, dass der Schutz unserer Erde und unseres Lebensraums in Verbindung mit einer fairen Verteilung knapper werdender Ressourcen elementare Voraussetzungen für ein friedliches Zusammenleben sind. Insbesondere der Klimawandel stellt eines der größten Probleme dar, mit dem sich die Weltgemeinschaft konfrontiert sieht und hat das Potential, das friedliche Zusammenleben der Völker zu behindern. Die deutliche Zunahme extremer Wetterereignisse, die Zerstörung des Regenwaldes und anderer Ökosysteme, ein Anstieg des Meeresspiegels, Dürren durch die Verknappung von Süßwasser, Hungersnöte und damit in Verbindung stehende Flüchtlingsströme sind Ereignisse, die unmittelbar auf den Klimawandel zurückzuführen sind. Die zunehmenden Naturkatastrophen und die Verödung vormals fruchtbarer Flächen treffen dabei vor allem Regionen, die am wenigsten zur Verursachung des Klimawandels beigetragen haben und alles ande-

re als wirtschaftlich stabil sind oder über eine gefestigte Zivilgesellschaft verfügen. Unser Ziel muss es deshalb sein, unser Leben klima- und umweltschonender zu gestalten. Uns geht es jedoch auch um die Förderung von Wachstum und Wohlstand auf Basis einer nachhaltigen, sozialen und zukunftsorientierten Industrie- und Infrastrukturpolitik, denn Industriepolitik und Umweltschutz schließen sich nicht aus. Ziel muss der Ausbau einer ökologischen Industriepolitik sein, die sich vor allem in einer kontinuierlichen Modernisierung bestehender Wirtschaftszweige und einer Förderung fortschrittlicher Technologien äußert. Ökologische Forschungs- und Industriepolitik muss eine neue gesamtgesellschaftliche Anstrengung werden. Dazu ist eine intensive Bildung und Ausbildung weiter Bevölkerungsteile in diesem Bereich nötig. An Bildungseinrichtungen müssen das Wissen und die Erforschung dieser Wissens- und Produktionsfelder entscheidend verbessert werden.

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Ökologische Gerechtigkeit durch linke Energiepolitik Mehr Energieeffizienz Ein Umdenken in der Energiepolitik ist nicht nur ökologische, sondern auch ökonomische Notwendigkeit. Effizienzmaßnahmen sind dabei in allen Bereichen möglich, insbesondere in der Industrie. Hier können wir nicht warten, bis Unternehmen energieeffizientere Technologien einsetzen, sondern es muss über gesetzliche Anreize und Vorgaben auf eine schnellere Umsetzung gedrängt werden. Auch in privaten Haushalten muss Energie eingespart werden. Dies kann sowohl über moderne Elektrogeräte geschehen, wie auch über energetische Gebäudesanierung, mit der bis zu 50% der Heizenergie eingespart werden kann. Bund, Länder und Kommunen müssen hierbei selbst eine Vorbildfunktion einnehmen und öffentliche Gebäude mit modernen Anlagen ausstatten. Nachhaltige Energieerzeugung Wir stehen bei der Stromversorgung für einen umfassenden Wandel zu regenerativen Energien. Viele Potenziale, die die erneuerbaren Energien 28

bieten, sind bisher kaum genutzt oder erforscht. Insbesondere die Wirkungsgrade und Speichertechnik gilt es weiter zu verbessern. Die erneuerbaren Energien ermöglichen eine weitgehend dezentrale und lokale Energieproduktion. Zahlreiche kleine bis mittelgroße Energieerzeuger können ein dichtes nationales wie internationales Netz bilden. Dieses ist effizient, kostengünstig, bedarfsgerecht und sicher. Wir brauchen einen Mix aus allen Möglichkeiten der erneuerbaren Energie: Sonne, Wind, Wasser und Erdwärme sind unerschöpfliche Ressourcen. Energieversorgung ist Teil der öffentlichen Daseinvorsorge! Energie muss bezahlbar sein. Derzeit haben VerbraucherInnen aber hauptsächlich unter steigenden Preisen zu leiden. Daher treten wir für eine Preisregulierung ein, die spekulationsbedingte Preissteigerungen unterbindet. Das Monopol der großen Energiekonzerne muss gebrochen und die wirtschaftliche Eigentätigkeit der Kommunen in diesem Bereich gestärkt werden.



Wir Jusos sind gegen Atomkraft Wir Jusos lehnen jede Form der nuklearen Energiegewinnung kategorisch ab!

Atomenergie macht nicht unabhängig!

In der SPD waren wir Jusos die VorreiterInnen für eine Wandlung der Parteimeinung in den 80er Jahren und somit WegbereiterInnen des Rot-Grünen-Atomausstiegs. Das sehen wir als einen unserer großen Erfolge.

Deutschland ist zu 100 Prozent vom Uranimport abhängig. Die erneuerbaren Energien sind die einzigen Energieträger, bei denen Deutschland vollständig unabhängig von Importen ist und die gleichzeitig den Klimaschutz sichern.

Atomkraft ist nicht klimafreundlich! Der Bau und Rückbau der AKWs, Wiederaufbereitungsanlagen und Endlagerstätten, die Erschließung, der Abbau, Transport und Veredelungsprozess von Uran sowie die Brennstäbeaufbereitung verursachen erhebliche Mengen klimaschädlicher Gase.

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Atomstrom ist nicht billig! Atomstrom ist für die Betreiber günstig, weil die AKWs abgeschrieben sind und der Steuerzahler die Atomenergie mit bis zu 100 Milliarden Euro subventioniert hat. Die günstigen Produktions-kosten für Atomstrom wirken faktisch nicht preisdämpfend, sondern erhöhen ledigliche die Gewinne (bis zu 300 Millionen Euro pro AKW und Jahr) der vier großen Energieversorgungsunternehmen.


Die Jusos und die Kohle Die Frage der Kohlegewinnung und -verstromung ist im politischen Raum und auch besonders innerhalb der Jusos ziemlich umstritten. Forderungen nach einem sofortigen Ausstieg aus der Steinkohle-Förderung in Deutschland werden schnell erhoben. Als Begründung werden vor allem der Klimawandel, die Kohlesubventionen und, die vermeintlich in Verbindung mit der Kohlegewinnung stehenden Bergschäden angeführt.

Doch ganz so einfach ist die Sache nicht: Der vollständigen Umstieg auf erneuerbare Energien lässt sich nicht sofort realisieren, das bedeutet, dass in den nächsten Jahren auf jeden Fall weiterhin Kohle verstromt wird. Klar, die Steinkohleförderung in Deutschland ist auf dem Weltmarkt nicht konkurrenzfähig. Doch an der Kohleförderung in Deutschland hängt wesentlich mehr dran als nur die Subventionen, z.B. Ausbildungs- und Arbeitsplätze, Versorgungssicherheit, berufliche und technische Kompetenzen. Der Ausstieg aus der Kohleförderung ist gesetzlich geregelt: 2018 wird in Deutschland die letzte Tonne Steinkohle gefördert. Bis dahin werden nacheinander die verbliebenen Bergwerke geschlossen, die Strukturen und das Personal entsprechend abgebaut. Für die Sozialdemokratie und uns Jusos geht es immer auch um die Perspektive der Beschäftigten. Mit dem vereinbarten sozialverträglichen Auslauf der Kohlesubventionen bis 2018 können die Bergleute ihre Zukunft planen und fallen nicht ins Ungewisse. 31


Unsere Vorstellungen von Kommunalpolitik Wir Jusos engagieren uns nicht nur auf Bundes- und Landesebene, sondern setzen uns auch in den Gemeinden für soziale Gerechtigkeit ein. Viele von uns sitzen in Kommunalparlamenten oder üben über die SPD-Ortsvereine Einfluss auf das lokale Geschehen in ihren Städten und Gemeinden aus. Dabei haben wir eine jungsozialistische Vorstellung davon, was die Kommunen für die Menschen leisten müssen. Öffentliche Daseinsvorsorge Öffentliche Daseinsvorsorge bedeutet für uns Jusos die Aufgabe, allen Menschen den Zugang zu Gütern und Dienstleistungen zu ermöglichen, die sie für ein selbstbestimmtes Leben brauchen. Dazu gehören neben Dingen wie die Versorgung der Bevölkerung mit Gas, Wasser oder Strom auch Leistungen wie die Müllentsorgung und Abwasserbeseitigung. In ganz besonderem Maße jedoch zählen für uns Bildungs-, Kultur und Gesundheitseinrichtungen wie Schulen, Museen und Krankenhäuser dazu.

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Wir fordern, dass diese Einrichtungen in öffentlicher, d.h. kommunaler Hand bleiben und nicht privatisiert werden. Rekommunalisierung der Energieversorgung! Steigende Gewinne der Stromkonzerne auf Kosten der VerbraucherInnen haben mit Gerechtigkeit wenig zu tun. Tatsächlich ist dies eine Belastungsprobe für einkommensschwache Bevölkerungsgruppen und „Energie-Armut“ ist ein immer größeres Problem. Wir Jusos sind aber der Meinung, dass faire Teilhabe an der Gesellschaft gewährleistet sein muss. Die Energieversorgung der Allgemeinheit gehört zur öffentlichen Daseinesvorsorge und ist damit ein öffentliches Gut, das auch einer Behandlung als solches bedarf. Grundlegende Aufgabe ist eine möglichst bezahlbare, umweltverträgliche und effiziente leistungsgebundene Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität und Gas.


Derzeit verfügen die vier größten Stromkonzerne RWE, E.ON, Vattenfall und EnBW über 80% der Kraftwerke und 95% des Stromnetzes. Durch die Rekommunalisierung der Energieversorgung könnten die Kommunen diese in Bezug auf wirtschafts- und umweltpolitische Ziele selbst beeinflussen. Deshalb fordern wir die Überführung des Gas- und Stromnetzes in das Eigentum der öffentlichen Hand auf kommunaler Ebene. Eine Verbesserung der finanziellen Situation der Gemeinden und Landkreise Seit Jahrzehnten steigen, die Schulden der Kommunen. Sie haben sich teilweise von einem der ursprünglich wichtigsten Organen unserer Politik zu einem im politischen Konzert unwichtigen regionalen Schuldenverwalter entwickelt, der weder einen rechtlichen noch finanziellen Handlungsspielraum besitzt. Dies ist auf immer größere Verpflichtungen bei immer geringeren Einnahmen zurückzuführen. Wir fordern deshalb von Bund und Ländern die Entlastung der Kommunen, damit diese wieder ihre wahren Pflichten als Organ der Kommunalen Selbstverwaltung wahrnehmen können. 33


6. Internat., Antifa, Integration Internationales Die Globalisierung hat dazu geführt, dass sich die Schere zwischen Arm und Reich und Nordhalbkugel und Südhalbkugel immer weiter öffnet. Wir verschließen unsere Augen nicht vor Problemen, die in anderen Teilen der Welt existieren und kämpfen für eine gerechtere und friedlichere Welt mit einer gerechten Weltwirtschaftsordnung.

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Abrüstung Wer Frieden schaffen will, muss verhindern, dass immer mehr Waffen produziert und in Umlauf gebracht werden. Es gibt keinen Konflikt in der dritten Welt, der nicht mit Waffen aus den USA, Europa und Russland geführt wird. Wir fordern eine weltweite Ächtung von Waffenproduktion und Waffenverkauf. Eine Industrie, die von Rüstungsgütern lebt, trägt zu Gewalt und Krieg auf unserem Planeten bei.

Abrüstung jetzt! - Weil Waffen keinen Frieden schaffen! In den letzten Jahren sind die Militärausgaben weltweit auf rund 1,33 Billionen Euro angestiegen. Ist die Welt dadurch sicherer geworden? Nein! Im Gegenteil: Kleinwaffen wie Sturmgewehre und Maschinenpistolen heizen Kriege im Kongo, im Sudan, in Afghanistan und an vielen anderen Orten an. Wir rüsten wieder atomar und konventionell auf und wundern uns, dass sich andere provoziert füh-

len. Das schier unbegrenzte Angebot an Waffen weltweit versetzt uns in neue, vorher unbekannte Unsicherheiten. Daher setzen wir uns für ein Verbot von Kleinwaffen und die Vernichtung konventioneller und atomarer Sprengköpfe ein.

Verbot von Waffenexporten! Kein Land der Europäischen Union exportiert soviel Waffen und Rüstungsgüter wie Deutschland. In den letzten Jahren ist das Exportvolumen um rund 20 Prozent auf 7,7 Mrd. Euro gestiegen. Bei dieser Europameisterschaft gibt es aber nichts zu feiern: Fast ein Viertel aller Rüstungsexporte geht an Entwicklungsländer und heizt dort Konflikte an. Deutschland steht daher in einer besonderen Verantwortung, seine Rüstungsausgaben zu reduzieren und sich international für die Kontrolle und den Abbau von Waffen jeglicher Art einzusetzen. Wir fordern ein generelles Verbot von Waffenexporten! 35


Friedensund Sicherheitspolitik Im 21. Jahrhundert ist der Kalte Krieg Geschichte und Himmelsrichtungen sind nicht mehr mit politischen Ideologien gleichzusetzen. Die Gräben haben sich allerdings nicht aufgelöst. Die geopolitische Lage hat sich mit dem Ende des Ost-WestKonfliktes zwar radikal gewandelt, hat aber zu keiner Auflösung der politischen Blockbildung geführt. Vielmehr haben sich die Gräben auf viele verschiedene Grenzen verlagert. Entsprechend haben sich staatliche Bündnisse entweder aufgelöst oder bestehen weiter, weil sie sich durch die Erschließung neuer Aufgabenfelder an die veränderte Situation angepasst haben. Diese Bündnisse haben dabei stets verschiedene Aufgaben erfüllt, zentral war jedoch immer auch der Aspekt der Sicherheit. Doch während Sicherheit früher vor allem die Sicherheit vor dem Angriff eines anderen Staates oder Staatenbundes bedeutete, hat sich heute auch die Bedrohungslage entsprechend verschoben. Sicherheitspolitik musste grundlegend umgedacht werden 36

und umfasst nun ein Gesamtpaket aus Außen-, Wirtschafts-, Finanz-, Umwelt-, Entwicklungs- und Verteidigungspolitik.

Stärkung der UNO! NATO und Vereinigte Staaten müssen das Gewaltmonopol der UNO respektieren. Alleingänge wie den zweiten Irakkrieg darf es zukünftig nicht mehr geben. Gleichzeitig müssen aber auch die UNO-Entscheidungsmechanismen reformiert und handlungsfähig gemacht werden. Das Veto-Recht der ständigen Sicherheitsratsmitglieder USA, Russland, China, Großbritannien und Frankreich hat im 21. Jahrhundert seine Berechtigung verloren; die Privilegierung der Siegermächte des 2. Weltkrieges in der UNO stellt eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes dar.

Überwindung der NATO! Solange die NATO weiter besteht, muss sie sich an ihren Vertragsinhalt halten, also auf aggressive Einsätze verzichten, sich auf die Verteidi-


gungsfunktion beschränken sowie das internationale Gewaltmonopol der UNO achten. Sämtliche Ausweitungen ihres Einsatzgebietes und ihrer Aufgaben lehnen wir ab! Langfristig muss die NATO überwunden werden! Die NATO zeigte nicht zuletzt selbst durch die Koalition der Willigen, dass sie sich bereits überlebt hat.

Stärkung regionaler Sicherheitsstrukturen! Die UNO ist lediglich für die überregionale Konfliktbewältigung zuständig, daneben kann Frieden aber nur dauerhaft gewährleistet sein, wenn es auch auf regionaler Ebene zwischenstaatliche Zusammenarbeit in Form von regionalen Sicherheitsstrukturen gibt. Beispiele dafür sind die EU und die OSZE, die durch eine starke politische und wirtschaftliche Verflechtung zur Integration der Region beigetragen haben und gewaltsame Konfliktsituationen nahezu ausschließen; ein neueres Bündnis ist die Union südamerikanischer Staaten.

ein nachhaltiger und zukunftsfähiger Teil einer internationalen Friedensordnung sein. Die Militarisierung regionaler Bündnisse wie z.B. der EU als Alternative zur NATO lehnen wir entschieden ab.

Konfliktprävention statt Intervention! Ob Vietnam oder Irak, Afghanistan oder Somalia, die Vergangenheit hat gezeigt, dass Militäreinsätze weder ein Mittel zur Konfliktbewältigung sind, noch für mehr Sicherheit oder gar Frieden sorgen. Weder Deutschlands Freiheit, noch Deutschlands Sicherheit werden am Hindukusch verteidigt! Wir glauben, dass nur durch eine kooperative internationale Politik, die Stärkung von regionalen Bündnissen, eine nachhaltige Konfliktprävention sowie durch eine gezielte Anwendung ziviler Mittel zur Konfliktentschärfung in Krisenregionen dauerhaft Frieden geschaffen werden kann.

Aus unserer Sicht ist es nötig, regionale Bündnisse zu fördern und ihre nichtmilitärische integrative Rolle hervorzuheben. Nur dann können sie 37


Entwicklungszusammenarbeit Dauerhaften Frieden auf der Welt kann es nur geben, wenn die Gründe für Konflikte beseitigt sind. Zum Großteil heißen diese Gründe Armut, Hunger, Rohstoffmangel und soziale Ungleichheit. Diese Faktoren führen zu einer Bevölkerung in Unruhe, die nichts zu verlieren hat; der ideale Nährboden für Konflikte. Daher ist eine funktionierende Entwicklungszusammenarbeit von höchster Wichtigkeit. Echte Hilfe statt Außenwirtschaftsförderung! Gerade internationale Organisationen wie die Weltbank, Welthandelsorganisation und Internationaler Währungsfonds benutzen den Deckmantel der Entwicklungszusammenarbeit, um den weniger entwickelten Ländern ihre Vorstellungen vom freien Markt aufzuzwingen. Sie zwingen diese Länder ihre Schutzzölle zu senken und Kontrollmechanismen für die Wirtschaft abzuschaffen. So drängen sie diese Länder in einen Wettbewerb mit den kapitalistischen Großmächten, in dem die Entwicklungsländer unmöglich bestehen können. Wir 38

fordern daher eine grundlegende soziale Reform dieser Institutionen. Echte Hilfe statt Almosen Es kann nicht sein, dass die westlichen Industrienationen ihren aufgrund hoher Subventionen bestehenden Landwirtschaftsüberschuss in Entwicklungsländer abladen, die dortige Landwirtschaft komplett und nachhaltig ruinieren und das Ganze dann als Hilfe im Kampf gegen den Hunger verkaufen. Es kann nicht sein, dass die Bevölkerung der Erste Welt-Länder ihre abgelegten Klamotten und alten Spielzeuge in die Entwicklungsländer schickt und die jeweiligen Industriezweige dort zu Grunde gehen. Wir fordern deshalb eine Entwicklungszusammenarbeit, die dafür sorgt, dass Entwicklungsländer nachhaltig aufgebaut werden.


Jusos sind AntifaschistInnen Unser Kampf gegen Rechts „Neonazis? Die gibt’s doch fast nur in Ostdeutschland, das betrifft uns in Oberbayern doch kaum...“ So einfach ist es leider nicht. Auch hier versuchen regelmäßig alte und neue FaschistInnen ihr menschenverachtendes Gedankengut unter die Leute zu bringen. So findet in München alljährlich das geschichtsrevisionistische „Heldengedenken“ der NPD statt. Doch auch auf dem Land zeigen Rechte immer häufiger Präsenz. In Bad Reichenhall wird regelmäßig die SS-Division „Charlemagne“ öffentlich glorifiziert oder das Altöttinger Stadtgebiet mit braunen Sprühereien verunstaltet. Dies sind nur wenige Beispiele – ebenso in anderen Kreisen und Gemeinden verbreiten NPD und sogenannte „freie Kräfte“ ihre Propaganda. Auch im akademischen Kontext sind rechtsextreme Ideen verankert. So gibt es in München mehrere Burschenschaften aus dem Dachverband der Deutschen Burschenschaft, die mit ihren geschichtsrevisionistischen Forderungen und ihrer strukturellen Geschlechterdiskriminierung eindeutig als rechtsextrem einzuordnen sind.

Oft bleibt es aber nicht nur bei brauner Geschichtsverdrehung und Demagogie, was allein natürlich schon schlimm genug wäre, es kommt auch immer wieder zu gewalttätigen Übergriffen auf AusländerInnen, MigrantInnen, Homosexuelle, Linke und andere, die nicht in das Weltbild der Rechten passen. Sei es die Kameradschaft Miesbach, deren Mitglieder linke DemonstrantInnen angriffen, die NPD im Landkreis Altötting, die ein leer stehendes Gasthaus für sich mieten wollte, um dort Versammlungen etc. abhalten zu können oder der im Juli 2010 amtierende Kreisvorsitzende der Mühldorfer NPD, der sich an einer Hetzjagd auf einen Brasilianer beteiligte: Auch in Oberbayern schrecken Neonazis nicht vor Gewalt zurück! NPD-Verbot jetzt! Für uns ist es unverständlich, dass die braunen HetzerInnen auch noch mit Steuergeldern im Rahmen der Parteienfinanzierung unterstützt werden und in Parlamenten sitzen können. Darum 39


setzen wir uns für ein Verbot der NPD ein. Allerdings muss auch klar sein, dass ein Verbot nicht reicht, um das gefährliche Gedankengut aus den Köpfen zu kriegen. Zivilgesellschaftliches Engagement und Aufklärung werden weiterhin nötig sein. Außerdem müssen Projekte und BürgerInneninitiativen, die sich vor Ort gegen Rechtsextremismus einsetzen und sich um die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund bemühen, finanziell und ideell gefördert werden. Geistige BrandstifterInnen Wer von Rechtsradikalismus redet, darf die geistige Mitwirkung der vermeintlichen „Mitte der Gesellschaft“ nicht außer Acht lassen. Da werden von der CSU Menschen schon mal in „ausnutzende und nützliche Ausländer“ unterteilt oder gegen AsylbewerberInnen gehetzt. Vor allem Ängste vor dem Islam werden von bürgerlicher Seite in letzter Zeit immer wieder geschürt. All das ist Wasser auf die Mühlen der Nazis und führt dazu, dass sie salonfähig werden. So haben laut einer Untersuchung der Freien Universität Berlin 20% aller Deutschen ein geschlossen rechtes Weltbild.

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Auf ähnliche Ergebnisse kommt beispielsweise auch die Studie „Vom Rand zur Mitte“ der Friedrich-Ebert-Stiftung. Wir sind aktiv gegen Rechts! Wir wenden uns gegen jede Form von Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus, Rassismus und Homophobie, denn sie sind mit einer toleranten und offenen Gesellschaft, wie wir sie anstreben, nicht vereinbar. Deshalb sind vielfältige Aktivitäten gegen den zunehmend offener auftretenden Rechtsradikalismus fester Bestandteil der Juso-Arbeit vor Ort und im gesamten Verband. Wir mobilisieren zu Demonstrationen, klären auf, engagieren uns in antifaschistischen Bündnissen und widersprechen nationalistischen „Argumenten“. Wenn Du über rechte Umtriebe in Bayern informiert bleiben möchtest, schau am Besten auf die Homepage des aida-Archivs (www.aida-archiv. de). Dort sind aktuelle antifaschistische und rechte Termine sowie eine umfassende Chronik zu finden. Das vom bayerischen Verfassungsschutz als linksextrem bezeichnete AIDAArchiv wird von den Jusos München solidarisch unterstützt.


7. Migration und Integration Asylpolitik Wir Jusos setzen uns für eine offene Gesellschaft ein, in der alle die gleichen Freiheiten und Rechte haben sollen. Niemand darf aufgrund seiner Herkunft benachteiligt werden. Migration verläuft häufig nicht freiwillig. Die Gründe für eine Flucht, das Verlassen der Heimat und Familie können vielfältig sein; oft sind die Menschen auf Grund prekärer oder sogar lebensbedrohender Umstände dazu gezwungen. Dies gilt es bei der Debatte um Zuwanderung zu beachten. Wir wollen eine Flüchtlingspolitik, die Freiheit, soziale Rechte und Menschenwürde im Blick hat, und nicht auf Nützlichkeitsgedanken beruht. Dabei geht es zunächst darum, die Lebensumstände von Flüchtlingen und AsylbewerberInnen zu verbessern. Dazu gehört die vollständige Abschaffung der Residenzpflicht. Diese verpflichtet die Menschen, sich nur in einem bestimmten Landkreis aufzuhalten und Besuche, die sie außerhalb dieses Gebiets machen, bei der Ausländerbehörde anzugeben. Verstöße dagegen stellen eine

Straftat dar. Straffällig gewordene AsylbewerberInnen bekommen kein Aufenthaltsrecht. In der Möglichkeit, Flüchtlinge in Abschiebegewahrsam zu nehmen, sehen wir Jusos einen eklatanten Verstoß gegen die Menschenwürde und fordern die Beendigung dieser Praxis. Daneben soll auch die Situation der Menschen verbessert werden, die sich ohne gesicherten Aufenthaltsstatus in Deutschland aufhalten. Diese leben oft schutzlos in ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen und in ständiger Furcht vor Entdeckung. Deshalb fordern wir Jusos die Legalisierung des Aufenthalts dieser Menschen. Im Zuge dessen fordern wir, dass jeder Flüchtling einen effektiven Zugang zu einem Asylverfahren erhält. Eines besonderen Schutzes bedürfen die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge. Es kann nicht sein, dass Kinder von teilweise gerade elf Jahren ohne Betreuung in Gemeinschaftsunterkünfte mit Erwachsenen gesteckt werden, und es mehrere 41


Wochen dauert, bis ihnen vom Jugendamt eine Unterkunft zugewiesen wird. Auch für diese Kinder gilt die UN-Kinderrechtskonvention und muss angewendet werden. Darüber hinaus gilt es die Lebensbedingungen in den Gemeinschaftsunterkünften zu verbessern. Dabei dürfen Gemeinschaftsunterkünfte grundsätzlich nur eine Zwischenlösung für die erste Zeit in unserem Land sein. Auch Flüchtlinge haben für uns ein uneingeschränktes Recht auf eine eigene Wohnung. In den Unterkünften sind die sanitären Verhältnisse meist mangelhaft, die räumliche Situation prekär und die soziale Betreuung ungenügend. Gerade für Menschen, die auf Grund von Krieg, Vertreibung, Vergewaltigung und Flucht traumatisiert sind und einer verstärkten Betreuung bedürfen, existieren nur wenige Betreuungsmöglichkeiten, so dass die psychische Belastung noch verstärkt wird und diese Menschen mit ihren Sorgen und Krankheiten allein gelassen werden.

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Integrationspolitik Im Zentrum der Integrationsdebatte steht für uns die Erweiterung der Partizipationsmöglichkeiten von BürgerInnen mit Migrationshintergrund. Im Bereich der politischen Teilhabe wollen wir zwei Themen vorantreiben: Den MigrantInnen soll die Einbürgerung erleichtert werden, ohne dass sie ihre bisherige Staatsbürgerschaft aufgeben müssen. Das Projekt „Doppelte Staatsbürgerschaft“ ist für uns nicht gestorben und muss trotz der ausländerfeindlichen Kampagnen der CDU/ CSU vorangetrieben werden. Desweiteren setzen wir uns für die Einführung des kommunalen Wahlrechts auch für Nicht-EU-BürgerInnen ein. Die Mitgestaltungschance auf lokaler Ebene kann einen wichtigen Beitrag zur Integration liefern und die Identifikation mit der Kommune und ihrer Gesellschaft fördern. Neben der Möglichkeit der politischen Teilhabe, muss MigrantInnen die Chance gegeben werden, sich gesellschaftlich zu beteiligen. Integration bedeutet für uns nicht das Absolvieren von Einbürgerungstests, sondern

Partizipation aller am gesellschaftlichen Leben. Im Bereich der Integrationspolitik ist vieles versäumt worden. Nicht umsonst wird Deutschland vom Sonderberichterstatter der UNO wegen seines selektiven Bildungssystems gerügt, das Menschen aus sozial prekären Schichten und Kinder mit Migrationshintergrund benachteiligt. Bildung ist jedoch einer der Schlüssel für ein selbstbestimmtes Leben. Dazu gehört vor allem die Möglichkeit, die deutsche Sprache zu erlernen. Im Rahmen der frühkindlichen Betreuung und Förderung müssen gerade Kinder von MigrantInnen sprachlich gefördert werden. Der muttersprachliche Ergänzungsunterricht muss mit Eintritt in den Kindergarten fortwährend gefördert werden, denn Multilingualität ist eine Bereicherung für unsere Gesellschaft. Wir fordern den kostenfreien Besuch von Kinderbetreuungs- und Bildungseinrichtungen von der Krippe bis zur Hochschule. Nur so können gleiche Bildungschancen für alle Kinder erreicht werden. Nur so hat Integration eine echte Chance. 43


8. BürgerInnenrecht, Netzpolitik Freiheiten für mündige BürgerInnen! Wir Jusos stehen vehement für die Wahrung der BürgerInnenrechte ein. Das Maß und die Ausstrahlungskraft dieser Rechte definieren das Verhältnis zwischen BürgerIn und Staat. Unserer Überzeugung nach müssen sich unter dem Schutz der Rechtsordnung selbstbestimmte Individuen frei entfalten können. Diese Entfaltung und diese Freiheiten sind Grundlage für eine demokratische Gesellschaft. Dabei wollen wir Jusos mündige BürgerInnen, die in der Lage sind, politische Prozesse zu hinterfragen, und die sich aktiv für eine gerechte Gestaltung unserer Gesellschaft einsetzen wollen. Dazu benötigt es einen Staat, der seinen BürgerInnen größtmögliche Freiheiten gewährt.

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Entkriminalisierung von Cannabis Zu bürgerlichen Freiheiten zählt für uns auch staatlich unsinnige Verbote und Repressionen zu bekämpfen. So sind wir bspw. gegen die Gesetzesinitiativen der CSU in Bayern, wie nächtliche Einschränkungen von Alkoholverkauf an Tankstellen, oder die Kriminalisierung von Cannabiskonsum. So machten zum Beispiel laut einer Emnid- Umfrage aus 14% der Gesamtbevölkerung ab 14 Jahre und 32% der 14 – 29 Jährigen ihre Erfahrungen mit Cannabis, d.h. fast jedeR siebteR BundesbürgerIn hat schon mindestens einmal Marihuana konsumiert. Cannabis ist gesellschaftsfähig geworden! Dieser Entwicklung wollen wir gerecht werden und fordern gesetzliche Reformen.

Verbreitung von Cannabisprodukten nicht abgenommen haben. Laut dem Drogenbericht der Bundesregierung aus dem Jahre 2009 stellt Cannabis in Deutschland nach wie vor die am häufigsten konsumierte illegale Droge dar. Auch wenn uns bewusst ist, dass Cannabis schädliche Wirkung haben kann, ist immer wieder hervorzuheben, dass es im Vergleich zu Alkohol und Nikotin eine nur gering schädliche Substanz ist, die es nicht verdient, geächtet zu werden. Unter anderem deshalb fordern wir einen offenen Umgang mit Cannabis in der Gesellschaft, als Basis dafür, dass der Genuss von Marihuana entkriminalisiert und in einem zweiten Schritt legalisiert werden kann, denn zwölf Millionen KonsumentInnen sind keine VerbrecherInnen!

Alles andere als sinnvoll ist die unverhältnismäßige Verfolgung von Millionen von KonsumentInnen durch die deutsche Justiz. Mündige BürgerInnen werden so in ihrer Freiheit eingeschränkt und kriminalisiert. Doch trotz der restriktiven Bekämpfung die Zahl der KonsumentInnen und die 45


Gegen den Überwachungsstaat!

Einschränkungen der Versammlungsfreiheit, ausufernde Videoüberwachungen öffentlicher Plätze, die Einschüchterung friedlicher DemonstrantInnen mittels massiven Polizeiaufgebots, der Einsatz der Bundeswehr im Inneren und eine Verschärfung des Jugendstrafrechts sind nur einige Maßnahmen, die auf politischer Ebene immer wieder von konservativen Law-andOrder-PolitikerInnen diskutiert oder zum Teil bereits durchgesetzt wurden.

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Solche Instrumente sind de facto Überwachungsstaatsmethoden. Damit drohen Grund- und BürgerInnenrechte ins Leere zu laufen. Wir Jusos wehren uns gegen diese Art staatlicher Einflussnahme. Statt der Etablierung neuer Verbote und der Verschärfung staatlicher Überwachung fordern wir eine konzentrierte Anwendung bestehender Rechtslagen und eine angemessene Ausstattung von Polizei und Justiz.

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Umfassender Datenschutz für alle! Ein effektiver Schutz der eigenen Daten ist von hoher Bedeutung. Unser Leben verlagert sich immer mehr in das Internet mit Social-Communities, Foren, Online-Shopping usw. Doch entgegen der weitläufigen Meinung ist hier niemand anonym. Per IP-Adresse, die jeder und jede bei der Einwahl ins Internet zugewiesen bekommt, werden wir eindeutig identifizierbar.

Die immer wiederkehrenden Datenskandale zeigen, dass bestehende Gesetze nicht ausreichen. Wir fordern die Gewährleistung unseres Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung durch gesetzlich geregelte und eng auszulegende Datenschutzmaßnahmen.

Auch die Erstellung von Nutzungsprofilen durch Internetunternehmen wie google birgt Risiken. Durch das google-Unternehmen ‚doubleclick‘, welches Werbeanzeigen auf Internetseiten schaltet, und google-Analytics, das Statistiken für HomepagebetreiberInnen bietet, sind InternetnutzerInnen durch das Internet verfolgbar. Wer anschließend seine Nachrichten bei google-Mail abfragt, ist auch mit Name und Anschrift bekannt.

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9. Gleichstellungspolitik Forderungen zur Umsetzung des Feminismus in der Alltagspolitik Männlich dominierte Strukturen in Staat und Politik, auf dem Arbeitsmarkt und im Bildungssystem benachteiligen Frauen. Wir Jusos stellen uns dem entgegen und fordern Maßnahmen, die eine echte Gleichstellung von Frau und Mann in unserer Gesellschaft ermöglichen.

hohen Frauenanteil in Teilzeit- und geringfügig entlohnten Beschäftigungen. Zudem wird dadurch Abhängigkeit unter Ehepaaren produziert.

Abschaffung des Ehegattensplittings!

Frauen verdienen in Deutschland durchschnittlich 22% weniger, in der EU sind es durchschnittlich 15%. Diese Lohndifferenz ist auf Strukturmerkmale wie geschlechtsspezifische Unterschiede in der Ausbildung, in Beruf und der Tätigkeit, den Erwerbsjahren und ähnlichem zurückzuführen. Trotzdem bleibt es auch ein Lohnunterschied, der allein aufgrund der Geschlechtszugehörigkeit erfolgt. Dieser ist umso höher, je älter die verglichenen Beschäftigten sind. Wir Jusos fordern gleichen Lohn für gleiche Arbeit; um der Entstehung von Lohndifferenzen vorzubeugen, fordern außerdem geschlechtsneutrale Bewertungsverfahren und eine geschlechtergerechte Überarbeitung von Berufsbildern z.B. in Tarifverträgen, Stellenbeschreibungen und Tätigkeitsbeschreibungen.

Im deutschen Steuersystem existiert das sog. Ehegattensplitting, ein bestimmtes Verfahren zur Berechnung der Einkommensteuer von Ehepaaren, wodurch diese finanzielle Vorteile erhalten. Hierbei wird nämlich zunächst das zu versteuernde Einkommen beider Ehepartner ermittelt und halbiert. Für das halbierte zu versteuernde Einkommen wird die Einkommensteuer nach dem geltenden Steuertarif berechnet. Die so errechnete Einkommensteuer wird verdoppelt. Durch das Ehegattensplitting verstärkt sich aber der allgemeine Trend, der Frauen und Männer in die traditionellen Geschlechterrollen drängt. So führt es u.a. zu einem entsprechend

Gleicher Lohn für gleiche Arbeit!

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Armut hat ein weibliches Gesicht! Armut trotz Arbeit ist eine immer häufigere Erscheinung; oftmals sind gerade Frauen diejenigen, die davon betroffen sind. Dies ist auf die vornehmliche Beschäftigung von Frauen in Teilzeitarbeit und im Niedriglohnsektor sowie auf die Vergeschlechtlichung von Berufsfeldern zurückzuführen. Im Jahr 2004 gab es 7,1 Millionen Teilzeitbeschäftigte, wobei zu beachten ist, dass der Anteil der Teilzeitbeschäftigten zu den Gesamtbeschäftigten seit der Wiedervereinigung enorm gestiegen ist. Relevant ist auch, dass 85% aller Teilzeitbeschäftigten Frauen sind. Die Motive für eine Beschäftigung in Teilzeit liegen vor allem darin, dass für die meisten Frauen familiäre Pflichten und damit keine Möglichkeiten für eine Vollzeitstelle bestehen; Männer arbeiten in der Regel nur dann Teilzeit, wenn sie keine Vollzeitstelle bekommen. Dies führt allerdings zu Abhängigkeit von Transferleistungen oder vom in Vollzeit arbeitenden Ehegatten. Zu beachten ist außerdem, dass ein Teilzeitarbeitsverhältnis auf lange Sicht zu geringeren Rentenansprüchen führt und daraus Altersarmut entstehen könnte.

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In den letzten Jahren ist auch der Niedriglohnsektor stark gewachsen. Dies ist vor allem auf die Arbeitsmarktreformen im Rahmen der Hartz-Gesetzgebung zurückzuführen. Die Folge davon ist, dass eine Masse an prekären Tätigkeiten entstanden ist, die nicht existenzsichernd entlohnt werden und eine soziale Absicherung in Zukunft nicht gewährleistet werden kann. Auch hier sind wieder vor allem Frauen betroffen, denn 60% der vollzeitbeschäftigten GeringverdienerInnen (also ein Bruttoeinkommen unter 1775 Euro im Westen und 1323 Euro im Osten) sind weiblich. Das heißt, das fast jede dritte Frau und nur jeder zehnte Mann im Niedriglohnbereich arbeitet. Wir Jusos fordern nicht nur aus gleichstellungspolitischer Sicht den Mindestlohn und die Regulierung und Abschaffung des Niedriglohnsektors, jedoch würden aufgrund der Faktenlage gerade Frauen davon profitieren. Weg mit tradierten Rollenbildern! In vielen Berufsfeldern findet aus einem traditionellen Rollendenken heraus eine geschlechtliche Konzentration, also die Entstehung von „Frauen- und MännerBerufen“, statt. Dies zementiert tradierte Rollenbilder und führt zu materieller 50


Ungerechtigkeit und damit zu einer ungerechten Verteilung von Macht, da vor allem Berufsfelder, die vermehrt von Frauen angestrebt werden, schlechter bezahlt und auch weniger angesehen sind, als diejenigen, die von Männern angestrebt werden. Dies gilt insbesondere für den sog. „MINT-Bereich“, also MathematikInformatik-NaturwissenschaftenTechnik. So liegt der Anteil von Frauen in Ingenieur-Studiengängen z.B. bei 20% und bei den Sprach- und Kulturwissenschaften bei fast 70%. Zudem wählen Frauen häufig Berufe, die ihnen als gut vereinbar mit ihrer Rolle als Hausfrau und Mutter erscheinen. Männer dagegen entscheiden sich für Berufe, die sich dafür eignen, eine Familie zu ernähren. Die Identifikation von Berufen mit einem bestimmten Geschlecht ist aber nicht naturgegeben, sondern hängt von der Geselllschaft ab, dem Status, der Bezahlung und der damit verbundenen Macht. Wir Jusos wollen die Vergeschlechtlichung von Berufsfeldern bekämpfen, indem wir die Sensibilisierung von LehrerInnen fordern; in der Schule dürfen keine tradierte Rollenbilder mehr vermittelt werden.

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Für eine gerechte Verteilung von Reproduktionsarbeit! Reproduktionsarbeit umfasst Tätigkeiten wie z.B. die tägliche Hausarbeit, die Erziehung und Kinderbetreuung oder die häusliche Pflege Angehöriger. Jede Gesellschaft ist also von Reproduktionsarbeit abhängig, denn sie stellt sicher, dass die im Produktionsprozess benötigten Arbeitskräfte vorhanden sind. Folglich ist Reproduktionsarbeit unabdingbarer Bestandteil des Kapitalismus; ohne sie kann es keine Erwerbsarbeit geben. Dennoch ist reproduktive Arbeit unbezahlt, sorgt nicht für Rentenansprüche und lastet überwiegend auf den Schultern der Frauen. Voraussetzung einer gleichberechtigten und gleichgestellten Gesellschaft ist aber die gleiche Beteiligung beider Geschlechter an bezahlter und unbezahlter Arbeit. Um dies zu erreichen, fordern wir Jusos eine flächendeckende Arbeitszeitverkürzung, die Abschaffung des Ehegattensplittings sowie die Professionalisierung vormals privater Arbeit. Außerdem müssen Kinderbetreuungseinrichtungen ausgebaut, ein verpflichtendes Kindergartenjahr eingeführt und flexible Arbeitszeiten ermöglicht werden. 51



III. Was sind die Jusos Oberbayern?


Eichstätt

Ingolstadt Neuburg Schrobenhausen Pfaffenhofen a. d. Ilm Freising Dachau

Erding Mühldorf a. Inn

Fürstenfeldbruck

Altötting

München Ebersberg

Landsberg a. Lech

Starnberg

München Land

Miesbach Oberland

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Traunstein

Rosenheim

Weilheim Schongau

GarmischPartenkirchen

Rosenheim Land

Berchtesgardener Land


Die Jusos Oberbayern haben über 2000 Mitglieder. Sie sind die politische Gliederung der Jusos als Arbeitsgemeinschaft der Oberbayern SPD, in den Grenzen des oberbayerischen Bezirks als dem größten der sieben bayrischen Bezirke. Politisch arbeiten wir als Zwischengliederung der Jusos Bayern (Landesebene) und den lokalen und kommunalen Juso-Gliederungen vor Ort (Arbeitsgruppen und Unterbezirke). Die Bezirksdelegierten aus den Juso-Unterbezirken kommen einmal pro Jahr zur ordentlichen Bezirkskonferenz zusammen und wählen einen neuen Bezirksvorstand und einen/ eine BezirksvorsitzendeN.

Wir wollen in Oberbayern einen aktiven und lebendigen Juso-Bezirksverband, um zu zeigen, dass in Oberbayern eine andere Welt möglich ist, eine politische und gesellschaftliche Alternative besteht und fortentwickelt wird. Dabei kämpfen wir um alle. Egal ob Du studierst, zur Schule gehst, gerade in Ausbildung bist oder schon arbeitest – wir Jusos Oberbayern sind Dein politischer Ansprechpartner für eine gerechte und solidarische Alternative.

Unsere Aufgabe als Bezirksvorstand sehen wir zuallererst in der Unterstützung unserer Unterbezirke und der politischen Bildungsarbeit. Auch die Vernetzung untereinander, die Koordinierung von oberbayerischen Interessen auf Juso-Landesebene, und ein gemeinsamen Auftreten der Jusos bei der Oberbayern SPD sind unser Ziel.

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IV. So machst DU bei UNS mit!


Wenn Du jetzt Lust hast, die Gesellschaft im Sinne einer freieren und gerechteren Politik zu verändern und zu gestalten, dann ist nichts einfacher als das. Werde aktiv bei uns Jusos und gestalte gemeinsam mit Gleichgesinnten unsere Gesellschaft – Du kannst das Gesicht deiner Gemeinde/deiner Stadt, deines Landkreises prägen und dich auch bei landes- und bundespolitische, sowie in internationale Themen einbringen. Auf www.jusos.de kannst du deinen Antrag ausfüllen und bist dann Mitglied der Jungsozialistinnen und Jungsozialisten in der SPD. Die Mitgliedschaft bei den Jusos kostet nur 12 Euro im Jahr. Wenn du dich entschließt, der SPD beizutreten, wirst du auch automatisch ein Mitglied von uns, solange du jünger als 35 Jahre alt bist. Falls du Fragen hast, kannst du dich natürlich jederzeit an uns wenden: buero@jusos-oberbayern.de. Auch Kritik, Anmerkungen oder Ideen sind immer willkommen und erwünscht. Weitere Kontaktmöglichkeiten findest du auch auf unserer Homepage www.jusos-oberbayern.de. Gleichzeitig liegt dieser Broschüre einen Einlageflyer des Juso-Unterbezirks bei, in dem diese Broschüre ver-

teilt wird. Dort kannst du dich über Veranstaltungen und Ansprechpartner vor Ort informieren. Du kannst dein Engagement gleich bei den entsprechenden Veranstaltungen einbringen, auch wenn du (noch) nicht Mitglied bist. Es werden auch JusoNeumitglieder-Seminare veranstaltet, bei denen du andere Jusos aus ganz Bayern kennen lernen kannst und auf denen über unsere politische Positionen diskutiert wird, um mehr über die Grundlagen unserer Arbeit zu erfahren. Über weitere thematische Seminare kannst du dich auf der Homepage des Landesverbandes www.jusos-bayern.de informieren. Wir würden uns sehr freuen, wenn du dich entschließt, den Jusos beizutreten und wir dich bald bei uns begrüßen dürfen.




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