Masterthesis

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Worin wir uns einrichten. Die Emanzipation des Innenarchitekten

Masterthesis von Julia Wolf



Worin wir uns einrichten. Die Emanzipation des Innenarchitekten

Masterthesis im Studiengang Design Studies eingereicht von Julia Wolf am 31.03.2014

Titelbild: Percier, C.; Fontaine, P.F.L.: Innendecorationen. Moebel und Geraete. Berlin 1898. Tafel 19


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Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung

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1.1. Methodik 1.2. Definitionen 1.3. Studienführer und Hochschulsituation

2. Die Geschichte der Innenarchitektur

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2.1. Das Wohnen 2.2. Die Frühgeschichte des Einrichtens 2.3. Das 19. Jahrhundert - ein Berufsstand entsteht

2.3.1. Percier & Fontaine 2.3.2. Edith Wharton 2.3.3. Elsie de Wolfe 2.3.4. William Morris

2.4. Die Jahrhundertwende und das 20. Jahrhundert

2.4.1. Hitler und seine Innenarchitektin 2.4.2. Innenarchitektur an der Burg 2.4.3. Die fünfziger Jahre - Geburtsstunde des Berufsstands

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3. Selbstbild vs. Fremdbild

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3.1. Der Begriff „Innenarchitektur“ 3.2. Tätigkeitsbereiche, Aufgaben & Leistungsbilder 3.3. Lage der Branche

3.4. Das Fremdbild

3.3.1. Statistischer Überblick 3.4.1. Das Bild des Architekten 3.4.2. Warum Architekten auch Innenarchitektur gestalten

3.5. Die Medien

3.5.1. Das Bild des Innenarchitekten in den Massenmedien 3.5.3. Digitalisierung

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Inhaltsverzeichnis

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4. Die Genderfrage

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4.1. Feministische Theorie

4.2. Gender Design

4.2.1. Gender Design vs. Gendersensibles Design 4.2.2. Gender Codes und Gender Swapping 4.2.3. Typisch weibliche Gestaltung?

4.3. Gender Interior

4.1.1. Judith Butler 4.1.2. Simone de Beauvoir 4.1.3. Susan Pinker 4.1.4. Uta Brandes

4.3.1. Gendered Interior - Die Frau als Topfpflanze 4.3.2. Die Frau als Gestalterin ihrer Umwelt

4.4. Frauen im Design

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70 72 73 74

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4.4.1. Ergänzungen zur Geschichte - Frauen an den Webstuhl! 4.4.2. Protagonistinnen 4.4.2.1. Lilly Reich 4.4.2.2. Eileen Gray 4.4.3. Frauen in der Innenarchitektur heute

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5. Die Emanzipation des Innenarchitekten

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5.1. Was fehlt 5.2. Räume für‘s Leben

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Anhang: Statistiken

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BDIA 2013 Bundeskammerstatistik des Bund Deutscher Architekten 2013 Hochschulstatistik des Statistischen Bundesamt 2011


Inhaltsverzeichnis

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Anhang: Interviews

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Interview mit as Interview mit ja und sh Interview mit dt und bb Interview mit sml Interview mit cr Interview mit js Interview mit mc Interview mit ks und db Interview mit dk

Literaturverzeichnis 184

Erkl채rung 192


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1. Einleitung Was ein Architekt macht, weiß jeder. Er baut Häuser. Der Architekt entwirft, er plant, er beaufsichtigt, letztendlich hat er ein Haus gebaut. Sicher, die Aufgaben des Architekten sind bei Weitem komplexer, als hier dargestellt, aber dennoch: ein respektabler Beruf mit Hand und Fuß. Dann gibt es da noch einen zweiten Architekten. Manchmal kommt er im Schlepptau des ersten, manchmal gibt er allein Dekotipps in Wohnzeitschriften, manchmal rettet er arme Menschen auf Bauruinen im TV. Doch immer bleibt etwas undurchsichtig, was er genau macht, wofür man ihn genau braucht, hätte denn nicht ein einfacher Architekt genügt? Also, wer ist es? Man ahnt es schon: der Innenarchitekt. Oder sagen wir lieber, wo wir doch schon in Stereotypen schwelgen: die Innenarchitektin. Auf Familienfeiern bekommt die arme Frau, sie berichtet hier aus eigener leidvoller Erfahrung, zu hören: „Ach, du bist Innenarchitektin?! Wie schön. Ja, das wäre auch was für mich gewesen, ich dekoriere doch auch so gern.“ Nun ja, danke für das Kompliment, ein schaler Nachgeschmack bleibt trotzdem. Dafür hat sie also Jahre lang studiert, oft trägt sie sogar den Titel Dipl.-Ing. Nun würde man aber erwarten, dass eine Erklärung folgt: was ist er denn nun, der Innenarchitekt? Was macht er, was unterscheidet ihn? Wenn die Frage einfach zu beantworten wäre, gäbe es weder die Unwissenheit, und diese Arbeit erst recht nicht. Es gilt nun also, die Vorurteile und Stereotypen aufzudecken, um dem Berufsstand des Innenarchitekten zu demselben respektablen Ruf wie dem des Architekten zu verhelfen. Also soll zunächst einmal aus historischer Sicht geklärt werden: wo kommt er her, der Beruf des Innenarchitekten? Was sind seine Wurzeln? Wie konnte es soweit kommen? Unausweichlich ist es bei der Beschäftigung mit dem Beruf des Innenarchitekten sich auch mit dem Thema Geschlechtsidentität zu befassen. Dem Leser wird das Vorurteil geläufig sein, bei der Innenarchitektur handle es sich um einen weiblicher Beruf. Nun sieht man so eine Aussage in unserer emanzipierten, postfeministischen Zeit nicht gern. Sollten wir nicht längst darüber hinaus sein, den Geschlechter passende Berufe und den Berufen typische Geschlechter zuzuordnen? Dennoch belegen sowohl die eigenständig erhobenen Mitgliederzahlen beim BDIA 1 , über 63 Prozent sind Frauen, als auch die Zahl der Studentinnen an deut1 Der BDIA ist der Bund Deutscher Innenarchitekten, der 1951 gegründete Berufsverband für Innenarchitekten in Deutschland.


1. Einleitung

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schen Hochschulen 2 im Fach Innenarchitektur, dass es sich dabei um einen sogenannten Frauenberuf handeln muss. Sowohl die historische Entwicklung des Berufes als auch die heutige Genderforschung geben Antworten auf diese fragwürdige Entwicklung.

1.1. Methodik

Zunächst bin ich mit einer umfangreichen Recherche dem derzeitigen Forschungsstand auf den Grund gegangen. Dabei habe ich festgestellt, dass sehr viel über Stilgeschichte und Inhalte der Innenarchitektur geschrieben wird, kaum etwas aber tatsächlich über den Beruf als solchen, seine historische Entwicklung und seine derzeitige Relevanz. Um die Lücken in den Quellen auszugleichen, habe ich mich daher dazu entschlossen, Interviews mit Experten auf dem Gebiet der Innenarchitektur zu führen, nämlich mit Gestaltern, Architekten und eben auch Innenarchitekten, die sich tagtäglich mit Innenräumen beschäftigen. Ich habe sie in ihren Büros und Ateliers besucht und sie zu ihrem Selbstverständnis und ihrem Arbeitsalltag befragt. Wir sprachen über Vorurteile, Widrigkeiten und die schönen Seiten des Berufs. Ich habe vieles über ihren Umgang mit den Medien erfahren und wie sie sich selbst als Frauen beziehungsweise Frauen als Arbeitskollegen in der Branche erleben. Schließlich habe ich noch ein äußerst tagesaktuelles Thema ins Gespräch gebracht: den 3D-Druck. Damit wollte ich in Erfahrung bringen, inwieweit sich die Innenarchitekten mit neuen Entwicklungen in ihrem Fach auseinander setzen. Eine Anmerkung zur Verwendung von Bildmaterial in dieser Arbeit sei hier noch erlaubt. Kaum eine Publikation über Innenarchitektur und die verwandten Bereiche kommt ohne reiche Bebilderung aus, viele Bücher sind mehr Bildband als wissenschaftliche Abhandlung. Solang Stilgeschichte behandelt wird, ist dieses Vorgehen auch durchaus angebracht. Da es in dieser Arbeit aber tatsächlich um die abstrakten Inhalte des Berufsbildes Innenarchitektur gehen soll, wird als Kontrast auf Bebilderung verzichtet.

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86 Prozent sind Frauen; siehe Statistiken im Anhang


1. Einleitung

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1.2. Definitionen

Innenarchitektur liegt inhaltlich zwischen Design und Architektur, Handwerk und Technologie sowie Gestaltung und Anthropologie. Schricker 2012, S. 12

Der Innenarchitekt ist Dienstleister, Begleiter des Bauherren, sein Fürsprecher auf der Baustelle. Ihn zeichnet Verständnis und Empathie aus. Er ist anwendungsorientiert, technisch kompetent und gestalterisch versiert. Schricker 2012, S. 10

Innenarchitektur ist die „Gestaltung und Planung von Räumen mit dem Ziel, das körperliche, geistige und soziale Wohlbefinden des Menschen zu gewährleisten.“ Schricker 2002, S. 9

Der Innenarchitekt ist Ingenieur, Künstler und Menschenkenner in Personalunion. Er ist nah am Menschen, der Innenraum ist für ihn nicht nur der konstruktiv umschlossene Raum, den die Architektur übrig lässt, sondern Lebenswelt. Schricker 2002, S. 14

Die Innenarchitektur umfasst die Dekoration und Ausstattung von Räumen, die Raum- und Beleuchtungsplanung sowie die Berücksichtigung des Nutzerverhaltens hinsichtlich individuellen Erfordernissen, der Zugänglichkeit und den Aktivitäten, die der betreffende Raum ermöglichen soll. Yelavich 2008, S. 213

Dem Innenarchitekten obliegt die programmatische Planung und deren konkrete Umsetzung, er konzipiert sowohl Nutzung als auch Ausstattung des Raumes. Yelavich 2008, S. 213

Die Innenarchitektur hat unklare Grenzen und bewegt sich in einem Spannungsfeld zwischen Konstruktion und Architektur, Kunst und Kunstgewerbe sowie Technik und Design. Pile 2000, S. 8

Innenarchitektur ist die zweite, den Menschen umhüllende Schicht nach der Kleidung. Sie setzt sich aus Objekten, Strukturen, Oberflächen, Raum und Licht zusammen und wird erfahrbar, indem sich der Mensch durch das Gebäude bewegt. Sully 2012, S. 11


1. Einleitung

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Der Innenarchitekt geht sowohl auf die Bedürfnisse des Nutzers als auch auf die Anforderungen des Gebäudes ein. Er ist Formgeber, Künstler und Problemlöser. Indem er das Gebäude mit Leben erfüllt, baut er eine Bühne, auf der der Nutzer wie ein Schauspieler agieren kann. Sully 2012, S. 11

Innenarchitektur ist „Bauen, Räume schaffen. Räume einrichten, dann speziell: Lichtplanung. Materialkonzepte. Überhaupt Raumplanung in allen Bereichen.“ Interview dt, ab Z. 126

Ausstellungsgestaltung, als Teilbereich der Innenarchitektur, hat die Aufgabe, das Wesen der Dinge begreifbar zu machen. Im besten Fall kann sie dafür sorgen, dass man durch einen Raum hindurchgeht und am Ende mehr weiß, als man vorher wusste. Interview cr, ab Z. 117

Innenarchitektur ist alles das, was der Architekt im Normalfall nicht mehr machen darf. Sie beinhaltet die Behandlung des Innenraums, die Ausformulierung des Raumes sowie die Möblierung und Ausstattung desselben hinsichtlich Beleuchtung und Akustik. Interview mc, ab Z. 72

Innenarchitektur ist alles, was unser Lebensumfeld betrifft und was Einfluss auf unser Verhalten im Raum hat. Das fängt beim Licht an und hört beim Material auf. Interview db, ab Z. 157

Innenarchitektur ist nicht nur die Oberfläche, sondern greift tiefer. Die spätere Raumerfahrung wird schon in der Raumstruktur, bei der Organisation von Abläufen und Zusammenhängen, angelegt. Interview ks, ab Z. 172

Der Innenarchitekt ist zuständig für den kompletten Raumklang, er erzählt die Räume zu Ende. Interview ks, ab Z. 199

Im Idealfall entsteht so aus dem Zusammenklang der Bespielung, dem Menschen in der Szene und der Struktur etwas Erzählbares. Interview db, ab Z. 261


1. Einleitung

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Es geht also irgendwie um die Beziehung von Raum und Mensch. Der Innenarchitekt agiert als Vermittler. Aber letzen Endes ist es immer noch schwierig zu erahnen, worum es eigentlich geht. Interessant zu sehen ist, dass jeder Innenarchitekt, vor allem die von mir befragten, eine ganz eigene Sicht auf ihren Beruf haben. An einigen Punkten gibt es Überschneidungen, doch jeder hat sein eigenes Selbstverständnis. Auch auffällig ist: nahezu jeder3 kann spontan seine Definition von Innenarchitekt nennen. Es scheint also unter den Innenarchitekten ein reges Selbstreflektieren zu herrschen, was nur positiv gewertet werden kann. Nichts anders ist ja auch diese Arbeit.

1.3. Studienführer und Hochschulsituation

Will man sich über die Inhalte der Innenarchitektur informieren, fallen einem zunächst zahlreiche Karriereguides und Studienführer in die Hände. Gerade die Daseinsberechtigung der Studienführer ist aber äußerst fraglich. Teilweise wird auf mehreren hundert Seiten vorgestellt, was und wie an welcher Hochschule studiert werden kann. Alles Daten, die schon in kürzester Zeit überholt sind. So beispielsweise die recht umfangreiche Publikation des Internationalen Forums für Gestaltung in Ulm, die 2004 eine Studienführer für Design und Architektur herausgebracht haben. 4 Hier bemüht man sich außerdem die verschiedenen Bereiche auch hierarchisch zu sortieren. Ganz einig wird man sich, was die Innenarchitektur betrifft, allerdings nicht. An einer Stelle wird sie als eigener Studien- und Fachbereich sowie als eigener Studiengang aufgeführt5. An andere Stelle, bei der Kategorisierung der Studiengänge, ist die Innenarchitektur plötzlich als Unterkategorie der Architektur einsortiert6. Was tatsächlich über die Innenarchitektur als Beruf geschrieben wird, ist wenig gehaltvoll. Zu großen Teilen besteht die Publikation aber aus der Auflistung, was an welcher Hochschule studiert werden kann. Dies ist freilich, kaum zehn Jahre nach Veröffentlichung, größtenteils hinfällig. Vielleicht war der Zeitpunkt nicht besonders klug gewählt, zu Beginn des Bologna-Prozesses, da so nun eingeführte Masterstudiengänge fehlen.

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Die einzige Ausnahme ist eine sehr junge Innenarchitektin, die erst zwei Jahre selbstständig ist. Ulm 2004 Ulm 2004, S. 28-29 Ulm 2004, S. 84-85


1. Einleitung

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Der derzeit wohl aktuellste Studienführer für Innenarchitektur stammt vom allgegenwärtigen Rudolf Schricker7. Er gibt in seiner Publikation sogar den Hinweis, dass alle Daten über die Hochschulen nur tagesaktuellen Wert haben, in diesem Fall handelt es sich um den Stand Ende 2011, zu diesem Zeitpunkt ist der BolognaProzess aber weitgehend abgeschlossen und es sind an allen staatlichen Hochschulen die Bachelor- und Masterstudiengänge eingeführt und somit auch hier aufgelistet. So ist Schricker auch einer der Wenigen, die derzeit einen korrekten Überblick darüber geben können, wo in Deutschland Innenarchitektur gelehrt wird. Seinen Angaben zufolge, die sich im Übrigen auch mit denen des Bund deutscher Innenarchitekten decken, kann derzeit an vierzehn staatlichen Fachhochschulen und zwei Hochschulen mit universitärem Status Innenarchitektur studiert werden, die alle über sehr unterschiedliche Studierendenzahlen verfügen. Zudem unterscheiden sich die einzelnen Hochschulen stark, was die Zugangsvorraussetzungen, die Inhalte, die Schwerpunkte, die Studiendauer und die Studienmodalitäten betrifft. Die Hochschulsituation ist alles in allem also äußerst heterogen. Grund dafür ist unter anderem, dass sich die Hochschulen im Zuge des Bologna-Prozesse und der damit einhergehenden Auflösung der Diplom-Studiengänge neu orientiert und strukturiert haben, was laut Schricker zu einer unübersichtlichen und schlecht zu vergleichenden Lehre geführt habe. Es ist demzufolge schwieriger geworden zu bewerten, welche Kompetenzen Absolventen während ihres Studiums erworben haben. Gleichzeitig gibt es so aber auch eine größere Auswahl- und Entfaltungsmöglichkeit für die Absolventen, sich ihren eigenen Berufsweg zu suchen. Durch den Umstieg vom technisch-konstruktiv orientierten Abschluss Diplom-Ingenieur zu Bachelor und Master of Arts hat sich der Schwerpunkt außerdem zugunsten einer gestalterisch-künstlerischen Ausbildung verschoben. Dazu werden immer wieder neue Bereiche in die Lehre aufgenommen, die die Studierenden auf die sich stetig verändernden Anforderungen im Beruf vorbereiten sollen, wie Management, Nachhaltigkeit, Medienkompetenz oder Präsentation. Als große Errungenschaft der Innenarchitektur im Vergleich zu den meisten anderen Designdisziplinen bezeichnet Schricker den gesetzlichen Schutz der Berufsbezeichnung „Innenarchitekt“. Damit verbunden ist die Möglichkeit sich nach meist zwei Jahren Berufserfahrung in die jeweilige Landesarchitektenkammer eintragen zu lassen. Dementsprechend kritisch sieht Schricker es anscheinend, dass es gleichzeitig auch immer mehr in der Innenarchitektur Tätige gibt, die eben nicht Kammermitglied sind und deswegen eine andere Berufsbezeichnung, meist einfach nur Designer oder Gestalter, führen.

7 Schricker 2012, S. 3. Rudolf Schricker ist Dipl.-Ing. Innenarchitekt und Designer, seit 1991 Präsident beziehungsweise Vizepräsident des Bund Deutscher Innenarchitekten. Daneben betätigt er sich als Publizist, Autor, Gutachter und Juror.


1. Einleitung

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Wie aus dem Bericht einer Absolventin in Schrickers Publikation abzulesen ist, herrscht wohl eine große Unsicherheit unter Studierenden und Absolventen, inwieweit die neuen Abschlüsse in der Arbeitswelt anerkannt werden.8 In solchen Äußerungen schwingt häufig, wie auch hier, der Tenor mit: wir wollen das Diplom zurück. Eine solche Diskussion halte ich an dieser Stelle für irrelevant. Beide Abschlüsse, sowohl Diplom als auch das Bachelor-Master-System, haben ihre Vor- und Nachteile, die inzwischen ausreichend diskutiert wurden. Dass diese einen Einfluss auf die Berufspraxis haben, bezweifle ich. Wie vom Vorsitzenden des Innenarchitektenbundes nicht anders zu erwarten, möchte Schricker gern ein einheitliches Berufsbild des Innenarchitekten erreichen. Wie man aber an der Hochschulsituation sieht, ist dieser Versuch in der Lehre zum Scheitern verurteilt. Für das Bild des Innenarchitekten wäre eine einheitliche Lehre selbstredend zuträglich. Wenn alle eine möglichst ähnliche Ausbildung genießen, wissen auch alle Beteiligten, was sie voneinander erwarten können. Gegen eine einheitliche Lehre spricht aber, dass sich so das Feld der Innenarchitektur unnötig einschränken würde. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es dem Berufsstand gut tut, wenn sich alle Innenarchitekten in ihrer Arbeitsweise zu sehr ähneln würden.

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vgl. Schricker 2012, S. 11-25 und S. 50-53


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2. Die Geschichte der Innenarchitektur Einleiten in die Arbeit soll ein Überblick über die Geschichte der Innenarchitektur. Diese ist zwar, wie erwähnt, häufig Thema in der einschlägigen Literatur, dann aber meist nur als Stilgeschichte. Um etwas über den Beruf des Innenarchitekten zu erfahren, bringt uns aber das bloße Studium der Stilgeschichte nicht weiter. Sicher, einige Punkte sind bemerkenswert, weshalb sie in dieser Arbeit auch näher betrachten werden sollen. Interessant ist vor allem, wie sich der Beruf zur vorletzten Jahrhundertwende langsam herausbildet und auch damals schon für Unmut bei den Architekten gesorgt hat. Schricker betont allerdings, dass die Geburtsstunde der Innenarchitektur, wie wir sie heute in Deutschland begreifen, äußerst schwierig zu bestimmten ist.9 Der Versuch sei hier dennoch gewagt. Insgesamt gesehen kommt der Beruf als solcher in den vorliegenden Geschichten der Innenarchitektur bedeutend zu kurz. Häufig werden die einzelnen Epochen abgehandelt, zwar unter Benennung ihrer wichtigsten Vertreter, aber wer diese Menschen im Einzelnen waren und was sie dazu befähigte, als Innenarchitekten aufzutreten, das bleibt im Dunkeln. Auffallend häufig begegnet man aber Edith Wharton. Dies mag daran liegen, dass die meisten Abhandlungen über die Geschichte der Innenarchitektur auf Englisch und vor allem von Engländern verfasst wurden. In deutscher Sprache erschienen und auch von Deutschen verfasst sind fast nur die sogenannten Studienführer und Karriereguides. Diese beschränken sich jedoch auf Erläuterungen das Berufsleben betreffend und geben kaum Einblick in die geschichtliche Entwicklung des Berufes. An dieser Stelle seien noch einige Beobachtungen zur Quellenlage von Sigrid Hinz wiedergegeben. Sie bemerkt, dass wir bei der Beurteilung vergangener Interieurs auf bildkünstlerische Zeugnisse angewiesen sind. Bis ins Mittelalter bekommt man so nur einen begrenzten Eindruck der tatsächlichen Verhältnisse, da aus dieser Zeit nur wenige Wand- und Vasenbilder erhalten sind. Interieurdarstellungen, die auch wirklich das Leben der Menschen abbilden, entstehen dann im Mittelalter innerhalb einer christlichen Kontexts. Meist sind hier aber nur Einrichtungen der herrschenden Klasse überliefert, die einfachen Interieurs sind immer nur in ihrer Zeit relevant und werden nicht für die Nachwelt festgehalten. Dabei ist zu beachten, dass die verschiedenen Stilepochen in den unterschiedlichen gesellschaftlichen Klassen jeweils unterschiedlich lang andauern. In der bäuerlichen Wohnkultur halten sich traditionelle Stile beispiels9

Schricker 2002, S. 9


2. Die Geschichte der Innenarchitektur

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weise besonders lang und hartnäckig.10 Wie auch Thornton anmerkt, neue Stilrichtungen breiten sich erst in den gehobenen Schichten aus und sickern dann nach und nach durch die gesellschaftlichen Schichten nach unten.11 Problematisch an diesen Darstellungen ist aber immer, dass sie selten in der Lage sind, die tatsächliche Atmosphäre zu vermitteln, die ursprünglich im Raum geherrscht hat. Gleiches gilt aber häufig genauso für Fotografien moderner Interieurs.12

2.1. Das Wohnen

„Gewohnt wird seit unvordenklichen Zeiten.“ 13 Mit diesem Satz beginnt Gerd Selle sein Buch „Die eigenen vier Wände, Wohnen als Erinnern“. Und auch mir erscheint dies ein angemessener erster Satz, um über die Geschichte der Innenarchitektur zu schreiben. Zeigt er doch, dass das Wohnen und die Einrichtungen zum Wohnen schon immer Thema in der Menschheitsgeschichte waren, wenn auch die Hilfe eines Innenarchitekten erst seit dem vergangenen Jahrhundert dazu benötigt wird. Selle definiert Wohnen als eine Tätigkeit, die der Mensch Tag und Nacht ausübt, ohne die das menschliche Dasein nicht vorstellbar wäre. Betritt man die Wohnung eines Menschen, kann man, laut Selle, seine persönliche Geschichte von den Dingen erfahren, mit denen er sich umgibt. Gleichzeitig sagt die Einrichtung auch etwas über den sozialen Status des Bewohners aus. Die Wohnung ist für den Menschen ein Speicher all seiner Erinnerungen, sogar der Erinnerungen seiner Vorfahren und der gesamten Gesellschaft. Wohnen ist also nicht nur die Summe aus Raum, Möbeln und Gegenständen, dazu kommen auch noch Erlebnisse, Erfahrungen und Beziehungen, die während des Wohnens gemacht werden. Gleichzeitig ist das Wohnen nicht nur vom Wortstamm her eng mit den Gewohnheiten verbunden, es ist konservativ, gerade durch die in ihm gespeicherten Erinnerungen. Trotz aller Bemühungen der Moderne wird, so Selle, immer noch gewohnt wie immer, das einzige, was sich in den Wohnzimmern der Menschen bewege, sei häufig das Fernsehbild.14

10 11 12 13 14

Hinz 1989, S. 5-6 Thornton 1985, S. 9 Hinz 1989, S. 5 Selle 2011, S. 6 vgl. Selle 2011, S. 7-9, S. 11-13


2. Die Geschichte der Innenarchitektur

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Im Laufe der Menschheitsgeschichte wandelt sich die Bedeutung der Wohnung von der bloßen Zufluchtsstätte hin zum Ort der Selbstverwirklichung 15. Wohnen entsteht zu dem Zeitpunkt, als die Behausung nicht mehr nur dem nackten Überleben dient, als sich Dinge wie Siedlung, Handel und Handwerk entwickeln. Nun hat der Mensch sowohl einen Sinn als auch die Mittel dazu, sich wohnlich einzurichten.16 Behältnis für das Wohnen ist immer eine Art von Haus, ob nun Villa, Höhle oder Zelt. Es erfüllt mehrere Funktionen: zum einen festigt es die Gemeinschaft derer, die zusammen in dem Haus wohnen, es dient als Schutz vor dem Draußen, zum anderen bietet es eine Rückzugsort vor den Anderen. Laut Semper ist die Seele jeden architektonischen Werks, also jeden Hauses, der Herd. Er gehört zu den vier Elementen der Baukunst: Herd, Dach, Wand und die Verbindung nach draußen. 17 Doch bis Wohnen auch gleichzusetzen ist mit dem heutigen Ort der privaten Selbstverwirklichung, ist es noch ein langer Weg. Noch im Mittelalter kann man der Halböffentlichkeit der großen Wohnhalle nur entgehen, indem man sich in eine winzige, nicht unbedingt beheizte Kammer zurückzieht. Ähnliches gilt auch für die Renaissance, in der nur ein kleines Arbeitszimmer dem Menschen Zuflucht bietet vor dem stark ritualisierten Leben in der Öffentlichkeit. Während des 17. Jahrhunderts verfeinert sich die Ausstattung der Privaträume immer mehr, die Vorstellung von Bequemlichkeit herhält Einzug. Dies führt im 18. Jahrhundert zu einer regelrechten Kodifizierung der Einrichtung nach strikten Geschmacksregeln. Die schnell wachsende Mittelschicht entdeckt zu dieser Zeit ihre Vorliebe für die Dekoration, mit der sie ihren neu erlangten sozialen Status darstellen kann. 18 Auch heute noch stellt der private Wohnraum vor allen Dingen das persönliche Selbstwertgefühl und die Individualität seines Bewohners dar, gleichzeitig ist die Wohnung, wie auch schon in der Frühgeschichte, so heute mehr denn je, wichtigster Rückzugsort. Ein ganzer Industriezweig trägt nun diesen Bedürfnissen Rechnung.19

2.2. Die Frühgeschichte des Einrichtens

Pile gibt als einer der wenigen Autoren einen umfassenden Einblick in die Prähistorie des Innenraums und dessen Gestaltung. Wichtigste Erkenntnis aus seinen Ausführungen ist es, dass es dem Menschen faktisch von Anfang an beim Bau sei15 16 17 18 19

Bradbury 2012, S. 8 vgl. Hinz 1989, S. 7 Bernhart 2006, S. 154-155 vgl. Calloway 1991, S. 9 Bradbury 2012, S. 8-10


2. Die Geschichte der Innenarchitektur

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ner Behausung um den Innenraum geht 20 . Auch Abercrombie unterstützt diese These: „Das Innere der Räume zu gestalten ist eines unserer altehrwürdigen Anliegen.“ 21 Wir finden die Beschreibung von Inneneinrichtung deshalb auch schon in der Bibel. Zunächst ist die äußere Ansicht vermutlich völlig irrelevant, beziehungsweise werden innere und äußere Architektur als untrennbare Einheit gedacht. Bei den einfachen Behausungen der Urzeit ist die Inneneinrichtung zwangsläufig auf die Innenseite der äußeren Hülle beschränkt. Nur nach und nach beginnt der Mensch sich mit Gegenständen, Behältnissen und, sehr viel später erst, mit Möbel einzurichten und diese dekorativ zu gestalten. 22 Wann genau die ersten Behausungen entstehen, ist heute unklar. Sie werden vermutlich aus wenig dauerhaften Materialien geschaffen, da nur diese mit bloßen Händen oder primitiven Werkzeugen bearbeitet werden können. An die Verwendung von Stein als Baumaterial ist in der Prähistorie noch nicht zu denken. Die klischeehafte Höhle des Steinzeitmenschen hat es, laut Pile, wohl in der Form nie als Behausungen gegeben. Dafür sind die Höhlen viel zu selten und zu stark örtlich begrenzt, ganz davon abgesehen, dass die kalten und feuchten Orte wohl kaum ein bequemes und attraktives Zuhause abgegeben hätten, höchstens in der Not mögen sie als Unterschlupf gedient haben. Zu den berühmten Höhlenmalereien kommt es vermutlich, weil die Höhlen auch als zeremonielle Orte genutzt werden. 23 Indem die Höhlenwände bemalt werden, wird hier dennoch schon Innenraumgestaltung betrieben. 24 Wie die Frühmenschen tatsächlich gelebt haben, kann man nur noch daran ablesen, wie sogenannte „primitive“ Stämme heute noch leben. Davon ausgehend ist zu vermuten, dass die damaligen Völker wandernd von einer Nahrungsquelle zur nächsten gezogen sind. Im Gepäck dabei leicht zu transportierende, meist runde Konstruktionen, die dann jeweils als einzelnes Haus mit einem einzigen Raum aufgestellt werden. Nur dort, wo es beständige Nahrungsmittelversorgung gibt, werden die einzelnen Einheiten zu kleinen Dörfern zusammengeschlossen. Eingerichtet werden diese Hütten lediglich mit Behältnissen für Lebensmittel und anderen Dingen des täglichen Bedarfs. Doch schon zu dieser Zeit beginnen die Menschen, ihre persönlichen Gegenstände durch deren Gestaltung mit Bedeutung aufzuladen. Farben und Muster können so sowohl für Stammeszugehörigkeit oder den Status in der jeweiligen Gesellschaft stehen als auch religiöse, mythische oder magische Relevanz haben. 25 20 21 22 23 24 25

Pile 2000, S. 15 Abercrombie 1992, S. 7 Pile 2000, S. 13-15 Pile 2000, S. 10-12 Abercrombie 1992, S. 8 vgl. Pile 2000, S. 12-15


2. Die Geschichte der Innenarchitektur

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Mit der Erfindung des Ackerbaus setzt schließlich eine Welle rasanter Entwicklungen ein, die unweigerlich in modernen Gesellschaftsformen mündet. Befreit von der Sorge um Nahrungsbeschaffung kann sich der Mensch nun der Entwicklung von komplexen Erfindungen und auch den Künsten zu wenden. Die Menschen beginnen beständigere Behausungen zu bauen und diese zu immer größeren Siedlungen zusammenzuschließen. Das Handwerk spezialisiert sich immer weiter, es wird getauscht und gehandelt, was ein System aus Zahlen und Sprache notwendig macht. Weiterhin ist es aber schwierig nachzuvollziehen, wie die Innenräume der damaligen Behausungen ausgesehen haben. Von den häufig aus sonnengebrannten Ziegeln errichteten Häusern können heute nur mehr die Ruinen und somit die Grundrisse rekonstruiert werden. Auch aus dem alten Ägypten blieben keine kompletten Innenräume intakt, abgesehen von jenen in den Pyramiden, die aber bekannterweise nie zum Wohnen zu Lebzeiten gedacht waren. Allerdings kann man von Wandgemälden und hieroglyphischen Texten in eben diesen Grabmälern auf die Lebens- und Wohnumwelt des Verstorbenen schließen. Zudem erfährt man hier auch etwas über die ästhetischen Konzepte, mit der zu dieser Zeit in Architektur und Kunst gestaltet wird, um den Goldenen Schnitt nur als ein Beispiel zu nennen. 26 Hinz setzt mit ihren Erläuterungen zu Geschichte der Innenarchitektur erst hier an, indem sie erklärt, dass die Kultur des Wohnens und somit der Innenraumgestaltung, wie sie der heutigen am ähnlichsten ist, erst zur Zeit der Ägypter und Sumerer im 3. Jahrhundert v. Chr. beginnt. Aber auch sie beschreibt es als schwierig, stichhaltige Aussagen über die Innenarchitektur dieser Zeit zu treffen, da die künstlerische Darstellung noch nicht weit genug ausgereift ist. Glücklicherweise werden den Toten aber sogar Möbelstücke als Grabbeigaben mitgegeben, sodass es hier etwas Anschauungsmaterial überliefert ist. 27 Pile bemerkt hierzu noch, dass er den Einfluss der ägyptischen Hochkultur auf die spätere Entwicklung in Europa für fragwürdig erachtet 28, so verwundert es nicht, dass selbst im Mittelalter die Einrichtung der europäischen Lebensräume noch äußerst spärlich ausfällt. Sowohl in Bauernkaten wie auch in den feudalen Burgen sind die Kammern eng und müssen einer Vielzahl verschiedener Funktionen dienen. Die Ausstattung ist noch äußerst primitiv, erste Möbel bestehen lediglich aus Baumabschnitten, aus denen Schemel und Bänke gefertigt werden. Durch das Aushöhlen eines Baumstammes entsteht die allgegenwärtige Truhe, in der Kleidung und Haushaltsgegenstände aufbewahrt werden. Zusätzlich gibt es auch Tische, 26 Pile 2000, S. 16 27 Hinz 1989, S. 8-9. Hinz geht nicht speziell auf den Beruf des Innenarchitekten ein, sondern erwähnt bekannte Innenarchitekten nur. Sie konzentriert sich auf die Stilgeschichte und Wohngeschichte, mit nur dezenten Andeutungen zur Berufsgeschichte, alles eingebettet in beziehungsweise abgeleitet von zeitgenössischen, künstlerischen Interieurdarstellungen. 28 Pile 2000, S. 19


2. Die Geschichte der Innenarchitektur

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die aber lange Zeit keine festen Möbelstücke sind, sondern auf Böcke aufgelegte Platten. Wichtigstes und somit zentrales Ausstattungsstück ist die Herdstelle beziehungsweise die Feuerstätte. Noch im 15. Jahrhundert ist auch bei Hofe die Inneneinrichtung spärlich. Durch die oft wandernde Hofhaltung muss jegliches Mobiliar transportfähig sein, nur die Bettstatt wird an Ort und Stelle belassen. 29 Eine Frage bleibt offen: wer besorgt die Inneneinrichtung im Mittelalter? Die Literatur gibt dazu leider keinen Hinweis. Klar ist, der Handwerker fertigt die Einrichtungsgegenstände, aber wer wählt die passenden Stücke aus und kauft sie? Im bürgerlichen beziehungsweise kaufmännischen Haushalt ist es anzunehmen, dass diese Aufgabe wohl die Hausherrin übernimmt. Im bäuerlichen Haushalt stellt sich die Frage vermutlich gar nicht erst, da ein Großteil der Einrichtung selbst hergestellt wird. Doch gerade beim Adel muss man doch davon ausgehen, dass es für die Auswahl der Einrichtung Personal gab. Leider findet eine solche Berufsgruppe keinen Eingang in die Literatur über Innenarchitektur. Erst in der Renaissance, als die Landes- und Besitzverteidigung eine immer geringere Rolle spielt, wird das Leben auf den Burgen überflüssig und somit ungleich komfortabler. Die Inneneinrichtung verfeinert sich gleichzeitig in allen Bereichen. Zum einen werden Räume nun ihrer Bestimmung nach genauer differenziert, die einzelnen Gewerbe spezialisieren sich immer mehr und entwickeln neue Möbeltypen. Der stetig wachsende Wohlstand, hier vor allem in der Oberschicht, führt zu einem zunehmenden Wunsch nach repräsentativen Wohnräumen.30 Im Barock setzt sich diese Ausdifferenzierung weiter fort. Räume werden nun vollständig vom Boden bis zur Decke ihrer Funktion entsprechend dekoriert. Dabei macht die Innenarchitektur deutliche Anleihen bei der Fassadenarchitektur, die Wände werden mit Säulen, Pilastern und Gesimsen gegliedert. Zu dieser Zeit wird die Innenarchitektur als Ensemble verstanden, Möbel und baulicher Rahmen bilden eine feste Einheit.31 Gibbs nennt hier als ersten hauptamtlichen Vertreter der Gattung Innenarchitekt den Franzosen Charles Le Brun, der den Spiegelsaal in Versailles gestaltet. Auch in dem englischen Architekten Inigo Jones erkennt sie bereits einen Innenarchitekten, da er die Innenraumgestaltung als unverzichtbaren Teil der Gesamtkonzeption ansieht.32 War bisher der Wohnraum vor allem Präsentationsfläche, wird den Menschen zur Zeit des Rokoko schließlich Privatheit und Intimität ein immer stärkeres Bedürfnis. Die innenarchitektonische Komposition wird scheinbar immer freier, doch 29 vgl. Hinz 1989, S. 14 30 Hinz 1989, S. 20 31 Hinz 1989, S. 28 32 Gibbs 2004, S. 14-16. Ob Gibbs wirklich den Begriff Innenarchitekt verwendet, bleibt unklar, da ihr Buch nur in der deutschen Übersetzung vorliegt. Genauso denkbar ist es aber, dass sie entsprechend dem Titel ihres Buches „Interior Design“ auch an dieser Stelle den Begriff interior designer verwendet.


2. Die Geschichte der Innenarchitektur

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auch im Rokoko sind feste Einbauten und mobile Ausstattung noch stark miteinander verbunden. Hinz erwähnt hier erstmals Innenarchitekten, bisher hat sie noch keine spezielle Berufsgruppe genannt, die sich um die Inneneinrichtung kümmert. Für die Zeit des Rokoko nennt sie als Beispiele Gilles Marie Oppenordt und Aurèle Meisonnier für Frankreich, in Deutschland sollen Cuvilliés und Hoppenhaupt als Innenarchitekten gearbeitet haben.33 Es zeigt sich also, dass es im Laufe der Geschichte und heute mehr denn je, kein Entrinnen vor der Innenarchitektur gibt. Sie umgibt uns praktisch permanent, da der überwältigen Teil unseres heutigen Lebens in Innenräumen statt findet34 . Ein Draußen, in dem wir der Natur ausgesetzt wären, dass wir nicht mit unserem Willen beherrschen, 35 wird nur noch peripher erlebt, nämlich immer dann, wenn wir gezwungen sind von einem Innenraum in den anderen zu wechseln.36 Doch auch dabei behelfen wir uns häufig mit fahrbaren Innenräumen wie öffentlichen Verkehrsmitteln oder dem eigenen Automobil, in dem wir schon wieder der Öffentlichkeit entfliehen können. So hat es die gesamte Menschheitsgeschichte hindurch ein Denken über die Innenraumgestaltung und deren Einfluss auf Handeln, Denken und Fühlen des Menschen gegeben. Weswegen, so Abercrombie, die Innenarchitektur auch in einem theoretischen Kontext relevant ist.37

2.3. Das 19. Jahrhundert - ein Berufsstand entsteht

In der Einleitung zu seinem Buch, das sich im Anschluss zu einem Bildband entwickelt mit der Darstellung von „Innenarchitektur in drei Jahrhunderten“, beschreibt Thornton den Kampf zwischen Tapezierern38 und Architekten, der bereits im 18. Jahrhundert beginnt und sich durch das gesamte 19. Jahrhundert zieht.39 Auch heute noch scheinen die damaligen Streitpunkte aktuell und können, zwar nicht eins zu eins, aber dennoch sinngemäß auf den heutigen Konflikt zwischen Innenarchi33 vgl. Hinz 1989, S. 47. Auch hier kein Hinweis darauf, was die Genannten zu Innenarchitekten befähigt. 34 Pile 2000, S. 8 35 Abercrombie 1992, S. 9 36 vgl. Pile 2000, S. 10 37 Abercrombie 1992, S. 7-8. Abercrombie reagiert damit auf James Stewart Polish, der 1987 dagegen ist, die Innenarchitektur als eigenständigen Beruf anzuerkennen. Er argumentiert, dass es der Innenarchitektur angeblich an einer Theorie mangele, deswegen könne sie kein Beruf sein. 38 Eine kurze Nachforschung ergibt, dass Thornton im englischen Original von „upholsterer“ spricht. Dies mit Tapezierer zu übersetzen, finde ich im besten Fall fragwürdig, sicher ist es aber zu kurz gegriffen. Üblicherweise wird der Begriff mit Polsterer ins Deutsche übersetzt, der Spielraum geht aber bis hin zum Raumausstatter. Es sei also angemerkt, dass hier mit Tapezierer vermutlich nicht nur jemand gemeint ist, der eine Tapete an der Wand anbringt, sondern eher ein spezialisierter Handwerker für ein breites Spektrum an Aufgaben im innenarchitektonischen Bereich. 39 vgl. Thornton 1985, S. 9-12 .Thornton ist Engländer, es ist also auch an dieser Stelle wieder notwendig im Hinterkopf zu behalten, woher der Fokus auf Großbritannien kommt.


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tekten und Architekten übertragen werden. Zunächst ist festzustellen, dass der Architekt bis ins 18. Jahrhundert hinein noch eine untergeordnete Rolle am Bau spielt. Werden im 17. Jahrhundert Häuser noch zumeist vom Bauherren selbst zusammen mit einem erfahrenen Baumeister geplant und errichtet, gewinnt der Architekt erst sehr viel später seine heutige Führungsposition. Zu diesem Zeitpunkt stellt sich noch nicht die Frage nach einer Trennung zwischen innerer und äußerer Gestaltung des Gebäudes, es wird eine harmonische Einheit des Bauwerkes angestrebt. Dennoch tritt hier bereits der sogenannte Tapezierer auf den Plan, er führt das aus, was der Architekt zuvor für den Innenraum entworfen hat. Diese enge Zusammenarbeit führt natürlich zwangsläufig zu Konflikten und ist vor allem den Architekten ein Dorn im Auge. Thornton lässt sich an dieser Stelle nicht im Detail darüber aus, wie die Konflikte entstehen. Auf den erste Blick möchte man meinen, der Tapezierer sei in dieser Konstellation ausführender Handwerker und so auf gleicher Position wie beispielsweise ein Maurer, mit dem sich nicht zwangsläufig ein Konflikt entwickelt, wenn er den Planungen des Architekten folgt. Wahrscheinlich ist aber, dass sich der Tapezierer auch schon zu dieser Zeit als eigenmächtig entwerfender Künstler verstanden hat und somit von Zeit zu Zeit die Pläne des Architekten durchkreuzt. Ähnliches kann man aus der Kritik herauslesen, die Le Camus de Mézieres bereits 1780 an den Tapezieren äußert. 40 De Mézieres wirft ihnen vor ohne Rücksicht auf architektonische Prinzipien zu entwerfen. Sie sollten sich an die Pläne der Architekten halten, vor allem die bedeutenderen Räume sollten durch die Architekten eingerichtet werden. Auch William Mitford schlägt in die gleiche Kerbe, seiner Meinung nach würden Tapezierer absichtlich mit schlechtem Geschmack einrichten, um mit darauf folgenden Änderungen noch mehr Geld zu verdienen. Für ihn stehen die Interessen der Tapezierer daher absolut konträr zum Ansehen des Architekten. Doch völlig ungeachtet dieser harten Kritik entwickelt sich der Beruf des Tapezierers immer weiter. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts beansprucht er bereits die Bezeichnung „Dekorateur“ für sich, Thornton vermutet dahinter die Anlehnung an das zeitgenössische Modewort Innendekoration, das sich im Titel vieler Veröffentlichungen dieser Zeit wiederfindet (z.B. Thomas Hopes: Houshold Furniture and Interior Decoration). Gegen Ende des 19. Jahrhunderts trennen sich die beiden Berufsgruppen der Tapezierer und der Dekorateure. Der Dekorateur gewinnt an Einfluss und fühlt sich selbst in einer erhabenen Position. Dies beweist nicht zuletzt das Buch „The Decoration of Houses“ von Edith Wharton, das im Folgenden noch näher besprochen werden soll. Thornton stellt fest, dass der Begriff „Innendekorateure“, der bis heute in den englischsprachigen Ländern für den Beruf stehe, erstmals 1903 in „Stately Homes in America“ von Desmond und Croly Verwendung findet. Auch in Deutschland kur40

vgl. Thornton 1985, S. 10


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siert in der Zeit eine ähnliche Begrifflichkeit, wie es am Beispiel der Zeitschrift „Innendecoration“ des Verleger Alexander Koch ab 1890 deutlich wird. So wie der Einfluss der Innendekorateure größer wird, ziehen sich die Architekten immer weiter aus diesem Feld zurück. Letztlich sehen sie es laut Thornton, bedingt durch ihre umfangreiche Ausbildung, als unter ihrer Würde an, sich mit der Innenausstattung zu beschäftigen. Abschließend bemerkt Thornton aber, dass die schönsten Arbeiten entstünden, wenn Architekten und Tapezierer beziehungsweise Dekorateure Hand in Hand miteinander arbeiten würden. Thornton stellt hier die Entwicklung der Innenarchitektur als eine Abspaltung von der Architektur dar, die auf der Basis des Handwerks steht. Natürlich ist dies rein auf die Entwicklung in England zu beziehen, ob die Entwicklung in Deutschland einem ähnlichen Weg gefolgt ist, lässt sich nicht anhand von Quellen belegen, ist aber wahrscheinlich. Es gibt von Anfang an einen Interessenkonflikt gegeben, der sich bis zum heutigen Tag nicht auflösen konnte. Einerseits sehen es einige Architekten als unwichtig an, sich mit Innenraumgestaltung zu beschäftigen, allein das Äußere des Bauwerks ist wirklich prestigeträchtig. Andererseits befürchten sie, ihr Entwurf würde von Innenarchitekten verhunzt. Der Innenarchitekt wiederum sieht sich häufig als erhaben an, nur er weiß, wie der Innenraum richtig gestaltet wird, der Architekt interessiere sich ja sowieso nur für die Fassade. Und doch wurde den kritischen Theoretikern schon im 19. Jahrhundert bewusst, wie wirklich gute Gestaltung erreicht werden kann, nämlich durch die möglichst enge Zusammenarbeit zwischen Architekt und Dekorateur. Nur so lässt sich das Renaissanceideal eines harmonischen und einheitlichen Ganzen erreichen. Mit dem Ausgang des 19. Jahrhunderts muss sich der Beruf des Innenarchitekten zwangsläufig entwickeln. Es herrscht ein derart vielfältiges Nebeneinander der verschiedensten Stile, dass es einen Spezialisten bedarf, um das passende Interieur zum jeweiligen Gebäude zu gestalten. Pile charakterisiert den typischen Dekorateur der Jahrhundertwende so: er kennt die Stile der Zeit und weiß, wie deren verschiedenen Elemente möglichst harmonisch zusammengefügt werden können. Oft sei der Dekorateur dieser Zeit auch erfahren im Handel mit Antiquitäten und Kunstwerken gewesen, wenn er nicht selbst sogar ein Händler oder Agent ist. Zudem ist er versiert im Umgang mit seiner reichen und anspruchsvollen Kundschaft. 41 Auch die Kritik der Arts-and-Crafts-Bewegung aber der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in England an der industriellen Revolution 42 mag ein Hinweis darauf sein, dass die Entwicklung des neuen Berufsstandes unausweichlich war. Dadurch dass sich das Verhältnis von Kunde zu Produzent verändert, ja entfremdet, 41 42

Pile 2000, S. 255 Pile 2000, S. 210


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braucht es womöglich einer vermittelnden Person. Bestellt der Kunde früher noch direkt beim Handwerker genau jene Einrichtungsgegenstände, die er in seinem Heim haben möchte, muss oder kann er nun aus einer Vielzahl an fertigen Produkten wählen. Gut möglich, dass sich auch daraus eine Überforderung ergibt und sich der Kunde nun Hilfe suchend an einen Spezialisten in Sachen Innendekoration wendet. 43 Bischoff verknüpft die verstärkte Aufmerksamkeit für die Raumkunst ebenfalls mit den kunstgewerblichen Reformbewegungen. Um die Jahrhundertwende entscheiden sich immer mehr vormals bildende Künstler für die Arbeit als Architekt und Kunsthandwerker, wie Peter Behrens und Henry van de Velde, um nur zwei Beispiele zu nennen. Zu dieser Zeit wird auch die angewandte Kunst als relevant erachtet, Architekten sind dazu angehalten auch die Gestaltung der Wohnräume in den Architekturentwurf mit aufzunehmen. Dies begründet sich in dem Bestreben der Reformer die gesamte gegenständliche Umwelt in ihren Entwurf aufzunehmen. 44 Sie streben eine Gesamtkunstwerk, entworfen vom Universalgenie, an. Geklärt ist nun also, in welchem Zeitrahmen der Beruf des Innenarchitekten in etwa entsteht. Auch einige potentielle Vertreter der Berufsgruppe wurden schon genannt. Doch wen kann man nun tatsächlich mit Fug und Recht als ersten Innenarchitekten, in einem heutigen Verständnis des Berufs, bezeichnen? Den Quellen zufolge kommen dafür vier Personen in Frage. Zum einen wären da Charles Percier und Pierre-François-Léonard Fontaine, die um die Jahrhundertwende des 18. und 19. Jahrhunderts in Frankreich tätig waren. 45 Nach ihnen kommt erst einmal lange nichts, bis sich schließlich zum Ende des 19. Jahrhunderts zwei Frauen um den Titel der ersten Innendekorateurin streiten. Mit einem leichten Vorsprung geht Edith Wharton in das Rennen, sie veröffentlich 1897 ihr Werk „The Decoration of Houses“ und stellt ihr Hauptwerk, die Villa The Mount, 1902 fertig. 46 Nur wenige Jahre, nämlich 1907, später tritt aber Elsie de Wolfe mit ihrem Interieurentwurf für den New Yorker Colony Club in Erscheinung, 1913 veröffentlicht auch sie ein Buch, „The House in Good Taste“. In vielen Publikationen bezeichnet man sie als erste erfolgreiche, professionelle Innendekorateurin. 47 Auch wenn William Morris Name in diesem Zusammenhang normalerweise nicht fällt, scheint es doch angebracht zu untersuchen, ob er sich nicht doch in die Riege der möglichen ersten Innenarchitekten einreihen kann. 43 44 45 46 47

vgl. Friemert 1998, S. 10 Bischoff 1999, S. 10 vgl. Pile 2000, S. 127 vgl. Bradbury 2012, S. 28 Pile 2000, S. 255


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Natürlich haben auch Henry van de Velde, Gottfried Semper und Le Corbusier einen bedeutenden Beitrag zur Disziplin der Innenarchitektur geleistet. Aber van de Velde ist eher das Universalgenie, ihn auf die innenarchitektonischen Entwürfe zu beschränken, wird ihm weder gerecht, noch scheint dies hier zielführend. Semper ist, seiner Zeit verpflichtet, am Gesamtkunstwerk interessiert und Le Corbusier ist zuallererst und vor allem anderen Architekt. In dieser Arbeit sollen aber lediglich solche Personen porträtiert werden, die in erster Linie Innenarchitekten beziehungsweise dessen Äquivalent ihrer Zeit, sind.

2.3.1. Percier & Fontaine

Bei Pile werden als erste professionelle Innengestalter, er verwendet hier den Begriff interior designer, die Franzosen Charles Percier und Pierre-François-Léonard Fontaine genannt. Pile erklärt seine Annahme damit, dass Percier und Fontaine die Ersten waren, die wie moderne interior designer gearbeitet hätten. Das heißt, sie behalten die volle Kontrolle über die Arbeiten an einer Inneneinrichtung. Wo früher ein Innenraum ausschließlich durch die Zusammenarbeit von Künstlern und Handwerkern gestaltet wird, teilweise unter der Aufsicht eines Architekten, übernehmen sie nun die einheitliche gestalterische Leitung. Die in den 1760er Jahren geborenen Männer arbeiten unter der Schirmherrschaft von Napoleon I., der sich sehr für Inneneinrichtung und Architektur interessiert. Nach ihm, der sich 1804 selbst zum Kaiser beziehungsweise Imperator ernennt, wird auch der Epochenstil bezeichnet, dem Percier und Fontaine zuzurechnen sind: the Empire Style. Dieser Stil zeichnet sich vor allem durch eine weniger klassische Ordnung aus, wie sie voran gegangene Stile zeigten. Zwei wichtige technische Entwicklungen prägen die Empire Style maßgeblich. Die Erfindung des mechanischen Musterwebstuhls durch Jacquard 1801 erlaubt die besonders großzügige Verwendung von Stoffen. Auch Tapeten werden nun in großem Stil verwendet, da es durch die Entwicklung der Walzendrucktechnik möglich wird, sowohl Tapeten mit Muster zu bedrucken, die denen von Textilien gleichen als mit auch szenische Motive, die an Fresken erinnern. Auch architektonische Schmuckprofile werden zunehmend von gedruckten Papierbordüren ersetzt. 48 Percier und Fontaine erlangen vor allem deshalb einen derart hohen Bekanntheitsgrad, da sie ihre Entwürfe mittels Illustrationsalben in ganz Europa veröffentlichen. Sie gestalten ganze Zimmerfluchten im Schloss Fontainebleau im Stil Napoleons. Und auch das Schloss Malmaison nahe Paris richten sie für Napoleons Frau Josephine ein. Hier gestalten die beiden Innenarchitekten ein Schlafzimmer wie ein luxuriöses Zelt, in Anlehnung an Napoleons Behausung auf dem Schlachtfeld. 48

vgl. Pile 2000, S. 127-128


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Dabei zeigt sich auch die Vorliebe von Percier und Fontaine für militärische und imperialistische Referenzen in der Gestaltung. Für Napoleon verbinden sie Luxus mit Strenge und Härte. 49 Pile versäumt es an dieser Stelle leider zu erwähnen, welche berufliche Ausbildung Percier und Fontaine genossen haben. Percier und Fontaine schreiben, wie Edith Wharton und Elsie de Wolfe, eine Abhandlung über die Innendekoration, ihr 1801 erstmals erschienenes Werk „Recueil de Décorations intérieurs“ wird zur wichtigsten Vorlagensammlung des Empire Styles. Im Textteil des Buches übertragen sie ihre vorher schon formulierte Architekturauffassung auf die Innendekoration, da sie der Meinung sind, dass eine enge Beziehung zwischen Konstruktion und Dekoration besteht. Genau wie bei der Baukunst, so seien es auch bei der Raumkunst entscheidend, auf Land, Klima und Gebrauchsfunktion einzugehen. Grundsätzlich wenden sich Percier und Fontaine gegen alles, was nur modisch ist, jedes Möbel soll in Hinblick auf Gebrauch und Bequemlichkeit gestaltet werden.50 Die Innenarchitekten Napoleons kann man also auch als solche bezeichnen, da sie sich vornehmlich mit dem Innenraum beschäftigen. Sie sind nicht nur Dekorateure, sondern setzen sich auch mit den theoretischen Grundlagen ihrer Gestaltung auseinander. In ihrem Entwurf steht der Mensch im Fokus.

2.3.2. Edith Wharton

Edith Wharton, 1862 in New York geboren, gilt in erster Linie als eine der bekanntesten, amerikanischen Schriftstellerinnen ihrer Zeit, 1920 gewinnt sie mit ihrem Roman „The Age of Innocence“ gar den Pulitzerpreis.51 Doch auch in dieser Prosaliteratur beweist Wharton einen gut geschulten Sinn für die Inneneinrichtung und schafft es, die zeitgenössischen, amerikanischen Interieurs in ihren Einzelheiten vor dem inneren Auge des Lesers aufleben zu lassen52 . Das Erstlingswerk Whartons ist nämlich keineswegs Belletristik, sondern das Buch „The Decoration of Houses“, dass sie 1897 mit dem befreundeten Architekten Ogden Codman Jr. als Bestandsaufnahme zeitgenössischer Gestaltung herausbringt.53 Ihr Ansinnen ist es ein Zeichen zu setzen gegen die Ausstattung des spätviktorianischen Hauses, wie sie zu dieser Zeit in Amerika üblich ist. Sie erscheint 49 Pile 2000, S. 128 50 Kruft 2004, S. 314 51 Bradbury 2012, S. 28 52 vgl. Wharton, 1920; z.B. die ausführliche Beschreibung des Theaters im ersten Kapitel 53 vgl. Bradbury 2012, S. 28. In den meisten Texten über das Buch taucht Codman nur am Rande auf, Edith Wharton steht im Vordergrund. Dies verwundert vor allem aufgrund der Tatsache, dass Codman der Architekt in dieser Autorengemeinschaft war und zudem ein Mann, man möchte meinen, die architektonischen Gedanken und Anweisungen stammten von ihm. Eventuell passt Wharton als Frau aber besser in das Bild der weiblichen Innenarchitektin und wird deswegen in diesem Zusammenhang in den Vordergrund gebracht.


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ihnen zu schwer und überladen, lieber ist ihnen eine Inneneinrichtung im neoklassizistischen Stil Europas mit dessen schlichten, klaren Linien. Besonders angetan sind sie von den Landhäusern und Gärten in England, Italien und Frankreich. Interessant ist die Auffassung Whartons und Ogdens, dass es vor allem dann zu Problemen und der von ihnen kritisierten übertriebenen Gestaltung kommt, wenn Architektur und Inneneinrichtung nicht Hand in Hand gehen. Ihrer Ansicht nach sind dies nämlich nur die zwei Seiten ein und der selben Medaille.54 Nichtsdestotrotz legen Odgen und Wharton aber wert darauf, die zunehmende Bedeutung der Inneneinrichtung zu betonen. Im Fazit des Buches schreiben sie: „ ... in the treatment of rooms we have passed from the golden age of architecture to the gilded age of decoration.“ 55 In ihren Augen steht das Interieur eines Wohnraumes sowohl für den individuellen Geschmack der Bewohner und dessen kulturellen sowie sozialen Ambitionen als auch für nationale Eigenarten.56 In der Abhandlung sind die folgenden Begriffe zentral: Symmetrie, Rhythmus, Proportion, Harmonie und Logik. Zusammengefasst im Schlusssatz des Buches heißt das: in der Architektur und der Dekoration sollten Prinzipien Anwendung finden, die auf Logik beruhen und die Gesetze von Harmonie und Proportion berücksichtigen57. Mit Logik meinen die Autoren dabei, dass die Gestaltung eines Hauses oder eines Raumes immer deren Bestimmung und vor allem der Angewohnheiten ihrer Bewohner unterworfen sein muss.58 Es soll dabei ein Zustand erreicht werden, den Wharton und Codman als „fitness“ bezeichnen59, er lässt sich am besten damit umschreiben, dass die architektonische und dekorative Umgebung geeignet sein muss, die Bedürfnisse der Nutzer zu befriedigen. Räume und Häuser sollen also eine Art logische Schlussfolgerung aus den Bedürfnissen ihrer Bewohner sein, so dass gilt: „A house, or room, must be planned as it is because it could not, in reason, be otherwise;...“60 Zeitgenössische Wohnumfelder mit ihrem Eklektizismus vergangener Stile seien aus diesem Grund nicht mehr geeignet für das moderne Leben61 . Es sei aber schwer diese Gebräuche und Angewohnheiten zu überwinden, da sich solche Stile vor allem deshalb lang hielten, weil alles Alte per se als schön und somit auch als angemessen angesehen werde. Gerade der Eklektizismus muss aus der Sicht von Wharton und Codman deshalb überwunden werden, da die Essenz eines jeden Stils in seinen Proportionen liege, es kann aber keine stimmige Einrichtung 54 55 56 57 58 59 60 61

vgl. Bradbury 2012, S. 13 Wharton 1914, S. 196 vgl. Calloway, 1991, S. 9 Wharton 1914, S. 198 Wharton 1914, S. 17 Wharton 1914, u.a. S. xxi; S. 196-197 Wharton 1914, S. 10 Wharton 1914, S. 6


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gestaltet werden, wenn die verschiedenen Proportionen der verschiedenen Stile gemischt werden.62 Vor allem Ruskin brachte ihrer Meinung nach die Gesetze der Proportion und der Symmetrie in Verruf, da er die willkürliche Anordnung von architektonischen Elementen im Mittelalter als künstlerisch bezeichnete.63 Die Menschen seien nun der Meinung, dass eine äußere Symmetrie des Gebäudes nur ein unbehagliches Inneres zur Folge haben kann. Wharton und Codman betonen aber, dass ein symmetrisch angelegter Raum wesentlich einfacher zu möblieren und somit gemütlicher sei.64 Befolgt man diese Regeln und arbeiten Architekt und Innenausstatter gut zusammen entsteht Harmonie, vor allem bei den einfachsten Lösungen, denn: „The supreme excellence is simplicity.“65 Zur Innenarchitektin macht Wharton, dass sie auf diesem Feld nicht nur Theoretikerin bleibt, sondern ihr Manifest auch in gebaute Realität überführt. Im Jahr 1902 stellt sie das Wohnhaus The Mount in Lenox, Massachusetts fertig und bewohnt es anschließend auch selbst. Hier gelingt es ihr, ihre Vorstellungen von Schönheit und Ordnung, Angemessenheit und Schlichtheit sowie von den Proportionen umzusetzen. Wharton erlangt so großen Einfluss auf die Gestaltung zeitgenössischer, amerikanischer Wohnungen und Häuser. Nicht zuletzt ist sie aber auch Vorbild für andere Vorreiter des neuen Berufszweiges der Innenarchitektur, wie zum Beispiel Elsie de Wolfe.66

2.3.3. Elsie de Wolfe

Etwa 20 Jahre nach „The Decoration of Houses“ erscheint, selbstredend neben zahlreichen anderen, eine weitere bedeutende Publikation über die Inneneinrichtung: „The House in Good Taste“ von Elsie de Wolfe67. De Wolfe steht mit ihrem Werk ganz in der Tradition von Wharton und Codman, zumal Codman behauptet, de Wolfe hätte alles, was sie konnte, von ihm gelernt68. Tatsächlich beruht de Wolfes Theorie auf ähnlichen Prinzipien wie die von Codman und Wharton, nämlich Angemessenheit, Einfachheit und Proportion69. Gemein ist ihnen auch die Abneigung des viktorianischen Stils zugunsten des Neoklassizismus. De Wolfe schreibt dazu, dass die einfachen Häuser ihrer Vorfahren, 62 63 64 65 66 67 68 69

Wharton 1914, S. 11 Wharton 1914, S. 3. Mehr zu Ruskin bei William Morris. Wharton 1914, S. 31 Wharton 1914, S. 198 vgl. Bradbury 2012, S. 28 de Wolfe 1913 Sparke 200, S. 19 de Wolfe 1913, S. 17


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die ganz auf Dauerhaftigkeit und den Gebrauch ausgelegt waren, die besten Beispiele für gute Architektur seien.70 Anders als Wharton und Codman widmet de Wolfe dem elektrischen Licht ein eigenes Kapitel. Ist bei den ersteren noch zu lesen, elektrisches Licht sei zu grell und verwandle jeden Salon in eine Bahnstation,71 beginnt de Wolfe jede ihrer Planungen mit der Positionierung der Lichtquellen.72 Im Vergleich zu Wharton und Codman bleibt dann noch zu erwähnen, dass de Wolfe immer an ein breiteres Publikum dachte und ihre Texte auch in Frauenzeitschriften veröffentlichte, um die Durchschnittsfrau zu erreichen, Wharton und Codman konzentrierten sich hingegen vollständig auf die soziale Oberschicht.73 De Wolfe geht in einem gesonderten Kapitel sogar äußerst detailreich auf die Anmietung und die Gestaltung von Apartments ein74 . Sie erkennt, dass junge Paare vor allem in der Großstadt zunächst in kleineren Wohnungen leben und weniger Geld zur Verfügung haben, um diese einzurichten. Die 1865 geborene75 De Wolfe veröffentlicht ihr Buch, nachdem sie sich bereits als Innendekorateurin einen Namen gemacht hat. Aus einfachen Verhältnissen stammend arbeitete de Wolfe zunächst als Schauspielerin, wobei sie auch Erfahrungen im Bereich der Bühnenbildgestaltung sammeln kann. Als ihr Erfolg um die Jahrhundertwende nachlässt, wendet sie sich einem anderen Geschäftsfeld zu. Zunächst kauft und verkauft sie Antiquitäten.76 Nachdem sie ihr eigenes vormals typisch viktorianisch eingerichtetes Haus modernisiert und eine stilvolle Einfachheit Einzug hält, wird de Wolfe von Freunden um Hilfe bei der eigenen Innenraumgestaltung gebeten.77 So beginnt sie bald die Häuser von Freunden und Geschäftspartnern einzurichten. 1905 erfolgt dann der entscheidende Auftrag, in dessen Folge de Wolfe als professionelle Dekorateurin arbeiten kann. Sie gestaltet die Inneneinrichtung des Colony Club in New York. Schnell avanciert de Wolfe zur reichen Societylady, die sich aber auch für die Rechte der Frau, insbesondere das Frauenwahlrecht, einsetzt.78 Was ihren persönlichen Stil betrifft, folgt de Wolfe nie den progressiven, modernen Strömungen ihrer Zeit. Auch nach dem sie ihren Hauptwohnsitz von den USA nach Paris verlegt, hält sie Abstand zu zeitgenössischen, modernen Architekten in Europa, wie Wagner, Behrens und van de Velde. Modern ist de Wolfe vor allem in ihrem Denken, sie fasst das häusliche Interieur als Ausdruck der Persönlichkeit 70 71 72 73 74 75 76 77 78

de Wolfe 1913, S. 3 Wharton 1914, S. 126 de Wolfe 1913, S. 17 vgl. Sparke 2005, S. 19-20 de Wolfe 1913, S. 237) Pile 2000, S. 255 vgl. Sparke 2005, S. 15-18 Pile 2000, S. 255 vgl. Sparke 2005, S. 15-18


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der Bewohner auf und legt größten Wert auf Individualität.79 So verpflichtet sie sich auch keinem bestimmten Stil, ganz im Gegenteil: ihrer Ansicht nach sind auch Vermischungen verschiedener Stile möglich, solange sie in Form und Farbe harmonieren.80 Auch die Verwendung von Reproduktionen antiker Möbel ist in ihren Augen völlig legitim, wenn das Möbel dem Zweck dient.81 So ist es für de Wolfe auch kein Widerspruch, hin und wieder im historisierenden Stil zu gestalten, auch wenn der Historismus nicht ihrem Gestaltungsverständnis entspricht. Wenn Kunde und architektonischer Rahmen es vorgeben, handelt sie danach.82 Und genau diese Zweckdienlichkeit oder auch Angemessenheit proklamiert sie mit äußerster Vehemenz in ihrem Buch „The House in Good Taste“, an einer Stelle schreibt sie: „My business is ... to preach to you the beauty of suitability. Suitability! Suitability! SUITABILITY!!“83 Diese Angemessenheit erreicht de Wolfe in ihren eigenen Inneneinrichtungen, indem sie zunächst die Bewohner des Hauses und ihre Bedürfnisse genau studiert84 . Sie möchte nicht, dass die Hausfrauen weiterhin Dinge kaufen, nur weil sie hübsch sind, sondern weil sie zu ihrer Inneneinrichtung passen und brauchbar sind85 , und wenn ein Objekt zweckmäßig ist, behauptet de Wolfe, dann ist es mit hoher Wahrscheinlichkeit auch schön86. Ähnlich verhält es sich mit der von de Wolfe angestrebten Einfachheit. Diese kann in die viktorianischen Haushalte einkehren, wenn sie von den Gegenständen befreit werden, mit denen sie vollgestopft wurden, um gemütlich zu erscheinen. Im besten Falle sei dann das Verhältnis zwischen architektonischem Raum und den Möbeln so gut, dass die Architektur zur Dekoration des Raumes wird.87 Dies gelingt aber wiederum nur, meint de Wolfe, wenn die Proportionen stimmen. Wandöffnungen, Fenster, Türen und Kamine müssen dazu am richtigen Platz und ausgewogen zu einander platziert sein.88 Unter Berücksichtigung dieser drei Elemente und den eigenen Bedürfnissen kann, laut de Wolfe, nun auch jede Hausfrau ihr Heim mit Geschmack einrichten89. Die liegt de Wolfe nämlich im besonderen am Herzen und für sie hat sie dieses Buch auch geschrieben. Die Hausfrau erhält mittels einer sehr persönlichen Ansprache zahlreiche Tipps, wie sie die einzelnen Teile der Inneneinrichtung, also Wände, Türen, Fenster und so weiter, sowie alle möglichen Räume des Hauses, wie das Gesellschaftszimmer oder das Schlafzimmer, gestalten kann. Denn, so sieht es de 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89

Sparke 2005, S. 12 de Wolfe 1913, S. 25 de Wolfe 1913, S. 268 Pile 2000, S. 255 de Wolfe 1913, S. 26. Hervorhebungen übernommen aus dem Original. de Wolfe 1913, S. 17 de Wolfe 1913, S. 24 de Wolfe 1913, S. 4 de Wolfe 1913, S. 26 de Wolfe 1913, S. 17 de Wolfe 1913, S. 21


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Wolfe, das Heim repräsentiert die Persönlichkeit der Hausherrin und nur ihrer, denn: „[men] are forever guests in our homes, ...“90 , von Kindern und sonstigen Mitbewohnern ist erst gar nicht die Rede. Sie gibt auch offen zu, dass eine Hausfrau aufgrund ihres Hauses und dessen Einrichtung beurteilt wird. 91 Wie zuvor schon erwähnt, räumt de Wolfe der Frau den größten Stellenwert in der Innendekoration ein. Gerade im frühen 20. Jahrhundert ist dies auch unumgänglich, da der eigene Haushalt oft das einzige Beschäftigungsfeld bietet, zu dem Frauen zugelassen werden.92 Sie möchte Frauen dazu ermuntern, für ihr häusliches Leben selbst die Verantwortung zu übernehmen.93 Dabei bleibt leider nicht aus, dass de Wolfe die Frau dennoch weiterhin auf das häusliche Leben beschränkt. Es scheint so, als sei ein Leben außerhalb des häuslichen Umfelds für die Frau in ihrer Vorstellung noch nicht möglich. Dennoch wird de Wolfe vor allem in der Zeit zwischen den Weltkriegen zum Vorbild für viele Frauen, die einen ähnlichen Weg einschlagen wie sie. So kommt es vor allem in den USA zum weit verbreiteten Phänomen der weiblichen Innendekorateurin. Auch nach dem zweiten Weltkrieg gibt es noch viele Frauen, die als professionelle Innendekorateurin arbeiten. Allerdings wird die sich nun verstärkende Moderne eindeutig von Männern dominiert, und im gleichen Atemzug der Beruf des (weiblichen) „interior decorateur“ zum (männlichen) „interior designer“ umgedeutet. Die Innendekorateurinnen gelten schon bald als überheblich, unprofessionell und überholt, wohin gegen der Interior Designer als männlich und modern angesehen wird, da er nicht mehr auf die Vergangenheit rekurriert.94

2.3.4. William Morris

Der 1834 geboren William Morris gilt als bekanntester Vertreter der Arts-andCrafts-Bewegung. Die Bewegung kommt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in England auf und wird von den Ideen des Schriftstellers und Theoretikers John Ruskin geprägt. Ruskin propagiert eine vollständige Rückkehr zum Handwerk, dies sei in seinen Augen die einzige Möglichkeit, den geschmacklosen und übertriebenen Produkten der industriellen Fertigung, die er so sehr verachtet, entgegen zu wirken.95 Eine mögliche Erklärung für die mangelnde Qualität industriell gefertigter Produkte liefert Friemert. Vor der industriellen Revolution entsteht 90 91 92 93 94 95

de Wolfe 1913, S. 5 de Wolfe 1913, S. 21 Sparke 2005, S. 12. Weiterführendes hierzu dann im Kapitel Gender Interior Sparke 2005, S. 21 vgl. Sparke 2005, S. 22-23 Pile 2000, S. 210


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ein Produkt noch in enger Zusammenarbeit von Auftraggeber und Handwerker, nun ist der Kunde nun noch bloßer Käufer. Die Gestaltung und Produktion des Produkts findet an ganz anderer Stelle statt.96 Wo Ruskin jedoch am liebsten zurück zur gänzlich mittelalterlichen Praxis und damit zur gotischen Formgebung gehen möchte, bleibt die Arts-and-Crafts-Bewegung in ihrer eigenen Zeit, für sie sollen ihre Produkte gestaltet sein. So ist das Leitmotiv der Bewegung: ein ehrlicher Umgang mit Funktion, Material und Produktionstechnik, der nur mit dem Handwerk erreicht werden kann; außerdem die Vermeidung jeglichen Ornaments, es sei denn, es ist bedeutungsvoll.97 Morris beginnt 1853 Theologie am Exeter College in Oxford zu studieren, wendet sich aber schon bald der Architektur, der Kunst und der Literatur zu. Beeindruckt von Ruskins Werk „The Stone of Venice“ ist Morris vor allem an der gotischen Kultur interessiert.98 Er unternimmt Studienreisen nach Belgien und Frankreich, um sich gotische Bauwerke anzusehen. Hier lernt er den Bau als Gesamtkunstwerk und praktische Zusammenarbeite aller Künste in der Bauhütte kennen. Hier gelangt Morris auch zu der Erkenntnis, dass die mit der Renaissance einhergehende Trennung zwischen Künstler und Handwerker falsch war.99 Anschließend absolviert Morris ein Praktikum im Architekturbüro von G. E. Street, in dessen Folge er sich aber entschließt Maler zu werden.100 Dennoch entwirft und erbaut er von 1859 bis 1860 mit seinem Freund und Architekten Philip Webb zusammen ein Wohnhaus für sich und seine Familie. Das sogenannte Red House gilt als Versinnbildlichung der Ideen von Morris und der Arts-and-Crafts-Bewegung. Das Gebäude hat einen unregelmäßigen Grundriss, da dieser nur den funktionalen Zusammenhängen folgt, auch die Gebäudehülle ist einzig das Resultat der inneren Funktion und nicht im Hinblick auf die Außenwirkung gestaltet. Ohne jegliche historische Referenz setzen Morris und Webb auf funktionale Einfachheit in der Gestaltung.101 Morris wendet sich nun, in der Einsicht, dass er nicht talentiert genug ist, um Architekt oder Maler zu sein, den angewandten Künsten zu. 102 Mit seiner 1861 gegründeten Firma, die er zunächst mit zwei Kompagnons als Morris, Marshall, Faulkner, and Co. betreibt, später dann nur noch als Morris and Co., produziert er einerseits Teppiche, Tapeten, Möbel und Buntglas, andererseits bietet er aber auch Innengestaltung an, die den ganzen Raum behandelt. Philip Webb ist dabei an seiner Seite, er entwirft zahlreiche Möbel für die Inneneinrichtungen der Firma. Morris selbst macht vor allem zweidimensionale Entwürfe für Textili96 97 98 99 100 101 102

Friemert 1998, S. 10 Pile 2000, S. 210 Moldenschardt 1998, S. 100 Friemert 1998, S. 11 Moldenschardt 1998, S. 100 Pile 2000, S. 210-213 Moldenschardt 1998, S. 104


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en und Tapeten unter Verwendung von der Natur entlehnten, aber schlichten Motiven.103 Dass es einen derart hohen Bekanntheitsgrad, auch schon zu Lebzeiten erreicht, liegt auch daran, dass sich zum Ende des 19. Jahrhunderts Publikationen immer leichter verbreiten lassen. So wird Morris zu so etwas wie dem ersten berühmten Gestalter, heute würden wir ihn vermutlich als Stardesigner bezeichnen. 104 Auch Morris kann also dank seines Werdegangs als Innenarchitekt bezeichnet werden, wenn er auch vor allem für seine Entwürfe auf der Fläche bekannt geworden ist.

2.4. Die Jahrhundertwende und das 20. Jahrhundert

Auf die Pioniere folgend können sich zu Anfang des 20. Jahrhunderts einige einflussreiche Innenarchitekten etablieren. Die Innenausstattung wird nun als eigenständige Aufgabe begriffen und nicht mehr nur als ein willkürliche Zusammenstellung von Möbeln, Stoffen und Kunstgegenständen. 105 Da die Quellenlage für die Zeit vor der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert, was die Geschichte der Innenarchitektur in Deutschland betrifft, noch recht dünn ist, mussten wir uns an dieser Stelle mit der Geschichte des Interior Design, also der in Großbritannien und den Vereinigten Staaten, behelfen. Mit Beginn des 20. Jahrhunderts können wir uns aber nun tatsächlich Deutschland zu wenden. Das passt vor allem aus dem Grund, dass sich nun auch deutliche Unterschiede zwischen Interior Design und Innenarchitektur herausbilden. Wie später noch zu klären sein wird, handelt es sich bei dem Begriff Innenarchitektur nämlich um einen rein deutschen. Es sei nur so viel gesagt: in den englischsprachigen Ländern wandelt sich die Bezeichnung für das, was zuvor interior decoration genannt wurde, zu interior design.106 Hier lässt sich eine deutliche Betonung der Gestaltung und die Nähe zum Design ablesen. Es ist anzunehmen, dass durch diese Nähe zur Gestaltung das interior design nie zur Gefahr für die Architektur wurde und Architektur und Innengestaltung so in vielen Ländern gleichberechtigt nebeneinander existieren können. 107

103 104 105 106 107

Pile 2000, S. 213 vgl. Pile 2000, S. 210 Bradbury 2012, S. 13 Bradbury 2012, S. 15 vgl. Bradbury 2012, S. 18


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In Deutschland hingegen wird aus der Innendekoration allmählich die Innenarchitektur, eindeutig: hier liegt der Fokus auf der Nähe zur Architektur, hier liegt der Hund begraben. Zunächst soll hier nun ein Blick auf die Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland geworfen werden, wo es wider Erwarten einflussreiche Innenarchitekten gegeben hat. Interessant für die Entwicklung des Innenarchitekturberufs sind auch die verschiedenen Stadien des Fachgebietes, wie es an den Hochschulen gelehrt wird. Beispielhaft betrachten wir in dieser Arbeit die Geschichte des Fachgebietes an der Burg Giebichenstein in Halle, da diese Schule kurz nach der Jahrhundertwende gegründet wurde und von Anfang an ein der Innenarchitektur nahe stehendes Fachgebiet im Programm hatte. Anschließend werfen wir einen Blick auf die Geburtsstunde der Innenarchitektur als Berufsstand in Deutschland der fünfziger Jahre und die darauffolgende Entwicklung bis heute.

2.4.1. Hitler und seine Innenarchitektin

Über die Rolle von Innenarchitekten während der Zeit der Nationalsozialisten in Deutschland ist bisher nur wenig geschrieben worden. Sonja Günther 108 versucht sich in einem schmalen Band daran, Inneneinrichtungen und Möbel, mit denen sich Adolf Hitler umgeben hat, zu dokumentieren. Zwischen den Zeilen erfährt man hier auch etwas über die Gestalter dieser Einrichtungen und Möbelstücke. Hauptlieferant für die Einrichtungsgegenstände Hitlers sind die Vereinigten Werkstätten 109, sie stellen schon vor dem 1. Weltkrieg mehrere Interieurs namenhafter Gestalter wie Bruno Paul auf der Weltausstellung in Brüssel aus110 . Gegründet werden sie 1898 unter dem vollständigen Namen Vereinigte Werkstätten für Kunst im Handwerk zunächst in München, der Firmensitz verlagert sich aber in späteren Jahren nach Bremen. Bruno Paul als erster Entwerfer der Firma prägt maßgeblich deren gestalterische Ausrichtung, die sich an den Ideen von William Morris und Henry van de Velde orientiert. Die Arbeitsgebiete der Werkstätten umfassen ab 1907 vor allem Schiffsausstattungen, aber auch Inneneinrichtungen von Gebäuden und Wohnungen. Neben 108 Günther verwendet im gesamten Buch nicht einmal den Begriff Innenarchitektur, sie spricht von Interieurs und (Innen-)Einrichtungen. Warum sie das tut, bleibt unklar. Dass sie ihn kennt, geht allerdings aus ihrer Publikation „Die fünfziger Jahre, Innenarchitektur und Wohndesign.“ von 1994 hervor. 109 Günther 1992, S. 9, S. 18 110 Günther 1992, S. 11


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Stoffen, Tapeten und Bodenbelägen stellen die Werkstätten auch Leuchten und Wandvertäfelungen her, der Hauptaugenmerk bleibt aber immer auf dem Entwurf und Ausführung von Möbelstücken. Trotz der Arbeit namenhafter Gestalter sind die Vereinigten Werkstätten vor allem wegen ihres wirtschaftlichen Erfolgs und nicht wegen besonderer künstlerischer Leistungen bekannt geworden.111 Zur Zeit der Nationalsozialismus verhilft Paul Ludwig Troost den Vereinigten Werkstätten als ihr wichtigster Entwerfer schließlich dazu, der Inneneinrichter Hitlers zu werden. 112 Der 1878 geborene Troost arbeitet ab 1911 für die Werkstätten, wo er in den zwanziger Jahren vor allem Schiffsausstattungen entwirft. 113 1930 erwirbt Hitler einige von Troost entworfene Möbel und in der Folge entsteht ein intensiver Kontakt zwischen den beiden. 114 Hitler ernennt Troost schnell zu seinem ersten Architekten und betraut ihn mit allen wichtigen Bauaufgaben, obwohl Troost nicht mehr als drei Semester Architektur studiert und sich seine restlichen Kenntnisse wohl in der Praxis erworben hat. Dennoch ist Troost ab 1931 die Architektur und die Inneneinrichtung für alle wichtige Bauwerke unter Hitlers Führung verantwortlich. Dabei arbeitet er eng mit dem äußerst architekturaffinen Hitler zusammen. Gemeinsam beschließen sie auch, dass ein reduzierter, klassizistischer Stil am geeignetsten sei, um die monumentale Architektur, die Hitler zur Repräsentation seiner politischen Macht vorschwebt, umzusetzen. 115 Troost ist es auch, der 1933 die Führerwohnung in der Alten Reichskanzlei gestaltet. Zu Ende ausführen kann er diesen Auftrag allerdings nicht mehr 116, er stirbt im Januar 1934.117 Zu diesem Zeitpunkt sind auch andere wichtige Projekte, wie das Haus der Deutschen Kunst und andere Parteibauten in München, gerade mitten in der Ausführung. Auf Hitlers Bestreben übernimmt Troosts Frau Gerdy 118 kurzerhand die Leitung des Atelier Troost und führt es gemeinsam mit dem langjährigen Mitarbeiter Leonhard Gall als Bürochef. Zunächst beauftragt Hitler das Atelier nur mit dem Abschluss der schon begonnen Projekte, hier auch nur für die Architektur, er behält sich vor, andere Büros mit der Inneneinrichtung zu betrauen. Aber nachdem er Vertrauen in Gerdy Troost gefasst hat, übernimmt das Atelier ab 1935 sämtliche 111 Gräfe 1992, S. 156-170 112 Günther 1992, S. 11. Über die Geschichte der Vereinigten Werkstätten in der NS-Zeit lässt sich leider nur wenig mehr herausfinden. Wie ein Artikel in der Zeit von 1990 belegt, wurde selbst die Autorin der Festschrift zum 90-jährigen Bestehen der Werkstätten dazu angehalten, die Zeit des Nationalsozialismus und die Rolle der Werkstätten dabei unerwähnt zu lassen. (vgl. Pfannenschmidt, Christina: Zwischen allen Stühlen, in: Zeit online, 26. Oktober 1990. http://www.zeit.de/1990/44/zwischen-allen-stuehlen, letzter Zugriff 05.03.2014) 113 Nüßlein 2012, S. 1 114 Nüßlein 2012, S. 66-69 115 Nerdinger 2012, S. VI-VII 116 Günther 1992, S. 18 117 Nüßlein 2012, S. 1 118 Günther schreibt den Namen Gerdi, in anderen Quellen wird Gerdy angegeben, inklusive als Autorin ihres Buches. Wir bleiben also bei Gerdy.


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Einrichtungsaufträge und avanciert zum „Chefausstatter des Führers“.119 So richtet das Atelier Troost 1935 auch den Berghof am Obersalzberg ein.120 Die architektonische Planung des Gebäudes stammt vom Gmunder Architekten Alois Degano, wie Albert Speer allerdings berichtet, zeichnet Hitler alle Grundrisse, Ansichten und sogar die Schnitte selbst und ohne fremde Hilfe, lediglich die Utensilien leiht er sich von Speer.121 Mit Gerdy Troost arbeitet Hitler genauso eng zusammen wie zuvor mit ihrem Mann. Sie verbindet ein enges Vertrauensverhältnis, sodass Gerdy Troost Hitler auch unabhängig von den Aufträgen des Ateliers künstlerisch berät. Sie wird zu einer der einflussreichsten Frauen im Kulturbetrieb des Nationalsozialismus. 1904 geboren, absolviert Gerdy Troost nie eine reguläre Ausbildung, übernimmt nach der Hochzeit 1925 mit Paul Ludwig Troost aber das organisatorische Geschäft seines Ateliers. Das tut sie auch nach seinem Tod und ist dazu auch gestalterisch tätig. Sie entwirft Farbkonzepte für Inneneinrichtungen, deren Ausstattung mit Kunst, Textilien und anderen Materialien. Ihr Kompagnon Leonhard Gall hingegen ist für das architektonische Geschäft zuständig, er übernimmt die bautechnische Planung und die Bauaufsicht. Wie ihr Mann ist auch Gerdy Troost eine glühende Verehrerin Hitlers, beide verzichten bei den Aufträgen für den Führer auf ihr Honorar. Dennoch verdienen sie gut an Auftragsarbeiten für andere hochrangige Nationalsozialisten.122 In der Literatur unerwähnt bleibt seltsamerweise ein Buch, dass Gerdy Troost 1938 veröffentlicht und vermutlich mehrmals neu aufgelegt wird: „Das Bauen im neuen Reich“, zeigt es doch im besonderen Maße ihre einflussreiche Stellung. Erwartungsgemäß präsentiert sie auf zahlreichen Tafeln und in wortreichen Beschreibungen vor allem Bauwerke ihres Manns, den sie als „Baumeister des Führers“ betitelt 123 . Es enthält aber auch umfassende Abbildungen und Beschreibungen der Bauten von Albert Speer, Clemens Klotz, Hermann Giesler und anderen. Wie nicht anders zu erwarten, steckt umfangreiches nationalsozialistisches Gedankengut in dem Buch. Hitler wird als Ordner des Chaos stilisiert, dass die „Bauanarchie des liberalen Zeitalters“ hinterlassen habe. Er kann das Chaos wieder zu einer höheren Einheit bringen, zurück zur alten Heimat, zurück zur strengen, geraden Linie des Bauernhofes.124 Wenn auch die Architektur des Nationalsozialismus hier umfänglich dargestellt wird, von der Neugestaltung der Städte über ländliche Wohnhäuser bis hin zu den Autobahnen, so verliert Troost kein Wort über die Innenräume dieser Gebäude. 119 120 121 122 123 124

vgl. Nüßlein 2012, S. 169-172 Günther 1992, S. 18 Günther 1992, S. 35 vgl. Nüßlein 2012, S. 129, S. 170, S. 174-176 Troost 1938, S. 14 Troost 1938, S. 4-9


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Auch Nüßlein beklagt, dass kaum Aufzeichnungen der Inneneinrichtungen aus dem Atelier Troost überliefert sind, sodass über die Innenarchitektur im dritten Reich, abgesehen von den Aufträgen, die für Hitler ausgeführt wurden, nur wenige Angaben gemacht werden können.125 Bei Günther sind zwar einige Innenräume näher beschrieben, aber auch sie schließt ihre Werkschau mit der Erkenntnis, dass das dritte Reich auf dem Gebiet der Innenraumgestaltung nichts Neues hervor gebracht habe. Wenn überhaupt dann stellt die nationalsozialistische Innenarchitektur nur einen bunten Eklektizismus vergangener Epochenstile dar.126 Es scheint so, das stellt auch Nüßlein fest, dass vor allem das Atelier Troost im Luxussegment verharrt ist und wichtige Fragen der zwanziger Jahre, wie der soziale Wohnungsbau oder die industrielle Fertigung, keine Bewandtnis mehr haben.127 Möglicherweise kann man diese Erkenntnis auch auf die gesamte Innenarchitektur und auch Architektur der Nationalsozialismus ausweiten. Es geht nie um soziale Fragen, um Ideen dazu, wie die Menschen gut leben können, sondern immer nur darum, politische Macht zu repräsentieren. Gerdy Troost führt weiter, vermutlich ungewollt, was ihr von den Grand Dames der Innendekoration, wie Elsie de Wolfe, vorgelebt wurde. Neben der Gestaltung zahlreicher Inneneinrichtungen ist eben einer ihrer Hauptaufgaben die einer Art Stilikone ihrer Zeit. In meinen Augen ist sie daher auf dem Feld der Innenarchitektur nicht zu vernachlässigen.128

2.4.2. Innenarchitektur an der Burg

Von Anfang an hat die Innenarchitektur ihren Platz an der Burg Giebichenstein in Halle. Zunächst noch als Klasse für Raumausstattung, durchläuft der Fachbereich über die Jahre verschiedenste Umbenennungen und Neustrukturierungen, bis letztlich nach der Wende der Fachbereich Innenarchitektur gegründet wird und bis heute besteht. Es beginnt zunächst mit den Fachklassen für Architektur und Raumausstattung, die Paul Thiersch als Direktor der neu gegründeten Handwerker- und Kunstgewerbeschule in Halle 1915 eröffnet und auch selbst leitet. 129 Bis zur Schließung der 125 126 127 128 129

Nüßlein 2012, S. 131 Günther 1992, S. 91 Nüßlein 2012, S. 191 Die These sollte allerdings erst noch in einer umfangreicheren Untersuchung bestätigt werden. vgl Dolgner 1993, S. 77 und Neuhaus 1992, S. 18-20


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Schule 1933 bestehen die Fachklassen unter häufigem Wechsel der jeweiligen Leitung.130 Nach dem Krieg baut der neue Direktor Hanns Hopp zunächst nur eine vom ihm geleitete Architekturklasse auf. 1948 gibt es dann auch wieder eine Klasse für Möbel- und Innenausbau unter Friedrich Engemann. 131 Kurz darauf, im Jahr 1950, geht Engemann ein interessantes Experiment ein: er schließt die Klassen für Architektur und für Innenausbau zu einem Fachseminar Bau- und Raumgestaltung beziehungsweise zur Abteilung Bau und Raum zusammen. Er versucht hier eine Synthese aus Architektur, Innenarchitektur und Produktgestaltung herzustellen.132 In der Folgezeit verschiebt sich der Schwerpunkt der Abteilung von der Architektur immer weiter zur industriellen Formgestaltung, was sicher auch durch die gesellschaftlichen Entwicklungen bedingt wird. 1964 wird letztmals ein Direktstudiengang Architektur angeboten 133 , 1966 geht die Abteilung Bau und Raum unter der Federführung von Rudolf Horn schließlich in das neu gegründete Institut für Möbel- und Ausbaugestaltung über 134 . Aber auch dieses währt in der Form nicht lang, bereist 1970 wird das Institut in den Fachbereich Möbel-Ausbaugestaltung und die Forschungs- und Entwicklungsgruppe Wohnen, Bildung und Erholung aufgeteilt. Dies sicher auch wieder unter staatlichem Einfluss, denn im Zentrum steht nun der Entwurf für die große Serie. Wie Horn es formuliert, verschiebt sich die Lehre „vom individuellen zum gesellschaftlichen Raum“ 135. Im Zuge der Umstrukturierungen an der Hochschule nach der Wende wird schließlich der Fachbereich Innenarchitektur gegründet 136 und besteht so, auch nach abgeschlossenem Bologna-Prozess und der damit einhergehenden Umstellung der Abschlüsse auf Bachelor und Master of Arts, bis heute. Ob Raumausstattung, Möbel- und Innenausbau oder eben Innenarchitektur, die Lehrinhalte sind sich trotz wechselnder Bezeichnungen immer schon recht ähnlich. Das Schulprogramm von 1916 beschreibt es wie folgt: die Studenten lernen den Entwurf von Innenräumen mit dessen vollständiger Ausstattung, von Möbeln über Boden- und Wandbeläge sowie Textilien bis hin zu Leuchten und Geräten. Zudem beschäftigen sie sich mit dem Entwerfen kleinere Gebäude sowie von Garten- und Friedhofsarchitektur. Dazu wird der zeichnerische Entwurf für Tischler und andere Handwerker vermittelt sowie zahlreiche weitere Zeichentechniken. Später im Studium wird sogar noch die eigenständige Ausführung der entworfe130 Horn 1983, S. 6 131 Dolgner 1993, S. 84. Horn gibt hier nicht „Klasse für Möbel- und Innenausbau“ sondern „Abteilung Architektur und Ausbaugestaltung“ an. Festzustellen ist aber, dass es eine Klasse gibt, in der so etwas wie Innenausbau beziehungsweise Ausbau gelehrt wird. (Horn 1983, S. 6) 132 Dolgner 1993, S. 84 und Horn 1983, S. 7 133 Dolgner 1993, S. 84 134 Horn 1983, S. 7 135 Horn 1983, S. 7 136 Dolgner 1993, S. 84


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nen Möbel in den Lehrplan aufgenommen.137 Zu Zeiten Rudolf Horns, also ab den siebziger Jahren, ist das fachspezifische Grundstudium ab dem zweiten Jahr ähnlich angelegt. Die Lehre deckt Konstruktion, Körper-Raum-Beziehungen und verschiedene Gestaltungs- und Darstellungsübungen ab. Am Anfang des Studium werden Grundlagen gelegt, dies nicht nur in gestalterischen Fächern, sondern auch in Gesellschafts- und Naturwissenschaften. Ab dem dritten Jahr orientiert sich das Studium immer weiter an der Praxis, mit Praktika und Entwicklungsarbeit für die Industrie. Die Diplomprüfung im fünften Studienjahr wird in der Folge als Auftragsarbeit für die Industrie ablegt. 138

2.4.3. Die fünfziger Jahre - Geburtsstunde des Berufsstands

Im Deutschland der Nachkriegszeit liegt der Fokus zunächst ganz klar darauf, bezahlbaren Wohnraum für möglichst viele Menschen zu schaffen.139 Gleichzeitig beginnt man aber auch, die Verantwortung, die Gestaltung übernehmen sollte, neu zu denken. Die Wohnsituation der Menschen soll durch gute Gestaltung verbessert werden, um die Menschen wieder auf einen gute und richtigen Lebensweg zu bringen. Es scheint also geradezu unausweichlich zu sein, dass sich in dieser Zeit der neue Berufsstand der Innenarchitekten ausbildet und festigt. Der Neustart erlaubt auch, neue Strukturen in Ausbildung und Berufsorganisation aufzubauen. So wird in den frühen 1950er Jahren erstmals „Innenarchitektur“ als Begriff in der bundesrepublikanischen Architekturordnung verwendet. Warum die Architekten in diesem Moment diese Kompetenz scheinbar freiwillig abgeben, kann nur spekuliert werden. Schricker vermutet, dass die mit dem Wiederaufbau viel beschäftigten Architekten keine wirtschaftliche Gefahr in einem neuen Berufszweig gesehen haben. Zunächst arbeiten Architekten und Innenarchitekten dann auch auf Augenhöhe am Wiederaufbau. 140 Richtungweisend sind in dieser Zeit zum Beispiel die Musterwohnung in einer Hochhaussiedlung in Hamburg von Gustav Hasenpflug aus dem Jahr 1956. Durch feste Einbauten schafft er hier viel flexible Bewegungsfläche. Auch die Einbauküche nach Margarete Schütte-Lihotzky wird in den fünfziger Jahren wiederentdeckt, nachdem sie im Nationalsozialismus durch die Wohnküche ersetzt worden war. Die Bauausstellung Interbau 1957 in Berlin bringt ebenfalls neue Impulse für die Innenarchitektur. Die Wohnungsgrundrisse werden nun immer mehr ohne den traditionellen Flur und abgeschlossene Raumzellen entwickelt. Noch geht 137 138 139 140

vgl. Dolgner 1993, S. 77 vgl. Horn 1983, S. 9-10 Günther 1994, S. 35 Schricker 2002, S. 10


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man aber häufig von der klassischen Familienstruktur des Ehepaars mit zwei Kindern aus, es gibt wenig flexiblere Ansätze. Hier etabliert sich auch die sogenannte Wohnberatung des Deutschen Werkbundes, die zunächst von der Architektin Vera Meyer-Waldeck initiiert wird. Sie möchte damit erreichen, dass die Besucher die auf der Ausstellung erlebten Wunschbilder auch in die Realität der eigenen Wohnung umsetzen können. In Gesprächen mit den Bewohnern werden dabei die tatsächlichen Bedürfnisse ermittelt, die an das Wohnen gestellt werden. Mit Hilfe maßstabsgerechter Klötze als Möbel werden gemeinsam mit den Nutzern dann Lösungen entwickelt. Die Innenarchitektin Charlotte Eiermann führt die Wohnberatung nach der Ausstellung in Berlin weiter. 141 Laut Schricker entsteht in den sechziger und siebziger Jahren aber doch wieder die altbekannte Planungshierarchie, auch ausgehend von der zunehmenden Verwissenschaftlichung der Architektur. Schricker stellt relativ resigniert fest, dass die Innenarchitektur seitdem um eine gleichwertige Anerkennung kämpft. 142 Was davon zu halten ist, soll an andere Stelle in dieser Arbeit besprochen werden. Schricker behauptet, den Innenarchitekten hätte es so nie gegeben in der DDR. Er argumentiert, vor allem der freie Innenarchitekt ist äußerst selten, einfach weil weder Interesse noch Verständnis für diesen Beruf sowohl auf staatlicher Ebene als auch in der Bevölkerung da gewesen sei. Nach Schrickers Ansicht sei bis 1967 Innenarchitektur auch noch an den Hochschule gelehrt worden, ab den Siebzigern sei sie aber aus den Lehrplänen verschwunden, da sie als kapitalistisch und reaktionär angesehen wurde.143 Unterstützt fühlt sich Schricker vielleicht durch einen Blick in Meyers Konversationslexikon in der DDR, wie an anderer Stelle in dieser Arbeit ausgeführt wird, ist der Begriff „Innenarchitektur“ hier nur sehr knapp beschrieben, es wird auf die Raumkunst verwiesen. Mit Hinblick auf die im vorangegangenen Kapitel besprochene Geschichte der Burg Giebichenstein in Halle muss man die Argumentation Schrickers aber zurückweisen. Auch wenn es in der offiziellen Beschreibung des Fachbereichs nicht explizit genannt wurde, so wurden doch ganz eindeutig Innenarchitekten an der Burg ausgebildet. Gerade dieses Beispiel entkräftet Schrickers Argument, ab den Siebzigern sei die Innenarchitektur als Lehrfach verschwunden, völlig. In dieser Zeit ist es nämlich eher so, dass sich die Lehre an der Burg vollständig auf den Innenausbau konzentriert, die Architekturabteilung wird ja schon 1964 eingestellt. 144 Eine nicht ganz ernst zu nehmende Quelle, die aber dennoch zeigt, dass auch der breiten Bevölkerung der Beruf des Innenarchitekten zumindest ein Begriff gewesen sein muss, ist ein Bastelbogen aus der Kinderzeitschrift „Frösi“ (Fröhlich sein und singen) aus dem Jahr 1973: „Wir spielen Innenarchitekt“. In kindlicher Manier 141 142 143 144

Günther 1994, S. 39-47 Schricker 2002, S. 10 Schricker 2002, S. 10-12 Dolgner 1993, S. 84


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wird hier kurz umrissen, worum es bei der Innenarchitektur geht, nämlich das Einrichten des Hauses nachdem der Rohbau steht, auch Heizung und Elektrik werden hier als Aufgabengebiet des Innenarchitekten genannt. Vor allem dient das Heft aber, ganz im Sinne der sozialistischen Erziehung, dazu, den Kindern zu vermitteln, wie sie mit den wenigen zur Verfügung stehenden Mitteln das Beste aus ihren Kinderzimmern herausholen können. Dazu stehen einige Basteltipps zur Verfügung, für die nur benötigt wird, was vermutlich im Haushalt schon vorhanden ist beziehungsweise auf einfachem Wege beschafft werden kann. 145 Wenn also auch teilweise andere Begriffe verwendet werden, es hat Innenarchitekten in der DDR gegeben, soviel steht fest. Ab den fünfziger Jahren kann man also davon ausgehen, dass der Beruf des Innenarchitekten in ganz Deutschland etabliert ist.

145

vgl. Frösi 1973


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3. Selbstbild vs. Fremdbild Häufig taucht in der Diskussion darüber, was ein Innenarchitekt macht, die Frage auf: was ist er denn, im Gegensatz zum Architekten? Weil, einen Außenarchitekten gibt es ja nicht. Gordon beschreibt es ganz gut, die Überzeugung mancher Architekten scheint es zu sein: „interior and exterior are simply words used to describe opposite sides of the same wall“ 146 Es gibt also eigentlich keinen Grund für einen Innenarchitekten, der Architekt errichtet die Wand und somit auch die Innenarchitektur. Sparke bemängelt, dass die Innenarchitektur nicht im gleichen Maße wissenschaftlich untersucht wird wie die Architektur. Dies liegt in ihren Augen vor allem daran, dass Innenarchitektur enger an den gängigen Geschmack gekoppelt ist und somit schnellere Stilwechsel durchlebt als die Architektur. Andererseits ist die Innenraumgestaltung aber ein der persönlichsten Gestaltungen und damit immer Spiegel der gängigen Kultur, sie kann somit zeigen, wie wir zu einem bestimmten Zeitpunkt gelebt haben. Sparke befindet, dass die Innengestaltung nicht nur Summer ihrer Teile, also ein mit Möbeln, Farbe und Licht gefüllter Rauminhalt ist, sondern eben eine gesellschaftliche Kunstfertigkeit. 147 Schon an diesen zwei Beispielen sieht man, wie unterschiedlich die Wahrnehmung der Innenarchitektur sein kann. Ich möchte mich daher nun eingehender mit dem Selbstbild des Innenarchitekten und dem Bild, das andere, sowohl ihre Arbeitskollegen, die Architekten, als auch die durchschnittliche Bevölkerung, von ihm haben, beschäftigen.

3.1. Der Begriff „Innenarchitektur“

Obwohl üblicherweise Erläuterungen zu den verwendeten Begriffen in den Fußnoten einer Arbeit abgehandelt werden, erscheint es an dieser Stelle angezeigt, dieser Problematik ein eigenes Kapitel zu widmen. Gerade da viele der Quellen entweder ausschließlich auf Englisch zur Verfügung stehen, oder schlimmer noch, ausschließlich als Übersetzungen, kann es hier leicht zu Verwechslungen und Ungenauigkeiten kommen. Innenarchitektur ist selbstredend der Überbegriff, der über allem steht. Als Synonyme werden Innenausstattung, Innenraumgestaltung, und alle ähnlichen Begriffe verwendet. Immer wenn ich mich auf englischsprachige Quellen bezie146 147

Gordon 1974, S. VIII Sparke 2005, S. 9-10


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hungsweise Quellen, die im Original auf Englisch verfasst wurden, beziehe, habe ich mich um eine exaktere Übertragung der Begriffe bemüht. Interior decoration gebe ich deshalb mit Innendekoration wieder, interior design mit Innengestaltung und interior architecture mit Innenarchitektur, wenn dieser Fall auch kaum einmal auftaucht. Bei Wharton und Codman sowie bei Sully begegnet einem der Begriff interior architecture als negativ konnotiert. Gerade Wharton und Codman scheinen betonen zu wollen, dass es sich bei der interior decoration eben nicht um etwas handelt, was der Architektur nahe steht, sondern viel mehr ist. 148 Die Begrifflichkeiten im Deutschen und im Englischen trennen sich in etwa zu Beginn des 20. Jahrhunderts immer weiter von einander. Aus Innendekoration beziehungsweise interior decoration wird einerseits Innenarchitektur und andererseits interior design. Im Deutschen orientiert man sich in Richtung Architektur, im Englischen in Richtung Gestaltung. Sully schreibt ganz deutlich interior design ist ein Fachgebiet des Designs und nicht der Architektur 149. Und im Vorwort zum selben Buch schreibt Kelly, er sei froh, dass Sully als Buchtitel den Begriff interior design gewählt hat und nicht einen neumodischen Begriff wie „interior architecture“ oder „spatial design“.150 Zugegeben, vor allem die Übersetzung von „interior design“ mit Innengestaltung ist etwas holprig, scheint aber in diesem Zusammenhang leider unausweichlich zu sein, um nicht einen Begriff wie Inneneinrichtung verwenden zu müssen, der mehr in Richtung Handwerk verweist, als in Richtung Gestaltung im akademischen Sinn. Außerdem steht im Englischen das interior design sehr eng neben der interior decoration, oft werden die Begriffe synonym verwendet. Im Deutschen befremdet uns diese Nähe zur Dekoration. Wir verbinden damit nicht ernsthafte Innenraumgestaltung in einem architektonisch-raumbildenden Kontext, sondern Dekorationsgegenstände mit Hang zum Nippes und Kitsch, gänzlich Überflüssiges also.151 Letztlich bleibt aber festzuhalten, dass das, was im englischen Sprachraum heute als interior design bezeichnet wird, im Deutschen Innenarchitektur heißt, wobei es sich dabei scheinbar um einen Ausdruck handelt, der so nur in Deutschland verstanden wird.152 Völlig durcheinander bringt meine Definition nun aber wiederum die Bezeichnung der Studiengänge an der Burg Giebichenstein. Absolviert man den Bachelor of Arts noch im Fach Innenarchitektur, muss man sich im Master zwischen dem technisch orientierten Bereich Interior Architecture oder den gestalterisch orien148 149 150 151 152

Wharton 1914, S. 10 Sully 2012, S. 11 Kelly 2012, S. 11 vgl. Calloway 1991 - Titel auf Deutsch „Raumdesign“, auf englisch „Decoration“ siehe Schricker 2002, S. 8


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tierten Bereich Furniture and Interior Design entscheiden. Einerseits unterstützt dies meine These: interior architecture ist technischer, somit näher an der Architektur, wohingegen interior design näher an der Möbelgestaltung ist. Mit den tatsächlich im englischsprachigen Raum verwendeten Begrifflichkeiten haben die Studiengangsbezeichnungen seltsamerweise aber nicht viel zu tun. Liest man nun Studienberater und sonstige aktuelle Fachbücher, die sich mit dem Beruf des Innenarchitekten beschäftigen, scheint der Begriff „Innenarchitektur“ völlig eindeutig und klar zu sein, siehe dazu auch die Definitionen im vorangegangenen Kapitel. Beschäftigt man sich nun aber mit etwas weiter zurück reichender Literatur, tauchen plötzlich Begriffe auf wie Raumkunst, Wohnkultur und Interieur. Oft steht das, was sich den Autoren der zumeist als Bildbände angelegten Veröffentlichungen zufolge hinter den Begriffen verbirgt, der Kunst näher als der Gestaltung beziehungsweise dem Design. Gerade das „Interieur“ ist eher etwas, dass sowohl in der Kunst zu finden ist, als auch aus Kunstgegenständen gebildet wird. In der Recherche stößt man immer wieder auf Verwirrung. So hat beispielsweise Willi Müller ein Buch mit dem Titel „Innenarchitektur“ veröffentlicht. Tatsächlich beschreibt er im Buch aber den Innenausbau. Naheliegende Vermutung wäre also, dass es sich bei den Begriffen um Synonyme handelt. Wie Müller aber selbst schreibt, handelt es sich beim Innenausbau um einen Bauvorgang, der zusammen mit dem Rohbau den fertigen Hochbau bildet. 153 Der Innenausbau kann also als Unterkategorie der Innenarchitektur angesehen werden, oder in anderen Worten als eines der Aufgabengebiete, dem sich der Innenarchitekt widmet. Um die Begriffsgeschichte des Wortes „Innenarchitektur“ genauer zu studieren, habe ich versucht zu ermitteln, wann er das erste Mal in Meyers Konversationslexikon aufgetaucht ist. Meine Annahme hier zu: was im Konversationslexikon steht, ist auch in der Alltagssprache und im Bewusstsein der Menschen ihrer Zeit präsent. Bis zur neunten Auflage von Meyers Lexikon, die ab 1971 erscheint, gibt es keinen eigenen Eintrag für Innenarchitektur beziehungsweise den Innenarchitekt als Berufsbezeichnung. Als Begriff innerhalb anderer lexikalischer Artikel wird die Innenarchitektur aber schon in der vierten Auflage ab 1885 erwähnt. 154 Andere, der Innenarchitektur nahestehende Begriffe, wie Innengestaltung, Innenausstattung oder Raumkunst, finden sich hier nicht, sehr wohl taucht aber der Begriff Innendekoration in mehreren Artikeln über Architekten auf. Am ehesten wird das, was wir heute als Innenarchitektur bezeichnen würden, in einem Artikel über die Zimmerausstattung beschrieben. Hier ist zu lesen, dass die Zimmer153 Müller 1981, S. 6 154 vgl. Meyers 1885, S. 423, Artikel „Fontainebleau“. Frühere Ausgaben stehen leider nicht oder nicht vollständig zur Verfügung.


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ausstattung seit der Kunstgewerbereform der 1870er ein selbstständiges, künstlerisches Gebiet ist, das nach der stilistischen Verwirrung durch die industrielle Revolution nun wieder zu einer harmonischen Einheit findet. Positiv bewertet wird, dass einige Architekten „die Ausstattung von Innenräumen in einheitlichem, dem gesamten Bau entsprechendem Stil übernommen und zu einem Zweig ihrer künstlerischen Thätigkeit (sic) gemacht“ haben. 155 Bis zur oben erwähnten 9. Auflage ändert sich inhaltlich nicht viel. Auch wenn beispielsweise in der 6. Auflage ab 1902 sowohl Innenarchitektur als auch Innendekoration in den Texten zu finden sind, wird sie weiterhin unter dem Überbegriff Zimmerausstattung näher beschrieben. In der 6. Auflage werden zusätzlich noch Vertreter der modernen Innenausstattung genannt, nämlich: Henry van de Velde, Peter Behrens, Bruno Paul und Joseph Olbrich.156 In der neunten Auflage des Lexikon, es heißt inzwischen Meyers Enzyklopädisches Lexikon und erscheint ab 1971 in der Bundesrepublik, wird der Beruf des Innenarchitekten nun als solcher beschrieben, inklusive der Ausbildungswege und den späteren Berufsmöglichkeiten. 157 Im Gegensatz dazu steht die vergleichbare Ausgabe des Meyers Lexikon, dass ab 1961 in der DDR erscheint. Hier wird die Innenarchitektur nur knapp als „architektonische Gestaltung von Innenräumen“ bezeichnet und auf das Stichwort „Raumkunst“ verwiesen.158 Diese wird aber in einiger Ausführlichkeit als „Gestaltung und Ausstattung von öffentlichen und privaten Innenräumen“ 159 und unter synonymer Verwendung der Begriffe Innenarchitektur und Raumkunst beschrieben. Zudem kommen die besonderen Anforderungen an die Wohnraumgestaltung und die einzelnen Elemente der Raumkunst, wie Raum, Farbe und Ausstattungsgegenstände zur Sprache. Als einzigartig kann man an dieser Stelle die Einbindung von Bildtafeln hervorheben. Zum Stichwort Raumkunst enthalt dieses Lexikon sowohl eine Bildtafel mit perspektivischen Linienzeichnungen idealer Innenräume sowie zwei Farbtafeln mit Fotografien öffentlicher und privater Räume. 160 Allerdings kommt dies alles ohne die Erwähnung des Innenarchitekturberufes aus. Interessant ist hier vor allem die Verwendung des Begriffs Raumkunst, der heute fast vollkommen vergessen zu sein scheint, in der BRD ist man ja wie oben ersichtlich spätestens in den Siebzigern beim Begriff Innenarchitektur angelangt. Eigentlich ist es schade um die Raumkunst, ist sie doch eine weitaus offenere Begrifflichkeit als „Innenarchitektur“, sie lehnt sich nicht an den „großen Bruder“ Architektur an, sondern steht näher bei der Kunst, der sie aber sicher keine Konkurrenz macht. 155 vgl. Meyers 1885, S. 905-907 156 Meyers 1902, S. 930 157 vgl. Heuser 1989, S. 5-6. Heuser hatte zufällig die gleiche Idee wie ich und sammelt als Einleitung zu seinem Buch ebenfalls lexikalische Einträge zum Überbegriff Innenarchitektur. 158 Meyers 1961, S. 372 159 Meyers 1961, S. 832 160 Meyers 1961, Tafeln Raumkunst I-III


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Eines der führenden Organe der Innenarchitektur bis heute ist die Zeitschrift AIT, die 1890 unter dem Titel „Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration“, auch „Fachblatt für Innen-Dekoration“, von Alexander Koch, Verleger, Redakteur und Autor in Personalunion, in Darmstadt gegründet wird. 1900 bis 1944 erscheint sie nur noch unter dem Titel „Innendecoration“. 161 Der Weg bis zur heutigen AIT, was für Architektur, Innenarchitektur, technischer Ausbau steht, ist leider nicht nachvollziehbar. In der Zeitschrift ist der Begriff Innenarchitektur vom ersten Heft an präsent, wenn er auch nicht an erster Stelle steht. Denn die hauptsächliche Bezeichnung für das, worüber berichtet wird, ist selbstredend entsprechend dem Zeitschriftentitel Innendekoration. Diese meint die Ausstattung der Wohnung mit Möbel- und Dekorationsstoffen, Teppichen, Kunstmöbeln und Beleuchtung. 162 In späteren Ausgaben werden aber dann bald auch Illustrationen von Innenräumen und Grundrisse sowie Schnitte von Wohngebäuden unter dem Stichwort Innenarchitektur gezeigt.163 Schlussfolgern daraus kann man, dass der Begriff Innenarchitektur hier nicht eingeführt wird, sondern schon länger existiert, also keiner expliziten Erklärung mehr bedarf, das kann man auch aus der Begriffsverwendung in den Lexika schließen. Denn schon bevor die Innenarchitektur einen eigenen Artikel erhält, wird der Begriff ganz selbstverständlich verwendet. Anzunehmen ist, dass er schlicht als Gegensatz zu Architektur gebraucht wird, beziehungsweise einfach das Innere der Architektur bezeichnet. Inwieweit hier die Unterscheidung gemacht wird zwischen raumbildender Innenarchitektur, im Sinne der Schaffung von Raumstrukturen und festen Einbauten, im Gegensatz zur Dekoration des Raumes mit mobilen oder losen Ausstattungsgegenständen ist nicht klar. Die beiden Begriffe Innenarchitektur und Innendekoration werden vielmehr synonym verwendet. Noch weit entfernt ist man zu diesem Zeitpunkt von der Wahrnehmung des Innenarchitekten als Berufsgruppe, was ein Artikel in der zweiten Ausgabe des Fachblatts für Innen-Dekoration beweist. Vermutlich Koch selbst schreibt hier von dem Dilemma, dass durch die Vielzahl an unterschiedlichen Gewerbetreibenden, die üblicherweise teilhaben an einer Innendekoration, diese nie zu einem harmonischen Ganzen werden kann, da jeder seinen jeweiligen Einrichtungsgegenstände mit soviel Dekoration wie möglich versieht. Koch wünscht sich daher einen Dekorateur als Bindeglied zwischen den einzelnen Gewerben, der der Innendekoration zu einem einheitlichen Bild verhilft. Noch sieht Koch für den Dekorateur aber keine Chance, da sich die Gewerbetreibenden dagegen wehren würden, sich einen Teil ihres Geschäftes aus der Hand nehmen zu lassen. Allerdings scheint es sich 161 vgl. Informationen zur Zeitschrift „Illustrierte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration“: http://kg-zs-innendekoration.uni-hd.de, letzter Zugriff: 30.03.2014 162 Innendecoration 1890, S. 2 163 Innendecoration 1892, S. 33, 197


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Koch zu seiner Aufgabe gemacht zu haben, mit seinem Fachblatt die Berufsgruppe der Dekorateure zu stärken und weiterzuentwickeln. 164 Aus der Zeit vor 1890 lassen sich nur wenige Beispiele für die Verwendung des Begriffes Innenarchitektur finden. Frühestes könnte die Publikation „Geschichte der Architektur“ von Wilhelm Lübke aus dem Jahr 1858 sein, wobei es sich bei dem hier zitierten Werk um die zweite Auflage handelt, der Originaltext mag also noch einige Jahre älter sein. Lübke beschreibt die altchristliche Basilika als erster Bauwerk, das über ein „großartig angelegtes, architektonisch gegliedertes Inneres“, im nächsten Satz als Innenarchitektur bezeichnet, verfügt.165 Auch eine Begründung dafür liefert Lübke: da der Kern des Christentums die geistige Verehrung im Gegensatz zum heidnischen, äußerlichen Opfer sei, erfordert die christliche Verehrung auch eine Architektur des Inneren.166 Liefert uns Lübke hier eventuell auch den Hinweis darauf, dass schon in den ersten Jahrhunderten nach Christi eine, wenn auch nur angedeutete, Wahrnehmung für Innenarchitektur vorhanden war? Man kann also annehmen, dass ab spätestens 1890, vermutlich schon ab Mitte des 19. Jahrhunderts, der Begriff Innenarchitektur in einem ähnlichen Sinn wie heute verwendet wird. In der Alltagssprache und im Bewusstsein der Menschen taucht vor allem der Berufs des Innenarchitekten aber tatsächlich erst in den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts auf, dies deckt sich mit der Entwicklung des Berufsstandes.

3.2. Tätigkeitsbereiche, Aufgaben & Leistungsbilder

Den besten Überblick über die Tätigkeitsbereiche innerhalb der Innenarchitektur bietet Schricker, wenn er dabei auch sehr dem verhaftet bleibt, was meine Gesprächspartner häufig als klassische Innenarchitektur bezeichnet haben.167

164 Innendecoration 1890, S. 11-12 165 Lübke 1858, S. 177 166 Lübke 1858, S. 173 167 Meine Gesprächspartner geben als Tätigkeitsfelder die folgenden an: as: Farbberatung, Interiorberatung, Grafik; ja/sh: Messebau, Ausstellungsgestaltung, u.a.; dt/bb: Altbausanierung; sml: Privatbereich, Wohnhäuser; cr: Ausstellungsgestaltung, Museumsgestaltung, Mediendesign; js: klassische Innenarchitektur - Innenausbau, Büro, Läden, Studentenwohnheime, alles; mc: von ganz klein bis ganz groß - Produktdesign, Möbeldesign, Privatbau, Wohnungsbau, Bürobauten, Hotelbauten; db/ks: klassische Innenarchitektur - öffentlicher Bereich, Unternehmen, privater Bereich, Wohnräume, Wohnhäuser, Ausstellungsgestaltung, Setdesign; dk: Messebau, Ladenbau, Privatbereich; Innenarchitektur in Verbindung mit Corporate Design


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Folgende Tätigkeitsbereiche benennt er:168 .. Privater Wohnbereich: Hier finden Innenarchitekten sicher die meisten Beschäftigung, fast alle meine Gesprächspartner arbeiten, der eine mehr als der andere, in diesem Bereich. Hauptaugenmerk liegt hier, laut Schricker, dabei einerseits dem persönlichen Stil des Auftraggebers Ausdruck zu verleihen und ihn bei seiner Selbstverwirklichung zu unterstützen, andererseits muss selbstverständlich den grundlegenden Bedürfnissen des Bewohners Rechnung getragen werden. .. Hotel- und Gastronomiegestaltung Ganz ähnlich verhält es sich mit der Hotelgestaltung, hier soll dem Gast das Gefühl eines Heims in der Fremde vermittelt werden. Nah verwandt ist hier auch die Gestaltung von Gastronomie und von Wellnessanlagen. Keiner meiner Gesprächspartner ist aber explizit in diesem Bereich tätig. .. Arbeitsplatzgestaltung In diesem ebenfalls sehr typischen Teilbereich der Innenarchitektur kommen vor allem Anforderungen wie ergonomische Planung sowie die Optimierung der Arbeitsleistung zum Tragen. .. Ladenbau und Gestaltung von Verkaufsflächen Dieser Bereich ist vermutlich vor allem für die Öffentlichkeit leicht als Innenarchitektur zu identifizieren. Innenarchitekten gestalten hier Ladenkonzepte und Markenpräsentationen unter Berücksichtigung von Verkaufspsychologie und Nutzerverhalten. Hier kann man auch die Gestaltung von Messeständen einordnen, die von einigen meiner Gesprächspartner betrieben wird. .. Ausstellungsgestaltung und Gestaltung von Räumen für Kunst und Kultur Bei der Gestaltung von Ausstellungen trifft die Innenarchitektur auf die Szenografie und das Kommunikationsdesign. Findet die Ausstellung in einem musealen Kontext statt, kommt noch die Didaktik hinzu. Gerade bei empfindlichen Ausstellungsstücken spielen hier auch Fragen der Beleuchtung und der Klimatechnik, sowie der technischen Materialwahl eine Rolle. .. Weitere Bereiche Sport & Freizeit, Mobilität, Heilen, Bildung

168

vgl. Schricker 2012, S. 30-35


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.. Setdesign/Szenografie Die Gestaltung von Fernsehstudios beziehungsweise jeglicher Art von Kulisse findet bei Schricker an dieser Stelle keine Erwähnung. Zumindest ein Büro, mit dem ich ein Gespräch geführt habe, gibt diesen Bereich aber explizit als Teil ihrer Tätigkeit an. Andere streifen ihn teilweise. An anderer Stelle beschreibt Schricker unter anderem die szenografische Ausstellungsgestaltung, neben dem Möbel- und Lichtdesign, der Mediengestaltung, dem Eventdesign und anderen, als neue Bereiche, die sich in Zukunft für die Innenarchitektur auftun werden.169 Schricker beschreibt die Kernaufgabe des Innenarchitekten als „gestalterische, technische, wirtschaftliche, ökologische sowie sozial verträgliche Planung von Innenräumen“. Dabei wage ich in Frage zu stellen, ob diese Anforderungen wirklich bei jedem Projekt erfüllt werden können, speziell die Frage nach einer ökologischen und sozial verträglichen Gestaltung stellt sich häufig gar nicht erst. Laut Schricker obliegt dem Innenarchitekten der Entwurf, die Planung sowie die Beratung und die Vertretung des Auftraggebers in der Kommunikation von Handwerkern, Produzenten und Lieferanten. 170 Sully beschreibt die Kernaufgabe des Innenarchitekten noch etwas ausführlicher und in chronologischer Reihenfolge. So muss der Innenarchitekt zu Beginn die Kundenwünsche interpretieren und die nötigen Informationen für das Projekt recherchieren, woraufhin er die Orte, an dem das zukünftige Projekt entstehen soll, untersucht. Anschließend folgt die Phase es Entwurfs und der Planung. Nachdem der Innenarchitekt Produkte, Möbel und Materialien spezifiziert hat, überwacht der die Ausführung seiner Planung vor Ort. 171 Laut Gibbs sollte der Innenarchitekt mit seinem Entwurf zum Ziel haben, die Lebensqualität des Nutzers zu verbessern, seine Produktivität zu erhöhen und ihm Schutz, Sicherheit und Wohlergehen gewährleisten. 172 Der Innenarchitekt kümmert sich sowohl um Raumstrukturen als auch um die Raumfunktionen. Er versieht den Raum mit der notwendigen technischen Ausrüstung sowie den passenden Farben und Materialien. Häufig passt er bereits bestehenden Gebäude oder Räume an sich ändernde Nutzungsanforderungen an. Gerade im Bestandsbau koordiniert er den Aus- und Umbau beziehungsweise die Sanierung des Gebäudes. Dabei hat er möglichst die speziellen Ansprüche der künftigen Nutzer im Auge. Hier liegt auch die Existenzgrundlage für den Innenarchitekten. Während der Designer auf seine künstlerisch-gestalterische Kompetenz zurückgreift und die Architektur eine technisch-konstruktive Basis hat, liegt dem Innenarchitekten 169 170 171 172

Schricker 2012, S. 12 Schricker 2012, S. 12 Sully 2012, S. 19 Gibbs 2009, S. 8


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die Bereitschaft zugrunde, Verantwortung für den Menschen zu übernehmen. So jedenfalls formuliert es Schricker.173

3.3. Lage der Branche

Der Beruf des Innenarchitekten hat sich seit seinem Entstehen extrem gewandelt. Wurde er zur vorletzten Jahrhundertwende noch vornehmlich von Amateuren ausgeführt, die zwar talentiert in der Gestaltung waren, so sind Innenarchitekten heute gut ausgebildete Spezialisten, die neben ihrem Sinn für Gestaltung auch ein hohes technisches Fachwissen sowie Kenntnisse im Projektmanagement aufweisen müssen.174 Dies liegt auch daran, dass man sich seit Mitte des 20. Jahrhunderts bemüht hat, den Beruf immer weiter zu professionalisieren, um einen ähnlichen Status wie die Architekten zu erreichen. Organisationen wie der Bund deutscher Innenarchitekten arbeiten stetig daran die Standards für die Berufspraxis weiter zu vereinheitlichen, um ein durchgängiges Qualitätsniveau zu gewährleisten. Abgesehen vom gesetzlichen Schutz der Berufsbezeichnung Innenarchitekt sind aber weiterhin auch sogenannte Amateure auf dem Gebiet tätig, eben einfach ohne die offizielle Berufsbezeichnung zu verwenden. 175 Der Innenarchitekt sieht sich heute zudem mehr und mehr neuen Tätigkeitsbereichen ausgesetzt, an die er sich und die eigene Fähigkeiten anpassen muss. Einerseits ist ein Großteil des Arbeitsalltags computerisiert, es wird immer weniger per Hand gezeichnet, dafür muss der Innenarchitekt die digitalen Medien und Werkzeuge beherrschen lernen. Dies führt auch dazu, dass viele innenarchitektonische Entwürfe nur mehr digital existieren und nicht umgesetzt werden. Nicht immer ist allein anhand eines Bildes zu unterscheiden, ob es sich bei dem Gezeigten um eine ausgeführte Arbeit handelt oder nur um deren digitale Repräsentation. Aus diesem Grund ist es auch mehr und mehr zu beobachten, dass sich sowohl Gestalter als auch Nutzer nach Ursprünglichkeit und Echtheit sehnen. Man entfernt sich wieder von der Technologiegläubigkeit der neunziger und nuller Jahre.176 Auch im öffentlichen Bewusstsein ist die Innenarchitektur, nicht zuletzt durch die Verbreitung in den Massenmedien, auf die zu einem späteren Zeitpunkt nochmals eingegangen werden soll, angekommen. In einigen Teilen der Bevölkerung ist die Innenarchitektur zu einem Statussymbol geworden, etwas, das man sich gönnt, 173 174 175 176

Schricker 2002, S. 11-12 Gibbs 2009, S. 26 Yelavich 2008, S. 217 vgl. Schricker 2012, S. 28


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um sich selbst darzustellen. Andererseits kann das Interesse für Innenarchitektur aber auch als Versuch gesehen werden, die eigenen Lebensumstände selbstständig zu verbessern.177

3.3.1. Statistischer Überblick

Ein kurzer statistischer Überblick soll nun die Lage der Branche weiter illustrieren. Gesamt Weiblich Männlich alle Mitglieder des BDIA

1,331

841 63 %

490 37 %

eingetragene Innenarchitekten

682

338 49,5 %

344 50,5 %

alle in den Architektenkammern eingetragenen Innenarchitekten

5,531

3,052 55 %

2,469 45 %

Studienanfänger 2011

1,794

1,550 86 %

244 14 %

1,514

1,102 73 %

412 27 %

Absolventen 2011

789

697 88 %

92 12 %

617

393 67 %

224 36 %

122,667

37,529 31 %

85,138 69 %

zum Vergleich: Studienanfänger 1995

zum Vergleich: Absolventen 1995

zum Vergleich: alle Mitglieder der Architektenkammern

Anteil Innenarchitekten in Architektenkammern 2013: 4,5 % (Quellenangaben: siehe Anhang Statistiken)

Keine der Zahlen kann natürlich einen absoluten Wert aller in der Innenarchitektur Tätigen geben. Wie ich auch in meinen Interviews festgestellt habe, sind längst nicht alle, die Innenarchitektur studiert haben, auch in der Kammer eingetragen und längst nicht alle, die in der Branche arbeiten, haben auch Innenarchitektur studiert. Von meinen insgesamt 12 Gesprächspartnern haben sieben Innenarchitektur studiert, fünf Architektur, eine etwas anderes. Fünf Gesprächspartner sind in der Kammer eingetragen, sieben nicht. Allerdings sind von den in der Kammer eingetragenen nur zwei Innenarchitekten, die anderen drei haben Architektur studiert. Das heißt also: auf zwei in der Kammer eingetragene Innenarchitekten kommen 177

vgl. Yelavich 2008, S. 216


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zehn in der Innenarchitektur Tätige, die sich nicht offiziell so bezeichnen können oder wollen. Repräsentativität sei hier außen vorgelassen, die Verhältnismäßigkeit spricht aber für sich. Zum Verhältnis Architekten zu Innenarchitekten in der Kammer sei noch erwähnt: für die Berufspraxis der Architekten ist es teils elementar wichtig, in der Kammer eingetragen zu sein, Stichwort Bauvorlageberechtigung. Es kann also davon ausgegangen werden, dass die meisten der in der Architektur Tätigen auch in die Kammer eingetragen sind. Da dies bei den in der Innenarchitektur Tätigen nicht der Fall ist, sieht das Verhältnis in der Realität vermutlich anders aus. Mitgliedschaft im BDIA und Kammerzugehörigkeit stehen nicht im Zusammenhang. Vergleicht man aber die Anzahl der eingetragenen Innenarchitekten, die Mitglieder im BDIA sind und die Zahlen der Bundeskammerstatistik, sieht man, dass die Zahlen des BDIA nur etwa 10 % der tatsächlichen Anzahl abbilden. Da aber das Geschlechterverhältnis ähnlich ist, können die Zahlen zumindest einen Eindruck vermitteln. Vor allem die Relation von Innenarchitekten zur Gesamtschaft aller Mitglieder der Architektenkammern zeigt, wie klein die Berufsgruppe, zumindest wenn sie im offiziell anerkannten Rahmen ausgeführt wird, letztlich ist. Ein ganz anderer Fakt springt einem beim Betrachten aber auch ins Auge. Signifikant mehr Frauen sind in der Innenarchitektur tätig als Männer. Dies kann auch unabhängig davon festgehalten werden, ob nun die Angaben vollständig sind oder nicht. Interessant an den aufgeführten Zahlen ist vor allem, dass es eine zeitliche Entwicklung zu geben scheint. Ist das Geschlechterverhältnis bei den in den Architektenkammern Eingetragenen noch fast ausgeglichen, obschon mit einer leichten Tendenz in Richtung der Frauen, könnte es bei den Studienanfängern und -abgängern 2011 kaum deutlicher in Richtung Innenarchitektur als Frauenberuf verschoben sein. Die Zahl der heute in der Kammer Registrierten entspricht eher den Studienanfängern und Absolventen von 1995, wobei man ja davon ausgehen kann, dass zumindest ein Bruchteil der Absolventen von 1995 heute Kammermitglieder sind. Es ist also anzunehmen, dass sich durch den enorm wachsenden Anteil an Frauen unter den Studierenden der Innenarchitektur auch das Geschlechterverhältnis der in den Kammern Eingetragenen in Zukunft verschieben wird. Alles in allem ist es nicht von der Hand zu weisen: die Innenarchitektur ist ein sogenannter Frauenberuf. Was das heißt und wie es dazu gekommen ist, soll in einem folgenden Kapitel behandelt werden.


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3.4. Das Fremdbild

Der Beruf des Innenarchitekten sieht sich einigen Vorurteilen gegenüber, die teils schwer zu durchbrechen sind. Sie bewegen sich auf unterschiedlichen Ebenen. Aus gestalterischer Sicht wird die Innenarchitekt teils als lediglich temporär relevante Zusammenstellung von Designobjekten betrachtet, die keinen andauernden Wert hat. Gesellschaftlich wird die Innenarchitektur häufig als lediglich für ein gehobenes, zahlungskräftiges Klientel erschwinglicher Luxus betrachtet.178 Ganz zu entkräften ist dieses Vorurteil nicht, auch eine meiner Interviewpartnerinnen sagt, dass man sich Innenarchitektur eben auch leisten können muss. Es gäbe einen deutlichen preislichen Unterschied, ob sie gemeinsam mit einem Schreiner einen Tisch entwerfe und produziere oder ob ein Tisch „von der Stange“ gewählt wird. Innenarchitektur sei eben doch oftmals Handwerk.179 Dazu trägt auch noch bei, dass einige Menschen eine vom Innenarchitekten eingerichtete Wohnung als Statusobjekt betrachten. Hier wird keine persönlich, auf den Bewohner zugeschnittene Lösung angestrebt, stattdessen dient die Einrichtung reinen Repräsentationszwecken. 180 Schließlich gibt es das bereits angesprochene Vorurteil, dass es sich bei der Innenarchitektur um einen Frauenberuf handelt, und wenn ein Mann in diesem Beruf arbeitet, ist er höchstwahrscheinlich homosexuell. Mit diesen Vorurteilen wird der Innenarchitektur ihr kultureller und gesellschaftlicher Wert abgesprochen. 181 Dabei ist zu beachten, dass die Anerkennung der Innenarchitektur beziehungsweise ihrer verwandten Bereiche je nach Kulturkreis recht unterschiedlich ausfällt, gerade das Vorurteil, Innenarchitektur sei ein weiblicher Metier scheint vor allem auf Deutschland beschränkt zu sein. In den USA ist das interior design hingegen äußerst angesehen.182 Dasselbe gilt vermutlich auch für Frankreich. Vor allem in Zeitschriften, die eine recht hochpreisige Innenarchitektur zeigen, werden häufig französische oder amerikanische Innenarchitekten vorgestellt, hier stellt sich die Frage nach dem typisch weiblichen Beruf nicht.183 Innenarchitekten, wie es eine meiner Gesprächspartnerinnen berichtet, sehen sich oft dem Problem gegenüber, dass es gerade Architekten nicht als notwendig erachten, sie an einem Projekt zu beteiligen. Besonders bei umfangreichen Projekten zeige sich aber, dass die Innenarchitekten eben nicht nur für die Möblierung, sondern auch für Wegeführung, die Planung von Abläufen und andere Aufgaben benötigt werden. Meine Gesprächspartnerin formuliert es so: „Je früher man [als Innenarchitekt] im Boot ist, desto besser ist es auch für die Architekten.“ 184 178 179 180 181 182 183 184

vgl. Yelavich 2008, S. 214 Interview js, ab Z. 206 vgl. Interview as, ab Z. 365 vgl. Yelavich 2008, S. 214 Gibbs 2009, S. 26 vgl. auch Interview db, ab Z. 668 Interview js, ab Z. 99


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In der Praxis stehen sich zwei Positionen gegenüber. Auf der einen Seite gibt es die Innenarchitekten, die eigentlich kein Problem damit haben, sich gegen Architekten behaupten zu müssen. Ganz im Gegenteil, die Zusammenarbeit mit Architekten kann auch sehr harmonisch ablaufen.185 Auf der anderen Seite stehen Architekten, die den Innenarchitekten eine Art Minderwertigkeitskomplex unterstellen, begründet durch deren Ausbildung, die in wichtigen Punkten zu kurz greife.186

3.4.1. Das Bild des Architekten „Architektur ist die gestaltete gebaute Umwelt des Lebens der Menschen nach deren Maß, physisch und psychisch, ...“ 187 Sie erfüllt mehrere Zwecke für den Menschen: er wird durch sie lokalisiert, organisiert und umhüllt. Architektur präsentiert und repräsentiert den Menschen. Dabei stellt sich mir die Frage, ob der Mensch nicht viel mehr mit der Innenansicht der Architektur zu tun hat, als mit der Außenseite, also mit der eigentlichen Definition von Architektur. Einer meiner Interviewpartner zitiert einen seinen Bauherren: „... ich schaue heraus, wie das von außen ausschaut, ist mir wurscht. Ich schaue heraus, und will sehen, wie es von innen aussieht.“ 188 Man kann berechtigte Zweifel daran haben, ob jeder Architekt dazu in der Lage ist, nicht nur die Außenansicht respektive die Fassade der Gebäudes zu entwerfen oder ob er auch die Kompetenz dazu hat, sich in den Nutzer, nicht nur in den Betrachter des Gebäudes, hineinzudenken und auch für ihn die optimale Lösung zu finden. Vor allem bei Gebäuden, die berühmt geworden sind für ihre Architektur, wird häufig vernachlässigt, dass sie auch großartige Innenräume haben. Abercrombie sagt dazu: „Wir lernen ein Gebäude erst richtig kennen, wenn wir es betreten.“ 189 Wir müssen also erst selbst zum Inhalt des Gebäudes werden, um es wirklich begreifen zu können, davor stehen bleiben reicht nicht. Ein Artikel von Mielke in der Zeitschrift für Innendecoration aus dem Jahr 1892 enthält interessante Ansichten über das Verhältnis von Architekt zur Dekoration, die tatsächlich noch heute Gültigkeit haben. Er erklärt durchaus nachvollziehbar, dass jegliche Innenraumgestaltung der Architektur unterzuordnen ist und dass damit der Architekt auch immer der Leiter der jeweiligen Bautätigkeit sein muss. Um ein harmonisches Gesamtbild zu erhalten, sollte seiner Meinung nach die Dekoration der Innenräume den Linien der Architektur folgen. Gleichzeitig sollte der Architekt aber auch nicht planen, ohne im Hinterkopf zu behalten, dass der Raum später auch noch eingerichtet werden muss. Grund für seine Überlegungen ist der 185 186 187 188 189

vgl. Interview ks, ab Z. 763 vgl. Interview sml, ab Z. 143 Flierl 2006, S. 24 Interview sml, ab Z. 47 Abercrombie 1992, S. 11


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laut Mielke gestiegene Einfluss des Dekorationsgeschäfts auf die Architektur. Inneneinrichtungen würden so häufig nur eine Zusammenstellung verschiedener Einrichtungsgegenstände sein, aber kein vollkommenes Ganzes mehr bilden. Um das Dilemma zu lösen, schlägt Mielke vor, einen neuen Berufsstand zu gründen, der dem Architekten in einem ähnlichen Verhältnis zur Seite steht wie der Ingenieur: er wünscht sich einen eigenen Innen-Architekten.190 Er wünscht sich also einen Spezialisten, der zwar einerseits ähnliche Qualifikationen wie der Architekt hat, aber gleichzeitig tiefer gehende Kenntnisse was die Inneneinrichtung und deren Anforderungen betrifft, besitzt. Letztlich ist die Frage, ob sich Architektur und Innenarchitektur nicht einfach gegenseitig bedingen. Klar ist, zu einem gewissen Grad ist die Innengestaltung dem Bau der äußeren Hülle untergeordnet, weil sie sonst nicht existieren würde. Eine Architektur ohne gestalteten Innenraum ist aber bestenfalls ein Folly, Staffage ohne Inhalt und ohne Zweck. Ob das dann noch der Definition von Architektur entspricht, ist fraglich. In diesem Zusammenhang ist eine andere Frage aber noch viel interessanter: kommen Architekt und Innenarchitekt ohne einander aus? Der Innenarchitekt benötigt in den meisten Fällen ja zunächst eine vorgegebene architektonische Hülle. Und die wird in den meisten Fällen nun mal von einem Architekten errichtet, ob dies nun erst kürzlich oder schon vor längerer Zeit geschehen ist, ist zweitrangig. Der Architekt hingegen kann auch ohne den Innenarchitekten seine bauliche Aufgabe erfüllen. Häufig tut er dies nicht nur, sondern entwirft die Innenarchitektur eben gleich mit.

3.4.2. Warum Architekten auch Innenarchitektur gestalten

Dies war eine der zentralen Fragen, weshalb ich mich bei meinen Gesprächen nicht nur an Innenarchitekten gewandt habe, sondern bewusst auch an Architekten, die in ihren Portfolios zahlreiche Projekte mit dem Schwerpunkt Innenarchitektur haben. Die Antworten waren teils überraschend, teils aber auch vorherzusehen. So sagt eine Architektin: Innenarchitektur stand bei der Studienwahl nicht zur Debatte, hat sich aber im Laufe der Berufspraxis zu heimlichen Leidenschaft entwickelt.191 Ein anderer wollte eigentlich nie Architekt werden, für die Zulassung für das Innenarchitekturstudium war dann aber eine Eignungsprüfung notwendig, „was schon zu viel des Guten war.“ 192 Interessanterweise sagt ein anderer Ge190 191 192

vgl. Mielke 1892, S. 200-201 Interview dt, ab Z. 63 Interview sml, ab Z. 21


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sprächspartner im Vorgespräch genau das gleiche193 . Ob es ein Zufall ist oder eine Folge des ähnlichen Werdegangs ist fraglich, dennoch machen diese beiden Architekten in ihrer Arbeit keine Unterscheidung zwischen Innenarchitektur und Architektur. Viel mehr ist ihnen die Aufteilung in die beiden Bereiche eher suspekt, denn: im Idealfall gehört die Behandlung des Raumes zur Architektur dazu.194 Am liebsten würde einer der beiden Architekten alle seine Projekte vom „Städtebau bis zum Klopapierhalter“ gestalten, was aber meist von Seiten der Kunden abgelehnt wird. 195 Er sieht die Abtrennung der Innenarchitektur von der Architektur als berufsständische Idee, die nicht viel mit seiner eigenen Berufspraxis zu tun hat. 196 Sein Kollege sieht sogar nicht nur Architektur und Innenarchitektur als Einheit, er gestaltet in seiner beruflichen Praxis nicht nur das Wohngebäude und dessen Innenraum sondern auch den umgebenden Garten. 197 Allein schon vor dem Hintergrund der weit zurück reichenden Tradition ihres Berufes sehen Architekten die Innenarchitektur meist nur als Unterkategorie ihrer eigenen Arbeit an. Innenarchitektur ist häufig etwas, dass eben nebenbei noch mitläuft, weil die Architektur ja auch noch etwas Inhalt braucht. Die Unterscheidung zwischen Innenarchitektur und Architekt wird heute an der jeweiligen beruflichen Ausbildung festgemacht. Gerade nach den Gesprächen komme ich aber eher zu dem Schluss, dass es eine Frage der Einstellung beziehungsweise des persönlichen Interesses ist. Wem der Innenraum wichtiger ist, als die äußere Fassade, der ist ein Innenarchitekt.

3.5. Die Medien

Die Medien, ob die klassischen oder die neuen, digitalen, sind immer auch ein Spiegel der Gesellschaft. Untersucht man hier den Stellenwert der Innenarchitektur, kann man so auch auf den Stellenwert in der Gesellschaft schließen. Dies ist zumindest meine Annahme. Es lässt sich ein Unterschied zwischen der Repräsentation von Architektur und Innenarchitektur in den Medien feststellen. Architektur ist ein Feuilletonthema, es wird täglich in allen großen Zeitungen besprochen. Somit ist Architektur öffentlich und der öffentlichen Beurteilung ausgesetzt. Wenn es dabei auch eher selten um eine profunde gestalterische Beurteilung geht.198 Innenarchitektur hingegen 193 194 195 196 197 198

Interview mc, ohne Aufnahme Interview mc, ab Z. 29 Interview mc, ab Z. 129 Interview mc, ab Z. 640 Interview sml, ab Z. 24 Interview mc, ab Z. 595


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war eigentlich immer schon ein eher privates Thema, etwas, dass im eigenen Heim stattfindet, nicht in der Presse. Seit im Fernsehen aber auch das Privatleben der Menschen zum Thema gemacht wird und diese Menschen in ihren eigenen Wohnungen gefilmt werden, gelangt auch die Innenarchitektur zwangsläufig in dieses Medium. Dies mag ein Grund dafür sein, dass Architektur ein Thema für den Bildungsbürger und dessen intellektuelle Medien ist, die Inneneinrichtung aber ist ein Thema für den Durchschnittsbürger und die Massenmedien. 199 Gleichzeitig ist aber auch interessant, wie Innenarchitekten heute selbst mit den Medien umgehen. Für mich ist dies ein Indiz dafür, wie zukunftsfähig die Branche ist. Wer sich den digitalen Möglichkeiten verschließt, verschließt sich auch einer Weiterentwicklung des Berufsstandes. Verständlicherweise ist dies ein Themenfeld, dass sich recht schwer mit Quellen belegen lässt. Ich habe mich daher größtenteils auf die Aussagen meiner Interviewpartner beschränkt, die aber ob ihrer Spannweite einen guten Überblick zu geben scheinen.

3.5.1. Das Bild des Innenarchitekten in den Massenmedien „Vorher sieht es aus wie bei jemandem zuhause, hinterher wie bei Ikea.“ 200 Richter kritisiert hier die zahlreichen Fernsehformate, in denen eine angebliche (meist weibliche) Innenarchitektin angeblich leidgeplagten Bewohner von angeblich nicht mehr zumutbaren Wohnungen hilft ihrer Misere zu entfliehen. Die Menschen werden in einen Kurzurlaub geschickt und nach wenigen Tagen oder Wochen, so genau weiß man das nie, kehren sie zurück in ihr aufgehübschtes Heim. Richter nennt diese Sendungen Horrorfilme, nur das hier nicht Freddy Krueger Angst und Schrecken verbreitet, sondern Frauen wie Tine Wittler, Richter nennt sie die Decotainment-Matrone. 201 Wahrer Beweggrund dafür, solche Sendungen zu produzieren ist selbstverständlich nicht, den armen Menschen wirklich zu helfen. Es wird natürlich, wie in allen Reality-Formaten, der Voyeurismus der Zuschauer bedient, dass es in den gezeigten Wohnungen nicht viel anders aussieht, als beim Zuschauer zuhause, blendet er aus. So schließt Richter resigniert: das Fernsehen ist von der mirakulösen Glaskugel, in der man Brigit Bardot beobachten konnte, wie sie vom Dach der Casa Malaparte hinabschreitet, zum platten Spiegel verkommen, in dem man sieht, wie Tine Witt199 200 201

vgl. auch Schricker 2002, S. 8-9 Richter 2006, S. 10 vgl. Richter 2006, S. 9-10


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ler in die eigene Sozialwohnung einmarschiert. 202 Auch nahezu alle meine Gesprächspartner haben bei dem Stichwort Innenarchitektur in den Medien als erste Idee die sogenannten Einrichtungssendungen im privaten Fernsehen im Kopf. Dabei ist man sich einig, dass mit dieser Art von Sendung die Innenarchitektur in den Augen der breiten Bevölkerung abgewertet wird. Es wird sogar berichtet, dass auch Bauherren in ihrer Erwartungshaltung an ihren Innenarchitekten von solchen Sendungen geprägt sind. 203 So kann auch die Wahrnehmung entstehen, dass es sich bei der Innenarchitektur um etwas handelt, dass der Zuschauer auch selbst machen kann, es wird ja nur das Sofa verrückt und ein Graffiti an der Wand angebracht. 204 Tragisch ist dies vor allem deshalb, weil die Sendungen gar keinen vermittelnden Ansatz haben, es geht überhaupt nicht darum, zu zeigen, wie der Innenarchitekt arbeitet, sondern schlichtweg darum, zu beobachten, wie Menschen leben, am besten noch unter widrigsten Umständen. 205 Wünschenswert wäre dabei doch eine hochwertige Sendung über Innenarchitektur und Architektur, einige Ausnahmen gibt es sogar, wie zum Beispiel im Bayerischen Rundfunk „Traumhäuser“. Ein Gesprächspartner merkt dazu aber an: es ist natürlich nicht leicht, Bauherren aus dem hochwertigen Segment zu finden, die auch bereit sind, an so einer Sendung teilzunehmen und sich mit ihrem Heim in der Öffentlichkeit zu präsentieren. 206 In einem Interview wird mir berichtet, dass gerade im Kontext Ausstellungsgestaltung nur mit wenigen erfreulichen Ausnahmen überhaupt von der Leistung des Innenarchitekten berichtet wird. Wird ein neues Museum gebaut und in der Presse gesprochen, geht es meist nur um den Architekten des Gebäudes und um die Inhalte der Ausstellung. Der Ausstellungsgestalter bleibt häufig einfach unerwähnt. 207 Ein anderer Gesprächspartner hat da eine ganz andere Wahrnehmung. Seiner Meinung nach geht es bei der Präsentation von Innenarchitektur in den Medien eher auch um Inhalte, als dies der Fall ist, wenn Architektur behandelt wird. Gerade in dem Kontext People-Journalismus oder im Luxussegment werde auch über die Art und Weise einer neuen Inneneinrichtung berichtet. Architektur wird in seinen Augen eher auf „Gutmenschen-Themen“ reduziert, es geht dann nicht um Gestaltung, sondern um sekundäre Bereiche wie Nachhaltigkeit oder Barrierefreiheit. Als Beispiel nennt er Bauvorhaben, die den Medienberichten zufolge „nur nicht fertig“ sind, wie sie aussehen oder welche Qualität sie hätten, wenn sie fertig sind, scheint nicht interessant. 208 202 203 204 205 206 207 208

Richter 2006, S. 165 Interview ks, ab Z. 357 Interview mc, ab Z. 547 Interview ja, ab Z. 710 Interview sml, ab Z. 429 Interview cr, ab Z. 285 Interview mc, ab Z. 595


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Was die Fachzeitschriften über Innenarchitekten betrifft, sind sich auch die meisten Interviewpartner einig. Hier handelt es sich meist um Hochglanzberichte, die alles in allem aufgrund ihrer Oberflächlichkeit uninteressant sind. Eine Gesprächspartnerin formuliert es so: immer, wenn etwas als sehr trendig oder sehr endgültig präsentiert wird, langweilt es. 209 Wenn man eine Weile die Berichte in den einschlägigen Magazinen verfolge, habe man zudem das Gefühl irgendwann alle Wohnungen gesehen zu haben, die auf der Welt fotografiert werden. Es scheine fast so, als würden sie zyklisch immer wieder neu abgelichtet. 210 Schon 1957 kritisiert Bruno Zevi die Art und Weise, wie Einrichtungen für Zeitschriften fotografiert werden: „[they] appear to be little more than dead looking mineral formations left standing after the destruction of the human race, for whom, however, those spaces and chairs were obviously intended.“ 211 Der Markt für Design- und Interiorzeitschriften ist gerade in den letzten Jahren sehr bewegt. Regelmäßig erscheinen neue Magazine, die einen oder mehrere vermeintliche Fehler ihrer Vorgänger anders machen wollen. Es erscheint daher an dieser Stelle nicht zielführend dies näher zu beleuchten. Es sei nur so viel gesagt: von der sehr technisch orientierten AIT212 geht der Trend hin zu Zeitschriften wie der Madeby213 , die den Beruf des Innenarchitekten von möglichst allen Seiten beleuchten will, wobei abzuwarten bleibt, was daraus wird; sowie zu hoch spezialisierten Zeitschriften wie der Plot214 , die sich auf einen ganz bestimmten Bereich innerhalb der Innenarchitektur fokussieren. Beide Herangehensweisen scheinen geeignet zu sein, das Blickfeld auf die Innenarchitektur im Allgemeinen zu erweitern. Boulevardpresse, gerade Frauenzeitschriften, genießen unter den Innenarchitekten keinen allzu guten Ruf, obwohl es hier zahlreiche Beispiele für Wohnratgeber gibt. Möglicherweise ist aber gerade die typische Frauenzeitschrift ein völlig unterschätztes Medium. Schon Elsie de Wolfe, wir erinnern uns, hat diese Art von Medium genutzt, um die durchschnittliche Hausfrau zu erreichen und ihre Ideen zu verbreiten. Es wäre von daher angezeigt, dass sich die Innenarchitektur und ihre Repräsentanten nicht nur auf die Fachpresse konzentrieren, sondern auch die Darstellung des Berufsstandes in den Massenmedien verbessern. Die kategorische Ablehnung der Massenmedien führt nur dazu, dass die Innenarchitektur dort kein Thema ist. 209 Interview ks, ab Z. 299 210 Interview ks, ab Z. 380 211 Zevi 1957, S. 216 - Übersetzung nach Abercrombie 1992, S. 163 „[Die Einrichtungen sehen aus], als ob es sich um nicht mehr als tote mineralische Formationen handele, die zurückgeblieben sind nach der Vernichtung der menschlichen Rasse, für die diese Räume und Stühle zweifelsfrei einmal bestimmt waren.“ 212 Sie trägt diese Ausprägung schon im Namen: Architekt, Innenarchitektur, technischer Ausbau. 213 Untertitel: fitting out your architecture. 214 Untertitel: Inszenierung im Raum.


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3.5.2. Präsentation und Inspiration

War die Innenarchitektur, aber auch die Architektur früher vor allem ein Empfehlungsgeschäft 215 , gibt es heute mehr und mehr Medien, um sich als Innenarchitekt seinen künftigen Auftraggebern zu präsentieren. Diese Möglichkeiten werden von den Entwerfern ganz unterschiedlich und in verschieden großem Umfang genutzt. Die Spannweite reicht vom ganz jungen Büro, dass die verschiedensten Kanäle bedient, um die eigenen Projekte zu zeigen, aber auch in Interaktion zu treten 216 bis hin zum etablierten Autorenarchitekten, der ausschließlich über die klassische Veröffentlichung in Büchern und Zeitschriften neue Kunden akquiriert, dem es am wichtigsten ist, sich einen bestimmten Ruf erarbeitet zu haben 217. Dazwischen fällt auf, dass es einige Innenarchitekten und Architekten gibt, die die modernen Kommunikationswege ausprobiert haben, aber zurückgekommen sind zum persönlicheren Kontakt mit dem Kunden. Einer formuliert es so: der Internetauftritt dient lediglich als digitale Visitenkarte, Aufträge generiert man über den „persönlichen Kontakt, Handshakes und Weiterempfehlungen“. 218 Sie haben die Erfahrung gemacht, dass Kunden eher nicht auf Anfragen in sozialen Netzwerken reagieren und daher Aufwand und Nutzen nicht im Verhältnis stehen. 219 Im Allgemeinen ist man sich einig, dass man, was die Öffentlichkeitsarbeit betrifft, mehr machen könnte, dies aber eben auch ein enormer Zeitaufwand darstellt, der fast nur durch eine zusätzliche Kraft im Büro abzudecken ist. 220 Es kann aber auch hilfreich sein, fertig gestellte Projekte aufzuarbeiten, um sie zur Veröffentlichung oder in den Wettbewerb um Auszeichnungen einzureichen, man kann sie damit auch für sich selbst abschließen und archivieren. 221 Anderen wiederum ist es gelungen, sich in der digitalen Welt ein sich gegenseitig befruchtendes Netzwerk aufzubauen, in dem sowohl Kunden als auch Inspirationen für die Projekte gewonnen werden können. 222 Auch der Umgang mit den digitalen Medien als Quelle für Inspirationen ist sehr unterschiedlich. Es zeichnen sich mehr oder weniger zwei Lager ab. Die eine Seite nutzt vor allem die neuen Medien intensiv, um auf dem neuesten Stand zu sein. 223 Es bietet sich ihnen hier eine einfache Möglichkeit, täglich neue Eindrücke zu erhalten, auch wenn man sich die Zeit dafür gut einteilen muss. 224 215 216 217 218 219 220 221 222 223 224

Interview dt, ab Z. 185 Interview dk, ab Z. 155 Interview sml, ab Z. 352 Interview ja, ab Z. 293 Interview ja, ab Z. 327 Interview cr, ab Z. 160 Interview mc, ab Z. 177 Interview as, ab Z. 236 Interview sh, ab Z. 510 Interview js, ab Z. 328


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Auf der anderen Seite stehen die, die sich durch Inspirationen aktueller Natur eher eingeschränkt fühlen, die Argumentation ist dann wie folgt: was irgendwann mal in ist, ist irgendwann auch mal wieder out, und das möchte man für die eigenen Entwürfe ja nicht. 225 Vor allen Dingen gilt: wenn man sich vom derzeit Aktuellen inspirieren lässt, ist man bis zur Fertigstellung des eigenen Projekts schon wieder zu spät dran. 226 Auch für Entwerfer, die in sehr spezialisierten Bereichen, wie beispielsweise der Museumsgestaltung arbeiten, kommt es nicht auf die Aktualität ihrer Entwürfe an. 227 Gerade die Architekten unter meinen Gesprächspartnern interessieren sich eher für klassische Architektur als Inspirationsquelle, sie stellen sich Fragen wie: „warum waren die alten Dinger gut?“ 228 Und: wie kann man sie weiterentwickeln, auf die heutigen Bedürfnisse zuschneiden?229 Sie gehen von der Prämisse aus, dass es alles schon einmal gegeben hat. Also sammeln sie möglichst viele Eindrücke in ihrer Erinnerung, aus der sie dann bei einem Entwurf wie aus einem Werkzeugkasten schöpfen können. 230 Die befragten Innenarchitekten und Architekten gehen also sehr gewissenhaft mit den Medien um, die meisten sind auch offen für neue Medien, wenn sich diese auch nur langsam, wenn überhaupt durchsetzen. Es ist zu beobachten, dass gerade die neuen digitalen Medien zunächst ausprobiert werden, wenn sich kein Nutzen einstellt, kehrt man gern auch zu Althergebrachtem zurück. Gerade der Rückgriff auf materielle, anfassbare Medien zur Kundenakquise ist typisch für die haptisch veranlagten Gestalter und scheint ein gutes Mittel zum Zweck zu sein. 231

Die Medien, gerade die Massenmedien, neigen dazu, nur das Spektakel abzubilden, klar, dem Zuschauer muss etwas geboten werden. Aber auch hier stellt sich die Frage: was ist mit dem Normalen, mit der zwar durchschnittlichen, aber guten Lösung? Die Medien sind abhängig vom guten Bild. Ein gutes Bild zieht aber noch lang keine gute Innenarchitektur nach sich. Das Erleben im Raum direkt kann häufig ein ganz anders sein, als dies ein Bild des Raumes vermuten ließ. Gestalterische Elemente, die auf einem Foto nicht wirken, können teils essentiell wichtig für das gute Raumerleben sein. 232 Genauso gibt es Innenarchitektur, aber vor allem auch Architektur, die vordergründig für die Darstellung nach außen entworfen wird. Dies geschieht oft dann, wenn eine Marke oder ein Unternehmen repräsentiert werden soll. 225 226 227 228 229 230 231 232

Interview ja, ab Z. 526 Interview mc, ab Z. 314 Interview cr, ab Z. 232 Interview sml, ab Z. 379 Interview mc, ab Z. 247 Interview mc, ab Z. 283 Interview sh, ab Z. 435 Interview ks, Z. 271


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Dabei kann es geschehen, dass der Nutzer nicht mehr an erster Stelle für den Gestalter beziehungsweise den Architekten steht. Wie es aber die Architektin Yui Tezukan formuliert: es ist die Hauptaufgabe des Architekten, ein glückliches Leben für Bewohner und Nutzer zu ermöglichen. 233

3.5.3. Digitalisierung „The race to build the first 3D-printed house has begun.“ 234 Beim sogenannten 3D-Druck handelt es sich um eine Reihe von digitalen Herstellungstechniken, in diesem Kontext konzentrieren wir uns auf die additiven Verfahren. Hier baut ein spezieller Drucker Objekte schichtweise mit einem geeigneten Material auf. Diese Technik bietet formale Freiheit und gleichzeitig Präzision wie es derzeit keine andere Technik leisten kann. 235 Hinzukommt, dass durch die Einheit aus digitalen Messapparaten, Gestaltungsmitteln und Produktionsmitteln ein höchst individuelles, exakt an die ergonomischen und physischen Anforderungen des Nutzers zugeschnittenes Produkt hergestellt werden kann. 236 Zu unterscheiden sind an dieser Stelle zwei verschiedene Ebenen, auf denen hier die Überlegungen zum 3D-Druck stattfinden. Einerseits die schon angesprochene architektonische, das tatsächliche Drucken eines Gebäudes. Auf der anderen Seite steht die Idee, dass sich durch den 3D-Druck die Produktion von Gebrauchsgegenständen aus der Fabrik zum Gestalter beziehungsweise Nutzer verlagert wird. Noch sind die meisten dieser Drucker klein, bieten einen Druckbereich von etwa zwanzig auf zwanzig Zentimetern, aber wie das Zitat eingangs andeutet, arbeiten verschiedene Forschergruppen daran, den Druckbereich stetig zu erweitern, bis auch raumbildende Strukturen gedruckt werden können. Der derzeit größte 3DDrucker D-Shape steht in Pisa und kann auf einer Fläche von 30 Quadratmetern ein bis zu zwei Meter starkes Objekt drucken. Letztendlich produziert D-Shape mittels eines speziellen Verfahrens einen synthetischen Sandstein, indem auf eine Schicht aus Sand und Magnesiumoxid auf die Stellen Chlor gesprüht wird, die später fest werden sollen. Dieser Vorgang wird Schicht um Schicht wiederholt, am Ende wird der überschüssige Sand entfernt und das feste Objekt kommt zum Vorschein. 237 Erste Erfolge verzeichnet mit einer ähnlichen Technik ein Team an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich, hier wurde 2013 ein etwa 16 Qua233 234 235 236 237

Kullack 2011, S. 14 Fairs 2013, S. 28 Malé-Alemany 2012, S. 17 Malé-Alemany 2012, S. 30 Fairs 2013, S. 28-30


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dratmeter großer Raum in Einzelteilen, die später zusammengefügt wurden, gedruckt. Hier wurden auf mathematischen Wege Rokokomotive zu einer Art Grotte zusammengefügt. 238 Was davon zu halten ist, dass ein mit modernsten Methoden kreiert Raum an die mit Muschelwerk verzierten Grotten der Aufklärung erinnern, sei einmal dahin gestellt. Immerhin haben sich aber in diesem Fall Männer eine typisch weibliche Domäne angeeignet, auch eine Art Fortschritt. Die Frage ist hier immer: welchen Vorteil hat der 3D-Druck gegenüber herkömmlichen Bautechniken? Der Versuch an der ETH zeigt: es können extrem komplexe Muster, die auf mathematischen Berechnungen basieren, exakt wiedergegeben werden. Vor allem aber kann man mit diesen Maschinen mehrfach gekrümmte Oberflächen herstellen, was so mit keiner anderen Technologie möglich ist. Vermutlich ist es in näherer Zukunft aber realistischer, dass Formteile, die für den Bau benötigt werden, zunächst als Hüllen gedruckt und später auf der Baustelle dann mit Beton ausgegossen werden. 239 In meinen Gesprächen habe ich versucht abzufragen, inwieweit sich die Innenarchitekten mit diesem Thema schon in ihrer Berufspraxis auseinander gesetzt haben. Ich habe diesen Fragen die Prämisse vorangestellt: der 3D-Druck wird die Welt der Gestaltung revolutionieren. 240 Man kann von einer neuen industriellen Revolution sprechen, da der Ort der Produktion erneut verlegt wird. Es wird in Zukunft weniger in den Fabriken produziert, dafür direkt beim Verbraucher oder Gestalter. Die maschinelle Fabrikation funktioniert nach den Prinzipien der Repetition, diese Prinzipien werden durch den 3D-Druck aufgehoben, da nun individuell angepasste Produkte ebenso leicht herzustellen sind wie serielle. 241 Alle meine Interviewpartner sehen allerdings bisher keinerlei Relevanz für ihre Arbeit. Bei vielen ist die Vorstellung von der 3D-Drucktechnologie auch eher diffus. 242 Häufig wird die neue Technologie mit Herstellungstechniken wie CNCFräsen oder Laserschnitt verglichen, was natürlich einerseits richtig ist, da es sich auch dabei um Techniken handeln, die großen Einfluss auf die Gestaltung haben und hatten. Allerdings sind für beiden Verfahren Maschinen und Expertenwissen notwendig, die Fertigung muss nach wie vor in einer Werkstatt stattfinden und nicht beim Gestalter im Atelier oder dem Verbraucher zu hause. Von daher hinkt der Vergleich an dieser Stelle. Inzwischen sind die 3D-Drucker sowohl preislich als auch technisch auf dem Stand eines Endverbrauchergeräts angelangt. In Fachkreisen geht man davon aus, dass sich der 3D-Druck momentan auf einem ähnlichen Level bewegt wie die Computer 238 siehe: Hansmeyer, Michael; Dillenburger, Benjamin, http://www.digital-grotesque.com/ (letzter Zugriff: 15.03.2014) 239 Fairs 2013, S. 31-32 240 Ott 2014, S. 37 241 Malé-Alemany 2012, S. 17 242 Interview as, ab Z. 531. Drucker im Keller; Interview cr, ab Z. 346. Entwirft nichts, was in den Druckbereich passt.


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in den achtziger Jahren, noch liegt es außerhalb unserer Vorstellungswelt, was mit dem Verfahren tatsächlich erreicht werden kann. 243 Nicht von der Hand zu weisen ist allerdings das Argument, dass es beim Einsatz neuer Technologien meist eben in erster Linie um diese Technologie geht und nicht um die gute Gestaltung des jeweiligen Produkts, daher stellt sich hier immer die Frage, wem dann der Einsatz der neuen Technik wirklich nützt. Der verbesserten Gestaltung des Produkts jedenfalls nicht immer. 244 Die meisten meiner Gesprächspartner sind derzeit noch der Vorstellung verhaftet, beim 3D-Druck handele es sich vor allem um das sogenannte Rapid Prototyping, das einen schnellen und präzisen Modellbau ermöglicht. Das ist zwar auch ein Thema, hat aber an dieser Stelle nichts mit einer Herstellungstechnik zu tun. Über den Status als Modellbautechnologie ist der 3D-Druck seit kurzer Zeit hinaus, einige Beispiele aus der Konsumwelt belegen, dass die Technologie inzwischen im Alltag angekommen ist: ein Sportschuhhersteller verkauft Fußballschuhe mit 3Dgedruckten Stollen und ein Mobiltelefonhersteller bietet im Internet frei zugängliche Dateien an, mit denen sich die Kunden selbst Schutzhüllen für ihre Telefone drucken können. 245 Für die meisten Entwerfer ist der Einsatz neuer Techniken und Materialien aber in erster Linie eine Budgetfrage, bei den meisten Projekten sind sie also gar kein Thema. 246 Nur einer meiner Interviewpartner ist tatsächlich umfangreich über das Thema informiert und hat sich auch schon selbst damit im Rahmen seiner Lehrtätigkeit als Professor im Bereich Architektur beschäftigt. Es sagt ganz klar, dass der 3DDruck noch einen weiten Weg vor sich hat, da es derzeit in jedem architektonischen Entwurf, der mit 3D-Techniken umgesetzt werden soll, den Moment gibt, an dem man sich wundert, wie es nun weitergehen soll. Als Modell könne man eben alles 3D-drucken, nur um dies dann auch im Maßstab eins zu eins umsetzen zu können, erfüllt der 3D-Druck noch nicht genug technische Anforderungen. Brand- und Schallschutz seien hier nur als zwei Problembeispiele genannt. 247 Ein weitere Aspekt, der keinesfalls außer acht gelassen werden darf, ist die Chance des bedarfsgerechten Produzierens, damit bietet der 3D-Druck im Bezug auf das allgegenwärtige Thema Nachhaltigkeit einen bedeutenden Vorteil gegenüber konventionellen industriellen Herstellungsmethoden. 248 Viele Innenarchitekten stehen der oftmals üblichen „Materialschlacht“ kritisch gegenüber, auch eine mei243 Fairs 2013, S. 9-10; siehe dazu auch: Interview bb, ab Z. 653: „wenn es sich überhaupt durchsetzt“; Interview sml, ab Z. 789: Vergleich mit Memphis, Postmoderne; nette Spielerei, aber es ist nichts davon übrig geblieben. 244 Interview ja, ab Z. 1126 245 Fairs 2013, S. 9 246 Interview cr, ab S. 419; Interview js, ab Z. 357 247 Interview mc, ab Z. 757 248 Malé-Alemany 2012, S. 17


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ner Gesprächspartnerinnen sieht da beim 3D-Druck eine deutliche Chance, dem entgegen zu wirken. 249 Der 3D-Druck kann so auch eine neue Ästhetik in Sachen Selber machen erzeugen. Ist der Selbstbau bisher noch häufig mit visuellen Beschränkungen belegt, könnte die digital gestützte Herstellung von Einzelteilen hier eine deutliche Verbesserung bewirken. 250 Ich persönlich sehe im 3D-Druck eine nicht zu vernachlässigende Entwicklung innerhalb des Designs und der Architektur. Gerade die Verlagerung der Produktion zurück in die Hände des Gestalters beziehungsweise der Nutzers bietet neue gestalterische Qualitäten. Brachte die industrielle Revolution durch die Trennung von Gestaltung und Produktion größtenteils minderwertige Produkte hervor, könnten nun im Umkehrschluss Produkte von bemerkenswerter Qualität entstehen, da der Gestalter oder Nutzer bedarfsgerecht genau das produziert, was er braucht und will. Wie in den Interviews ersichtlich wurde, haben sich bis jetzt nur wenige der Gestalter mit den neuen Möglichkeiten des 3D-Drucks beschäftigt, sie sehen darin nicht viel mehr als eine weitere Herstellungstechnik, ähnlich dem CNC-Fräsen oder dem Laserschneidverfahren. Ich bin allerdings der Meinung, dass der 3DDruck weit mehr sein wird, als nur eine weitere neuer Weg, Dinge herzustellen. In meinen Augen hat er durchaus das Potential, die Art und Weise, wie wir gestalten zu verändern. Wenn man als Gestalter und Innenarchitekt Relevantes entwerfen möchte, sollte man die 3D-Technologie im Auge behalten.

249 250

Interview ks, ab Z. 1010 Interview db, ab Z. 990


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4. Die Genderfrage Dass die Innenarchitektur derzeit ein Frauenberuf ist und auch in der Vergangenheit einer war, haben wir bereits festgestellt. Was das aber genau heißt und welche Auswirkungen das hat, soll nun untersucht werden. Grundlegend für das Verständnis von Genderfragen ist es, sich zu vergegenwärtigen, dass es unterschiedliche Geschlechtermodelle gibt. Heute ist die westliche Kultur so fest mit dem Zwei-Geschlechter-Modell verwoben, dass es schwer fällt dieses nicht als natürlich zu betrachten. Doch bis zur Epoche der Aufklärung geht man noch von einem Ein-Geschlecht-Modell aus. Es herrscht die Idee vor, dass der Frauen- und der Männerkörper grundsätzlich gleich sind, bei der Frau sind die Geschlechtsorgane nur nach innen gekehrt. Damit einher geht die Ansicht, dass der Frauenkörper weniger wert sei. Mit der Aufklärung entwickelt sich dann das Komplementaritätsmodell, das unmittelbar zur Folge hat, dass die Frau aus allen Gleichheitsüberlegungen der Aufklärung ausgeschlossen wird. Es entstehen ästhetische Theorien darüber, wofür die Weiblichkeit steht: eine natürliche Sinnlichkeit, die Empfänglichkeit für Sinneseindrücke sowie für Tugend und Sittsamkeit. Heute können wir uns einen Körper ohne Geschlecht nicht vorstellen, was auch dazu führt, dass seit Mitte des 20. Jahrhundert Intersexualität meist schon im Säuglingsalter „korrigiert“ wird, das heißt, ein Säugling mit unbestimmten Geschlecht wird mittels einer Operation einem bestimmten Geschlecht zugeordnet. Vor diesem Hintergrund kann man nun die Konstrukte Weiblichkeit und Männlichkeit nicht mehr als naturgegeben verstehen, sondern muss sie als kulturelle Regelsysteme betrachten. Geschlechterkonzepte strukturieren unsere Wahrnehmung und helfen uns, unsere Umwelt nach sozialen und symbolischen Gesichtspunkten zu organisieren. Geschlecht ist eine Analysekategorie, auf deren Grundlage wir differenzieren und hierarchisieren. Mit der Kategorie Geschlecht können wir ein Individuum eindeutig klassifizieren und wir können Bedeutungen wie Identität, Werte und Status, zuweisen. Dabei ist zu beachten, dass Geschlechtsidentität immer ein Prozess, nie eine abgeschlossene Größe darstellt. 251 Kirkham und Attfield zum Beispiel sehen Gender nicht als unbewegliche Kategorisierung, es ist für sie nicht nur eine Kennzeichnung als eindeutig weiblich oder eindeutig männlich. Vielmehr geht es darum eine Bedeutung zu generieren, jenseits von männlich gegen weiblich. Gender dient in ihren Augen als eine der differenzierten Eigenschaften, die Identität bildet. 252 251 252

vgl. Dornhof 2006, S. 137-139 Kirkham et al. 1996, S. 4


4. Die Genderfrage

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An dieser Stelle sei eine Anmerkung zur Verwendung des generischen Maskulinismus erlaubt. Die Frage bei einer genderspezifischen Betrachtung einer Berufsgruppe, wie sie hier vorgenommen werden soll, ist natürlich immer die nach der korrekten geschlechtlichen Schreibweise der Begriffe. Wenn es nach einigen der hier zitierten feministischen AutorInnen ginge, wäre genau diese Schreibweise die richtige. Auch ein generischer Feminismus käme zur Abwechslung in Frage. Gerade im Hinblick auf die weibliche Dominanz im Bereich Innenarchitektur wird dieser hier schon häufig verwendet, meist unbeabsichtigt ist immer wieder automatisch von der Innenarchitektin die Rede. 253 Aus diesen Gründen fiel die Entscheidung, in dieser Arbeit beim generischen Maskulinismus zu bleiben, um die mögliche Existenz einer männlichen Innenarchitekten nicht schon von vornherein auszuschließen. Der Einfachheit halber wird zu dem von einer binären Konstruktion von Geschlecht ausgegangen. Jegliche Statistik und die meisten wissenschaftlichen Betrachtungen argumentieren mit eben dieser Ausrede, um die Beschränkung auf die beiden Geschlechtskategorien Mann und Frau zu rechtfertigen. Im Hinterkopf behalten sollte man aber, dass es jeweils zumindest noch eine dritte Dimension des Geschlechts im Sinne von „anders“, „weiß nicht“, „sonstiges“ gibt beziehungsweise in den Statistiken berücksichtigt werden sollte.

4.1. Feministische Theorie

Hauptkritikpunkt an feministischen Theorien ist, dass sie Männer und Frauen als vollkommen gleich darstellen. Natürlich sind Männer und Frauen nicht gleich, schon rein optisch sind man deutliche Unterschiede, es greift jedoch zu kurz, diese Unterschiede mit den unterschiedlichen Geschlechtern zu begründen. Bestimmte Eigenschaften aufgrund des biologischen Geschlechts zuzuschreiben, bedeutet immer, Ausnahmen nicht zuzulassen. Auch wenn es statistisch oder auf welchem Wege auch immer, nachweisbar ist, dass Frauen eher emotional und Männer eher funktional gestrickt sind, heißt das nicht, dass ein emotionaler Mann oder eine funktional denkende Frau nicht genauso normal sind wie jene Geschlechtsgenossen, die sich wie die Mehrheit verhalten. Die Wenigsten entsprechen dem statistischen Durchschnitt 254 , ob nun in Körpergröße, Alter oder geschlechterspezifischen Charaktereigenschaften. Es werden nun beispielhaft und stellvertretend für zahlreiche andere Gendertheorien, vier Theorien näher betrachtet, die im Kontext zum Gesamtthema stehen. 253 vgl. Richter 2006, S. 23, S. 125. Der Beruf taucht hier ausschließlich und völlig kommentarlos in der weiblichen Form auf. 254 vgl. Gender&Design 2006, S. 16


4. Die Genderfrage

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4.1.1. Judith Butler

Bevor man tiefer in das Thema Gender Studies einsteigt, müssen zunächst die Begrifflichkeiten geklärt werden. Die Übersetzerin Katharina Menke von Judith Butlers Buch „Das Unbehagen der Geschlechter“ stellt fest, dass die beiden Begriffe, die Butler im amerikanischen Original verwendet, nämlich sex und gender, nicht ohne weiteres ins Deutsche übersetzt werden können. Denn eigentlich müsste man für beiden den gleichen Begriff benutzt: Geschlecht. Um den Text nun aber korrekt wiedergeben zu können, verwendet Menke für gender, das im Deutschen dem grammatikalischen Geschlecht entspricht, das Wort Geschlechtsidentität und für sex bleibt der Ausdruck Geschlecht, da es sich hierbei im Deutschen um das biologische Geschlecht handelt. 255 Da nun die Begrifflichkeiten geklärt sind, kann man sich mit der Definition der Begriffe beschäftigen. Butler betont, dass das biologische Geschlecht nicht mit der tatsächlich gelebten Geschlechtsidentität eines Menschen zu verwechseln ist, deshalb ist es auch so wichtig, die beiden Begriffe sex und gender zu unterscheiden. Sie widerspricht der althergebrachten Formel „Biologie ist Schicksal“, die den Menschen dazu drängt, sich in die vom biologischen Geschlecht determinierte Lebenswirklichkeit einzufügen, sondern beschreibt die Geschlechtsidentität als eine kulturelle Konstruktion. Für Butler ist Geschlechtsidentität immer nur eine Interpretation des biologischen Geschlechts. Deshalb kann es auch immer mehr Geschlechtsidentitäten geben, als es biologische Geschlechter gibt, gerade wenn man deren Zahl als traditionell binär annimmt. Überhaupt zweifelt Butler die Bedeutung des biologischen Geschlechts an, indem sie fragt, wodurch genau eigentlich das biologische Geschlecht bestimmt wird, durch die Anatomie, durch Hormone oder doch durch die Gene?256 Es fragt sich nun, auf welcher Basis die Konstruktion von Geschlechtsidentität vorgenommen wird, wenn man die angeblich natürlichen Sachverhalte hinterfragt. Denkbar ist es, dass sie in der Vergangenheit aufgrund von gesellschaftlichen oder politischer Interessen vorgenommen wurde. Butler bezweifelt aber, dass diese Konstruktionen determiniert sind, sie hält es auch für möglich, dass die Geschlechtsidentität anders konstruiert werden kann. 257

255 256 257

vgl. Butler 1991, S. 15 vgl. Butler 1991, S. 22-23 vgl. Butler 1991, S. 23-25


4. Die Genderfrage

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Wenn nämlich die Konstruktion der Geschlechtsidentität gesellschaftlich determiniert ist und der Mensch nur passiver Empfänger dieser Konstruktion ist, dann muss man laut Butler die ursprüngliche Formel „Biologie ist Schicksal“ umschreiben in „Kultur ist Schicksal“. Dass dies nicht der Fall ist, beweist schon Simone de Beauvoir, auf die ich gleich noch zu sprechen kommen werde, mit ihrer Aussage: „Man kommt nicht als Frau auf die Welt, sondern wird es.“258 Der Mensch ist nämlich keinesfalls passiver Empfänger, sondern aktiv Handelnder, der auch eine andere Identität annehmen könnte, wenn er beziehungsweise sie nicht dem gesellschaftlichen Druck erliegt. Für Butler ist die Geschlechtsidentität also nichts „substantiell Seiendes“, wie sie es nennt, sondern ergibt sich aus dem Kontext, aus kulturellen und geschichtlichen Relationen, auf die man sich einlässt oder eben nicht. 259

4.1.2. Simone de Beauvoir

Beauvoirs Theorie stützt sich auf die Annahme, dass sich die Frau über den Mann definiert, der Mann sich hingegen gar nicht erst definieren muss, sondern sich vollkommen von selbst versteht. 260 Hier steht des Mann für das Absolute, das Normale und das Objektive und die Frau im Gegensatz dazu für das Andere, das Subjektive und für die Verneinung. Beauvoir zitiert hier Aristoteles: „Das Weib ist Weib dadurch, dass ihm bestimmte Eigenschaften fehlen.“261 Für Beauvoir ist diese Sicht auf die Dinge etwas völlig natürliches, da der Mensch grundlegend dazu neigt in der Kategorie der Alterität zu denken, er definiert immer das Eine beziehungsweise sich selbst im Gegensatz zum Anderen. Die Dualität Gut gegen Böse begleitet den Menschen durch seine gesamte Geschichte und durch alle Kulturen hindurch. Doch wie kommt es, dass sich in dieser Dualität die Frau dem Mann unterworfen hat? Es ist ja durchaus denkbar, dass es auch anders herum hätte geschehen können. In der Geschichte hat häufig eine zahlenmäßige Überlegenheit oder ein bestimmtes geschichtliches Ereignis dazu geführt, dass sich eine Gruppe einer anderen unterworfen hat. Dies sei nun bei der Unterwerfung der Frau durch den Mann so nicht geschehen. Es gibt immer schon etwa gleich viele Männer wie Frauen und die Unterlegenheit ist genauso wenig eine Folge eines bestimmten Ereignisses. Beauvoir befindet, die weibliche Unterlegenheit ist geschehen. 262 Als mögliche Begründung dafür führt Beauvoir an, dass dieser schleichende Pro258 259 260 261 262

Butler 1991, S. 25 vgl. Butler 1991, S. 29 Beauvoir 2013, S. 11 Beauvoir 2013, S. 12 Beauvoir 2013, S. 13-14


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zess von Männern gemacht wurde, die die weibliche Unterlegenheit in der Religion und der Gesetzgebung fest geschrieben haben. Sie argumentierten, dass die Unterordnung der Frau vom Himmel so gewollt sei. Die Frau habe sich nun in diese Ordnung eingefügt, freiwillig ihre Rolle als das Andere akzeptiert, da es für sie zum einen die Existenzsicherung bedeutet und zum anderen einfach bequem ist. 263 Die männliche Argumentation, um diese Ordnung beizubehalten, sei nun laut Beauvoir ein Zirkelschluss, der auch schon im Umgang mit der Unterdrückung verschiedener Bevölkerungsgruppen so verwendet wurde: „Wenn eine Individuum oder eine Gruppe von Individuen in Unterlegenheit gehalten werden, so ist sie eben unterlegen, ...“ 264 Die Männer beziehen ihre Argumente also aus einem Zustand, den sie zuvor selbst herbeigeführt haben. Im Gegenzug begreifen sich die Frauen, so Beauvoir, aber nicht als eine Gesamtheit, wie es unterdrückte Bevölkerungsgruppen tun, sondern sind immer enger mit den Männern verbunden als mit anderen Frauen. Ihnen fehle das verbindende Element abgesehen von ihrem biologischen Geschlecht. Daher sei es immer schon schwer gewesen, sich gegen die Dominanz der Männer zur Wehr zu setzen. 265 Obwohl der Kampf gegen die männliche Überlegenheit weitestgehend schon gewonnen sei, plädiert Beauvoir dafür, von Begriffen wie Überlegenheit und Unterlegenheit Abstand zu nehmen und besser andere Fragen zu stellen. Beispielsweise: „Wie kann ein Mensch sich im Frau-Sein verwirklichen?“ Ihr geht es darum, dass es einem Menschen innerhalb seiner Geschlechtsidentität gelingt, Freiheit zu erlangen. 266

4.1.3. Susan Pinker

Pinker geht von der gleichen Annahme aus wie Beauvoir: der Mann gilt als Norm. 267 Die Emanzipation hat die Frauen dazu gebracht, dieser Norm nachzueifern, mit der Annahme, die Frau könne nur dann gleichberechtigt sein, wenn sie ihre weibliche Rolle ablegt und eine männliche annimmt. Laut Pinker zeigt sich nun aber, wo die meisten Barrieren für Frauen gefallen sind, dass sie sich doch nicht wie Klone der Männer verhalten, ihnen also eben nicht nacheifern. 268 Pinker belegt ihre Erkenntnisse mit zahlreichen Studien, mit denen sie nachweist, dass gerade gleiche berufliche Chancen die persönliche Präferenzen erst recht deutlich 263 264 265 266 267 268

Beauvoir 2013, S. 17-18 Beauvoir 2013, S. 20 Beauvoir 2013, S. 15 Beauvoir 2013, S. 23-26 Pinker 2008, S. 11 Pinker 2008, S. 15-16


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hervortreten lassen. Denn trotz ähnlicher Wahlmöglichkeiten gibt es noch immer Berufsfelder, für die sich vorwiegend Frauen beziehungsweise vorwiegend Männer entscheiden. 269 Deshalb erachten viele Menschen laut Pinker auch immer noch die sogenannten affirmative actions als notwendig. Männerdominierte Fachbereiche an den Universitäten und Hochschule bemühen sich mit ihrer Hilfe um mehr weibliche Bewerber. Doch Pinker kritisiert: die Basis der affirmative actions ist es, dass der Mann weiterhin als Norm gilt und die Frau somit ermutigt wird, es ihm gleich zu tun, sich an seine Verhaltensweisen anzupassen beziehungsweise diese anzunehmen. Affirmative actions zugunsten von Männern auf der anderen Seiten gelten als geschmacklos. Auch wenn zu beobachten ist, dass an weiblich dominierten Fachgebieten häufig strengere Zugangsvorraussetzungen für Frauen als für Männer herrschen. 270 Einer meiner Interviewpartner bestätigt dies, er gibt an, dass er den Eignungstest an der Hochschule auch deswegen bestanden habe, weil er eben einer der wenigen männlichen Bewerber war. 271 Anders als andere Theoretiker, die sich mit dem Thema Gender beschäftigen, sieht Pinker als Begründung für die Ungleichheit zwischen Mann und Frau durchaus biologische Hintergründe. Sie zitiert die Gesellschaftskritikerin Camille Paglia: „Es gibt keinen weiblichen Mozart, weil es auch keinen weiblichen Jack the Ripper gibt.“272 Das soll heißen, Männer neigen eher zu Extremen als Frauen. Frauen entsprechen eher dem Mittel beziehungsweise dem Durchschnitt der Bevölkerung, wohingegen bei Männern die Variabilität größer ist. Für Pinker zeigt sich die Tendenz auch bei Kinderpsychologen und in der Notaufnahme von Krankenhäusern: männliche Kinder und Jugendliche sind hier überdurchschnittlich häufiger Patienten als ihre weiblichen Altersgenossen. Auch beim Blick ins Pflegeheim sieht man: Frauen leben länger. Vielleicht weil sie es risikoärmer tun?273 Das zumindest beweist der Blick auf die Kriminalstatistik, so Pinker, Männer neigen eher zum Wettbewerb und sind bereit dafür aggressivere Mittel einzusetzen als Frauen. Auch bei jungen männlichen Kindern ist zu beobachten, dass sie ohne eigenes Verschulden tendenziell aggressiver sind und es ihnen schwerer fällt ihre Impulse zu kontrollieren als gleichaltrigen Mädchen. 274 Diese Dinge mit biologischen Ursachen zu erklären, halte ich für eher schwierig. In meinen Augen ist es wahrscheinlicher, dass schon bei der Erziehung der Kinder die Konstruktion von Geschlechtsidentitäten im Sinne von Judith Butler eine Rolle spielt. Die Jungen erfüllen durch ihr aggressiveres Verhalten so die Rolle, die von 269 270 271 272 273 274

Pinker 2008, S. 22-23 Pinker 2008, S. 48 Interview ja, ab Z. 11 Pinker 2008, S. 26 Pinker 2008, S. 39 Pinker 2008, S. 55-56


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ihnen erwartet wird, unterbewusst konstruiert von Eltern, auferlegt von gesellschaftlichen Normen.

4.1.4. Uta Brandes

Die meisten Theorien über Gender gehen immer von den Möglichkeiten Entweder-Oder und Sowohl-Als auch, um sich mit einem Geschlecht zu identifizieren. Uta Brandes schlägt nun vor, auch eine dritte Möglichkeit in Betracht zu ziehen: Weder-Noch. Entweder-Oder entspricht unserem westlichen Modell der Dualität von Männlichkeit und Weiblichkeit, demnach ein Individuum eindeutig als das eine oder das andere erkannt werden können muss, um identifizierbar zu sein. Aufgrund dieser Identifikation wird es dann mit bestimmten vordefinierten Eigenschaften belegt. Brandes spricht hier von einer gesellschaftlichen Konstruktion der Geschlechtsidentitäten, analog zu den Ausführungen von Butler. Mit der Emanzipation der Frau entstand die neue Möglichkeit zur Geschlechtsidentifikation: Sowohl-als auch. Frauen begannen auch männliche Eigenschaften in ihr Auftreten und Erscheinungsbild aufzunehmen. Heute beobachten wir laut Brandes ein ähnliches Verhalten bei Männern. Auch abgesehen von visuell wahrnehmbaren Adaptionen weiblicher Attribute integrieren Männer vormals als weiblich angesehene Verhaltensweisen und Selbstbilder in ihr alltägliches Leben. In Brandes Vorstellung wäre es aber viel interessanter über die Möglichkeit einer Weder-Noch-Identifikation nachzudenken. Wenn jeglicher Entscheidungszwang zwischen der Festlegung auf männlich oder weiblich verweigert wird, entsteht eine neue Uneindeutigkeit, über das schon fast gewohnte androgyne Erscheinungsbild der Sowohl-als auch-Variante hinaus. Es entsteht eine neue Dimension von Geschlecht abseits von Polarität oder Integration. Brandes sieht ein, dass eine solche Vorstellung in der noch immer vom EntwederOder-Gedanken geprägten Kultur schwierig ist. Sie behilft sich mit dem Blick auf andere Kulturen, um ihr Konzept näher zu erläutern. So beschreibt sie, dass beispielsweise bei den Inuit die Farbe Weiß nicht gegensätzlich zu Schwarz definiert ist, und die Farbe Grau dann entsprechend über ihre Nähe oder Ferne zu Schwarz beziehungsweise Weiß. Weiß ist bei den Inuit nicht die Vermischung von bereits Existierendem, sondern die Imagination von etwas Neuem, also Weder-Noch. Andere tribale Kulturen kennen die Existenz mehrerer Geschlechter. Sie definieren die Geschlechter aber nicht aufgrund von biologisch-anatomischen Merkmalen, sondern nach Verhalten, Handlungen und Kompetenzen. Laut Brandes ist es nicht möglich, diese Differenzierung zu übersetzen, unser Sprachhorizont gibt das nicht


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her. 275 Um mit Wittgenstein zu sprechen, mit den Grenzen unserer Sprache sind wir hier an der Grenze unserer Welt, unserer Vorstellung angekommen. Eine Entwicklung, die zu dem Zeitpunkt als Brandes diesen Text geschrieben hat, noch nicht soweit fortgeschritten war, ist das Phänomen der nicht eindeutig einem Geschlecht zuzuordnenden Fotomodells in der Modewelt. In den letzten Jahren tauchen verstärkt Modells auf den Laufstegen und in den Modemagazinen auf, deren biologisches Geschlecht nicht mehr auf den ersten Blick zu bestimmen ist. Bestes Beispiel dafür ist das Modell Andrej Pejic, auf den meisten Bildern ist vollkommen uneindeutig, welchem Geschlecht er beziehungsweise sie zuzuordnen ist. Manche Fotografien von Pejic erscheinen fast wie Vexierbilder, man versucht diejenigen Merkmale zu entdecken, die für das ein oder das andere Geschlecht sprechen würden, scheitert aber immer wieder, weil einem ein gegensätzliches Merkmal ins Auge fällt. Ähnlich ist es auch bei Erika Linder, obwohl sie/er meist eindeutig entweder als Frau oder als Mann abgelichtet wird, beide Rollen aber absolut überzeugend ausfüllt. 276 In der öffentlichen Diskussion spielt erwartungsgemäß meist die Frage nach dem biologischen Geschlecht der Models die Hauptrolle. Für die meisten Menschen scheint auch interessant zu sein, mit welchem Geschlecht sich die betreffenden Personen privat identifizieren, beziehungsweise wie ihre sexuelle Orientierung ist. Das ist aber nicht der Punkt und entspringt lediglich dem Versuch, das Wahrgenommene in das altbekannte Entweder-Oder-Modell zu pressen. Tatsächlich ist es völlig egal, was das Geschlecht oder die Geschlechtsidentität des Models ist, es geht ja vordergründig um die Mode, die präsentiert wird. Die Diskussion ist somit müßig und nicht zielführend: die Models sind weder Mann noch Frau, sondern einfach Models. Die deutsche Sprache kommt uns hier sogar entgegen, mit dem grammatikalisch neutralen Geschlecht des Wortes.

4.2. Gender Design

In Deutschland ist die Protagonistin des Gebiets Gender Design eindeutig Uta Brandes, von ihr stammen die meisten Publikation über dieses Thema beziehungsweise hat sie an den meisten davon mitgearbeitet. In ihren Augen ist das Design eines Objekts unvollständig, wenn die Kategorie Geschlecht nicht berücksichtigt wird. Deshalb sollte bei der Gestaltung das Objekt sowie die Beziehung zwischen einem Subjekt und dem Objekt auf ihre Vergeschlechtlichung hin untersucht werden. Denn sowohl Gestalter als auch Nutzer 275 vgl. Brandes 2000, S. 185-188 276 Ich enthalte mich an dieser Stelle bewusst einer Aussage, sowohl über das biologische Geschlecht als auch über die Geschlechtsidentität von Andrej Pejic und Erika Linder.


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sind „sozial und kulturell geprägte Geschlechtswesen“, deren Verhalten und Handlungen von ihrer Geschlechtsidentität geprägt sind. 277 Aus diesem Grund eignet sich Design auch besonders gut dafür, tradierte Geschlechterkonstruktionen aufrechtzuerhalten. Brandes prangert an, dass in der Praxis das Thema Gender äußerst unreflektiert behandelt wird. 278 Gesche Joost formuliert sogar noch etwas schärfer: die Gestaltung ist maßgeblich daran beteiligt, Medienbilder zu schaffen, die eine bestimmte Rollenverteilung und bestimmte Geschlechtsidentitäten transportieren. Da das Design die Macht hat, solche Bilder zu verbreiten, ist es geradezu dazu gezwungen, sich reflektiert mit tradierten Stereotypen auseinander zu setzen. Joost verurteilt vor allem die häufig von der Werbung reproduzierten Bilder der Frau als Objekt der männlichen Begierde und dem Mann als potenter Jäger. 279 Auch Pat Kirkham und Judy Attfield setzen sich mit dem Thema Gender Design auseinander. Sie betonen, dass Objekte in unserer Kultur die stärksten Bedeutungsträger darstellen, weshalb es nötig ist die Wechselbeziehungen zwischen Objekten und den Geschlechtsidentitäten zu untersuchen. Ihrer Meinung nach geht es beim Thema Gender und Design meist um Macht, vor allem um die Macht der Stereotypen. Hier liegt aber auch die Chance des Gender Design, eben diese Stereotype zu überwinden und durch neue Bedeutungen zu ersetzen. 280 Sie befindet, dass das Thema Gender notwendiger Bereich der Designforschung sein muss. Einerseits sollte sich die Designgeschichte mit der Abwesenheit von Designerinnen befassen und kenntlich machen, wann und warum diese in Vergessenheit geraten sind. Andererseits sollte ihrer Ansicht nach die Design-Empirie erforschen, welchen Gebrauchswert die verschiedenen Dinge für Frauen und Männer in deren Alltag haben, um dann an die Lebensrealität angepasste Produkte zu entwerfen. 281 Gerade die Empirie sieht Brandes als Chance der transitorischen Disziplin Design, steht sie doch immer irgendwo zwischen Praxis und Theorie und ist weder nur das eine noch nur das andere. Somit können die innerhalb der Designforschung erhobenen empirischen Daten, zum Beispiel über den Alltagswert eines Produkts für Männer und für Frauen, direkt in die Herstellung, die Verarbeitung und den Umgang von beziehungsweise mit dem Produkt umgewandelt werden. 282 Laut Brandes sollte Gender dabei nicht als Sonderthema innerhalb der Designwissenschaften behandelt, sondern als Strukturkategorie quer zu allen Bereich aufgenommen werden. 283 277 278 279 280 281 282 283

vgl. Brandes 1998, S. 172-173 Brandes 1998, S. 174 vgl. Joost 2008, S. 4-5 vgl. Kirkham et al. 1996, S. 4 vgl. Brandes 1998, S. 89-90 Brandes 2000, S. 183 vgl. Brandes 1998, S. 92


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Auch in der Designlehre muss, wenn es nach Brandes geht, die Kategorie Geschlecht aufgenommen werden. Ihrer Meinung nach herrscht sowohl in der Ausbildung als auch im späteren Berufsleben noch immer eine starke geschlechtliche Segregation und damit ein unausgeglichenes Geschlechterverhältnis. 284

4.2.1. Gender Design vs. Gendersensibles Design

Gender Design steht in engem Zusammenhang mit dem Gender Marketing. Hier soll vor allem die Frau als potentielle Kundin entsprechend ihrer angeblichen geschlechtsspezifischen Charaktereigenschaften angesprochen und wertgeschöpft werden. Das Gender Design geht von der Annahme aus, dass die als biologisch angesehenen Unterschiede der Geschlechter Einfluss auf deren Bedürfnisse und Ziele und somit letztlich auf deren Kaufentscheidungen haben. Die Gestaltung der Produkte erfolgt dann auch auf eine geschlechterdifferenzierte Weise. Produkte werden eindeutig mit Gender Codes belegt und einem Geschlecht als Nutzergruppe zugeordnet. 285 Nach Brandes birgt das Gender Design vor allem die Gefahr der Reproduktion von überkommenen Stereotypen, wenn die Produkte in ihrer Gestaltung oder Machart an die vermeintlich unterschiedlichen Erfordernisse von Mann und Frau angepasst werden. Eine weiteres Problem sieht Brandes darin, dass aus der Sicht des Marketing nur aus einem Verwertungsinteresse heraus gehandelt wird. „Weibliches Design“ wird dann zum Verkaufsargument für die steigende Zahl an kaufkräftigen Frauen. 286 Joost sieht dies auch als Chance für das Gender Design: wenn Marketing nach Gender-Aspekten betrieben wird, kann die Frau als potente Zielgruppe erreicht werden. 287 Damit dies erfolgreich sein kann, empfiehlt sie aber das sogenannte gendersensible Design, wie es auch in einer Broschüre des Zentrums Frau in Beruf und Technik propagiert wird. 288 Betreibt man gendersensibles Design, hinterfragt man nämlich genau die Annahmen, die hinter Gender Design stehen. Grundsätzlich geht der Entwerfer davon aus, dass Männer und Frauen gleich sind und die gleichen Bedürfnisse und Ziele haben. Es wird nicht danach gefragt, wie ein Produkt gestaltet sein muss, um Mann oder Frau zu gefallen, sondern wie es für den vorgesehenen Zweck am besten gestaltet sein sollte. Modellvarianten entstehen dann nicht aufgrund der verschiedenen Geschlechter sondern aufgrund unterschied284 285 286 287 288

Brandes 1998, S. 173 Gender&Design 2006, S. 17 Brandes 2000, S. 184 Joost 2008, S. 5 Joost 2008, S. 5


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licher Anforderungen der Nutzer, zum Beispiel was den Körperbau oder andere physische Eigenschaften betrifft. Hier gilt nicht der Mann als Norm und die Frau als deren Abweichung, für die ein passendes Produkt als Ableitung des männlichen Produkts geschaffen werden soll, sondern Frau und Mann gelten gleichermaßen als Norm. Aus diesen Gründen wird beim gendersensiblen Design auch auf die Verwendung von Gender Codes verzichtet. Wenn überhaupt können sie in einem ironischen und parodistischen Kontext aufgenommen werden, im Allgemeinen wird aber eine androgyne Anmutung angestrebt. Eine Schwierigkeit, der man begegnen kann, wenn man unter den gendersensiblen Prämissen arbeitet, ist es, dass sich die meisten Konsumenten nach einer eindeutigen Zuordnung zu einer sozialen Gruppe sehnen. Häufig identifizieren sich die Käufer noch über ihre eigene Geschlechtsidentität mit einem Produkt. 289 Es ist also noch zu beweisen, ob es aus der Sicht des Marketings immer Sinn macht, gendersensibel zu entwerfen, und nur, wenn es ökonomisch auch verwertbar ist, wird sich das gendersensible Design gegenüber dem Gender Design durchsetzen. Noch fehlen aber ausreichend gelungene Vorbilder.

4.2.2. Gender Codes und Gender Swapping

Sogenannte Gender Codes sind „Zeichen mit vergeschlechtlichter Bedeutung“, die auch in Designprodukten zu finden sind. In der tradierten bipolaren Geschlechterauffassung sind diese teils streng auf die Geschlechter aufgeteilt. Männlich bedeutet dunkel, hart, eckig, funktional, während hell, weich, rund, dekorativ (oder nutzlos) für weiblich steht. Waren diese Zeichen früher noch deutlicher ausgebildet, kommen sie heute oft subtiler daher. Mit der Zeit können sich Gender Codes auch ins Gegenteil verkehren, wie beispielsweise die geschlechterspezifische Zuordnung der Farben Rosa und Blau beweist. Steht Rosa heute im Zusammenhang mit Säuglingen vor allem für Mädchen und Blau für Jungen, war diese Codierung bis in die 1920er Jahre genau umgekehrt. Das als königlich und damit männlich kodierte Rot war männlichen Kleinkinder vorbehalten, während Blau, dass mit dem Himmlischen verbunden wurde, Mädchen symbolisierte. 290 Kirkham und Attfield fügen dem noch hinzu, dass Gender Codes in ihrer Bedeutung zwar häufig kurzlebig, aber dennoch häufig sehr machtvoll sind. Schon kleine Abweichungen von den gewohnten Gender Codes können Unbehagen bei den Konsumenten hervorrufen. Vor allem Männer befürchten laut Kirkham und Attfield den Machtverlust, wenn sie sich auf Produkte einlassen, die weiblich kodiert 289 290

vgl. Gender&Design 2006, S. 18-19 Gender&Design 2006, S. 11


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sind. Für Frauen ist es hingegen oft leichter mit Produkten umzugehen, die eher männlich konnotiert sind. So können sie beispielsweise mit dem Tragen von männlicher Kleidung ihre eigene Weiblichkeit sogar noch unterstreichen. 291 Mit Gender Swapping bezeichnet man im Allgemeinen den Wechsel einer Person von einem Geschlecht zum anderen, indem sie die Charakteristika des anderen Geschlechts übernimmt. 292 Im Rahmen des Gender Design geht man davon aus, dass auch Produkte ihre geschlechtliches Zuweisung ändern können. Dies geschieht häufig bei Produkten, die zunächst exklusiv für ein Geschlecht bestimmt waren und erst mit der Zeit auch für das andere Geschlecht interessant geworden sind. Bestes Beispiel dafür ist die Produktgruppe der Nassrasierer, die lange Zeit allein den Männern vorbehalten war. Heute verwenden aber auch immer mehr Frauen Nassrasierer, sodass im Handel Produkte aufgetaucht sind, die sich speziell an die weiblichen Konsumenten richtet. Im direkten Vergleich erkennt man, wie stark gerade diese Produktgruppe mit Gender Codes belegt ist, das Modell für die Frau ist häufig auch durch den Zusatz „for women“ eindeutig als Abwandlung des Normprodukts gekennzeichnet. Der wirklich interessante Punkt ist aber: funktional unterscheiden sich die beiden Produkte nicht, sie rasieren beide Haare ab. 293 Auch andersherum ist gerade in letzter Zeit das gleiche Phänomen zu beobachten. Wurden Küchengeräte, an dieser Stelle als Beispiel der Pürierstab, in der Vergangenheit häufig mit eindeutig weiblichen Gender Codes belegt, fließende, weiche Formen, helle Farben, finden sich nun immer häufiger auch eindeutig männlich kodierte Pürierstäbe im Handel. Sie haben eine technischere, professionellere Anmutung, bestehen aus Edelstahl und sind in der Farbgebung eher dunkel, wenn nicht sogar schwarz. Hier sollen scheinbar Männer als Käuferschicht für Küchengeräte gewonnen werden, gern auch unterstützt durch einen sogenannten „Profi-Koch“ als Werbefigur, der das vermeintliche Küchenwerkzeug an den Mann bringen soll.

4.2.3. Typisch weibliche Gestaltung?

Deutlich von einander unterscheiden muss man im Kontext Gender Design die Vergeschlechtlichung von Designobjekten durch ihre Gestaltung beziehungsweise ihren Gebrauch und einen vom biologischen Geschlecht des Gestalters abhängigen Designstil. 294 Laut Uta Brandes ist die Annahme, man könne von einem Designobjekt auf das Geschlecht des Designer schließen aber völliger Unsinn und stützt sich allein 291 292 293 294

vgl. Kirkham et al. 1996, S. 5-10 Gender&Design 2006, S. 8 vgl. Gender&Design 2006, S. 13 Gender&Design 2006, S. 11


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auf Stereotype. Interessant sind für sie viel mehr die unterschiedlichen Herangehensweisen an den Designprozess des einzelnen Entwerfers. 295 Sehr wohl hat die Geschlechtsidentität des Entwerfers Einfluss auf seinen Entwurf, dennoch ist es möglich für einen Mann weiblich konnotiertes Design zu entwerfen, genauso wie umgekehrt auch. 296 Wie Gestalterinnen und Gestalter dies tatsächlich sehen, habe ich in meinen Gesprächen abgefragt. Die absolute Mehrheit spricht sich ganz deutlich dagegen aus, dass man von einem Entwurf auf das Geschlecht des Gestalters schließen kann. Man ist vielmehr der Meinung, dass gerade in der Innenarchitektur so bauherrenspezifisch gearbeitet wird und der Nutzer somit immer im Mittelpunkt einer Gestaltung steht. 297 Ein Architekt kann sich zwar vorstellen, dass es so etwas wie weibliche Architektur gibt, er bezieht diese Beobachtung aber eher auf formale Aspekte als auf das Geschlecht des Entwerfers. Demnach braucht weibliche Architektur weniger die große Geste und ist eventuell fließender und einfühlsamer als das männliche Pendant. 298 Nur eine der Befragten sieht es tatsächlich so, dass ihre Gestaltung als weiblich beschrieben werden kann. Sie verwendet hier sogar alle Stereotype, die man sich nur denken kann: ihre Gestaltung sei eher rund, weich und harmonisch. Wobei sie sich aber auch auf Männer einstellen und dann mit klaren Linien entwerfen könne. 299 Einige Gesprächspartner sehen es aber durchaus so, dass es zwar keine geschlechterspezifische Prägung im Ergebnis gibt, wohl aber im Arbeitsprozess.300 Diese weibliche Art zu entwerfen könnte man demzufolge als einfühlsamer, empathischer und intuitiver beschreiben.301 Keiner der Befragten behauptet aber, dass dieser weibliche Arbeitsprozess auch tatsächlich nur von Frauen ausgeübt werden kann, Männern können genauso eher weiblich entwerfen wie Frauen.

4.3. Gender Interior

Das Haus ist die Domäne der Frau, soviel haben wir schon festgestellt. Seit jeher ist die mit der Gestaltung der Wohnung verbunden Schon die Interieurtheoretiker des 19. Jahrhunderts machen eine Veranlagung der Frau für die Inneneinrichtung aus. Einerseits aufgrund des angeblichen weiblichen Gespürs für Komfort und Harmonie, andererseits aber auch aufgrund der herausragenden Leistungen von Frauen 295 296 297 298 299 300 301

Brandes 1998, S. 89 Gender&Design 2006, S. 11 Interviews z.B. js, ab Z. 371; dk, ab Z. 340 Interview sml, ab Z. 601 Interview as, ab Z. 447 Interview db, ab Z. 638 Interview dt, ab Z. 506


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auf diesem Gebiet, was ja schon wieder bemerkenswert ist.302 Dabei hat die Frau eine erstaunliche Entwicklung durchlebt, von einer Position im 19. Jahrhundert, die kaum mehr Wert war als ein Einrichtungsgegenstand, über Jahre, an denen sie von übermächtigen männlichen Gestaltern geradezu an den Webstuhl gefesselt wurde, hin zu einer eigenständigen Spezialistin für die Einrichtung des Hauses.

4.3.1. Gendered Interior - Die Frau als Topfpflanze

Im 19. Jahrhundert sind die Gender Codes noch äußerst festgeschrieben und nirgendwo zeigt sich das besser als im bürgerlichen Wohnen. Wie schon an anderer Stelle beschrieben, herrschen gerade in dieser Zeit noch eine Vielzahl von gesellschaftlichen Zwängen, die das öffentliche sowie das private Leben stark strukturieren. Betrachtet man nun, wie Juliet Kinchin, die zahlreichen, zeitgenössischen Essays über die Inneneinrichtung, bekommt man einen guten Eindruck, allerdings vor allem von der Wunschvorstellung eines männlichen Establishment, dem die meisten dieser Essays entstammen. Wie die Autorin selbst zugibt, sind diese aber kritisch zu hinterfragen, da sie so etwas wie eine Idealvorstellung sind und nicht gesichert ist, dass das gesamte Bürgertum sich dementsprechend eingerichtet hat. Zudem ist auch zu bezweifeln, dass alle bürgerlichen Frauen den Klischees entsprechen, mit denen sie in den Schriften belegt werden. Dennoch hält sich die Vorstellung davon, dass sich die Geschlechterunterschiede in der häuslichen Einrichtung widerspiegeln sollten sehr hartnäckig das gesamte 19. Jahrhundert hindurch.303 Vor allem im bürgerlich vornehmen Haushalt sind die einzelnen Räume des Hauses eindeutig den Geschlechter zugeordnet und zwar entsprechend der Aufteilung der Geschlechter nach außen. In der Gesellschaft des 19. Jahrhunderts ist das öffentliche Leben, die Arbeitswelt dem Mann vorbehalten, der weibliche Bereich beschränkt sich auf den Haushalt. So sind Halle, Bibliothek sowie Arbeits-, Billard-, Raucher-, und nicht zuletzt das Esszimmer männliche Räume, während Boudoir, Musik-, Frühstücks-, Schlaf- sowie Gesellschaftszimmer304 weiblich konnotiert sind. Weibliche Räume sollen leicht, farbenfroh, dekorativ und grazil sein, die Räume für die Männer hingegen seriös, gediegen und von dunklen Farben 302 Bischoff 1999, S. 64 303 Kinchin 1996, S. 24. Kinchin beschreibt die Situation in England, ohne darauf in ihrem Text explizit hinzuweisen. Dass die Zustände auch auf Deutschland oder andere Länder zu übertragen sind, kann man an den Ausführungen von Rossberg ablesen. 304 Kinchin verwendet den englischen Ausdruck drawing room, vom englischen to withdraw - sich zurückziehen. Im Deutschen am besten durch Salon oder wie hier Gesellschaftszimmer wiedergegeben. Siehe: „drawing room“. Oxford Dictionaries. Oxford University Press. http://www.oxforddictionaries.com/ definition/english/drawing-room (Zugriff 09.03.2014). „Drawing-Room“. Duden online Wörterbuch. Bibliographisches Institut. http://www.duden.de/ node/800722/revisions/1135377/view (Zugriff 09.03.2014).


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beherrscht. Der stärkste Kontrast ist zwischen Esszimmer und Gesellschaftszimmer zu beobachten, weshalb im Folgenden auf diese beiden Räume eingegangen wird.305 Die Einrichtung des Esszimmers ist vollkommen auf die Nahrungsaufnahme auszurichten. Die Wahl der Farben sollte an die des Essen erinnern und dazu anregen, ausgiebig zu schlemmen. Hier wird der Mann als Brötchengeber inszeniert und damit alltäglich die strengen hierarchischen Strukturen des Haushalts gefestigt. Die Möbel im Esszimmer orientieren sich am männlichen Körper, beziehungsweise an der stereotypen Vorstellung dessen, sie sind symmetrisch, schwer und groß. Hier soll Understatement herrschen, die Einrichtung ist „for use not for show“. Als Einrichtungsstil der Wahl wird der sogenannte English Style vorgeschlagen. Er unterstreicht die Zugehörigkeit des Mannes zu englischen Kernkultur. Auch diese Zuordnung unterstreicht die männliche Machtposition.306 Nach dem Essen ziehen sich die Frauen in das Gesellschaftszimmer zurück, hier hält man sich in der Gesellschaft seiner Gäste auf. Die Atmosphäre ist lebendig aber kultiviert. Den unverheirateten Frauen der Familie dient der Raum als Bühne, auf der sie sich potentiellen Heiratsanwärtern präsentieren können. Für die Einrichtung des Raumes empfehlen die Autoren es, sich am weiblichen Körper zu orientieren. Die Möbel sollten leicht, tailliert und vor allem kurvenreich sein.307 An anderer Stelle spricht man auch vom Zimmer für die Frau als Raumabguss ihrer selbst. Schon Le Camus de Mézieres empfiehlt 1780 sich bei der Planung von Architektur für die Frau an den Linien des weiblichen Körpers zu orientieren. Man solle dem Raum ruhig auch ansehen, dass er von einer Frau benutzt wird. Der deutsche Autor Otto Mothes sieht es als typisch weiblich an, sich in die Enge zurückziehen zu wollen, das Zimmer für die Frau soll diesem Bedürfnis gerecht werden, damit sie sich hier von dem angeblich verstörenden Aufenthalt in der Außenwelt erholen kann.308 Auch die großzügige Verwendung von Stoffen wird als positiv bewertet. Hier sollen Assoziationen zum Mutterschoß beziehungsweise zu einem Kokon entstehen, die Behaglichkeit und Intimität hervorrufen. Das Gesellschaftszimmer ist oft der am teuersten ausgestattet Raum des Hauses mit einer Vielzahl an Einrichtungsgegenständen und hochwertigen Materialien.309 Im Gegensatz zum englischen Stil in den Räumen des Mannes sollte in den weiblichen Zimmern ein französischer oder orientalischer Stil vorherrschen, dies soll dem weiblichen peripheren Geschmack

305 306 307 308 309

Kinchin 1996, S. 12-13 Kinchin 1996, S. 15-17 Kinchin 1996, S. 13, 15, 19 Rossberg 1999, S. 58-62 Kinchin 1996, S. 21


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am besten repräsentieren und gleichzeitig ihre Unterlegenheit dem Mann gegenüber betonen.310 Als Aktivitäten für den Raum sind nur die als für die Frauen angemessen erachteten häuslichen Arbeiten, besonders jede Form der Handarbeit, vorgesehen. Nach Möglichkeit soll hier auch alles Wissenschaftliche wie Bücher oder Globen vermieden werden.311 Die Frau soll sich gar nicht erst mit irgendeiner Art von Erwerbstätigkeit beschäftigen. So gibt es im Gesellschaftszimmer auch vor allem Sitz- und Liegemöbel als Demonstration des Müßiggangs, der von der bürgerlichen Ehefrau erwartet wird.312 Auch die Kleinteiligkeit des Interieurs sowie die Anhäufung der verschiedensten Gegenständen entspricht dem Bild, das damals von der weiblichen Hirnleistung vorherrschte. Es wurde angenommen, dass Frauen in ihrer Intelligenz limitiert sind und somit auch nicht in der Lage seien, einen größeren Zusammenhang zu erfassen. Überhaupt ist die gesamte Einrichtung des Gesellschaftszimmers dazu geeignet, die Frau klein zu halten und auf ihrem zweitrangigen gesellschaftlichen Platz festzuhalten. Ein Großteil der Autoren stellt es sich so vor, dass die Frau mit dem Interieur ihres Gesellschaftszimmers geradezu verschmilzt. Es wird auch angeregt, die Farbpalette der Einrichtung auf die Farben abzustimmen, die der Hausherrin stehen. Die Frau wird so zum Teil der Einrichtung, sie wird depersonalisiert und objektiviziert. In der Assoziation der Frau mit dem Natürlichen, das aber nur für das Leben im Haus bestimmt ist, findet sich in der Topfpflanze das perfekte Bild der domestizierten Weiblichkeit. Die Frau wird hier als die harmonisierende Instanz betrachtet, die dem hart arbeitenden Mann unterstützt, gar zivilisiert.313 Sie wird reduziert auf die mütterliche Rolle des Heim Bietens und Erhaltens. Aus diesem Grund wird auch die runde Form als die adäquate Form für die weibliche Einrichtung angesehen, sie symbolisiert alles Mütterliche, die Brüste, die Eizelle, den Bauch und nicht zuletzt den Zyklus.314

4.3.2. Die Frau als Gestalterin ihrer Umwelt

Erst nach dem ersten Weltkrieg erhalten die Frauen erstmals die Gelegenheit konkret auf ihre eigenen Lebensumstände einzuwirken.315 Ist die Frau im 19. Jahrhundert noch in erster Linie Opfer der Umstände beziehungsweise der männlichen Vorstellung, wo ihr Platz in der Welt sei, verändert sich ihre Rolle, beginnend in den 1850er Jahren, massiv. In dieser Zeit kann man die Entstehung der durchschnitt310 311 312 313 314 315

Kinchin 1996, S. 16 Kinchin 1996, S. 14 Rossberg 1999, S. 59 Kinchin 1996, S. 20-22 Rossberg 1999, S. 65-66 Ravetz 1995, S. 194


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lichen Hausfrau festmachen. Es ist der Wendepunkt, an dem die Dame der Mittelund Oberschicht ihre Bediensteten verliert und die Hausfrau der Arbeiterschicht endlich mehr Raum zum Leben für sich und ihre Familie erlangt. Zwei lang gehegte Stereotype verschwinden und nähern sich in der Figur der Durchschnittshausfrau an. Dadurch dass die Beschäftigung von Bediensteten abgeschafft wird, stellen sich für die Hausfrau der Mittelschicht ganz neue Aufgaben, denn sie ist dazu angehalten, den gewohnten Standard weiter aufrecht zu erhalten. Es entstehen erste Überlegungen dazu, wie das Haus gestaltet sein sollte, um der Frau Arbeit zu ersparen. Im 19. Jahrhundert sind diese Gedanken noch vom technischen Interesse der Männer bestimmt. Nach dem ersten Weltkrieg bildet sich schließlich in Großbritannien eine Unterkommission des Ministeriums für Wiederaufbau, in der erstmals explizit Frauen daran arbeiten, neue Lösungen für die Nachkriegsbebauung zu entwickeln und zwar mit besonderem Augenmerk auf die Annehmlichkeiten für die Hausfrau. Die Kommission beschließt, dass auch zukünftig Frauen als Experten für das häusliche Wohnen eingesetzt werden sollten. Ihre Forderungen für den Hausbau der Nachkriegszeit erscheinen aus heutiger Sicht noch recht simpel: günstiger Strom und warmes Wasser soll zur Verfügung stehen und leicht zu reinigen soll das Haus sein. Die Kommission übt zudem umfangreiche Kritik an schon bestehenden Plänen für die Nachkriegsbebauung der Kommunalverwaltung, da dies aber von der männlich besetzten Verwaltung als Angriff auf ihre Fachkompetenz verstanden wird, werden große Teile des Berichts schließlich gar nicht veröffentlicht. Nichtsdestotrotz ist diese Kommission als erster große Eingriff der Frau in die Gestaltung ihres eigenen Lebensumfelds zu verstehen.316 Dies kann einerseits als großer Durchbruch auf dem Weg hin zu Selbstbestimmung der Frau gesehen werden, auf der anderen Seite begründet die Kommission wohl möglich auch das häufig angenommene Expertentum der Frau für alles Häusliche. Solange die Frau noch in ihrem Wirkungskreis auf das Heim beschränkt ist, ist es noch recht und billig, sie auch aktiv an dessen Gestaltung teilhaben zu lassen. Dass so aber auch ein ganzer Berufszweig weiblich konnotiert wurde, ist nicht von der Hand zu weisen. Noch heute gibt es so Teilbereiche der Gestaltungsdisziplinen, eben nicht zuletzt das der Innenarchitektur, die eindeutig weiblich besetzt sind.

316

Ravetz 1995, S. 189-196


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4.4. Frauen im Design

Uta Brandes benutzt für die Unterscheidung in eher männliche und eher weibliche Bereich des Design die Begriffe harte und weiche Disziplinen. Wie nicht anders zu erwarten, sind die harten Disziplinen die männlichen, technisch-innovativen Bereiche, sie stehen in der Bewertungshierarchie oben. Auf der anderen Seite sind die sogenannten haushaltsnahen Bereiche weiblich besetzt.317 So sind laut Brandes Produkt- und Industriedesign deutlich männlich dominiert, während Mode- und Objektdesign bevorzugt von Frauen gewählt werden.318 Aus einem Grund, auf den ich später noch einmal zu sprechen komme, haben diese weichen Bereiche erstaunlich oft mit Textilien zu tun. Brandes empört sich darüber, dass diese Aufteilung der Designdisziplinen einer höchst skandalösen sozialen Konstruktion der Geschlechter zugrunde liegt. Die Frau wird so auf den häuslichen Lebensraum beschränkt, während dem Mann der öffentliche und wirtschaftlich einträgliche Außenraum zur Verfügung steht. In diesem Zusammenhang spricht Brandes auch das Phänomen der Professionalisierung an. Nämlich immer dann, wenn zuvor weiblich und häuslich konnotierte Aufgaben sozial und wirtschaftlich relevant werden, gehen sie zu einem männlichen Beruf über. Als Beispiel nennt Brandes den Profikoch oder den erfolgreichen Designer, der Haushaltsgeräte entwirft.319 Spinnt man den Faden weiter, findet man aber noch andere Berufe, auf die das Phänomen zutrifft: der Modedesigner, der High-Society-Friseur oder der Dessur-Reiter.320 Uta Brandes sieht Frauen im Design heute mit kritischem Blick, in ihren Augen herrscht gerade bei den jungen Studentinnen ein Klima der Verleugnung und Selbstlegitimation. Sie beobachtet, dass die Studentinnen ihre Wahl für einen „typisch“ weiblichen Fachbereich häufig mit einem rein zufällig entstandenen Interesse zu legitimieren versuchen. Überhaupt wünschten sich die Studentinnen in erster Linie Normalität, sie möchten ihre Stellung nicht mehr diskutieren, sondern mit dem gleichen Selbstverständnis studieren wie ihre männlichen Kommilitonen. Ähnlich gelagert sind laut Brandes auch die Beweggründe, die Designerinnen dazu bringen, „typisch weibliche“ Disziplinen zu wählen. Zum einen kann man den Frauen Bequemlichkeit unterstellen, sie greifen so auf vertraute Dinge zurück und entsprechen der Rolle, die sie erlernt haben. Es können aber auch wirtschaftliche Gründe hinter einer solchen Entscheidung stecken. Bei einigen Frauen herrscht die pragmatische Einsicht vor, dass man es als Frau in einer solchen Disziplin einfach 317 318 319 320

Brandes 1998, S. 83 Brandes 1998, S. 173 Brandes 1998, S. 87 siehe auch: Interview ja, ab Z. 34


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weiter bringen kann, ohne sich stets und ständig selbst behaupten zu müssen.321 Häufig wird den Frauen in den weichen Disziplinen nämlich auch per se Kompetenz unterstellt.322

4.4.1. Ergänzungen zur Geschichte - Frauen an den Webstuhl!

Laut Walker323 gibt es bis ins 19. Jahrhundert hinein zwei Möglichkeiten, um Architekt324 zu werden, entweder man erlernt das Bauhandwerk oder man nähert sich über eine amateurhaftes Selbststudium an. Gerade für Frauen ergibt sich so die Möglichkeit sich gesellschaftlich akzeptiert mit der Architektur zu beschäftigen. Das Selbststudium ermöglicht es ihnen, in den Grenzen ihrer häuslichen Lebenswelt dem Interesse nachzugehen, wenn sie der Oberschicht angehören und sich diese Beschäftigung leisten können. Vor allem in der Zeit der Aufklärung gilt das Ausgestalten von Räumen als den weiblichen Fähigkeiten angemessene Tätigkeit, beliebte Motive sind hier die Gestaltung sogenannter Rokokogrotten mit Muschelwerk. Hier gehört scheinbar nicht nur der Entwurf der Raumgestaltung sondern auch dessen handwerkliche Ausführung zur Tätigkeit der Frau. Unter den Damen der Ober- und Mittelschicht gilt die Beschäftigung mit der Architektur immer dann als schick, wenn sie eine gewisse Philanthropie beinhaltet. Die philanthropische Handlung wird als typisch weiblich angesehen, da die Frau mit einer überlegenen Moral und einer spirituellen Natur in Verbindung gebracht wird. So arbeiten sie vornehmlich in der häuslichen Umgebung, in der sie beispielsweise an der Verbesserung der Bedienstetenunterkünfte arbeiten. Oder sie versuchen sich am Entwurf von Kirchen, Kapellen und Grabmälern für die Familie.325 Ab Mitte des 19. Jahrhunderts gibt es erstmals eine größere Zahl an alleinstehenden Frauen, die zwar ungelernt sind, aber dennoch selbst für ihren Unterhalt sorgen müssen. Sie finden oft in untergeordneten Positionen in den Büros und Unternehmen der männlich dominierten Arbeitswelt, so auch in den Architekturbüros, Beschäftigung. Hier werden sie mit Aufgaben bedacht, die angeblich ihren eingeschränkten weiblichen Fähigkeiten entsprechen oder für die sie aufgrund ihres Gemüts als prädestiniert erscheinen. Wie sie es vom Sticken schon kennen, werden ihnen Arbeiten aufgetragen, die einen repetitiven Charakter haben, aber 321 vgl. hierzu auch Beauvoir 2013, S. 17-18 322 vgl. Brandes 1998, S. 84-86 323 Walker bezieht sich hier auf die Situation in Großbritannien. 324 Das Thema Frauen in der Architektur und Frauen im Design bzw. im Kunstgewerbe sind relativ gut erforscht, bezüglich der Architektur könnte man sogar sagen: nahezu erschöpfend. Zum Thema Frauen in der Innenarchitektur hingegen gibt es kaum spezialisierte Texte. Aus dem Spannungsfeld Architektur und Design muss so nun auf die Innenarchitektur abgeleitet werden. 325 Walker 1995, S. 92-94


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eine saubere und detailgenaue Arbeit erfordern: das Abzeichnen von Plänen und anderen architektonischen Zeichnungen. Dies ist eine zwar notwendige Arbeit in den Architekturbüros der Zeit, aber auch die langwierigste und am schlechtesten bezahlte. Einen weiteren Vorstoß in die männliche Arbeitswelt gelingt den Frauen mit dem Married Women‘s Property Acts im Jahr 1870. Verheiratete Frauen werden nun nicht mehr als Eigentum ihres Mannes angesehen, sondern können auch selbstständig Verträge abschließen, sodass sie nun auch einer Erwerbstätigkeit nachgehen können. Natürlich geht dies nicht ohne die Kritik der Männer einher, sie befürchten einen Angriff auf ihre angestammte Machtposition. Auch vermeintliche Unterstützer der Frauen, wie der Arts-and-Crafts-Architekt Charles Harrison Townsend, die die Arbeit der Frauen in der Architektur fördern, halten doch an ihren Vorurteilen darüber fest, welche Arbeiten für Frauen angemessen sind und welche nicht.326 In seinem Artikel „Women as Architects“ 327 bemängelt er, dass die weibliche Kleidung beispielsweise nicht für den Aufenthalt auf einer Baustelle geeignet sei. Und da die Frau nicht auf Gerüste klettern könne, solle sie doch besser am Zeichentisch bleiben. Er beschreibt hier auch Tätigkeiten, die aus heutiger Sicht typische Aufgaben für einen Innenarchitekten sind: neben dem Anfertigen von Detailplänen und perspektivischen Zeichnungen auch das Anlegen von Farbschemen für die Dekoration. Um Frauen einen tieferen Zugang zur Profession des Architekten weiter zu erschweren, werden häufig sogenannte „women-clerks rooms“ angelegt. Auch durch die räumliche Trennung sollen Frauen auf die ihnen zugetrauten Arbeiten beschränkt werden und keinesfalls in den tatsächlichen Gebäudeentwurf eingreifen.328 Die erste Architektin, die in das Royal Institute of British Americans aufgenommen wird ist dann auch erst 1989 Ethel Charles, sechzig Jahre nach Gründung des Verbandes. Doch auch Ethel Charles schafft es Zeit ihres Lebens nicht aus dem sogenannten „domestic ghetto“ heraus, sie baut fast ausschließlich einfache Wohnhäuser, oft auch gerade für weibliche Kunden. Nur wenige Frauen folgen direkt auf Charles. Frauen werden weiterhin als Eindringlinge in die männliche Arbeitswelt angesehen.329 Neben der Arbeit in den Architekturbüros wird im späten 19. Jahrhundert auch die dekorative Kunst innerhalb der Gebäude als weibliches Tätigkeitsfeld anerkannt.330 Dies passt auch zu der althergebrachten Hierarchie zwischen Mann und Frau, da die dekorativen Künste in ihrem Ansehen deutlich unter dem der Architektur stehen. Gerade durch ihre Erfahrung im Haushalt wird der Frau auch die Inneneinrichtung zugetraut. 326 327 328 329 330

Walker 1995, S. 93-97 in: British Architect, 31.12.1886, Vol. 26, S. viii Walker 1995, S. 97 Walker 1995, S. 99-100 siehe die Werdegänge von Edith Wharton und Elsie de Wolfe


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Dies dient natürlich nicht unbedingt der Emanzipation der Frau, sondern eher der Verstärkung der kulturellen Stereotype, die ihren Höhepunkt im sogenannten „House Beautiful“-Kult des ausgehenden 19. Jahrhunderts findet. In dieser Zeit erscheinen zahlreiche Wohnratgeber, die sich speziell an die Frau richten und ihr aufzeigen, wie sie ihr Heim richtig zu führen und zu gestalten hat, um als gute Hausfrau zu gelten.331 An dieser Stelle sei auch nochmals auf Edith Whartons „The Decoration of Houses“, sowie auf das zwar etwas später erschienene, aber dennoch in die Thematik passende Buch von Elsie de Wolfe „The House in good taste“ verwiesen. Letztendlich hat sich bis heute an der Situation speziell in der Architektur nichts geändert. Sie ist nach wie vor ein männlich dominiertes Feld, wird mehrheitlich von Männern unterrichtet. Es fehlt aber in erster Linie an weiblichen Vorbildern in der Branche, noch herrscht das Bild der männlichen Kultfigur vor.332 Es scheint so, als sei den Frauen gern das Feld der häuslichen Inneneinrichtung überlassen worden, um das Kerngeschäft der Architektur in männlicher Hand zu behalten. Die Ergebnisse der weiblichen Arbeit gelten lange als dilettantisch, sie werden als Handarbeiten abgetan und sind keinesfalls dem Handwerk oder gar der Kunst ebenbürtig. Ein gern genommenes Vorurteil ist es, dass die Handarbeiten der „Ausfluss“ des weiblichen Wesens, also ein natürlicher Teil ihrer selbst seien. Es entsteht so eine Abgrenzung der Frauenkunst von der „Kunst an sich“.333 Laut einer angeblichen geschlechterspezifischen Begabung wird den Männern eher ein Talent für das Dreidimensionale zugesprochen, während Frauen aufgrund ihrer mangelnden räumlichen Vorstellungskraft besser für die Arbeit auf der Fläche geeignet sind.334 Als Frauenarbeit schlechthin gilt deshalb neben dem Weben das Sticken, ihm wird nicht einmal mehr eine handwerkliche Qualität beigemessen. Hatte die Stickerei bis zur Renaissance noch einen ähnlichen Stellenwert wie die Malerei, dient sie im 19. Jahrhundert vor allem dazu Mädchen auf ihre Rolle als Frau vorzubereiten. Eine Aufwertung erfährt die Stickerei mit der Arts-and-Crafts-Bewegung und William Morris, er begeistert sich sehr für textile Arbeiten. Doch auch wenn diese Tendenzen von Gestaltern wie van de Velde und Behrens aufgegriffen werden, bleibt es doch bei der klassischen Rollenverteilung: der Mann entwirft, die Frau führt aus.335

331 332 333 334 335

Walker 1995, S. 98 Walker 1995, S. 102-103 Droste 1989, S. 175-176. vgl. Beauvoir: die Frau als das Andere, der Mann als das Eine. Pallowski 1989, S. 13 Droste 1989, S. 179


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In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kommen auch in Deutschland erstmals Bestrebungen auf, Frauen aktiv an der Arbeitswelt teilhaben zu lassen. Auf der ersten allgemeinen deutschen Frauenkonferenz in Leipzig, einberufen von Luise Otto-Peters, im Jahr 1865 wird das Recht auf Arbeit für die Frau gefordert. 1867 gründet sich der erste weibliche Berufsverband, der Verein Berliner Künstlerinnen, der vor allem dafür eintritt, dass Frauen zu Ausbildung an den Akademien zugelassen werden. Dieses Recht wird schließlich 1919 zusammen mit dem Frauenwahlrecht gewährt.336 So werden auch von Beginn an Frauen am Bauhaus in Weimar zugelassen, anfangs sind sogar rund die Hälfte der Studierenden weiblich. Gropius fordert 1919 dazu auf, keine Unterschiede zwischen den Geschlechtern zu machen. Schon kurze Zeit später werden aber spezielle Frauenklassen eingeführt und bald schon ist die Textilabteilung praktisch identisch mit den Frauenklassen. Auch am Bauhaus entsteht so schnell die Aufteilung: Männer in der Gestaltung und der Architektur, Frauen im Kunstgewerbe, am liebsten im Textilbereich, am Webstuhl.337 Etwas anders verläuft die Entwicklung an der Burg Giebichenstein in Halle. Bereits 1916 wird hier eine „Fachklasse für kunstgewerbliche Frauenarbeit“ unter der Leitung der in Wien ausgebildeten Maria Likarz eingerichtet. Schulleiter Thiersch möchte mit der Fachklasse gegen den weit verbreiteten Dilettantismus in der Frauenarbeit vorgehen und so die Arbeit der Frau professionalisieren. Die Fachklasse deckt neben dem unausweichlichen, textilen Bereich, wie üblich, es wird Sticken, Weben, Teppich knüpfen gelehrt, auch zahlreiche andere Kurse, wie Buch-, Plakat-, Schmuck- oder Gefäßgestaltung, ab.338 Die Zeit des Nationalsozialismus kann an der Rollenverteilung, wie nicht anders zu erwarten, auch nichts ändern. Immerhin wird der Frau zu dieser Zeit ein höherer Stellenwert eingeräumt. Hochstilisiert zur Hüterin des Heimes wird sie so auch zur Hüterin der Rasse und des Geschmacks. Sie ist es, die das „deutsche Heim“ mit Gegenständen einzurichten weiß, die die „deutschen Werte“ vermitteln. Das Kunstgewerbe erfährt in der NS-Zeit ebenfalls eine Aufwertung. Um den Volksgeschmack zu vereinheitlichen und nicht zuletzt um die Wirtschaft zu stärken, wird das Kunsthandwerk zur Volkskunst erhoben, und mit ihr die Frau zur Hüterin dieser Volkskunst. Doch auch in dieser Zeit ist das Gebiet, dass am besten den weiblichen Fähigkeiten zu entsprechen scheint, alles was mit Textilien zu tun hat.339

336 337 338 339

vgl. Droste 1989, S. 175-178 vgl. Droste 1989, S. 188-190 Schneider 1993, S. 123 vgl. Weißler 1989, S. 234-241


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Es zeigt sich also, dass bei allen Tendenzen der Frau, auch aus den politischen Frauenbewegungen heraus, ihre Arbeit zu professionalisieren immer wieder Männer, oder auch andere Frauen, die, aus welchen Gründen auch immer, den Status Quo bewahren wollen, im Weg standen. Vor allem die Beschränkung der weiblichen Tätigkeit, man möchte fast meinen: auf den Webstuhl, marginalisierte ihre Errungenschaften. Letzten Endes geht es immer wieder um die Formel: Kunst gegen Dekoration, intellektuelle Schöpfung gegen handwerkliches Nacharbeiten.340 Vielleicht auch Architektur gegen Innenarchitektur?!

4.4.2. Protagonistinnen

Schon im vorherigen Kapitel wurden mit de Wolfe und Wharton zwei Frauen vorgestellt, die als Protagonistinnen für die Innenarchitektur stehen können. Auch an dieser Stelle soll wieder Leben und Werk zweier Frauen besprochen werden, die allerdings eher im Hinblick auf das Thema Gender Design interessant sind. Zum einen ist da Lilly Reich, der es nie so ganz gelungen ist aus dem Schatten ihres dominanten Partners Ludwig Mies van der Rohe herauszutreten. Zum anderen betrachten wir Eileen Grays Leben und Arbeiten näher, die Zeit ihres Lebens unabhängig von den Männern bleiben wollte, es aber auch nicht so ganz schaffte. Gerade in letzter Zeit kam die Diskussion über die Rolle der Frauen insbesondere in Bürogemeinschaften wieder auf. Die Gruppe „Women in Design“ der Harvard Graduate School of Design veröffentlichte eine Petition, mit der sie die Jury des weltweit anerkannten Architekturpreis Pritzker Prize dazu aufforderte, den 1991 an Robert Venturi verliehenen Preis auch auf dessen Büropartnerin und Ehefrau Denis Scott Brown zu erweitern. Deren herausragende Rolle im Schaffen Venturis wurde seinerzeit zwar in der Verleihungsbegründung erkannt, es kam aber scheinbar niemand auf die Idee, den Preis an beide zusammen zu verleihen. Tatsächlich wurde der Preis lange Zeit nur an einen einzelnen Architekten vergeben, die Auflage wurde erst 2001 mit der Verleihung an Jacques Herzog und Pierre de Meuron abgeschafft. Und es dauerte nochmals drei Jahre bis der Preis erstmals an eine Frau, nämlich Zaha Hadid, vergeben wurde. Scott Brown war schon damals erbost darüber, übergangen wurde zu sein, sie nahm nicht einmal an der Verleihungszeremonie für ihren Ehemann teil. Sie hat sich niemals als untergeordnete Angestelltes ihres Mannes betrachtet, in ihren Augen sind sie Partner, die die Projekte gemeinsam erarbeiten und gemeinsam unterrichten. 340

vgl. Bischoff 1999, S. 11


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Sie sagt ganz offen, das Pritzker Prize Komitee schuldet ihr eine Aufnahmezeremonie.341 Lilly Reich ereilte ein ganz ähnliches Schicksal, das im Folgenden näher betrachtet werden soll. Scott Browns Glück ist, dass sie vermutlich nie so in Vergessenheit geraten wird wie Reich. Auch andere Gestalterinnen hätten an dieser Stelle besprochen werden können. Interessant wäre sicher auch das Leben und Werk von Charlotte Eiermann gewesen. Leider gibt es über sie nicht viel mehr in Erfahrung zu bringen außer, dass sie, die 1912 geboren wurde, die Arbeit als Innenarchitektin im Büro ihres Ehemanns Egon Eiermann erlernt hat und später auch selbstständig tätig war. Unter anderem richtet sie 1956 Musterwohnungen anlässlich der Interbau in Berlin ein. Wie schon an andere Stelle erwähnt leitet sie zudem ab 1959 die Wohnberatung des Deutschen Werkbundes in Berlin.342 Sie hat aber anscheinend das Schicksal ereilt, gegen das Denis Scott Brown sich zu vehement zur Wehr setzt. Eiermann steht völlig im Schatten ihres äußerst erfolgreichen Mannes Egon. Über sie gibt es nicht einmal einen Wikipediaeintrag, geschweige denn wissenschaftliche Publikationen.

4.4.2.1. Lilly Reich

Nach einer Ausbildung zur Kurbelstickerin, was man heute vermutlich als Maschinenstickerin bezeichnen würde, arbeitet Reich ab 1908 in der Wiener Werkstätte von Josef Hermann mit. 1912 wird sie Mitglied im Deutschen Werkbund, wo sie 1920 als erste Frau in den Vorstand gewählt wird.343 Bereits 1911 eröffnet Reich ihr eigenes Atelier für Innenraumgestaltung, Dekorationskunst und Mode in Berlin.344 Hier sind ihre ersten Aufträge Raumausstattungen für einfache aber praktische Mietwohnungen. In den wirtschaftlich schlechten Zeiten nach dem 1. Weltkrieg richtet sie ihr Atelier kurzerhand auf die Schneiderei aus und passt sich so den Gegebenheiten der Zeit an. 1924 zieht sie mit ihrem Atelier kurzzeitig nach Frankfurt um, um sich auf Ausstellungsgestaltung und Mode zu spezialisieren. Hier lernt sie auch Ludwig Mies von der Rohe kennen. Ab 1927 ist sie mit ihrem Atelier wieder in Berlin und arbeitet ab jetzt eng mit van der Rohe zusammen. Sie entwirft vor allem die Innenarchitektur für viele seiner Häuser, wie zum Beispiel schon 1927 die Einrichtung des von van der Rohe entworfenen Mietshausblock für die Weissenhofsiedlung auf der Stuttgarter Werkbundausstel341 342 343 344

vgl. Pogrebin 2013 Frauen im Design Bd. 2 1989, S. 348-349 Günther 1988, S. 9-10 Frauen im Design Bd. 1 1989, S. 74


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lung.345 Auch hier gestaltet Reich, wie bei ihren ersten Projekten, keinen Luxus, sondern eine Einrichtung, die sich die breite Bevölkerung leisten kann. Bekannt wird Lilly Reich insbesondere für ihre Ausstellungsgestaltungen. Schon 1927 in Stuttgart ist ihr Hauptanteil an der Ausstellung nicht die Einrichtung des architektonischen Beitrags van der Rohes, sondern die Gestaltung der Ausstellungshallen. Als Höhepunkt ihres Schaffens wird ihre Beteiligung an der Ausstellung „Die Wohnung unserer Zeit“ in Berlin 1931 im Rahmen der Bauausstellung genannt. Hier zeichnet sie für zwei kleine Wohnungen in einem Boardinghaus, ein Erdgeschosshaus und eine Materialschau verantwortlich. Auch bei der Internationalen Ausstellung 1933 in Barcelona ist Reich für die deutsche Abteilung als künstlerische Leiterin zuständig. Der Auftrag ist so umfangreich, dass sie sogar neue Büroflächen anmieten muss, um ihm gerecht zu werden. Dennoch bleibt die Ausstellung in erster Linie aufgrund des von van der Rohe gestalteten Pavillons in bleibender Erinnerung.346 Als letzten großen Auftrag gestaltet sie 1937 schließlich die Abteilung „Textilindustrie“ auf der Internationalen Ausstellung für Kunst und Technik in Paris.347 Von 1932 bis 1933 ist sie kurzzeitig die Leitern der Weberei und der Ausbau-Abteilung am Bauhaus in Dessau, später in Berlin, bis sie ihres Amtes enthoben wird.348 Hier hat sie teilweise einen schweren Stand als einzige Frau in einem ansonsten männlichen Kollegium. Ihre resolute Art und ihr Durchsetzungsvermögen wird ihr hier als unweiblich zur Last gelegt.349 Nach dem Krieg führt Reich erneut ein Atelier für Architektur, Design, Textilien und Mode in Berlin. Ab 1945 unterrichtet sie auch wieder, diesmal an der Hochschule der Bildenden Künste in Berlin. Doch bereits 1947 verstirbt sie.350 Bekannt wird Reich in erster Linie als angebliche Büropartnerin van der Rohes, entsprechend dem zeitgenössischen Bild der Frau als Muse des männlichen Genies oder Organisatorin, die hinter ihren erfolgreichen Mann zurücktritt. In Wahrheit hat Reich aber immer ein eigenes Atelier, in dem sie auch eigenständige Aufträge bearbeitet, Reich und van der Rohe arbeiten lediglich bei zahlreichen Projekten eng zusammen. Nicht zu vergessen ist aber, dass Reich schon bevor sie van der Rohe überhaupt trifft, eine gewissen Bekanntheit erlangt und immerhin schon zwanzig Jahre selbstständige Berufserfahrung vorzuweisen hat.351 Im umfangreichen Werk über die Geschichte der Innengestaltung ist dem Autor Pile Lilly Reich kein eigenes Kapitel wert. Sie wird lediglich kurz im Text über van der Rohe erwähnt. Pile gesteht ihr die Mitarbeit an Projekten van der Rohes zu so345 346 347 348 349 350 351

Günther 1988, S. 7-18 Günther 1988, S. 20-23 Günther 1988, S. 58 Frauen im Design 1989, S. 74, Günther 1988, S. 7 Günther 1988, S. 56 Günther 1988, S. 7 vgl. Günther 1988, S. 14-15


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wie ihre Teilhabe an der Entwicklung einiger Möbel, dies könne aber nur vermutet werden.352 Auch andere Historiker sehen Reich immer eher in der zweiten Reihe hinter Mies van der Rohe. Philip Johnson beschreibt sie als Mitarbeiterin in van der Rohes Atelier. Hubert Hoffmann degradiert sie zu einer Art Geschäftsführerin, unterschlägt also jegliche eigenständige gestalterische Arbeit.353 Nicht ganz unschuldig an der mangelnden Rezeption von Reichs Werk ist vermutlich van der Rohe selbst. Hat Reich geistesgegenwärtig noch zu Beginn des zweiten Weltkrieges zahlreiche Unterlagen aus ihrem und van der Rohes Büro zu einem befreundeten Architekten in Thüringen in Sicherheit gebracht, interessierte sich van der Rohe nie für die zu ihm in die USA nachgelieferten Kisten mit den Arbeiten Reichs. Tatsächlich hat er es aber Lilly Reich zu verdanken, dass die meisten Arbeiten aus seinem Berliner Atelier überhaupt erhalten geblieben sind. Reichs Arbeiten hingegen werden erst in den achtziger Jahren im New Yorker Museum of Modern Art erstmals gesichtet.354 Dies ist insbesondere deshalb empörend, da van der Rohe bei seinen eigenen Arbeiten geradezu peinlich genau auf die Art und Weise der Veröffentlichung achtet. Alle Fotografien seiner Häuser macht er selbst und erlaubt es auch nicht, irgendwelche anderen Bilder seiner Entwürfe zu publizieren.355 Aus heutiger Sicht scheint man sich einig zu sein, dass Reich eine große Rolle im Leben und im Werk van der Rohes gespielt hat. Man vermutet, dass sie die einzige Frau ist, deren Urteil ihm je etwas bedeutet hat. Sicher ist aber, dass er keiner andere Frau einen so herausragenden Platz in seinem Privat- wie in seinem Arbeitsleben eingeräumt hat. Dennoch scheint van der Rohe mit seiner Übersiedlung in die USA zu Beginn der Naziherrschaft Reich vergessen zu haben, hier fängt er ein neues Leben und eine neue berufliche Karriere mit einer neuen Frau an seiner Seite an. So verwundert es auch nicht, dass kein Gespräch dokumentiert ist, in dem van der Rohe jemals über seine Zusammenarbeit mit Lilly Reich gesprochen hat.356 Problematisch ist die Frage bei der Urheberschaft zwischen Mies und Reich aber dennoch. Dies vor allem, da ein großer Teil des Nachlasses von Lilly Reich nach ihrem Tod in den Nachlass von van der Rohe einsortiert wurde, obwohl sie ja immer ein eigenes Büro hatte. Somit ist die Zuordnung stellenweise äußerst schwierig.357 Demzufolge ist auch nicht geklärt, was genau Reich zu den Entwürfen van der Rohes beiträgt. Oft ist es aber so, dass Reich in der von van der Rohe bevorzugten 352 353 354 355 356 357

vgl. Pile 2000, S. 274 Günther 1988, S. 14 Lange 2006, S. 97 Lange 2006, S. 12 vgl. Lange 2006, S. 97-98 Günther 1988, S. 7


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gläsernen Architektur großzügig Textilien einsetzt, um bestimmte Stimmungen zu schaffen. Sie verwendet häufig dünne Stores vor den Fenstern, die ein diffuses Licht schaffen, indem sie einerseits tagsüber das grelle Sonnenlicht dämpfen, aber andererseits nachts noch die Lichter der Stadt durchscheinen lassen.358 Man könnte also auch sagen, dass Reich wiederum ihrer stereotypen weiblichen Rolle gerecht wird und die kühlen, modernen Entwürfe van der Rohes weicher, ja weiblicher macht. Betrachtet man insbesondere Reichs Entwürfe für die Berliner Bauausstellung 1931 stellt man fest, dass sie in der Aufteilung der Innenräume nach ähnlichen Prinzipien vorgeht wie van der Rohe. Sie schafft keine abgegrenzten Raumkammern, sondern teilt den Wohnraum mithilfe von Möbeln auf, ähnlichen den fließenden Räumen in van der Rohes Haus Tugendhat oder dem Barcelona-Pavillon. Dennoch werden Reichs und van der Rohes Arbeitsweisen an einem Entwurf häufig als völlig unterschiedlich beschrieben. Mies zeichnet unheimlich viel, Reich diskutiert lieber und klärt am Modell. Von ihr gibt es kaum Skizzen, nur fertige Zeichnungen. Es kann also durchaus sein, dass die beiden durch diese Techniken Entwürfe tatsächlich gemeinsam erarbeitet haben. Mies zeichnet im Gespräch mit Reich, die den Grobentwurf dann am Modell konkretisiert und schließlich ins Reine zeichnet.359 Aus dem gleichen Grund ist auch unklar, warum die Frage nach der Urheberschaft derart im Vordergrund steht. Wie in einer Bürogemeinschaft oder in jeder Zusammenarbeit zwischen zwei Entwerfern üblich, entstehen viele Entwürfe von Reich und van der Rohe gemeinsam, die Urheberschaft kann also im Nachhinein teils nicht einmal vom am Entwurf Beteiligten klar zugeordnet werden. Im Prinzip tut es auch nichts zur Sache. Um Lilly Reich gerecht zu werden, würde es schon reichen, sie als eigenständige Gestalterin anzuerkennen, als ebenbürtige Partnerin Ludwig Mies van der Rohes.

4.4.2.2. Eileen Gray

Gray wird 1878 in Irland in reichem Hause geboren. Nach einer spärlichen Schulbildung durch Privatlehrer beginnt sie 1901 ein Kunststudium in London, doch schon 1902 wechselt sie an eine Akademie in Paris.360 Da sie wenig Talent hat, ist sie bald gelangweilt vom Zeichnen, so beginnt sie 1906 spontan eine Lehre bei dem Lackkunstmeister Sugawara aus Japan. Gray, die den französischen Historismus 358 Günther 1988, S. 22 359 vgl. Lange 2006, S. 101 360 Adam 1990, S. 11,14,21,26. Adam ist Grays Biograph, er gibt den umfangreichsten Einblick in ihr Leben, teils erzählt er aus erster Hand durch zahlreiche Gespräche mit Gray persönlich. Da ihn auch die meisten Autoren als Quelle nennen, dient er auch hier als einzige.


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der Zeit ablehnt, kann mit dem Lack als Material einen strengeren, schmuckloseren Stil umsetzen, der ihr mehr zusagt als der figurative Jugendstil.361 1910 hat sie sich mit einer eigenen Möbeltischlerei, in der ihre Entwürfe ausgeführt werden, Sugawaras Lackatelier sowie einer Weberei, in der Teppiche in den abstrakten Designs von Gray gearbeitet werden, bereits ein kleines Imperium aufgebaut.362 Kann Gray schon vor dem Krieg einige Möbel verkaufen, beginnt ihre Blütezeit nach dem ersten Weltkrieg. Mit dem wachsenden Wohlstand beginnen die Menschen sich neu einzurichten, sodass Gray 1919 den ersten Auftrag für eine komplette Innengestaltung einer Wohnung erhält.363 Für diese Wohnungseinrichtung entwirft sie eigens Möbel, zudem setzt sie selbst angefertigte Lackarbeiten, wie einen Wandschirm sowie eine komplette Wandverkleidung aus Lackpanelen ein. Sie versucht Innengestaltung und Möbel zu einem harmonischen Ganzen zusammenzufassen.364 Ihre Bemühungen als Innenarchitektin nehmen noch zu als sie 1921 ihre erste eigene Galerie in Paris eröffnet. Hier bietet sie ihre eigenen Möbelentwürfe und Lackarbeiten zum Verkauf an, nimmt aber auch Aufträge zur Inneneinrichtung von Wohnungen an. Gray ist damit keineswegs eine Pionierin auf dem Gebiet der Innenarchitektur, Elsie de Wolfe soll sogar zu ihr gesagt haben: „Du bist zu spät, meine Liebe, das Gebiet der Innendekoration ist überfüllt.“ Tatsächlich bleibt die Innenarchitektin aber in Frankreich, im Gegensatz zu den USA, eine Ausnahme.365 Gray wendet sich im Laufe der Zeit immer weiter der Architektur zu, auch weil die Geschäfte in der Galerie schleppend laufen, Gray hat kein Talent für die Betreuung ihrer reichen und anspruchsvollen Kundschaft.366 Dennoch wird sie gerade von Kollegen als eine der besten Gestalterinnen Frankreichs bezeichnet. Dies vor allem nachdem sie beim Salon des Artistes Décorateurs 1933 einen ganzen Raum ausstatten darf.367 Der tatsächliche Umbruch zur Architektur erfolgt Anfang der zwanziger Jahre, als Gray den Architekten und Herausgeber Jean Badovici kennenlernt. Gray arbeitet aktiv an dessen Zeitschrift „L‘Architecture Vivante“ mit, begleitet Badovici auf seinen Reisen zu neuen, interessanten Gebäuden.368 Durch Badovici ermutigt, sich etwas Andauernderem zuzuwenden als der Innendekoration369, beginnt Gray 361 Adam 1990, S. 47-54 362 Adam 1990, S. 63 363 Adam 1990, S. 94-95. Adam bezeichnet diese Entwicklung als ersten Schritt Grays von der Innenarchitektin zur Architektin. Auch hier vermutlich ein Problem bei der Übersetzung, vermutlich schreibt Adam im Original „interior designer“, was seine Aussage aber auch nicht viel nachvollziehbarer macht. Vielmehr macht Gray hier den Schritt von der Möbeldesignerin zur Innenarchitektin, mag es auch ein Zwischenschritt hin zur Architektin sein. 364 Adam 1990, S. 95-96 365 Adam 1990, S. 120-125 366 Adam 1990, S. 125 367 Adam 1990, S. 133-138 368 Adam 1990, S. 171 369 Adam 1990, S. 169


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sich intensiv im Selbststudium mit der Architektur zu beschäftigen. So skizziert sie beispielsweise die Räume, in denen sie sich auf ihren Reisen aufhält und übt sich im Entwerfen.370 1925 beauftragt Badovici sie schließlich mit der Planung eines Ferienhauses für ihn an der Côte d‘Azur in Roquebrune.371 Mit Baubeginn im Jahr 1926 schließt Gray auch ihre Galerie in Paris, um sich voll und ganz auf den Bau, der bis 1929 andauert, konzentrieren zu können. Die Urheberschaft für das Haus, das sie E.1027 nennen oder auch Maison en Bord de Mer, teilen sich Gray und Badovici, die hier auch einige Jahre zusammen leben.372 Das nächste architektonische Projekt wird Grays eigenes Haus in Castellar, das sie von 1932 bis 1934 diesmal ohne jegliche Hilfe von Badovici entwirft und erbaut. Es wird im Gegensatz zu E.1027 ein recht kleines Haus, mit nur neunzig Quadratmetern.373 Dies sollen aber auch die einzigen Häuser bleiben, die Gray jemals ausführt. In der Folgezeit wendet sie sich dem Bauen für die breite Masse, nicht mehr für Einzelpersonen zu, keiner ihrer Entwürfe wird aber jemals realisiert.374 Gray entwirft dennoch noch bis ins hohe Alter, auch wenn ihr schwindendes Sehvermögen und zitternde Hände die Arbeit erschweren. Noch im Alter von 75 Jahren beginnt sie einen Umbau an einem kleinen Haus in einem Weingarten in Südfrankreich, um dort selbst zu wohnen, mit 80 Jahren kann sie schließlich einziehen.375 Erst die letzten Lebensjahre bringen für sie die große Wende, sie wird nun endlich zur Kenntnis genommen, einige ihrer Möbelentwürfe gehen in Serienproduktion. 1972 erhält sie schließlich den Ehrentitel Royal Designer for Industry in England. Dennoch kann sie keine weiteren Entwürfe realisieren. Sie stirbt 1976.376

„Formeln sind nichts, das Leben ist alles.“ 377 Gray orientiert sich bei der Gestaltung der Architektur an den Menschen, die darin leben sollen, sie möchte ihnen ein harmonisches Leben ermöglichen. So entwickelt sie die Häuser von innen heraus, die Fassade ordnet sich der inneren Aufteilung unter. Sie macht sich dezidierte Gedanken über die Abläufe des täglichen Lebens, entwickelt gerade zu choreografische Wege, die sowohl den Besucher als auch den Bewohner durch das Haus leiten. Die Architektur soll vor allen Dingen praktisch sein, dabei anpassungsfähig an sich verändernde Bedürfnisse. Die Möbel sieht sie nicht als Zugabe sondern als Teil der Architektur, weswegen sie vermutlich für 370 371 372 373 374 375 376 377

Adam 1990, S. 149 Adam 1990, S. 173 Adam 1990, S. 181, S. 191 Adam 1990, S. 259-260, 288 Adam 1990, S. 297-299 Adam 1990, S. 344-349 Adam 1990, S. 366-377 Adam 1990, S. 220


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jedes Haus beziehungsweise jede Einrichtung spezielle Möbel entwirft.378 Was sie in E.1027 begonnen hat, treibt sie im Haus in Castellar noch weiter. Die Möbel sind hier noch mehr mit der Architektur verwoben. Schränke werden zu Trennwänden, Falt- und Gleitsysteme ermöglichen eine optimale Ausnutzung der Wohnfläche. Gerade wegen der kleinere Wohnfläche des Hauses plant Gray hier bis ins kleinste Detail und findet zahlreiche spannende Lösungen.379 Ihre Gestaltungsauffassung ist es auch, die Le Corbusier an ihr bewundert, speziell an E.1027 befindet er es als anziehend, dass Gray nicht streng den rationalistischen Gestaltungsprinzipien folgt. Sie ist eben nicht so sachlich in ihrem Entwurf wie die meisten ihrer zeitgenössischen Kollegen.380 Überhaupt haben Le Corbusier und Eileen Gray viel Bewunderung für einander übrig. Gray ist sehr von Le Corbusiers sozialen Ideen bezüglich der Architektur angetan, auch ihre Ideen zum Raumkonzept ähneln sich. Allerdings weist Gray ganz entschieden Le Corbusiers Konzept der Wohnmaschine zurück. Für sie ist ein Haus keine Maschine, sondern eher das Schneckenhaus der Menschen. Sie sieht es als dessen räumliche Ausdehnung, es muss deshalb in erster Linie menschlich gestaltet sein. Andererseits ist Le Corbusier einer der wenigen, der E.1027 tatsächlich als Grays alleiniges Werk anerkennt. Anscheinend überfordert mit einer Frau als selbstständiger Urheberin eines Gebäudes, wird E.1027 meist Badovici zugeschrieben.381 Dennoch kommt es 1938 zu einem Angriff Le Corbusiers auf Grays Werk, den sie ihm nie verzeiht und als vandalisierenden Akt empfindet. Während Le Corbusier einige Zeit mit seiner Frau bei Badovici in E.1027 verbringt, bemalt er fast alle Wände des Hauses mit Wandgemälden. Dies tut er zu dieser Zeit häufiger in den Häusern von Freunden, hier macht er es aber, ohne Gray um Erlaubnis zu bitten. Er nimmt sich sogar heraus, einen Durchgang im Eingangsbereich baulich zu schließen, was die sorgsam geplante Choreografie Grays zerstört. Gray ist bestürzt über die grellen, teils erotischen Bilder, die nun jeden Raum in ihrem absichtlich schlicht gestaltetem Haus beherrschen.382 Le Corbusier empfindet aber ganz anders. Seiner Meinung nach hat er das Gebäude mit seinen Bildern belebt, die guten Wände hätte er ja unberührt gelassen. Nicht nur, dass Le Corbusier Gray persönlich beleidigt hat, indem er ungefragt in ihren Entwurf eingreift, die Veröffentlichung seiner Wandgemälde erfolgt häufig ohne die Nennung von Eileen Gray. Oft wird daher in der Folgezeit angenommen, E.1027 stamme aus Le Corbusiers Feder, oder sei zumindest eine Gemeinschaftsarbeit der beiden.383 Keim beispielsweise sieht im Akt Le Corbusiers den Versuch, die von Gray durch378 379 380 381 382 383

vgl. Adam 1990, S. 195-220 vgl. Adam 1990, S. 268-277 Adam 1990, S. 211, S. 217 Adam 1990, S. 303-309 Adam 1990, S. 310-311 Adam 1990, S. 334-335


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einander gebrachten hierarchischen Strukturen in der Architekturbranche wieder in Ordnung zu bringen. Le Corbusier überschreibt das Werk Grays sozusagen mit seinem eigenen. Mit ihrer Architektur verschwindet so auch die Architektin, da sie in der Folge nicht mehr als Urheberin wahrgenommen wird. Keim sieht in Le Corbusiers Handeln auch den Angriff auf die reale Person Grays, sie wertet es als Vergewaltigung der Existenz Reichs als Gestalterin.384 Glücklicherweise hat Gray in Badovici aber wenigstens einen männlichen Unterstützer. Er weist Le Corbusier zurecht, denn er findet, Le Corbusier habe die reine Funktionsform von E.1027 zerstört. Badovici ist es auch, der sich stets um die Veröffentlichung des Werkes von Gray bemüht.385 Mit Lilly Reich und Eileen Gray haben heutige Gestalterinnen und Architektinnen also zwei positive Beispiele dafür, wie man sich als Frau in der Branche durchsetzen kann. Es zeigt sich aber auch, mit welchen Schwierigkeiten Frauen hier konfrontiert werden, wenn sie in eine vormalige Männerdomäne drängen, sie müssen dann um so mehr für ihre Wahrnehmung als eigenständige Gestalterin kämpfen. Die Autorin Tanja Kullack hat zahlreiche bekannte Architektinnen zu ihrem Blick auf die Frau in der Architekturbranche befragt. Diese überschneiden sich mit beziehungsweise ergänzen an vielen Stellen die Antworten, die ich in meinen Gesprächen erhalten habe. Gemeinsam geben sie also vermutlich ein gutes Bild der Frauen in der Innenarchitektur und in der Architektur wider.

4.4.3. Frauen in der Innenarchitektur heute

Was die Situation an den Architekturhochschulen betrifft, sind sich fast alle Architektinnen, die Kullack386 befragt hat, einig: es ist ein dramatischer Umstand, dass immer noch mehr Frauen studieren als später tatsächlich als Architektinnen arbeiten.387 Kullack hat hierfür auch Zahlen: laut einer Studie des Architects‘ Council of Europe ist nur ein Drittel aller Architekten in Europa weiblich, wobei es starke regionale Unterschiede gibt. Herrscht in Frankreich Geschlechterparität, sind in den Niederlanden nur 14 Prozent der Architekten Frauen. Wirklich bedenklich an diesen Umständen ist aber, dass die meisten Studentinnen wohl davon ausgehen, dass Chancengleichheit herrscht, vielmehr noch: sie trauen sich wohl möglich 384 vgl. Keim 1999, S. 78 385 Adam 1990, S. 335, S. 345 386 Kullack befragt in ihrem Buch zahlreiche bekannte Architektinnen zu ihren Erfahrungen als Frauen mit der Architektur. Da sie die Antworten nach den Fragestellungen sortiert und nicht innerhalb von Interviews ist das Zitieren hier etwas heikel. Die Antworten stammen also direkt von an angegebenen Architektinnen, auch wenn Kullack als Quelle angegeben wird. 387 Kullack 2011, S. 167


4. Die Genderfrage

94

nicht, sich über etwaige Benachteiligungen zu beschweren, weil dies als unattraktiv gilt.388 Der gleiche Vorwurf wurde schon von Uta Brandes formuliert. Auch Denise Scott Brown kommt bei Kullack zu Wort und spricht hier aus ihrer eigenen leidvollen Erfahrung (wir erinnern uns): die Geschlechterkluft ist Realität, an allen Hochschulen und in allen Unternehmen, die Scott Brown kennengelernt hat.389 Besonders problematisch ist auch heute noch, dass die meisten Lehrkräfte an den Hochschulen Männer sind. Alison Brooks bringt es auf den Punkt: Frauen lernen Männer als Autoritätspersonen kennen, Männer werden zu Führungspersönlichkeiten erzogen, Frauen eher nicht.390 So bleibt es auch weiterhin schwierig für Frauen, die bestehenden Systeme aufzubrechen, da diese ja von Männern gemacht wurden und Männer somit auch leichter den Kriterien entsprechen, die die Systeme stellen.391 Fuensanta Nieto formuliert sehr treffend: „Es stimmt, wir suchen nach den ‚Besten‘, aber wenn wir uns umschauen, sehen wir nur Männer.“ 392 Wie im vorangegangenen Kapitel schon erörtert, sprechen auch die statistischen Daten, die mir zur Verfügung stehen, für ein ähnliches Bild in der Innenarchitektur, auch hier studieren derzeit wesentlich mehr Frauen, als später erfolgreich im Beruf arbeiten. Betrachtet man die Zahlen, die ich aus dem BDIA-Jahrbuch entnommen habe393 , sieht man: überwiegt in der Gesamtzahl der Frauenanteil mit 63 %, so herrscht unter den tatsächlich in der Kammer eingetragenen Innenarchitekten Geschlechterparität. In meinen Gesprächen wurde die Idee geäußert, dass es deshalb weniger Frauen in den Führungspositionen der Architekturbranche gibt, da sie irgendwann vernünftiger seien, sich nicht mehr dem Druck aussetzen wollen und deshalb aus dem Beruf aussteigen würden.394 Sie würden dann auch häufiger als Männer andere Wege wählen und so zum Beispiel eher in der Verwaltung arbeiten, wo die Stellen flexibler und besser bezahlt sind.395 Tatsächlich belegen dies die Zahlen der Bundeskammerstatistik nicht: unter den verbeamteten Architekten ist der Frauenanteil noch geringer als unter allen Architekten zusammen. Lediglich You Tezuka leugnet die tatsächliche Existenz einer Geschlechterkluft. Sie sagt, wenn man nur außergewöhnlich genug ist, ist man auch erfolgreich. Im Umkehrschluss heißt das also, wenn man sich die oben erwähnten Zahlen vor Augen führt: Männer sind außergewöhnlicher als Frauen. Das ist nun wirklich das älteste Vorurteil, das man auf den Tisch bringen kann. You Tezuka hat auch zu einem weiteren System neben der Hochschule eine unbequeme Meinung. So be388 389 390 391 392 393 394 395

Kullack 2011, S. 8-9 Kullack 2011, S. 170 Kullack 2011, S. 66 Kullack 2011, S. 8 Kullack 2011, S. 140 siehe Anhang, Statistiken Interview sml, ab Z. 555 Interview mc, ab Z. 699


4. Die Genderfrage

95

findet sie, die Frau habe selbstverständlich eine andere Rolle einzunehmen als der Mann, wenn es um die Familie geht. Glücklicherweise ergänzt sie noch, dass sich diese Situation ändern kann, wenn sich die Gesellschaft entsprechend ändert. 396 Fuensanta Nieto ist da anderer Meinung. Sie sieht es als problematisch an, dass es Frauen nach wie vor als Verlust empfinden, wenn sie nicht sowohl beruflich als auch familiär erfolgreich sein können. Das Fehlen von Familie ist für die meisten Frauen aber bis heute keine Option.397 Auch meine Gesprächspartner sind sich nicht einig, wie der Beruf am besten mit der Familie zu vereinbaren sei. Eine Architektin sagt, sie können wegen ihres Kindes nicht in einer Festanstellung arbeiten, weil sie sich da ihre Zeit nicht frei einteilen könne.398 Ein andere Architekt ist sich sicher, er könne so nicht als Selbstständiger arbeiten, wenn er sich um die Kinder kümmern müsste.399 Derselbe Mann bezeichnet es aber auch als „mühsam“, dass Frauen eben irgendwann schwanger werden würden und dann so aus dem Büro ausscheiden. 400 Es lässt sich feststellen, dass selbst einige der von Kullack befragten Architektinnen trotz ihrer Reflektiertheit nicht davor gefeit sind, selbst in Stereotypen zu denken. So überlegen sowohl Regine Leibinger als auch Fuensanta Nieto, dass Frauen wohl häufig besser dazu geeignet seien, zu unterrichten, da sie kommunikativer seien und sich eventuell besser auf die Studierenden einlassen können. 401 Diesen Stereotypen wäre aber leicht aus dem Weg zu gehen, wenn solche Gedanken anders formuliert werden würden. So könnte man sagen: „Jemand, der ein gutes Einfühlungsvermögen hat, kann besser mit den Studierenden Kontakt aufnehmen und sie so leichter erreichen. Der Erfahrung nach sind dies häufig Frauen.“ So würde man nicht kategorisch ausschließen, dass eine solche Person auch männlich sein kann, beziehungsweise hält die Möglichkeit offen, dass nicht jede Frau dem entspricht. Gerade in der Innenarchitektur, wo der Kontakt zum Handwerk auf der Baustelle häufig sehr eng ist, haben Frauen teilweise mit Vorurteilen zu kämpfen. Einige meiner Gesprächspartnerinnen berichten von Vorbehalten, die ihnen von Seiten der Handwerker begegnet sind. 402 Diese können aber immer dann aufgelöst werden, wenn es der Innenarchitektin gelingt, den Handwerker von ihrem Können zu überzeugen. Am einfachsten sei dies, berichten alle Gesprächspartnerinnen, wenn man die „richtige Sprache“ spricht, es scheint also sprachliche Mittel zu geben, mit denen man einem Handwerker unter Beweis stellt, dass man Ahnung von dem hat, wovon man spricht. 396 397 398 399 400 401 402

Kullack 2011, S. 172-173 Kullack 2011, S. 167 Interview dt, ab Z. 321 Interview sml, ab Z. 569 Interview sml, ab Z. 536 Kullack 2011, S. 140, 166 vgl. Interviews sh, ab Z. 900; dt, ab Z. 305; dh, ab Z. 322


4. Die Genderfrage

96

Glücklicherweise haben einige der von Kullack befragten Architektinnen aber auch Lösungsansätze, wie man der sogenannten Gender Trap entgehen kann. Diese Falle funktioniert im Architekturberuf sogar auf zweierlei Weisen, einerseits werden Geschlechterunterschiede im Berufsleben gemacht, andererseits gibt es aber auch den Mythos der weiblichen Architektur, ähnlich dem schon besprochenen angeblich weiblichen Design. 403 Monica Ponce de Leon ist ganz klar gegen die Vorstellung einer Architektur, die geprägt durch die Gestalterin weibliche Eigenschaften erhält. Ihrer Meinung nach führt dies nur zu reduktiven Verallgemeinerungen. Allerdings stellt sie fest, dass die Gestaltung sehr wohl durch die Identität des Entwerfers geprägt wird. Ein Teil dieser Identität ist eben auch die Geschlechtsidentität, aber zu einem viel größeren Teil wird sie vom jeweiligen Lehrer geprägt. 404 Um dieser Genderfalle nun zu entgehen, schlägt Kullack zunächst vor, komplexer zu differenzieren als bisher, als dies bisher durch die stereotype Normierung der Geschlechter geschehen ist. 405 Farshid Moussavi macht noch einen umfangreicheren Vorschlag. Sie ist der Meinung, die bisherige Dialektik von männlich und weiblich müsse überwunden werden, zugunsten der Idee von Mann-Sein und Frau-Werden. Sie bezieht sich hier auf Gilles Deleuze und Felix Guattari. Hier entspricht das Mann-Sein wie gehabt dem Status Quo, Frau-Werden ist der Prozess, das Bestehende zu überwinden und Neues zu schaffen. Diese beiden Zustände sind dabei absolut geschlechtsneutral, sie können von beiden Geschlechter eingenommen werden. Auf die Architektur bezogen bedeutet das: Mann-Sein ist die Manipulation der Umgebung zugunsten des eigenen Entwurfs, Frau-Werden bedeutet Anpassung an die gegebenen Umstände, um neue Formen in Zusammenhang mit der Umgebung zu schaffen. 406 Diese Überlegungen passen auch zu den Forderungen, die Ingalill Wahlroos-Ritter stellt. Sie möchte, dass Frauen den Architekturberuf anders ausüben, durch eine Neudefinition könne man den bisherigen Ungleichheiten einfach aus dem Weg gehen. Sie empfiehlt außerdem, dass nun andere Fragen gestellt werden müssten. Es sei doch viel aussagekräftiger nicht zu fragen, wie viele zugelassene Architektinnen es gäbe, sonder wie viele Frauen ein Architekturbüro leiten. Zudem plädiert Wahlroos-Ritter für eine alternative Architektur, Frauen sollten sich einer progressiven Arbeitsweise zu wenden und nicht weiter versuchen, den männlichen, autoritären Systemen zu entsprechen. 407 Unabhängig von allen Geschlechterfragen ist der Grundtenor in meinen Gesprächen aber gewesen, dass es im Berufsalltag an sich keinen Unterschied zwischen 403 404 405 406 407

Kullack 2011, S. 7 Kullack 2011, S. 167-168 Kullack 2011, S. 7 Kullack 2011, S. 165-166 Kullack 2011, S. 173-174


4. Die Genderfrage

97

Männern und Frauen gebe. Ein Architekt formuliert es so: „Entweder checkt es einer, oder er checkt es eben nicht.“ 408 Ob es sich dabei um einen Mann oder eine Frau handelt, sei unwichtig. Die Angestellten im Büro werden nach ihrem Können den Aufgaben zugewiesen, nicht nach ihrem Geschlecht. 409 Wieso die vorangegangenen Überlegungen zum dem Thema Gender Design und Gender in Design überhaupt notwendig sind, wo doch alle von Kullack und mir befragten Frauen sich ihrer selbst so bewusst und so gut über ihre Situation aufgeklärt sind, zeigt ein aktuelles Beispiel. Auf der diesjährigen Möbelmesse imm Cologne war die dänisch-englische Designerin Louise Campbell zuständig für die Gestaltung des Bereichs „Das Haus“. Hier präsentiert jedes Jahr seit 2012 ein aktueller Designer seine Vorstellung des modernen Wohnens in einer Art Haus-inHaus-Konzept. In einer Messehalle wird dazu ein etwa 200 Quadratmeter großes Haus aufgebaut. 410 Auch Campbell stellt dieses Jahr hier ihr persönliches Konzept des Wohnens vor, es wird aus innenarchitektonischer Sicht bestimmt durch feste Einbauten, die die grundlegenden Wohnfunktionen abdecken, sowie mobiler Einrichtung, die multifunktional und örtlich flexibel genutzt wird. 411 Verheerend an ihrem Ansatz ist aber, dass sie mit ihrem „Haus“ auch feminines Design vermitteln möchte. Campbell sieht darin ein weniger aggressives, dafür ein bemutterndes Design, dass sich fürsorglich um seinen Nutzer kümmert, herzlich und aufrichtig ist. Ihr Haus bezeichnet sie als „Mutter-Haus“. Und was es in ihren Augen besonders feminin macht: es ist auch hysterisch und unsicher, da es wie auf High Heels läuft, manchmal auch zerbrechlich, wie eine Frau, deren sorgsam frisiertes Haar nicht vom Mann zerstört werden soll. 412 Vor dem Hintergrund des bisher Geschriebenen ist dieses feminine Design selbstredend absolut indiskutabel. Ausgerechnet als weibliche Designerin benutzt Campbell alle alten Stereotype der Frau ohne jegliche Reflexion oder Ironie. In ihrem kritischen Text über „Das Haus 2014“ im Blog des International Gender Design Networks beschreibt Marijke Doemges die Ausstellung noch etwas genauer413 . Das Haus besteht demnach aus zwei ineinander geschobene Volumen, wobei das eine der weiblichen Bereich des Hauses sein soll, der andere der männliche. Der männliche Bereich ist eingerichtet mit einem Schreibtisch, einem Boot, einem Boxsack, Fischernetzen und dem Stuhl Thinking Man‘s Chair von Jasper Morrison. Auf der weiblichen Seite dagegen befindet sich das überdimensionierte Bett, zahlreiche Decken, im Allgemeinen viele Textilien und als Gegenstück zum Boxsack eine hängende Wiege aus Filz. Es stehen sich also der Mann als arbeitender Den408 409 410 411 412 413

Interview sml, ab Z. 506 Interview cr, ab Z. 386 vgl. imm Cologne 2014 vgl. imm Cologne 2014, S. 22 vgl. imm Cologne 2014, S. 30 vgl. Doemges 2014


4. Die Genderfrage

98

ker und die Frau als flauschige Mutter gegenüber, die von Campbell selbst schon im Rahmen ihrer Idee des femininen Designs beschrieben wird. Doemges fragt nun völlig berechtigt, was sich Campbell davon verspricht, die Geschlechterstereotypen derart offensichtlich zu präsentieren, ja die Bereich für Mann und Frau so strikt zu trennen. Sie kritisiert, dass Campbell zudem noch die Chance verpasst hat, in einer humorvollen Art mit den Stereotypen zu spielen. Es scheint Campbell völlig ernst damit zu sein, sagt sie doch selbst, dass Das Haus ein Haus ist, in dem sie selbst leben wollen würde. Viel mehr wäre es aus Doemges Sicht die Gelegenheit gewesen, mit einer gendersensiblen Gestaltung neue Wege aufzuzeigen um einen Raum für vielschichtigere Nutzertypen zu schaffen, fernab von den Geschlechterstereotypen und vielleicht sogar Heteronormativität. Mit der Selbstverständlichkeit, mit der Campbell hier ihre unreflektierte Sicht auf die Weiblichkeit zeigt, scheint es so, befindet Doemges, als hätten weibliche Designer die Reduktion auf ihre Weiblichkeit noch lange nicht überwunden. Dies zeigt sich auch in der Art und Weise, mit der Campbell in der Publikation des imm Cologne als Gestalterin präsentiert wird. Nicht nur, dass ihre Gestaltung als „sanft und verführerisch“ beschrieben wird, die Autoren halten es auch für notwendig, völlig ohne Zusammenhang mitten im Text über Das Haus erwähnen zu müssen, dass Campbell Mutter eines Sohnes ist. Auch an einer Stelle, in der Campbell eigentlich gerühmt werden soll für ihre bisherigen Erfolge wird nur von schönen Lampen, filigranen Sesseln und dekorativen Interieurs gesprochen. 414 Auch wenn man im Management der imm Cologne stolz darauf zu sein scheint, endlich eine weibliche Designerin für die Gestaltung des Hauses ausgewählt zu haben, aus der Reduzierung des Weiblichen auf das „Andere“ im Sinne Beauvoirs kann man noch nicht ausbrechen.

414

vgl. imm Cologne 2014, S. 27


99

5. Die Emanzipation des Innenarchitekten Bei einer solchen Betrachtung eines Berufsstandes sammelt man vor allem jede Menge Fäden auf, die alle einen Teilaspekt des Berufs ausmachen. Jedes einzelne dieser losen Enden könnte nun für sich weiter gesponnen werden, um ein noch detaillierteres Bild zu erhalten. Ziel dieser Arbeit war es aber, erst einmal alle möglichen Fäden zusammenzutragen. In einem zweiten Schritt kann man nun sehen, welche Fäden wirklich eine Rolle spielen und wo noch etwas fehlt.

5.1. Was fehlt

Das Prinzip „Was fehlt“ stammt von der Kathrin Passig, Schriftstellerin und Journalistin. Sie sammelt unter diesem Begriff Dinge und Konzepte, die im Alltag fehlen und noch erfunden werden sollten. In meinen Augen eignet das Prinzip auch sehr gut, um ein Fazit einzuleiten. Zunächst betrachtet man in der Literatur und den Quellen alles, was zum Thema schon da ist und stellt sich hinterher die Frage: was fehlt? Also: was fehlt zur Emanzipation des Innenarchitekten? Ganz eindeutig mangelt es neben zahllosen stilgeschichtlichen Publikationen an einer wissenschaftlichen Arbeit über die Geschichte der Innenarchitektur als Beruf und als Ausbildungsfach. An dieser Stelle wäre es notwendig, umfangreicher Nachforschungen an allen derzeit bestehenden sowie an allen in der Vergangenheit existierenden Hochschulen in Deutschland vorzunehmen. Da dies den Umfang dieser Arbeit überstiegen hätte, habe ich mich aus den genannten Gründen exemplarisch auf die Burg Giebichenstein beschränkt. Hier zeigt sich aber bereits, wie vielfältig die Entwicklung des Lehrgebiets schon an einer einzigen Hochschule ist. Es scheint fast so, als sei eine solche Nachforschung auch nicht im Interesse des Bunds Deutscher Innenarchitekten. In keiner seiner bisherigen Publikationen wird die Geschichte des eigenen Berufsstandes in vollem Umfang erörtert. Gerade der Berufsverband erscheint hier aber als richtiges Organ, um eine solche Untersuchung anzustoßen. Daneben braucht es eine umfangreiche Recherche dazu, welche Gestalter und Architekten der Vergangenheit als Innenarchitekten verstanden werden können. Oft fehlt es bei den Biographien der Gestalter an einem Einblick in deren Ausbildung. Auch politisch schwierige Zeiten sollten bei so einer Untersuchung nicht unterschlagen werden. Denn auch wenn Persönlichkeiten wie Gerdy Troost aus einer


5. Die Emanzipation des Innenarchitekten

100

ideologischen Sichtweise völlig indiskutabel sind, haben sie mit ihrer Arbeit und ihrem Werdegang vermutlich dennoch zur Entwicklung des Berufsstandes beigetragen. Auch andere Gestalterinnen wurden bisher in der Geschichtsschreibung der Innenarchitektur kläglich ignoriert. Sie stehen auch heute noch im Schatten ihrer erfolgreichen Ehemänner, obwohl sie im Arbeitsalltag häufig gleichberechtigte Büropartner sind. In jedem Fall fehlt eine ausführliche Biographie über Leben und Werk von Charlotte Eiermann. Was den Umgang mit den Medien angeht, fehlt es den Innenarchitekten häufig noch an Offenheit für Neues. Sie lassen teils eine gewisse Neugier und Entdeckergeist vermissen, der eine Weiterentwicklung auf mehreren Ebenen ermöglichen würde. Manche Innenarchitekten, so scheint es, köcheln in der eigenen Suppe, sie beschäftigen sich fast ausschließlich mit Fachmedien, alles andere scheint ihnen niveaulos. Was nicht in ein klassisches Verständnis von Architektur und Innenarchitektur passt, wird abgelehnt. Man versucht hier mit aller Macht, ernst genommen zu werden und verliert dabei die Offenheit für Chancen abseits der ausgetretenen Pfade. Architektur und Innenarchitektur haben sich, vor allem in Deutschland, aufgrund von berufsständischen Ideen voneinander entfernt. Die Ausbildung beider Berufe erfolgt strickt voneinander getrennt, es gibt keine Zwischentöne. Die Abteilung „Bau und Raum“ an der Burg Giebichenstein, die 1950 eingeführt wurde, war wie schon beschrieben, der Versuch eine Synthese aus Architektur, Innenarchitektur und Produktdesign herzustellen. Immerhin sechzehn Jahre lang wird das Ausbildungskonzept beibehalten, es scheint also keine allzu schlechte Idee gewesen zu sein. Vorteil einer gemeinsamen Ausbildung von Architekten und Innenarchitekten ist jedenfalls, dass bei einer möglichen individuelle Schwerpunktsetzung ein gemeinsames Grundlagenvokabular vermittelt wird. So kann die Verständigung zwischen den Disziplinen verbessert werden, in der Berufspraxis wäre klarer, welche Qualifikationen das Gegenüber hat. Da dies in naher Zukunft so wahrscheinlich nicht stattfinden wird, bleibt dem Innenarchitekten nichts anderes übrig, als sich aus der vermeintlichen Abhängigkeit von der Architektur zu emanzipieren. Denn: die Innenarchitektur verhält sich zur Architektur wie die Frau zum Mann. Sowohl die Innenarchitektur als auch die Frau denken sich selbst in Abhängigkeit beziehungsweise im Gegensatz zur Architektur oder dem Mann. Wohingegen sich sowohl die Architektur als auch der Mann als völlig eigenständig verstehen.


5. Die Emanzipation des Innenarchitekten

101

Für die Emanzipation der Innenarchitektur gibt es also die gleiche Lösung, wie für die Emanzipation der Frau. Sie muss sich selbst neu und vor allem selbstständig definieren. Denn, so haben wir es bei Judith Butler gelernt, die Geschlechtsidentität ist nichts substantiell Seiendes, sondern sie ist veränderbar. Genauso kann auch die Innenarchitektur ihre Identität in Abhängigkeit von der Architektur überdenken. Sie hat die gleiche Möglichkeit wie die Frau, sich selbst in ihrer eigenen Identität zu verwirklichen, wie es Simone de Beauvoir vorgeschlagen hat. Oder sie übernimmt das von Uta Brandes vorgeschlagene Modell des Weder-Noch und definiert sich selbst als etwas ganz anderes als die bisherigen Kategorien Design und Architektur, zwischen denen die Innenarchitektur gefangen war. In meinen Augen wäre eine Möglichkeit dafür, sich vom Begriff Innenarchitektur abzuwenden, und den heute veralteten Begriff Raumkunst wieder aufleben zu lassen. Als Raumkünstler könnte man sich zeitgleich von der ständigen Übermacht der Architektur sowie von starren berufsständischen Rahmenbedingungen verabschieden. Gern hätte ich an dieser Stelle geschrieben, dass am Vorurteil, die Innenarchitektur wäre ein Frauenberuf, nichts dran sein, dass es also tatsächlich fehlt. Leider ist dem, zumindest was die statistischen Daten betrifft, nicht so. Sehr wohl habe ich aber in der Beschäftigung mit dem Thema Gender Studies und im Gespräch mit den Innenarchitektinnen gelernt, dass dieses Vorurteil gar nicht maßgeblich für die Berufspraxis ist. Vielmehr bleibt für mich hier das Fazit: dann ist es eben so. Ich bin mir dessen bewusst, aber in meiner Arbeit sind andere Dinge vordergründig. Wie ebenfalls von Brandes angeprangert, wurde bisher keine Strukturkategorie Geschlecht in das Design aufgenommen, genauso wenig in die Innenarchitektur. Dass auch eine Gendersensibilität in die Innenarchitektur einkehren sollte, wurde meiner Ansicht nach eindeutig mit dem Beispiel des „Haus 2014“ auf der imm Cologne illustriert. Es wäre nun eine Aufgabe, die sogenannten Gender Codes auch in der Innenarchitektur zu benennen. Bisher fehlt eine wissenschaftliche Arbeit darüber, inwieweit sich Geschlechtsidentität und Genderstereotype in der Inneneinrichtung manifestieren können.


5. Die Emanzipation des Innenarchitekten

102

5.2. Räume für‘s Leben

Viel zu lang wurde der Beruf in erste Linie mit dem weiblichen Hoheitsgebiets des Heimes in Verbindung gebracht. Natürlich ist es das, was der Innenarchitekt macht, er schafft ein Heim für den Menschen, ob im häuslichen Umfeld oder im beruflichen. Er sollte sich aber im verstärkten Maße bewusst sein, dass er mit seiner Gestaltung die Rolle und die Position einer Menschen sowohl determinieren kann, wie es in den Gesellschaftsräumen der 19. Jahrhunderts geschehen ist, als auch dem Menschen einen Raum schaffen kann, in dem er sich bestmöglich entfaltet. Vielleicht ist es also gar nicht notwendig, den Beruf endgültig zu definieren, sondern es ist eher nötig, die Definition zu erweitern und andere Gebiete einzuschließen, die bisher nicht unbedingt in Einheit mit der Innenarchitektur gedacht wurden. Letzen Endes findet jeder seine Lücke beziehungsweise Nische. Wie eine Interviewpartnerin sagt: Das Feld ist groß genug für alle Spielarten der Innenarchitektur, auch für eine Decotainment-Matrone. Verständlich ist aber auch, dass sich ein Berufsverband um die Positionierung seiner „Marke“ auf einem hart umkämpften Markt bemüht, der zudem extrem von der wirtschaftlichen Gesamtsituation abhängig ist. Gewohnt wird zwar immer, aber sich neu eingerichtet eben nicht. Dennoch vertut sich die Innenarchitektur Chancen, wenn sie weiterhin so verzweifelt versucht gegenüber der Architektur Anerkennung zu finden. Und wenn Studierenden weiter eingeredet wird, man würden nur dann als Innenarchitekten ernst genommen, wenn sie sich weit genug vom Textil fernhielten. Das Textil ist eben einfach immer schon Teil der Innenarchitektur gewesen, es erfüllt ja auch nicht nur dekorative Zwecke, es kann durchaus auch zu Schall- und Wärmeschutz beitragen. Die Angst, auf einen Vorhangaufhänger und Kissenknicker reduziert zu werden, ist den Innenarchitekten anerzogen. Sie begründet sich vermutlich darin, dass man sich, distanziert man sich vom Textil, auch vom Vorwurf der „Frauenarbeit“ entfernt. War alles Textiles immer ein typisch weiblicher, und auch dilettantischer, Bereich in der Gestaltung, so möchte man mit der Ablehnung dessen wohl auch eine gewissen Professionalität ausstrahlen. Tatsächlich kann man aber auch als professioneller Innenarchitekt, selbst als Diplom Ingenieur, Vorhänge aussuchen, ohne den Berufsstand zu verraten. Nämlich immer dann, wenn man es mit bestem Wissen und Gewissen tut, um den Raum, den man ausstattet, und damit dessen Bewohner oder Nutzer, zu seinem Besten zu verhelfen.


5. Die Emanzipation des Innenarchitekten

103

Das Design schafft sich heute mehr denn je neue Inhalte, es wendet sich zunehmend von seinen Wurzeln in der industriellen Revolution ab. Der Designer arbeitet heute nicht mehr unbedingt am Produkt sondern viel mehr an der Botschaft. Eine solche Tendenz tut der Architektur, und nicht zuletzt auch der Innenarchitektur gut: weg vom großen architektonischen Wurf, zurück zur „Ursuppe“, zu Wohnen und Lebensraum, zum Normalen eben. 415 Das Normale als den Idealzustand zu betrachten, dieses Konzept gab mir einer meiner Interviewpartner mit. Hier geht man davon aus, dass Gestaltung nicht nur aus den Höhepunkten besteht, sondern auch aus ganz viel Normalität, da nun mal der Großteil unseres Lebens aus eben dieser besteht. In dieser Normalität nun auch eine gestalterische Qualität zu sehen, ist die Herausforderung. Gerade der Innenarchitekt sollte ihr aber gewachsen sein, da er ja ausgesprochen häufig am normalsten Platz der Welt, der privaten Wohnung arbeitet. Für mich persönlich kann es nun nur heißen, mich so weit es geht von der Architektur zu lösen, um näher an den Menschen heranzukommen. Ich möchte dem ewigen Konflikt zwischen Außen- und Innenarchitektur nicht weiter austragen, sondern auf allen möglichen Ebenen, sei es der räumlich-strukturellen, oder der emotional-atmosphärischen, Räume schaffen, die Menschen in ihrem Leben bereichern und das Beste in ihnen hervorbringen. Räume für‘s Leben eben.

415

vgl. Borka 2009, S. 177-180


104

Anhang: Statistiken


Anhang: Statistiken

105

BDIA 2013

Status Gesamt Männer Frauen Gesamt 1331 490 841 InnenarchitektInnen freischaffend 534 275 259 InnenarchitektInnen angestellt 148 69 79 Mitglieder freischaffend 281 67 214 Mitglieder angestellt 165 52 113 StudentInnen 193 20 173 Assoziierte 10 7 3 BDIA Mitgliederzahlen

n

BDIA

Gesamt

Männer

Frauen

1400 1200 1000 800 600 400 200 0 Gesamt

InnenarchitektInnen InnenarchitektInnen freischaffend angestellt

Mitglieder freischaffend

Mitglieder angestellt

StudentInnen

Assoziierte

Quelle: BDIA Bund Deutscher Innenarchitekten e.V. (Hrsg.): Handbuch Innenarchitektur 2012/14. München 20131

1 Leider stellt der BDIA keine eigene Statistik seiner Mitglieder zur Verfügung. Deshalb wurden hier alle Mitglieder des BDIA, die sich bereit erklärt haben, mit ihren persönlichen Daten im Jahrbuch des BDIA aufgeführt zu werden, ausgezählt. Wie man im Vergleich zur Bundeskammerstatistik sieht, kann dies nur ein Bruchteil derer sein, sie tatsächlich Mitglieder im BDIA sind.


Anhang: Statistiken

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Bundeskammerstatistik des Bund Deutscher Architekten 2013

Bundeskammerstatistik nach Geschlechtern, Stand 1.1.2013

Freischaffende Hochbauarchitekten Beamtete und angestellte Hochbauarchitekten Beamtete Hochbauarchitekten Angestellte Hochbauarchitekten Gewerblich tätige Hochbauarchitekten Hochbauarchitekten insgesamt Freischaffende Landschaftsarchitekten Beamtete und angestellte Landschaftsarchitekten Beamtete Landschaftsarchitekten Angestellte Landschaftsarchitekten Gewerblich tätige Landschaftsarchitekten

männlich

gesamt

weiblich

absolut

absolut

in v.H.

absolut

in v.H.

48.650 53.736 2.987 47.649 3.022

38.275 34.385 2.465 29.888 2.687

78,7 64,0 82,5 62,7 88,9

10.375 19.351 522 17.761 335

21,3 36,0 17,5 37,3 11,1

105.408

75.347

71,5

30.061

28,5

3.160 3.719 88 3.446 133

2.046 1.966 67 1.793 108

64,7 52,9 76,1 52,0 81,2

1.114 1.753 21 1.653 25

35,3 47,1 23,9 48,0 18,8

Landschaftsarchitekten insgesamt

7.012

4.120

58,8

2.892

41,2

Freischaffende Innenarchitekten Beamtete und angestellte Innenarchitekten Beamtete Innenarchitekten Angestellte Innenarchitekten Gewerblich tätige Innenarchitekten

2.639 2.695 24 2.578 197

1.296 1.030 20 966 143

49,1 38,2 83,3 37,5 72,6

1.343 1.665 4 1.612 54

50,9 61,8 16,7 62,5 27,4

Innenarchitekten insgesamt

5.531

2.469

44,6

3.062

55,4

Freischaffende Stadtplaner Beamtete und angestellte Stadtplaner Beamtete Stadtplaner Angestellte Stadtplaner Gewerblich tätige Stadtplaner

2.820 3.372 326 2.856 43

2.264 2.064 236 1.696 41

80,3 61,2 72,4 59,4 95,3

556 1.308 90 1.160 2

19,7 38,8 27,6 40,6 4,7

Stadtplaner insgesamt

6.235

4.369

70,1

1.866

29,9

-

-

Summe aller Architekten und Stadtplaner Summe aller freischaffenden Architekten und Stadtplaner Summe aller beamteten und angestellten Architekten und Stadtplaner Summe aller beamteten Architekten und Stadtplaner Summe aller angestellten Architekten und Stadtplaner Summe aller gewerblichen Architekten und Stadtplaner

-

122.667

85.138

69,4

37.529

30,6

57.269 63.522 3.425 60.097 3.395

43.881 39.445 2.788 36.511 2.979

76,6 62,1 81,4 60,8 87,7

13.388 24.077 637 23.586 416

23,4 37,9 18,6 39,2 12,3

Quelle: Bundesarchitektenkammer e.V.: Bundeskammerstatistik nach Geschlechtern, Stand 1.1.2013


Insgesamt

2005 2009 2010 2011

76 149 231 228

100 184 303 309

20.0 21.0 20.9 20.9

20.9 21.4 21.4 22.0

26 55 94 135

1 5 12

26.1 26.5 26.2 26.0

. 27.9 28.7

1995

146 173 317 601 936 1 017

193 213 443 791 1 278 1 403

22.1 21.5 20.6 21.2 21.4 20.9

22.5 21.8 21.4 21.9 22.1 22.0

88 70 104 237 405 641

13 4 14 16 52 68

26.3 27.1 27.5 26.9 27.0 26.8

34.0 30.2 32.6 32.3 32.7 29.5

4 419 3 789 3 176 3 751 4 195 4 876

23.5 22.7 22.5 22.5 22.4 22.0

24.3 23.5 23.5 23.8 23.8 23.2

2 909 3 194 2 706 2 733 2 299 2 144

119 157 187 282 487 647

29.5 30.0 29.5 28.3 28.1 27.8

34.1 34.1 33.3 32.1 31.2 30.3

1 972 2 885 2 558 3 121 2 754 2 864

84 130 189 286 484 691

28.0 28.5 27.8 26.5 26.3 26.0

31.5 32.5 30.9 30.6 28.8 28.4

2000 Anhang: Statistiken2005 2009 2010 2011

107

Architektur Männlich

1995 2000 2005 2009 2010 2011

3 239 2 905 2 372 2 472 2 737 3 353

Hochschulstatistik des Statistischen Bundesamt 2011 Weiblich

1995 3 063 3 951 22.1 22.9 2000 3 242 3 904 21.4 22.0 2005 2 966 3 598 21.3 22.1 2009 3 873 5 080 21.2 22.1 3 880 5 198 21.3 22.3 Nationale Kennzahlen 2010 2011 4 524 6 158Geschlecht und 21.2 Durchschnittsalter 22.1 16 Studienanfänger und Absolventen nach Studienfächern,

Insgesamt 1. Studienfach ----------Geschlecht

1995 2000 2005 Jahr 2009 2010 2011

6 302 8 370 22.8 23.7 Studienanfänger (Sommer- und nachfolgendes 6 147 7 693 22.0 22.8 Wintersemester) im 1. 5 338 6 774 21.8 22.8 HochschulFachHochschulFach6 345 8 831 21.7 22.8 semester semester semester semester 6 617 9 393 21.7 23.0 Anzahl Durchschnittsalter in Jahren 7 877 11 034 21.5 22.6

4 881 203 28.9 33.0 Absolventen im 6 079 287 29.3 33.4 5 264 376 28.7 32.1 Erstweiteren Erstweiteren 5 854 568 27.4 31.3 studium Studium studium Studium 5 053 971 27.2 30.0 Anzahl Durchschnittsalter in Jahren 5 008 1 338 26.8 29.3

Verkehrsingenieurwesen Innenarchitektur Männlich Männlich

1995 1995 2000 2000 2005 2005 2009 2009 2010 2010 2011 2011

115 174 129 149 241 97 452 100 705 112 789 102

158 238 164 189 343 125 607 129 975 144 1 094 142

21.9 24.8 21.6 24.2 20.8 23.2 21.2 23.3 21.6 23.3 20.9 23.0

22.5 25.2 22.1 24.8 21.6 23.9 22.0 24.1 22.3 24.3 22.0 24.2

50 222 64 202 78 97 182 119 311 86 506 74

12 2 3 1 13 2 16 4 47 6 56 18

27.1 30.3 27.2 30.2 28.0 29.2 27.0 29.5 27.2 28.9 27.0 28.4

. 30.3 . . . 33.8 32.3 28.8 33.2 28.2 29.7 29.6

Weiblich Weiblich

1995 1995 2000 2000 2005 2005 2009 2009 2010 2010 2011 2011

31 479 44 566 76 502 149 562 231 597 228 646

35 623 49 699 100 598 184 753 303 833 309 904

23.0 22.4 21.1 21.9 20.0 21.7 21.0 21.2 20.9 21.6 20.9 21.6

22.9 23.0 21.0 22.2 20.9 22.2 21.4 22.0 21.4 22.7 22.0 22.5

38 390 6 494 26 474 55 672 94 585 135 574

1 3 1 3 1 5 13 5 29 12 123

25.1 28.4 26.1 28.2 26.1 27.4 26.5 26.3 26.2 26.3 26.0 26.0

. 36.4 . . . 26.6 28.4 27.9 27.5 28.7 26.9

Insgesamt Insgesamt

1995 1995 2000 2000 2005 2005 2009 2009 2010 2010 2011 2011

146 653 173 715 317 599 601 662 936 709 1 017 748

193 861 213 888 443 723 791 882 1 278 977 1 403 1 046

22.1 23.1 21.5 22.4 20.6 22.0 21.2 21.5 21.4 21.8 20.9 21.8

22.5 23.6 21.8 22.8 21.4 22.5 21.9 22.3 22.1 22.9 22.0 22.7

88 612 70 696 104 571 237 791 405 671 641 648

13 5 4 4 14 7 16 17 52 35 68 141

26.3 29.1 27.1 28.8 27.5 27.7 26.9 26.8 27.0 26.6 26.8 26.3

34.0 33.9 30.2 38.9 32.6 28.7 32.3 28.5 32.7 27.6 29.5 27.2

4 419

23.5

24.3

2 909

119

29.5

34.1

Architektur Statistisches Bundesamt, Fachserie 11, Reihe 4.3.1, 1980-2011 Männlich 1995 3 239 2000 2 905 2005 2 372 2009 2 472 2010 2 737 2011 3 353

Quelle: Statistisches Bundesamt, 3Fachserie 11, Reihe Nichtmonetäre 789 22.7 23.5 4.3.1., 3 1941980-2011: 157 30.0 34.1 3 176 22.5 23.5 2 706 187 29.5 493 33.3 hochschulstatistische Kennzahlen, 3Tabelle 16:22.5Studienanfänger nach Stu751 23.8 2 733und Absolventen 282 28.3 32.1 4 195 22.4 23.8 2 299 487 28.1 31.2 dienfächern, Geschlecht und Durchschnittsalter, 4 876 22.0 S. 493 23.2 2 144 647 27.8 30.3 Weiblich

1995 2000 2005 2009 2010 2011

3 063 3 242 2 966 3 873 3 880 4 524

3 951 3 904 3 598 5 080 5 198 6 158

22.1 21.4 21.3 21.2 21.3 21.2

22.9 22.0 22.1 22.1 22.3 22.1

1 972 2 885 2 558 3 121 2 754 2 864

84 130 189 286 484 691

28.0 28.5 27.8 26.5 26.3 26.0

31.5 32.5 30.9 30.6 28.8 28.4

Insgesamt

1995 2000 2005 2009 2010 2011

6 302 6 147 5 338 6 345 6 617 7 877

8 370 7 693 6 774 8 831 9 393 11 034

22.8 22.0 21.8 21.7 21.7 21.5

23.7 22.8 22.8 22.8 23.0 22.6

4 881 6 079 5 264 5 854 5 053 5 008

203 287 376 568 971 1 338

28.9 29.3 28.7 27.4 27.2 26.8

33.0 33.4 32.1 31.3 30.0 29.3

Innenarchitektur Männlich

1995 2000 2005 2009 2010 2011

174 149 97 100 112 102

238 189 125 129 144 142

24.8 24.2 23.2 23.3 23.3 23.0

25.2 24.8 23.9 24.1 24.3 24.2

222 202 97 119 86 74

2 1 2 4 6 18

30.3 30.2 29.2 29.5 28.9 28.4

30.3 . 33.8 28.8 28.2 29.6

Weiblich

1995 2000 2005 2009 2010 2011

479 566 502 562 597 646

623 699 598 753 833 904

22.4 21.9 21.7 21.2 21.6 21.6

23.0 22.2 22.2 22.0 22.7 22.5

390 494 474 672 585 574

3 3 5 13 29 123

28.4 28.2 27.4 26.3 26.3 26.0

36.4 . 26.6 28.4 27.5 26.9

Insgesamt

1995 2000 2005 2009 2010 2011

653 715 599 662 709 748

861 888 723 882 977 1 046

23.1 22.4 22.0 21.5 21.8 21.8

23.6 22.8 22.5 22.3 22.9 22.7

612 696 571 791 671 648

5 4 7 17 35 141

29.1 28.8 27.7 26.8 26.6 26.3

33.9 38.9 28.7 28.5 27.6 27.2

Statistisches Bundesamt, Fachserie 11, Reihe 4.3.1, 1980-2011

493


108

Anhang: Interviews


Anhang: Interviews

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Interview mit as weiblich, Berlin, Grafikerin, Inneneinrichterin, Bloggerin

1 2

jw: O.k. Meine allererste Frage wäre: was steht auf deiner Visitenkarte? #00:00:13-0#

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den Satz macht. Und die hat mich wieder eingeführt in die Programme, Photoshop, Quark Express, In Design, alles, was man so braucht. Und eigentlich, über diesen Umweg, bin ich zur Grafik gekommen. Habe dann auch vier, fünf Webseiten gemacht, also, mich irgendwie immer so weitergebildet und habe dann angefangen, auch mich anzubieten, Innenausstattung zu machen. Weil, bei mir war das immer so, meine Freundinnen kamen immer zu mir, wenn sie irgendetwas gestaltet haben wollten. „Anne, du hast doch so einen guten Geschmack mit Farben, kannst du nicht mal kommen.“ Oder: „Ich will mein Wohnzimmer anders gestalten, kannst du nicht mal kommen, können wir nicht mal.“ Klar, können wir (lacht). Ich habe auch immer gern geholfen. Und, seit vielleicht fünf, sechs, sieben Jahren ist es so, dass ich das tatsächlich auch gegen Geld mache und sage, ok, meine Leistung möchte ich auch irgendwann mal honoriert bekommen und nicht immer nur als Hilfe, ne, so. Und, habe tatsächlich zwei, drei Aufträge am Anfang erledigt, und dachte, das ist eigentlich mein super, eigentlich ist das der beste Job. Ich bekomme einen Etat, oder wie sagt man, Budget. In der Werbung ist es der Etat, genau. Und kann wirklich aussuchen, was mir gefällt. Muss natürlich mehrere Sachen vorstellen. Und, das macht mir einfach großen Spaß. Zu recherchieren, zusammenzustellen, Mood-Boards zu erstellen, das zu zeigen und mit den Leuten zu arbeiten. Und freue mich, wenn die dann glücklich sind. So ist das entstanden. Und der Blog, der für mich ja eigentlich ein Ausdruck ist, eigentlich zu zeigen, was ich schön finde, vom Design, über Kunst, über Inneneinrichtung. Alles, was der Blog umfasst, zeigt ja meinen Geschmack oder stellt mich ja irgendwie dar. Und durch diesen Blog bin ich jetzt auch an Jobs gekommen, an die ich vielleicht vorher nicht gekommen wäre. Weil mich jemand anschreibt und sagt: „Mensch, das gefällt mir aber. Sie machen Farbberatung für Farrow and Ball? Ach, hier und da und dort.“ Und, deshalb ist eigentlich so mein Tätigkeitsfeld, inzwischen schwankt das wirklich sehr zwischen dieser Farbberatung, der Interior-Beratung und meiner freien Tätigkeit als Grafikerin, obwohl ich das am wenigsten machen möchte, weil am Computer zu sitzen und Linien zu zeichnen und das Logo nochmal so zu verändern, wie der Kunde das... das macht mir einfach nicht so großen Spaß. #00:04:52-1#

85

jw: Also, eher diese Farbkonzepte und Interior. #00:04:56-9#

86

as: Ja, genau, Farbkonzepte. #00:04:56-9#

87

jw: Ja, wie läuft die Arbeit denn mit Farrow and Ball ab?

42 43 44

3 4 5

as: Meiner Visitenkarte... ich habe zwei. Ich habe eine Blog-Visitenkarte, da steht nur drauf: A. L. W. Berlin, die URL und meine Mobilnummer. Das ist alles. #00:00:24-5#

45 46 47 48

6

jw: Keine Berufsbezeichnung oder so etwas? #00:00:26-8#

49 50

13

as: Nein. Also, das ist die Blog-Karte. Wenn ich irgendwo hingehe und sage: „Ich würde hier gern fotografieren für den Blog.“, dann stelle ich mich eigentlich nur mit dem Blog vor, weil ich gar nicht möchte, dass die meine Adresse haben, teilweise. Und wenn ich, ich habe eine Visitenkarte mit meiner kompletten Adresse. Auch mit meinem vollen Namen, A. S. heiße ich. Und da steht drunter „Grafikerin“ mit voller Adresse. (...) Zwei verschiedene. #00:00:52-9#

14

jw: Also, Grafikerin. #00:00:53-2#

60

15

as: Mhm (bejahend). #00:00:53-8#

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jw: Ok, das ist, wie du dich auch nennst und vorstellst?

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7 8

9 10 11 12

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17 #00:00:57-8#

65 66

18

as: Genau. #00:00:58-7#

67 68

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jw: Ok, und wie bist du dahin gekommen? Also, was hast du studiert, oder wie war so der Weg? #00:01:06-5#

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as: Genau, ich habe an der UdK in Berlin Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation studiert. Das ist ein Studium, da lernst du, konzeptionell zu denken. Von der Marktforschung über die Planung bis hin zu Gestaltung. Wie baust du eine Werbekampagne auf, wie gehst du da heran. Und wir haben gelernt, Psychologie, Betriebswirtschaft, Statistik, aber auch Text, visuelle Gestaltung, audiovisuelle Gestaltung, Typografie. Wir mussten scribbeln, zeichnen, hoch und herunter kopieren, Letraset-Buchstaben benutzen. Es gab noch kein Photoshop. Und das Studium habe ich beendet und habe dann in einer Galerie gearbeitet, Pressearbeit gemacht, und Bilder aufgehängt und alles, was im Galerie-Business so wichtig war. Und dann habe ich vier Kinder gekriegt. (lacht) Vier Kinder, also ich konnte nicht mehr arbeiten, irgendwann. Habe aber viel kreativ immer, also, ich habe gemalt und freie Aufträge angenommen, wenn jemand gesagt hat: „Kannst du nicht mal, kannst du nicht mal mir eine Visitenkarte machen oder kannst du nicht mal dies oder das.“ Und dann habe ich irgendwann ein Praktikum gemacht bei einer Buchherstellerin, die für den Cornelsen-Verlag Bücher illustriert und herstellt, also

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88 #00:05:01-3#


Anhang: Interviews

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as: Genau, da arbeite ich auch seit drei Jahren. In der königlichen Gartenakademie, die ist hier in Dahlem. Das ist ein Bühnenbildner, A. O., der hat sich vor fünf Jahren selbstständig gemacht mit B. Design. B. Design macht nur Farrow-and-Ball-Farben, das ist ein Stockist von Farrow and Ball. Und ich habe für ihn mal die Geschäftsausstattung gemacht und habe dann gesagt, die hätte ich gern bezahlt in Farben. So bin ich zu den Farben gekommen (lacht). Und dann habe ich das Haus damit gestrichen und habe mich in die Farben verliebt. Und dann hat er mich tatsächlich gefragt, ob ich aus der Grafik und aus der kreativen Szene nicht mit ihm als Bühnenbildner zusammen diesen Laden machen möchte. Und dann habe ich gesagt, dass mir das zu viel ist, weil ich ja eine große Familie habe und auch andere Dinge mache, aber ich würde gern einmal in der Woche dort arbeiten, und als freie Farbberaterin auf eigene, also, als Freiberuflerin. Und das mache ich seit drei Jahren. Und das ist auch sehr schön. #00:06:02-6#

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jw: Schön. #00:06:02-6#

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as: Doch es macht Spaß. #00:06:02-6#

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jw: Ja, das glaube ich. Farrow-and-Ball-Farben machen immer Spaß. #00:06:06-1#

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as: Ja, machen immer Spaß. #00:06:08-3#

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jw: Das finde ich auch. Ok, dann haben wir doch schon ein paar Fragen beantwortet. Wie erklärst du Anderen, die nichts mit Design oder mit kreativen Sachen zu tun haben, was du machst? Das ist immer mein Problem. Ich finde das total schwer. #00:06:23-2#

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as: Ich finde es auch schwer. „Bist du denn nicht Grafikerin?“, heißt es dann. Ich so: „Nee, ich bin eigentlich nicht Grafikerin.“ Wir haben alles in diesem Studium zum Beispiel, haben wir von allem ein bisschen gelernt, aber nichts richtig. Ich bin auch keine Fotografin. Also, auf meinem Blog, die Fotos mache ich eigentlich zu 95 Prozent selbst. Das sind Fotos, die sind schön, aber ein Fotograf würde da immer noch sagen: „Nee, also...“, ne?! Aber ich finde die eigentlich ganz gut und die, die den Blog lesen, sagen auch: „Oh, du machst so schöne Fotos.“ Aber ich bin keine Fotografin. Ich mache Visitenkarten und Geschäftsausstattung, Poster, Flyer, bin aber keine Grafikerin. Und so erkläre ich denen das eigentlich auch. Ich statte gerne aus, aber ich bin keine Interior-Architektin. Ich bezeichne mich als Kreative und damit müssen die zufrieden sein. Ja.

133 #00:07:17-5#

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jw: Ja, warum nicht. Dein Haus ist ja auch so schön. Also, du hast das alles, damit hat das wahrscheinlich auch angefangen, oder? Deine Leidenschaft, so... #00:07:25-7#

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as: Ja, schon so in den eigenen vier Wänden. Aber auch schon früher in der Studentenwohnung oder so. Also, wir haben versucht aus wenig viel zu machen. Also, wenig Geld gehabt und trotzdem aus Fundstücken, Findlingen vom Flohmarkt und irgendetwas, irgendeinem alten Stück etwas Besonderes zu machen. Durch einen anderen Lack, oder eine kleine Veränderung. Oder ich habe in der Küche so ein kleines Schränkchen, das ist aus den Fünfziger Jahren. Habe ich auf dem Flohmarkt gesehen und habe das gekauft und mein Mann meinte so: „Was willst du denn damit schon wieder?“ (lacht) Und dann habe ich gesagt: „Kommt. Habe ich bestimmt irgendwann eine Idee.“ Und jetzt hängt das seit zehn Jahren da, hat so eine Marimekko, habe ich einen Stoff darauf gezogen, hast du vielleicht gesehen. Einfach auf diesen Schiebetürchen habe ich Marimekko-Stoff aufgezogen, weil ich den auch als Kissen hatte, in der Küche. Ist jetzt inzwischen nicht mehr, aber das Schränkchen hängt da noch. Und, das sind so Kleinigkeiten, da kann man mit wenig viel machen, so. Und das habe ich schon früher gerne gemacht. Und auch mit den Kindern, habe ich immer, weiß ich nicht, irgendwelche Sachen gesammelt und daraus etwas gemacht. Und versucht, denen das beizubringen, dass man nicht immer teure Designersachen braucht. Sondern man kann ja seine eigenen Sachen designen. Mittlerweile hat sich das allerdings so ein bisschen umgedreht. Früher habe ich immer ein bisschen die Leute verachtet, die gesagt haben: „Mann, ich brauch jetzt, ich möchte gern den Stuhl von Bertoia und ich brauche auch noch den und den.“ Und dann dachte ich immer: Mann, natürlich, Geld ausgeben kann jeder und sich die Designersachen hinstellen. Aber so ein paar Sachen, haben wir auch (lachend) so einfach inzwischen angesammelt, aber ich bin immer noch darauf aus, dass es eine gute Mischung da ist. #00:08:59-5# jw: Dein Blog, darüber haben wir jetzt gerade schon gesprochen. Hast du das aus einer Laune heraus, wie hat sich das entwickelt, einfach...? #00:09:19-9# as: Aus einer Laune. Und zwar, habe ich seit ungefähr vier Jahren Facebook, weil meine Kinder im Ausland waren und da brauchte ich einen Facebook-Account. Und habe mich ertappt dabei, dass ich immer mehr Bilder, die ich zwischendurch mal fotografiert habe, so auf Ausstellungen oder Events oder so, dass ich immer mehr dieses Facebook genutzt habe, um meine Fotos hochzuladen. Weniger mit Personen, sondern tatsächlich, was ich Schönes erlebt habe oder gesehen habe, und das wollte ich dann auf Facebook zeigen. Und irgendwann habe ich gedacht, Facebook reicht mir nicht, sondern ich hätte eigentlich gern so eine Möglichkeit, mich zu zeigen und das ist dann eigentlich der Blog. Weil ich kannte, mein erster Blog war E.s Design Blog, ich weiß nicht, ob du den kennst, aus Stockholm. E.s Design Blog, das ist eine Frau, die macht auch Inneneinrichtung und Beraterjobs, und so Dekorationen. Und, aber


Anhang: Interviews

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alles nur mit so monochromen Farben, sind die Fotos. Und die macht auch wirklich so ganz monochrome Geschichten. Aber, toll, inspirierend, und das war der erste Blog, den ich immer verfolgt habe. Und dann dachte ich: so, jetzt gucke ich mal, was habe ich denn für Möglichkeiten. Bei Blogspot, oder Wordpress, was gibt es da für Templates und wie unangestrengt kann ich da vorgehen. Und dann habe ich im August letzten Jahres wirklich am Nachmittag so gedacht: So, (lacht) ich wähle mir jetzt das einfachste Template bei Blogspot. Und habe einen Artikel hoch geladen, den ich mir vorher überlegt habe: Ach, Mensch, da nehme ich jetzt irgendwie die Fotos von, aus Paris. Ich weiß gar nicht, welches mein Erster war. Aber, ich meine fast, das von dieser Lichterkette. La Case de Cousin Paul, heißt das. Und dann habe ich drei Bilder hoch geladen, einen Text dazu geschrieben, habe das A. L. W. Berlin genannt, weil so habe ich mich schon länger genannt, weil ich Bilder gemacht habe unter dem Namen. Habe das hoch geladen und dann war der Blog geboren. Und dann habe ich gedacht: oh, jetzt muss ich aber auch zusehen, dass ich das regelmäßig mache. Und ich würde mal so sagen, nach vier Wochen oder so hat sich angezeigt, dass da Resonanz ist, dass die Leute mich darauf ansprechen. Ich habe es dann mal durch meinen Emailverteiler so ein bisschen bekannt gemacht und gesagt: ja, ich habe jetzt einen Blog und da werde ich immer zeigen, was ich schön finde und dann hat sich das so entwickelt. Und inzwischen habe ich 10.000 Aufrufe im Monat und wirklich Tendenz steigend und wirklich, tut sich sehr viel. #00:11:52-9#

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jw: Man muss den Schritt irgendwie wagen. Ne? #00:11:53-4#

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as: Ja. Jetzt werde ich aber von Blogspot weg wechseln und werde, Wordpress Selfhosted eine Seite nehmen, wo das Blogspot dann wegfällt, dann ist es nur „a. l. w. de“. com gibt es leider. Und... #00:12:06-3#

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jw: Ja, das habe ich gesehen, eine Fotografin... #00:12:10-3#

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as: Ja, eine Fotografin in Kanada, ich glaube, die ist ganz sauer. Ja, durch dieses A.L., ist es ja nur weil ich in Lichterfelde-West wohne und irgendwann, schon vor vielleicht acht bis zehn Jahren mal dieses, mal so aus Spaß, so A.-L.W. Weil ich liebe Lichterfelde-West und das war dann irgendwie so mein Künstlername. Und als ich gesehen habe, dass es eine A. W. gibt, da dachte ich: die Arme. Weil Google ist wirklich voller Blogbeiträge und, aber sie kommt, sie kommt ziemlich, also man erkennt, dass es sie gibt. Aber sonst, ein bisschen blöd. #00:12:45-4#

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jw: Also profitierst du auch in deiner Arbeit von dem Blog?

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jw: Wie nutzt du so andere Medien? Für die Arbeit, Pinterest? #00:13:39-3#

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as: Pinterest und Instagram. Aber kein Google Plus und ich twittere auch nicht. Und dieses Instagram und Pinterest finde ich deshalb schön, weil es wirklich nur eine Fotoplattform ist, und da mein Blog ja auch hauptsächlich aus Fotos besteht, eigentlich genau das Richti­ge. Und das entwickelt sich auch gerade. #00:13:58-6#

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jw: Aber, benutzt du Pinterest auch anders herum?

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as: Zum Gucken? #00:14:00-3#

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jw: Ja. #00:14:00-3#

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as: Ja. Also, jetzt habe ich zum Beispiel gerade ein Projekt, da muss ich nur so einen Konferenzraum ausstatten für eine Firma. Die wollen, also, da wollte ich unbedingt einen ovalen, weißen Arbeitstisch. (lacht) Und dann gebe ich bei Pinterest ein: Arbeitstisch, oval, und gucke mal, was so kommt. Also, ich nutze es praktisch wie Google Bilder, aber (unv.) mache ich schon gerne. Ist auch toll. #00:14:29-5#

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jw: Sucht, schlimm. #00:14:29-5#

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as: Ja. Aber ich pinne kaum weiter. Also, ich nutze Pinterest für mich, aus ganz egoistischen Gründen, um meinen Blog praktisch zu verlinken. Weil jedes Foto ist mit dem Blog verlinkt. Oder mit einem Artikel. Habe eigentlich kaum Zeit, zu gucken, was ich weiter pinnen könnte, da habe ich nicht die Zeit. #00:14:47-4#

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jw: Du nutzt es also nicht so als Pinboard. #00:14:51-3#

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as: Ja, genau. #00:14:51-3#

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jw: Eben nicht. OK. Ich zum Beispiel schon. #00:14:54-5#

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as: Ja, ok. #00:14:57-7#

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Farrow and Ball ist so, dass, wenn ich da bin und jemanden beraten habe im Laden, dem gebe ich auch gerne meine Visitenkarte vom Blog mit, weil ich sage: „Wenn Sie sich gerne inspirieren lassen wollen, ich habe da einige Fotos nur mit Farrow and Ball-Sachen, aber auch andere Inneneinrichtungssachen, oder auch noch andere Sachen zum Thema Kunst und Design. Können Sie sich gerne mal umschauen.“ Und dann nehmen die das mit und sind irgendwie ganz begeistert. Und sagen: „Ja, Mensch, das ist ja toll.“ Na ja, so. Und umgekehrt ist es auch so, dass ich angeschrieben werde: „Ach, können Sie sich vorstellen bei mir mal eine Farbberatung zu machen?“, oder so. Das ist wirklich gut. #00:13:33-7#

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as: Ja, auf jeden Fall. Das Netzwerk ist so, dass sich das gegenseitig befruchtet. Also, die Arbeit bei B. Design und


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jw: Ich habe das auch schon, nebenbei, mit Arbeitskollegen zusammen. Man kann auch gemeinsame Pinboards haben. #00:15:03-4#

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as: Ah, das ist auch cool. #00:15:03-4#

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jw: Das ist cool. Da kann man so zu dritt, sich gegenseitig Bilder zeigen. Kann man auch wunderbar das Wochenende durch arbeiten: „Jetzt hat der schon wieder etwas gepinnt, jetzt muss ich mir das angucken, damit ich am Montag weiß, was er gepinnt hat.“ #00:15:14-1#

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as: Aber das finde ich anstrengend, weil ich finde auch, das Bloggen an sich würde gar nicht so viel Zeit nehmen, weil ich unterwegs bin ich sowieso und die Fotos, klar, ich habe auch Termine, gestern war ich, hatte ich auch einen Termin nur für den Blog. Aber das lege ich mir trotzdem so, dass das zeit-mäßig gut zu schaffen ist, und dass ich durch den Blog nicht wirklich das Gefühl habe: boah, der braucht unheimlich viel Stunde am Tag. Aber die Nacharbeit ist dann so immens. Fotos bearbeiten, damit sie irgendwie, da kann man ja doch noch ein bisschen verbessern. Und, hoch laden, Text schreiben, aber dann nicht nur bei Blogspot hoch laden, sondern auch bei Facebook, Pinterest zwei, drei Bilder (lachend) bei Instagram muss ich mir das aufs Handy schicken, damit ich es da wieder hoch laden kann. Also, das finde ich, und deshalb bin ich auch gegen Twitter und Google plus, obwohl das für den Blog super wäre. Weil, jedes Mal wenn ich einen Tweet los lassen würde, würde wahrscheinlich die Resonanz auf den Seiten zu sehen sein. Aber, das hat immer wieder noch einmal fünf bis zehn Minuten mehr und die habe ich nicht. #00:16:10-3#

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as: Du meinst, wie die Blogger dastehen? #00:17:55-4#

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jw: Nee, nee, die Innenarchitektur. #00:17:56-7#

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as: Ach so, die Innenarchitektur. #00:17:58-5#

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jw: Also, ich kann es ja auch einfach so als Beispiel: eben jetzt diese ganzen Einrichtungssendungen im Fernsehen.

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jw: Also, du nutzt die Medien vor allem, um... #00:16:14-1#

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as: ... mich darzustellen. Um den Blog zu verlinken, zu verknüpfen. #00:16:18-9#

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jw: Aber auch als Inspirationsquelle...#00:16:19-9#

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as: Ja, aber eher nur Pinterest. #00:16:23-3#

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jw: Wie siehst du so allgemein die Präsentation von Innenarchitektur in den Medien? Also, jetzt so in den neuen Medien. Wie nimmst du das so wahr? #00:16:35-5#

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as: Dass das immer mehr wird. Dass, ich glaube, dass es im Moment fast so ein Hype ist, Innendekoration. Es gab noch nie so viele Zeitschriften zum Thema. Und parallel dazu, also, so viel Blogs, Wohnblogs, die sprießen ja aus der Erde. Ich bin ja nicht die erste, ich bin ja eher auf den Zug aufgesprungen, aber ich finde jetzt, es gibt immer mehr. Also, wie viele Menschen sich mit Dekoration und Wohnen und Living. Das Thema Living, dass das überhaupt so, ne. Das hat sich extrem entwickelt. Und das ist ja ein Fass ohne

jw: Und, ich will es jetzt nicht so direkt ansprechen. Ja, gut, mir geht es auch so ein bisschen darum, wie die Innenarchitektur, diese Blog-Welt und so, das ist ja eine bestimmte Sparte an Menschen, auch vermutlich selbst Kreative und untereinander sind wir uns ja alle relativ einig, was wir so machen. Aber eben, nicht so nach ganz außen. Also, so wie sie der breiten Bevölkerung präsentiert wird.

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Boden, wenn man da nach etwas guckt. Da sind ja unendlich viele Fotos. Auch überhaupt der Trend, dass man alles fotografiert und hoch lädt, dass hat sich in den letzten zwei Jahren bestimmt, weiß ich nicht, (unv.). #00:17:25-9#

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as: Ach so. Ja, da wird es, glaube ich, eher downgegradet. Weil, das verfällt ja. Also ich finde, wenn dann, wie heißen die nochmal, die ganzen, ich gucke das halt alles nicht, aber.. diese ganzen Serien: wie renoviere ich, weiß ich nicht, gebt mir Geld, ich renoviere dein Haus und dann kommst du wieder rein. Und das ist alles so furchtbar. (lacht) Und hat nicht mehr viel mit Design zu tun. Das ist einfach nur eine Masche, um auf den Zug aufzuspringen, glaube ich. Und das hat auch keine Qualität an sich. Also, das ist wirklich nur Ausschlachten der Medien, um die Neugier der Leute zu befriedigen, wie andere Menschen wohnen und leben, glaube ich. Aber es hat nichts mehr mit, so von innen heraus. Also, ich finde so, dieses Innenarchitektur (zögernd) oder überhaupt Gestalten ist ja eine Sache, die von innen kommt. Und, das ist schon kommerziell ausgenutzt, finde ich. Also, davon halte ich nicht viel. Habe ich auch nie geguckt. #00:18:57-5# jw: Ich finde es halt da immer schwierig, dass die Leute weggeschickt werden. Das ist so der Punkt... #00:19:03-9# as: Ohne da mit reden zu können. Die müssen ja da leben, ne. Ja, denen wird das gestaltet. Aber, da finde ich halt auch, das ist so ein Thema, dass ich ganz schwierig finde. Gibt ja wirklich viele Menschen, die die Dienstleistung sich einkaufen, sich ihre Wohnung schön machen zu lassen. Und ein Budget geben und sagen: “Boah, mach was du willst, Hauptsache, das ist richtig cool.“ Damit kann ich eigentlich wirklich kaum etwas anfangen, weil die Menschen, die haben den Bezug verloren zum Wohnen. Das ist ja dein Zuhause und das von jemand ganz Fremden einrich-


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ten zu lassen, nur damit du da abends nach Hause kommst und da lebst, das finde ich ganz befremdlich. #00:19:41-2# jw: Es ist so ein bisschen, einerseits braucht man natürlich auch das Vertrauen, dass man als Gestalter Geschmack hat, Sachen vielleicht manchmal besser weiß als der Kunde. Immer dieses... #00:19:54-2#

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der Branche erlebst. #00:22:01-0#

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as: Weiß ich gar nicht. Ich finde, also, eigentlich geht es mir gut als Frau in der Branche. Sind ja viele Kreative. Also, ich würde gar nicht sagen, dass das ganz pari-pari, oder? Ich habe mich da noch nie mit beschäftigt, ob es mehr Innenarchitekten gibt, oder.. ich würde fast sagen, es gibt mehr männliche Architekten, aber mehr weibliche Innenarchitekten. Kann das sein? Das weiß ich überhaupt nicht.

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as: Ja, das Vertrauen braucht man natürlich als Einrichter. Ich hatte heute auch so ein Termin, ich mache so ein Restaurant, darf ich umgestalten farb-technisch und auch so ein bisschen mit Möbeln und wie auch immer. Und der hat gesagt, ich vertraue dir total. (lacht) Und dann habe ich mitgekriegt, dass er schon etwas bestellt hat, schon Möbel. Und als ich dann gesehen habe, was er für Möbel bestellt hat, musste ich leider ganz deutlich machen, dass ich die ganz furchtbar finde (lacht). Und ich finde so etwas so schwierig, es ist so subjektiv, der Geschmack. Aber wenn du jemandem vertraust und sagst: „Ich lege das in deine Hände und ich glaube schon, dass du das hinkriegst.“, mache dann parallel aber irgendetwas. Ganz schlimm.

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jw: Irgendwo dazwischen muss es dann passieren.

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as: Genau. Also ich habe schon gern das Vertrauen. Aber möchte auch gern, dass jemand sich einmischt und mithilft, aber nicht voreilig eingreift. Weil so ein Konzept entsteht ja auch. Also so ein Konzept, wie man leben will, entsteht ja auch durch Gespräche und so. Auch bei den Farbberatungen ist das so. Ich gehe ja da nicht hin und sage: „So, dieses Zimmer wird jetzt rot und da hinten, ja, nee, blau.“ (lacht) Weil es wird ja gefragt: „Was haben Sie denn für Möbelstücke? Oder, was kommt denn da hinein? Oder welche Fußböden?“ Also, zum Beispiel, es sind ja zwei Arten von Beratung, die einen kommen in den Laden, bringen irgendwelche Fotos mit oder bringen die Kamera mit und zeigen mir auf dem Display: “Ah, ich habe hier so. Was soll ich denn da machen?“ (lacht) Oder, sie erzählen mir einfach so: „Ich möchte gern das Schlafzimmer streichen.“ Und dann frage ich natürlich, wie die Böden sind, wie das Licht ist, was da drin ist. Und durch das Miteinander entsteht etwas. Aber, irgendwohin zu gehen und jemanden zu oktroyieren, was man, hm. Lieber zusammen. #00:21:35-5#

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jw: Ich weiß es, ich kann es auch nicht genau sagen. Es ist aber, was ich finde, bei den Designern und Architekten und im Allgemeinen auffällig ist, dass, wenn sie sehr erfolgreich sind, sind es Männer. #00:22:36-4#

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as: Ja? #00:22:36-7#

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jw: Also, es gibt ja diese Liga der Stararchitekten. Und da gibt es Zaha Hadid und dann Männer. #00:22:44-2#

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as: Ja, das stimmt. #00:22:45-4#

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jw: Und dann gibt es so die Stardesigner und das sind...

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jw: Dann würde ich jetzt zu einem ganz anderen Thema kommen, mit dem ich mich jetzt beschäftige. erst einmal grundsätzlich die Frage: Hast du dich mit dem Thema Gender, im Sinne von einem kulturell geprägten Geschlecht, schon einmal beschäftigt? #00:21:49-6#

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as: Eigentlich nicht. #00:21:53-6#

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jw: Ich würde gern wissen, wie du dich selbst als Frau in

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jw: Schön. Würdest du sagen, dass dein Design typisch weiblich ist? #00:23:00-9# as: (...) Ja. Aber ich kann mich auch, also, ich würde schon sagen, dass mein Geschmack weiblich ist, so, weil es aus mir heraus kommt. Man muss ja auch irgendwo weiblich sein. (lacht) Aber ich kann mich durchaus auf die Zielgruppe oder auf den, für den ich etwas mache einstellen. Also ich kann durchaus da klare Linien hineinbringen oder, wenn ich für einen Mann etwas, versuche ich mich da hineinzuversetzen. Aber das, was ich so mache, hat, glaube ich schon, eher so, ist eher weich, rund, harmonisch. Keine Ahnung. #00:23:37-6#

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jw: Spielt das also in deiner Tätigkeit keine große Rolle, so dieses Thema? Du beschäftigst dich wahrscheinlich nicht so viel damit? #00:23:50-9#

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as: Mhm (verneinend). Habe ich mich noch nicht so, ne.

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as: ...viel Männer. Das stimmt. Aber da habe ich überhaupt gar kein Problem bisher gehabt als Frau, mhm (verneinend). #00:22:55-0#

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jw: Vielleicht kurz zur Erklärung: bei mir in der Hochschule ist so, dass es sehr, sehr viel mehr Frauen gibt in der Innenarchitektur. Es gibt Jahrgänge, da sind nur Frauen. Bei uns war es so, wir waren irgendwie zehn Mädels und drei


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Jungs, irgendwie so ungefähr. Und wir werden halt nur von Männern unterrichtet. Und das ist so ein bisschen ein komische Situation. Und man wundert sich. #00:24:24-2#

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as: Vielleicht kommen die Frauen jetzt. Bei K. (Tochter) sind zum Beispiel auch 90 Prozent Frauen, die Architektur studieren. Und da fragst du dich, warum die ganzen Stararchitekten Männer sind, wo kommen die her? War das früher anders? Wahrscheinlich! Also ich denke... #00:24:37-2#

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aber faszinierend finde ich das schon. Und es ist schon eine Revolution, dass man aus einem flüssigen Kunststoff mal eben, der ganz schnell durchhärtet, ein Teil, weiß ich nicht, man braucht einen Becher, mache ich mir schnell einen. In fünf Jahren macht man sich den zack zack zack am Drucker morgens noch. Ich weiß nicht. Es ist schon irre.

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jw: Es gibt ja jetzt sogar die ersten Maschinen, die auch mit Keramik oder Ton arbeiten. #00:27:00-1#

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jw: Na ja gut, die Männer haben ja gerade in dem Alter, wo jetzt die Stararchitekten sind, haben natürlich den geraderen Lebenslauf. #00:24:45-2#

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as: Ja klar, die sind ja schon sechzig. #00:24:47-0#

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jw: Und die Möglichkeit zum Geradeaus-Weg. Frauen ja immer noch nicht unbedingt. #00:24:53-6#

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as: Ja, Wahnsinn. Der Hammer. Also, das finde ich schon verrückt, aber bisher, für mich hat es noch keine Relevanz. Ich werde es auch nicht unbedingt.. warum? Also, wenn ich jetzt Schmuck machen würde, vielleicht. Dass ich mir meine eigenen, kleinen Teile, die ich dann verarbeite, oder so. Aber das, was ich jetzt gerade so mache, ist es noch nicht wichtig. #00:27:24-2#

as: Aber die nehmen sich Frauen ja inzwischen schon. Also, ganz geradeaus nicht, aber zumindest wieder schnell in den Beruf oder das, was sie wirklich möchten, dann auch durchsetzen. Glaube ich schon. #00:25:06-2#

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jw: Es ist ja auch, man kann ja auch Möbel daraus bauen.

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jw: Das hoffe ich auch. Ja, gut, dann können wir das ganz schnell abhaken, das Thema, wie ich sehe. Dann komme ich zu meinem Bonus-Thema, nämlich. 3D-Druck, das ist so ein Bereich mit dem ich mich so ein bisschen am Rande, mal gucken will. #00:25:29-2#

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as: Wie heißt der Druck? #00:25:30-6#

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jw: Drei De. #00:25:31-8#

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as: Na gut, da brauchst du ja viel Material, das ist teuer und dauert ewig. #00:27:40-5#

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jw: Ja, noch ist es so. #00:27:40-2#

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as: Irgendwann wird es wahrscheinlich, dann hat man wahrscheinlich im Keller irgendwie so eine große Maschine und dann stellt man sich den Hocker mal eben her.

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as: Ach, 3D-Druck, Entschuldigung. #00:25:34-3#

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jw: Es gibt ja Leute, die sprechen von einer neuen, industriellen Revolution, weil jetzt alle Leute zuhause ihre Sachen machen können. Hat das für dich irgendeine Relevanz?

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as: Also, eigentlich nicht. Also, wenn ich jetzt, ich habe so ein paar Projekte, wo ich dann auch eine Rigips-Wand setzen soll, oder sagen kann, da soll die und die Form oder ein runder Ausschnitt in die Wand oder, also, schon Baustoffe, ganz herkömmlich, Holz. Wenn ich irgendeine Idee habe, vielleicht fällt mir dann zwischendurch etwas ein: ach, Mensch, da könnt ich das aus dem und dem Material.. aber eigentlich innovativ nicht. mhm (verneinend) Würde ich nicht sagen, dass ich innovativ tätig bin. #00:28:32-4#

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jw: Also auch nicht verwendest. #00:28:34-1#

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as: Nö. Also, Beton finde ich zum Beispiel toll. Beton ist ein Baustoff, den ich super gut finde. Ich selbst habe noch nichts aus Beton gegossen, habe es aber immer vor. Denke immer: Boah, müsste ich doch einfach mal zack in so eine Form ausgießen und, weiß ich nicht, hatte ich immer schon mal ein paar Ideen, habe ich aber noch nicht ge-

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as: Also, ich finde es faszinierend, was möglich ist. Wir waren gerade letztens in so einem, bei so einem Event. Und da wurden wir fotografiert, mussten uns einmal drehen, wurden in den Computer übernommen. Und dann wurde eine kleine Büste erstellt von Dreien von uns. Und ich fand das super faszinierend, weil ich wirklich gesehen habe: boah, man kann wirklich alles ausdrucken, was man so braucht, an Ersatzteilen oder Teilen, aus denen man etwas zusammenbauen kann. Aber ich glaube, das braucht noch ein paar Jahre, um daraus wirklich, also, für mich hat es noch überhaupt keinen Nutzen, weil ich wüsste jetzt gar nicht, was daraus herstellen soll. Es ist Kunststoff, es sind irgendwelche einfachen Teile. Ich glaube noch nicht, dass ich es so schnell daraus irgendwie Nutzen ziehen kann,

jw: Ja, Farrow and Ball ist ja auch irgendwie so eine traditionsreiche Geschichte und so. Arbeitest du dann auch mit innovativen Materialien? Also, mit irgendwie Beton, bestimmte Arten von Beton... #00:28:08-0#

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macht. Aber ich verwende ganz oft Beton für, als Stilelemente. Oder Arbeitsflächen, Küchenarbeitsflächen. Oder Lampen. Jo. Also Beton fällt mir jetzt ein. #00:29:04-9#

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jw: Ja, das war es auch schon. #00:29:11-0#

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Interview mit ja und sh ja: männlich, sh: weiblich, Berlin, Innenarchitekten

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jw: Ich habe so ein paar Schwerpunktthemen. Eben, was wir so von uns selbst halten. Also, das Selbstbild. Und dann mach ich so ein bisschen Medien, also wie wir so mit Medien umgehen und wie die Medien mit uns umgehen sozusagen. Und dann halt noch als dritten Schwerpunkt, wie die Frauen so abschneiden. Weil ich finde es ja schon, ich weiß gar nicht, wie es bei euch war, aber wir hatten ja nur drei Jungs und der Jahrgang nach uns gar keine mehr. #00:01:11-7#

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ja: Stimmt, habe ich gehört, ja. #00:01:14-0#

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sh: J. war ja auch allein. #00:01:17-3#

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ja: Das war ja mit das, ich glaube, meine Mappe war nicht so ganz ausschlaggebend, sicherlich auch, ja. Aber irgendwie hat mir irgendjemand dann mal gesagt, allein dass du männlich bist, ist schon der Weg. Zumal ich hatte ja meinen Bachelor schon, ich habe mich ja quasi für den Master beworben, den es damals noch nicht gab, dann habe ich quasi Diplom gemacht. Aber da hat man es, da sind die Türen deutlich geöffneter, glaube ich. #00:01:41-8#

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jw: Also, mir hat der Stief mal erzählt, dass in der ersten Runde von den Bewerbungen immer halbe halbe ist. Und die Jungs dann alle gnadenlos raus fliegen wegen schlechter Eignung. #00:01:53-6#

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ja: Na ja, das kann ja sein. #00:01:55-6#

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jw: Oder, in den Gesprächen auch wegen geringer Zielstrebigkeit. Aber er meinte, das liegt halt oft am Alter, die Mädels sind mit 18, 19, 20 schon ein bisschen ziel gerichteter. Die Jungs dann öfter noch so ein bisschen: ja, könnte mir vorstellen, das hier zu machen. Und dann reicht es vielleicht noch nicht. Aber ich finde das schon interessant, dass man eigentlich so denkt, du machst jetzt hier so einen Frauenberuf und es bestätigt sich ja, weil alle um dich herum sind Frauen und dann hast du die vier Männer sitzen, die einen da unterrichten. #00:02:27-9#

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ja: Das ist lustig, ne. Das ist immer bezeichnend. Das ist ja irgendwie so, auch Reiten ist ja so ein Frauensport eigentlich, wenn du mal guckst, wer die Profis alles sind, sind alles Männer. Kochen, genauso. Ne, da ist die Sarah Wiener da, noch und so eine andere, ansonsten die ganzen bekannten Köche sind Männer. Ist lustig, ne. #00:02:45-4#

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ja: Ist skurril, ne. #00:02:51-7#

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jw: Und bei den Architekten ist es auch so. Es gibt nur Zaha Hadid. Die ist immer so als die super weibliche Architektin, die Star-Architektin, und dann... #00:02:58-9#

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sh: Ja, es gibt schon... #00:02:58-9#

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ja: Wer Hadid? #00:02:59-8#

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jw: Ja. Aber so diese richtigen Stararchitekten. #00:03:04-9#

49

ja: Aber die benimmt sich eigentlich auch vom Habitus her sehr männlich. Also, die hat sehr viele so, männliche Eigenschaften, ungeduldig, aufbrausend... #00:03:12-5#

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55

sh: Ja, beim Architekturstudium sind es schon während des Studiums fünfzig fünfzig. Wahrscheinlich. Aber bei Innenarchitektur, in den Büros machen das die InnenarchitekturMäuschen, fast. Würde ich behaupten. #00:03:27-5#

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ja: Die Treppen-Ausmesserinnen. #00:03:29-2#

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jw: Na, ich habe in Zürich ja in einem Büro gearbeitet, da waren wir zehn Frauen. #00:03:33-8#

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sh: Innenarchitektur. #00:03:35-8#

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ja: Und das war es. #00:03:35-8#

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jw: Das war es. #00:03:38-9#

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ja: Ist das denn noch gesund dann? #00:03:39-4#

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jw: Nein. (...) Also für viele Frauen schon, für mich auf gar keinen Fall. Für mich war das auch im Studium schon anstrengend. #00:03:48-3#

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sh: Wie heißt denn das Büro von ... da wo Claudia arbeitet, sind doch auch nur Mädels? #00:04:04-9#

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ja: Außer die Chefs. #00:04:05-5#

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jw: In Halle? #00:04:07-2#

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sh: C. D. und S. K. in München. Aber die haben auch studiert an der Burg. #00:04:12-2#

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jw: Das ist in der Mode auch so. #00:02:47-6#

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ja, sh: Stimmt. #00:02:48-2#

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jw: Und das ist, ne, also das, zehn Frauen alleine, das ist echt also, boah... #00:04:28-0#


Anhang: Interviews

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ja: Das ist dann auch zu viel, oder? #00:04:29-6#

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hübschen Frauen hier. Da war die voll am Rande. #00:06:33-9#

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jw: Ja, das ist zu viel. #00:04:33-7#

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jw: Und meine Chefinnen haben das halt auch so sehr gelebt, dieses Thema. Wir sind nur Frauen und wir machen voll schöne weibliche Innenarchitektur. #00:04:45-5#

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ja: Großartig. Das ist dann eigentlich eine der schönen Seiten des Berufs. Ein Freund von uns hat das auch gemacht, der ist Architekt nämlich. Und der hat so Baugruppenhäuser gemacht, wo die quasi, eine Baugruppe schmeißt Geld zusammen und jeder kriegt so ein Einzelreihenhaus. Und der hat es gehasst, und der hat vorher immer Wettbewerbe gemacht und auf einmal stand er da mit den heulenden Bauherrinnen im Garten. #00:06:56-0#

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ja: Ja gut, klar, das kann man ja so nach außen tragen.

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sh: Weil ein Baum nicht gefällt werden durfte. #00:06:59-7#

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sh: Ich habe da auch ein Klischee. Diese ganzen Mäuschens. #00:04:38-9#

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jw: Und wir sind alles super gut aussehende Mädels und wenn wir kommen, dann ist hier Party und so. Das war so ein bisschen die Optik. #00:04:57-5#

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ja: Genau. Und das willst du nicht haben. Das ist einer der Gründe, warum wir uns sehr auf so Unternehmen und so spezialisieren, weil da heult halt keiner. Das ist echt ganz cool. #00:07:10-7#

ja: Das kann man ja zum Image machen und das spricht sicherlich auch an, nicht nur Männer sondern auch Frauen. Also gerade irgendwie Gründerinnen, die beispielsweise irgendwie dann auf einmal Architekten oder Innenarchitekten wollen irgendwie. Und dann ist so ein Frauenbüro, ist ja cool. Aber genauso, es gibt ja M. Communications, das sind auch nur Frauen. Die machen halt PR. Die machen das halt auch, wir sind jung und Facebook-Liebhaber und joggen gern und diese ganzen so, diese persönlichen Profile da, dieses, wo sich das Privatleben mit der Arbeit total vermischt. Als Ausgleich dafür, dass sie nicht so gut bezahlt werden am Ende. Na ja. #00:05:39-6#

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jw: Nur wenn es ganz ernst wird. #00:07:12-5#

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ja: Das ist auch das.. ja gut, im schlimmsten Fall. Wer heult dann, wir oder die? Kommt drauf an. #00:07:20-4#

jw: Ja, es ist, es war für mich halt anstrengend, weil ich dann gemerkt habe, ich entspreche jetzt gerade nicht mehr so dem Thema. Da wurden lauter neue Models eingestellt und ich dachte mir so, ja, cool. #00:05:49-1#

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jw: Wir hatten auch mal einen Entwurf, einen Auftrag in Zürich mit so einer großen Unternehmensberatung. Das waren so fünf Männer im Vorstand, aber die waren auch, da war es auch immer am Limit, ne. Wenn die sich angezickt haben. Weil der eine hatte das und der andere so. Der eine sagt, wir müssen es schön machen unseren Mitarbeitern und der andere sagt, ist mir doch scheiß egal, Hauptsache es passen fünf Plätze mehr rein. #00:07:47-3#

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ja: Aber das ist ja grundsätzlich eigentlich so eine Sache.

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ja: Das macht dann ganz schnell, kann das ja auch kippen. Dann irgendwie, weil man dann so sehr auf so. Also entweder es ist wirklich so, dass das mit den Frauen so gut läuft, dann mag das ja so sein. Aber wenn das dann irgendwie zum Klischee wird, was man gern nach außen tragen will, dann ist das halt so, fragwürdig. #00:06:04-9#

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sh: Aber die Sachen sind gut. #00:06:06-9#

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jw: Die Sachen sind cool, doch auf jeden Fall. #00:06:08-6#

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sh: Und die Leute sind auch cool. #00:06:09-9#

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jw: Aber sie haben schon Kunden verloren, dadurch, da waren halt dann ein Ehepaar da. Die wollten ein neues Ferienhaus. Er hatte so die Vorgespräche gemacht und sie war dann zur Präsentation vom Entwurf dabei. Und da hat sie angefangen zu heulen. Weil sie fand, dass ihr Mann sich jetzt gerade gegen sie verschwört mit diesen ganzen

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jw: Da wurde dann auch so herumgebockt und aufgestanden und weggegangen. #00:07:52-6# ja: Ach geil. Aber das ist bei Männern so ein Leithammelmist. Bei Frauen sicherlich auch irgendwie, vielleicht Gezicke oder irgendetwas. #00:08:02-0# sh: Ja, Patricia Urquiola, ist ja eine Ober- kennst du die? Die muss echt eine Diva sein, es ist unfassbar. #00:08:09-9# ja: In gewisserweise macht das ja auch Sinn, wenn das so eine Marke ist und du kriegst halt auch viel aus den Leuten raus, will jetzt keine Professorennamen nennen. Aber, es gibt halt Leute, die einfach viel von ihren Studenten fordern und es kommt dann im besten Falle auch viel zurück. Es gibt andere Professoren, die so ein bisschen easy-going sind, und entsprechend, ne. Und es macht schon Sinn, wenn man dann so diven-haft wie die Urquiola da herumläuft, dass da viel auch kommt. Die Leute machen es ja am Ende trotzdem mit, ne. Das ist ja spannend. #00:08:44-3#


Anhang: Interviews

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sh: Aber ist doch spannend, (unv.) Frauen, entweder sind es irgendwie mannhafte oder diven-hafte Frauen oder es sind die Mäuschen, also ich finde, dass ist das Klischee von... #00:08:53-6#

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ja: Welche Mäuschen führen denn Büros? #00:08:55-2#

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sh: Nee, führen nicht. Angestellten. Ich habe ja jetzt noch keine Bewerbungen gehabt, aber es sind einfach... ich weiß es nicht. Innenarchitekten sind definitiv grob unterschätzt. #00:09:12-1#

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sh: Doch, glaube ich schon. #00:11:09-1#

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ja: Na kann ja sein. Ich finde das ja, die Mischung finde ich ja ohnehin super. Da bin ich total froh. S. hat sich dann, sie war ja beim Baunetz und so weiter und Assistentin auch in der Architektur in Dessau. War eigentlich immer so ein bisschen mit dabei, was ich so alleine treibe. Und irgendwann hat sie sich jetzt entschlossen, da wirklich hundert Prozent mitzumachen. Da bin ich auch sehr froh drüber. Weil sie halt noch, also, grundsätzlich, ob jetzt Mann, Frau, finde ich gar nicht so wichtig, aber es gibt halt eine andere Sichtweise, man kann sich auch austauschen. Das ist halt auf jeden Fall wichtig, wenn man selbstständig ist. Und ich meine, bei dir im Baunetz beispielsweise, war das ja auch so, dass du gerne mit den klaren Frauen zusammengearbeitet hast, während die Männer immer so, also (schnauft) doof waren (lacht). #00:11:56-7#

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ja: Das interessante ist, Was mir auffällt ist wirklich, wenn wir Kunden haben, die einmal verstanden haben, was wir machen, dann kommen die immer wieder. Dann sagen die auch: unser Innenarchitekt, oder unsere Innenarchitekten und so weiter. Und das ist schon geil, ja. Und die kommunizieren das dann auch weiter. Also, dann gibt es auch Empfehlungen oder so etwas. Die werden dann einfach, also da machen wir gerade einen türkischen Feinkostladen beispielsweise. Und irgendwann fing der dann halt an: Ja, da muss ich mal meinen Innenarchitekten fragen, ne und dann irgendwie solche Sachen. Das ist irgendwie total interessant, dass der dann auf einmal auch so stolz ist, jetzt muss er auch nicht mehr selber da gucken, wo die Regale hinkommen, sondern hat jetzt jemand, der sich darum kümmert. Und wenn er es verstanden hat, dann ist es cool.

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sh: Stimmt. Die Männer reden halt sehr viel von ich. Ich denke, ich meine. Und in Bewerbungen, wobei beim Baunetz war auch immer so ein Männer: ich kann, ich bin. Und Frauen schreiben eher... #00:12:13-8#

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ja: Sich ins Thema einfühlen. #00:12:15-6#

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sh: Genau. #00:12:20-0#

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ja: Unabhängig davon, von so Innenarchitektursachen, ich habe die Erfahrung gemacht, was toll ist, ist halt, immer mit unterschiedlichen Professionen noch zusammen zu arbeiten. Das ist jetzt meine persönliche Meinung, ich habe da echt gute Erfahrungen gemacht. Also ein Messestand, der ganz erfolgreich geworden ist, und viel in der Presse war und so, da haben wir mit einem Buchbinder zusammen gemacht. Also, sein Hauptjob eigentlich. Oder jetzt einen Wettbewerb mit einer Künstlerin, und so. Ich finde, da kommen noch einmal ganz anderer Austausch zustande. Weil oftmals, wenn man in der gleichen Profession ist, irgendwie wissen halt alle, was eine Schattenfuge ist. Wenn du aber irgendwie das mal erklären musst einer anderen Profession, die noch nie etwas davon gehört haben, kommen vielleicht ganz andere Sachen raus, die spannender sind. Das ist grundsätzlich ganz cool. Da finde ich eher Mann, Frau total egal, sondern mehr so, sich schnell viel anderen Input holen. Das finde ich immer wichtig. Also, bei uns ja sowieso, weil wir ja viel so extrem individuelle Sachen machen. Also, wir nutzen ja nie irgendwelche, also wenn wir Messe machen, irgendwelche Systeme.

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sh: Der hatte vorher gedacht, ich kaufe Möbel, die schön sind und dann mach ich gutes Essen, fertig. Und dann hat er gemerkt, mit einem Innenarchitekten hat das doch noch einmal mehr Wert, dass man die Möbel vielleicht nicht einfach nur hineinstellt. Das war so klassisch so ein Typ, der dachte einfach: ich habe guten Geschmack, hat er auch, ne. Aber einen Laden zu machen ist mehr als einen guten Geschmack haben. Und dann hat er halt einfach erst einmal Möbel gekauft (lachend) und dann gemerkt: und jetzt? #00:10:34-0#

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ja: Viel zu groß, ja. #00:10:35-8#

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sh: Ich glaube aber übrigens jetzt, vom Frau-Mann-Ding bei uns, denken die bei dir so ein bisschen: der Visionär, der hat... #00:10:49-6#

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ja: Nee, das denkst du. #00:10:51-0#

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sh: Nee, ich glaube schon, dass auch A. das denkt. Dass du dann sehr groß denkst und jetzt dann: Bring mal sh mit (lachend) die denkt, die ist vielleicht näher dran am Menschen, bin ich vielleicht auch, weil ich so eine Frau bin.

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ja: Was? #00:11:08-1#

jw: Ja, meine Lieblingskollegin in Zürich war Galeristin, vom Beruf. Und die hat so geile Ideen gehabt, wo ich immer dachte: oah, da, ich weiß nicht... Doch, wir machen das so! Wir kriegen das hin. #00:13:37-7#


Anhang: Interviews

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ja: Ja genau. #00:13:39-0#

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jw: Und ich dann immer: Ja, aber konstruktiv, schwierig. Es war meistens auch konstruktiv schwierig und super teuer, was sie sich überlegt hat. #00:13:49-2#

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sh: Ja, aber das ist das Problem von uns, dass wir schon immer gleich in die Konstruktion denken: ist das möglich? Und günstig genug? #00:13:59-4# jw: Ich überspringe ein paar Fragen, die ich so eigentlich immer stelle, weil ich weiß ja, wie ihr hier her gekommen seid, also, was ihr studiert habt und solche Sachen. Und, ihr habt ja so eine tolle Website, ich glaube, ich mach einfach gleich damit weiter. Das ist ja eigentlich ein Blog, eure Homepage. Wieso? #00:14:26-0#

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jw: Na, ihr nutzt ja viel. Also, ihr habt ja Facebook, Twitter, Pinterest. #00:16:51-2#

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ja: Ja, das schaffen wir alles gerade ab. #00:16:52-7#

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sh: Ja, ich war da immer schon gegen. Also, mir ist es alles zu oberflächlich. Und ich glaube, rückwirkend ist das gut, dass Leute, wenn sie uns kennenlernen, oder wenn wir einen Auftrag abgeschlossen haben, dass sie dann gucken. Aber deswegen, dass man da aktiv ist, das ist so viel Zeit.

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ja: Sehr gut erkannt. Weil ich die selber schnell ändern möchte, sozusagen. Das heißt, irgendwie, in Zusammenarbeit mit einem Webdesigner. Ich hatte erst so eine statische Website und jedes Mal, wenn ich jetzt irgendwie ein neues Projekt hatte, musste ich da anrufen oder hinschreiben: Kannst du mir das Bild hineinladen und so weiter und so fort. Und dann war irgendwie ein Schreibfehler im Text und dann musste: Kannst du bitte noch einmal, da ein Space dazwischen machen. Und deswegen wollte ich das gerne selbst machen. Und habe quasi eine Architektur, die sozusagen da irgendwie das Ganze, den Rahmen bildet oder auch, dass die Hintergründe so wechseln so. Aber ich kann selbst mal eben schnell einen Beitrag schreiben. Das war wesentlich, dass man das quasi irgendwie halbwegs up to date halten kann. Ich meine, deutlich up to dater hält das beispielsweise, könnte man das mit Facebook machen. Aber, unsere Kunden kommen nicht über Facebook. Man kann die höchstens irgendwie über, sich immer mal wieder in Erinnerung bringen. Aber tendenziell, also wir kennen, wir haben Menschen, die gerade potentielle Kunden werden, das ist ein Gitarrenladen, die sagen ganz klar, die verkaufen über Facebook, ja. Also, da kostet so eine Gitarre Tausend Euro und das ist irgendwie noch im... oder, was? Zwei fünf, ja? gut... es ist aber noch so, ne. Und die kriegen ganz klar auch ausländische Kunden über Facebook. Aber bei uns, wenn man da irgendwie einen Messestand oder irgendetwas mit uns machen will, dann und dann nimmt man deutlich mehr Geld in die Hand, dann will man die Leute schon mal irgendwie vorher gesehen haben. Da gibst du nicht über Facebook einen Auftrag, so. Bullshit eigentlich. Also, deswegen ist die Webseite da irgendwie... am Ende geht es immer um persönliche Kontakte und Handshakes und so etwas alles und persönliche Weiterempfehlung. Also, ist das irgendwie so eine Online-Visitenkarte letzten Endes. #00:16:15-0# jw: Arbeitet ihr mit den Kommentaren oder kommt da überhaupt Kommentare? #00:16:18-3#

ja: Nö, es kommen ein paar, aber das ist alles, finde ich, nicht so wesentlich. Das ist so wenig, das ist einfach, wir haben jetzt irgendwie überschaubare Klicks pro Tag, irgendwie nur so 15, 20 oder so etwas, ne. Und, das ist alles, also früher dachte ich, das könnte mal interessant sein, aber mittlerweile, die Erfahrung hat gezeigt, alle unsere Aufträge kommen eigentlich über Empfehlungen oder persönliche Kontakte, dementsprechend haben wir das mittlerweile total heruntergefahren, also. #00:16:47-7#

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ja: Ist halt Zeitverschwendung, hauptsächlich. Also, ich habe da am Anfang, als ich mich selbstständig gemacht habe. #00:17:12-9#

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sh: Genau, du warst da total aktiv. #00:17:14-4#

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ja: ... geguckt und kann man irgendwie bei anderen Leuten Kommentare schreiben, bei Wunschkunden, dass die dann zurückschreiben. Passiert aber alles tendenziell nicht. Es geht alles immer nur über persönlichen Kontakt oder, was ich mittlerweile gerne mache, wenn wir, bei der letzten Buchmesse beispielsweise hatten wir zwei Messestände. Und dann kann man irgendwie, die waren noch in Sichtweite fast. Und das war eigentlich ganz cool, dass man dann quasi potentielle Kunden, wo man, ich mach das immer gerne, wenn die Messe noch nicht läuft, weil da haben alle zu tun, aber noch am Aufbau, da sind alle noch ein bisschen, noch nicht im Geschäftsmodus, außer ich. Und, da kann man halt mal herumgehen und sagen: Kommen Sie mal eben mit, ich zeige Ihnen mal zwei Messestände und so etwas. Das ist eigentlich interessanter, kommt man eher ins Gespräch und kriegt eher auch Visitenkarten, als wenn man da irgendwie über Facebook einen Kommentar schreibt. #00:18:02-0#

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jw: Also auch Pinterest oder so etwas, auch überhaupt nicht. #00:18:04-2#

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ja: Habe ich auch gerade gelöscht. Also das, der Nutzen und die Zeit, die man damit verbringt sind nicht in proportionaler, weißt schon. #00:18:16-8#

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sh: Ich glaube auch. Man braucht eine gute Internetsei-

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Anhang: Interviews

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te, die schnell sich kommuniziert. Dass falls mal jemand zufällig drauf kommt, der die auch, auch stehen bleibt. Aber ich glaube auch, hauptsächlich die Leute kommen, weil wir mit denen reden irgendwo. Dann kriegen die eine Karte und dann gucken die deswegen. Weil sie einen sympathisch fanden oder professionell, aber die gucken jetzt nicht, ich suche einen Innenarchitekten in Berlin und dann finden die uns. #00:18:46-2#

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einem Blog sich mehr mit einander verbinden. Weil die Leute über Farben, da haben die eine Kompetenz drüber zu sprechen und über Möbel, ne. Also, das ist bei uns weniger. Wenn wir jetzt irgendwie eine Kuhweide machen, oder irgendwie eine Lesereise für Hornbach oder so etwas. Da können die Leute, da finden die es vielleicht interessant oder so, oder haben Fragen, aber die können sich da nicht fachlich mit verbinden irgendwie. Und das ist bei Möbeln und Farben etwas anderes. Na guck mal so ein schönes Schlafzimmer, wollen wir das nicht, und so etwas. Das ist so etwas, da funktioniert das... Aber noch einmal zu dieser Web-Sache. Was wir machen, was gut läuft grundsätzlich, wir machen zu jedem, oder zu fast jedem Projekt ein kleinen Clip. #00:20:50-7#

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jw: Ja, das war die nächste Frage. Gut, danke. #00:20:53-2#

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jw: Das ist total interessant, weil mit der ich letzte Woche gesprochen habe, die kriegt ihre Aufträge hauptsächlich über ihren Blog. Die verlinkt sich halt, die nutzt halt Facebook und Pinterest, um sich zu verlinken, um Links zu bekommen. #00:18:59-0#

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sh: Und was sind das für Aufträge? #00:19:02-0#

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jw: Die macht so Interior-Beratung und Farbberatung.

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sh: Warte mal, wie hieß die? #00:19:23-4#

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ja: Und das ist ganz cool. Weil die Leute, ähnlich man sieht das ja mittlerweile in Ausstellungen, dass kaum noch Text da ist, weil die Leute einfach mal keine Lust haben zu lesen, das einfach nicht machen. Entsprechend gilt das ja auch fürs Web, dass die Leute mittlerweile sehr gute Mechanismen entwickelt haben, über eine Sache rüberzufliegen und runterzuscrollen und so ein bisschen die Hauptpunkte so herauszulesen und keiner liest ja das wirklich, oder?! Und das gleiche ist halt bei Webseiten auch, am Schluss, wenn du mal wirklich guckst, das liest ja keine Sau. Und deswegen halten wir unsere Texte, sind immer noch zu lang, aber irgendwie so kurz wie es nur geht. Das ist aber auch auf unserer Liste. Weil es halt, genauso bei Youtube-Videos, das ist es ja auch so, man guckt ja als erstes, also ich zumindest, viele andere machen das auch, ich habe mal gefragt, auf die Zeit, bevor man den Film, ne. Oder? #00:21:42-7#

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jw: A. L. W., heißt der Blog. #00:19:25-7#

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jw: Ja, klar, immer. #00:21:44-3#

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sh: Ich glaube, ich... #00:19:31-8#

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ja: Also bei 19 Minuten klickst du nicht an. #00:21:46-1#

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jw: Der Blog ist halt auch ganz hübsch. #00:19:33-9#

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jw: Nee, eine Minute höchstens. #00:21:47-5#

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ja: Ja genau, siehst du. #00:21:48-9#

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sh: Und wenn dann so drei. #00:21:50-7#

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jw: Ja. #00:21:51-1#

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sh: Irgendetwas habe ich gehört. Ich glaube, ich habe da mal gedacht. Und da konnte man irgendwie gewinnen, eine Beratung. Und das fand ich total super, weil ich dachte, ok, das ist so, das brauchen die Leute. Die sind alle hilflos, gehen in den Baumarkt, wollen da Beratung, da kriegst du keine Beratung. #00:19:55-4#

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ja: Ideengeber. #00:19:55-4#

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ja: Drei ist schon an der Grenze. Das muss schon spannend sein. #00:21:54-4#

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jw: Die macht das halt auch so: Also, wenn Sie Ideen brauchen, können Sie sich mal meinen Blog angucken. Da habe ich lauter schöne Sachen. Und dann... #00:20:00-8#

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sh: Aber, apropos... #00:21:54-9#

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ja: Und das kann man schön, ganz kurz noch, an die Emails unten dran hängen, dass man irgendwie in die Signatur oder irgend so etwas. Und das ist immer ganz cool und das

366 #00:19:06-5#

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ja: Genau, das ist der Punkt. #00:19:09-1#

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sh: Ich glaube, das wollen auch die Leute. #00:19:10-1#

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ja: Das ist aber auch vom Budget her eine ganz andere Nummer. Und da geht das wieder. #00:19:14-2#

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sh: Ich weiß nicht, wahrscheinlich 400 Euro oder so, kostet wahrscheinlich eine Sitzung. #00:19:17-1#

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jw: Ja, wahrscheinlich, wir haben nicht über Geld gesprochen. Aber ich glaube, solche Sachen sind... #00:19:23-6#

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ja: Da können die Leute auch deutlich mehr sich, bei so

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Anhang: Interviews

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gucken die Leute auch an. #00:22:05-2#

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sh: Ansonsten Medien sind wir auch total oft zurückgefahren, weil wir so, wenn wir Akquise machen, wir haben da ja auch schon alle gemacht, und irgendwie Massenmails geschrieben, was total Humbug ist. Was wir alles jetzt in drei Jahren gelernt haben, dass es nicht funktioniert. Aber etwas, wo wir Erfolge haben, ist ganz persönlich handschriftlich und noch selber gebaut, in Anführungsstrichen, richtig handmade Postkarten. Und dann ganz bewusst, wir suchen uns Firmen raus, die wir toll finden, wo wir dann wissen, die haben auf einer Messe gestanden und hatten nur einen Tapeziertisch da stehen. Und da denken wir vielleicht, haben die einen Budget und brauchen uns. Und die kommen aber nicht, wenn wir denen eine Mail schreiben. Und auch nicht, wenn wir denen einen Brief mit normalem Briefkopf schrieben. Und da haben wir jetzt, oder du hast das hauptsächlich gemacht, die Pop-up-Karten. Kennst du die? #00:23:04-9#

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sh: Oder Filme, nicht mehr nur ein Foto oder. Es gibt das dazwischen nicht mehr so. Kurze Filme. #00:24:52-1#

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jw: Ihr arbeitet nur zu zweit? #00:24:52-9#

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sh: Na wir haben halt immer Tischler oder Aufbauer, Messebauer, die dann auch Rechnungen an uns stellen.

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jw: Ja. #00:23:05-5#

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sh: Und auf eine Firma zugeschnitten. #00:23:09-7#

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ja: Sind immer sehr genau, weil das kannst du ja nicht streuen. #00:23:13-6#

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sh: Nee, das ist aber wirklich, da kommt etwas zurück.

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ja: Da schreiben dann immer direkt die Chefs. #00:23:18-4#

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sh: Aber so ein Messestand, das ist ja so ein absehbares Ding. Da gibt der das dann uns und wir sprechen mit dem Tischler und dem Metallbauer oder was da halt. #00:25:39-4#

sh: Also nicht jetzt direkt der Auftrag, aber da hat man das Gefühl, die werden sich definitiv an uns erinnern. Und da sind auch schon so Gespräche schon gewesen. #00:23:27-6#

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ja: Kennst du das überhaupt? (lacht) #00:25:56-2#

jw: Das ist dann eigentlich wie ein Pitch, aus der Werbung, oder? #00:23:29-9#

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sh: Nee, mein Entwurfsprozess ist, dass ich, bei ja noch anders, aber dass ich weiß, was auf dem Markt ist, was zeitgemäß ist und was... #00:26:09-7#

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jw: Woher weißt du das? #00:26:10-8#

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sh: Da habe ich, also, aus Zeitschriften und durch das Baunetz. Und Designline, also diese Internetseiten, die guten. Und dann auch mal, dass mit irgendein Blog gefällt. Wo ich dann denke. Und dann, also ich bin, glaube ich, sehr up to date. Und du bist einfach... #00:26:34-0#

ja: Genau. Das ist dann quasi kalte Akquise. Und das kommt aber mittlerweile an in Zeiten, wo alles extrem billig vervielfältigbar ist. Da kommen die Leute, schreiben dann zurück: so krass, handschriftlich, so, hallo, ja. Und das ist ganz lustig eigentlich. Es ist nicht alles handschriftlich, aber Teile. #00:23:52-3#

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ja: Also wir machen oftmals die komplette Projektkoordination auch. Also, wir kriegen quasi das Geld sozusagen überwiesen fürs Projekt und geben dann selber die Aufträge raus, außer bei großen, also das sind ja alles überschaubare Aufträge. Jetzt bei größeren Summen, Tischlereien und so etwas, sehen wir zu, dass das der Kunde selbst macht, logischerweise. #00:25:27-0#

jw: Nutzt ihr solche Medien auch für eure Arbeit? Also andersrum für den Entwurfsprozess? Benutzt ihr da solche Sachen wir Pinterest oder? #00:25:55-3#

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ja: Ja, man guckt auch bei Werbebriefen: Ist mein Name richtig geschrieben? Sonst, zack, brauchst du gar nicht weiter lesen. #00:24:42-6#

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Ich schicke keine Mail. Obwohl es so viele Möglichkeiten gibt mit den Medien, wollen die Leute echt wieder persönlich angesprochen werden, und so persönlich wie es geht.

jw: Aber, das habe ich jetzt auch gemerkt, als ich jetzt diese Interviews angefragt habe, ich hatte immer Glück, wenn irgendein Praktikant am Telefon war, der mich dummerweise direkt zum Chef durchgestellt hat. Weil wenn ich dann direkt mit dem Chef gesprochen habe, der sagt dann, der traut sich dann fast nicht mehr nein zu sagen. Und wenn ich dann von irgend so einem gut geschulten Mitarbeiter direkt abgeblockt werde: Ja, schicken Sie doch mal eine Mail. Dann habe ich gesagt, nee, mach ich nicht.

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ja: Ja ich bin ja angeblich der Visionär oder so etwas. Also ich finde das immer extrem störend zu wissen, was andere für Projekte machen. Weil ich glaube, die Gefahr, dadurch, dass wir so individuelle Projekte machen, ist die Gefahr, dass sich irgendetwas überschneidet mit anderen Büros kaum gegeben. Weil es immer so einzelne Situationen sind. Und ich bin eigentlich interessiert wirklich eine ganz


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eigene Lösung für die Leute zu finden. Das heißt, ich finde es eher störend immer zu wissen, welche Farbe gerade in ist oder so. #00:27:03-1#

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sh: Nee, das ist aber auch. #00:27:04-1#

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sh: Ja ja, aber bei mir geht das ja Hand in Hand. #00:29:02-6#

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ja: Also, das ist halt auch so ein Ding, das interessiert uns ja überhaupt nicht eigentlich. Weil, wenn eine Farbe in ist, heißt das dein ganzer Entwurf ist irgendwann mal out. Und das ist einfach, finden wir, sehr unnachhaltig und das ist einfach quatsch. Also es sei denn man macht das jetzt für irgend so ein junges Pop-up-Ding für Festivals, wo es halt, oder für Mode, wo es ein Tag später alles wieder abgerissen wird. Wo es halt um Mode geht, ne. Aber ansonsten, wenn es jetzt längerfristig etwas ist, Messestände, die wieder aufgebaut werden sollen oder Läden, die jetzt über Jahre laufen sollen, finde ich das sehr schwierig irgendwie, modische Farben reinzubringen. Weil dann geht es halt irgendwann... #00:27:43-6#

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ja: Ja, das ist ja gut. #00:29:03-5#

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sh: Deswegen sind wir ja auch ein Team. #00:29:04-7#

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jw: Das finde ich immer interessant. Weil, ich bin eigentlich nur auf diese ganzen Blogs und so gekommen, weil wir in Zürich extrem mit Inspirationsbildern gearbeitet haben. Das waren halt viele private Kunden, aber auch die öffentlichen Projekte finden das auch ganz gut. Die haben halt wirklich immer so Entwurfsbooklets bekommen, mit pro Zimmer zwanzig Inspirationsbildern. Und so waren bei uns halt auch die Präsentationen, da hing halt die ganze Pinnwand voller Inspirationsbilder und. Das ist halt auch cool, weil wenn die Kunden sagen: Das finde ich scheiße. Dann reißen sie das Bild ab oder streichen es durch in ihrer Mappe und sagen: So geht es gar nicht. Und dann kann man sich halt so annähern. Also, finde ich immer interessant wie die Leute so... weil an der Burg, fand ich eben auch, mir war das völlig neu, als dann kam: Ja, Julia, such mal ein paar Inspirationsbilder raus, und ich: „Ja, wie, was, wir wollen doch nichts abgucken.“ #00:30:08-8#

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sh: Farben. Aber ich finde halt, ich finde es wichtig, dass wir wissen, oder dass man weiß, dass man jetzt nicht mehr eine Outline von einer Küche macht, wenn man eine Küche baut und dass das einfach jetzt sechs Jahre out ist, zum Beispiel. #00:27:58-6#

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ja: Das ist halt etwas... #00:27:59-9#

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sh: War das die ganze Zeit, da haben das alle irgendwie gemacht, da war das auf den Messen zu sehen. Dass man immer mit Klebeband eine Outline gemacht hat. #00:28:06-3#

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in der Wettbewerbe aktuell. Das ist ja keine Antwort. Ich würde es gern begründen können. Zum großen Teil.

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ja: Aber ich finde halt auch, dass es oftmals den Kopf limitiert, weil man da... #00:30:14-3#

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ja: Und da ist dann die Frage. Da kann man die Kreativität von Büros auch nicht mehr messen, irgendwie. Weil die Frage ist, haben sie sich das selber ausgedacht oder haben sie ein bisschen Blogs geguckt oder was. Oder ist das so die Praktikanten müssen Bilder aus Blogs heraussuchen und dem Chef zeigen. Und der Chef guckt dann. #00:28:24-0#

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sh: Wir arbeiten da total unterschiedlich. #00:28:25-6#

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sh: Na ja, ich fand das, ich habe das aus dem Industriedesign, als ich studiert habe, haben zeitgleich die Industriedesigner aus meinem Semester das Mood-Board kennengelernt, das war im zweiten Jahr. Und die sollten halt, was weiß ich, ich weiß gar nicht mehr, was das für ein Projekt war. Auf jeden Fall hatte der da Turnschuhe drauf und ein BMX-Rad, und das fand ich so gut, weil da einfach Stimmung herüberkommt. Und ich will ja nicht wissen, was in ist, und dann mach ich etwas mit Euro-Paletten. #00:30:45-5#

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ja: (unv.) in Büros gearbeitet, wo dann die Entwerfer dann so die Wettbewerbe aktuell herumlagen, so dann wir nehmen die Fenster da, nehmen die Türen, die Farbe. Das finde ich ist falsch. Das ist etwas, das kann ich nicht vertreten.

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ja: Aber, so wird es ja genutzt, mittlerweile. #00:30:47-7#

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sh: Ja, ja, natürlich. #00:30:50-4#

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ja: (unv.) das Holz, die Türklinke, hm hm hm hm. #00:30:52-9#

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sh: Genau, aber ich habe auch bei einer Zeitung gearbeitet, beziehungsweise beim Baunetz, da war ich einfach immer, habe ich alle Zeitungen gelesen, und da fand ich das total gut, dass ich immer wusste, was gerade auf dem Markt ist. Und das ist irgendwie. Also, ich finde, es ist eine Qualität, und wahrscheinlich ist es für uns beide ganz gut, dass einer das weiß und der andere nicht weiß. #00:31:20-4#

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sh: Ja, ich weiß. #00:28:39-8#

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ja: Das finde ich, das geht nicht. Das ist einfach. Und der Punkt ist nämlich der, wenn du solche Leute fragst, die so etwas entworfen haben, warum ist denn das so, können sie es nämlich nicht begründen. Weil du kannst ja nicht sagen, na, ist gerade in, kannst du nicht sagen. Und du kannst auch nicht sagen, na, machen ja alle anderen auch

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jw: Von der anderen Seite her: wie nehmt ihr die Innenarchitektur in den Medien wahr? Also, die Präsentation der Innenarchitektur? #00:31:33-7#

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ja: Szenografie und Raum und so etwas. #00:33:41-2#

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sh: ...finde ich, die gibt es auch erst seit vier Jahren oder so. Und das ist das erste Magazin, dass diese Bandbreite an innenarchitektonischer Arbeit zeigt. Da ist Szenografie, Ausstellung, also alles, was ich denke, was Innenarchitektur ist. Und am wenigsten ist es private Räume einrichten. Also, in dieser Plot-Zeitung. Oder, die AIT. Das finde ich aber, ist echt ein Hochglanz-Pornomagazin. #00:34:11-3#

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ja: Wir haben ja keinen Fernseher. #00:31:35-9#

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jw: Na, die Medien sind ja mehr... #00:31:37-7#

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ja: Ja, Internet haben wir... #00:31:38-4#

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sh: Also, ich finde, Innenarchitektur ist Tine Wittler. Ganz oft. Ganz schlimm. #00:31:48-4#

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ja: Die machen so ein bisschen so, so die Frame nach. Die Frame, die fand ich ja irgendwie... #00:34:15-2#

ja: Na, in Deutschland ist die Medienlandschaft da, also wir kriegen es ja trotzdem mit, so ein bisschen. Es gibt im englischsprachigen Bereich extrem geile Sendungen, wie Grand Design. Da geht es wirklich darum, extrem individuelle Häuser, es geht hauptsächlich um das Wohnen, aber teilweise auch Büroflächen und so etwas, die unglaublich geil designt werden. Da geht es wirklich um designerische Qualität. Die haben extrem hohe Einschaltquoten irgendwie, das ist total... also, richtig geil. Die haben natürlich auch dieses Home-Makeover-Mist von Tine Wittler und so etwas. Und dann mittlerweile wird dann da noch eine Sache daraufgesetzt. Das eine Thema ist ja das Voyeuristische, dass man reingeht: wie wohnen denn die Leute. Und jetzt ist mittlerweile, jetzt haben die erkannt, man kann es auch auf die Spitze treiben, indem einer der Familienmitglieder krank ist, dann hat man noch ein bisschen etwas Soziales da drin. Also, im Grunde ist das halt RTL2.

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sh: Na das ist halt Kulissen.. also, die machen... #00:34:20-0#

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jw: Die haben einfach so ein ganz glatten Stil, also auch die Sachen, die sie halt zeigen. #00:34:24-8#

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sh: Das ist so Zeitgeist. Das ist echt in zwei Jahren out, was die da oft haben. #00:34:28-6# jw: Ich finde, es ist immer schon out. Ich finde, es ist immer schon vorbei. Wenn es in die AIT kommt, dann ist es durch. #00:34:35-7#

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sh: Der Versuch ist ganz gut, so eine Zeitung zu machen. Architektur, Innenarchitektur... Leider, also, die geht gar nicht. Home, hallo?! Geht auch nicht. #00:34:51-2#

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ja: Na ja, die liegt bei uns auf dem Klo. #00:34:51-6#

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sh: Die gab es halt, die Domus habe ich abonniert. Das ist halt echt ein super hochwertiges Blatt, aber da kriegt man die Home kostenlos zu. #00:35:03-2#

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jw: Und wenn der Messi ist, dann gibt es richtig viel zu sehen! #00:32:58-8# ja: Haargenau. Das ist halt, das ist fürs Fernsehen ausgeschlachtet unser Beruf, letzten Endes hat es mit unserem Beruf, davon abgesehen, dass es da auch ein paar... die eine ist ja noch nicht mal Innenarchitektin, die ist ja Innendesignerin. #00:33:15-0# jw: Tine Wittler ist Kommunikationswissenschaftlerin. Die ist Moderatorin, die ist tatsächlich einfach Moderatorin dieser Sendung. #00:33:20-6#

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jw: Ich kenne die Home so aus dem Hotel, da liegt sie im Zimmer herum. #00:35:02-1#

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sh: Und AD, was... #00:35:06-1#

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ja: Ja, also AD, ja finde ich ganz schwierig. #00:35:08-1#

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sh: Also, es ist alles ganz, ganz schlimm. Aber das ist echt schade, dass in den Medien eigentlich das sehr oberflächlich Innenarchitektur vorkommt. #00:35:18-9#

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sh: Ich glaube aber, das ist, was die breite Maße denkt. Und dann wenn man aber in die Fach, wenn man zu Fachleuten kommt, also, alles was Designer und Innenarchitekten und Architekten, wer Bescheid weiß, der kennt die Plot-Zeitung, kennst du die? #00:33:39-1#

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ja: Aus Stuttgart. Coole Zeitung. #00:33:38-4#

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sh: Musst du mal gucken, weil das... #00:33:41-2#

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ja: Aber, das sind ja schon wieder Fachmedien. Die Home, die ist ja auch... #00:35:19-9# sh: Ja, meine ich ja. Möbeldesign, dann aber so schlechte Möbel. #00:35:26-7# ja: Die Hauptmedien sind ja quasi RTL2 oder wo das läuft, oder VOX oder so etwas. #00:35:31-5#


Anhang: Interviews

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sh: Aber ich meine, Fachmedien, das ist ja auch schon, ein Grafikdesigner weiß auch nicht, was Innenarchitekten machen, obwohl er Gestalter ist. Was vielleicht die Leute denken, dass Ausstellungen Innenarchitektur, aber da denkt man vielleicht auch, Designer machen Ausstellungen.

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jw: Ja, das glaube ich gar nicht. Ich war mit meiner Familie im Stadtmuseum in Halle. Und habe mir das Heft dazu angeguckt und habe mich gewundert, der A. H. steht ja gar nicht mit drin, weil das ist ja eigentlich sein Entwurf. Und dann hat mein Freund zu mir gesagt: ja, was willst du denn, der ist doch Architekt, was hat denn der jetzt mit der Ausstellung zu tun? Und ich so: Na ja, die Sachen stehen auf Sachen drauf, das war hier nicht schon immer so. Der Empfangstresen ist auch... Ich glaube, das ist schwierig, das auch immer so für den Durchschnittsbürger wahrzunehmen, dass da jetzt hier etwas gestaltet wurde.

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ja: Ja, oder irgendwelche Luxus-Hotels in Saudi-Arabien, wo auf einmal, weil dem Prinzen der Boden nicht gefällt, der ganze Boden wieder heraus gehackt wird und dann Gold... #00:38:39-6# jw: Oder, das habe ich auch gesehen, da ging es um den Turm in Dubai, wo dann Leute da eine Wohnung gekauft haben und dann in der Musterwohnung waren, und dann können die ja zwischen Ausstattungspaket A, B und C wählen. Und dann auch mein Freund meinte: was, so etwas machst du? Und ich: Nein! Mach ich nicht! Ich berate den nicht, ob er Ausstattungspaket A, B oder C wählt. Ich würde sie eventuell zusammenstellen. Aber auch nur gegen Schmerzensgeld. #00:39:09-2# ja: Es gibt auch Leute, die Innenarchitektur studieren und dann ganz glücklich sind in so einem Fliesenstudio.

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ja: Das ist ja so, diese ganzen Shows sind gar nicht darauf angelegt irgendwie einen vermittelnden Charakter zu haben, sondern es ist ähnlich wie dieses Promi-Dinner oder so, es geht immer darum: wie wohnen Leute? Und was passiert, wenn die anfangen, dass da eine Kamera davor ist und das Pangasius-Filet anbrennt, ja. Das ist das, was die Leute sehen wollen. Und leider ist es so, dass in der einen Serie, da ist irgendjemand, der krank ist, ein Familienmitglied und müssen sie die Bude da einrichten, weil es keiner mehr schafft und bei dem Promi-Dinner sind sie ja auch Zuhause. Und da wird halt gekocht und benotet und so etwas. Das ist halt einfach, das ist leider schade für unseren Beruf. Aber es gibt im deutschen Fernsehen keine Sendungen, die quasi das Gegenteil irgendwie zeigen. Also, wie gesagt, Grand Design, musst du mal googeln. Das ist schon sehr, sehr geil, irgendwie. Da bauen die halt so alte Fels-Cottages zu Büros um in Wales oder so etwas, das ist schon sehr, sehr schick, irgendwie. Also, da wird auch richtig der construction process gezeigt und so etwas. Und vorher, nachher ist so nacherlebbar. Und was gewollt war, und da geht es nur um die Gestaltung und das ist echt etwas, was wir ja tendenziell wollen. Also, da lernt man auch, was ein Innenarchitekt eigentlich macht. Und dann gibt es im englischen Fernsehen noch den Laurence Lauren Bone, da ist so ein, das ist quasi die Tine Wittler Englands. Der hat immer so, der sieht immer aus, wie so ein schwuler König. Der hat immer so Kleider an, schon allein da denkt man, ok... aber, da geht es nicht um Innenarchitektur.

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sh: Es ist auch nicht schlecht, wenn so etwas gebraucht wird. Oder in Möbelhäusern, oder ich habe hier auch eine Kollegin, die arbeitet bei Boffi-Küchen. Highend-Kunden, da. Aber ich denke, dass ist echt schade, dass Innenarchitekten nicht einfach die guten Läden machen, die guten Restaurants, die guten Ausstellungen, dass das einfach da ist. Aber, nein, ich habe jetzt auch kein großes Problem damit, ich weiß ja, was ich mache, und wir kriegen irgendwie Kunden und so ganz... nur wenn man auf so Geburtstagen ist und sagt, was man ist, und dann sagen die: ... #00:40:12-0#

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ja: Aber darum geht es ja nicht... #00:40:14-1#

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sh: Oh, schön! #00:40:15-5#

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jw: Ja, das wollte ich auch immer machen. Nee, glaube ich nicht... #00:40:18-3#

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jw: Ja, mich wundert es auch immer, weil gerade auch so Sender wie Phoenix oder so, da gibt es dann mal eine Reportage über irgend so eine Brücke, die da irgendwo hin gezimmert wird. #00:38:25-9#

jw: Ja, also, eine von meinen Kommilitoninnen arbeitet bei so einem Fertighaus-Anbieter und verdient sich dumm und dämlich. #00:39:26-1#

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sh: Ja, aber deswegen habe ich mich gefreut damals, als die Plot herauskam. Dass da auf einmal ein Magazin ist, dass einfach irgendwie voll den Mehrwert zeigt, aber das ist Szenografie, kann man ja auch direkt in Zürich studieren, ne. #00:40:33-8# ja: Aber die haben das ja gemacht, die J. und der Herr H. da, ne. Weil, die J. hat nämlich sogar bei AIT gearbeitet und war nämlich genervt, von der ganzen Oberflächlichkeit und so, keine Ahnung, was das genau war, aber zumindest auf ihrer Website formulieren die das anders. Aber die wollten halt irgendwie, wie wir uns ja auch nennen „Kommunikation im Raum“ so dieses ganze Kommunikation, Marke, Raum und so etwas, das ist deren Thema. Also Ide-


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en sozusagen, die räumlich geworden sind, irgendwie, zu publizieren. Mal ist das Mode, mal so... nicht halt Restaurant, noch ein Restaurant. Da hat die AIT dann irgendwie immer das Thema Arztpraxen irgendwie, im Herbst kommt das dann immer, das finde ich immer das schlimmste Heft, irgendwie. #00:41:25-0#

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sh: Gesundheit, heißt das... #00:41:25-9#

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ja: Und da haben die, die waren halt eben genervt. Und ich finde ja immer, es gibt noch für Messe, es gibt das Messejahrbuch da. Aber es gibt, für Messen, was wir ja viel machen, noch nicht wirklich eine coole Zeitung. Das wäre auch mal interessant, fände ich. #00:41:42-8#

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jw: Ja, Messe hat immer so bisschen noch, so ein bisschen spießig und nach System. #00:41:54-6#

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ja: Ja, System viel. System und billig. #00:41:54-9#

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sh: Und: Müll produzieren, aber das ist ja das, was wir wollen, dass da weiter verwendbar ist und nicht dieses wahnsinnige Müllpaket danach da steht. Und, klappt ganz gut.

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jw: Also, auch der Messestand für den Mitteldeutschen Verlag, der ist wirklich immer das gleiche? #00:43:59-9#

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ja: Das ist immer das gleiche. #00:43:59-9#

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jw: Und, das wohnt dann irgendwo. #00:44:03-5#

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ja: Das haben die eingelagert bei denen. Und wird immer... ich glaube dieses, kommendes Jahr müssen wir den mal wieder ein bisschen grundsanieren wieder. Aber grundsätzlich ist der dafür auch angelegt. #00:44:12-5#

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sh: Das wievielte Jahr? Kommt jetzt das vierte Jahr?

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ja: Wir finden, Messe, das sind halt so schön überschaubare Projekte, man hat das dann, dann ist es wieder vorbei. Man stellt die Rechnung. Das ist irgendwie ganz, das macht Spaß, dann kann das nächste kommen. Das ist immer ganz cool. #00:42:25-9# jw: Und, die stehen auch ganz gut fest. Da gibt es nicht so viel von außen. Ich kenne das jetzt einfach, ich habe gerade bei einem Architekten gearbeitet, wo es immer zu an diesem blöden Grundstück scheitert, weil die Stadt da, also die verkaufen Grundstücke, also Bombentrichter sozusagen. Was man dann bei der ersten Testgrabung merkte: ach, scheiße, das wird hier nichts. Und dann scheitert echt so ein Bürohaus daran, dass das Grundstück doch nicht das richtige ist. Und dann kannst du dir das Honorar gleich mal wieder schön in die Haare schmieren. #00:42:55-7# ja: Braucht es halt einen längeren Atem, wir sind halt immer noch junge Innenarchitekten, selbstständige, und da ist ganz gut, dass man so einen langen Atem halt nicht braucht. Dass wir immer mal wieder so Rechnungen schreiben können. Das ist ganz cool. #00:43:09-8#

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ja: Nee, das fünfte, mittlerweile. #00:44:14-0#

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sh: Sechs Jahre soll der. #00:44:18-6#

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ja: War so das Thema. #00:44:19-8#

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jw: Weil er doch letztes Mal angemalt wurde. #00:44:21-9#

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ja: Ja, nee, da haben wir vorher Papier drüber gemacht, so eine große Foto, so ein Endlos-Hintergrund aus dem Fotoshop. Und dann durften die das anmalen, aber jetzt ist das halt wieder weg, aber wir müssen den mal wieder bisschen sanieren, genau. #00:44:44-0#

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sh: Ja, also, Architekt ist glaube ich, das wäre nichts, also so fünf Jahre Bauprojekte. #00:43:14-8#

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jw: Ja, mein nächster Punkt, das haben wir ja schon be-

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ja: Ja, du stellst ja vorher schon Rechnungen. #00:43:17-4# sh: Ja natürlich. Ich meine ja aber, dass man nicht dieses Abschließen können eines Projektes... Also, ich finde eine

sh: Im letzten Jahr muss der irgendwie zurück gebaut werden. #00:44:50-5# ja: Die sagen ja dann auch immer: wir wollen ja nicht in Schönheit sterben, wir wollen auch Bücher verkaufen. Aber es ist mittlerweile ein großes Marketingtool geworden für die. Also, nicht ein Marketingtool, was sie aktiv nutzen, aber die Leute erinnern sich jetzt dran und fragen sich halt auch, was kommt denn als nächstes. Und das ist eigentlich der Hauptvorteil, also nicht nur der finanzielle, dass sie quasi nicht mehr jedes Jahr neue Sachen neu kaufen müssen, sondern die haben einen eigenen Stand, der jedes Jahr ein bisschen anders ist. Und die Leute finden das gut. Das ist ganz gut für die. #00:45:33-5#

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Messe ist fast ein bisschen zu kurz, da hat man meist drei Monate, oder, zwei Monate vorher kriegt man den Auftrag und dann ist irgendwie acht Wochen später alles wieder vorbei, das ist auch irgendwie, manchmal ein bisschen zu kurz schon. Aber, mich erfreut es, wenn ich dann weiß, dass ich jetzt nicht den Müllberg größer gemacht habe. Und dass der Kunde jetzt nicht etwas bezahlt hat und danach eigentlich gar nichts mehr davon hat, außer vielleicht PR, aber. #00:43:55-8#

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Anhang: Interviews

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sprochen, ne. Das mit den Frauen. Die Sache mit den Frauen. #00:45:39-5#

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ja: Lief denn da die Kamera? #00:45:39-3#

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jw: Ich weiß es gerade nicht mehr. Ich kann ja noch einmal etwas speziell fragen. Wie erlebst du dich denn als Frau in der Branche, also positiv oder negativ? Hast du da irgendwelche Erfahrungen gemacht? #00:45:54-6#

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sh: Also, ich habe ja vorher eine handwerkliche Ausbildung gemacht. Und da war das total krass als Frau, auf diesen Baustellen, weil es ist, oder in diesen Produktionsstätten, das war schon von oben herab, oder belächelnd oder Respekt und so, ne. Aber jetzt ist es, ich glaube jeder denkt: die kann etwas. Also, das ist halt das gute auch, dass ich denke, ich habe das ja gelernt und ... #00:46:32-6#

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ja: Was jetzt, als Innenarchitektin? #00:46:32-6#

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sh: Ja! Wenn ich mit Kunden rede, ist sofort, die gehen davon aus, dass ich das kann. Ich habe jetzt nicht irgendwie, aber ich bin ja auch nicht angestellt und gehe irgendwie in Konzerne und muss da irgendwie etwas durchdrücken. Also, die wollen ja eigentlich das, was die gesehen haben auf der Internetseite, können die sich vorstellen, dass das passt. Und eigentlich sind Gespräche immer auf, die Leute denken, man kann schon etwas. Ich habe jetzt nicht das Gefühl, dass ich als Frau da weniger, oder? Nö. #00:47:11-7#

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ja: Überhaupt nicht. #00:47:13-3#

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sh: Und da kommt es mir aber zugute, dass ich auch auf Baustellen schon sehr oft als Handwerkerin gearbeitet habe, dass ich selbst merke, wenn ich mit dem Anstreicher, Maler spreche, das hatte ich nämlich einmal, genau, da kam ich rein, da hat die Auftraggeberin gesagt: hier, das ist S. , die hat das geplant. Und da war der Maler total: äh, was will sie, jetzt kommt hier so eine Frau rein und ich weiß ja wohl selber, wie es am besten geht. Das war einfach nur eine Wandgestaltung. War total etwas ganz einfaches. Und dann habe ich den sofort kriegen können, also dass der mich akzeptiert hat, weil ich irgendwie die richtige Sprache sprechen konnte, die Bausprache. Einfach so, tatsächlich die Bausprache, dass man irgendwie per Du ist und nicht irgendwie etepetete oder dass ich mich dreckig gemacht habe. Also, das war alles, ich wusste, wie ich jetzt mit Männern auf dem Bau umgehen muss, weil ich das alles schon kenne. Und sage: Ja ja, jetzt komm mal runter. So in der Art. Aber sonst habe ich nicht einen Behauptungswunsch, dass ich die mich nicht anerkennen. Aber das habe ich schon öfter gehört, dass die Leute denken, die nehmen mich nicht ernst, die kleine Innenarchitektin auf dem Bau. Obwohl, mein erstes Projekt, das waren Musterwohnungen für eine Wohnungsbaugesellschaft. Da hat

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sh: Nee, aber sonst... habe ich total überhaupt keine Bedenken irgendwie Nachteile, irgendetwas, nee. #00:49:35-0#

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jw: Du siehst da auch nicht so? #00:49:37-0#

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ja: Ich finde das super. Im Gegenteil, ich finde das ja gut, man kann das ja dann, hat ja jeder auch sein, weiß nicht, nicht nur auf den Charakter bezogen, sondern vielleicht auch wirklich ein bisschen geschlechterspezifisch seine Vor- und Nachteile und das kann man ja tendenziell auch nutzen irgendwie. #00:49:59-9#

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ja: Aber A. hat gestern auch gesagt: Na, was du da gemalt hast! Aber, der kommt aus der Türkei, von daher kann es sein,... #00:49:24-1#

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der Auftraggeber gesagt, da habe ich mit einer Kollegin zusammengearbeitet: Hier, die beiden haben etwas gebastelt. Und da hatte ich Modelle gebaut, für Bäder. Das war echt so... und dann saß da halt der Gas-Wasser-Mensch und der Fliesenleger und die waren alle da und dann kamen wir da mit unserem Modell rein und sagt der: Ja, hier, die beiden Damen haben etwas gebastelt. #00:49:10-9#

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sh: Ich glaube, ich bin sehr viel emotionaler und ich denke immer, dass ich jetzt weiß, was der Gegenüber denkt und versuche dann, den keine Sorgen zu machen. Also, was weiß ich, mit einem Plan da anzukommen und der Kunde checkt den Plan nicht. Na, dann habe ich halt ein Modell gebaut. Und dann haben wir aber gemerkt nach dem ersten Treffen, dass der total gut Pläne lesen kann und ich habe halt vorher gedacht, der muss halt, den müssen wir kriegen, der soll nicht denken, das ist mir alles zu steif. Ich bin irgendwie so ein bisschen, ich denke immer, ich könnte mich hineinversetzten. #00:50:35-8# ja: Das kannst du ja aber auch gut. Oder ich kann es auch gut. #00:50:39-8#

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sh: Ja, du kannst es auch. Also, dass man zum Beispiel nicht braun sagt, sondern mocca. #00:50:47-4#

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ja: Ach so, echt? Ich sage immer braun. #00:50:50-7#

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sh: Nee, nicht eine braune Wandfarbe. Machen wir Milchkaffee. #00:50:55-6#

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ja: Ja, aber interessant ist dann eher, das hatten wir bis jetzt noch nie so wirklich. Aber was interessant sein kann, wie du das vorhin gesagt hast, dass es irgendwie Kunden oder Kundinnen gibt, die irgendwie nicht mit Männern oder Frauen können. Da kann man dann quasi intern sagen: Ok, sh. du bist jetzt... wir machen das ohnehin so, dass wir bei Projekten eigentlich immer, also es gibt eigentlich immer einen Projektleiter, der erst einmal alles in der Hand hat,


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weil ansonsten redet man sich ja irgendwann rein, und macht Sachen zweimal, was ja schwachsinnig ist. Dementsprechend kann man das dann so biegen, wenn dann jetzt Kunden hat, wo irgendwie, ne.. weißt schon, was ich meine. #00:51:33-4#

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jw: Ja, verstehe. #00:51:36-0#

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ja: Das ist auch gar nicht böse gemeint, sondern einfach damit es für alle quasi das ein gutes Ergebnis herauskommt. Das ist sehr ergebnisorientiert. #00:51:44-3#

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wenn man mal guckt, was die Systemstände eigentlich kosten. Da sind Mülleimer für 30 Euro zu vermieten, das ist genial. Also, das würde ich auch machen. Mietpflanze 45 für 5 Tage, es ist unglaublich. Letztens haben wir uns ein Angebot geholt für Stühle über ein Wochenende war das, ne? #00:53:57-7#

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sh: Das war für ein Event, Event 15 Euro, Messe 45.

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sh: Aber wir sind so nah am Kunden. #00:51:45-4#

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ja: Krass, ne. Einfach weil du da mehr verlangen kannst. Dann irgendwie: sechs Stühle, zwei Barhocker, das war es: 600 Euro für eine Woche Miete. Unglaublich, ne. #00:54:14-3#

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ja: Ja, das stimmt schon. #00:51:46-1#

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jw: Kann man auch kaufen. #00:54:17-6#

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sh: Das ist immer so (...) es gibt da nicht irgendwie diese Distanz. Manchmal fast ungesund. #00:51:55-2#

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ja: Also, das ist schon interessant. #00:54:26-3#

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jw: Jetzt muss ich gucken. Fünf Minuten haben wir noch. Bonusfrage: Wie schätzt ihr den Einfluss von 3D-Druckern auf eure Arbeit ein? #00:54:38-1#

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ja: Meistens per Du. Also ausschließlich per Du fast. Irgendwie ergibt sich das immer. Einige unserer Kunden sind Freunde auch geworden irgendwie, das ist auch lustig. Ja, das ist wirklich nah. Wir haben auch einem großen Milliardenkonzern mal abgesagt, weil da arbeitest du halt für einen Mitarbeiter vom Mitarbeiter vom Mitarbeiter vom Mitarbeiter vom Chef. Das heißt, wir brauchen da wieder so einen langen Atem um irgendeine gute Idee durchzubringen. Die gute Idee stirbt aber beim dritten Mitarbeiter, weil die alle Schiss haben irgendwie und ihre Jobs verlieren könnten und so weiter, dass sich keiner etwas traut. Und wir wollen ja gern mutige Projekte machen. Weil das wird pro Mitarbeiter über den das geht verwässert, ne. Und der, der ganz oben, der Chef, sagt: Machen wir ganz anders, ne. Und die Lust haben wir nicht, und wir haben so gemerkt: die bauen europaweit Straßen, dieser Konzern. #00:52:50-2#

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sh: Und wollten keine zehntausend Euro ausgeben.

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ja: Ja, war natürlich kein Geld da. 43 Milliarden im Jahr Umsatz. Sechstausend Euro ist zu teuer. Na ja. Und da haben wir gesagt: nee, Leute, das fangen wir gar nicht erst an. Also, weil das einfach, so arbeiten wir nicht. Andere machen das vielleicht, oder gerade diese Standard-Messegeschichten, die machen so etwas. Denen ist das total scheiß egal, aber da geht es ja auch nicht um Inhalte, wir kümmern uns ja um Inhalte. Und das ist ja einem Messebauer wurscht, tendenziell eigentlich. Also, Fairnet und wie die alle heißen, Fraport, diese Messegeschichten. Na ja.

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ja: Welche meinst du denn: die, die Häuser bauen können? Eigentliche Häuser bauen können? #00:54:44-7# jw: Ja, so in der Zukunft. Ich meine, jetzt gibt es ja schon kleine Sachen für Zuhause, für Sachen nachdrucken. Aber ich meine, es geht ja in Richtung ganz groß. #00:54:51-3# ja: Ja, wir sind da sehr, wir machen ja Projekte, die irgendwie sehr, wie gesagt, sehr persönlich in so etwas sind. Und diese 3D-Drucker, würde ich jetzt erst einmal in meiner Unwissenheit sagen, sind ja gut eher um Meter machen zu können, ja. Weiß nicht, ob, wenn man so ein kleines Projekt macht. Ein Einfamilienhaus oder so etwas, ob das wirtschaftlich ist, das 3D zu drucken. Frage, ne, keine Ahnung. Dementsprechend, wenn man irgendwie so richtig Meter macht, so irgendeinen zwei Kilometer langen Block, und man den druckt, glaube ich, macht das Sinn. Keine Ahnung, vermutlich wird das auch im Kleinen gut funktionieren und vermutlich billig. Weiß ich nicht, keine Ahnung.

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sh: Ich weiß nicht, du, also ich kenne mich auch nicht aus. Ich weiß nur, dass DAS jetzt auf den Messen der Trend ist, dass man sich mit dem Thema beschäftigt. Und dass das in der Kunst ja schon total benutzt wird. #00:55:47-2#

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ja: Denn, Waffen, es gibt Anleitungen... #00:55:49-2#

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jw: Die wollen letztendlich so viel Material wie möglich auf den Stand bringen. #00:53:38-2#

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sh: Aber, ich weiß nicht, ob (...) nicht dieses Zeichnen so viel Zeit in Anspruch nimmt, dass es dann wirklich 3D gedruckt werden kann. #00:55:59-1#

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ja: Ja, genau. Oder ihr System. Das ist ja krass teuer, ne,

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ja: Ja, oftmals gibt es ja das schon 3D. Wenn du das geren-

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dert hast und verkauft, quasi. #00:56:04-2#

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jw: Also, es könnte ja zum Beispiel sein, dass es eine Firma gibt, die Messebaumodule zum Selber ausdrucken verkauft. #00:56:09-6#

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ja: Ja, aber haargenau deswegen habe ich gar nicht so viel Sorge, weil das ist oftmals... #00:56:14-0#

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sh: Du meinst, eins zu eins? #00:56:16-6#

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ja: Ja ja ja. #00:56:17-8#

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jw: Ja, als Modul. #00:56:18-8#

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ja: Häuser drucken. #00:56:18-8#

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jw: Also, die Idee ist ja, also, es gibt schon so Strukturen, da druckst du halt ein Teil aus, das ist irgendwie so groß, aber das kannst du halt ineinander stecken und dir einen Paravent zum Beispiel daraus bauen. #00:56:33-9#

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sh: Ja, ich habe hier, die Domus hat das auch gerade die letzte Zeitung, deswegen weiß ich ein bisschen etwas, was es da schon gibt. Aber ich habe da jetzt, also... #00:56:42-2#

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jw: Also, es gibt auch Ideen, das ganze Haus im Stück zu drucken, sozusagen. Also, die ganze Struktur und so, aber.. also, Richtung Module, die man zusammensteckt und dann entstehen Strukturen draus, größere, das ist ja tatsächlich möglich, wenn auch im Moment noch zu teuer, als dass es Sinn macht, aber... #00:57:00-0#

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ja: Ja ja, aber ich glaube, wir sind da so ein bisschen die, nicht so technikverliebt an so etwas, also ich glaube dass wir... #00:57:05-9#

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sh: Ja, aber wir könnten irgendwelche Scheiben, die man zusammensteckt... #00:57:09-2#

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ja: Ja sicherlich, aber irgendwie... #00:57:09-6#

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sh: Und dann macht man daraus einen Himmel. #00:57:12-7#

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jw: Ja, oder Verbinder, zum Beispiel. Einfach um Plattenmaterial miteinander zu verbinden. #00:57:17-1#

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ja: Finde ich total geil, auf jeden Fall. #00:58:14-7#

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sh: Ja, ich finde das auch. Aber ich glaube, ich würde das nicht selber als Technik nehmen und dann voranbringen und denken: was kann man damit machen alles. Sondern: da hat jemand etwas mit gemacht. #00:58:27-3#

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ja: Pioniere werden wir da nicht. #00:58:27-6#

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sh: Nee, genau, Pioniere nicht. Aber wenn da jemand das erste Mal das gut benutzt, da kann ich da vielleicht etwas raus entwickeln. Aber im Moment kenne ich echt Kunstprojekte, ich war jetzt hier auf dem Design Mai, da hast du dann Ohrschmuck und so etwas (lacht). #00:58:44-1#

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ja: Es gibt ja so Phasen. Es gab eine Zeitlang diese ganzen, als hier CNC-Fräsen aufkam, da war der ganze Design Mai ge-cnc-fräst, hat sich ja auch wieder geändert, ne. #00:58:56-3#

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sh: Es gibt immer noch ein paar... #00:58:56-3#

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ja: Ja ja, so etwas ist schon interessant. Also, ich meine, was wir ja auch machen, ist so CNC-Fräsen, solche Geschichten. Das ist ja alles schon, nutzen wir ja, ne. #00:57:25-1#

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ja: Ja, und Laser kam ja auch. Da haben die da ein bisschen so, da haben diese Möbel ja so eine eigene Ästhetik, mit diesen Riffeln, wie sagt man, mit diesen Lochlinien. Na ja, aber irgendwie, haut es... das ist ja, da geht es ja um die Technologie und nicht zwingend, dass der Stuhl am Ende bequem ist. Weil die sehen ja oftmals dann nicht mal so besonders bequem aus. #00:59:20-0#

sh: Na, vielleicht ist das einfach dann, dass man das.. wir werden das nicht vorantreiben, aber wir werden es, wenn es etabliert ist, wahrscheinlich nutzen. #00:57:34-2#

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sh: Oder, die ETH-Sachen. #00:59:23-2#

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ja: Ja, genauso Plopp und so etwas. #00:59:27-8#

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sh: Weil es ja immer bei uns auch noch diese Wiederverwertbarkeit. #00:58:05-4#

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ja: Aber, was wir selten machen, sind irgendwelche komischen Hightech sonst etwas Materialien zu verwenden, wo dann, ich weiß immer nicht so richtig, wem das etwas nützt. Nee, weil irgendwie ... #00:57:59-1#

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sh: Du kannst ja auch mit Papier das ganze aufbauen. Schon spannend irgendwie. #00:57:49-4#

jw: Also, ich finde es halt immer ganz interessant in so einem Zusammenhang, wo du denkst: Ich geh jetzt in den Baumarkt, und lasse mir da Platten zuschneiden und zuhause drucke ich mir die Eckverbindungen aus und dann stecke ich mir ein Regal zusammen. #00:58:14-0#

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ja: Ich glaube, dann halt auch für ganz individuelle Sachen. Wir machen ja schon sehr anfassbare, nachvollziehbare Gestaltung auch irgendwie. Mit Materialien, mit denen die Leute etwas anfangen können. #00:57:45-5#

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Anhang: Interviews

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sh: Dieser aufblasbare Metallstuhl. #00:59:27-9#

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ja: Da ist kein Druck drauf. Das ist ja nur, ich glaube,...

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ja: Da ist der Gewinner ist der Prozess sozusagen und die Leute kaufen es sich, weil es irgendwie so, den Plopp-Hocker, der ist irgendwie ganz cool. Aber ich finde den nicht bequem, das ist ja affig eigentlich. #00:59:40-8#

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jw: Man pumpt den doch auf. #00:59:56-6#

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ja: Ja ja, aber danach kann die Luft wieder raus. Mit so einem Druck, dass .... ENDE der Aufzeichnung

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jw: Ich denke mit halt immer: gut, da bezahle ich jetzt 500 Euro daf端r und dann mache ich irgendetwas falsch, dann fliegt mir das Ding um die Ohren, super. Dann klappt es nicht. #00:59:52-2#


Anhang: Interviews

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Interview mit dt und bb bb: männlich, dt: weiblich, Berlin, Architekten

jw: Ich will eigentlich als Allererstes wissen, was ihr für eine Berufsbezeichnung auf eure Visitenkarte geschrieben habt. #00:00:11-6# dt: Also, bei mir steht: Architektin. Und eigentlich bin ich Dipl.-Ing. FH. #00:00:18-0#

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ser und es wurde dann immer interessanter und dann hat es auch irgendwann Spaß gemacht. Und dann (...) weiterer Werdegang, na gut, dann fängt man an zu arbeiten, sammelt seine Erfahrungen, lässt sich irgendwann mal eintragen. Ja. #00:02:04-5#

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jw: Wieso hast du dich für Architektur entschieden?

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bb: Bei mir steht nur Dipl.-Ing. FH. Wobei man das FH ja weglassen kann. #00:00:22-4#

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dt: Weiß ich gar nicht. Das ist schon sehr lang her bei mir.

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bb: Deswegen steht es bei mir auch nicht mit drauf.

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jw: Man kann das einfach weg lügen, vergessen. #00:00:32-2#

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bb: Nee, weg lügen, ich glaube, man kann es... #00:00:34-3#

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dt: Früher war die Originalbezeichnung Dipl.-Ing. FH.

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bb: Aber jetzt muss man es glaube ich nicht mehr, wegen den Bachelor- und Master-Sachen. Aber eigentlich ist es ja, da streiten sich ja auch die Geister. #00:00:42-1# dt: Außerdem ist Architekt ja sozusagen auch aussagekräftiger, also, deswegen lasse ich immer das Dipl.-Ing. FH weg. Weil zweimal brauche ich es nicht drauf schreiben. Ich habe auch schon Dipl.-Ing. FH Architektur, das wäre die korrekte Bezeichnung. #00:00:54-5#

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bb: Stimmt, das steht bei mir drauf. Weil bei mir nicht Architekt drauf steht, weil ich nicht in der Kammer bin. Das ist richtig, deswegen steht bei mir Dipl.-Ing. Architektur drauf. #00:01:02-2# jw: Und was habt ihr getan dafür? Also, wie war euer Weg bis dahin? Also, wo studiert? Was studiert? #00:01:10-4#

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dt: Also, ich habe in Coburg studiert. Das war damals noch heimatnah und ich war total jung. Also, ich war mit 17 fertig mit meinem Fachabi und habe ja dann gleich das Studieren angefangen. Am Anfang war das noch sehr nach Schule. Also, irgendwie war das auch nicht so, weiß ich nicht. Dann habe ich im vierten Semester habe ich es mal kurz in Frage gestellt. Habe auch zwei Prüfungen geschmissen. Habe mich dann aber trotzdem entschieden weiter zumachen nach einem Jahr Pause oder so einem Wartesemester. Und dann wurde es aber auch immer bes-

jw: Und Innenarchitektur war aber nie? Weil das ginge ja in Coburg auch? #00:02:50-6# dt: Ja genau. Aber das hätte ich ja dann vielleicht noch drauf setzen können. Aber dann habe ich gedacht: Na ja, bringt mir das jetzt noch so viel mehr? Aber es wäre möglich gewesen. Aber Innenarchitektur war zu dem Zeitpunkt, am Anfang stand das nicht zur Debatte. Wobei ich jetzt sehr viel mit Innenarchitektur mache, sage ich mal. Also, so meine heimliche Liebe ist es eigentlich schon.

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jw: Ja, das kann ich verstehen. Und bei dir? #00:03:17-1#

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bb: Also, ich bin ja anders zum Studium gekommen. Ich habe ja erst noch etwas anderes studiert gehabt. etwas ganz anderes. Informatik. Aber das habe ich nicht so ernst genommen, sondern habe mehr so das Studentenleben genossen damals. Und habe dann trotzdem halt immer so in den Semesterferien auf dem Bau gearbeitet. Und war aber schon immer mehr so kreativ, indem ich so Photoshop-Sachen gemacht habe. So Fotocollagen und irgendwelche Renderings, das habe ich schon gemacht. Und dann eben durch das Baupraktikum oder als ich auf dem Bau gearbeitet habe, dann habe ich mir gedacht: ist trotzdem viel interessanter, als das was ich jetzt mache. Und dann habe ich mich eben mit den Leuten unterhalten,

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dt: Also, ich hatte noch nie so einen ganz konkreten Berufswunsch. Es gibt ja Menschen, die wissen von vorn herein, sie wollen Feuerwehrmann werden, oder Polizist. Und bei mir war das irgendwie, ja, kreativ war ich. Und dann hatten meine Eltern eine Baufirma und das hat es sicherlich mit beeinflusst. Also, dass ich gesagt habe: Ja. Also, ich war schon immer auf den Baustellen, bin ich groß geworden. Und dadurch, war dann noch die Entscheidung, mache ich jetzt, also, mache ich jetzt mehr so Richtung Ingenieur, also, Bauingenieur, oder Architektur. Und irgendwie war ich noch unentschlossen und ich hatte mich für beides beworben. Und habe im Nachgang dann noch die Zulassung für Architektur bekommen und dann habe ich auch Architektur gemacht. #00:02:45-5#

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Anhang: Interviews

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mit Architekten dann, und da war es eben damals so, auf einer Baustelle, das war so eine Altbausanierung, damals in Würzburg. Und da haben die wirklich so eine, so eine richtig alte Wohnung komplett neu gemacht. Und da war ich von Anfang an dabei, habe die Wände mit herausgerissen mit den Hämmern und alles. Und, ja, und deswegen habe ich mich dann umentschieden und Architektur studiert. Auch in Coburg, aber zehn Jahre später als D. Ja, und das hat mir von Anfang an richtig Spaß gemacht, vor allem weil man das eben, das nicht so theoretisch war, das Architekturstudium, durch das ganze Modell bauen. Und durch das ganze Layouten, diese ganze grafische Sache, die man da noch macht. Fand ich es richtig toll. Genau. Und dann war ich eben Werkstudent in Coburg, bei einem Architekturbüro, beim Eichhorn damals, das war einer der größten Architekten, glaube ich, so in Coburg, der ziemlich viel in Coburg gemacht hat. Ja und dann habe ich da gearbeitet. Und dann bin ich aber nach Berlin, wegen der damaligen Beziehung. Und dann habe ich hier angefangen. Und dann wollte ich aber nicht mehr dieses Angestelltenverhältnis, sondern habe mich dann selbstständig gemacht. War erst freiberuflich, habe dann in Potsdam gearbeitet in so einem Büro, aber, ja. #00:05:39-2#

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jw: Ihr arbeitet zu zweit? Oder mit mehr Leuten? #00:05:42-2#

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dt: Also, es ist im Moment ganz frisch, ja, dass wir uns entschieden haben, zusammen auch ein Büro zu machen. Vorher, ich war ja auch selbstständig. Habe aber auch einen kleinen Sohn, also, der ist jetzt drei. Und habe die letzten Jahre also, einfach definitiv weniger gemacht dadurch. Da kommen wir bestimmt später auch noch einmal drauf, bei der Rolle der Frau. #00:06:02-3#

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jw: Ja, stimmt, sehr gut. Wie erklärt ihr so anderen, so Außenstehenden, was ihr macht? Also, ich finde es halt schwierig jemandem zu erklären, was ein Innenarchitekt macht. Also, die Vorstellungen sind irgendwie komisch. Zum Beispiel beim Geburtstag, wenn die Tante fragt: was machst du eigentlich? #00:06:26-2#

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dt: Na ja, das geht halt, also, ich sage mal, würde man es jetzt mal ein bisschen weiter fassen, Architektur und Innenarchitektur? Oder speziell Innenarchitektur? #00:06:32-5#

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jw: Wie du möchtest. #00:06:33-9#

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dt: Also, auf jeden Fall: Bauen, Räume schaffen. Räume einrichten, dann speziell: Lichtplanung. Materialkonzepte. Überhaupt Raumplanung in allen Bereichen. #00:06:48-9#

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bb: Also, wenn du der Tante oder dem Onkel erklärst, dass du etwas mit Architektur machst, die denken dann immer, dass du Häuser baust in dem Sinn. In erster Linie. Da muss man sagen: nee, eigentlich eher nicht, sondern... und dann

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kann man auch nicht anfangen mit Leistungsphase eins bis vier, sondern sagt man, man plant halt und zeichnet viel und dann verstehen sie es, oder auch nicht. #00:07:12-2# dt: Ja, sagen wir mal so, früher war das Berufsbild klarer, weil das ist viel mehr, also, man muss viel mehr Schwerpunkte setzen heutzutage. Man kann, also, eine Person allein, kann eigentlich gar nicht mehr alle Bereich abdecken. Geht gar nicht. Und deswegen, bei mir ist der Schwerpunkt dann immer entweder Altbausanierung oder Projektleitung gewesen. Bei ihm ist es jetzt mehr, sagen wir mal, Zeichnen, ne? Also, Zeichnen und Entwurf. Und so muss man sich halt dann seine Bausteine suchen. Ich meine, es ist ja auch, bei uns ist es jetzt so, es ergänzt sich sehr gut, auch weil ich ein bisschen mehr Erfahrung habe, bei manchen Bereichen, weil ich einfach älter bin (lacht) und dann ergeben sich so Kooperationen. #00:07:56-0# jw: Dann ist mir aufgefallen: eure Homepage ist ja relativ schlicht, würde ich jetzt mal sagen. Es gibt halt andere,... ihr nutzt die Medien im Moment vielleicht noch nicht so viel für euch. Es gibt ja Architekturbüros, die sind dann vertreten auf Facebook und Twitter und... #00:08:21-4# dt: Facebook habe ich auch, aber das ist noch in den Kinderschuhen. #00:08:27-6# bb: Also, erst einmal zu den neuen Medien. Also, ich finde, solche Sachen wie Twitter und Facebook, ja, aber man muss ja nicht alles, auf jeden Zug mit aufspringen. Und, von der Schlichtheit der Homepage. Ich mag eben schlichte, auch bei der Raumgestaltung oder sonstigen, ich mag einfach, wenn es schlicht ist. Auch meine Wohnung zuhause ist recht schlicht. Manche sagen, es ist kalt und unpersönlich. Aber ich finde es einfach (..) klar. Also, es ist klar für mich. Also, wenn ich zuhause bin, habe ich weiße Wände, vielleicht steht mal ein Bild auf dem Fußboden oder so, das lenkt mich nicht ab, wenn ich zuhause bin. Und wenn man mal woanders ist, ist eh zu viel Ablenkung. Wie hier, ist extrem viel Ablenkung auch durch die ganzen Schnörkeleien da an der Wand. Ich mag es halt wirklich einfach nur schlicht. Und dementsprechend versuchen wir es ja auch dann irgendwie nur so nach außen zu kommunizieren. Sei es auf der Visitenkarte oder der Homepage oder so, soll man schon irgendwie so eine klare Linie erkennen, wenn man das macht. #00:09:32-3# jw: Aber es kommt für euch auch nicht unbedingt in Frage, diese anderen Medien zu nutzen oder sich da zu präsentieren? #00:09:42-5# bb: Es kommt immer drauf an, welche Zielgruppe, oder was man sich davon erwartet. Also, wenn ich jetzt, also, ich denke mal nicht, dass man viele Kunden über Twitter erreicht oder dass die jemand dann bei Twitter folgt, oder


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vielleicht Facebook ja, aber ich würde jetzt auf die Visitenkarte auch nicht die Facebook-Adresse drauf schreiben oder den Twitter-Account oder sonst etwas. #00:10:08-4#

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dt: Ich glaube, da ist auch gerade so ein bisschen ein Umbruch mit diesen ganzen neuen Medien. Weil früher war das eigentlich überhaupt kein Thema, also, ich habe immer meine Aufträge nur über, es ist eigentlich ein reines Empfehlungsgeschäft gewesen. Aber, ich sage mal, in einer großen Stadt wie Berlin, kann es schon wirklich von Vorteil sein, wenn man jetzt auch auf Facebook oder so, oder selbst man, wie heißt jetzt das, wenn man jetzt die, also, wenn man es bewirbt auf Google. Weil hier halt ein ganz anderes Klientel da ist, die oft aus dem Ausland kommen, die brauchen jemanden. Also, da ist glaube ich echt viel Bewegung. Und da muss man sich auch erst ein bisschen orientieren, wie will ich das für mich haben und wie trete ich auf. Aber sonst ist es eigentlich schon gut, wenn es, also, schlichte Sachen auf jeden Fall. (...) Aber auf der anderen Seite ist halt Architektur, oder Innenarchitektur, total viel mit Emotionen auch zu tun, also, von daher. Es ist so ein Gratwanderung. #00:11:05-0# jw: Wie nutzt ihr die Medien also, andersrum für euren Entwurf? Nutzt ihr das da, was es da so zu sehen gibt, oder nicht? Und wie? #00:11:18-3#

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auseinander gesetzt. Und da habe ich auch Defizite, aber ja, es geht auch anders. Aber deswegen ist bei mir eben noch sehr das, also, ich habe irgendwie so ein Buch und ich speichere das und weiß ungefähr.. und bei dir ist das ganz anders, du gibst es halt sofort bei Google ein. Also, das ist echt hochinteressant. #00:12:55-5# bb: Also, ich habe auch so die Zeitschriften genutzt, aber am Anfang wirklich einfach mal Google Bildersuche... bäng... was kommt da? Jetzt nicht nach Grundriss bla bla, sondern einfach so nach Begriffen, die mir damit in den Sinn gekommen sind und dadurch. #00:13:10-0# jw: Ja, viele nutzen ja auch so Blogs, die sie dann irgendwie so in ihrem Reader abspeichern und sich dann jeden Tag damit den Bildern beballern lassen. #00:13:20-1# dt: Ja, gut, aber dann kommt man ja nicht mehr zum Arbeiten. Wenn ich jetzt noch Blogs folge, wann soll ich dann mal Zeit haben noch etwas zu arbeiten. Also, oder?

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jw: Ja, gut, ihr nutzt halt dann die Zeitschriften. #00:13:32-0#

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dt: Ja, aber auch nicht jeden Tag. Es gibt halt super viel Tagesgeschäft, da sieht man überhaupt nichts Kreatives, das ist ja in dem Beruf so, dass das auch gemacht werden muss und kreativ bleibt ja ganz wenig Platz. #00:13:51-2#

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dt: Ich setze mich mal vor eine Zeitschrift und schaue die an. Also, da kommt viel. Es geht auch wirklich los mal von einer Frauenzeitschrift bis über Häuser.. also, die ganzen Häuserzeitschriften, Inneneinrichtungen, Decoration, also, alle visuellen Dinge eigentlich. Oder mal im Internet eben auch was es Neues gibt oder irgendwelche stylischen Vorlagen, da gibt es ja sehr cool Beispiele. #00:11:46-7#

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jw: Du auch? #00:11:47-2#

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dt: Was jetzt ankommt, wie es nach außen dargestellt wird? #00:14:16-3#

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bb: Also, ich habe das immer so gemacht. Ist vielleicht ganz komisch, aber bei einem Entwurf mir irgendwelche Begriffe rausgesucht, die damit irgendwie zusammenhängen oder so Brainstorming, also, wirklich egal welches Wort, welcher Begriff mir zu dem Entwurf eingefallen ist, habe ich aufgeschrieben, und dann habe (lacht) ich so Google Bildersuche gemacht, einfach die Wörter die mir da eingefallen sind, obwohl sie vielleicht gar nichts im ersten Blick mit der Sache zu tun hatten. Mir die Bilder dazu angeschaut und dementsprechend kam da so ein Entwurf heraus. Also, jeder hat, glaube ich, so selbst sein Wege zu einem Entwurf zu kommen. #00:12:23-8#

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jw: Ja, vielleicht. #00:14:16-9#

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dt: Na ja gut, es gibt halt: wer beschäftigt einen Innenarchitekten? Da geht es ja schon los. Also, die wenigsten, sage ich mal. Also,es ist echt in dem Bereich dann, wenn es in Shop geht, also, Retail oder gewerbliche Sachen, die halt wirklich auf Kundenumsatz zielen. Aber ansonsten private Leute, da ist ja echt nur der obere Bereich, ja. Gehobenes Klientel. #00:14:51-3#

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dt: Ja, das ist aber, glaube ich, auch, das ist auch schon die Zeit, weil sich das total verändert hat. Ich habe angefangen, da war CAD Kinderschuhe. Da war das ein Wahlfach bei uns, das ist heutzutage undenkbar. Wirklich, ohne Scheiß. Deswegen habe ich mich damit auch nie wirklich

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jw: Um jetzt speziell auf die Innenarchitektur zu kommen: wie nehmt ihr so die Präsentation von Innenarchitektur in den Medien wahr? Also,jedes Medium: Zeitschrift, Fernsehen, Internet. Wie ist da so das Gefühl? #00:14:12-0#

bb: Architekturbüros stellen halt Innenarchitekten ein, die machen dann zwar auch die meiste Zeit hier Architektursachen. Und dann halt wenn es an die Innenarchitektur geht. #00:15:01-4# dt: Also, das wird immer mehr glaube ich im Moment. Diese Kooperation wird immer enger im Moment. Aber man kriegt jetzt relativ wenig reine Innenarchitektur mit,


Anhang: Interviews

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jetzt in den normalen Medien. Meine ich jetzt. Und es verschwimmt ja auch immer mehr, Architektur und Innenarchitektur. #00:15:23-1#

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bb: Also,viele von meinen Kommilitonen, also, was heißt viele, jetzt zwei weiß ich, dass die auf alle Fälle in einem Innenarchitekturbüro arbeiten. Die machen wirklich kein Architektur mehr, sondern wirklich nur noch so Innenarchitektursachen. Aber denen gefällt es, die wollen gar nicht mehr irgendwelche... #00:15:40-6#

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dt: Aber ich glaube es gibt wenig Büros dafür. #00:15:43-4#

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bb: Ja, es gibt wenige Büros. #00:15:44-9#

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dt: Die da wirklich genügend Aufträge auch generieren, um dann das alles auszufüllen. #00:15:50-5#

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jw: Ja, viele Architekten, hatten wir gerade in dem Gespräch auch, nehmen das gar nicht so wahr, dass sie jetzt wirklich so Innenarchitektur machen. Also, ich habe auch in einem Büro angerufen, und gefragt ob sie ein Gespräch mit mir führen wollen, weil die auf der Homepage halt zehn, zwanzig Interior-Projekte gesehen habe, und die meinten: nee, machen wir eigentlich nicht. Innenarchitektur machen wir nicht. #00:16:14-5#

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bb: Also,ich denke ja, da sind die Grenzen wirklich schwimmend. Also, ich verstehe ja unter Architektur nicht rein die Hütte, sondern wirklich auch das Innen, also, wenn du verstehst, was ich meine. Das ist ja für mich, für mich ist ja die Innenraumgestaltung hier auch Architektur. Keine schöne, die mich jetzt nicht so anspricht. #00:16:43-5#

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jw: Ja, dann kommen wir zu dem Frauenteil. Dann fange ich erst mit dir an: Wie erlebst du dich als Frau in Branche, vielleicht auch, oder auch als Mutter? #00:16:58-7# dt: Wie erlebe ich mich als Frau in der Branche... Also, eigentlich fühle ich mich ganz wohl in meiner Branche als Frau. Also, es begegnet einmal natürlich immer mal ein Vorbehalt. Gerade wenn Leute einen jetzt nicht kennen oder falsch einschätzen, das passiert schon mal. Aber eigentlich wird man, wenn man seinen Job gut macht, ist es eigentlich auch anerkannt. Also, mir ist es ganz selten passiert, dass da mal irgendjemand mich ein bisschen blöd angemacht hat. Also, das kommt sicherlich auch vor, aber äußerst selten. Außerdem war mein Vorteil, dass ich ja immer schon mit dem Ganzen ausgewachsen bin und auch eine gewissen Sprache sprechen kann, oder verstehen, und da auch nicht so empfindlich bin. Aber es ist natürlich schwer, sich durchzusetzen, also,das gebe ich schon zu, es ist anders ein bisschen. Also, ich habe ja viel Bauleitung gemacht, wirklich draußen auf der Baustelle, und also, es ist auf jeden Fall ein harter Job. Also, gerade wenn man

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jetzt auch länger, große Projekte, wenn dann mal zwölf Stunden auf der Baustelle steht, das ist zum Beispiel etwas, was ich jetzt auch mit Kind nicht mehr machen will und kann. Ich kann es nicht mehr machen, allein zeitlich geht es nicht. Ich will es auch nicht, weil dann bräuchte ich für jeden Tag einen Babysitter. Also,ich hatte heute früh erst diese Diskussion: ja, das ist total gefragt gerade, Projektmanagement, und da habe ich, also,das war mein Ex-Partner, und da sage ich: das kann ich aber nicht mehr machen. Weil, dann brauche ich.. will ich nicht und kann ich nicht mehr machen. Das ist auf der einen Seite schade, weil es eigentlich das einzige ist, was relativ gut bezahlt wird. Aber... #00:19:00-0# jw: Wie ist das so von deiner Seite, aus deiner Sicht? Aus der männlichen Sicht sozusagen? #00:19:03-9# bb: Ich arbeite gern mit Frauen zusammen. Auf alle Fälle, die Frauen, wo ich jetzt in den Büros war, das waren meistens, die haben wirklich mehr Innenarchitektursachen gemacht als Männer, also,ich glaube, stimmt, ich war noch in keinem Büro, wo irgendwelche Männer sich mit Innenraumgestaltung beschäftigt haben, auch wenn es keine Innenarchitektinnen waren, sondern nur Architektinnen, die haben meistens eben die Innenraumsachen gemacht, oder die Innengestaltung. Ich weiß nicht, weil man davon ausgeht, dass Frauen... #00:19:38-0# dt: Es kommt ja dazu noch aus der Tradition, sage ich dir, weil die Frauen immer für das Wohnen und für die Wohnung verantwortlich waren, das ist nach wie vor so ein bisschen steckt das drin. #00:19:48-6# jw: Ja, es wird einem da so ein Expertentum unterstellt, eigentlich, als Frau, also: die kennt sich damit besser aus.

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dt: Ob das dann so ist. #00:19:58-7#

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jw: Das ist die andere Seite, auf jeden Fall. #00:20:02-0#

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bb: Also, ich habe es bis jetzt eben nur so kennengelernt, dass nur Frauen die ganzen Entwürfe für den Innenraum gemacht haben. Genau. Die Männer waren dann wieder dafür da, für Bauleitung und solche Sachen. Aber die Frauen haben die Entwürfe gemacht, die Zeichnungen, die ganzen Skizzen und so. Genau. #00:20:23-9#

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jw: Und du hattest jetzt auch wirklich so einen Karriereunterbruch durch das Kind, oder? #00:20:29-2#

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dt: Ja, kann man schon so sagen. Ich habe erst einmal quasi nur noch so kleine Sachen gemacht und ja. #00:20:35-9#

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jw: Warst du vorher angestellt? #00:20:38-4#

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dt: Nee, ich war eigentlich fast immer selbstständig.

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jw: Und dann hast du halt einfach zurückgeschraubt?

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hat ja seinen ganzen, man hat seine Krankenversicherung, man eine Haftpflicht, wie soll man das machen? Das geht eigentlich gar nicht. Also, das ist hier sehr unverschämt teilweise. #00:23:01-6#

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dt: Ja. #00:20:47-5#

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bb: In Berlin ist es extrem unverschämt ja. Deswegen muss man halt schauen, dass man... #00:23:04-1#

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jw: Fandest du es schwierig wieder einzusteigen, oder wie war der Wiedereinstieg? #00:20:52-1#

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dt: Möglichst sich breit aufstellt. #00:23:07-2#

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dt: Ich finde es schon schwierig, weil ich, ich sage mal, das hängt aber auch ein bisschen jetzt mit meinem, mit der Stadt zusammen. Also, Berlin ist sehr, sehr groß, bis der Ball da wieder ins Rollen kommt, das dauert einfach echt extrem lang. Also, ich sage mal, in meiner Heimat hätte ich diese Probleme nicht. Da bin ich einmal zu Besuch, dann habe ich zwei Aufträge an der Backe, so halbe. Also, das ist hier halt komplett anders und man kann sich auch nicht mehr so bewegen. Wenn ich ein Kind daheim habe, kann ich abends nicht auf irgendwelche Businessveranstaltungen gehen. Also, das reduziert sich halt komplett, wo man sich präsentieren kann. Also, man muss das komplett irgendwie anders machen. #00:21:33-3#

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bb: Sich breit aufstellt und dann halt, sich eben für den angemessenen Preis auch verkauft. Ja, für 15 Euro die Stunde irgendwo freiberuflich zu sein und dann nicht freiberuflich im Endeffekt zu sein, weil du ja trotzdem abhängig bist von deinem, das ist ja nicht der Sinn der Sache. #00:23:26-0#

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bb: Genau. Und es war ja das, wo ich jetzt in Potsdam war, das war ja dann auch freiberuflich. Aber in dem Sinne war es ja nicht frei, ich musste ja immer nach Potsdam, ich konnte nicht von zuhause arbeiten, obwohl das hätte gehen können. Ich musste fragen, ob ich Urlaub nehmen kann, ob ich nicht kommen muss nächste Woche, ob ich mal eher gehen kann. Und das ist ja überall so, das ist in jedem Büro, dass Freiberufler anstellt, ist es ja Gang und Gäbe, dass die damit umgehen als wären es eben Festangestellte. Und die Leute machen das mit, und deswegen können sie es durchziehen. Dann muss man dann eben sagen, nö. Aber das war jetzt gar nicht das Thema, ne? Was war das Thema? #00:24:05-7#

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jw: Aber das ist trotzdem interessant, das ist völlig egal.

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jw: War das dann auch so die Entscheidung das zusammen dann zu machen, oder nicht mehr alleine zu machen?

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jw: Ja, freiberuflich heißt ja nur, dass du innerhalb von einem Monat weg vom Fenster sein kannst. #00:23:31-8#

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dt: Na ja, das ist eigentlich so, weil es sich ganz gut ergänzt von den verschiedenen Arbeitsbereichen. Natürlich, ja finde ich es auch besser, wenn zwei Leute gucken, dass es immer... #00:21:56-6#

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bb: Das auch irgendetwas herankommt. #00:21:59-3#

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dt: Das war jetzt nicht das Hauptkriterium, aber es hat gut gepasst, sagen wir mal so. #00:22:04-8#

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dt: Das war auch ein wichtiges Thema. #00:24:10-0#

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jw: Das ist auch wichtig, darüber muss man auch sprechen. Wir waren gerade noch bei den Frauen, aber das hast du mir ja gut beantwortet, das finde ich sehr interessant, auch mal die Seite auch von einer Mutter zu sehen. #00:24:22-4#

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bb: Weil es in Berlin halt auch so viele Architekten gibt. Das ist halt auch so ein Problem. In Berlin gibt es so viele Architekten, die für so wenig Geld arbeiten. Und, ich weiß noch, nach dem Studium hieß es immer, als Architekt bekommt man keinen Job, aber das stimmt ja gar nicht. Du bekommst schon einen Job, aber du bekommst dann einen Job, da hättest du nicht studieren müssen. Da hättest du auch, vielleicht Friseur, oder vielleicht nicht so ganz, aber du kannst auch kellnern gehen. #00:22:33-7# dt: Ja, das habe ich gesagt, damals. Ich habe nämlich auch, vor meinem Kind noch, habe ich mal einmal versucht eine Anstellung zu finden. Man kriegt dann Angebote, also,wirklich freiberuflich dann für 15 Euro, auf Rechnung noch. Und dann habe ich gesagt, na ja da gehe ich kellnern. Ich weiß nicht, wie man das machen kann. Ich meine, man

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bb: Ich bin aber auch schon Papa. Ich kann dir vielleicht auch etwas dazu sagen. #00:24:26-6#

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jw: Ja, dann bitte! #00:24:26-6#

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bb: Aber das Kind (lacht) wohnt halt bei der Mama, aber wenn das Kind jetzt bei mir wohnen würde, könnte man das auch nicht so machen. Also, dann ist das wirklich schwierig, weil wer stellt jemanden ein, der jetzt nur, keine Ahnung... #00:24:39-4#

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dt: 16 Uhr in der Kita sein muss. #00:24:41-3#

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bb: 16 Uhr in der Kita sein muss, oder halt nicht wenn irgendwie ein Wettbewerb ist oder so. (...) Wer stellt einen ein, der halt Punkt, oder am besten schon halb vier dann weg muss, weil er um vier in der Kita sein muss. Oder der halt erst um neun im Büro ist, weil halt früh, er kann ja das Kind nicht um fünf aufwecken, damit es um sieben in der Kita ist, damit man rechtzeitig im Büro ist. Es ist schwierig.

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dt: Nee, also. Nee, würde ich jetzt so nicht sagen. Ich denke mal, das ist, es ist, in meinen Augen hat das ja sehr viel mit Emotionen zu tun und Verstehen. Und die weibliche Seite da dran ist vielleicht, dass ich mir immer sehr, sehr gut vorstellen kann, was die Leute sich vorstellen, was die wünschen. Also, ich sage mal, dieses Umsetzen und ich denke, das ist einfach wirklich vom Zuhören und auch so ein bisschen die Schwingungen, ich weiß es nicht, wie ich das jetzt ausdrücken soll. Aber so ein bisschen das Umsetzen, das kann schon sein, dass das so ein bisschen weiblich ist. #00:28:15-4#

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jw: Was sagst du dazu? #00:28:15-7#

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dt: Es gibt ja auch die weibliche Intuition. So etwas, so würde ich das eher sehen. #00:28:20-7#

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bb: Ja, weiß ich nicht, keine Ahnung. #00:28:27-0#

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dt: Die Frage ist, kann man ja nicht so einfach beantworten. #00:28:28-2#

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dt: Und man will es ja auch nicht. Man will ja von seinem Kind auch etwas sehen vom Aufwachsen. Ich meine, es ist ja... #00:25:29-3#

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jw: Aber du hattest gerade noch etwas anderes wegen den Wettbewerben angesprochen, das ist natürlich auch, was da abverlangt wird, dass man wenn es um einen Wettbewerb geht, dass man 24 Stunden eigentlich verfügbar ist, im besten Fall. #00:25:40-2# bb: Eben. Das setzen die ja schon voraus. Also, das ist ja auch der Witz an so einer Sache, dass wenn du irgendwo anfängst zu arbeiten, dann wird ja vorausgesetzt, dass du eben Überstunden machst. Gut, wenn du selbstständig bist, dann kriegst du das bezahlt, aber wenn du angestellt bist, was ich in dem anderen Büro, wo ich war, da war das selbstverständlich, dass man halt länger macht und das ist halt so. Und von wegen Zeitausgleich oder irgendetwas, sie haben zwar gesagt, Zeitausgleich, aber weil du immer so viel zu tun hast, kannst du den Zeitausgleich nicht nehmen. #00:26:12-5#

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jw: Ja, auf jeden Fall. Also,ich habe auch in Zürich, da haben wir halt keine Überstunden gemacht offiziell. Da haben wir gar nicht drüber gesprochen. Da hätte es auch mit dem Zeitausgleich nicht mehr gepasst, weil dann hätte ich zwei Monate im Jahr nicht arbeiten dürfen. #00:26:31-4#

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bb: Oder eine Schreinerin. #00:29:18-2#

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dt: Ja, eine Schreinerin mal, aber das sind schon seltene Fälle. #00:29:21-9#

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bb: Aber, da kenne ich zwei, Schreinerinnen. #00:29:24-8#

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jw: Ich habe bei meinen Eltern meine Vorpraktika fürs Studium bei meinen Eltern vor Ort, also, da in Oberbayern, also, ich war in der einen Schreinerei die erste Frau, die da jemals gearbeitet hat, die konnten damit überhaupt nicht umgehen. Da durfte ich dann immer nichts machen, weil ich nicht so schwer heben sollte und so. #00:29:49-0#

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dt: Ja, das geht ja auch bei so Sachen los, wenn man Prak-

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dt: Ich meine, das ist das Schöne an der Selbstständigkeit dann, dass man sich halt trotzdem dann einteilen kann, weil wenn ich dann abends noch etwas mache, von zuhause, das ist ja alles... #00:26:42-6# bb: Das ist das Schöne an der Selbstständigkeit, also, man muss halt immer schauen, was ich eben heute wieder erzählt habe, wenn halt abends dann eine Email reinkommt, dass man halt etwas machen muss, dann sitzt du halt dann nachts, weil es halt bis nächsten Tag fertig ist, aber du weißt, dass du für dich arbeitest. Und du kannst halt dann sagen, ok, du machst dann noch bis um zehn Uhr früh oder du stehst halt um sieben auf und machst noch bis zehn, dafür machst du halt den Rest des Tages jetzt nichts mehr.

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dt: Wobei das mit dem Nichts tun, das kommt ganz selten vor. #00:27:14-4#

jw: Man kann auch einfach, ich finde es auch total akzeptabel, wenn man sagt: Für mich kommen solche Kategorien nicht in Frage, weil ich bin zu feministisch dazu. #00:28:40-1# dt: Also, ich bin sehr emanzipiert, aber ich würde mich nicht als feministisch bezeichnen (lacht). Also, ich glaube, das kann man sich in dem Beruf auch überhaupt nicht leisten. Weil man hat ganz viel mit Männern zu tun, also,man muss da super kommunizieren, also, solche Begriffe haben da echt nichts verloren, meiner Meinung nach. Also, es ist ja trotzdem eine Männerwelt, Bau. Also, wenn man auf Baustellen ist, eine Frau kommt einem, mal eine Malerin, ja, aber ansonsten nur Männer. #00:29:17-1#

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jw: Noch kurz ein Anschluss an die Frauen-Geschichte: Inwieweit würdest du sagen, dass dein Design typisch weiblich ist? Oder kann man das sagen? #00:27:24-3#

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tikum macht und man muss auf Toilette. Das ist ja gar nicht so einfach. Weil früher gab es kein Dixie-Klo, da gab es überhaupt nichts. Da bist du halt den ganzen Tag nicht pinkeln gegangen. #00:30:00-9#

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bb: Echt? Was hast du dann gemacht? #00:30:04-0#

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jw: Also, ich habe manchmal beim Nachbarn geklingelt. Aber es geht sonst nicht. #00:30:09-7#

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dt: Wie willst du es sonst machen? Wenn du eine Baugrube hast, na ja, du kannst ja nicht hinter den nächsten Busch. Im Notfall schon, aber... weißt du, so ganz banale Sachen. Aber heutzutage gibt es ja eine Dixie auf jeder Baustelle.

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jw: Ja, aber das ist ja auch nicht unbedingt immer so die Alternative. #00:30:26-6#

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dt: Besser als nichts, ne. #00:30:27-3#

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jw: Ja, aber auch so das Umziehen in der Schreinerei, wo du dann sagst: Also, ich gehe mich jetzt umziehen, ihr jetzt bitte alle nicht. Weil es einfach die Möglichkeiten nicht unbedingt dazu gibt. Und da habe ich auch immer wieder gemerkt, dass die Männer über so etwas nicht nachdenken, dass die Frauen halt auch mal auf die Toilette müssen. Das man das immer so anmerken muss: Ich müsste dann mal. Ja, dann bin ich fast schon fertig. Ich habe hier noch so ein paar Bonusfragen, zwei Stück. Falls die auf euch zu treffen. Es gibt ja Leute, die inzwischen von einer neuen industrielle Revolution sprechen, was den 3D-Druck betrifft. Kommt das für euch in Frage, wie glaubt ihr, wird das die Arbeit beeinflussen in Zukunft? #00:31:19-5#

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dt: Aber ist jetzt 3D-Druck nicht noch einmal etwas ganz Spezielles? #00:33:23-5#

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bb: Ach, meinst du 3D-Druck, den 3D-Druck? #00:33:27-7#

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jw: Ja, Druck. Aber 3D an sich ist ja auch eine interessante... #00:33:28-9#

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bb: Ach so, ich habe den 3D... #00:33:30-3#

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dt: Das ist ja in Ordnung, das ist ja auch super interessant. Weil ich habe ja von 3D-Druck gerade mal etwas gehört.

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bb: Also, ich finde, da ich ja eine andere Generation bin, wie D., war das ja für uns immer schon von Anfang an klar, alles was wir jetzt machen jeden Entwurf eigentlich in 3D hochziehen. Also, da hat sich ja gar nicht mehr die Frage gestellt: machen wir das noch einmal in 3D oder nicht? Sondern, wenn du auch 2D gezeichnet hast, war es automatisch auch in 3D, und somit bist du ganz anders an die Entwürfe herangegangen, weil du musstest ja nicht mal mehr Modell bauen. Die Profs zwar immer so: Ihr müsst ein Modell bauen, bla. Aber warum ein Modell bauen, wenn du hier ein schönes 3D-Modell hast, das du drehen und strecken kannst und bist dann viel schneller im Entwerfen, als wenn du dann ständig ein neues Modell baust. Klar, für später für das Endprodukt ist ein Modell schön, aber zum Entwurf haben die wenigsten von uns noch hier das reine Modell gebaut, wo sie hier Styropor-Klötzchen aneinander geklebt haben. Sondern wirklich einfach nur dieses tolle SketchUp, was es da gibt, wo du in fünf Minuten ein richtig geiles Modell baust, das auch schön rendern lassen kannst, dann hast du.. also, es kommt immer drauf an, für

was du jetzt irgendetwas machst. Wenn du natürlich solche Innenraumsachen, wenn jemand gut zeichnen kann, dann sieht es natürlich klasse aus, wenn er das per Hand zeichnet und dann dem Kunden vorlegt als Entwurf und noch schön ein bisschen mit Copics und alles. Aber das kann heutzutage kann das auch jeder, der jetzt nicht gut zeichnen kann, weißt du bestimmt selber, machst du das in SketchUp und druckst es dann aus, legst Dings drüber und weißt du, dann sieht das genauso gut aus, vielleicht sogar noch besser, weil dann alles dem entspricht, wie es dann am Ende aussieht. Aber, das mit dem 3D, und für die Kunden, es hat natürlich große Vorteile für den Kunden, weil der sich natürlich wesentlich besser die Sachen vorstellen kann. Oder, du kannst ja nicht immer davon ausgehen, dass jemand, ein Kunde, so dieses Vorstellungsvermögen hat oder dieses, wie jetzt wir sage ich mal. Und dann ist es schon schön, wenn du dem so ein paar 3D oder Renderings zeigen kannst, in verschiedenen Ausführungen, also, das auf alle Fälle. #00:33:20-2#

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bb: Also, dass man 3D druckt? #00:33:39-6#

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dt: Ja, das ist doch so ein spezielles Verfahren. #00:33:41-8#

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bb: Dazu kann ich aber auch etwas sagen (lachend).

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dt: Ja ja, gern, sie interessiert es ja. #00:33:48-0#

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bb: 3D-Druck, meinst du auch, dass du die Modelle in 3D... oder? #00:33:52-8#

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jw: Ja, also, auch Modelle. Aber es ist ja inzwischen, also, es gibt ja den ersten 3D-Drucker, der wenige tausend Euro kostet, den man praktisch für Zuhause haben kann, wo man dann Kleinteile zuhause am Computer entwirft und die dann drucken lässt. Also, es geht ja von irgendwie in dem Größenbereich so. Und es gibt aber auch Experimente schon Module zu drucken, aus denen man dann halt Raumstrukturen bauen kann. #00:34:19-8#


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bb: Ok, also,ich habe das bis jetzt nur, das haben einige bei, als ich damals Diplom gemacht habe, schon mit ihren Modellen machen lassen. Die haben ihre Modelle in 3D drucken lassen. Das war zwar noch teuer, also,richtig teuer, aber die haben das gemacht. Und ich fand das eigentlich eine, also,wenn man das Geld über hat, oder wenn man einen großen Auftrag hat, um so ein 3D-Modell drucken zu lassen, finde ich es viel praktischer als das bauen zu lassen. Weil halt dann alles wirklich genau ist. #00:34:47-9#

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dt: Aber mit was für Materialien wird denn das gedruckt, das würde mich mal interessieren. #00:34:50-2#

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jw: Das ist ein schnell aushärtender Kunststoff, zum Beispiel, oder es gibt auch schon Experimente, da ist es dann ein Polymer, also,eine Art Ton, der dann... es ist halt immer nur wichtig, dass der sofort aushärtet. Dass das dann halt Schicht für Schicht aufgebaut wird. #00:35:08-8# bb: Aber ich glaube, es dauert noch. Es dauert noch, bis sich das durchsetzt. Wenn es sich überhaupt durchsetzt.

ton, usw. Aber so etwas ist nützlich, wenn du so ein großes Ding hast, aber bei so kleineren Objekten lohnt sich das der Aufwand halt überhaupt nicht, weil du wirklich jedes Teil dann gleich am Anfang so bemustern musst. Und ich denke, so könnte es ungefähr auch mit diesem 3D-Druck sein, dass es halt sich nicht überall rentiert, oder, also,ich kenne bis jetzt noch niemand, der das gemacht hat. #00:36:21-0# dt: Ja, ich sage mal so, wenn in 3D schon etwas sieht, ist ja schon mal viel gewonnen, also,dann hat man eigentlich selbst der Kunde eine Vorstellung davon. Also, von daher denke ich mal, das ist halt gerade noch so ein „wenn es sein muss“ noch. #00:36:37-3#

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jw: Wie arbeitet ihr im Allgemeinen mit innovativen Materialien und Herstellungsprozessen? Wie geht ihr da so ran, also,irgendwelche speziellen, Beton... #00:36:52-2#

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dt: Mit Werkstoffen? #00:36:54-8#

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jw: Mit Werkstoffen, ja. #00:36:54-3#

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dt: Das kommt drauf an, wie offen der Kunde ist. Also,im Prinzip, ja. Gern mit allem, gern auch Experimente. Gut, die mache ich meisten immer erst einmal bei mir. #00:37:10-2#

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jw: Das heißt? #00:37:11-5#

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dt: Wenn ich gebaut habe. Aber sonst ja. #00:37:15-9#

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jw: Was zum Beispiel, wie zum Beispiel? #00:37:19-1#

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dt: Ja, das verändert sich ja auch immer über die Jahre, was gerade in ist, ne? Also, ich meine, ... allein die Fliesenformate, wie sich das immer verändert, was gerade in Mode ist, was nicht in Mode ist. Oder die Duschen auch, inzwischen sind ja alle mit Bodenablauf fast. Ja auch diese Estriche, die blanken, so etwas. #00:37:47-6#

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dt: Wenn es sich überhaupt durchsetzt, ja. #00:35:16-9#

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bb: Es gibt ja manche Sachen, die sind wirklich nützlich, und manche Sachen sind, ja weniger nützlich, Zum Beispiel, ... #00:35:23-3#

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dt: Der Barcode. #00:35:25-6#

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bb: Zum Beispiel im Büro, wo ich vor Potsdam gearbeitet habe, die haben, wenn sie so richtig große Projekte hatten, also,richtig, richtig große Projekte, da haben sie die ganze Massenermittlung alles per 3D gemacht. Das heißt quasi, die haben ihre Häuser, oder die ganzen, beispielsweise ein großes Hotel, haben sie alles in 3D eben hochgezogen, und die Teile dann auch dementsprechend schon bemustert, wie sie am Schluss sind, und einfach nur noch auf einen Knopf gedrückt und dann hat wirklich das Programm die ganzen Massen ermittelt und dann kam dann hinten heraus, wie viel Stahl du brauchst, wie viel Ortbe-

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jw: Aber das ist halt schon Thema, immer wieder. Ja dann war es das auch schon, tatsächlich alles gefragt, was ich wissen wollte. #00:38:00-1#


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Interview mit sml männlich, München, Architekt

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jw: Meine allererste Frage an Sie wäre: was steht auf Ihrer Visitenkarte? Was haben Sie für eine Berufsbezeichnung auf Ihre Visitenkarte geschrieben? #00:00:16-7#

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sml: Müsste ich jetzt nachschauen, da steht wahrscheinlich gar keine. (geht) Design Associates ist ja der Firmenname, weil ich einen Partner hatte, der eben Autodidakt war, also, im Prinzip selbst ernannter Designer, kann sich ja jeder als Designer bezeichnen. Und es kann auch jeder als Innenarchitekt arbeiten. Und er arbeitet sogar, hat ein eigenes Architekturbüro ohne Architekt zu sein. Also, man muss nicht unbedingt, glaube ich, studiert haben, um den Beruf auszuführen. Und deswegen konnten wir uns auch nicht Architekturbüro nennen, sondern haben uns Design Associates genannt, was unser Arbeiten eigentlich ganz gut beschreibt, weil wir da doch, weil wir alles machen. Also, wir sind, bei uns gibt es keine Trennung in der typische Architekt und der Hochbauarchitekt, sondern wir fangen eigentlich, wir entwickeln die Gebäude von innen nach außen. Also, ich fange meistens, also, ich bin gelernter Innenarchitekt, ähm, ich wollte nie Architekt werden. Aber bei Innenarchitektur gab es eine Prüfung, was schon zu viel des guten war. Dann habe ich halt Architektur studiert, Gott sei dank. Weil man da alles machen kann, ich mache mittlerweile auch Gärten. Also, ich mache Gärten, Innenarchitektur und Hochbau. Und ich fange von innen nach außen heraus, also, manchmal ist auch der Garten und die Umgebung erst einmal wichtiger, als die Gebäudeform und das Formale, also, wie sich die Form entwickelt, entsteht eigentlich erst am Schluss, um den von mir entwickelten freien Grundriss herum. Ist ein bisschen anderes Entwerfen, weil man dann sozusagen nicht die große Architektengeste macht: ich mache jetzt eine Kiste oder ich mache ein U oder ich mache ein L und jetzt habe ich mal eine ganz besondere Wicklung gemacht und diese Dinge sind immer relativ stereotyp und für mich ein bisschen langweilig. Und, da unterscheide ich mich auch von den typischen Architekten, weil die Architekten ja sozusagen, da gibt es dann auch immer dieses, auf die zweite Frage anspielend, diese Hierarchie, was kommt zuerst: innen oder außen? Was ist wichtiger? Der Neutra hat gesagt: Der Gartenarchitekt ist der Senior Architekt vom Projekt. Also, obwohl er ja Architekt war und aber auch Gärtner. Und ich finde, für mein Arbeiten gibt es da keine Trennung davon. Weil das ist alles gleich wichtig, ich finde sogar wichtiger, im privaten Wohnen, dass man das von innen heraus entwickelt. Weil die, ein Bauherr hat zu mir mal gesagt bei einer Fensterdiskussion: Du, schau mal, ich schaue heraus, wie das von Außen ausschaut, ist mir wurscht. Ich schaue heraus, und will sehen, wie es von innen aussieht. Und das finde ich einen ganz wichtigen Aspekt eigentlich für meine

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Arbeit, weil diese Blickbeziehungen nach draußen, dieses, von der Tageslichtsituation, von dem Lichtwechsel, das sind Dinge, die Räume spannend machen und nicht ob es jetzt die große architektonische Geste ist. Die ist zwar am Schluss auch wichtig, das es jetzt nicht irgendwie einfach eine Willkür-Plastik wird, weil diese Komposition muss dann natürlich gewissen, sagen wir mal, Gesetzmäßigkeiten folgen, oder wenn man die Gesetzte bricht, dann sollte man sie zumindest kennen. Und diese Dinge sind mir auch sehr wichtig, aber es ist trotzdem so ein frei von innen nach außen entwickeltes Spiel, bei dem mittlerweile auch so ein bisschen, wie wenn man das japanische und das östliche und die westliche Architektur vergleicht, dann ist es halt der Franzose mit Versailles und Achse, der muss die Natur dominieren und der versucht dann die höchste Perfektion vielleicht im Göttlichen dann, in der Kathedrale zu suchen, wo dann vielleicht das mal erreicht wird. Der Japaner ist von Haus aus, der hat eine viel fließendere und offenere Architektur und diese fließende und offene Architektur hat auch die Moderne der Fünfziger und Sechziger Jahre in Kalifornien gehabt, weil die da auch ein bisschen, sagen wir mal, cooler waren. Und diese fließenden Grundrisse von Frank Lloyd Wright schon angefangen, Richard Neutra, Schindler, Lautner, das sind so meine Vorbilder, die würde ich jetzt mal als organische Architekten bezeichnen. Und wir können ja heute sozusagen auch die kalifornische Moderne bauen, weil die Technik sich entsprechend gewandelt hat. Und dann können wir sozusagen auch, dieses Innen Außen ist heute anders als vor dreißig Jahren oder vor zwanzig Jahren. Und wir können heute die Grundrisse komplett frei entwickeln und bei Schindler ist zum Beispiel ein ganz wichtiges Kriterium in seiner Architektur ist, dass die Innenarchitektur integraler Bestandteil der Architektur ist. Also, ein Raum kann dann nicht mehr funktionieren, wenn man ein, zwei eingebaute Dinge dann einfach weglässt. Und die machen den Raum eigentlich aus, ist aber dann noch ein bisschen komplexeres Arbeiten, als einfach nur vier Wände und es ist dann in Deckenhöhen, Bodenhöhen, Einbauten, also, alles ist im Prinzip eine perfekte Einheit und dann kann man dann auch nicht mehr sagen, was wichtiger ist oder wer zuerst war und das was so als typische Innenarchitektur bezeichnet wird am Schluss, in England würde man sagen, der Decorator, also, ob der jetzt den falschen Perserteppich gekauft hat oder irgend, der Vorhang xy, das finde ich, ist dann nur noch Dekorieren, das macht eigentlich dem Haus nichts mehr aus. Und wenn ein Haus gut ist, dann ist das Haus auch so stark, dass das Haus das locker aushält. Und die anglophilen Länder, die haben eher mal das Verständnis, dass sie zum Innenarchitekten gehen und sagen: Machen mir mal alles so aus einem Guss, sieht halt dann immer relativ schnell


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aus wie im Hotel, oder sie machen halt dann, stellen so aus Vintage-Sachen, und das dann eben virtuell diese Lebendigkeit zusammen, die jemand eigentlich in seinem Leben sich selber aneignen sollte. Und mir gefällt eigentlich dieser Gedanke besser, wenn man sagt, das Haus ist wie so eine Molluske, das man so Schicht für Schicht von innen das mit seiner eigenen Persönlichkeit auskleidet, seien es Bilderbücher, oder was halt immer auch die eigene Persönlichkeit ausmacht. Und dann wächst das eben auch so, so gesund und langsam und sieht eben nicht aus wie im Hotel. Kriegt einen Charakter und ist dann vielleicht auch nicht immer so, wie der Architekt sich das vielleicht vorgestellt hat, aber es verhunzt überhaupt nicht das Haus, weil das Haus stark genug ist, Haus und Garten und die fest eingebauten Möbel sind schon so bestimmend, dass man gar nicht so viel falsch machen kann. Also, da kann er dann im Prinzip (...) also, wenn man es im Garten vergleicht, da gibt es das Hardscaping und das Softscaping, also, die hart eingebauten Teile im Garten machen 70 Prozent aus und die Atmosphäre machen natürlich dann die, also, die Struktur ist so stark und die Atmosphäre machen natürlich schon die Blüten aus, oder dann auch die Vorhänge von mir aus, aber sie sind nur noch, sie sind nicht mehr, wenn die Struktur stimmt, auch in einem Garten, in der Innenarchitektur genauso, wenn die Struktur stimmt, dann ist das Decorating dann völlig wurscht. Und dann sieht so ein Garten eben auch im Winter gut aus und sieht zu jeder Jahreszeit gut aus und ob ich jetzt hier die rosa oder orange Kombination gerade gewählt habe, ist dann im Prinzip relativ sekundär, weil die Struktur vom Garten erst einmal stimmt. So ein bisschen ist es eben mit der Innenarchitektur auch. #00:07:35-6#

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Struktur stimmt, wie im Garten die hart eingebauten Teile, der muss herein kommen, der muss sagen: hier, das Fenster sitzt an der falschen Stelle, ein Meter weiter rüber, und da würde ich all mein Geld ausgeben, damit das Licht richtig reinfällt, dann habe ich schon mehr gewonnen als für 80.000 neue Vorhänge. Und diesen Blick müssten, wenn das Innenarchitekten, und ich denke, dass das gute Innenarchitekten können. Auch gute Landschaftsarchitekten in Diskussionen können genauso über Architektur mitreden, also, wenn man einmal die Gestaltung begriffen hat, glaube ich, dann ist es auch bei Jurys dann wahrscheinlich auch egal, also, ich habe das erlebt an der Uni, dass dann Landschaftsarchitekten genauso schlaue Sachen über Architektur gesagt haben, und deswegen ist es eher so eine Frage des Trainingslevels und nicht, ob Innenarchitekt oder Architekt, würde ich jetzt mal sagen. #00:09:11-2#

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jw: Ja, das hoffe ich auch. #00:09:12-3#

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sml: Aber wie war die Frage noch einmal? #00:09:18-0#

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jw: Das waren die Fragen. Also, Sie beantworten meine Fragen einfach ohne meine Fragen zu kennen. #00:09:25-2#

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jw: Ja, jetzt haben Sie schon ganz viele Sachen angesprochen, die ich Sie weiterhin gefragt hätte. Sehr gut. Also, Sie haben Architektur studiert, hätten Sie auch Innenarchitektur studiert? #00:07:45-8#

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sml: Ja, wenn es die Aufnahmeprüfung nicht gegeben hätte, wahrscheinlich schon. #00:07:48-0#

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jw: Ach so, dann schon. Aber dann sind Sie dann doch glücklich mit der Entscheidung gewesen, haben Sie ja schon gesagt, genau. #00:07:53-6#

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sml: Ja, weil ich eben beides kann. Und ich glaube, auch die Innenarchitekten haben vielleicht auch immer so dieses selbst auferlegte Minderwertigkeitsbewusstein, dass sie sich vielleicht, dass die Ausbildung da manchmal zu kurz greift, dass man nicht in der Struktur denkt, sondern nur im Decorating. In der Struktur denke ich halt, ich komme irgendwo rein und sage: der Raum ist schlecht, hier Wand heraus, da so, da hier Licht hinein. Fenster herausreißen. Das müsste ein Innenarchitekt genau so können. Dass er sofort sagen kann, das sind die wichtigen Dinge. Dass die

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sml: Ja, es ist ja insgesamt dieses Thema Innenarchitektur, Architektur. Also, warum habe ich Innenarchitektur, also, warum bin ich froh mit der Architektur, weil ich, natürlich dann (..) in einem gewissen Kontext wird die Architektur zu komplex, deswegen ist es ja auch verlockend Innenarchitektur zu studieren, weil es ein bisschen, sagen wir mal, übersichtlicher ist. Ein guter Architekt zu werden oder ein guter Innenarchitekt, das ist halt einfach, das Innenarchitekturspektrum ist ungefähr vielleicht, würde ich mal sagen, 30 Prozent von der Komplexität, die ein Architekt zu verarbeiten hat. Das ist, wenn wir zum Beispiel nur mit Schreinern arbeiten würden, dann würde das Bauen wäre ein Zuckerspiel, weil die sind einfach super organisiert, die haben in dem Bereich alles drauf, der Rest ist nur Gestaltung. Weil Gestaltung hat ja nichts mit Komplexität der Aufgabe zu tun. Und der Architekt muss halt dann, sagen wir mal, noch die, wenn er ein bisschen anspruchsvoll baut, dann sind das Statik, ist das Haustechnik, ist das diese ganzen Bereiche, die natürlich, wo die Komplexität natürlich auch immer mehr auf die Innenarchitekten eingreift, weil die Haustechnik-Ansprüche sind ja auch im Innenbereich komplex geworden, also, wenn ich eine Zahnarztpraxis mache, oder ein Reinlabor oder solche Sachen, das ist natürlich auch anspruchsvoll #00:10:40-4#, aber beim Architekten kommt dann immer noch einmal das Gesamtheitliche dazu. Also, muss er schauen, dass es nicht hinein regnet, muss die städtebauliche Einbindung, also, das sind noch ein paar mehr Dinge, wo es für den einzelnen Architekten auch schon schwierig ist, wo ich jetzt schon merke, ich bin jetzt in dem Segment, in diesem, sagen wir mal, Haute-Cuisine Privatbereich, da bin jetzt annähernd,


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da werde ich so langsam fit und immer fitter und dafür in den ganzen anderen Bereichen, da bin ich dann irgendwie so, das ist so komplex, auch verselbstständigt sich so, dass ich da gar nicht mehr, das könnte ich, glaube ich, gar nicht mehr so richtig. Und diese viele, diese lebenslange Erfahrung braucht man, als Architekt ist man mit 45 jung, mit 50 wird man das erste Mal wahrgenommen, mit 60 geht das Berufsleben los. So ungefähr fühlt sich das bei mir auch an und es ist dann irgendwann, muss man ja erst einmal so, also, der Japaner sagt: erarbeite dir eine sichere Technik und öffne dich dann der Inspiration. Und als Architekt muss man dann schon einmal so, sagen wir mal, 10, 15 Jahre, 20 Jahre Berufserfahrung haben, dass man mal das Gefühl hat, jetzt bin ich wirklich frei und kann dann auch, kann erst einmal anfangen überhaupt in diese Details mental vorzustoßen, die mich sonst an einer Aufgabe ja schon, da bin ich froh genug, dass ich die ganze Aufgabe überhaupt schaffe. #00:12:06-1#

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jw: Wie sieht das so aus in Ihrem Büro? Wie ist die Struktur? Mit welchen Leuten arbeiten Sie zusammen? #00:12:11-2# sml: Also, wir sind, ich habe einen Bauleitungs-Partner, der hat seine eigenen Mitarbeiter und macht auch eigene Projekte und ich mache auch eigene Projekte. Und wir machen dann die komplexeren Sachen in Projektgemeinschaft und wir wollen immer, dass ein Mitarbeiter von vorne bis hinten das ganze Projekt macht. Also, wir haben nicht die Spezialisierung in ein Kosten-Mann, ein AusschreibungsMann, sondern, wir wollen immer, dass einer alles macht. Und das ist ein bisschen vielleicht, ein bisschen mühsamer, oder vielleicht auch finanziell ein bisschen aufwendiger, aber dieser ganzheitliche Ansatz, den finden wir einfach gut. Und dann habe ich einen guten Firmenpool, von Menschen, die man auf dem Weg getroffen hat, die einem auch etwas zu sagen haben, wo man dann eben auch das ein oder andere Detail weiterentwickelt, weil die sich dann halt einbringen, am extremsten ist es im Gartenbereich, wo wir ja wirklich Autodidakten sind. Da habe ich einfach eine sehr gute Firma und mit denen kann ich viele Dinge, sagen wir mal, sehr gut hinbringen. Aber nicht in dem Sinne, dass der das einfach für mich macht und ich es nur fakturiere, sondern dass ich einfach dann gute Ideen habe und der sie für mich, also, wir schaffen es in der Kombination auch außergewöhnliche Gärten zu machen. Also, bilde ich mir ein. Und sonst würde ich es nicht machen, also, ich mache es jetzt nur, wenn die Qualität meiner Gärten nicht der meiner Häuser entsprechen würde, dann wäre es schade nur wegen dem bisschen Geld, oder es ist natürlich gut bezahltes Geld. Weil wir die Verantwortung und schnelle Umsetzung und wenig Risiko. Und dasselbe ist auch bei der Innenarchitektur, Innenarchitektur lässt sich auch unheimlich schnell umsetzten im Verhältnis, die Projekte laufen schnell und die Architektur ist halt einfach ein bisschen mühsamer. Und dann hat man natürlich irgendwie noch

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Fachplaner, Statiker, die, aber das ist dann immer von Fall zu Fall und da muss man halt auch schauen, dass man irgendwann mal Glück hat, dass die, weil die müssen eher noch funktionieren. Also, man muss natürlich mit denen, also, wir sind jetzt nicht in einem Bereich, wo ich dann, was weiß ich, Ove Arup habe und dann irgendwie die neueste super tolle Fassade entwickle, da ist so ein Ingenieur natürlich mit seiner Eigenkreativität noch einmal ein ganz andere Thema. Bei uns ist es eher so, dass wir das und das haben wollen, und die müssen es umsetzen. Dafür müssen sie aber auch schon gut sein. #00:14:41-3# jw: Wie kam es zu dem Buch, das Sie veröffentlicht haben? Das ist ja eher, also, was heißt eher ungewöhnlich, aber das sind ja eher die großen Büros, die das dann machen. Also, ich war überrascht. #00:14:57-9# sml: Ja, es sind vielleicht dann auch die erfolgreichen Büros, die so etwas machen können, nicht nur groß, sondern auch erfolgreich wahrscheinlich, weil so ein Buch kriegt ja nicht jeder. #00:15:03-6# jw: Ja, aber wie kam es bei Ihnen? Also, Sie sind ja auch erfolgreich. #00:15:07-6# sml: Ja, scheinbar erfolgreich genug, dass die es wert finden, ein Buch mit mir zu machen. Und ich war mal bei dem A. B., das ist ein Architekt aus Stuttgart, der eben auch so im selben Segment arbeitet, und er hat im Callwey ein Buch herausgebracht und da habe ich ihn angesprochen, wo das in München vorgestellt wurde, und dann hat mich die Frau Callwey auch gefragt, ob ich ein Buch mit ihr machen möchte. Und dann ging das los, und dann habe ich aber im letzten Moment entschieden, das nicht von Callwey zu machen, weil die, ja, ich war einfach freier im Hirmer Verlag und habe den Hirmer Verlag eben gefunden, das Buch zu machen. Und es verkauft sich ganz gut und ist natürlich auch als Architekt ein Traum, wenn man über sich selber ein Buch hat. Also, es ist schön solche Häuser zu bauen, bauen zu können, das kann einem auch keiner mehr wegnehmen, aber wenn die dann auch noch im Buch drin sind, das ist natürlich toll. #00:16:00-5# jw: Gibt es denn auch, kommen Leute wegen dem Buch auf Sie zu? Als Auftraggeber? #00:16:06-8# sml: Ja. Ich meine, da reicht es auch schon, wenn ein Richtiger auf einen zukommt, dann hat es sich schon gelohnt. Ja, und es ist ja auch so, ich sammle wahnsinnig viel Zeitschriften und liebe Bücher, und es ist natürlich auch selber schön, wenn man in vielen Zeitschriften und Büchern vertreten ist. Und das war auch immer schon die einzige Art, wie wir akquiriert haben. Also, ich habe jetzt in 20 Jahren noch keinen Folgeauftrag bekommen. Also, nur über Veröffentlichungen, oder eben, dass Leute vorbeifahren und


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sehen und klingeln und fragen: wer hat das gemacht? Ja, das freut mich auch. #00:16:57-0#

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jw: Ja, genau, das wäre nämlich direkt meine nächste Frage: wie Sie die Medien nutzen, um sich selbst zu präsentieren. #00:17:02-9#

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sml: Also, ich glaube, das ist ganz wichtig, dass man eben immer versucht: tue Gutes und sprich drüber. Und dass man eben, also, in dem Bereich muss man sagen, dilettieren wir auf hohem Niveau, das finde ich, das hat so ein Assistent von mir immer gesagt, dass sie das tun beim Bauen, das fand ich jetzt nicht so einen guten Spruch. Aber, man muss ja auch immer schauen, wie die, also, ein Kollege, der zahlt dann, was weiß ich, eine ordentliche Summe jedes Jahr an eine PR-Dame, die für ihn das macht, und ist dann ungefähr wie so ein Angestellter pro Jahr, sagen wir mal, wenn das dann eine gewisse Größenordnung erreicht hat, dann verschwendet man die Energie genauso im eigenen Büro und muss es trotzdem zahlen, dann gibt man es gleich in professionelle Hände. Andererseits ist es so für unser Büro ist das von der Struktur her, wächst das sehr langsam und ist, sagen wir mal, ich bin ein überschaubares Büro, weil ich Autorenarchitekt bin, also, ich mache meine Entwürfe selber und will sie nicht von irgendwelchen Mitarbeitern vervielfältigt haben. Oder einfach Massenware produzieren und dadurch kann ich auch gar nicht so groß wachsen, also, kann ich nur qualitativ wachsen. Und dann versuche ich eben, diese PR-Trommel, die man da rührt, die muss jetzt nicht auf Teufel komm raus irgendwie maximiert werden. Und wir sind aber dann halt immer mal, sagen wir mal, regelmäßig in irgendwelchen Büchern oder Veröffentlichungen drin und das genügt dann auch.

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jw: Also, Sie nutzen das Internet als neues Medium nicht gar so intensiv? #00:18:38-1#

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sml: Nee, nicht so. Also, Internet habe ich mich entschieden, das ist ja so, dass die meisten, was weiß ich, germanarchitects und so weiter, das kostet alles Geld. Und dann könnte ich jetzt im Jahr, hier 300 Euro, da 400 Euro, da 300 Euro und dann ist es so weit verstreut und ich glaube, wenn man jung ist, ist das sicherlich ein ganz guter Weg, so als erste Investition, bevor man gar keine Veröffentlichungen kriegt, und die einzigen, wo ich das mache, ist München Architektur, weil die ganz sympathisch ist. Und da zahlt man einmal, um ein Projekt hinein zu tun, und nicht jedes Jahr. Und natürlich, weil mir das Spaß macht, stelle ich dann jetzt einmal im Jahr ein Projekt rein, weil die ganz nett ist. Aber... und da wird man auch gefunden, wobei ich die Erfahrung gemacht habe, jetzt für meine, also, ich weiß nicht, ob ich jetzt schon jemals ein Auftrag über das Internet bekommen habe. Wobei ich ja mittlerweile öfters gefunden werde, weil wenn man im Netz

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„sml“ sucht, dann ist die Präsenz natürlich mehr, als vor fünf Jahren. Und das kommt natürlich dann auch durch viele einzelne Veröffentlichungen. Und ich glaube eher, dass dieser Ruf dann wichtig ist, dass man sich irgendwie einen Namen macht. #00:19:48-4# jw: Und, wie nutzen Sie die Medien anders herum, also, für den eigenen Entwurfsprozess? #00:19:56-2# sml: Also, wenig. Also, ich bin, ja, ich glaube, natürlich ist es ein bisschen verlockend jetzt, also, ich glaube, die jungen Architekten, die gehen gar nicht mehr hinaus, die kaufen sich gar keine Bücher mehr, das ist ja alles im Internet griffbereit. Ich kann da, Image suchen, und gehe da rein und habe Holzbaufassade, habe ich sofort tausend Beispiele und dann suche ich mir da irgend eins heraus und mache natürlich noch immer etwas eigenes. Aber ist dann immer so ein Misch aus allem. Und das ist aber, finde ich jetzt, ein bisschen gefährlich für mich persönlich. Also, vieles ist dann willkürlich oder irgendwie auch oberflächlich. Und, aber nett und vieles ist auch gut gemacht und es gibt wahnsinnig viele tolle Architektur im Netz, also, ohne Zweifel. Und ich bin aber eher so, dass ich dann sehr viel klassische Bilder studiere, und eher so bei der Essenz bleibe. Warum waren die alten Dinger gut? Die kann man auch erst als erfahrener Architekt lesen, weil sonst, wenn man jung ist, liest man nur die Oberfläche und sagt: ist ja hässlich oder gefällt mir nicht. Wenn man nur noch in Grundrissen liest, dann oder die Qualitäten da eher noch, weil man ja dann auch ein tieferen Blick kriegt. Am Anfang, wenn man jung ist, hat man einen oberflächlichen Blick und ist natürlich auch mehr von diesen oberflächlichen Show-Effekten, sagen wir mal, begeistert. Ist ja auch wunderbar. Ist ja auch spielerisch, Architektur oder Innenarchitektur. Oder Philippe Starck war das Nonplusultra natürlich. Aber irgendwann ist man halt mal aus dem schönen Design-Schein, das hat man dann, glaube ich, hundert mal gemacht, und ich auch, habe meinen Philippe Starck gemacht, und irgendwann, dann hat man es gemacht und dann fängt man an, sich ein bisschen vielschichtiger zu interessieren. Dann interessiert einen auf einmal das Licht oder dann interessiert einen der Raum oder ein gewisser Zeitgeist aus den Siebziger oder ein gewissen Lebensgefühl. Und dann fängt man an ein bisschen zu recherchieren, das machen die Trendsetter ja auch, indem sie dann anfangen, diese ganze Retro-Sachen sind ja wahnsinnig in, und wenn man viele Entwürfe anschaut, gerade von der Schweizer Schule, die machen das ja sehr bewusst sozusagen, dass sie diese Strukturen aus den alten Zeit studieren und neu interpretieren. Weil wir eben auch in einer Zeit leben, wo gerade nicht so wahnsinnig viel neues entsteht, außer jetzt, sagen wir mal so, dieser Zaha-Hadid-Bereich. Also, da hat sich die Architektur sehr entwickelt, in der Innenarchitektur natürlich schneller. #00:22:32-3#


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jw: Die Sendung Traumhäuser hatte ich ja schon angesprochen. Das ist ja jetzt ein positives Beispiel, würde ich mal meinen. Wie sehen Sie sonst die Präsentation von Innenarchitektur oder auch Architektur in den Medien? #00:22:48-3#

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sml: Also, ich denke, da ist ein wahnsinnig starkes Interesse da. Und das kommt viel zu kurz. Also, die Traumhäuser waren ja eine wahnsinnig gefragte Sendung, die tausendmal wiederholt wird. #00:22:59-8#

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jw: Ja, aber Montag 14:00 Uhr. #00:23:01-2#

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jw: Also, der Wohnraum ist eher... #00:26:48-9#

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sml: Ja, wo ich halt alles machen kann. Der gebaute Raum, der Innenraum und der Außenraum, also, alle drei Sachen zusammen ergeben dann erst ein irgendwie richtig tolles Gesamtkunstwerk. #00:27:05-3#

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sml: Ja, oder Sonntag, die ist schon zu den verschiedensten Zeiten gelaufen und läuft immer wieder. #00:23:04-3#

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jw: Ja, zur Zeit läuft sie montags 14 Uhr. Das ist nicht so die Zeit. #00:23:08-0#

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sml: Ja, aber die Leute können es suchen, die Leute können es finden und komischerweise ist aber dann trotzdem, wenn dann eben so Pro Sieben oder irgendwelche Sender etwas machen, dann ist es immer so diese Promi- oder Selbsthilfe-Schiene, oder sonst wie irgendwie. Und ich glaube aber, eine gute Garten-Sendung oder eine gute Architektur-Sendungen, da traut sich keiner, nicht so richtig ran. Ist natürlich in meinem Bereich auch ein bisschen schwierig, da war schon die ein oder andere Anfrage, aber meine Bauherren haben natürlich keine Lust, da im Fernsehen aufzutreten. Und, aber prinzipiell finde ich das eigentlich sehr, eine sehr gute Art. Und im Internet müsste man halt jetzt auch, das ist ja auch wieder so, müsste man jetzt einfach Zeit investieren, um in allen Blogs und überall noch vertreten zu sein. Und irgendwann muss man ja auch mal sehen, also, wenn ich jetzt jung wäre, würde ich es natürlich so machen, dann muss man auch mit einem halben Pups, den man gelassen hat, den halt versuchen, so viel wie möglich aufzublähen, und wenn man mal Glück hat, dann kriegt man drei so kleine Furze zusammen und dann wird mal vielleicht mal wahrgenommen und wenn man schon mehr gebaut hat und erreicht hat, dann tut man sich da immer auch viel leichter. Und dann muss man auch nicht mehr, dann ist man nicht mehr so darauf angewiesen, jetzt jede Bewegung im Büro oder jede neue Baustelle oder Baustellenfotos oder, ich bin da immer ziemlich spießig, ich stelle immer nur die Sachen ins Netz, die auch fertig sind. #00:24:33-0#

jw: Ja, das stimmt, mit solchen Renderings kann man die Leute gut täuschen. #00:25:09-3# sml: Ja, es ist nicht täuschen, die sind ja auch gut, ich meine, die Qualität dieser Renderings und die Qualität dieser Architektur, die da gemacht ist, die ist ja wirklich richtig toll. Bloß, das Tolle ist halt einfach, so etwas gebaut zu kriegen. Und wenn der Bauherr dazwischen steht, und ich es immer noch so gebaut kriege, dann habe ich höchsten Respekt. Es ist irre leicht als Student so etwas hin zu klatschen, als virtuelle, virtuose Übung sozusagen, und meistens fehlt dem halt dann ein klein bisschen noch die Reibung, aber das ist jetzt gar nicht so schlimm. Sondern, es ist halt einfach leichter. Und so etwas gebaut zu kriegen, schaffen dann halt doch nicht so viele, scheinbar. Trotzdem, gerade für die Innenarchitektur finde ich das ein wahnsinnig spannendes Medium und die Innenarchitektur dreht sich auch viel schneller. Und die Innenarchitektur ist ja auch viel näher dran dann, also, jetzt nicht im privaten Wohnen, aber in den ganzen anderen Bereichen, Messe, Ausstellung, Shops, da ist ja mehr oder weniger die Virtualität und die Innenarchitektur ist ja keine Grenze mehr, das sollte ja im Prinzip, es gibt ja schon Oberflächen, die jetzt, sagen wir mal, digital bespielt werden, oder sich selbst bespielen, also, da gibt es die spannendsten Dinge, was, glaube ich, auch ein Feld ist, dann jetzt für reine Innenarchitekten. Und da bin ich jetzt auch so, dass mich das nicht mehr so interessiert. Also, früher haben wir sehr viel so Tonstudios und Arztpraxen und solche Dinge gemacht. Also, heute finde ich es ganz schön, vielleicht noch einmal ein Restaurant oder solche Sachen zu machen, aber es ist nicht mehr so, also, ich finde schon den gesamtheitlichen Ansatz eigentlich das Spannendere. #00:26:45-7#

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Was aber auch in Ordnung ist. Da fängt man dann an, dass man ein bisschen alt wird und sagt: das brauche ich nicht mehr. #00:25:02-0#

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jw: Ja, klar. #00:24:34-6#

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jw: Dann würde ich gerne zu meinem dritten Schwerpunkt kommen: da geht es um die Frauen. Wie viele Frauen arbeiten in Ihrem Büro? #00:27:11-4#

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sml: Nee, das machen die meisten nicht. Bei den meisten kann man gar nicht mehr erkennen, was ist gebaut, was ist virtuell. Die Fotos, die gemacht werden, werden auch noch komplett retuschiert, also, die sind auch schon fünf mal gemappt und gemorpht, also, da siehst du gar nichts mehr, eigentlich. Also, das ist nur noch der flotte Schein.

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sml: Gerade viele. #00:27:17-7#

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jw: Und was machen die? Wäre die zweite Frage. #00:27:20-7#

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sml: Also, wir hatten eine ganze Menge Innenarchitektinnen als Praktikanten. Und aber als eben Festangestellte

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haben wir Architektinnen. Und die machen, wie gesagt, das Projekt dann eben auch von A bis Z. Also, mit Bauleitung, mit Ausschreibung, mit... und, mei, ich glaube, für mich ist das gar nicht so ein Unterschied, ob Frau oder Mann, sondern entweder checkt es einer oder er checkt es nicht. Und, was Frauen vielleicht haben, das sie ganz gut organisieren können und vielleicht ein bisschen Multitasking sind, da können sie vielleicht eine höhere Komplexität verarbeiten. Und was Frauen vielleicht noch haben, dass sie nicht so dieses Alphatier-Männchen-Gehabe dauernd haben, und ich bin selber als Architekt jetzt auch nicht so der Alphatier-Architekt, weil ich mich eher als Dienstleister verstehe, ich setze mich schon durch, also, setze mich zu 90 Prozent eigentlich immer durch. Also, die letzten sieben, acht Häuser, würde ich nichts ändern, wenn ich selber einziehen würde, würde ich alles so, alles perfekt. Weil man es eben gemeinsam entwickelt mit dem Bauherren und wenn man jetzt Architekten hat, die sich dann irgendwie, ja wenn es dann irgendwie nur noch um Hierarchie geht oder so etwas gibt es bei uns im Büro alles gar nicht. Gut, es ist schon so, dass ich halt die Entwürfe mache und wenn man dann fragt, ob jemand mal einen Entwurf machen will, sagen sie: Nee, die wollen doch eh nur dich. Und dann mache ich das jetzt eigentlich auch meistens, aber, man bespricht es dann im Büro und lässt ein großes Maß an Freiheit und die machen das dann eigentlich alle so, wie, ich bin da auch offen, so lange es gut wird und wenn sie es verbessern, um so besser. Es darf nur nicht schlechter werden, oder, ich bin dann wie ein vorgezogener Bauherr, der sagt, wenn es mir nicht gefällt oder wenn es einfach, wo ich denke, das passt nicht. Dann muss man es eingrenzen, aber ansonsten läuft das eigentlich ganz gut. Und klar, Frauen werden irgendwann schwanger, das ist halt dann ein bisschen mühsam. #00:29:21-1#

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jw: Ja, genau, das wäre nämlich gleich die nächste Frage: wie erleben Sie Frauen in der Branche? Also, klar, das ist immer das Problem, das ist ja das Kernproblem. #00:29:30-0#

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jw: Ich weiß es auch nicht. #00:30:12-7#

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jw: Aber ja, das ist halt auch das Problem, dass in vielen Büros, es gang und gäbe ist, die Überstunden zu machen und das geht natürlich irgendwann, wenn Kinder im Spiel sind, kann man das nicht mehr unbedingt leisten. Es ist auch logisch, wenn das Projekt dem Ende entgegen geht, wenn beim Wettbewerb die Abgabefrist entgegen rennt, dann braucht es halt mal die paar Extrastunden, aber das ist halt nicht... #00:31:56-4# sml: Ja, bei uns ist es aber so, dass, glaube ich, mittlerweile sind wir jetzt ganz gut organisiert und da muss man jetzt nicht dauernd Überstunden, das bringt auch nichts.

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jw: Nein, eigentlich nicht. Aber es gibt so Büros, da ist das einfach so. #00:32:08-5#

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sml: Ob das dann wirklich immer besser ist, weiß ich nicht.

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sml: Also, in der Architektenbranche ist die, so mit 50 herum, sind scheinbar wenig Frauen übrig geblieben. Komischerweise. Vielleicht hängt es ein bisschen damit zusammen, dass der Architektenjob wahnsinnig stressig ist und als Angestellter, also, viele Frauen wagen vielleicht nicht den Schritt in die Selbstständigkeit. Da sind die Jungs scheinbar früher dran, einfach zu sagen: Mir wurscht, ich mach mich selbstständig. Und bleiben dann angestellt, und angestellt wird der Druck immer größer, oder man will ja dann auch aufsteigen oder wenn man mehr verdienen will, muss man ja auch aufsteigen und muss dann den Druck einfach aushalten. Und, also, ich, vielleicht liegt es daran, ich weiß es nicht. #00:30:12-2#

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sml: Oder sie sind einfach dann irgendwann, wenn der Druck so hoch ist, sind die Frauen einfach vernünftig genug und sagen: wozu soll ich mir das antun? Wenn ich einen Mann habe, der verdient oder wenn ich irgendwie das jetzt nicht brauche, dann muss ich es nicht. Und, aber es ist natürlich, sagen wir mal, mit einer der größten Faktoren, Erfolg zu haben, ist, glaube ich, die Aushaltefähigkeit. Und diesen Biss dann eben nicht, also, nicht zu verglühen, also, viele arbeiten ja wie verrückt, und arbeiten sich völlig auf und sind dann mit 45 durch, ausgebrannt und das Architektenleben geht halt einfach länger. Wenn es mit 60 erst losgeht, dann muss man schon vorher 30 Jahre mal bisschen mit den Kräften haushalten oder schauen, dass man auch wachsen kann und sich nicht immer nur ausbeutet. Und vielleicht sind Frauen dann nicht bereit ... na ja, es ist ja auch, gerade wenn Kinder noch dazukommen, also, ich könnte jetzt nicht als Selbstständiger so arbeiten, wie ich das tue, wenn ich mich um die Kinder kümmern müsste. Allein mental, von der Aufmerksamkeit schon nicht. Noch nicht mal von der Zeit, sondern auch von der mentalen Aufmerksamkeit her. Und das ist dann ein Punkt, warum dann Frauen eher mal sagen: ich kümmere mich auch ganz gerne um die Kinder. #00:31:30-4#

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jw: Na ja, es ist auf gar keinen Fall besser. Also, ich finde es nicht besser. Es tut der Gesundheit nichts Gutes, zu viele Überstunden zu machen. Würde Sie auch sagen, dass ein Design oder eine Gestaltung typisch weiblich sein kann?

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sml: Ja, absolut. #00:32:29-6#

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jw: Könnten Sie das auch? #00:32:30-4#

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sml: Ich bin eher eine Frau, als ein Mann. (lacht) Also,


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ich bin, ja, das ist so, wie Yin und Yang, wenn man das vergleicht, also, wenn ich mir jetzt den, also, weiblich männlich, es gibt diese berühmte Buch von Collage City von Colin Rowe, der beschreibt das so, als Hase- und IgelTypen. Und der Hase ist der Stratege, ist der Mies van der Rohe, der ein großes Projekt ordnet in Strukturen, der das ganze Spiel überblickt und setzt auf die andere Seite seine Frau, weil er halt Stratege ist. Und der Igel, das ist der Bricoleur, dem drückst du eine Türklinke in die Hand und er bastelt ein ganzes Haus daraus und der ist schnell und wendig, aber ist halt eine andere Art der Herangehensweise. Und es gibt jetzt, sagen wir mal, auch bei den Bildhauern, wenn ich jetzt so ein Henry Moore nehme, der sehr weibliche Bildhauerei oder sehr barocke, fließende Formen benutzt hat, das wäre für mich wie weibliche Architektur. Corbusier zum Beispiel ist auch so einer. Also, es geht, die weibliche Architektur ist vielleicht ein bisschen fließender, ein bisschen einfühlsamer, und muss nicht die große Geste haben. Ich konnte ja auch sagen, Versailles und asiatische Architektur, ja, also, es ist einfach... #00:33:52-4#

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jw: Und, wo ist dann Zaha Hadid? #00:33:54-5#

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sml: Hadid wäre für mich auch eindeutig weibliche Architektur. Weil die ist sehr, sehr fließend und sehr offen ist.

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jw: Stimmt, es hat nicht unbedingt etwas mit der Form zu tun, sondern eher mit der... #00:35:27-1#

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sml: Mit der Anmutung, oder mit der Atmosphäre, oder...

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jw: Oder mit der Reaktion auf die Umgebung. #00:35:34-5#

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sml: Also, bei Zumthor wüsste ich jetzt nicht mehr, ob er jetzt männliche oder weibliche Architektur ist. Da würde ich den Vergleich nicht anstellen wollen. #00:35:39-2#

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jw: Das ist schwierig, ja, stimmt. #00:35:42-8#

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sml: Aber, Oswald Matthias Ungers ist jetzt mal so das Paradebeispiel eines Alphatier-Macho-Architekten, männlichem Architekten. Da muss man sich dann noch quadratische Schuhe anziehen, wenn man in das Haus geht.

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jw: Aber, das stimmt, Zumthor finde ich ganz interessant, da muss ich noch ein bisschen darüber nachdenken, was ich von dem halte. Ich war gerade in der Kolumba in Köln dieses Jahr, und das war, also, ... #00:36:12-1#

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sml: Sehr schön, ja. #00:36:12-7#

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jw: Also, ich wäre eingezogen, fast. Aber irgendwann haben sie zugemacht und ich musste gehen. Ja, wunderbar.

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jw: Aber ist ja schon oft die große Geste, finde ich. #00:34:05-7#

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sml: Nee, glaube ich gar nicht so, sondern es ist schon, es ist eher, bei der Zaha Hadid ist es halt die große Geste ist ihre gesamte Herangehensweise. Also, das ist halt jetzt so, nur weil es so neu ist, wenn es jetzt ein paar mal alle machen, dann.. Also, jetzt ein Jürgen Mayer H. oder so, die machen es ja alle, oder die, das Porsche Museum, wie heißen die Österreicher, die... die kennen Sie doch, oder?

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jw: Ich kenne das Porsche Museum. #00:34:35-7#

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sml: In Amsterdam haben sie auch gerade so ein Ding gemacht, hätte auch von der Zaha Hadid sein können. Also, es ist so: es ist dann eher so die AA-Schule, und die AASchule ist, sagen wir mal, eher auch so ein bisschen eher androgyn, und ich würde das jetzt nicht so als männliche Schule bezeichnen, oder männliche Architektur. Also, Rogers Fosters vielleicht eher, Rogers vielleicht gar nicht so. Renzo Piano auch nicht unbedingt, also, es ist so, dann wird es irgendwann auch müßig. Aber, es gibt schon, wo man sagen kann männliche Architektur oder weibliche Architektur. Die ist vielleicht, man kann ein bisschen sagen, man kann auch von weicher und härter sprechen. Es gibt sehr harte Architektur und sehr weiche Architektur.

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sml: Ja, den mag ich auch sehr. Und der ist halt auch so einer, wenn man bei dem die Frage stellt, bei dem erübrigt sich die Frage eigentlich: was ist Innenarchitektur, was ist Architektur? Und trotzdem macht er ja wirklich von den Möbeln bis, er macht ja alles. Er macht halt nur nicht so viel rein, dass es sehr minimalistisch ist. #00:36:42-7# jw: Obwohl, ein ganz guter Innenarchitekt ist er nicht: die WC-Türen in der Kolumba gehen nicht mehr zu. Die sind so groß und schwer, dass sie schief in den Angeln hängen.

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sml: Ja, aber da kann ja er nichts dafür. Das hat ja nichts mit guter Architekt oder schlechter, war eine Scheiß Firma, die haben es nicht gelöst. Da kann ja er nichts dafür.

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jw: Nee? Er hat die großen Türen geplant. #00:37:06-1#

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sml: Dann sind sie halt falsch gebaut, da hat die Firma das irgendwie falsch gemacht. #00:37:09-5#

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jw: Ja, irgendwo ist der Fehler. #00:37:11-5#


Anhang: Interviews

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sml: Die Firma hätte halt sagen müssen: Geht nicht. Und dann hätte man eine andere Lösung gefunden, wie es geht. #00:37:14-0#

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jw: So geht es jedenfalls nicht. #00:37:17-1#

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sml: So geht es uns auch öfters, dass wir halt einfach sagen, man denkt, Dinge gehen und die gehen halt nicht. Aber wenn man nichts wagt, dann passiert einem halt so etwas nicht, wobei es dann auch trotzdem noch tausendmal passiert, weil am Bau gibt es nichts was nicht passiert.

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jw: Ja, das stimmt. Ich habe so eine kleine Bonusfrage, das ist ein Thema mit dem ich mich jetzt am Rande beschäftige, aber eigentlich haben Sie das auch schon, also, ich kann mir Ihre Antwort schon denken. Ich frage trotzdem. Welchen Einfluss meinen Sie hat der 3D-Druck auf Ihre Arbeit? Haben Sie darüber schon mal nachgedacht, ob es überhaupt in Frage kommt? #00:37:57-7#

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sml: Also, ich sehe jetzt, 3D-Druck meinen Sie, dass man Modelle druckt damit 3D? Oder, dass man alles 3D zeichnen muss? Oder was meinen Sie? #00:38:06-7#

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jw: Na ja, noch kann man Modelle drucken, aber irgendwann. Nein, also, nee nee, als Drucker. #00:38:12-7#

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sml: Als Drucker, der 3D-Drucker. #00:38:13-6#

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jw: Also, einfach, es gibt ja Leute, die eine neue industrielle Revolution ausrufen, weil die Menschen in der Lage sind, zuhause herzustellen, Dinge herzustellen, im Moment, klar, ist es noch irgendwie auf so eine ein Kubik, auf so eine kleine, aber ich meine, es gibt natürlich auch schon, es gibt schon größere Strukturen, es gibt schon Modelle oder Ideen, aus kleinen Teilen große Strukturen zu bauen. Es gibt Leute, die sagen, irgendwann drucken wir ganze Häuser, ganze große Strukturen. #00:38:50-1#

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Fassade irgendwelche 3D-Würstchen miteinander verknoten muss, weil es schön aussieht, es ist ja sensationelle Texturen, also, es gibt da so ganze Texturen-Jäger oder Material-Jäger, die haben nichts anderes zu tun, als sich um neue Hüllen zu kümmern. Und aber sehr oft bleibt es dann eben bei der Hülle stecken und das finde ich halt ein bisschen eindimensional. Und insofern bin ich da so relativ klassisch, ich will einfach schöne Räume machen, einen schönen Grundriss und einen guten Raumfluss und so wie beim Zumthor geht es um Atmosphären, dass man sich am Schluss halt irgendwie, sagen wir mal, dass man am Schluss das Leuchten in den Augen hat, weil man irgendwo da sein kann, was man jetzt als Architekt geschaffen hat. Und ... ich war jetzt in einem Hotel in .. wo war das, in Jugoslawien auf jeden Fall, in Istrien. Wie so ein weißer Dampfer, alles wirklich ultra-modern gemacht und auch die Deckenmuster waren, also, Lone heißt das, richtig toll. Und da waren die ganzen Deckenstrukturen waren, sagen wir mal, digitalisiert kreiert, also, irgendwelche, wie so ... digitale, wie heißen diese Streifen immer zum.. Barcodes, so ein bisschen, so quadratische Felder aus Barcodes, und es war witzig, lustig, war gut gemacht. Das war ein Hotel, das mich jetzt seit langem mal wieder, mich begeistert immer weniger, aber das hat mich jetzt seit langem mal wieder richtig begeistert. Und toll gemacht, aber nicht mein Ding halt einfach. #00:41:04-6# jw: Ja, also, Sie sind auch bei den traditionellen Materialien, könnte man jetzt sagen. Also, Stein und Holz ...

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sml: Ja, oder überhaupt jetzt ist es in der Architektur jetzt ja schon so, also, nicht nur vom Drucken her, sondern, die, viele Architektur wird kreiert durch, sagen wir mal, Computerberechnungen oder Computersimulation und das ist eigentlich ein Thema, was ich jetzt so ganz lustig finde, aber nicht, mich nicht betrifft. #00:39:08-7#

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jw: Nicht ernst zu nehmen? #00:39:08-2#

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sml: Nicht ernst nehmen, kann ich nicht sagen, es ist einfach nicht mein Ding. In dem, was ich tue, da, also, wenn ich einem privaten Bauherren erzähle: wir müssen jetzt hier, was weiß ich, irgendwie eine Fassade machen, dann würden wahrscheinlich 99 Prozent das ablehnen, wenn ich jetzt ein Jürgen Mayer H. bin und, was weiß ich, an der

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sml: Ja, ich bin da richtig der Architekten-Spießer, also, ich mag gern einen Stein, ein Holz, weiße Wände. Und ich will halt dafür ein atemberaubendes Dach, was auskragt so weit, wie es geht. Oder irgendwie, also, die Volumen, die Körper, die müssen, das muss eine spannende Komposition sein, aber jetzt da irgendwie, also, ich bin dann, je älter man wird, reduziert sich das mehr immer auf die Essenz. Man interessiert sich dann für das Japanische oder für einen Zumthor oder für Klassiker. Ein Louis Kahn oder Leute, die das, ein Barragán, zum Beispiel, der ist heute immer noch modern. Man sieht ja dann auch, wenn man, also, ich bin jetzt noch nicht so lange, aber seit ich studiert habe, sind es ungefähr 30 Jahre und damals war es die Postmoderne, Philippe Starck, da gab es sogar noch Sottsass, Memphis, gab es alles. Und davon ist heute nichts mehr übrig, es ist ein bisschen, in der ein oder anderen Versteigerung werden heute wieder Memphis-Teile gehandelt, ganz lustig, so als Eyecatcher, aber der Spirit, der ist einfach vergangen. Und was ist übrig geblieben davon, also, in der Architektur schon einmal gar nichts und in der Innenarchitektur so ein bisschen. #00:42:19-6# jw: Das hatte ich gerade in einem Seminar, das Thema, da hatte ich mit einer Studentin zusammengearbeitet, die hat


Anhang: Interviews

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sich ausschließlich lustig gemacht, das war ein bisschen hart. #00:42:30-8# sml: Ja, es ist so ungefähr, wie sie sich da lustig macht, so mache ich mich über die heutigen Dinge lustig, weil ich, die sind mir einfach fremd, Memphis war damals spielerisch, war lustig, und ich habe mir auch ein paar Memphis-Möbel gebaut. Und jeder hatte Spaß dran. Und so haben die halt heute Spaß mit ihren 3D-Modellen und mit, was weiß ich wie. Und also, wenn man ins Netz guckt, da sind ja, also, ich muss ja nur in ein paar von diesen Plattformen gehen, dezeen architecture zum Beispiel, da ist ein Ding besser als das andere, so ungefähr. Und insgesamt schadet es ja auch nichts, wenn die Architekturqualität dann sozusagen .. insgesamt dann auch verbessert wird, und .. für die Jungen ist es natürlich vielleicht auch leichter, sich selbst, sagen wir mal, zu präsentieren, weil der Laie sieht ja gar nicht mehr, ist das jetzt 3D oder nur animiert, oder hat er es jetzt wirklich gebaut, kann eine imposante Internetseite aufbauen, ohne das irgendwie alles, und habe vielleicht gerade erst einmal zwei Sachen gebaut. #00:43:25-7#

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jw: Ja, ja, das fällt auf. #00:43:27-5#

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sml: Ja, das ist ja auch ein Glücksfall, wenn man jung ist, und vielleicht kriegt man dann einen richtigen Auftrag. Das meiste muss man dann eben auch umsetzen, und da wird es dann, manche schaffen das ja auch wunderbar, gab es ja auch damals schon. Der Gerkan hat sich, glaube ich, auch als junger Architekt selbstständig gemacht. Manche brauchen dann ein bisschen länger und da soll jeder Weg, eben, das ist ja das schöne, jeder Weg ist individuell und verschieden. Und als Innenarchitekt ist es eigentlich noch leichter, weil man nicht so viel Komplexität und nicht so viel Verantwortung zu verarbeiten hat, man muss halt erst einmal in Aufträge kriegen. #00:44:01-1#

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jw: Na ja, gut, aber die sind halt, kommen schneller mal auf den Punkt mit einem Auftrag. Also, der ist einfach schneller bearbeitet und abgewickelt. Ja, eben nicht so komplex und nicht so oft auf der Kippe, wie die großen Architekturprojekte. Stimmt. Ja, das waren meine Fragen an Sie. Vielen Dank. #00:44:22-2#


Anhang: Interviews

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Interview mit cr männlich, München, Innenarchitekt und Ausstellungsgestalter

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jw: Ja, dann fangen wir einfach noch einmal von vorne an. Macht ja nichts. Die erste Frage war: was steht auf Ihrer Visitenkarte? Wahrscheinlich das gleiche wie beim Herrn S., als Berufsbezeichnung. #00:02:50-5#

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cr: Diplom Ingenieur FH Innenarchitekt. #00:02:53-3#

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jw: Genau. Haben Sie die gleiche Ausbildung gemacht?

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cr: Ja, genau, wir haben uns auch dort kennengelernt. Bei der, im Studium. #00:03:00-0#

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jw: Wo haben Sie studiert? #00:03:02-1#

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cr: In Rosenheim. #00:03:03-5#

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jw: Ach so, nahe liegend. Wie kamen Sie auf die Idee?

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jw: Und sind Sie dann auch noch in anderen Feldern tätig? Oder ist das nur die Ausstellungsgestaltung? Also, ich habe jetzt gerade schon das Buch angeschaut. #00:04:50-3# cr: Ja, ich glaube, Sie haben unser Portfolio angeschaut, also, da ist ja, also natürlich, Ausstellungsgestaltung, Museumsgestaltung ist unser Hauptdomäne und ich meine, beim ägyptischen Museum haben wir jetzt von der Depotwerkstattausstattung so die mehr oder minder klassischen Innenarchitektenaufgaben: Bürogestaltung, Verwaltungsbereiche, aber eben hauptsächlich auch die Ausstellung und Mediendesign bis hin zu Eintrittskarte und zur Außenwandbeschriftung und so weiter eigentlich alles gemacht, was zu einem Museum dazu gehört. Daher ja auch unser Name. #00:05:30-5# jw: An welcher Stelle kommen Sie denn meistens zu den Projekten? #00:05:32-7#

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cr: Ich habe vorher Fahrzeugtechnik studiert und habe ein Praktikum bei BMW gemacht. Habe festgestellt, dass ein Fahrzeugtechnikingenieur drei Monate an einem Blech herum entwickelt hat und dann immer noch nicht fertig war. Und habe dann festgestellt, dass ich auch ein gestalterisches Händchen ja eigentlich hätte. Und ich mir auch mal überlegt habe, Industriedesign zu studieren. Und dann habe ich beschlossen, dass Fahrzeugtechnik nicht unbedingt das ist, wo man mal ein ganzes Projekt fertig machen kann. Und dann kam die Innenarchitektur für mich in Frage. Ich weiß, ehrlich gesagt, gar nicht, warum ausgerechnet Innenarchitektur, weil es dann doch eher mehr Design ist als Architektur selbst. Aber das hat sich dann entsprechend ergeben. #00:03:59-7#

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jw: Und wie kam dann der Fokus auf die Ausstellungsgestaltung? #00:04:03-7#

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cr: Ich habe im Studium festgestellt, wenn ich jemandem etwas erklären kann, nein, wenn ich etwas verstanden habe, dann kann ich es auch jemandem erklären, und es versteht derjenige. Und das war eigentlich der Grund, warum ich in die Richtung gegangen bin. Und habe dann irgendwann plötzlich und unerwartet ein Büro getroffen, dass das macht und habe da dann zwei, drei Jahre gearbeitet. Fand das ganz interessant und bin in der Ecke geblieben. Und der Herr S., mein Kompagnon, ist ja, kommt ursprünglich von den ersten Jahren Berufserfahrung aus dem Messebau und das hat sich dann eigentlich ganz gut ergeben. #00:04:43-7#

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cr: Leider zu spät. Ja, meistens steht die Hülle schon, und die Hülle ist nicht immer unbedingt für den Inhalt geeignet. Und hier war es, Gott sei dank, anders, beim ägyptischen Museum, da, das kenne ich im Prinzip von den Steinen unter dem Fundament. Also, das ist, da waren wir ganz früh dabei, war auch gut, weil man die Inhalte dann eben entsprechend in die Räume hat integrieren können. Und die Inhalte die Räume eher bestimmen, als, sagen wir mal, der Entwurfsgedanke von einem Architekten, der vielleicht nichts mit dem Inhalt zu tun hat. Klassisches Beispiel, wo es richtig, also, da ist es gut gegangen, klassisches Beispiel, wo es definitiv total in die Hosen gegangen ist, ist das Haus der Geschichte in Bonn. Das ist als TageslichtLichtdecken-Museum, Kunstmuseum irgendetwas geplant worden mit unglaublich aufwendiger Lichtdecke und dann wurden Objekte eingebracht, die nur 50 Lux aushalten und dann hat man die ganze Lichtdecke zugehängt. Oder Vitrinen gebaut, die mit schwarzer Folie beklebt sind, damit die erste Bundesfahne nicht vergilbt. Also, das ist leider die Erfahrung, dass wir häufig sehr, sehr spät reinkommen. Mittlerweile hat sich das ein bisschen geändert, vor allem bei den Kunden, die wir länger haben, deswegen auch die Terminverschiebung gestern, weil ich bei einem Kunden in Baden-Württemberg war und die haben jetzt mittlerweile schon verstanden, uns zu fragen, bevor der erste Stein gesetzt wird. #00:07:11-1# jw: Ok, super. Also, ich habe, das ist jetzt, die Frage stelle ich in den Interviews immer, eigentlich weiß ich es bei Ihnen jetzt schon, weil Sie es auf der Webseite schon aufgeschlüsselt haben, wie Ihre Bürostruktur ist? Aber, vielleicht frage ich einfach: warum ist die Bürostruktur so, wie sie


Anhang: Interviews

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ist? Weil sie ist, ich meine, schon: Historiker... #00:07:31-5#

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cr: Viel zu wenig. Weil einfach schlichtweg die Zeit dazu fehlt oder man sich die Zeit nicht nimmt. Medien, natürlich, ganz der klassische Internetauftritt, den braucht man halt heutzutage als im Prinzip digitalen Prospekt. Geht noch ein bisschen weiter, es gibt auch einen kleinen Servicebereich, wo man sich als Museumsmitarbeiter auch das ein oder andere Hilfsmittel herunterladen kann. Aber ansonsten viel zu wenig. #00:10:51-9#

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jw: Was würden Sie gerne mehr machen? #00:10:54-0#

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cr: Öffentlichkeitsarbeit. #00:10:57-6#

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jw: Klassisch, jetzt... also, ich meine, es gibt ja viele Büros, die sich um Veröffentlichungen bemühen. #00:11:02-4#

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cr: Genau, machen wir viel zu wenig. #00:11:03-4#

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jw: In Büchern und Zeitschriften. #00:11:04-8#

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cr: Genau, solche Dinge. Also, wäre sicher schön. Meine Mutter ist Buchautorin, hat, glaube ich, schon fünf oder sechs Bücher über Floristik geschrieben. Könnte mir ein Beispiel nehmen, tue es aber nicht. Weil dann doch irgendwo das operative Geschäft eher im Vordergrund steht. Wir sind froh, dass wir das Büchlein da zusammen gekriegt haben (lacht). #00:11:22-8#

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jw: Könnten Sie sich vorstellen, einen Blog zu führen?

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cr: Ja, wie gesagt, die Werft deswegen, weil man bei uns im Prinzip ein Museum bestellten kann. Und dazu muss halt eben alle Fachdisziplinen unter einem Hut haben. Und ähnlich wie Sie ja eben bei einer Werft ein ganzes Schiff bestellen und nicht irgendwo die Heizung und da den Motor und dann die Hülle oder das Interieur, so kann man eben bei uns, zwar eben nur auf die Planungsleistung bezogen, aber bei uns im Prinzip ein Museum bestellen, bis es fertig ist. Und wir stellen halt häufig fest, eben um gerade noch einmal auf die vorherige Frage zurückkommend, dass ganz häufig zwischen Inhalt und Bau ein Übersetzer fehlt. Der also beide Sprachen spricht und das haben wir als, für uns als Qualifikation festgestellt, dass wir also sowohl mit dem Bau, also auch sei es Hochbauämter oder dergleichen sprechen können, aber genauso eben auch mit einem, ich komme gerade von einem Gespräch, wie gesagt, mit zwei Qataris, die über contemporary art philosophieren und mit der Direktion überlegen, welche Objekte immer in die Dauerausstellung integrieren und welchen intellektuellen Zusammenhang zu den Objekten aus der Dauerausstellung da ist und dann muss man aber auf der anderen Seite auch noch bauen und da liegen irgendwo Welten dazwischen, im Vokabular selbst. Und deswegen haben wir eine sehr breit aufgestellte Bürostruktur. #00:09:07-6# jw: Wie erklären Sie der Großtante, die keine Ahnung hat von Design und Innenarchitektur, was Innenarchitektur ist? #00:09:16-4# cr: Hm, ich erkläre es eigentlich gar nicht. Ja, das ist bei uns vielleicht ein bisschen ein anderer Ansatz, weil wir nicht die klassische Innenarchitektur machen, sondern wir sagen ja: das Wesen der Dinge begreifbar machen. Also, ich erkläre meiner Großtante oder meiner Uroma auf die Frage, was ich mache, das so, ich sage: ich mache das, dass du in den Raum reingehst, durch den Raum durchgehst und hinten mehr weißt, als du vorher gewusst hast. Und alle Mittel, die man dafür braucht, die haben wir auf unserer Klaviatur und die wenden wir an. Das ist einfach ein bisschen anders als normale Innenarchitektur. #00:09:54-2#

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jw: Gut, dann erklärt es sich leichter, aber das stimmt. Das ist nicht schlecht. Das zweite Themenfeld, was ich bearbeite, beschäftigt sich mit den Medien. Wie nutzen Sie die Medien, um sich zu präsentieren? #00:10:09-8#

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cr: Um uns zu präsentieren, oder die Inhalte zu präsentieren? #00:10:12-9#

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jw: Ja, das stimmt. Das ist schade. Ok, wie nutzen Sie die

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jw: Beides... ach so, die Inhalte. Gut, jetzt haben Sie natürlich diese Ausstellungen. Wir fangen erst einmal mit dem Büro an sich an. #00:10:21-0#

jw: Wie kommen die Leute auf Sie zu, die jetzt das Museum bestellen? #00:11:55-2# cr: Ganz unterschiedlich. Wir haben sehr viele langjährige Kunden, die immer wieder kommen. Deutsches Museum, beispielsweise. Aber eben auch öffentliche Ausschreibungen. Aber, die öffentliche Ausschreibung an sich ist ... na ja, da werden tolle Sache vergeben, aber zu Konditionen, die könnten wir dann, da kann man sich überlegen, ob man sich an die Isar setzt oder ob man arbeitet, und dann kann man vielleicht doch auch mal sagen, man setzt sich lieber an die Isar. Hat man mehr davon. #00:12:31-5#

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cr: Haben wir schon überlegt, aber das ist halt auch wahnsinnig viel Arbeit und auch genauso eine Facebook-Seite oder irgend so etwas, da kann ich einen hierher setzen, der macht nichts anderes. Und dann muss ich sagen, wir sind schon zehn Leute, zwölf Leute, wir haben gar keinen Platz mehr. Also, noch mehr Arbeit könnten wir im Moment eigentlich auch nicht vertragen. Es geht dann auch nicht mehr, weil die Struktur dann wiederum dafür nicht vorgesehen ist. #00:11:51-6#

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Medien für Ihre Arbeit, für den Entwurf? #00:12:39-4#

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jw: Ja, alles, neu und alt. #00:15:37-7#

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cr: Meinen Sie zur Präsentation? Oder dann tatsächlich im Entwurf? #00:12:43-7#

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jw: Im Entwurf. #00:12:43-9#

cr: Also, wenn es jetzt um irgendein Thema geht. Wir haben jetzt einen Wettbewerb gemacht über eine mittelalterliche Burg, da kauft man sich mal das „Was ist was - Das Mittelalter“. Ja, weil wir da halt eben vom Inhaltlichen heran gehen. Um eben das Wesen der Dinge begreifbar zu machen, muss man halt auch erst einmal das Wesen selber erkennen und dann kommen einem die Inspirationen und die Ideen dazu. #00:16:02-0#

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cr: So viel wie nötig, so wenig wie möglich. Und aber gezielt eingesetzt. Also, es hat vor ein paar Jahren so eine Entwicklung gegeben, dass also jeder irgendwo einen Bildschirm haben musste. Weil man halt einen Bildschirm hat, ohne auch nur im Ansatz eine Ahnung zu haben, was auf den Bildschirm laufen soll und wer den Inhalt produziert und zum Schluss hat die Zahnarzthelferin dann ihre eigene Powerpoint gemacht und am besten alle möglichen Übergänge, die so machbar sind mit Powerpoint ausgenutzt, um es möglichst interessant zu machen. Davon kann ich unseren Kunden immer nur abraten, das bringt gar nichts. Auf der anderen Seite setze ich es natürlich sehr gerne ein für Dinge, die man so vielleicht noch nicht erwartet hat. Beispielsweise im ägyptischen Museum haben wir jetzt ein acht Meter langes Totenbuch. Und es ist eins zu eins für jeden Besucher lesbar, eben durch eine Medieninstallation, also da gibt es einen ganz stinknormalen 19-ZollMonitor, man kann den aber auf einem Schlitten unter diesem Totenbuch entlang fahren und an jeder Stelle jede Übersetzung lesen, inklusive Interpretation durch den Ägyptologen. Das ist etwas, was es so sicherlich, glaube ich, also ich kenne keins irgendwo anders auf der Welt. Das ist nicht wahnsinnig, wie soll ich sagen, also, einen 19-ZollMonitor, Touch, das kennt man und so einen Schlitten verschieben kennt man auch, aber die Kombination hat sich halt in dem Fall aufgedrängt. Also nur da, wo es wirklich, Marketing-Deutsch: einen Mehrwert bringt. Aber nicht um seiner selbst willen, das definitiv nicht. Und auch gerne aus dem Blickfeld heraus. Oder halt, wenn man sagt, ins Blickfeld hinein, wenn es eine bestimmte inhaltliche Begründung dafür gibt. Also, wir haben beispielsweise einen Raum, also ich spreche davon, weil das halt gerade aktuell ist, der heißt Schrift und Text. Und Schrift und Text ist halt im alten Ägypten natürlich einfach auf der einen Seite etwas Wesentliches, auf der anderen Seite etwas noch sehr Abstraktes, weil es halt auch keiner lesen kann. Und um den Zugang für den Besucher etwas zu vereinfachen, haben wir da eine sehr große Medieninstallation gemacht, die dann eben auch auf diesen, sagen wir mal, abstrakten Ansatz hinweist. #00:15:14-1#

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jw: Wie nutzen Sie die Medien, also, als Inspirationsquelle für Ihren Entwurf? #00:15:22-5#

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cr: Also, das Gespräch mit Kollegen ist mir wichtiger. Also, wenn hier im Team heiß diskutiert wird, dann ist mir das wichtiger. Aber, die Medien, also da zählt natürlich viel dazu. #00:15:36-7#

jw: Wie nehmen Sie die Präsentation von Innenarchitektur in den Medien wahr? Was halten Sie davon? #00:16:51-1#

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jw: Das stimmt. #00:17:34-6#

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cr: Also, sie wird, also, Ausstellungsgestaltung an sich, wenn man eine Eröffnung hat, die, wo bei uns jetzt auch am Freitag wieder eine ansteht, da ist, gut, am Freitag wird man wahrscheinlich schon, das ist ein Stadtmuseum aus der näheren Umgebung, und da wird man wahrscheinlich schon von uns etwas hören, weil wir auch im Stadtrat sehr häufig das gezeigt haben, das Projekt, aber in den aller allermeisten, gerade mal der Architekt genannt, aber der Innenarchitekt oder Ausstellungsgestalter interessiert keinen, das ist halt da. Und wenn es um die Ausstellung geht, dann geht es in den aller allermeisten Fällen um die

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cr: Ist mir ehrlich gesagt relativ wurscht. Weil, das muss nicht heißen, dass das etwas aktuell in der Ausstellungsgestaltung gerade gemacht wird, für das jeweilige Thema auch das richtige ist. Ich gehe also auch bewusst oder unbewusst, ich weiß es nicht, relativ wenig in Ausstellungen. Weil es auch unangenehm ist, glaube ich, mit mir in Ausstellungen zu gehen, weil ich immer irgendwie an einer Ecke hängen bleibe: da unten, wie hat der das da gemacht, und so. Also, das ... ist schwierig, glaube ich. #00:16:42-1#

cr: Ich habe sie eigentlich immer relativ unterbewertet gefunden, war aber bei der Eröffnung des ägyptischen Museums sehr positiv von der Süddeutschen überrascht, die haben auf der Titelseite genau zwei Sätze gehabt: Tolle Sammlung, hervorragende Innenarchitektur. Wo ich mir gedacht habe: ö ha, ist ja mal etwas ganz etwas neues. Aber auch in Fachblättern, AIT oder so etwas wird zwar das ägyptische Museum beispielsweise vorgestellt, aber unter dem Architekten und das finde ich natürlich total daneben, weil da hat man jetzt sechs Jahre lang hingearbeitet und dann, in der eigenen Fachzeitschrift sozusagen, ist es dann eben nicht bewertet, das finde ich schon sehr, sehr merkwürdig. #00:17:34-6#

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jw: Also, Sie schauen jetzt weniger: was ist aktuell in der Ausstellungsgestaltung? #00:16:07-4#

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Sammlung und weniger um die Ausstellungsarchitektur.

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jw: Und, in den, also jetzt mal fernab von den Fachmedien, sondern in den Medien fürs Volk, sage ich jetzt mal.

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wann mal einen Schraubenschlüssel in der Hand gehabt haben, oder irgendetwas in der Richtung. Und da ist halt einfach die Erfahrung, dass das bei Frauen relativ weniger ist, als bei Männern. Wenn jemand die Erfahrung gemacht hat, dann sehe ich keinen Unterschied. #00:21:24-5#

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cr: Ja, wie gesagt, ich war erstaunt über die... #00:18:30-9#

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jw: Ja, gut, in der Süddeutschen. #00:18:32-9#

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cr: Die Süddeutsche, das hat mich auch sehr gefreut, muss ich sagen. Aber auch da ist, wie gesagt, die Berichterstattung in 90 Prozent ohne einen Innenarchitekten oder einen Ausstellungsgestalter zu erwähnen, das finde ich sehr schade. (...) Bei der Eröffnung hat mich der Herr Seehofer gefragt, ob denn die Direktorin alles selber entschieden hat, und dann habe ich gesagt: Wissen Sie, das ist so wie, das ist so, man muss dem Auftraggeber immer den Eindruck geben, als hätte er alles selber entschieden. Er hat daraufhin gesagt: Ah, das ist wie beim Wahlvolk, man muss ihm auch immer nur den Eindruck geben, als hätte es alles selbst entschieden. Der hat es verstanden. (lacht) Ob ich da jetzt ganz seiner Meinung bin, sei mal dahingestellt, aber für die Ausstellungsgestaltung trifft das sicher zu. #00:19:28-6#

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jw: Wie viele Frauen arbeiten in Ihrem Büro und was machen die? Ungefähr. #00:19:33-0#

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cr: Also, ich glaube, acht zu zwei. Also, acht Frauen und zwei Männer, oder drei Männer. Wird sich jetzt auch irgendwann mal wieder ändern, aber wir haben schon Frauenüberschuss und da gibt es aber bei uns auch keinen Unterschied zwischen Mann und Frau, also, das Museum, das jetzt am Freitag eröffnet wird, das hat Projektleitung eine Frau gemacht, das ägyptische Museum hat ein Mann gemacht. Und es ist je nach dem, was jeder kann. Nur danach wird da geurteilt. Es hat ja beispielsweise eine Frau bei uns auf der Baustelle für das ägyptische Museum die Bauleitung gemacht. Die kann es, mit anderen Mitteln wie ich, sicher, aber sie kann es. #00:20:23-7#

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jw: Wie sehen Sie Frauen in der Branche, im Allgemeinen?

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cr: Wie sehe ich Frauen in der Branche... Ich mache da keinen Unterschied. Es ist sicher so, dass jemand, der eine praktische Ausbildung hat in irgendeiner Art und Weise sich in dem Beruf sicherlich leichter tut. Speziell, wenn es um das Projektmanagement und um die Umsetzung geht. Wir haben ja hier im Büro sozusagen zwei Standbeine, der Herr S., mit dem Sie vorher gesprochen hatten, der ist für das Design zuständig und ich bin für Projektleitung zuständig. Wer in der Projektleitung bestehen will, muss irgend-

cr: Also, ich bin absolut auf Gleichberechtigung erzogen worden und ich mache mir darüber keine Gedanken, weil ich einfach sage: entweder es passt oder es passt nicht. Und dann ist mir egal, wo es herkommt. #00:21:54-0# jw: Ok, das ist doch wunderbar. Das will ich ja hören. Na ja, es gibt ja kein richtig oder falsch, so eine Frage zu beantworten, ich finde es einfach nur interessant, was man so, wie so die Sicht ist. Ich habe noch ein kleines Bonusthema, mit dem ich mich so am Rande mit beschäftige, wo ich mal schaue, was da so geht. Und zwar: was meinen Sie welchen Einfluss das Rapid Prototyping beziehungsweise der 3D-Druck auf Ihre Arbeit haben wird oder hat? #00:22:29-9# cr: Also, ich habe einen Bekannten, der hat so einen Drucker bei sich in der Firma stehen. Wir könnten den jederzeit nutzen, tun es nicht. Ja, weil auch kein wirklicher Grund dafür da ist. Also, wir machen kein Design, das auf, sagen wir mal, 20 auf 20 Zentimeter passt, was so meistens dieses Druckbereich ist von diesen Druckern. Insofern habe ich mir eher überlegt, ob ich mir mal ein (unv.) ausdrucken lasse für Motorradstiefel, aber ansonsten, eher weniger.

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jw: Gut. Inwieweit finden Sie, dass man ein Design oder eine Gestaltung als typisch weiblich bezeichnen kann? (…) Sie können auch nein sagen. #00:21:37-6#

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jw: Und wenn die Drucker irgendwann größer werden und größere Objekte können? #00:23:13-2# cr: Das ist immer eine Frage des Geldes. Was so etwas kostet. Diese Druckpatronen sind auch nicht geschenkt. Und ich sage jetzt mal, in der Innenarchitektur, wenn es um drei Platten geht, die man zusammen schraubt, dann ist man mit einem Schreiner, der da mit der Dispersionsfarbe drüber geht ähnlich rapid prototyping-mäßig unterwegs wie mit einem 3D-Drucker. Ja. #00:23:42-9# jw: Also sehen Sie noch keine Relevanz, sich damit zu beschäftigen. #00:23:46-3# cr: Also für die Ausstellungsgestaltung kaum. Wüsste ich jetzt nicht wie. Es ist in vielen Fällen ja so, dass, einzig für den Modellbau könnte ich es mir vorstellen, aber wir machen fast keine Modelle. Auch weil das Thema einfach viel zu abstrakt ist, da wird der Entwurf weniger über das Modell verkauft, nicht im Sinne von verkaufen, sondern


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freigegeben oder angenommen, sondern eigentlich auf Vertrauen. Also, da ist jetzt weniger da, was ich in der Hand habe und vorweise, sondern, ob ich dem Kunden vermitteln kann, dass ich es kann. Und das ich voll hinter dem stehe, das ist wesentlich wichtiger als ein Modell, und deswegen fällt es auch im Großen und Ganzen unter den Tisch, weil auch der Kunde keine Modell bezahlen will. #00:24:38-1# jw: Wie beschäftigen Sie sich mit so, mit innovativen Materialien und Herstellungsprozessen? Also, ich kann mir vorstellen, dass das in der Ausstellungsgestaltung vielleicht noch eine höhere Relevanz, als im häusliche Umfeld hat. #00:24:54-9#

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Fall: Liebes Museum, schau... #00:26:39-2#

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jw: Gab es da Überraschungen schon von Materialien, die man... #00:26:42-3#

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cr: Ja, es gibt, klar, ansonsten wäre wir ja nicht da. #00:26:44-5#

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jw: Wo man denkt, die sind unbedenklich und dann...

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cr: Ja, also, auch ich, also, das ist ja ein ganz wildes Thema im Museum, weil jeder eine andere Auffassung hat. Also, so wie es denjenigen gibt, der das Auto nur mit der Hand und mit dem Schwamm wäscht, weil er sagt: in der Waschstraße geht alles kaputt. Und der andere sagt: dafür hat er gar keine Zeit, da fahren wir durch, das ist mir wurscht, also, so lang hebt es noch. Gibt es auch im Museum von A bis B, also von A bis Z eigentlich alles, was auf der Skala da ist. Und insofern, da sagt der eine ein Zweikomponentenlack ist ganz toll, weil er keine Ausdünstungen hat, wenn es abgebunden hat, das ist in der Theorie richtig, in der Praxis hat er noch Ausdünstungen, insbesondere, wenn man ihn in einen dichten Raum hineinsetzt, also, in eine Vitrine beispielsweise. Und, da sagt halt der andere: das geht gar nicht. Aber nach wie vor wird beides gemacht, und beides für richtig befunden. Wenn man nämlich beispielsweise eine Vitrine hat, die permanent durchlüftet ist, was auch geht. Also, da gibt es keine Wahrheit und deswegen muss man sich mit dem Thema beschäftigen, dem Kunden umfassend dazu beraten und dann kann er überlegen, ich möchte lieber A, also Handwäsche oder Waschstraße. #00:28:00-7#

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jw: Ok, ja, das war es schon. #00:28:03-4#

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cr: Das ging ja schnell. #00:28:06-8#

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jw: Ja, Sie haben so präzise geantwortet. #00:28:07-8#

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cr: Tja. #00:28:07-8#

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cr: Ja, also, wir versuchen natürlich über intelligenten Materialeinsatz, auch was Wiederverwertbarkeit und dergleichen betrifft, auch eine gewissen Nachhaltigkeit in den Entwurf hineinzubringen. Also beispielsweise haben wir ein Museum, das wir fast nur mir Stahl, Glas, Stein und Tombak, also einer Messinglegierung, gemacht haben, weil das auch länger stehen bleiben soll. Und da war halt einfach der Gedanke, diese Materialien altern und gehen nicht kaputt. Und das war halt für uns im Prinzip sehr wichtig, weil, wenn man nach drei Monaten oder vier Monaten schon die ersten Kratzer hat und dann feststellt, dass das jetzt nicht mehr ganz so ideal aussieht, dann hat man mit der Materialwahl nicht besonders nachhaltig überlegt, sondern, da ist man dann vielleicht auf dem falschen Weg unterwegs. Und in der Hinsicht werden moderne Materialien bei uns darauf hin geprüft, also, was wir gern verwenden ist Corian, weil, das kann man dann wieder auspolieren und dann funktioniert es wieder so, wie es sein soll. Also, es hat für mich schon sehr viel Sinn so etwas. Auch beschäftigen wir uns mit der Ausdünstung, mit dem Schadstoffgehalt von Materialien. Zum einen natürlich wegen der Besucher, aber auch wegen der Objekte, also im restauratorischen Bereich. Und ja, das ist, also, da gibt es bis hin zu Laboruntersuchungen, ob die jenes oder welches ausdünsten oder nicht oder wie oder was, die entsprechenden Protokolle haben wir dann auch, müssen wir auch vorhalten, oder wollen wir dann auch vorhalten, in so einem

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Interview mit js weiblich, München, Innenarchitektin

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jw: Meine erste Frage ist immer: was steht auf Ihrer Visitenkarte? #00:00:08-0#

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js: Mein Name... #00:00:10-2#

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jw: Und als Berufsbezeichnung? #00:00:11-0#

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js: Innenarchitektin. Ja. #00:00:14-4#

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jw: Diplom Ingenieur, wahrscheinlich. #00:00:16-1#

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js: Diplom Ingenieurin Innenarchitektur FH Innenarchitektin. Damit das klar ist, dass ich Kammermitglied bin, sonst wäre es mit eigentlich egal, aber das Diplom Ingenieur ist ja auch nicht unwichtig, gerade, wenn man auf dem Bau ist. Das ist ja jetzt nicht mehr so, gibt es ja nicht mehr. Ich finde das eigentlich, bin ich ja eigentlich noch heilfroh, dass ich einen habe. Denn, na gut, man outet sich auch manchmal als nicht unbedingt immer ingenieurwissenschaftlich Wissender, aber grundsätzlich ist das nicht schlecht. Außerdem ist man, hat man das ja auch gelernt. Gibt genug Fächer, die wir dazu berührt haben. #00:00:59-7#

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jw: Wie sind Sie dahin gekommen? #00:01:01-1#

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js: Wohin? #00:01:01-7#

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jw: An diesen, zu diesem Titel? #00:01:03-6#

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js: Ach so, in Rosenheim. Ich habe in Rosenheim studiert.

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habe da fertig studiert, habe auch mit Brüchen. Also, ich habe in New York mein Praktikum gemacht, das war schön und habe hier bei meinem Professor, dem Herrn Schmidhuber immer als studentische Hilfskraft gearbeitet und bin dann auch dort direkt eingestiegen. #00:02:30-8#

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jw: Und jetzt sind Sie in direkter Nachbarschaft. #00:02:32-2#

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js: Ja, nein, das ist nicht mein Professor. Das ist lustig. Das ist der Florian Schmidhuber, ist der Sohn von meinem Professor. Und ich habe dann noch einmal nach meiner Zeit bei Schmidhuber und Partner, bin ich auch noch einmal ein Jahr in die Berge gegangen. Ich will es jetzt nicht Sinnkrise nennen, aber ich habe, ich brauchte mal etwas anderes. Und dann bin ich nach München zurückgekehrt und die Frau V., meine Partnerin hier, hat bei den beiden gearbeitet und sie brauchten mich gerade und dann bin ich da mit eingestiegen. Dann haben wir da zusammen zwei Jahre gearbeitet und haben uns dann selbstständig gemacht. Und jetzt haben wir uns wieder gefunden und sitzen hier mit offenen Türen. Ich zeige es Ihnen nachher gleich noch einmal. Das ist ganz schön, das sind Architekten, die sind dann auch sehr architektonisch geworden und hatten da auch nicht wirklich mehr einen Platz für uns Innenarchitekten. Das war gerade da eine Zeit, da waren die mit ihrem Büro im Umschwung und wir passten da nicht so hinein, hatten aber die Möglichkeit irgendwie anders abzuspringen und dann war das ganz schön. Also, es ist ein freundschaftlicher Bruch gewesen, der immer ein Bruch ist. Es ist immer komisch, wenn man geht und sich selbstständig macht, das ist immer so ein bisschen komisch, aber wir sind freundschaftlich verbunden geblieben. Und als letztes Jahr, sind die OSAs groß sind die ja jetzt umgezogen, und haben uns verraten, dass hier noch ein Plätzchen frei ist, genau. Es ist ein anderer Mieter, aber da haben wir das hier zur Miete genommen, und das ist eigentlich schön. Das ist befruchtend. #00:04:06-7#

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jw: Direkt, also, konsequent direkt darauf zu, oder...

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js: Ach so, nein, gar nicht. (lacht) Ich bin nach der Schule, ich habe ein Gymnasium besucht und bin dann, habe ein Auslandsjahr gemacht, und bin dann, ich hatte einen sehr guten Kunstlehrer und ich hatte eigentlich vor, also, ich habe hier in München dann Kunstgeschichte studiert nach meinem Sabbatical. Und, Medienwissenschaften war das damals, ich war eher so auf dem Weg in die Journalistik, ehrlich gesagt. Und habe dann aber gemerkt, dass, mein Vater ist Grafiker, also, wir sind immer nah dran am Zeichnen, am Machen, am irgend etwas tun, dass mir das fehlt, und dann habe ich mich in Rosenheim beworben. Auch noch an ein paar anderen Hochschulen, aber da ich in München eh schon war. Mir sind die Berge wichtig, mein Sabbatical habe ich in den Bergen gemacht. Also, ich war Ski fahren ein Jahr lang. Und von daher war das für mich eigentlich genau richtig und dann bin ich nach Rosenheim,

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jw: Was ist dann jetzt Ihr Tätigkeitsfeld? Also, so die Hauptdinge? #00:04:10-7# js: Wir sind klassisch Innenarchitektur tätig. Wir machen ALLES. Also, wir haben keine Spezialisierung. Wir machen vom hochwertigen Innenausbau über Büro, momentan machen wir für Go Pro den Europasitz, wir machen für Mammut die Stores in, deutschlandweit, auch manchmal mehr, wir haben auch schon in der Schweiz und in Österreich Planung gemacht für Specialized auch, auch im deutschsprachigen Raum, die Stores. Oder Shop-in-Shop kann man das nennen. Auch mal Kleinigkeiten, auch mal ein Bad umbauen, das machen wir aber eigentlich ungern,


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weil das nie lukrativ ist, das macht man dann eher so mal als Gehirnjogging. Und im Moment auch viel Studentenwohnheime, das ist scheinbar gerade ein Trend. Und das ist ganz schön, da gibt es viele Symbiosen, da merken die Architekten dann, dass es für Innen, diese Häuser werden echt schnell hoch gebaut, und der normale Architekt glaubt ja nicht an die Innenarchitektur, die braucht man ja eigentlich nicht. Und da ist es so, dass die Schnelligkeit der Projekte es dann doch zeigt, dass Innenarchitekten gefragt sind, weil sich um die ganze, da ist viel Möblierung aber eben auch Wegeführung und so weiter sich zu kümmern. Und da merkt man, je früher man im Boot ist, desto besser ist es auch für die Architekten. Weil wir das doch noch einmal mit anderen Augen untersuchen und prüfen, ob das alles so passt. #00:05:38-7#

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enumfeld. Dann muss man auch gucken nach der Größe und nach den Vorschriften wegen den Toiletten. Aber, ich, der F. hatte einfach mit Abstand die beste Bewerbung, und dann haben wir kurzen Rat gehalten, ob wir uns das jetzt mal trauen, einen Mann zu uns zu holen und lustigerweise drüber die OSAs auch den M., Innenarchitekt, fest angestellt. Von daher, war das, wir haben ja die Tür offen. Wir sind jetzt nicht autark unbedingt unter Frauen, das muss nicht sein. Aber wie gesagt, man kriegt fast nur Bewerbungen von Frauen oder von Männern, die vorher schon Schreiner waren, und da habe ich ein Vorurteil oder auch nicht, das ist aber so, die sind dann sehr dominant und sehr .. geprägt durch ihren Stil und das, und den Stil prägen dann doch atelier sv oder Frau V. und ich im Team natürlich, aber ich, wir sind immer dabei runde Tische zu bilden und gemeinsam zu entwerfen auch. Und da muss man nicht immer, also, und manchmal muss man halt dominant sagen können: jetzt geht es los, so machen wir es jetzt. Das geht nicht immer mit Männern. (lacht) #00:08:59-2#

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jw: Was hat es mit der Architektensprechstunde auf sich?

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jw: Wie arbeiten Sie hier im Büro zusammen? Also, was für Leute haben Sie hier? #00:05:43-4# js: Wir haben Innenarchitekten, aber wir sind lustig gemischt. Meine Partnerin ist auch Innenarchitektin, auch in der Kammer. Die Frau M. ist Innenarchitektin, Diplom Ingenieurin, nee, doch, sie ist noch. Die Frau R., die Miriam, hat eine Schreinerlehre gemacht und hat dann an einer freien Schule ihr Studium gemacht. Die war im Bayerischen Wald. Und die gibt es, die Schwesternschule ist hier in Garmisch, also für Schreiner, die dann, also, man nennt sich dann nicht Innenarchitekt aber Raumgestalter oder so etwas. Ist aber perfekt für uns, also, weil man, mit ihr haben wir jetzt wirklich eine Könnerin, was Details auch angeht, also, das ist sehr angenehm. Also, wenn man jemanden vom Fach hat. Dann einen Praktikanten, der F. aus Rosenheim, und wir hatten eigentlich noch eine Mitarbeiterin, das hat jetzt alles ein bisschen gewechselt, die hat in Rosenheim auch studiert und ihren Master in, an der Küste, wie heißt die Stadt? #00:06:51-9#

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js: Ach, das. Das war ganz klar eine Regelung, das haben wir damals mit OSAs noch angefangen, die Frau V. ehrlich gesagt. Weil wir ständig von Freunden von Freunden und Freunden, deren Freunde irgendwie ein Wohnzimmer haben und auch nicht wissen, welche Farbe das haben soll. Und dann zu uns kommen: hej, mach mal mein Wohnzimmer. Und wir sagen: Hää, geht es noch?! Das mache ich gar nicht. Aber die kommen halt und wie soll man jemandem verklickern, dass das entweder, na ja, dass das halt Geld kostet und Arbeit ist und dass das, was wir kosten, wahrscheinlich das übersteigt, was er überhaupt an Budget hatte für sein Sofa, so. Und deswegen machen wir das hier am Tisch. Derjenige, der Beratung benötigt, kann kommen, macht einen Termin mit uns aus, bringt seine Fotos und Bildchen und einen Grundriss mit. Dann sitzen wir eine Stunde für einen angemessenen Preis und beraten, und das geht meistens sehr gut. Macht uns auch Spaß, also, ich mache es meistens zur Zeit. Weil man mal eine Stunde herauskommt, also, meistens, ja, manchmal kommen sie auch noch einmal, um irgendwie beraten zu werden. Aber da kann man sehr deutlich sagen: wir machen das hier am Tisch. Ich komme nicht auf die Baustelle, weil sobald man auf der Baustelle ist, hat man schon wieder mit ganz anderen Problemen zu tun. Und wir beraten nur, ich gebe Adressen von meinen Schreinern und Schlossern und, was weiß ich, durch, dann können die sich selber darum kümmern. Und dann hat man nur die Kosten für eine Stunde hier bei mir und dann die Handwerkerkosten, die meistens mit einer Skizze auch ganz gut umgehen können. Das ist das. #00:10:47-0#

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jw: Und da kommen auch regelmäßig...? #00:10:48-1#

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jw: Wismar? #00:06:52-2#

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js: Wismar, genau. Ja, genau. Und, die hatte bei uns auch schon als Praktikantin gearbeitet und die hat dann jetzt ein Jahr mit uns mitgearbeitet, das waren persönliche Gründe, warum sie, sie lebt in Stuttgart und hat da auch ihren Lebensmittelpunkt und jetzt suchen wir gerade noch jemanden, der uns wieder vielleicht für drei Tage oder vielleicht auch für ganz bisschen mithilft. #00:07:13-0#

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jw: Das ist ja ganz interessant, da kann ich nämlich kurz, kann ich woanders hin schwenken, an eine andere Stelle. Sie arbeiten also viel mit Frauen? Zufall, oder? #00:07:22-8#

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js: Nee, also, jein, nein. Es bewerben sich eigentlich zu hundert Prozent Frauen. Also, es gibt kaum Männer, die sich bewerben. Und es war jetzt so, F. war auch, also, wir hatten das natürlich, man gewöhnt sich an ein Frau-

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js: Nein, das forcieren wir auch nicht. Also, das ist, das war mal eine Zeit lang, da war das in der Prinz, das war, glaube ich, 2008 oder so. Da war das ein bisschen bekannter, aber es war auch sehr dementsprechend anstrengend, wenn man im laufenden Betrieb ist, ist das fast nicht möglich, dann muss man sich abends Zeit nehmen und das mag ich gar nicht immer. #00:11:10-7#

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jw: Ja, verständlich. Ok, fand ich einfach total interessant.

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lich, finde ich. Wir haben eine Mietwohnung umgebaut für einen Bauherrn von uns, oder ausgebaut. Die musste gar nicht umgebaut werden, das war ein Neubau. Aber hier sieht man, das kann nicht jeder Vorhang, kann da nicht hängen. (lacht) Und hier so eine Lederwand eben. Also, wir haben auch die Handtücher ausgesucht und das Bettzeug, aber das mache ich natürlich nicht immer. Aber ich mache es wenn mit Liebe, weil ich weiß, wie es sein soll. Ich habe das im Kopf, also, wenn ich eine schöne Wohnung mache, weiß ich schon, welches Geschirr ich dazu hinstellen würde. Wenn mein Bauherr das wünscht, dass ich das mache, gerne, aber man sucht halt. Und da haben wir jedes einzelne Stück hier bei irgendeinem Antiquitätenhändler gesucht. #00:14:26-7#

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jw: Das kann man ja fast nicht mehr bezahlen. #00:14:27-1#

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js: Nee, genau, darum geht es ja. Also, ich mache das wahnsinnig gerne, wenn ich dann sehe, dass da am Ende so ein Ding herauskommt und das Spaß macht. Oder hier so ein Fernsehmöbel, dass man zuschieben und aufschieben kann. Hier hat unser Schlosser uns wahnsinnig schöne Regale, ganz schlichte, gemacht. Unser Schreiner hat mit unserem Schlosser zusammen, da muss man eben auch Leute haben, die das auch wollen, wir haben so einen Küchenblock gemacht, der ist mit Stahl umrahmt und hat, den kann man so auf- und zuschieben. Da müssen sie ja alle zusammenarbeiten. Da werden wir, hier haben wir zehn Mal das Furnier geprüft, die Farbe, ob die so ist. Am Ende, das war lustig, das Projekt hat die Tochter vom Bauherrn geleitet, also, sie war Bauherrin, und er kam, wir haben wirklich hundert Stunden an diesem Furnier herumgemacht. Und er so: Ja, ich will es schwarz. (lachend) Und dann haben wir es schwarz gestrichen, Küche wieder auseinander gebaut: schwarz. Aber unsere Fotos sind noch so, wie wir es wollten. (lacht) Genau, also, bis ins Detail, absolut. Natürlich, ich würde gern oft noch viel mehr ins Detail gehen, aber es ist oft nicht lukrativ. Also, je älter man wird, je mehr man arbeitet im eigenen Unternehmen, wird man auch immer mehr Unternehmerin. Und ich muss wirtschaftlich denken, auch was uns, also was das hier angeht. Wir zahlen Miete, ich muss gute Aufträge herankarren und eben auch sehen, dass wir da in einer guten Kooperation das Allerbeste rauskriegen. Und mir macht das auch wahnsinnig Spaß. Aber am Ende des Tages mache ich das auch um Geld zu verdienen. #00:16:10-6#

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jw: Wie nutzen Sie die Medien um sich zu präsentieren?

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js: Aber, es macht Spaß. Also, es ist eine, es ist einfach genau dieser Punkt, eigentlich auch schön, weil man Menschen, das war jetzt eine Zeit lang, jetzt gibt es die, glaube ich, gar nicht mehr so, ich gucke aber auch nicht viel Fernsehen, da gab es doch diese Tine Wittler und, was weiß ich, für Menschen. Da war das natürlich dann voll im Gespräch: das ist ja cool hier, bei uns in unserer Architektursprechstunde. Aber genau das wollen wir ja nicht. Sondern wir wollen gute Architektur machen und das eben auch vermitteln, aber durchaus für jedermann. Also, weil, das ist ja vielleicht auch Ihr Thema ein bisschen, man muss es sich natürlich auch leisten können, einen Designer, das sind wir auch, das ist Handwerk, was wir machen. Aber, wir sind offen für schöne Dinge, also, es macht ja schon auch Spaß. Es ist nur eben eine Kostensache, also, wenn wir einen Tisch entwerfen und dann noch zum Schreiner gehen und dann noch dies und jenes, ich weiß nicht, ob, da muss man schon wirklich diesen Tisch auch so wollen (lacht) und das entsprechende Geld haben. In einem Großprojekt geht so etwas natürlich unter, da macht man das mit. Aber wenn es nur der Tisch ist, ein bisschen schwierig.

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jw: Jetzt haben Sie es gerade selber schon angesprochen: Tine Wittler. Wie nehmen Sie so die Präsentation von Innenarchitektur in den Medien wahr? #00:12:31-1#

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js: Hm, ja, also, es ist immer so, dass man ein bisschen, man wird natürlich immer als die Vorhangaufhänger, und selbst mein Freund macht sich lustig über mich und sagt, er weiß, dass wir das nicht tun, aber natürlich tue ich es, und ich mache es auch gern und mit Liebe. Ich zeige Ihnen ein Projekt von mir. Da haben wir, da habe ich mit Liebe, Vorhänge ausgesucht, weil die einfach, das gehört zum Gesamtobjekt, hier, da hab ich mich auch darum gekümmert, wie die Naht an der Seite ist, dass sie nämlich offen und aufgerissen ist und nicht vernäht wird, auf gar keine Fall und also, ich kann das schon, und ich mache es auch sehr gerne, aber ich mache es nicht ausschließlich. Und wenn, habe ich eine, wir arbeiten mit Fachleuten zusammen, ich arbeite, habe mehrere sehr gute Schreiner, ich habe ein sehr gute Innenausstatterin, die sich, die polstern kann, die hier so Wandverkleidungen macht, zum Beispiel mit Leder. Das ist so ein typisches, das Interior-Projekt eigent-

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js: Ich glaube, wir könnten mehr, aber wir werden, also, das war, ich weiß auch nicht, warum das war, wir sind recht früh 2008 und 2009 sind Frau V. und ich von der AIT zu den elf besten Innenarchitekten irgendwie gekürt worden und eingeladen worden, das war dann ein Medienauftritt


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in der AIT eben und dadurch haben wir ganz gute Kontakte machen können. Die haben wir jetzt zur Detail und zur AIT eben und zu diversen anderen Medien. Und das schönste ist eigentlich das german-architects Programm, das ist so ein Internetportal. Da waren wir auch recht früh drin, die fanden das gut, was wir gemacht haben, wir waren ja noch recht jung. Aber haben gesehen, die nehmen ja nicht jeden, dass das, was wir machen, einen Anspruch hat. Und dadurch kamen wir da rein, natürlich zahlt man dafür, aber wir versuchen immer mal an Wettbewerben teilzunehmen. Wir haben jetzt „geplant und ausgeführt“, sind wir nominiert worden, wir sind jetzt nominiert worden zum german-architects, nein, interior, ... ich zeige es Ihnen gleich. Und haben da auch gewonnen mit einem Projekt, Messebauprojekt, auch so ein Detail, kleines Detailprojekt. Das ist ganz schön, wir haben einen Messebauer auch an der Hand, die uns unterstützen, die an uns glauben, weil sie wissen, wir haben Kunden, die das natürlich auch zahlen können, die eben auch sich nicht zu schade sind, das ist ein Messebauer, der hat viel, mit dem habe ich früher bei Schmidhuber und Partner die IAA gemacht, ich meine, da verbaut man 5000 Quadratmeter. Und das ist auch lustig, wenn man sich dann selbstständig macht und aus der Branche kommt, und plötzlich nicht mehr für einen Stuhl locker 800 Euro ausgeben kann, ja, Cappellini ist doch klar (lacht). Das ist dann eben nicht so klar, und da gewöhnt man sich aber dran und dann mit der Zeit ist das Ziel natürlich, wieder in die Liga zu kommen, da sind wir noch nicht, aber das ist auch zu groß. Das kann man mit so einem Team nicht stemmen, da muss man viele Teams sein, wenn man ein kleines Büro ist, das geht schon, da ist man eben ja nur Gestalter und Schmidhuber und Partner, die großen, die haben natürlich alles im Haus, wir müssen das alles mit vielen machen. Aber ja, geht schon. #00:18:35-6# jw: Und wie nutzen Sie so die Medien für Ihren eigenen Entwurfsprozess, also, um sich inspirieren zu lassen, zum Beispiel, oder? #00:18:42-4#

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jw: Genau, die Frauen hatten wir ja eben schon gesprochen, also viele Frauen hier im Büro. Wie erleben Sie sich selbst als Frau in dieser Branche? #00:19:47-1#

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js: Gut. #00:19:50-8#

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jw: Schön. #00:19:50-9#

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js: (lacht) Nee, wirklich, da gibt es keinen, das ist einfach, wenn man, der Florian Schmidhuber hat immer gesagt, am Anfang, wenn er mich allein auf die Baustelle geschickt hat: wenn du einen Plan gezeichnet hast, dann weißt du ja, was du sagen musst. Kennst dich ja aus. (lacht) Und so ist es ja letztendlich auch, wenn man das Ding gezeichnet hat, und einen Gedanken daran verschwendet hat, dann geht es halt auch. Jetzt war ich heute morgen auf der Baustelle, da haben wir ganz wenig gezeichnet, und dann muss man halt auf der Baustelle diskutieren, wie das dann geht. Und da geht es dann halt auch nicht so schnell. Gelernt wieder: mehr zeichnen. Aber das war auch so ein Projekt für Freunde von Freunden von Freunden für Freunde, und da dachte ich, machen wir halt ein bisschen weniger, aber es bringt nichts, mh (lacht). Egal, das ist jetzt so, jetzt muss der Bauherr noch ein bisschen warten. Ansonsten, wir waren genau früh genug da, man muss nur immer aufpassen, dass Wände nicht zugemauert werden, bevor die Schiebetür drin ist und so. #00:20:54-3#

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jw: Würden Sie Ihr Design als typisch weiblich bezeichnen? #00:20:58-7#

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js: Nein, überhaupt nicht. Nee, Design? #00:21:02-9#

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jw: Na, so die Gestaltung, die Sie machen. #00:21:04-6#

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js: Ach, die wir machen? Ach so, keine Ahnung, nee, wir machen das sehr Bauherren bezogen. Mhm (verneinend), das ist überhaupt nicht weiblich, das ist kommt definitiv auf einen Bauherren bezogen. Also, wir setzen uns hin und unterhalten uns sehr lange. Das ist interessant an der Innenarchitektur, dass man den Bauherren, also gerade bei privaten Bauherren, extrem gut kennt. Bei Mammut ist alles schwarz, wer das weiblich nennt, weiß ich nicht. Mhm (verneinend), nee, da geht es drum, Wegeführung, so arbeiten wir auch, wir machen Thumbnails und gucken: wo kommt das Licht her, wie läuft ein Kunde durch den Raum? Das ist eher sachlich, das ist geschlechterunspezifisch. #00:21:41-5#

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js: Doch viel, doch. Also, ich reise auch, und immer wenn ich irgendwo hinfahre, bin ich dann in irgendeiner Ausstellung oder fahre nach Venedig auf irgendwelche Biennalen oder was weiß ich. Und dadurch hat man schon sowieso ein anderes Auge. Ich habe viele Medien, wirklich viele, und ich mache das auch gerne. Stylepark, dann gibt es so lustige Blogs, und auch auf Facebook ist das ganz lustig. Ich habe das schon offen, also, da kriegt man immer täglich irgendwelche neuen Einflüsse, lustige Bauten gezeigt. Ich finde das gut, ich finde das auch wichtig. Man muss ein bisschen aufpassen, dass man sich nicht darin verbummelt. Aber das tut man nicht, wenn man genug anderes zu tun hat. Und wenn nicht, dann ist es angenehme Zeit zu verbringen, weil man sich mit dem Geschäft befasst.

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jw: Ok. Ja, dann habe ich eigentlich schon alle meine Fragen beantwortet. Ich habe noch ein kleines Bonus-Thema, mit dem ich mich am Rande beschäftige. Was denken Sie, welchen Einfluss wird das Rapid Prototyping beziehungsweise der 3D-Druck auf Ihre Arbeit haben? #00:22:02-5#


Anhang: Interviews

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js: Der 3D-Druck? Puuh, auf unsere noch gar nicht. Helfen Sie mir mal ein bisschen, wie könnte der..? #00:22:11-8#

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der Trend geht dazu, dass man eigentlich überhaupt nichts mehr braucht. Also gerade so im medialen Bereich, dass man alles, dass man nur noch den Menschen hineinstellt und dann so eine Welt darum herum baut halt, über Bluescreens, ist doch viel lustiger, da bin ich total unabhängig. Und bei Messe könnte ich mir auch vorstellen, dass man eigentlich ein bisschen weggeht von Architektur. Dass man eher eine Kulissen-, also das ist ja eh schon Kulisse, aber dass man noch weniger braucht und anders medial damit umgeht. #00:25:26-4#

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jw: Ja, wäre auch nachhaltiger. Weniger Material. #00:25:28-9#

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js: Ja, genau, eben. #00:25:31-3#

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jw: Und dann arbeiten Sie also auch mit so innovativen Materialien, Herstellungsprozessen, das taucht schon auf in der Arbeit? #00:25:36-8#

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jw: Ja, also ich meine, also, im Moment ist das ja relativ beschränkt, die Teile, die man da schnell produzieren kann, sind ja noch relativ klein, aber man könnte sie ja zum Beispiel schon als Verbinder für Möbel benutzen. Also, indem ich mir so, ich drucke mir so ein Teil aus und dann hole ich mir die Bretter im Baumarkt und habe ein Regal. Zum Beispiel. Aber es gibt ja auch Vision, dass diese Maschinen immer größer werden und dann demnächst irgendwann dann ganze Strukturen bauen können. Und es geht ja, also, es gibt Leute, die... #00:22:41-0#

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js: Also, das hat ja jetzt, gut, das war eine gute, das hat jetzt schon, auch die 3D-Fräsungen und so etwas, die CNCMaschinen, das hat ja schon alles verändert, also man kann ja schon ganz andere Sache machen und es gibt auch kaum mehr einen Schreiner, mit dem wir zusammen arbeiten, der nicht so ein Ding hätte, und auch wenn da einer eine hat, dann will er nicht mehr ohne arbeiten. Wenn man halt einen Plan kriegt, und dann kann man sich Schnittmuster machen und klar, wird das dann noch cooler bei 3D, da kann ich halt endlich so eine geschwungene Wand machen, wenn ich sie brauche. Ohne, gut, man brauch noch das Material dafür. Ja, gut, das kommt ja dann auch mit. Und dann muss es ja auch kein Holzwerkstoff sein, sondern, was weiß ich. Ja, gut, man geht immer mit der Zeit und was es dann gibt, das wird man auch nutzen. Es ist eine Kostenfrage und man merkt das immer, Audi, IAA, waren Sie da? #00:23:36-6#

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jw: Nee. #00:23:38-4#

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js: Letztes Jahr noch wahnsinnig runde, amorphe Formen, total zukunftsweisend, und dieses Jahr ein Thema, hat aber auch eine Agentur hier wieder gemacht, KMS, mit denen habe ich früher auch viel zusammen gearbeitet, alles Kuben, quadratisch, das ist eine Preissache, da sieht man ganz genau: aah, ist zwar ein cooler Stand, schön, also, irgendwie interessant, aber Audi hat definitiv gespart. (lacht) Das sieht man eindeutig, das ist, wenn ich einen Kubus abhänge oder aufstelle oder was weiß ich, dann muss ich halt nur eine Kiste bauen und bekleben, vielleicht mit einem Spiegel. Und wenn ich etwas anders will, dann muss ich einen Schnitt zeichnen, bei einer Kiste braucht man nicht mal, da sage ich meinem Schreiner: bau mal fünf Kisten, eine ist fünf Meter hoch, eine ist vier, eine ist drei, also, das geht dann schon. Da spachtelt man dann noch, dann sieht man keine Fugen. (lacht) Also, das ist ein Preissache, ganz eindeutig. Und je mehr Geld zur Verfügung ist, desto interessanter werden die Formen, wenn man sie denn braucht. Fernsehstudios sind jetzt auch so, aber da muss halt nur ein Möbelchen gebaut werden. Und die sind aber auch manchmal albern, oder nicht? Ich glaube,

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js: Ja, wenn wir dürfen schon. Ja, also, Akustik ist zum Beispiel so ein Thema für Büro und so. Wie innovativ das ist, man kann das auch sehr ... es kommt jetzt gerade auf, dass es eben auch Produkte gibt, die fertig schon sind, dass man nicht mehr selber sich etwas überlegen muss, dass man oben irgendwie einen Rahmen halt um den Schaumstoff macht, damit es so ein bisschen schön ausschaut, jetzt gibt es die halt fertig. Da sind die Schweden eigentlich zeitlich weit gewesen, die haben so schöne Filzsachen gemacht. Aber man kann so was auch selber, ich merke das immer, zum Beispiel bei Küchen. Da fängt man kurz mal an, wenn man eine Küche plant, ob jetzt für das Büro oder für etwas, mal mit so einem Zwischenhändler zu arbeiten, der so, hier bei dem Projekt waren wir mal kurz bei Boffi. Aber da zahlt man für die Küche, für den Namen halt auch, da zahlt man 60.000 Euro für das, was wir jetzt da für 30 gebaut haben. Und das ist Handwerk. Wenn man einen guten Schreiner hat, braucht man eigentlich keinen, also, da müssen wir ein bisschen mehr planen, aber weil man halt das Innenleben, ist da halt meistens schon fertig und so, und ein bisschen schicker, aber das können wir genauso schick. Und dann machen wir das lieber selber als sich da mit, wie heißen sie alle, Alape ist aber ganz schön für Bäder, aber... #00:27:08-4#

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jw: Bulthaup oder so etwas. #00:27:12-5#

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js: Braucht man nicht, wenn man einen guten Schreiner hat. Außer der Kunde möchte das, aber dann muss man trotzdem planen, einmal. Also, die Küchenfirmen gehen da zwar selber rein, aber es muss ja ins Konzept passen, also, plane ich einmal, gehe zum Küchenhersteller, plane mit dem, das ist viel mehr Arbeit, als wenn ich es gleich selber mache. #00:27:32-0#

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jw: Das stimmt. Ja, das war es dann auch schon.

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Anhang: Interviews

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Interview mit mc männlich, München, Architekt

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jw: Meine erste Frage ist immer: was steht auf Ihrer Visitenkarte? Was haben Sie da als Berufsbezeichnung stehen? #00:00:12-6#

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mc: Moment, da steht auf der einen Seite das Büro und auf der anderen Seite stehe ich: Architekt und Stadtplaner. Weil das bin ich ja auch. #00:00:25-8#

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jw: Also, was haben Sie dafür getan, dass das da steht?

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Innenarchitektin, die bei uns aber auch die großen Projekte macht, aber normal, sagen wir mal, manche Bauherren das nicht unbedingt honorieren würden, dass, sagen wir mal, ein gelernter Innenarchitekt, der super Projektleiter für Großprojekte ist. Was für uns kein Problem ist, aber in der Welt außen ein bisschen anders gesehen wird. #00:02:42-8# jw: Ja, was ist denn so Ihr Tätigkeitsprofil? Also, in welchen Bereichen arbeiten Sie dann? #00:02:48-7#

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mc: Architektur studiert. Dann städtebaulich gearbeitet. Also, ich habe auch noch diesen Regierungsbaumeister gemacht, der aber nicht auf der Karte steht. Weil er nicht schadet, aber da weiß ja keiner, was das ist, deswegen steht es nicht drauf. Und der Professor steht auch nicht drauf und den Doktor habe ich auch noch drauf, aber (lacht) eigentlich Architekt und Stadtplaner genau. #00:00:55-0#

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jw: Jetzt beschäftigen Sie sich ja in Ihren Projekten auch mit der Innenarchitektur. Oder? #00:01:01-9#

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jw: Ok, also keine Grenzen? #00:03:03-5#

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mc: Na ja, doch schon, nach oben, oder. Nee, aber wir machen, also, vielleicht vom Profil her, die größeren Projekte pauschal über Wettbewerbe und sind dann meistens Bürogebäude, Hotel, zum Beispiel, ein großes, jetzt machen wir ein Sportzentrum. Was wir nicht machen, sind eigentlich öffentliche Bauten, oder nur sehr selten. Wir haben einmal ein Jugendzentrum gemacht. Und ansonsten machen wir auch für Private, sagen wir mal so, größere Einfamilienhäuser und Wohnungsbau. Also eigentlich so den ganzen Standard. #00:03:42-2#

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mc: Das lässt sich ja nicht vermeiden. #00:01:04-0#

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jw: Das lässt sich nicht vermeiden, mhm. Wieso machen Sie das als Architekt und Stadtplaner? #00:01:07-7#

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mc: Na, weil die Frage ist ja, wo die Grenze anfängt und wo sie aufhört. Also, und ich würde jetzt, glaube ich, den Begriff der Architektur nicht so atomisieren in: das ist Innenarchitektur, das ist Design, das ist Möbelarchitektur, das ist Wandarchitektur, das ist Fenster, das ist Fassade, das ist Stadt. Und genauso wie zur Stadt, sagen wir mal, zum Städtebau am Schluss das Haus gehört mit dem Eingang, die Schwelle, gehört dann bei der Architektur eigentlich im Idealfall auch zumindest mal die Behandlung des Raumes dazu. Und im Idealfall auch noch, sagen wir mal, die nicht mobilen Möbel und wenn man Glück hat auch noch ein paar von den anderen Dingen. Also, ich würde das, finde diese Auftrennung eben zwischen Innenarchitektur und Architektur auch ein bisschen seltsam. Und liegt vielleicht dann auch an der Sozialisation, eigentlich wollte ich Innenarchitekt werden, und dann, was wir gerade hatten, mit dem Rosenheim Eingangsprüfung. Oder das mir eben auch Architekten gesagt haben: also, warum man das eigentlich begrenzen soll, mach doch gleich Architektur, dann kannst du das Andere ja auch machen. Also, so vom Berufsfeld her, dass die Spezialisierung natürlich leichter fällt aus der Architektur in die Innenarchitektur zu kommen, als als Innenarchitekt den Städtebau zu machen. Und das merken wir auch, bei uns ist ja die dritte Geschäftsführerin ist ja

mc: Von ganz klein bis groß. Also wirklich, da sind Möbel, die wir machen, wir haben also ein Studie gemacht für Türklinken, also, diese ganz winzigen Sachen. Bis hin zu, sagen wir, Großprojekten, große Bürobauten, Hotelbauten.

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jw: Wie würden Sie Ihrer Großtante erklären, was Innenarchitektur ist? Also, die Großtante, die natürlich nicht Grafikerin ist oder so. #00:03:55-7# mc: Was Innenarchitektur ist? (...) Na ja, wenn man es ernsthaft macht, ist es natürlich schwierig. Wenn man nicht ernsthaft ist, dann sind es die Klischees. Na, eigentlich ist es wahrscheinlich die Behandlung des Innenraums über die Ausformulierung des Raumes, also Raumkanten, das wird schon zu kompliziert für die Großtante. Also, man sieht die Wände, Boden, Decke, das Mobiliar und die Ausstattung, die im Prinzip dann für Licht, Akustik, all diese Dinge sorgt, also, im Prinzip, Beleuchtung, sagen wir mal, konzeptionell und als Objekt. Teppiche, Vorhänge, all diese Dinge, die normalerweise der Architekt nicht mehr machen darf. So könnte man das vielleicht abgrenzen. Also, das, wo die meisten Leute sagen: also, das ist eh schon eigentlich blöd, weil Haus bauen kann ich eigentlich selber, aber einrichten kann ich mich ja schon sowieso ganz selbst. Das ist vielleicht ein bisschen so diese Schwelle. Wenn man, bei der privaten Innenarchitektur, ansonsten ist natürlich dieses Thema Messebau, Hotelgestaltung, Ausstellungs-


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bau und diese Dinge, da kann sich das vielleicht die Tante besser vorstellen. #00:05:11-0#

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jw: Ok, mit was für Leuten arbeiten Sie hier im Büro zusammen? Wer arbeitet hier so? #00:05:20-1#

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mc: Von der Ausbildung oder von Nationalität oder Geschlecht oder von ...? #00:05:25-0#

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jw: Um das Geschlecht können wir uns nachher noch kümmern, aber erst einmal vielleicht von der Ausbildung, ja.

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mc: Also, von der Ausbildung sind die meisten, haben Architektur studiert oder studieren Architektur als Praktikanten. Wie gesagt, die Frau F. bei uns ist eigentlich gelernte Innenarchitektin, die aber seit vielen Jahren diesen Hochbau macht. Und ... ja das ist eigentlich so das Spektrum. Also, wir haben keine Bauzeichner und keine, sagen wir mal, die aus der Handwerkschiene kommen, sondern eigentlich meistens Studierte und haben einen relativ hohen Ausländeranteil auch. Eine Mischung eben aus: Leute, die noch studieren, die gerade fertig sind, die ein bisschen länger fertig sind, welche die mehr Erfahrung haben. #00:06:08-9#

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jw: Aber Innenarchitekten sind da dabei? #00:06:10-7#

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mc: Also, wir haben eine dabei, ja. Und ansonsten würden wir die Trennung eben nicht so stark sehen, oder trauen uns schon zu, dass wir auch innenarchitektonische Fragen in dem Rahmen unserer Aufgaben durchaus lösen können. Es ist nur meistens so, dass man bei einem Hotel oder so sich die Frage gar nicht stellt, ob der Architekt, selbst wenn er einen Innenarchitekten hätte, das machen darf, weil ja dann diese CI-Innenarchitekten kommen und das machen. Oder, wir machen eben keinen Messebau, weil uns da die Schnittstelle fehlt, oder ... bei eben öffentlichen Bauten oder bei Büros ist es oft so, dass ja dann die Büroeinrichter kommen und das machen. Das heißt, da macht man noch das Foyer oder paar, sozusagen die festen Einbauten und die Teeküchen, aber dann ist leider schon Schluss. Und wenn wir dann mehr machen könnten oder würden, dann würden wir uns auch sicher noch jemanden einstellen dazu. #00:07:07-9#

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jw: Also, Sie würden gerne. Oder? #00:07:11-2#

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mc: Ja, man würde natürlich gerne ein Projekt vom Städtebau bis zum Klopapierhalter eigentlich machen und stimmig hinbekommen. Nur ist es so, dass es die Kunden meistens nicht wollen und im privaten Bereich haben wir die Erfahrung gemacht, dass die Leute es sogar, glaube ich, ganz gut finden, was man vorschlägt für die Innenarchitektur. Man sich da vielleicht noch jemanden dazu holen würde. Also, wir arbeiten dann auch mit Lichtplanern zu-

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jw: Ein zweiter Punkt, mit dem ich mich beschäftige in der Arbeit, sind die Medien. Und da fiel mir gleich als erstes ein: was nutzt Ihnen die Auszeichnung „best architects“?

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sammen, also Leute, die es auch können, wenn wir es nicht wissen. Aber, dass häufig die Leute noch einen Innenarchitekten auch als fast Kontrolleur haben wollen, der dann wieder die Architektur kontrolliert, also, dass man ständig sich Leute dazu holt, die auch noch etwas wissen. Das ist so ein bisschen die Erfahrung. Also, das ist selten, dass jemand sagt: ich will aus einem Guss das einfach haben. Das ist so eine Erfahrung, die man in den letzten Jahren gemacht hat. Also, gerade auch in diesen hochpreisigen Sektor. #00:08:09-8#

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mc: Das ist eine Nelke am Knopfloch oder was es wirtschaftlich nutzt, kann man nicht sagen. Was es einem für das Ego nutzt, kann man auch nicht wirklich sagen, weil das ja eine Auszeichnung ist, die, so wie red dot oder so, diese gekauften, oder diese, wo man etwas bezahlen muss, nicht so viel wert, wie wenn man jetzt irgendwie den unaufgeforderten Preis bekommt. Andererseits ist es so, dass wenn man sich dann anschaut, wer da alles mitmacht und wer dabei ist, dass man sich dann doch freut, dass es eben nicht, es gibt ja bei Publikationen oder Preisen gibt es ja welche, wo wirklich total viel Mist dabei ist, und wenn man sich dann zwischen irgendwie Kollegen wiederfindet, die man bewundert und die man gut findet, dann ist es für einen selber, eigentlich, macht es einen schon ein bisschen stolz, wenn aus, weiß nicht, hundert ein Drittel oder was ausgewählt wurden für Deutschland und man da dabei ist, und deswegen macht man es. Ich glaube, dass manche Bauherren, die nicht vom Fach sind, so ein Label immer zumindest nicht schlecht finden. Und deswegen haben wir, nachdem wir eben das 13er hatten, dann machen wir halt das 14er, probieren wir halt auch. Das ist wie so ein bisschen so wie bei einer Metzgerei, wo hinten diese Meisterurkunden und die Sachen hängen. Also, für einen selber ist es nicht wirklich wichtig, da sind viel wichtiger Publikationen in wichtigen Zeitschriften oder andere Preise vielleicht wichtiger, aber es ist eigentlich immer auch ein Spaß da mitzumachen. Also, das ist so. Und wir eigentlich auch versuchen, dass man diese, es sind ja gar nicht so viele Sachen, die man macht, also es werden jedes Jahr ja eins, zwei, drei Sachen maximal fertig, dass man die entsprechend auch versucht zu, ja, zu publizieren oder sich auch darüber zu freuen, wenn man die Sachen irgendwie auch behält, die sind dann immer weg, und deswegen machen wir viel eben auch mit unserem Fotografen zusammen und wenn man dann eben so eine Mappe macht und sich wo bewirbt für so einen Preis, oder so, dann ist das für einen selber, finde ich, ganz schön, um diese Projekte auch so abzuschließen. Das ist vielleicht das, was es auch wichtig macht für einen. #00:10:28-7#


Anhang: Interviews

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jw: Ja, das wäre nämlich genau meine nächste Frage, wie Sie die Medien nutzen, um Ihre Arbeit zu präsentieren?

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mc: Na gut, also, man muss halt heute irgendwie eine mehr oder weniger gute Website haben, die wir auch demnächst auch noch einmal ändern wollen, von der Struktur her. Also, weil es werden immer mehr Sachen und wir das auch, also, was wir nicht machen wollen, dass man auf der Webseite alles erfährt und alles weiß. Wir tun zum Beispiel keine Grundrisse rein, wir tun keine Details rein und eigentlich auch bei Wettbewerben oder Sachen, die man so macht, eigentlich immer nur so ein ganz kleines Bildchen oder zwei winzige Bildchen, die eine Ahnung erlauben, was es ist. Aber eben nicht so dieses sich komplett ausziehen: wir haben das, und das, und das, und das haben wir auch noch gemacht. Sondern, haben dann gesagt, wir haben eben diese eine Rubrik, glaube ich, Bauten, da sind einfach Fotos drin, von den Sachen, die fertig sind. Und das kann man sich anschauen, und dann sieht man auch, wie verschieden die Sachen sind, und das muss so ein bisschen langen. Und ansonsten versuchen wir halt durch Veröffentlichungen eigentlich bei den üblichen Verdächtigen, also, Bauwelt, Baumeister, AIT und so weiter, die Dinge unterzubringen, was, oder in Büchern, und über das, die Dinge so in die Welt zu setzen. Und was wir auch machen, das sind diese kleinen Baukulturführer, die kennen Sie ja vielleicht, oder können Sie auch gern mitnehmen. Das ist einfach von den wichtigeren Projekten haben wir die, haben wir uns auch darum beworben, dass wir in die Reihe reinkommen, das ist so eigentlich ein ganz schönes Format, so wie diese Kirchenführer. Wo, da schreibt immer ein Journalist einen Text dazu und wir tun Fotos und ein paar Pläne dazu. Und das kann man den Leuten auch mal so mitgeben, die sich dafür interessieren oder auch daran erklären, was wir eigentlich so machen. Das ist eigentlich so ein kleines Medium. (...) Und damals bei dem Projekt war irgendwie ganz schön, das war in dieser Ausstellung Bauen in den Alpen, dann war es im Architekturjahrbuch vom DAM bei diesen Projekten dabei, dann war es noch einmal bei diesen Bauen für Generationen bei der Ausstellung im Deutschen Architekturmuseum. Das ist eigentlich ganz schön, wenn die Dinge so öfters eine Öffentlichkeit finden. Und, oder das war irgendwie beim BDA-Preis da in Schleswig-Holstein, oder das ist jetzt bei dieser Architektur in Oberbayern. So dass wir gern versuchen, die Sachen so ein bisschen auf die Reise zu schicken. #00:13:06-6#

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jw: Es ist ja auch schön, wenn Bad Tölz auch mal was schönes abbekommt. (...) Nutzen Sie die Medien auch für Ihren eigenen Entwurfsprozess? #00:13:19-8#

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mc: Dass man nachschaut, was es so gibt? #00:13:22-5#

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jw: Sich inspirieren lässt. Inwieweit? #00:13:25-6#

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mc: Also, man schaut natürlich die ganzen Newsletter so ab und zu durch. So, Baunetz oder so. Dann die Zeitschriften auch, wobei wir unseren Fundus eigentlich nicht finden in den aktuellen Heften, sondern eine relativ große Bibliothek, also, das ist so meine kleine private, draußen haben wir einen Teil. M. G. hat auch noch eine größere. Bei mir auch relativ viel antiquarische Sachen. Weil unser, vielleicht, Entwurfsprozess, ist schon so, dass man sagt, man fängt nicht immer bei Adam und Eva neu an, und glaubt, man hätte es erfunden, sondern sagt: welche Dinge gibt es auf dem Gebiet, also, welche machen uns da an, was sind sozusagen auch die Benchmarks, und wie kann man an denen weiterkommen? Und das sind, sagen wir mal, sicher die Bücher, Zeitschriften, aber dann einfach auch viel anschauen. Weil es gibt ja bestimmte Dinge, die einem faszinieren, bei mir sind es so diese, bei städtischen Häusern oder so, diese Mailänder Architektur, von Caccia Dominioni, Asnago Vender und diesen Leuten, fährt man halt auch irgendwie relativ oft hin, schaut es sich an, analysiert das auch und bringt dann so ... Fragmente oder so mit, aus denen man dann eben nicht mit Copy and Paste, sondern mit so einer ein bisschen unscharfen Erinnerung, die Sachen wieder zusammensetzt. Und das ist eben so die, glaube ich, das Konzept, was uns eigentlich immer verfolgt, vielleicht auch, wenn man sich die beiden Projekte, Bad Tölz war es dann so, da ging es: wie baut man richtig, also, so Wohnen für 50 plus in diesem Kurpark. Und da hat man ja neben dran dieses Herderhaus und die Wandelhalle, das ist auch so eine ganz bestimmte Architektur, da ging es darum: was kann Bäderarchitektur heute sein? War so eine Fragestellung. Dann schaut man sich Bäderarchitektur an. Dann ist die Frage: wie geht Wohnen heute? Was bedeutet das? Dann war da diese Thematik zum Beispiel mit diesen Fensterläden. Und da ist es eben so, es gibt von Caccia Dominioni in Mailand ist das so ein Motiv, wo er immer so schräge Leibungen macht und Fensterläden. Nur bei ihm sind sie dann, wenn sie zu sind, gerade, und wir haben es so gemacht, dass die eben dann auch gekippt bleiben und damit man mehr Schattenspiel bekommt. Also das heißt, da verwandeln sich so Sachen oder ein bisschen so die Erinnerung an Sep Ruf, also, das ist schon, da kann man viele Sachen darin lesen, die entweder vorher drin waren oder nachher herauskommen. Und das Ziel ist so ein bisschen, dass wir sehr viel eben so Architekturen, was es gibt eben, im Kopf sammeln und irgendwann bekommen die so eine Unschärfe, das heißt, man weiß manchmal gar nicht mehr, von wo es eigentlich herkommt und hat so ein Fundus oder so einen Werkzeugkasten, der, glaube ich, dann relativ groß wird. Und deswegen sehen die Sachen auch immer so unterschiedlich aus. Also, es tun sich sicher viele Kunden auch schwer, weil man sozusagen keinen Style bestellen kann, der immer gleich aussieht. Und das ist hier auch so, jeder Architekt hat auf seiner Webseite: Ort, Bauherr, Budget, bla bla bla bestimmen unsere Architektur. Und bei manchen sieht es halt immer gleich aus, und da wundert


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man sich. Und bei uns sieht es halt nicht gleich aus, und da wundern sich die Leute auch, weil man eben jetzt nicht einen bestimmten, sagen wir mal, Stil bedient, was es am Markt sicher schwieriger macht, sich zu etablieren, weil wenn man, sagen wir mal, das Bad Tölz neben dem Haus für Dräger, diese Hauptverwaltung sieht, was einfach ein großes, sehr modernes Bürogebäude ist, dann können sich viele Leute nicht vorstellen, das die gleichen Architekten gleichzeitig das machen. Und es ist nicht so: das hat irgendwie der eine gemacht und das macht der andere, also, so Partner die völlig unterschiedlich sind. Sondern man macht das schon zusammen, eben weil das unterschiedliche Vorgaben waren. Und bei dem war dann die Überlegung, da schaut man sich halt dann so SOM und Eiermann, diese Sachen an, für so große Bürogebäude. Und kommt dann eben zu einem anderen Ergebnis. Aber das ist eigentlich so die Strategie, dass man sich schon viel anschaut, das auch bewusst wahrnimmt, aber eigentlich jetzt nicht so nur in diesen neuesten Medien immer schielt. Weil das Problem ist, wenn man in den neuen Medien schielt, ist man immer schon zu spät dran. Weil man braucht ja immer ein paar Jahre, bis es fertig ist, und wenn man etwas Fertiges anschaut, und es dann auch so macht, dann ist es ja ein alter Hut. Und deswegen, eher zu gucken: was war mal dran? Also, vielleicht in der Mode auch, es wiederholt sich ja immer alles in bestimmten Zyklen, und zu gucken, was könnte heute wieder interessant sein, also für einen selber. #00:17:59-3#

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jw: Was hat es mit Site repair auf sich? #00:18:02-2#

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mc: Site repair? Das ist das, was ich an der Uni gemacht habe, ich weiß nicht, ob Sie mal die Webseite angeguckt haben?! #00:18:08-3#

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jw: Ja, ich bin nicht ganz schlau geworden. #00:18:09-9#

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mc: Das ist, kann ich Ihnen auch mitgeben. (...) An der Hochschule in Kaiserslautern für den Städtebau, oder Stadtbaukunst, wie sich das dort nennt. Und ich hatte nach ein paar Jahren die Idee, man müsste mal das ein bisschen programmatischer zusammenfassen. Und habe dann gesagt, ich mache ein paar Sachen, die eigentlich streng verboten sind, ich stelle ein paar Regeln auf, nach denen wird das gemacht. Und das haben wir begonnen eben in Kaiserslautern an der Uni vier Semester lang und parallel in so einem Workshop, wo ich in Maastricht eingeladen war, und dann als Format vor Ort, also, einmal in so einer Trabantenstadt von Frankfurt und einmal da in Seeshaupt am Starnberger See. Und eigentlich ist es ein didaktisches Konzept. Und dann sagt man eben, es gibt eben, also, was mich immer beschäftigt ist die Frage im Entwurf von Normalität. Also, dass man, also, das ist in dem Text so ein bisschen, also, kurz ausführlich: das Problem ist, dass die Architektur immer absolute Höhepunkte schaffen will.

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Leute, die Büros machen, und wenn man das ganze potenziert und das so eine Wettbewerbsarchitektur laufen lässt, und dann hat man so Stadtviertel wie, sagen wir mal, Riem. Gestaltungsbeirat, jedes Haus ein Wettbewerb, bla bla bla, und so weiter. Und wenn man dann durchfährt, dann sieht es eigentlich aus wie so ein Architekturzoo. Da hat einer das gemacht, Florian Nagler die schöne Druckerei, der Bauer die tolle Feuerwehr, und das sind alles irgendwie tolle Häuser, aber sie schaffen überhaupt keinen Kontext. Und sie können nicht miteinander. Und die Frage ist halt: wie normal muss ein Haus sein, oder Architektur sein, damit es mit den anderen kann? Also, wenn man Architektur insgesamt als Gefüge sieht, das korrespondiert und nicht als Skulptur. Und über das kam dann die Idee, zu sagen, das Normale ist das Ideale. Das ist so eine dieser zehn Gebote. Wobei die Frage dann immer ist, ob diese Gebote Regeln sind oder Fragen. Das ist dann vielleicht der nächste Punkt. Und ... und dann war eben, beim Städtebaulichen ist es ja so, es gibt ja diese Idealstadtvorstellungen aus allen Jahrhunderten, Palmanova und wie sie alle heißen, oder Freudenstadt. Und wenn man sich die dann live anschaut, können die ja alle nichts. Also, weil sie immer daran scheitern, dass die Leute, die es bewohnen und die das machen und die Realität überhaupt nicht ideal ist. Und es gibt ein sehr schönes Buch von diesem Philippe Garnier, das heißt: Über die Lauheit. Und der beschreibt die Lauheit als ideale Temperatur des Lebens. Also, eben nicht wie in der Bibel: Die Lauen speie ich aus. Sondern das Laue ist so, also, lauwarm ist eigentlich gut, weil es sich befindet zwischen den Extremen, zwischen ganz kalt und ganz heiß. Und so war die Idee, Stadt müsste eigentlich so sein, dass sie die Höhepunkte hat und absolute Tiefen. Also, die Highlights, wo man sagt: wow. Also, architektonisch oder so, und auch so die schlechten Ecken, und zwischen drin aber eine Menge absoluter Normalität. Weil jeder letztendlich, am Ende des Tages relativ normal ist: man geht heim, man kocht etwas, man sieht fern, hat eine Beziehung, mehr oder weniger gut, man hat, ja, also diese ganzen normalen Nöte, und dafür, man kann nicht immer ideal sein. Und das war eben die Sache, dass man sagt: man proklamiert eben ein Normalstadtideal. Und dazu braucht man eben, oder kann man sich ein paar Fragen stellen. Und das ist eigentlich, sind das eben diese, dann wieder didaktisch, diese Punkte, das man sagt: dein Projekt real, also wichtig an der Uni zu sagen, also das ist jetzt nicht nur für deinen Semesterentwurf, sondern nimm es so ernst, als wenn es real wäre. Dann eben das, was ich gerade gesagt habe: das Normale ist das Ideale. Und das Normale aber als Qualität zu sehen. Und nicht als etwas Negatives. Gleichzeitig aber auch den Anspruch an die Schönheit nicht zu vergessen, das ist dann das dritte Gebot. Dann die Ökonomie des Vorgehens. Und da aber nicht nur zu sagen, das muss jetzt billig werden, als Objekt, sondern dass auch das entwerferische Vorgehen ökonomisch ist. Dass man aber genau an die Punkte soweit denkt, wie man es braucht,


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oder wie bei einem Filmset, also: ich will genau die Einstellung, muss die perfekt sein, aber ich brauche die Rückseite vielleicht nicht. Also, das war so eine Idee. Und dann, das ist so ein anderer, auch ein weites Feld, dass die Eingriffe, die man macht also Implantate sind, also, dass man wie bei einem Zahnersatz ja versucht, sagen wir mal, so einen Kunstzahn eigentlich an die Umgebung anzupassen und der ist etwas hoch Artifizielles, sieht aber am Schluss, wenn er gut gemacht ist, völlig selbstverständlich aus. Im Gegensatz, sagen wir mal, zu der Goldkrone, die man sich so vorne drauf steckt oder Texas eingravieren lässt oder so. Das war das. Und das ist eine Anlehnung an Christopher Alexander, ich weiß nicht, ob Sie das kennen, also Pattern language, der ja lauter so Patterns gemacht hat, und von ihm stammt dieses, ich glaube, Pattern 104, wo er auch sagt: Baue eben auf dem schlechtesten Teil des Grundstücks, dass man nicht auf dem besten baut, wenn man jetzt einen Garten hat zum Beispiel, vorne ist die Straße und hinten der tolle Garten, dass man sich nicht das Haus in den Garten stellt, weil dann ist der Garten ja weg. Und der kommt ja nicht mehr wieder, oder nicht mehr so schnell. Und das ist dieses Prinzip des Referenzierens, dass man sich eben konkret auf Elemente der Umgebung bezieht. Das war auch also damals, für dieses in Maastricht, wo man gesagt hat, wir suchen uns wirklich eine Stelle raus, die eigentlich total eklig ist, und man zwingt Studenten mal, das zu referenzieren. Also, wie wir jetzt als SOM oder Dominioni oder so jemanden referenzieren würden, oder Mies oder so, kann man, und das war die These, und das geht auch in Teilen, die Normalität referenzieren. Und das ist zum Beispiel da bei diesem Jugendzentrum, dass wir gebaut haben. Das ist vielleicht am ehesten, wo, sagen wir mal, diese akademische Übung ins Büro überschlägt. Da haben wir gesagt, wir machen ein Jugendzentrum, das als Bühne letztendlich für diese Jugendlichen funktionieren soll, die ständig wechseln. Das heißt, der Raum oder das Gebäude hat eine gewisse Abstraktion, weil die das immer selber bespielen. Und gleichzeitig haben wir aber auf diesem kleinen Innenhof, wo die so skaten, gibt es eine ganz normale Straßenlaterne. Und die funktioniert dann eben aus der Ferne eine bisschen so wie ein McDonalds-Zeichen. Also, wenn Licht brennt, sieht man: ah, da ist etwas los. Sie schafft auch ein Licht unten, das wirklich ein Außenlicht ist, also kein so designtes mit irgendwie so super schönen Strahlern, und schafft den Unterschied vom Licht zwischen außen und innen. Deswegen würde ich das genauso auch als Innenarchitektur sehen, obwohl es außen ist und das jetzt so ein einzelnes Teil, es ist ja auch eine wahnsinnig schöne Skulptur eigentlich, diese normale Lampe. Und das gleiche haben wir gemacht, wir haben gerade in der Schweiz fertiggestellt, so eine Werft für Boote mit Reihenhäusern auf dem Dach und so weiter. Und die haben im Prinzip auch diese Industrieauslegerleuchten an diesen Ziegelbau bekommen über diesen Toren, weil man dann so ein Licht bekommt, das, glaube ich, zu so einer

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Werft gehört. Also, so eine Lichtstimmung bekommt, die zu einer Werft gehört. Und das ist eben dieses Referenzieren. Also, dass man jetzt eben nicht Copy and Paste alles übernimmt, also irgendwelche Dinge, kann ich eben sagen, das ist wie da und da, und dass man sich da nicht scheut zu sagen: das ist wie bei McDonalds oder das ist wie an der Autobahn. Das ist das. Und genau, das ist eben diese Bedingung, dass man sagt, man muss alles, also, jetzt als akademische Übung sagen, alles was man verwendet, muss man wissen, wo es herkommt. Weil die Behauptung einfach ist, dass es nichts gibt, was es noch nicht gibt. Also, und wenn man meint, das gibt es noch nicht, dann kennt man es halt nicht. Und das Tolle ist wirklich, wenn man auch alte Bücher oder viele Sachen durchschaut, dass die Grundideen ja alle wirklich da sind und selbst wenn man so die Kollegen, die man sehr verehrt, die immer die ganz besonderen Sachen machen, dann denkt man: die haben auch eine sau gute Bibliothek. Und dann denkt man: ah, das gab es bei Luckhardt oder das gab es bei, das gibt es sicher im Moment nicht in den Heften, aber von der Anlage her eben schon irgendwo anders, vielleicht 100 Jahre, 60 Jahre vorher. Und dann denkt man sich so, da könnte man von manchen Kollegen auch die Bauten finden, die dann noch kommen. (lacht) Und das ist dann eben diese neunte Regel: Denke Dinge, die es schon gibt, zu ende. Das ist eben dieses Weiterdenken, nicht von Adam und Eva. Und das ist eine didaktische Übung, wo man sagt: Erkläre dein Projekt mittels Sichtbarem. Also, ohne Skizze und Modell braucht man nicht anfangen. Also, Architektur ist nichts rein Verbales, sondern geht über Zeichnung und über Modelle, oder über eins zu eins. Genau, das ist eigentlich der Kern von Site repair. Und dann: Sei pünktlich und trage dein Abzeichen mit Stolz und Würde. Und dazu gab es dann eben Abzeichen, so Jacken, so wie FBI, stand dann Site repair drauf, also, wo das Ganze dann auch viel Spaß macht. Genau, und das war dann mal so eine Aufgabe da. Genau, das ist Site repair, das ist eben, wie gesagt, eher, hat mit dem Büro zu tun, weil es meine, sagen wir mal, didaktische Idee ist für die Schule. Und weil natürlich manchmal auch Leute hier arbeiten, sind halt irgendwie Absolventen oder Studenten, die man auch da kennt, die, sagen wir mal, das auch kennen. Und das Spannenden, oder das was mich daran interessiert, ist eben, das man sagt, das sind eben zehn Punkte. Und dann die Frage: sind das eben Regeln, nach denen man arbeiten muss. Also, wo viele Studenten den totalen Hass bekommen, oder auch Kollegen, die sagen: Architektur kann man nicht nach Regeln machen, das geht gar nicht. Und das Tolle ist, finde ich, wenn man aber drüber nachdenkt, sind ja, ist es ähnlich bei den zehn Geboten, die stellen ja viel mehr Fragen, als sie Antworten geben. Weil, wie soll ich das denn tun? Und dann zeigt sich, dass jeder das eben völlig anders tut, obwohl er sagt: ich beziehe mich ja auf etwas anderes. Aber auf was er sich bezieht, ist ja wieder die völlig eigene Entscheidung und das war sozusagen eben dieses Experi-


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ment. Sich natürlich auch in einem akademischem Markt natürlich auch irgendwie zu profilieren oder zu sagen, was ist so meine Lehre. Und dann natürlich dieses Mischungsverhältnis zu bekommen, zwischen, sagen wir mal, Anpassung und Provokation, also, damit auch Leute sagen, das macht ihnen Spaß und dann zu sagen, es gibt, jetzt kommen wir vielleicht ein bisschen weg von der Innenarchitektur, aber dieses, wenn man diese Workshops macht, kommen ja oft diejenigen die meinen: könnt ihr nicht mit Studenten mal etwas machen? Das ist so schwierig. Ja, wo man dann sagt: Ja, wenn es total schwierig ist, dann nehmt halt Leute, die das schon gelernt haben und keine Studenten. Aber wenn ihr etwas mit Studenten machen wollt, wo jeder etwas davon hat, dann schlage ich immer so einen Workshop vor, der vor Ort ist. Und die besorgen eben an dieser, sagen wir mal, Problemstelle, einen Ort, wo man arbeiten kann und die Übernachtung dazu und das Essen und zahlen irgendwie die Fahrt und dann kommen die Studenten. Und da bleibt man dann vier Tage oder eine Woche eben dort und erarbeitet gemeinsam mit den Bürgern, mit den Politikern, irgendwelche Themen. Und das ist eigentlich ganz lustig, weil die Leute sehen, wie Studenten auch arbeiten, Studenten sehen, wie Bürger ticken, und so weiter. Also, es ist so ein bisschen so ein Abenteuerurlaub dann, mit Ergebnis. Und nicht so: wir kommen mit unserer Idee wohin. Sondern, es passiert dann da und das ist eigentlich, und dafür ist das Format eben ganz gut geeignet.

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jw: Kann ich mir gut vorstellen. Ja, dann kommen wir zurück zur Innenarchitektur, nämlich: wie nehmen Sie die in den Medien wahr? Wie wird sie präsentiert? Was halten Sie davon? #00:30:00-7#

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mc: Was ist die Innenarchitektur? #00:30:04-0#

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jw: Na, man könnte auch sagen, innenarchitektonische Projekte. Oder überhaupt, wie... #00:30:10-3#

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mc: Also, es gibt ja, vielleicht wie in der Architektur, eben diese kleine Welt Innenarchitektur, das sind doch dann diese Hausverbesserer-Fernsehserien. So, wir machen hier mal rosa, und ein Sofa und machen Graffiti an die Wand. Das hat ja genauso nichts zu tun, wie das eben (unv.) Haus im Neubaugebiet, was die Architekturserien sind. Aber das ist sicher ein großer Punkt, den viele Leute als Innenarchitektur wahrnehmen. Und deswegen, glaube ich, diese Schnittstelle hat also, na gut, das kann ich ja auch selber. Deswegen gibt es ja Baumarkt oder so tolle Bücher zu den Themen. Dann ist es, glaube ich, schon so, dass Innenarchitektur so eben im Rahmen von Ausstellungen oder Messen wahrgenommen wird. Also, wenn so diese IAA-Eröffnungen sind und man sieht dann so: oha, was es da alles gibt. (lacht) An großen Screens und Bühnen und mehrdimensional verformten Sachen. Und dann,

jw: Dass die Toilettentür nicht mehr zu geht, weil die Türen zu schwer sind. #00:32:39-5# mc: Das sind dann die echten Probleme der Innenarchitektur. #00:32:43-4# jw: Ja, da war ich ein bisschen enttäuscht von Herrn Zumthor, sonst war ich sehr begeistert, aber auf dem WC brach es dann runter. #00:32:49-4#

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mc: Ja, irgendwo hört es halt immer auf. Nee, aber ich meine jetzt eben von der Rezeption oder wie die Sachen dargestellt werden und .. oder sagen wir, bei der Architektur ist es ja auch so, was weiß ich, der Flughafen Berlin ist ja nur nicht pünktlich, aber was der, wie der aussieht, was der könnte, interessiert ja niemanden. #00:33:07-8#

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jw: Die Elbphilharmonie ist auch nur nicht fertig. #00:33:10-5#

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mc: Genau, und viel zu teuer. Und ... Ja, wie gesagt, bei der Innenarchitektur wird, glaube ich, schon eher mehr eben berichtet, aber auch so im Sinne von so dieser People-Journalismus. Der so und so in der neuen Bar, oder.. Und das ist, glaube ich, aber auch das Problem, würde ich so schon sehen, dass Innenarchitektur häufig eben auch als so ein Luxussegment gesehen wird. Und genauso, wie Architektur sich ja auch, wo man sagt: ja, für das normale Haus brauche ich ja keinen Architekten. Oder, Möbel rutschen kann ich auch selber. Und das ist das vielleicht wieder mit

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glaube ich, schon, dass Innenarchitektur häufig in den Medien etwas hergibt, weil man das ja überall braucht. Also im Filmset, im Studio, und sich die Sachen eben schneller ändern. Und bei Architektur kommt ja immer sofort Nachhaltigkeit, Behindertengerechtigkeit, Barrierefreiheit, ja, diese ganzen Gutmenschen-Themen. Graue Energie, so. Also, wenn man das in der Zeitung liest, geht Architektur praktisch nie um Form oder um Gestalt oder um Raum, sondern eben um diese sekundären Fragen, während halt bei der Innenarchitektur hat man schon das Gefühl, dass da öfter mal berichtet wird: die neue, der Club hat eine total tolle Einrichtung, oder das Licht ist da so, oder im Museum funktioniert das so. Das ist, glaube ich, die Innenarchitektur nicht in dem Sinne, unter diesem Druck steht. Wobei ich jetzt nicht weiß, ob das daran liegt, dass die Leute sagen: das ist ja eh wurscht. Das ist wie so eine Blume, die da irgendwie wächst, eine schöne, also, die Rose auf der, im einzelnen Beet. Und was aber selten ist, ist finde ich eben, um vielleicht wieder zum Ausgangspunkt zu kommen, dass man eigentlich verlangt, dass Häuser innen und außen zusammen gehen. Dass man das eigentlich sehr getrennt betrachtet und nur bei so sensationellen Sachen wie beispielsweise bei der Kolumba vom Zumthor, da wird das dann halt groß gefeiert. Also, bis hin, wie die Tür sich anfasst, und wie dann die Vitrine gemacht ist. #00:32:36-5#

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dem Site repair, eigentlich wäre ja, wenn man diese Normalität ernst nehmen würde, dann ist immens viel Platz da, Dinge normal zu machen, die dann eine bestimmte Qualität hätten. Das war, als wir hier in unser Büro neu eingezogen sind heuer, da haben wir es ja auch umgestaltet. Da ging es auch drum: wie macht man eigentlich für sich selber Räume? Auch mit bescheidenen Mitteln und ... im Prinzip vom Türschild bis zum Klo oder bis zum eigenen Zimmer. Und eigentlich ja auch ganz normal: ein bisschen Gipskarton, paar Siteco Lampen, und ein Lino, und das war es ja schon. #00:34:28-3#

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jw: Den Rest besorgen dann die Leute, wenn sie arbeiten.

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mc: Genau, weil man gibt denen ja sozusagen ein Umfeld, in dem sie sich hoffentlich eben, oder ich glaube schon, auch wohlfühlen und da haben wir gesagt, da machen wir eben gern die Innenarchitektur jetzt eben auch mal in dem Rahmen, den man da hat eben mit. Wobei ich eben das überhaupt nicht sagen würde: wir haben hier Innenarchitektur gemacht. Sondern: wir haben unser Büro halt eingerichtet. Und das kann man sagen. #00:34:51-5#

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mc: Aber in der Architektur sind es ja auch mehr Frauen als Männer. #00:37:59-8#

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jw: Ja, in der Ausbildung, aber nicht im Beruf. #00:38:06-7#

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mc: Ja, gut, weil ein Teil hört halt auf und dann, natürlich auch wieder das Klischee, aber, es ist ja so, dass, es sind Architektur (unv.) sind ja super schlecht bezahlte Jobs. Also, das ja Leute sich tot lachen, wenn sie hören, was jemand als Absolvent, als Diplom Ingenieur irgendwie verdient. Und dann glaube ich, dass manche, die clever sind, sich irgendwie überlegen, wie sie das weiter entwickeln und weil ich tendenziell Frauen für sehr clever halte, die da einfach ihre Wege finden und das gar nicht machen. Und dann etwas anderes. Dazu kommt natürlich diese ganzen Fragen: Familie, wer hört auf, wer steigt wieder ein? Aber das ist, glaube ich, dass der Schwund an Frauen nicht stattfindet, weil die niemand haben wollte, sondern weil die, glaube ich, selber sagen: also, Entschuldigung, das ist mir auf Dauer zu blöd. #00:38:53-0#

Unterbrechung #00:35:24-6#

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mc: So, Faden verloren, wo waren wir? Büro hier. #00:35:26-6#

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jw: Ja, keine Innenarchitektur. #00:35:28-9#

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mc: Ja! Und das eben diese Grenze, zu sagen, ist das jetzt Innenarchitektur oder, man hat ja auch Wände eingebaut und Strom und Lüftung. Also... #00:35:35-4#

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jw: Eigentlich schon. #00:35:38-1#

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mc: Ist es. Ist aber auch eigentlich, deswegen finde ich eben diese Abgrenzung so ein bisschen ... das ist halt eher auch so eine berufsständische Idee. Also, genau wie Landschaftsarchitektur ja auch. Und dann das Gefühl hat, also, gerade diese Schnittstelle zwischen den Sachen häufig nicht so richtig gut funktioniert. Und die Landschaftsarchitekten vielleicht ein bisschen ausgeschlafener sind als die Innenarchitekten, weil die halt immer erzwingen, dass sie mitmachen dürfen. Also, bei jedem Wettbewerb muss ja der Landschaftsarchitekt mitmachen, man könnte auch sagen, bei einer Schule muss auch ein Innenarchitekt mitmachen. Also, wäre theoretisch ja genauso denkbar. Aber da gibt es halt keine Vertretung, die das halt politisch irgendwie erzwingt. #00:36:20-2#

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jw: Ja, die gibt es leider nicht. Eigentlich schon, aber... Ja, gehe ich mal lieber schnell zum nächsten Thema: die Frauen. Wie viele Frauen arbeiten in Ihrem Büro? Und als was?

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jw: Also, ich mache es halt, zur Erklärung kurz, ich mache es mir jetzt halt zum Thema, weil Innenarchitektur gerne mal als Frauenberuf dargestellt wird. Es fällt auch oft an der Hochschule auf. Also, wir haben Jahrgänge, da sind nur Frauen. #00:37:55-8#

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mc: Also, muss ich irgendwie durch zählen. Wir haben im Moment, also zwei Partner, eine Geschäftsführerin, also, ein Drittel Frauen in der Geschäftsführung praktisch. Dann haben wir drei, also wir haben ungefähr dann genau fiftyfifty. Hatten aber lange Zeit viel mehr Frauen als Männer. Aber das hat sich jetzt einfach geändert, weil eine gegangen ist und ein Typ dafür kam. Aber an sich spielt das bei uns überhaupt keine Rolle. Also, wir hatten eine Zeit lang zum Beispiel, natürlich auch wieder Klischee, waren M. und ich die einzigen Männer. Und dann nur Frauen. Eine Zeit lang waren es dann fast nur Typen. Aber das ist, also, finde ich, weder Geschlecht noch Nationalität hat irgendwie eine Relevanz in dem Gebiet. Das wundert mich, dass das manchmal so zum Thema gemacht wird. Weil eigentlich Frauen auch viel besser sind. #00:37:37-5#

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jw: Ok, das wäre auch meine nächste Frage: wie sehen Sie Frauen in der Branche? Also, sie sind da manchmal schlauer. #00:39:01-4# mc: Also, es ist schon so, dass ja auch, dass in den, die Büroinhaber praktisch relativ wenig Frauen sind. Ich habe nur die Erfahrung gemacht, dass zum Beispiel Frauen, die ein paar Jahre gearbeitet haben oder auch die super Diplome hatten, dass da sehr viele zum Staat gehen, also in die Bauverwaltung. Weil das einfach die Bombenjobs sind, also, was Geld, also, wenn man jetzt nicht das Gefühl hat, man muss sich selbst verwirklichen und sein Name muss


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in den Heften stehen. Dann ist man als Regierungsbaumeister gut aufgehoben und wenn das der Mann auch noch macht, dann hat man halt mit irgendwie Ende Mitte Ende 30 so viel Geld, dass man sich auch in München eine große Wohnung leisten kann. Und das hat man als Architekt halt nie. Und hat den Vorteil, dass, wenn man da eben Familie und Beruf wirklich vereinbaren kann. Weil da gibt es unendlich viele Halbtagsjobs. Und ich habe ja den Regierungsbaumeister gemacht und da sind eben einige davon, die sind dann mit dem Mann mal zwei Jahre nach Mexiko gegangen, dann wiedergekommen, wieder einen Job bekommen. Dann noch ein Kind bekommen, dann nur halb, dann wieder gar nicht, jetzt wieder voll. Und das ist in einem normalen Büro, glaube ich, nicht drin, in einem großen vielleicht. Aber nicht zu den Bezügen. Und deswegen glaube ich, dass da viele Frauen den Weg wählen, weil sie auch verantwortungsvolle Posten haben und es im Moment so ist, dass man, wenn man in der Verwaltung weiblich ist, auch extrem gute Aufstiegschancen hat. Und das finde ich auch gut so. Und das deswegen, glaube ich, sich das so ein bisschen den Freiberuflern eben unterscheidet.

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jw: Würden Sie sagen, dass man ein Design oder eine Gestaltung als typisch weiblich bezeichnen kann? #00:40:45-9#

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mc: (...) Eine Gestaltung, als Ergebnis? #00:40:52-3#

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jw: Ja, als Ergebnis. #00:40:52-7#

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mc: Dass man erkennen kann aus einer Gestaltung, ob sie von einer Frau oder von einem Mann gemacht ist? #00:40:57-6#

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jw: Zum Beispiel. #00:40:56-8#

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mc: (...) Also, wenn sie gut ist, glaube ich nicht. #00:41:03-5#

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jw: Wenn es schlecht ist, dann schon? #00:41:04-5#

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mc: Na ja, also wenn man so, also, ich meine, ein Design von Eileen Gray kann man qualitativ nicht unterscheiden, als wenn es von Marcel Breuer wäre oder so. Das ist, finde ich, völlig außerhalb. Dass in dieser Society-Design von Mode bis hin zu Innenarchitektur es vielleicht, sagen wir mal, Klischees gibt, die da von Frauen eher bedient werden. Oder von Männern. Das mag sein, aber, wie gesagt, in der ernst zunehmenden Innenarchitektur oder Design würde ich, glaube, dass man das nicht unterscheiden kann. Oder? Oder finden Sie ein anderes Beispiel? #00:41:37-8#

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jw: Nee, das war einfach meine Frage, bei der ich wissen will, wie die Leute reagieren. Spiegelt nicht meine Meinung wieder. Nur so als Frage. Das waren nämlich schon alle meine Fragen. Ich habe jetzt noch eine Bonusfrage. Das ist ein Thema, mit dem ich mich

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am Rande beschäftige und mal gucken, wo es mich hinbringt. Welchen Einfluss meinen Sie, wird das Rapid Prototyping beziehungsweise der 3D-Druck auf Ihre Arbeit haben? #00:42:09-2# mc: Auf unsere als Architekten? (...) Also, bisher relativ wenig. Das liegt aber nicht daran, weil man das nicht kennt oder weil man das nicht kann. Sondern, weil die Schnittstelle zwischen, sagen wir mal, 3D drucken als Modell und 3D drucken in real einfach noch nicht da ist. Also, in dem Moment, wo man 3D real drucken kann und den Brandschutz und den Schallschutz und alle diese Kriterien, die man hat, damit einhalten kann, ist da, glaube ich, schon auch Musik drin. Im Moment ist es ja nur so, dass man ja im Rhino oder im Computer die wunderbarsten Formen, wenn man will, erzeugen kann, sie dann irgendwie ausdruckt und sich dann wundert, wie es weitergehen soll. Und das ist etwas, also, ich hatte an der Uni so einen Experimental-Pavillon mal gemacht aus ultra-hochfestem Beton, wo es um so 12 Millimeter dünnen Beton ging, und da haben wir das Zeug auch alles gedruckt, diese ganzen Modelle. Und dann schaut man sich das an und wunder was, und am Schluss wird es halt dann doch relativ schnell wieder flächig, und irgendwie 2D gekrümmt, damit man das auch bearbeiten und montieren kann und größer als einen Experimental-Pavillon wird es dann auch nicht, weil dann der Brandschutz irgendwie sagt, oder keine zugelassenen Materialien. Also, da glaube ich, dass da noch ein langer Weg ist. Und im Moment kann man halt Schlüsselanhänger herstellen und Action-Figuren, das ist auch toll. Aber für die normale Arbeit, glaube ich, dauert das noch. Ich meine, es gibt ja Leute, die sich intensiv damit beschäftigen, der Luc Merx aus Aachen, wenn Sie den kennen? Der macht so, ja, auch Lampen und den interessiert diese Frage der, er nennt das irgendwie Rokokorelevanz, wie diese Rokaien und diese Formgebung sich mit den heutigen Produktionsprozessen verbinden lassen oder weiterentwickeln lassen oder irgendein Vergleich. Und der hat zum Beispiel für diese, für so eine Firma, die eben so Rapid Prototyping macht, Lampen gemacht, wo sich dann, glaube ich, auch Brad Pitt eine gekauft hat oder so. Wo man auf jeden Fall, es kann. Aber, sehr viel größer, also, über so Lampen oder Wandornamentik kommt man dann nicht raus. Und das andere ist, dass ich mir nicht sicher bin, ob Architektur sich so wandeln wird in diese, letztendlich sind es ja diese biomorphen Formen, die da kommen, weil das, glaube ich, einfach kein Mensch braucht. Also, das wäre so die ... und diese Ergebnisse, wenn man sie gebaut sieht, stimmen eigentlich auch sehr bescheiden. Also, es gibt jetzt gerade so ein Experiment, wo die an der ETH Zürich, beim Hovestadt plotten die so eine ganze Grotte aus Sandstein, der Benny Dillenburger und der Maik, und da ist es aber auch so, dass mit Hochtechnologie das irgendwie gemacht wird, und jetzt bringen sie irgendwann mal irgendwie sechs Quadratmeter zusammen. #00:45:12-3#


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jw: Vielleicht. Wenn es hält. #00:45:14-2#

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mc: Vielleicht, genau, wenn es hält. Man ist sich da nicht so sicher. Und von der Form her ist es eben so, dass es zwar über diese mathematischen Prozesse zu so etwas ganz Skurrilem wurde, aber qualitativ sich, finde ich, nicht von bestimmten, sagen wir mal so, Rokokogrotten unterscheidet. Und da ist eben die Frage: wenn es einem, glaube ich, gelingt, was zu erfinden, für was man das wirklich braucht, dann macht das sicher Spaß, oder wenn so Themen, wie zum Beispiel: der Übergang von Stütze zur Decke, wenn der als Kapitell oder was geformt werden sollte, dass man da etwas damit machen kann. Das glaube ich schon, aber das dauert sicher noch ewig. Und das andere ist ja, als diese Laserschneidtechnik kam oder das Drucken oder so, dann wird das halt mal gemacht, jetzt hat jeder halt irgendwie so ein geschnittenes Ornament an seinem Balkongeländer oder in der Thermohaut, aber eigentlich im Kern ändert sich da auch nichts. #00:46:10-5#

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jw: Ja, es gibt ja Leute, die sprechen von einer neuen industriellen Revolution. Also, nach der Dampfmaschine jetzt der 3D-Drucker. Weil halt die Produktion wieder verlagert wird von vormals bei der letzten vom Handwerker in die Fabrik, und jetzt geht es von Fabrik zu den Leuten nach Hause. #00:46:31-5#

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jw: Ja, das ist wahrscheinlich so. #00:49:08-3#

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mc: Also, deswegen, wäre ich da mal gespannt. #00:49:13-5#

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jw: Und, in Ihrer eigenen Arbeit, beschäftigen Sie sich mit innovativen Materialien und Herstellungsprozessen? Ich meine, es gibt die Architekten, die sagen: Holz, Glas, Metall, Stein. #00:49:27-2#

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mc: Das ist etwas, was ja schon seit jetzt vielen Jahren verkündet wird. Bei Turnschuhen vielleicht schon langsam funktioniert, oder auch nur so la la, da gibt es die Farbe halt anders und nicht den Schuh selber. Und bei, wo funktioniert es denn noch? Ja, bei so Gadgets, die man irgendwie sich bestellen kann. Aber bei... #00:46:54-6#

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jw: Müsli. #00:46:56-5#

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mc: Genau, bei Müsli. Aber letztendlich ist es halt eine Mischung, die dann in der Röhre verpackt wird und ein Aufkleber drauf gemacht wird. Aber das es wirklich, interessant wird es ja, wenn man, was weiß ich, seine heiße Pizza durch das Telefon bekommt. Aber, das ist noch weithin, glaube ich. Und ich glaube, dass eben, die Architektur ändert sich nicht durch ein Produktionsverfahren, sondern über Denkweise. Und so wie die Erfindung des Stahls oder des Betons die Architektur ja auch nicht völlig auf den Kopf gestellt hat, also, man geht immer noch meistens unten rein, dann geht man eine Treppe hoch und dann kommt eine Decke und dann gibt es irgendwo ein Fenster. Und das ändert sich halt formal ein bisschen, aber ... ich glaube nicht, dass eben die Produktionsweise zu einer völligen Umkehrung führt. Und das andere ist, dass ja Architektur etwas extrem Träges ist, dass man ab und zu ja diese Häuser dann sehen wird oder auch jetzt schon sieht, aber viele Leute, glaube ich, auch in ihren Konventionen gefangen sind und sagen: ich finde es eigentlich ganz gut, wie es

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jw: Das stimmt, das ist ja bei dem normalen Einfamilienhausbau, gern im Fertighausbereich, da sieht man ja, was die Leute sich dann aussuchen, wenn sie alleine entscheiden dürfen. #00:48:23-8# mc: Und das Erstaunliche ist, finde ich, jetzt wieder zurück zur Innenarchitektur, wenn man diese Möbel XXL Lutz oder Segmüller oder so mal anschaut, da denkt man sich: jetzt ist ja endlich die Moderne angekommen bei den Leuten. Es gibt ja nur noch glatte, orthogonale Sachen. Also, so dieses, was früher so diese geschnitzten Dinger waren, das ist ja alles weg. Und dass sozusagen, auf einmal diese, das Gerade jetzt ja hip ist. Also, beim Volk. (lacht) Und ich wüsste nicht, was man sich, jetzt wenn man es sich ausdrucken könnte, wenn man Leute fragt: Druck dir doch dein Wunschmöbel selber aus. Was die sich ausdrucken würden. Wahrscheinlich würden die sich genau das ausdrucken, was sie halt kennen. #00:49:06-8#

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ist. Also, man will ja vielleicht nicht immer in dieser Höhle sein. Vielleicht, wenn man in einem Dachgeschoss aufgewachsen ist, sich nicht vorstellen kann, dass man eine gerade Wand hat. #00:48:15-1#

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mc: Also, wir beschäftigen uns, glaube ich, wenn es geht mit allem. Mit dem man die Dinge machen kann, die uns interessieren. Das normalerweise, weil man ja immer noch einen Kunden hat, der auch irgendwie seine Wünsche oder Konventionen hat, und es eine Menge Anforderungen gibt, die man erfüllen muss, sind halt Dinge, wie Beton, Stahl, Glas erst einmal naheliegend. Und dass, sagen wir mal, das Einsetzen von experimentellen Materialien meistens eher etwas ist, was man auf Grund technischer Fragen eher halt innen verwendet. Das heißt, die Innenarchitektur kann leichter mal irgendwelche, ich weiß nicht, vor zehn, fünfzehn Jahren, als diese ersten gefrästen Oberflächen kamen, oder geschäumte Sachen, oder, findet halt eher drinnen als draußen statt. Also, bis es sich jemand eben draußen traut, eine Plastikoberfläche zu machen oder so wie Jürgen Mayer H. alles mit diesem Gummikunststoff zu überziehen, glaube ich, ist es so, dass man es, also, wie gesagt, es interessiert uns, aber es ist eben fast nicht möglich, die Sachen zu verwenden. Weil eben entweder Zulassungen fehlen, es niemand will, es zu teuer ist, und weil man die meisten, sagen wir mal, architektonischen Fragen natürlich auch mit den Materialien lösen kann, die es


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gibt. Und wir, sagen wir mal vielleicht anders herum, auch nicht so dogmatisch sind, dass wir sagen, auch bei diesem Jugendzentrum, das ist ja ein Holzbau, aber diese Fertigteilstützen sind eben aus Beton. Weil, aus Holz würde das so nicht funktionieren formal. Dann sind hier unten diese Abstandshalter für das Wasser und so, und dann sagen wir: nö, kann man ja durchaus mischen. Vielen Kollegen sagen, das darf man natürlich nicht und das ist unehrlich. Und diese Debatte interessiert uns halt überhaupt nicht. Also, diese Materialverwendung als Moralfrage. Und deswegen, wenn jetzt ein Vertreter hereinkäme, der sagt: das kann man so und so machen. Dann schauen wir uns das auf jeden Fall mal an. Und auch diese Thermohaut-Thematik,

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wenn man das schon machen muss, muss man halt auch etwas daraus machen. Deswegen ist ja zum Beispiel auch das in Bad Tölz, das ist ja auch Thermohaut, auch wenn es vielleicht nicht so aussieht. Also, das man sagt, wenn man jetzt schon mal diese Keile machen kann, diese Schrägen, dann macht man das halt auch. Und jetzt machen wir gerade in Starnberg so ein Projekt, wo das so freier geschwungen ist, wo das dann so gefräste Teile sind, also, wo man eben diese Technologien, die es gibt, doch auch schon verwendet. Genau. #00:51:59-2#

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jw: Gut, das war es, das war alles, was ich wissen wollte.

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Interview mit ks und db ks: weiblich, db: männlich, Leipzig, Innenarchitekten

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jw: Meine erste Frage: was steht auf Ihrer Visitenkarte?

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ks: Der Name. #00:00:07-0#

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jw: Und als Beruf? Was haben Sie da drauf geschrieben?

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db: Diplom Ingenieur für Innenarchitektur. #00:00:13-5#

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ks: Mhm (bejahend). Genau. Wir haben uns an die Berufsbezeichnung gehalten, um dort mit niemandem in Schwierigkeiten zu geraten. Einfach aufgrund der Tatsache, dass wir direkt nach dem Studium ja nicht in die Kammer eintreten konnten, oder eingetreten sind. Und das gar nicht thematisieren wollten. Und, ja, somit steht das einfach drauf. #00:00:33-5#

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jw: Ok, genau, das wäre nämlich gleich die zweite Frage: wie sind Sie dahin gekommen? Also, Sie haben einfach Innenarchitektur studiert. #00:00:40-4#

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ks: Genau. #00:00:44-0#

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jw: Gibt es gar nicht so viele auf meiner Liste der Interviews. #00:00:45-2#

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ks: Die Innenarchitektur studiert haben? #00:00:46-6#

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jw: Die es wirklich so studiert haben und, also, dann einen relativ geraden Weg, würde ich jetzt mal sagen. #00:00:54-0#

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ks: Ja, ich kenne Ihre Liste nicht. (lacht) #00:00:55-1#

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db: Ist das eher im Umkreis von Halle, oder was? #00:00:57-1#

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jw: Nee, gar nicht. Also, ich habe, mein Mentor hat mir aufgetragen, ich darf mit niemandem sprechen, den ich kenne. Und deswegen musste ich das ein bisschen von Halle lösen. Ich war in Berlin und in München. #00:01:14-8#

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ks: Ja, da habe ich auch keinen Einblick. Wir kennen auch wenig Innenarchitekten. #00:01:20-5#

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db: Und wir wissen auch nicht genau, was unsere ehemaligen Kommilitonen alles machen. Also, ob die jetzt wirklich, also, wir wissen es von L., die arbeitet in Basel am Theater, aber ansonsten, was die anderen machen, ob die noch einmal etwas anderes studiert haben oder was. Keine Ahnung. #00:01:32-5#

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ks: Ich glaube, dass die meisten schon in dem Beruf stecken geblieben, was heißt stecken geblieben, in dem Beruf drin geblieben sind. Nee, wir haben ganz klassisch Innenarchitektur studiert. Und deswegen hat sich die Frage nach der Bezeichnung auch nie gestellt. Wir haben auch nie groß überlegt, was jetzt, welche Berufsbezeichnung da geeigneter wäre oder so. #00:01:58-3# jw: Wieso haben Sie sich dafür entschieden, Innenarchitektur zu studieren? #00:02:01-5# db: Ich hatte vorher eine handwerkliche Ausbildung, ich habe Schreiner gelernt nach dem Abitur. Und für mich war es dann relativ schnell klar, dass ich das auch nicht weiter machen wollte oder zumindest daraus etwas machen wollte und das als Basis zu benutzen. Ja, und dann, hatte ich wahrscheinlich, ja, ich hatte von der Schneeberg Hochschule gehört, wo eher so eine holzlastige Gestaltung stattfinden sollte und von dieser ehemaligen Kunsthochschule der DDR und dann war mir eigentlich relativ schnell klar, dass ich dahin wollte. Also, nach Halle, nicht nach Schneeberg. #00:02:41-2# ks: Ich habe mich, also, ich wusste, dass ich immer etwas mit Gestaltung machen wollte. Und dass es aber kein zu freies Terrain, wie jetzt Kunst oder dergleichen, sein würde, weil ich auch eher ein bisschen logisch geprägt bin. Und da habe ich dann irgendwann in Richtung Architektur so das gesehen, wo ich das am besten verbinden kann. Einen kreativen Ansatz und aber auch etwas Logisches, etwas Vernunftbegabtes. Und reine Architektur hat mich nicht so interessiert, mich haben Räume interessiert. So kam das. Aber, ich finde auch, das ist ein, wenn ich zurückblicke in die Zeit, wo man sich für eine Berufswahl entscheidet, wenn man eine Berufswahl trifft, das ist ja eine Glückssache. Also, du weißt ja nicht, was dich erwartet, wenn du in einen bestimmten Beruf hineinguckst. Und ich hatte bestimmt nicht das Bild in der Form von Innenarchitektur, wie wir das jetzt ausüben. Auch in der Bandbreite, das hat man nicht, man hat dann einfach Glück, wenn das passt, und sich das alles so öffnet und ergibt. Und ich kann auch vollkommen nachvollziehen, dass Leute studieren und dann den Beruf wechseln. Wir haben letztens von einer Praktikantin gehört, die hat bei uns vor vier Jahren gearbeitet, die hat danach dann umgesattelt und ihre Krankenschwesterausbildung gemacht und die macht jetzt Ärztin. Das gibt es auch. Doch, ich denke, das klappt, ja. #00:04:27-0# jw: Ich habe das mal anders herum gehört, von Professor Stief, der sich für Zahnmedizin beworben hat


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ks: Das hat er uns nie erzählt. (lacht) #00:04:35-6#

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jw: Aber dafür hat es nicht gereicht. #00:04:38-6#

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db: Das ist auch gut so, dass er Innenarchitekt geworden ist, oder Professor geworden ist. #00:04:43-4#

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jw: Na gut, dann geht es also auch so herum. Ja, wie ist denn so Ihr Tätigkeitsprofil? Also, ich habe das ja schon, ich habe natürlich schon ein bisschen geguckt, fand das jetzt auch interessant mit dem Setdesign und solchen Sachen. Also, noch einmal vielleicht so aus Ihrem Mund.

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ks: Ja, aus unserem Mund: wir haben halt ein recht breites Portfolio, oder wir haben versucht, uns recht breit aufzustellen. Einfach aus verschiedenen Gründen, zum einen weil es sich so ergab, man hat natürlich so ganz klassische Ansätze in der klassischen Innenarchitektur, sei das in dem öffentlichen Bereich irgendwelche Raumgestaltungen für ein Unternehmen oder dergleichen, oder sei das ein Privatkunde, der einen Raum oder ein Haus gestaltet haben möchte und dann ergaben sich aber für uns halt andere Bereiche wie zum Beispiel die Ausstellungsgestaltung. Dass wir eine Ausstellung machen konnten und für die Stiftung Moritzburg in Halle arbeiten konnten. Und ein dritter Bereich, den wir auch übers Studium kennengelernt hatten, ist das Setdesign, also, Entwürfe für das Fernsehen zu machen, für Fernsehstudios. Und den Faden haben wir halt auch danach aufgegriffen, als wir uns selbstständig gemacht haben. Und das Schöne ist, empfinden wir das eigentlich immer, dass du wechseln kannst. Wenn du ein Jahr lang mit einem Projekt in einem bestimmten Bereich betraut warst und eng mit einem Museum und Kuratoren und Wissenschaftlern aus der Ecke zusammengearbeitet hast, dann ist es eine große, eine schöne Abwechslung auch mal mit einem Menschenschlag aus einer anderen Richtung zu arbeiten und für einen anderen Bereich tätig zu sein. Abgesehen davon ist es auch ein bisschen krisenfester, dass man nicht von einem einzelnen Wirtschaftszweig quasi abhängig ist. Ja. Ist das so? Es ist ja auch sehr unterschiedlich, wenn man für private Bauherren arbeitet, dann haben die extrem viel Zeit, also nehmen sich viel Zeit dafür, wollen auch entsprechend viel Zeit mit dir verbringen und mit dem Prozess sich auseinander setzen. Wenn man für eine Institution arbeitet, hat ein Geschäftsführer selbst die Uhr ticken und möchte halt in einer möglichst kurzen Zeit möglichst viel geklärt wissen und das verschlankt auch bei uns entsprechend so eine Bearbeitung. Und somit hat jeder Bereich so seine, nicht nur im Entwurf oder in der Aufgabenstellung, sonder auch in der Bearbeitung, so Vor- und Nachteile und verschiedene Merkmale. (...) #00:07:19-9#

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db: Es geht aber eher um Bestands-, also, wenn es um die klassische Innenarchitektur geht, dann eher um, dann setzen wir uns eben mit Bestandsräumen auseinander. Es geht jetzt für uns nicht so sehr um das Neubauen. #00:07:31-4# ks: Nee, Neubauen selber nicht, es sei denn, im Zusammenarbeit mit einem Architekten, wie bei der Leuchtenburg. Wo zum Beispiel ein neues Besucherzentrum von einer Architektin geplant worden ist und wir die Innenarchitektur dazu machen konnten. #00:07:45-5# db: Das ist aber, genau, und wir konnten auch noch ein Stück weit in die Architektur eingreifen, Eingänge verändern, um die Abläufe zu modifizieren und zu optimieren. Das ist aber eher eine Ausnahme und ein Glücksfall. Ansonsten stehen die Teile, stehen die Gebäude bereits und die Räume sind fertig und dann geht es darum, da das Letzte rauszuholen. #00:08:03-9#

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jw: Ok, ja, wie definieren Sie für sich selbst Innenarchitektur? #00:08:11-1#

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ks: Haben wir uns dazu schon einmal Gedanken gemacht?

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db: Über die Innenarchitektur? #00:08:19-0#

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jw: Das ist vielleicht eine ein bisschen schwere Frage...

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db: Das ist im Prinzip alles, was unser Lebensumfeld betrifft und was tatsächlich Einfluss auf Verhalten im Raum hat. Mit den Dingen beschäftigen wir uns. Also, das fängt beim Licht an, hört beim Material irgendwann auf.

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ks: Das hast du schön gesagt. #00:08:40-9#

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db: Sollten wir vielleicht auf die Website stellen. (lacht) Wir suchen immer möglichst abstrakte Zitate für die Website, damit man eben nicht über die Innenarchitektur spricht, sondern um so eine abstrakte, oder, ja, um so eine Wolke. Ich weiß nicht. #00:09:00-0#

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jw: Und wie würden Sie es der Großtante bei der Geburtstagsfeier erklären? Die jetzt keine Ahnung hat von Design und Gestaltung. Weil die denkt ja, wir suchen die Vorhänge aus. #00:09:12-9# ks: Ja, das stimmt. Wir versuchen da immer klar zu machen, dass es bei Innenarchitektur halt nicht nur um die Oberfläche und das letzte, oder die letzte Entscheidung für den Vorhang oder den Stoff und die Farbe geht, sondern dass es tiefer greift. Und man schon über die Raumstruktur, über die Abläufe, wie welche Zusammenhänge ange-


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legt sind, dass man darüber schon eine Raumerfahrung quasi erst anlegt. Und, ja, aber das ist schwer, dass der Oma zu erklären. Deine Oma fragt auch immer. #00:09:53-5#

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db: Ich glaube, die würde sich mit der Erklärung vielleicht zufrieden geben, mit den Vorhängen. Und um das Gespräch einfach abzukürzen (lachend) würde man bei den Vorhängen hängen bleiben. Also, ich meine, die Grundrisse an sich sind ja, also, wenn man so diese Strukturen beeinflussen kann, dann ist es ja in erster, das interessante Thema für uns eigentlich. Weil der Rest ist dann a, geschmäcklerisch, da hat man dann oftmals, macht man eine Breite auf, und der Kunde entscheidet sich für irgendetwas, für eine Farbe, für ein Material, das hat dann oft, das muss dann nicht zwangsläufig etwas mit unserem Geschmack zu tun haben, ist dann auch schlecht irgendwie argumentierbar bis ins Letzte. Aber so ein Grundriss, der jetzt mit deinem Verhalten im Raum und mit den Abläufen, der könnte ja quasi messbar sein, die Qualität darin. Deswegen ist die Grundrissarbeit eher so eine spannendere für uns, als am Ende so einen Vorhang auszusuchen, kommt aber auch vor. #00:10:47-9#

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db: Also, bei so Projekten fangen wir eigentlich immer mit der Atmosphäre an, oder wir wollen ja eigentlich Atmosphären schaffen. #00:13:03-5#

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ks: Das ist jetzt die ganz andere Ecke. #00:13:04-2#

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db: Nee, aber es ist ja zum Selbstverständnis, oder zum Aufgabenfeld Innenarchitektur, egal, vielleicht kommen wir ja noch drauf. #00:13:12-6#

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jw: Nee. #00:13:16-0#

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db: Nee? Also, ich meine, das Grund, wir sind ja im Prinzip, der Vorhang und der Grundriss sind ja Zutaten, um am Ende einen Gesamtklang, also die Atmosphäre und eine Schwingung zu erzeugen. Und die werden, diese Spanne, um eine bestimmte Atmosphäre zu erzeugen und die Zutaten, die werden ja am Ende immer feiner, immer kleiner und dazu, und deswegen ist es eigentlich am Ende auch fast egal, ob der Stuhl jetzt der Stuhl ist oder der Stuhl, solange er sich in einer bestimmten Machart oder in einem bestimmten Material oder einer bestimmten Farbe bewegt, so. #00:13:46-0#

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ks: Wobei das ja eigentlich, also, das trifft schon auch so ein Kernproblem von der, man rettet sich so auf den Grundriss, aber eigentlich kann man ja auch das so sehen, dass der Innenarchitekt ja gerade zuständig ist für so einen kompletten Raumklang. Also, wenn du es historisch betrachtest, dann werden die Räume ja zu Ende erzählt. Heute trennt man das jetzt manchmal auf und hat projektbezogen auch manchmal nur die Chance in Anführungszeichen die Struktur zu beeinflussen und will sich auf das Geschmacksterrain gar nicht drauf bewegen. Bei anderen Geschichten geht es aber von der Struktur bis hin zum Ausgestalten der einzelnen Möbelelemente, und das ist ja eigentlich auch die Bandbreite, die über den Innenarchitekten abgedeckt werden kann, und im Idealfall wir das ja auch zusammen... #00:11:43-8#

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db: Ja, es ist nur so, dass es... #00:11:43-7#

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ks: Nicht bei jedem privaten Bauherren geht man diesen Prozess von Anfang bis Ende dort gemeinsam. Es ist ja auch die Frage, wann du einbezogen wirst. Manchmal bist du, sind alle Entscheidungen leider schon getroffen und derjenige fragt wirklich nach den Farben und den Vorhängen alleine, und die fallen viele Sachen auf, die hätten anders gemacht werden können. Wo man dann selber entscheiden muss, wie weit man das noch ansprechen möchte und kann. In einem anderen Fall ist es so, dass man relativ früh einbezogen wird, und das natürlich viel mehr Spaß macht und auch einen größeren Nutzen bringt (..) noch die großen Hebel anzusetzen, Grundrisse, Abläufe, mit zu beeinflussen. Um überhaupt auch eine Möblierbarkeit herzustellen. Natürlich stellen wir auch oft fest, dass in der

Grundplanung die Möblierbarkeit oder die Abläufe in dem Raum noch nicht berücksichtigt worden sind. Dass es erst einmal nur um ein Gebäude, oder eine Hülle, oder einen Standard ging, der sich irgendwann mal etabliert hat, der aber nicht mehr hinterfragt wird. #00:12:54-7#

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ks: Ja, ich sage mal, das mit der Atmosphäre, das umreißt ein Idealprojekt, ne. Da muss man ja auch in der, also, in der idealen Welt wäre das so, dass man von Anfang bis Ende mit einem Team von einem Architekten und entsprechenden anderen Mitarbeitern das, diese ganzen einzelnen Bereiche so bearbeiten kann, dass tatsächlich so eine komplette Welt entstehen kann. Mit einer entsprechenden Atmosphäre. #00:14:19-4# db: Ja, es ist ideal. Und trotzdem, wenn wir mit einer Möblierung beauftragt sind, wo die Grundrisse festgelegt sind, versuchst du ja trotzdem aus dem Zusammenklang von Bespielung, vom Kunden, also, dem Menschen in der Szene und dem Grundriss am Ende irgendetwas Erzählbares oder Fotografierbares oder eine Vorstellungswelt rauszuholen. Das ist ja dieser atmosphärische Klang, selbst wenn du nur Salz und Pfeffer am Ende als Zutat dazu bringst. Das ist ja quasi das Leitbild, dem wir so folgen. Ansonsten wird es irgendwann relativ willkürlich. #00:14:57-4# ks: Es ist ja auch so schwierig, weil du, es ist ja auch ein sehr visuelles, also, das, was man sieht von Innenarchitektur, nämlich in Zeitschriften und so weiter, ist ja erst einmal nur ein visuelles Bild, also, das sind Fotos und es sind dann bestimmte Farbklänge, die vorherrschen, aber das


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tatsächliche Erleben im Raum ist ja etwas anderes. Und ich finde auch spannend, dass, auch im Gespräch mit anderen, mit einem Architekten zum Beispiel letztens, merkst du, dass manchmal Dinge, die auf dem Foto nicht funktionieren, oder die im Grundriss nicht sauber aussehen, aber für so ein Raumerlebnis eine große Bedeutung haben, also, dass es einen anderen Charakter herstellt, und, obwohl man das im Grundriss anders machen würde, dass irgendein Zauber hat, wenn das dort einen Versatz in der Wand hat. Im Altbau zum Beispiel. Und, das ist ja etwas, wo man auch noch, wo man tatsächlich hinterfragen muss, was das Ziel ist, von der Arbeit, ob man dann halt das Projekt macht und das entwirft, um ein bestimmtes Bild, also, ein bestimmtes Foto herzustellen, oder ob das um, wie man dieses Ziel der Atmosphäre oder dessen, wie man sich in dem Raum bewegt und wie man das dort wahrnimmt, definieren kann. #00:16:19-8#

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ks: Wir haben nicht viele Sachen veröffentlicht jetzt von eigenen Projekten bis jetzt, deswegen kann ich das nicht, also, ich kann das insofern nachvollziehen, wir haben unsere Küche, die haben wir mal in verschiedenen Zeitschriften drin, und da erleben wir es aber als so, da passt es für uns, weil die immer in einem größtmöglichen Kontrast steht zu den anderen Projekten. Das ist in einem Buch veröffentlicht, da hat man davor und dahinter 100.000-EuroEntwürfe und dazwischen ist unser Holzklumpen. #00:18:53-3#

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db: Das war ja liebevoll. (lacht) #00:18:58-5#

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ks: Und da passt das für uns. Weil das nicht, es entzieht sich diesem Trend, oder diesem Raster von hochwertig und wird zu einem festen Bild. Wir sind da auch immer auf der Suche, wir lesen ja auch klassische InnenarchitekturMagazine wie die AD oder so eine eigentlich für Zahnärzte gemachten Zeitschriften. Aber, weil da auch irgendwie, da wiederum ja immer auch es um die Person ein Stück weit geht, nur ist halt die Auswahl der Projekte keine umfassende logischerweise, sondern aus einem bestimmten Milieu, aus einem bestimmten Bereich. Was gibt es da noch zu sagen, zu diesen Medien? #00:19:59-8#

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jw: Das ist eine sehr schöne Überleitung zum nächsten Thema. Da geht es nämlich um die Medien. Genau. Und dann drehe ich das kurz um, wo wir gerade bei den Zeitschriften waren. Das finde ich nämlich sehr spannend, wie die Innenarchitektur in Medien dargestellt wird. Wie nehmen Sie das wahr? #00:16:39-9#

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ks: Ja, da ist man auch irgendwie extrem skeptisch. Weil, uns langweilen halt diese Hochglanzgeschichten. Wobei ich das gleichzeitig auch an mir als einen Trend wahrnehme, dass man gelangweilt ist von Hochglanz. Weil es ja auch inzwischen auch Zeitschriften gibt, die eben nicht Hochglanz abbilden. Also, Apartamento und, wo halt nur belebte Szenen abgebildet werden. Das ist aber auch ein Trend. Und insofern versucht man das immer ein bisschen zu hinterfragen. Also, sowohl die eine als auch die andere Richtung. Jetzt mit der Vielzahl von Readymade-Räumen, die auftauchen, ist das auch wieder etwas, wo man plötzlich eine Sehnsucht entdeckt nach einer Komplettgestaltung. Ich glaube, dass das eigentlich ständig im Wandel ist, und man halt nur merkt, dass man extrem schnell gelangweilt ist von Sachen, die sich als zu (...) die sehr trendig sind und als zu endgültig präsentiert werden. Und davon ist aber das Bild der Innenarchitektur, glaube ich, sehr geprägt. Also, dass wir, komischerweise beziehen wir das auch gar nicht auf unsere Arbeit irgendwie, also, wissen Sie, was ich meine? #00:17:55-6#

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jw: Ich ahne. Aber, ich finde es eben auch. Also, ich habe, ich betrachte solche Magazine halt auch immer irgendwie von außen. Also, nicht, also, ich finde es auch manchmal komisch, wenn in so einem Magazin dann mal ein Projekt auftaucht, an dem ich mitgearbeitet habe, zum Beispiel. Und das ist ganz seltsam, wenn dann plötzlich die Sachen so präsentiert werden. Meistens ja auch falsch oder irgendwie anders, als man es eigentlich... #00:18:21-7#

jw: Nee, mit Medien meine ich ja, also, es gibt Internet und Fernsehen und Zeitschriften und... #00:20:15-0#

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ks: Ja, das ist ja eine krasse Bandbreite. Wenn man dann ans Fernsehen denkt, dann denkt man natürlich an die Einrichtungssendungen, die wir nicht gucken können, weil wir keine Privatsender empfangen. #00:20:26-0#

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jw: Es gibt schlimmeres. #00:20:27-3#

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ks: Und das ist natürlich, das prägt ja auch ein Bild von Innenarchitektur, ne. Dass man da in die Wohnung kommt und sagt, wo auf der Wand noch ein farbiger Fleck hinkommt und die Erwartungen spüren wir auch, wenn wir mit privaten Bauherren manchmal zu tun haben. Zum Glück nicht bei jedem. Aber, ich glaube auch, dass das auch ein berechtigter Zweig ist, also, das muss ja dann jeder, das Feld ist ja groß genug, wie wir am Anfang schon festgestellt haben an den ganzen Bereichen, wo man arbeiten kann. Da gibt es ja auch gültige Möglichkeiten, sich als Raumgestalter in dem Bereich auszutoben. Da habe ich auch gar nichts dagegen. Die Bandbreite ist halt nur ein bisschen größer als das. Und wo wir aber nicht so hinterher sind, und Blog-mäßig verfolgen wir nicht drei Lesezeichen oder so, die man dann immer abfragen, ich glaube, das setzt kurz nach uns in der Generation ein. #00:21:37-5#

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db: Ich glaube ja, dass wir mit den Zeitschriften ganz gut

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db: Bezieht sich das nur auf diese, was ist denn das? Verkaufsmagazine? #00:20:04-6#

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Anhang: Interviews

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versorgt sind. #00:21:39-0#

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jw: Also, ich habe jetzt auch festgestellt, entweder Blogs oder Zeitschriften, weil wenn man sich die, also, ich schaue mir mehr Blogs an. Und wenn man dann zwei Monate später die AIT aufschlägt, denkt man sich, das kenne ich alles schon. Habe ich alles schon gesehen, längst. #00:21:52-8#

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ks: Auch bei den Zeitschriften durchwandert das ja die einzelnen Medien. Also, was dann irgendwie in der Frame zuerst war, ist dann halt wirklich ein halbes Jahr später auch in der AIT. Die sind ein bisschen schneller geworden inzwischen. Aber das wiederholt sich, und selbst bei den klassischeren Interior-Zeitschriften wie AD oder international, man hat irgendwann das Gefühl, dass man die Wohnungen, die auf der Welt fotografiert werden, kennt. Also, es schließt sich so ein Kreis. Eine Freundin von uns ist Zahnärztin, sammelt ganz viele Zeitschriften und wir tauschen uns manchmal aus, und sie macht das schon über Jahre. Und da hast du wirklich das Gefühl, dass du, dass sich das ein bisschen in einem bestimmten Kreis auch dreht. Deswegen ist es schon erfrischend mit so neuen ZeitschriftenEntwicklungen oder auch mit globaleren Geschichten, dass man, wenn man mal etwas Neues entdeckt, dann hat man ja erst das Gefühl, dass es einem plötzlich mehr verraten kann. Wie zum Beispiel, als ich die Habitus mal entdeckte, die unten in Australien und so weiter beheimatet ist. Und natürlich wird da auch anders gebaut, weil die da ein andere Klima haben. Und das muss man aber erst einmal checken, dass das gerade, dass das so schön offen und luftig und anders aussieht, weil die auch eine andere Klimazone haben. Bis dahin hatte das einen unheimlichen Reiz und ja, aber irgendwann wiederholt sich das dann halt immer. #00:23:27-5#

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jw: Ja, das ist mir auch aufgefallen, gerade bei den australischen Zeitschriften. Die haben auch immer alle wahnsinnig große Fenster und alles ist so offen, aber es ist eben auch in irgendwie zwei Kilometern kein Nachbar. #00:23:35-9#

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ks: Genau, ja, kein Nachbar und man kann auch wahrscheinlich viel länger lüften und das ganze Jahr über mit Glasscheiben ohne Rahmen in den Fenstern ein bisschen Zirkulation durchlassen. #00:23:49-3#

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jw: Also, was nutzen Sie dann für Medien für Ihre Arbeit, also für Ihren Entwurf? #00:23:57-3#

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lich selber im Studio kaum 3D. Wir arbeiten ganz viel mit Modellen. Und wir arbeiten sehr viel mit Bildern, um uns bestimmte Stimmungen einzugrenzen. Also, das wäre so für die Entwurfsarbeit, glaube ich, der Kern. Klar, kommen Materialien und Farbzusammenhänge dann mit dazu pro Projekt. Ja. Am Anfang ist die Recherche ganz wichtig, also, da versuchen wir eigentlich das auch so uns immer daran zu erinnern, und das wieder so anzulegen, wie wir das im Studium eigentlich auch genossen haben. Das hatte halt viel mehr Zeit im Studium zum Beispiel mit einer Recherche, die groß anzulegen. Also, dafür eine bestimmte Zeit zur Verfügung hat, dass, wenn du dann am Berufsalltag mehrere Projekte parallel hast, dann schrumpft diese Input-Phase manchmal auf so einen kurzen Zeitpunkt, weil man ja auch wirtschaftlich arbeiten möchte und so weiter, dass es aber keine Spaß macht. Also, du musst ja erst so viel hinein füttern, dass das auch einen Sinn macht, dann etwas herauszubringen. Und da versuchen wir uns immer daran zu erinnern und das dann auch, uns die Freiheit zu nehmen, das wirklich die Recherchephase und die Konzeptionsphase, dass wir die so gestalten, wie wir die für das Projekt brauchen. #00:25:58-2# db: Und zu den Bearbeitungsmedien, es ist schon jetzt gerade im Fernsehen, für uns auch eher relevant geworden, mit jemandem zuarbeiten, der die 3D-Renderings macht, weil die Leute, die sich dort deine Entwurfsbilder angucken, die gucken nicht auf das Konzept, mit denen brauchst du auch nicht über ein Mood-Board zu sprechen oder über ein Material zu sprechen, die wollen fertige Bilder sehen. Und dafür brauchst du dieses Rendertool. Und da braucht man auch nicht mit Linienzeichnungen kommen, um abstrakt irgendein Konzept zu erklären, das geht wirklich Licht, Schatten, in welchem Abstand steht der Mensch vor der Wand, und was passiert hinten, wie groß ist die Raumtiefe, solche Sachen, da sind wir schon dabei, uns da auch eher in diese 3D-Medien heranzutasten. Es geht auch am Ende auch schneller, wir haben die ersten Fernsehprojekte immer mit Modellen gemacht und die fotografiert, haben die Bilder bearbeitet, dann kam ein Wunsch, die Oberflächen zu verändern, dann fasst du die ganzen einzelnen Ebenen im Photoshop noch einmal an, und es ist am Ende echt zügiger, wenn man das 3D macht. #00:27:03-9# ks: Wir haben nur festgelegt, dass wir das nicht selber uns damit blockieren quasi, weil das relativ viel Zeit in Anspruch nimmt, sondern dass wir das dann auslagern.

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ks: Viel zu wenig mit der Hand, also, wir hatten uns das immer vorgenommen, dass wir viel mehr mit Darstellungen und Skizzen und Zeichnungen von Hand machen. Wir skizzieren zwar extrem viel, aber wir nutzen das eigentlich zu wenig zum Weiterverfolgen dann von einem Entwurf. Weil dann ist natürlich der Rechner sofort dran. Wir sind sehr skeptisch, was 3D-Arbeiten anbelangt. Wir nutzen eigent-

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jw: Ja, ich habe auch immer gedacht, man muss das selber können. Aber jetzt ein guter Freund von mir, der ist einfach, der rendert wie ein Wahnsinniger, und das könnte ich überhaupt nicht, also, da habe ich gar nicht die Zeit dafür. Aber der macht das halt hauptberuflich. Und der macht einfach super Bilder. #00:27:26-3#


Anhang: Interviews

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ks: Ja, genau, und deswegen kriegen die das auch besser hin. #00:27:29-0# jw: Ja, da brauche ich gar nicht anfangen mit irgendwelchem blöden Render-Zeug. #00:27:33-5#

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entwickelt. #00:30:17-1#

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db: (lacht) Das hört sich echt schlimm an. #00:30:21-3#

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ks: (lacht) Nee, also, wir haben auch privat nie das Gefühl gehabt, dass man auf Facebook oder irgendwelchen anderen Netzwerken irgendetwas teilen möchte. Und bis jetzt habe ich alle Xing-Einladungen auch einfach ablaufen lassen, falls die irgendwann ablaufen. Wir haben das noch nie als eine Chance gesehen, uns dort zu verbreitern. Ich glaube, dass man sicherlich im Bereich, also, (...) ich wäre prinzipiell interessiert an einem Austausch mit anderen Gestaltern und so weiter, also, wir treffen ja auch andere Gestalter und reden über Projekte und auf einer nicht-wirtschaftlichen oder -projektbezogenen Basis, sondern auf einer Interessensbasis. Aber das ist nicht das, was ich jetzt über, erwarte, dass das dann über soziale Netzwerke funktioniert. Natürlich muss man die Kontakte erst einmal knüpfen, aber das passiert quasi am Wegesrand, wenn man Projekte macht, oder wenn man mal studiert hat und dann noch Kontakt im Nachhinein pflegt. (...) Vielleicht stellen wir irgendwann jemanden ein, der für uns PR macht. #00:31:34-8#

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db: Ich finde diese Form der Spezialisierung aber gut, also, das ist so, wir lassen das auch einen Architekten machen, der sich eher so in diese Darstellungsformen rein für Unternehmen Bilder rechnet. Und der hat jetzt nicht so das Interesse, da entwurfsmäßig irgendwie mitzureden. Dem geht es eher um den technischen Aspekt und um die Machbarkeit. Von daher ist das schon eine gute, für uns eine gute Spezialisierung. Das ist wahrscheinlich auch eine logische Konsequenz, die Leute, die im Studium dann am Ende fertig werden, da ist ja nicht jeder ein guter Entwerfer oder nicht jeder ein guter Konstrukteur, oder wie auch immer.

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ks: Es liegt aber auch daran, oder es passt für uns, weil wir auch im Entwurf nicht computergestützt arbeiten wollen oder müssen, entwurfsbedingt. Also, wir sind jetzt nicht an gemorphten Oberflächen interessiert. Das wäre natürlich eine andere Situation, wenn ich dort eine ganz eigene computergestützte Sprache entwickeln wöllte, um mich darauf, wenn das mein Markenzeichen wäre, dann geht das nicht ohne, das ist mir natürlich bewusst. Die Frage hat sich nur für uns nie gestellt. Uns ist natürlich bewusst, dass die Mittel, die ich nutzte, den Entwurf beeinflussen. Also, je nach dem welches Mittel ich in der Hand habe und welches Werkzeug ich gerade habe, beeinflusst das meinen Entwurf, und dann zu wechseln und zu überlegen, in welchem Stadium mir ein Modell weiterhilft und wann ich etwas mit dem Stift machen kann, wann ich mir vor Ort etwas angucken muss, das ist halt entscheidend zu merken, und wann ich halt jemanden brauche, der mir das auch mal im Rechner zeigt. Ja. #00:29:18-5#

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db: Ich weiß nicht, für wen das interessant sein sollte. Die Leute, für die wir arbeiten wollen, die schreiben wir dann vielleicht mal an, oder man versucht so direkt, oder über einen Dritten in Kontakt zu kommen und ansonsten sind uns glücklicherweise die Dinge bisher immer so zugeflogen. #00:31:54-3#

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ks: Man muss da ja sagen, man hat... #00:31:54-8#

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db: Mehr Glück als Verstand. #00:31:56-4#

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ks: Mehr Glück als Verstand, weil man das, wir haben uns ja nicht selbstständig gemacht mit einem Businessplan, der dann irgendwie schon die zehn ersten Auftraggeber und wie man die akquiriert, nannte, sondern, da hast du mal eine Empfehlung und dann hast großes Glück, wenn das funktioniert und wenn das Projekt gut ging und man dann auf der Basis dann auch weiterarbeiten kann, weiterempfohlen wird, und wir haben versucht, immer Chancen zu nutzen, wenn man welche bekam, und wenn man das dann entsprechend, sich nicht selber im Wege steht und die Sachen ein bisschen aufarbeitet, und weiter präsentiert, dann hat das bis jetzt immer ganz gut gekappt.

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jw: Wie nutzen Sie die Medien, um sich selbst zu präsentieren? Also, ich habe jetzt Ihre Homepage gefunden, aber nicht viel mehr, was jetzt zum Beispiel das Internet betrifft. Also, es gibt ja Firmen, die dann Facebook und Twitter und Blog machen sie auch noch. Wie kommt das, also, für was haben Sie sich da entschieden und wieso? #00:29:42-8#

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db: Wir haben, also, eigentlich ist es unser einziges Medium, die Website. Und wir haben noch eine Projektezeitung, die wir in viel zu großen Abständen mal aktualisieren. Haben wir noch eine? #00:29:56-0#

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ks: Ja. Wir haben uns bewusst entschieden, dass wir eine Internetpräsenz haben wollen, also, man muss gefunden werden. Und wir wollten auch, dass dort ein Einblick in Projekte erfolgen kann, wir haben aber weder privat noch beruflich das Interesse an sozialen Netzwerken bis jetzt

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jw: Ich habe auch manchmal so das Gefühl, dass gerade durch diesen extreme Nutzung von sozialen Netzwerken und so weiter, dass viele Leute den persönlichen Kontakt wieder als etwas besonderes erleben und dass sie sich halt nicht von der dritten Newsletter-Mail irgendwie einfangen lassen, sondern vielleicht eher durch eine Weihnachts-


Anhang: Interviews

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karte, die per Post nach Hause kommt mit einer echten Briefmarke drauf, also, das wird schon wieder besonderer manchmal. #00:33:13-6#

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ks: Ganz heikles Thema, was Sie ansprechen. (lacht) Wir haben nämlich dreizehn Jahre lang immer Weihnachtskarten verschickt, oder dann sind es die letzten zwei Jahre schon Neujahrskarten geworden, und dieses Jahr ist das erste Jahr, wo wir es noch nicht geschafft haben, weder eine Weihnachtskarte noch eine Neujahrskarte zu verschicken. Aber, wir haben tatsächlich immer versucht, solche Anlässe zu nutzen, um mit denen in Kontakt zu bleiben, die man über das Jahr über vielleicht jetzt nicht groß gesprochen hat. Aber, es wird noch Post geben in diesem Jahr, nicht wahr, J.?! #00:33:47-1#

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jw: Ostern dann, zum Beispiel. #00:33:48-9#

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ks: Nee, wir finden schon einen Anlass, ja. Wir haben auch gelesen, wir haben dieses Jahr zehnjähriges Firmenjubiläum, da kann man ja auch irgendetwas machen. #00:33:56-0#

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db: Wir? #00:33:56-3#

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ks: Ja. #00:33:57-0#

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db: Ach was. #00:33:58-2#

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ks: Ja. #00:34:02-7#

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jw: Ja, ich habe noch einen dritten Themenkomplex, der dreht sich um die Genderfrage. Da ja die Innenarchitektur, gerade wie man sie an der Burg erlebt, eine sehr weibliche Profession ist. Es scheint so. #00:34:18-5#

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db: Aber, wenn man jetzt mal das BDIA-Jahrbuch aufschlägt, dann ist das schon auch so fifty-fifty, ne? #00:35:09-9#

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jw: Nee. Ich habe das gerade analysiert. #00:35:14-7#

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db: Wie ist da die Verteilung? #00:35:15-3#

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jw: Also, es ist wieder typisch. In den, ich sage mal, in den höheren Abschlüssen, also, die sind da ja so aufgeteilt, sind es fifty-fifty, sind also wirklich Männer und Frauen gleich, wenn es aber um die normalen Mitglieder geht, sind die Frauen eindeutig in der Überzahl, also 80 Prozent. Also, wirklich die eingetragenen BDIA-Mitglieder, das ist fifty-fifty ungefähr. Aber die Frauen überwiegen doch. Und Studentinnen zum Beispiel, also, sie könnten das eigentlich auch „Studentinnen im BDIA“ nennen, weil es sind ungefähr fünf Männer derzeit. #00:35:56-9#

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ks: Aber alle Professoren waren ja Männer. Also, im Studium (..) ja, bei uns war das schon noch so, dass es halt extrem wenig Jungs gab und mehr Mädels dann in den Jahren. Aber... #00:35:05-5#

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db: Hat das eigentlich eine weibliche Gestaltungssprache zur Folge? Also, gibt es eine weibliche Innenarchitektur?

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db: Wir haben gestern kurz drüber diskutiert, J. meinte, J., du bist letztes Jahr fertig geworden, ne? Dass sich das ein bisschen gewandelt hat. #00:34:26-1#

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j.: Ja, es gibt einen Jahrgang, der hat letztes Jahr die Möbel gemacht, also zweites Studienjahr, jetzt drittes Studienjahr, und die sind Hälfte Jungs, Hälfte Mädchen. #00:34:32-7#

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jw: Nein?! Ach, das ist ja Wahnsinn. #00:34:37-2#

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j.: Ja, also, da war ich überrascht, als ich die Namensschilder gelesen habe, dass doch die Hälfte Jungs sind. #00:34:41-6#

ks: Ich glaube, es gibt auch ordentliche Männer. (lacht) (...) Nee. #00:36:46-9#

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db: Ich glaube, das Ergebnis selber kann man nicht...

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db: Bei uns war das auch so. Wir waren in unserem Jahrgang zwei Jungs und... #00:34:45-3#

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ks: Sieben Mädels. #00:34:46-3#

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db: Ja. #00:34:47-3#

db: Schon, oder? (...) Also vielleicht nicht unbedingt das Ergebnis, aber vielleicht eher den Arbeitsprozess, oder das Arbeiten. Oder? #00:36:35-6#

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jw: Na ja, genau, das ist ja die Frage. Ist denn, kann man das überhaupt unterscheiden. Kann man das? Und, wenn ja, wäre das ja die Frage: können Sie Ihre Gestaltung als typisch weiblich und Sie Ihre als typisch männlich bezeichnen? Oder was daran? #00:36:20-8#

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ks: Mhm (verneinend). Ich glaube, das ist eher eine charakterspezifische Frage. Also, auch wenn ich da jetzt so, also, es fällt mir jetzt leichter, wenn ich dann im Bekanntenkreis noch einmal gucke und mir einen Architekten oder eine Architektin da überlege. Ich sehe das eigentlich nicht so als eine, ich weiß, was Sie meinen. Natürlich gibt es Raumgestaltung, die man eher vielleicht als eine feminine wahrnehmen würde. Das ist aber ein Riesenthemenkomplex. (...) Aber Innenarchitektur in der Form, in der wir versuchen uns damit zu befassen, hat keine genderspezifischen Vorprägungen. Und ich nehme das auch bei uns nicht wahr als männlich oder weiblich. Also, natürlich, da wir alle


Anhang: Interviews

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Projekte gemeinsam entwickeln, ist das ja immer ein Austausch von Ideen und ein Erarbeiten von Dingen, richtigen, also wir sind immer, bis jetzt immer am besten gefahren, oder immer überzeugt gewesen, wenn wir etwas gemeinsam entwickeln und beide glauben, dass es jetzt richtig ist, dann stimmt das auch. Und dann hat das aber keine, dann hatte das nicht einen Kampf von Männlein gegen Weiblein, sondern dann ist das ein Austausch von Argumenten und von, das sind auch nicht irgendwie (...) das sind ja nicht männliche Vorstellungen gegen weibliche. Nee, also, für uns hat das, glaube ich, keine Bedeutung. #00:38:51-1# db: Ich glaube, das gibt es auch nicht. Also, ich habe überlegt, ob es diese, ob man diesen Set-Entwerfer Ken Adams für Bond, das ist ja schon eine sehr maskuline Sprache und das immer dann, wenn es so um Macht und um Perspektive und gewaltige Bauformen geht. Aber das hängt natürlich a, am Sujet und wenn man jetzt die AD durchblättert und über französische oder amerikanische Innenarchitekten liest und sich die Typen anguckt, dann haben die schon auch eher so die Fähigkeit auch zu dekorieren, was man jetzt vielleicht eher so dem Weiblichen zuschieben würde. Die haben es aber schon raus, da einen tollen Gesamtklang inklusive Dekoration, inklusive Organisation hinzubekommen. #00:39:39-1#

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Also, welche Bedeutung eine Kammer und welche Bedeutung ein Bund für einen dann hat. Vielleicht ist es auch deswegen nicht repräsentativ, da halt manche nicht eingetreten sind, die trotzdem in dem Berufszweig tätig sind und streng genommen sind wir ja keine Innenarchitekten, wir sind noch nicht in die Kammer eingetreten zum Beispiel. Einfach weil das bis jetzt für uns keine Beschränkung von Projekten dargestellt hat. Natürlich wird das zukünftig mal eine Rolle spielen und da sind wir auch jede Jahr am überlegen, wann wir das endlich mal machen, aber immer, wenn wir sehr viele Fernsehprojekte gerade bearbeiten, dann spielt das gar keine Rolle. #00:41:25-9#

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db: Weshalb sind Sie ausgetreten? #00:41:26-6#

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jw: Weil die die Hilfe verweigert haben mit meiner Masterarbeit. Ich habe gefragt, ob es eine Kammerstatistik gibt, weil von den Architekten gibt es ja eine. #00:41:40-5#

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db: Eine Kammerstatistik, worüber? Über die Mitglieder?

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db: Das wandert auch bei uns sofort bei Seite, wenn es kommt. #00:40:15-7#

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jw: Über die Mitglieder. Und eigentlich wollte ich nur wissen, wie viele Männer und wie viele Frauen sind da. Das war die Zahl, die hätte ich halt gerne gehabt, um da jetzt irgendwie eben gerade auch in diesem Thema zu argumentieren. Und da haben sie mir aber gesagt, dass diese Daten zu sensibel sind, die können sie nicht herausgeben. Und ich habe auch gesagt: hä? Ich wollte jetzt nicht die Adressen. Weil die habe ich ja auch im Handbuch. Ich habe zu der auch gesagt: ich kann ja auch im Handbuch zählen, dann weiß ich es auch. - Ja, aber es sind ja nicht alle im Handbuch. Ja, das war total blöde und dann hatte ich irgendwie gedacht gehabt: pfft, brauche ich euch echt nicht. Wenn nicht mal so zwei Zahlen, also, das habe ich irgendwie nicht verstanden. Und dann habe ich eben gerade keine Lust mehr gehabt, und das kann ich mir jetzt irgendwie auch sparen, diese AIT brauche ich auch nicht mehr. Die kann ich irgendwie nicht mehr sehen. Und das Handbuch brauche ich auch nicht. #00:42:47-1#

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ks: (flüstert) Das darfst du jetzt nicht sagen. #00:40:15-9#

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ks: Ja, das ist.. Geht dir das auch so...? #00:42:52-4#

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db: Nein, aber... #00:40:17-2#

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db: Doch, manchmal tut es schon gut, wenn man dann am Jahresende da durchblättert und sich sagt, Mensch, vielleicht ist man da auch schon einen Schritt weiter. Also, so diese typischen Best-of-Projekte vom Jahr 2012, und das kannst du 2011 angucken, das ist das gleiche, also, das ist immer sehr ähnlich. Also, es geht immer um die gleichen Materialmenge und Baukosten oder so um üppige Projekte, nicht um eine Idee. Das ist ein bisschen schade. #00:43:21-7#

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ks: Das ist auch ein deutsches Problem eigentlich, wenn man das so einmal anschaut und Richtung Frankreich guckt, merkst du, dass da, da würdest du die Frage nicht stellen, nicht in der Form. Weil dort Männer als Innenarchitekten solche Räume entwickeln, ne. Auch mit einem klassischeren Raumklang als es jetzt im BDIA-Handbuch vorkommt. #00:40:06-6#

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db: Das mit dem BDIA ist kein gutes Thema. #00:40:10-2#

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ks: Nee. #00:40:10-1#

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jw: Natürlich kann man das sagen. Ich bin gerade ausgetreten. #00:40:22-2#

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ks: D. ist nie eingetreten. Das ist ja auch so eine Frage, man muss ja eintreten, ne. Ich bin im Studium irgendwann halt eingetreten, weil das ja irgendwie so herumging. Und, das ist immer die Frage, man muss sich, glaube ich, irgendwann tatsächlich entscheiden, ob man sich engagiert, ob das zu einem passt oder ob das mit einem nichts zu tun hat und man sich da nicht vereinsmäßig engagieren möchte.

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ks: Ich bin mir da nicht sicher, ich glaube ja, dass die eigentlich sich auch mit solchen Themen befassen, wie Sie Fragen stellen. Und dass das, es hat ja eine Daseins-Berech-


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tigung, sich um einen Berufsstand Gedanken zu machen. Um das gleiche, eben für einen bestimmten Ausschnitt sprechen wir ja auch gerade drüber. Das ist halt nur wirklich die Frage, wie man es aufzieht, und wer sich da drin engagiert. Und solange man sich nicht engagiert, habe ich auch immer das Gefühl, kann man sich nicht richtig beschweren. Es ist ja so, ne. Aber natürlich, dass da die Zahlen verweigert wurden, ist für mich jetzt auch nicht nachvollziehbar, das ist klar. Es ist halt schade, dass es, ich glaube auch, dass es ein Problem mit der Wahrnehmung von Innenarchitektur in Deutschland gibt, oder anders formuliert, dass es dort Chancen gäbe, das anderes zu präsentieren. Dass auch, es hat ja eigentlich nichts von dieser, weil man auch, man spürt immer das es sich um eine Behauptung gegenüber Architekten irgendwie dreht, was wir eigentlich gar nicht so empfinden, gerade, wenn wir mit Architekten zusammenarbeiten, gibt es da zum Glück immer bei den Projekten so ein Ineinander arbeiten, Zusammenarbeiten, dass es Sinn macht, und das ist eigentlich so eine Schnittmenge gibt, wo man gemeinsam darüber nachdenkt und dann gibt es Bereiche, für die ist der eine verantwortlich und für die anderen ist der andere verantwortlich. Und das passt gut, das ist auch total spannend, mit einem Architekten dann zusammen darauf zuschauen. Aber so eine Behauptung dann gegeneinander dann, weiß ich nicht. #00:45:13-8# db: Die Professoren an der Hochschule sind auch alles Architekten mit noch einem Innenarchitekturstudiengang, ne. #00:45:18-2#

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ks: Michel nicht. #00:45:19-6#

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db: Nee, Michel ist Designer. #00:45:22-5#

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jw: Aber eigentlich schon, ja, ich glaube. #00:45:25-7#

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db: Also, vielleicht spielt das da auch eine Rolle, dass es wie so ein Aufsatz ist, wie so eine Spezialisierung der Baukultur, oder der Architektur oder so. Es ist so wie so ein Annex eigentlich, ein reiner Innenarchitekt ist mir nicht untergekommen, der nur Innenarchitektur studiert hätte. Also, vielleicht Joachim Hack, also, das waren eher so Dozenten, die dann auch aus der Schule hervorgegangen sind. Aber ansonsten, im Professorenbereich eher nicht.

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jw: Also, ich habe jetzt lustigerweise mit zwei Architekten in München gesprochen, die habe ich auch gefragt, warum sie sich für Architektur entschieden haben, und die haben beide gesagt: Weil es für Innenarchitektur eine Aufnahmeprüfung gab und das war zu viel in dem Moment. Deswegen haben sie beide Architektur studiert und beschäftigen sich jetzt aber auch mehr mit Räumen, als mit Hochbau. Das fand ich ganz interessant, vielleicht ist das manchmal auch so eine Sache. #00:47:10-8# ks: Und schon sind die in der verkehrten Statistik drin. (lacht) Und da fehlen die Männer, dabei haben die nur die Architektur-Abkürzung genommen, Abkürzung! (lacht)

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jw: Aber mit dieser Antwort hatte ich auch überhaupt nicht gerechnet, also, das war wirklich... #00:47:26-9#

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ks: Hätte mich auch überrascht. Ja. #00:47:34-6#

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jw: Genau, ich würde gerne noch einmal auf das Genderthema zurückkommen. Weil, ich habe nämlich noch eine wichtige Frage: wie erleben Sie sich selbst als Frau in der Branche? #00:47:43-8#

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ks: Die geht an mich, die Frage, ne? #00:47:46-6#

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db: Ich habe gerade überlegt. (lacht) #00:47:52-0#

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ks: Ich muss zugeben, ich habe mir da noch nie drüber Gedanken gemacht. Man würde jetzt bei so einer Frage vermuten, dass es um irgendwelche Einschränkungen geht, die man bis jetzt erfahren hätte. #00:48:07-2#

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Licht zu wissen oder so, oder über, vielleicht ist eher wirklich so eine individual-historische Sache, dass man feststellt, dass eben einen der Stahlbetonhochbau nicht interessiert und Bauanträge nicht interessieren, aber das eben schon der Umgang im Raum, das Verhalten im Raum, die Atmosphäre und solche Sache eher, und da wäre es dann für meinen Geschmack eine logische Konsequenz, Innenarchitektur dann auch zu studieren. #00:46:44-8#

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jw: Nee, einfach nur die Frage. Ich finde es super, wenn Sie sagen: Nee. Macht mir Mut. #00:48:11-8#

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jw: Ja, das habe ich auch immer als so ein bisschen seltsam empfunden. Aber ja, es ist ja in Ordnung im Prinzip. Aber ich fand es immer so ein bisschen, ja... #00:46:04-7#

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db: Also, vielleicht hat es eher mit einer, vielleicht hat es nichts damit zu tun, dass es so ein Problem des Selbstverständnisses ist und dann doch eher: ich helfe mir mal noch den Innenarchitekten rauf, um ein bisschen mehr über

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ks: Ja, nee, ich habe da wirklich noch nie irgendwie eine Situation gehabt, und wir treten nicht immer zusammen auf bei Terminen, wo ich das Gefühl hatte, dass, man kann ja nicht sagen, dass ich keine Rolle spiele, weil das ist Quatsch, man spielt ja immer eine Rolle, wenn ich jemanden treffe, was das für eine Person ist, wie derjenige auf mich wirkt, und ob der männlich oder weiblich ist, spielt natürlich eine Rolle. Wir sind da ja in Rollen auch aufgewachsen, aber für die Projekte oder für die Arbeit hatte das


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für uns noch nie irgendwelche, ich habe da weder negative noch irgendwelche auf das Weibliche bezogen positiven Rückmeldungen gehabt. Das ist ja eher eine persönliche Frage, wenn du Probleme hast, mit Menschen zu verhandeln oder zu präsentieren, sei das als Männlein oder als Weiblein, dann merkt das der andere auch, und dann ist das für den auch ein Problem. Wenn du das nicht hast, dann kann der andere damit auch umgehen. Ich finde es natürlich auch, ich glaube, dass aber wir das viel leichter haben in unserer Branche als Frauen in klassischen Männerberufen, im Beamtenwesen oder in irgendwelchen Managementbereichen, weil dort die Bilder viel fester sind und man ja auch sieht, dass dort Frauen eher halt im Businesskostüm dann, also, männliche Weisen annehmen, männliche Verhaltensmuster annehmen, um dort wahrgenommen, also akzeptiert zu werden. Da sind wir ja Freiwild, also, da können wir ja machen eigentlich, nicht was wir wollen, aber es ist ja genauso eine Erleichterung, dass von D. da nicht erwartet wird, dass er jedes mal im Anzug da irgendwo bei einer Präsentation sitzt. Da haben wir die Wildcard. Und ich glaube, deswegen spielt das auch mit Männlein und Weiblein eine geringere Rolle. Manchmal vermuten sogar, also, habe ich den Eindruck, gegenüber, dass die Frau das Gestalterische oder das kreative Element dann, also, dass es dort in guten Händen ist, ne. So. Aber da wäre dann eher die Frage, ob D. da bis jetzt Probleme damit hatte. #00:50:50-0#

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ks: Ach so. Ja, wir haben das auch mal erfahren, von einer freien Mitarbeiterin, die mal in Paris gearbeitet hat bei einer Agentur für das Fernsehen. Da empfand sie es auch als krass, dass die ein oder zwei Chefs hatten und alle im Team waren aber Frauen, und alle nach einem Bild, die hätten auch modeln können. Und das hat sie auch als extrem unangenehm oder komisch empfunden dann auf Dauer, weil dort auch so eine Hierarchie ganz klar herausgekommen ist. Also, da hast du halt zwei Alphamännchen und die werden bedient, ne. Aber die Frage stellte sich bei uns ja glücklicherweise nie. #00:52:40-8#

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db: Vielleicht ist es auch eine sehr verkürzte Darstellung.

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db: Nee, im Gegenteil, ich finde es gut, dass es so ist, wie es ist. Das wir uns da aufteilen können und nicht der eine die Rolle, der andere die Rolle spielen muss. #00:50:59-6#

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ks: Aber hattest du schon mal das Gefühl, dass ein Kunde glaubt, dass er für das Kreative nicht dich fragen kann, sondern sich an mich werden muss? Das ist ja auch nicht der Fall. #00:51:08-1#

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db: Nee. #00:51:13-2#

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ks: Schon mal von gehört. (lacht) #00:53:32-7#

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jw: Ja, genau, was denn? #00:53:35-3#

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ks: Dass es das gibt. #00:53:36-9#

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jw: Nehmen Sie das irgendwie für sich selbst ernst oder wahr oder..? #00:53:40-6#

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jw: Ja, mir ist halt auch nur dieses Thema so irgendwie, hat sich das an mich so selbst, von selbst herangetragen, weil ich halt eben fast nur mit Frauen studiert habe und in Zürich das Büro aus zehn Frauen bestand. Das waren nur Frauen. Und ich habe jetzt wie so das Gefühl gehabt, ich muss mich da, davon befreien immer so mit Frauen zusammenzuarbeiten, weil das ist einfach super anstrengend.

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ks: Das glaube ich. #00:51:35-8#

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db: War das die Masche vom Büro? Also, haben die gezielt Frauen gesucht, um da... #00:51:39-6#

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jw: Na ja, offiziell nicht. Inoffiziell wird es irgendwann auffällig. Das war schon, es ist auch so der Typ Frau, der

ks: Sie hat es so zusammengefasst, das kann ich nur so weitergeben. Aber es gibt sicherlich so Situationen, wo das so passiert. Ja. Es hat aber für mich jetzt mit Innenarchitektur an sich nichts zu tun, sondern das ist dann eher eine unternehmensspezifische Frage, könnte in den verschiedensten Geschäftsbereichen auftauchen, also, sowohl in der Kreativbranche als auch in anderen Bereichen. #00:53:12-5# jw: Ja, klar. Ich fand es einfach super anstrengend. Ja, ich habe noch so ein kleines Bonusthema, jetzt als letztes noch. Und zwar geht es um den 3D-Druck, also um 3DTechnologien. #00:53:31-0#

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dann da gesucht wurde. Das war schon so ein bisschen die Masche. #00:51:56-9#

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ks: Ich bin ein bisschen neugierig darauf. Aber wir haben es noch nicht benutzt. #00:53:47-5# db: Es kam ja jetzt kürzlich erst durch dieses Selbstdrucken von Handfeuerwaffen irgendwie ins Gerede. #00:53:54-2# ks: Ja, und dass man online auch irgendwie, hatte jemand online gestellt, dass man eine Prothese drucken kann. Also, da gibt es ja schon verrückte Möglichkeiten. Für den Modellbau ist es sicherlich cool. Also für, aber halt nicht für Arbeitsmodelle sondern für Präsentationsmodelle. Und wenn wir da ja auch überzeugt sind, dass es inzwischen eher schwer ist, jemanden zu finden, der so tolle Modelle baut, wie wir es jetzt in Kopenhagen gesehen haben für das Arne-Jacobsen-Hochhaus, da Hotel. Das war so ein prä-


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zises Modell, da wäre es wahrscheinlich super, so etwas drucken zu lassen, klar. Aber haben wir noch nicht benutzt.

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db: Aber ich glaube auch, dass es, ich befürchte, dass es genau dieselbe Rolle einnimmt, wie die 3D-Darstellung gegenüber der Handzeichnung, oder wie man sonst so Entwürfe präsentiert hat früher. Dass es so eine, dass man null Fantasie braucht, um sich am Ende irgendetwas vorstellen zu müssen. Und die gleiche Rolle kann der 3DDruck... #00:54:52-6#

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ks: Wieso null Fantasie? #00:54:52-2#

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db: Na, wenn du das Teil eins zu eins mit jedem tausendstel Detail ausgedruckt bekommen kannst, ist es ja, brauchst du keine kreative Übersetzung mehr davon, um es zu zeigen. #00:55:04-8#

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ks: Klingt als wenn Sie noch ein Thema für einen Master im Bereich Innenarchitektur hätten. #00:57:05-3#

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jw: Ja, genau. #00:57:07-4#

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db: Ich finde diesen Aspekt des Selbermachens dann auch interessant, weil das auch so ein bisschen unsere persönliche, gestalterische Vorliebe geht, dass diesen Möbeln dieser industrielle, perfekte Charakter ein Stück weit abhanden kommt und dadurch auch viel interessanter wird, wenn man es selber macht, weil man eingeschränkte Mittel hat und so. Wenn es diese, also, von der Warte her, dieses Selbermachen, diese Vorstellung von sich seine Umwelt selber gestalten können mit begrenzten Mitteln, finde ich das schon interessant. Aber wenn das so ein, es geht mir eher so um so ein, ob das Ding jetzt hier aus einer Kamera ausgedruckt ist oder so ein Gebäude dann ausgedruckt ist, das finde ich jetzt eher uninteressant. #00:57:49-2#

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ks: Nee, das glaube ich nicht, weil du stellst ja nicht etwas eins zu eins her, sondern du stellst ja wirklich ein Modell her. Also, das bleibt ja... #00:55:11-7#

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db: Aber, wenn ich jede Dachrinne mitdrucken kann, dann sieht dieses Ding am Ende aus, wie auf der Eisenbahnplatte. #00:55:18-1#

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ks: Ja, aber ein gut gebautes Modell sieht ja manchmal auch aus, wie auf der Eisenbahnplatte, also... #00:55:23-0#

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jw: Ja, klar, aber manchmal gehen ja solche Teile hier an der Kamera kaputt. Und dann kannst du das Ding schon wieder gar nicht mehr benutzen. Oder so ein Deckel, wenn man die selber ausdrucken könnte, das wäre doch super, die sind ja immer weg. #00:58:00-7#

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ks: Ja, spannend wäre es... #00:58:03-0#

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db: Ich habe da so eine Strippe dran. (lacht) #00:58:05-7#

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ks: Spannend ist das schon, wenn es etwas gäbe, was vor allem industrielle Fertigung ermöglicht, was ja das Drucken wäre, ja, das ist ja nicht industriell, aber es ist halt eine, es ist professionell gefertigt, aber es hat nicht diese Industrie dahinter. Also, es gibt nicht gleich davon, es wird trotzdem ein Unikat, oder was, was zwar reproduzierbar ist, aber nur in der Menge hergestellt, wie man es jetzt benötigt. Weil was wir vorhin eigentlich vergessen haben zu besprechen, es ist ja schon auch oft eine Frage nach so einer Angemessenheit, dass man ja auch überlegt, wie viel man überhaupt jetzt Neues hineinbringt und wie viel man Material verarbeiten lässt. Also wie viele Platten der Tischler überhaupt da in die Hand nehmen muss und wie viel Industrieschrott man letzten Endes dann auch herstellt. Und wie viele Industriefertigteile man verarbeiten möchte. Und das guckt einen natürlich auch bei Zeitschriften, wie wir vorhin besprochen haben, ist es, wenn man einmal dafür sensibilisiert ist, guckt einen das ja an, diese Materi-

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db: Ich fand die Städtebaumodelle jetzt zum Beispiel in dieses Kopenhagener Ausstellung über die dänische Architektur zwischen nach dem Krieg bis 75 oder so, fand ich super, weil es um die Abstraktion, jeder hat so sein eigens Baummodell zum Beispiel entwickelt, jeder hat seine eigene Landschaftsschichtung gehabt, jeder hat sich darum Gedanken gemacht und es war so belebend, weil es so ein bisschen Wahrheit hatte und alles so ein bisschen Fantasie anregend war. Dieses fertige Ding irgendwie ausgedruckt, mit ins hundertstel Detail, ich weiß nicht... #00:55:57-8#

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ks: Ja, Sie merken, wir hinterfragen alle Neuerungen.

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jw: Ja, also ich finde es halt... #00:56:05-4#

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db: Ist das jetzt ein Thema in der Architektur, Innenarchitektur, dieses 3D ausdrucken? #00:56:11-6#

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jw: Also, ich mache es mir so ein bisschen zum Thema, weil ich es halt spannend finde. Für mich ist halt weniger dieses Modell-Thema, sondern ich finde es halt eher faszinierend, wirklich eins zu eins sich Dinge auszudrucken. Also, ich meine, es gibt Ideen, dass man irgendwann mal Häuser druckt. Aber, es gibt ja auch, ich finde es halt zum

Beispiel spannend, dass man sich auch, dass man einfach zu hause für sich Sachen gestalten kann. Ich meine, die 3D-Drucker könnte man ja jetzt theoretisch sich eine Art Verbinder ausdrucken, und ich fahre in den Baumarkt und kaufe mir Holzplatten und dann stecke ich mir zu hause irgendwelche Raumstrukturen oder Regale zusammen. Das finde ich halt super spannend. #00:56:59-5#

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alschlacht. Mineralwerkstoff, und so weiter. Und da wäre es natürlich total faszinierend herauszubekommen, ob das ein Weg ist, sein könnte, wo man individuell Dinge in einer kleinen Menge produziert, wie man sie braucht, oder bedarfsgerecht quasi, und ob damit visuell auch neue Möglichkeiten entstehen. Weil Selbstbau hat natürlich auch manchmal eine visuelle Einschränkung geht damit einher.

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Ich kann halt mit Schrauben und mit Holzplatten nur in einer bestimmten Richtung vielleicht arbeiten. Und dann kommt halt schnell die Abkürzung zum Industrieprodukt. Also, was kann der Baumarkt mir bieten oder was ist im Häfele-Katalog möglich. Und wenn das damit aufgehoben würde, ist das natürlich eine Option. #00:59:58-2#


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Interview mit dk weiblich, Leipzig, Innenarchitektin

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jw: Ok, was steht auf deiner Visitenkarte, als Berufsbezeichnung? #00:00:07-7#

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dk: Als Berufsbezeichnung steht Diplom Ingenieurin Innenarchitektur. Weil ich keine direkte, also, in der Architektenkammer nicht eingeschrieben bin, deswegen die Bezeichnung Innenarchitektin nicht nehmen kann. Das ist das, was auf meiner Rückseite steht. Auf der Vorderseite von uns steht halt der Firmenname mit der Erklärung dazu, das ist ja bei unserem Namen ja ein bisschen außergewöhnlich mit vodka Leipzig. Und dazu gibt es auch die Erklärung dann noch dazu. Und die Erklärung ist, es sind immer die Anfangsbuchstaben von dem Wort vodka, das heißt: verbindet Objekt, Design, Kommunikation und Architektur.

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jw: Ok, ja, nicht schlecht. Wie bist du dahin gekommen, dass das also auf deiner Visitenkarte steht? Was hast du studiert, gemacht? #00:00:47-9#

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jw: Und ihr arbeitet jetzt zu zweit? #00:03:05-9#

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dk: Genau, jetzt sind wir zu zweit. Waren ursprünglich zu dritt gewesen, als wir die Firma gegründet hatten. Und das war ursprünglich auf rein Messebau eigentlich ausgelegt. Und hatten aber nach einem halben Jahr festgestellt, dass wir nicht zusammenarbeiten können in der Dreier-Konstellation so wie es war. Und haben dann halt nach einem Jahr das Büro dann zu zweit weitergeführt. #00:03:26-4#

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dk: Wie bin ich dahin gekommen... das hatte sich schon ein bisschen auch in der Schule so ein bisschen abgezeichnet gehabt, dass ich eher so in die Richtung gehen wollte, also auch in den kreativen Bereich. Wusste aber, dass ich reine Kunst jetzt zum Beispiel nicht machen kann. Also, ich brauche immer so den Praxisbezug auch, brauche auch gern, was ich auch mag, sind auch die Konstruktionen zu entwickeln. Also nicht nur das reine Design, sondern auch die Umsetzung dazu auch machen zu können. Und das hatte ich halt auch schon in den letzten beiden Jahren von meiner Schule halt auch schon festgestellt gehabt und deswegen mich dann dazu auch entschieden gehabt. In dem Moment, wahrscheinlich noch eher unbewusst, die Entscheidung auch für Innenarchitektur und nicht für Architektur. Weil ich da halt schon auch noch ein bisschen mehr Spielraum jetzt mit Materialien zum Beispiel sehe.

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jw: Und dann hast du Innenarchitektur studiert? #00:01:42-6#

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dk: Genau, in Wiesbaden hatte ich das studiert gehabt.

jw: Und dann habt ihr euch entschieden, euch selbstständig zu machen? #00:02:11-9# dk: Genau, also, es war so ein bisschen in dem Büro, wo ich war, das ist ein großes Architekturbüro gewesen, wo ich die einzige Innenarchitektin war. Und mit einer Kollegin zusammen so ein bisschen diesen Bereich immer gemacht habe. Das war halt am Anfang natürlich schwierig, dann auch allein auf der Geschäftsebene zu sehen, dass da eine Innenarchitektin da ist, die dann auch die Innenraumkonzeption dazu machen kann. Das wurde vorneweg immer von den Architekten immer mit übernommen und hatte halt auch ein Stück weit gedauert gehabt, bis man halt sozusagen das anerkannt hat, was der Innenarchitekt, sagen wir mal, auch macht. Und habe dann aber festgestellt, dass ich da nicht wirklich weiterkomme. Also, es hatte sich wirklich auf Oberflächen im Innenraum beschränkt gehabt, Farb- und Materialkonzepte, aber ich hatte dahingehend nicht mehr die Möglichkeit gesehen gehabt, mich tiefer in so ein bisschen in die Projekte auch in die Umsetzung halt auch mit zu beschäftigen und deswegen auch die Entscheidung zu sagen, man macht ein eigenes Büro auf. #00:03:04-0#

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wo ich vielleicht, ob ich jetzt in der Nähe bleibe oder halt auch woanders hingehen will. Und habe dann drei Jahre in einem festen Büro gearbeitet gehabt. #00:02:09-9#

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jw: Ja, genau, das ist nämlich gleich die nächste Frage: was macht ihr denn also jetzt? Was ist euer Tätigkeitsprofil so genau? #00:03:32-1#

37 #00:01:47-1# 81 38 39 40

jw: Und das war es? Also, was heißt, das war es, also, das war dein... Es gibt viele, die halt noch andere Sachen auch noch gemacht haben. #00:01:52-6#

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dk: Nein, das war meine einzige Ausbildung dazu. Also, das waren vier Jahre Studium und danach dann hatte ich mir so ein halbes Jahr lang auch noch ein bisschen für mich Zeit genommen gehabt, einfach auch um in Ruhe zu schauen,

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dk: Das Tätigkeitsprofil, es ist eigentlich so das Schöne, dass es halt nicht so in die reine Innenarchitektur so im klassischen Sinne geht, es geht so ein bisschen, wir decken viele Bereiche ab. Wo halt die Projekte halt jetzt nicht überdimensional jetzt groß an sich sind, sondern es sind halt wirklich eher kleine Projekte, wo wir uns aber meistens um alles kümmern. Wir haben natürlich auch Kunden vom Messebau mit übernommen, wo wir die Konzeptionsphase, auch die Umsetzung mit den Tischlern zusammen


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und auch mit den Messebauern machen können. Betrifft aber wirklich Messestände, die so, sage ich mal, bis hundert Quadratmeter ungefähr gehen. Zumindest im Moment, die wir jetzt noch allein, beziehungsweise zu zweit halt, stemmen können. Oder wir machen auch Ladenbau, hatte wir jetzt letztens einen Friseursalon gehabt. Ein bisschen im Privatbereich machen wir, eher aber schon weniger. Was aber auch noch ein Part ist, ist natürlich der Teil, den S. mehr umsetzt, das ist Corporate Design. Wo wir sagen können, wir haben, zum Beispiel bei dem Friseursalon, auch die Logoentwicklung gemacht, Visitenkarten, Außenwerbegestaltung und das Ganze dann auf den Innenraum übertragen können. #00:04:33-2#

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jw: Ja, das ist natürlich cool, wenn das so geht. #00:04:34-4#

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dk: Deswegen auch so die Begrifflichkeit von vodka, verbindet halt sozusagen diese beiden Bereiche auch zusammen, dass wir das halt als Gesamtes auch sehen können.

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erklären: Raumstrukturen zu schaffen, dahingehend anzufangen, bis halt zur Gestaltung von Oberflächen. Also, das wäre jetzt erst einmal das, was mir einfallen würde. Aber es ist natürlich jetzt wirklich gar nicht so eine einfache Frage, auf die man einfach eine Antwort findet. #00:06:56-5# jw: Ja, mir geht es halt auch darum, dass zum Beispiel, wenn jemand sagt, er ist Architekt, hat jeder ein Bild davon, also, kann sich jeder etwas vorstellen, es ist vielleicht nicht immer voll umfänglich, was die Leute dann sich denken, aber der plant ein Haus, und der zeichnet es und dann beaufsichtigt er den Bau, also, das ist ja relativ eindeutig, und dann ist immer die Frage: was machen Innenarchitekten? Ja, aber gut, wir können einfach weiter machen. Es muss ja auch, manchmal gibt es ja auch nicht unbedingt eine Antwort, immer, auf alles. Ist ok. Ich habe gesehen, ihr nutzt sehr viele Medien, gerade neue Medien, also Facebook, Twitter, Tumblr, Pinterest, einen Blog, wieso so viel und überhaupt? #00:07:37-1#

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jw: Wie erklärst du zum Beispiel bei ihrer Geburtstagsfeier der Großtante, was du machst? #00:04:58-2#

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dk: Ich erkläre schon immer, dass ich Innenarchitektin bin oder beziehungsweise das studiert habe. Weil, um erst einmal so ein bisschen grob erst einmal in dem Kopf von dem anderen auch zu erklären, was es wirklich ist. Weil wenn man jetzt anfängt, diese einzelnen Bereiche aufzuschlüsseln, würde einfach zu lange dauern. Deswegen erst einmal grob die Erklärung, ich habe Innenarchitektur studiert, meine Geschäftspartnerin den medialen Bereich und wir beide verbinden das. #00:05:23-6#

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jw: Und wie erklärst du dann Innenarchitektur? Ich meine, ich gehe immer, also, die Großtante ist in meinen Augen die, die dann denkt: och ja schön, ich dekoriere auch so gern. So. #00:05:35-0#

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dk: Ah, ok, da wolltest du hin, alles klar. (...) Gute Frage. (...) Müssen wir vielleicht mal auf später verschieben. Weil ich jetzt diese Frage noch nicht so jetzt hatte, dass jemand jetzt gleich so gesehen hat, also... fällt mir gerade dazu nichts ein. #00:06:07-5#

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jw: Kein Problem. Also, ich finde es auch sehr, sehr schwierig, ich verrenne mich dann da auch gerne in irgendwelche, oft ja auch in so Floskeln, ne. Weil wenn ich jetzt, wenn man jetzt zum Beispiel der Tante sagt: ja, wir schaffen Atmosphären. Kann die sich immer noch nichts drunter vorstellen. #00:06:22-0#

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dk: Ja, genau, und das ist halt zu weit weg für sie. Ja, am Ende geht es, wenn ich es meiner Großtante erklären würde (...) boah... also, ich würde es wahrscheinlich auch so

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dk: Also, natürlich hat jede einzelne Plattform einen anderen Vorteil beziehungsweise halt auch einen anderen Hintergrund. Pinterest zum Beispiel ist eher auch eine Ideenfindung. Einfach zu schauen, was kann man, was gefällt einem, was kann man irgendwie vielleicht als Moodchart für sich selber auch wieder mitnehmen. Also, für andere Projekte. Tumblr muss man sagen, benutzt man eher weniger. Also, natürlich auch vielleicht noch ein Stück weit, das ist natürlich auch noch eine Schwierigkeit alle Medien auch gleichzeitig zu bedienen zu können. Und das ist halt auch der Teil, den S. macht. Deswegen war halt auch ursprünglich die Idee gewesen, dass sie mit hier her zu dem Termin kommt. Im Prinzip, wie gesagt, bieten halt die unterschiedlichen Plattformen einfach unterschiedliche Möglichkeiten, also, Facebook geht es halt mehr um Interaktion. Einerseits ein bisschen um Projektvorstellung, wobei man halt jetzt bei Facebook es schon auch eher immer, ich sage jetzt mal, auf der spaßigen Ebene vielleicht eher sieht. Also, wir haben die Erfahrung gemacht, dass, wenn Projekte neu vorgestellt werden, dass das die Leute einfach in Facebook nicht interessiert, beziehungsweise weniger interessiert. Währenddessen ein schöner Spruch, der im Büro irgendwie entstanden ist, oder irgendetwas halt eher so etwas persönliches, halt schon mehr Anklang findet. #00:08:47-9# jw: Ja, gut. Genau, du meintest ja auch gerade mit dem Pinterest, dass ihr das auch als Inspiration benutzt. Wie nutzt ihr Medien, also auch klassische Medien, für euren Entwurfsprozess? #00:08:59-8# dk: Also, Zeitschriften zum Beispiel. Also, sehe ich jetzt so als klassisches Medium, wie halt AIT, Brand eins, um halt eher auch so diesen Marketing-Bereich auch eher noch ein bisschen abzudecken. Business Punk, so als allgemeine


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Zeitschrift. Oder natürlich halt auch die Detail, die halt so einen innenarchitektonischen Bereich gibt. Was gibt es noch? Die Made und die andere fällt mir gerade nicht ein, aber auch eine Design. #00:09:24-7#

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jw: Ja, da gibt es ja tausende davon. #00:09:25-1#

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dk: Natürlich haben wir auch klassisch, auch natürlich gibt es auch Bücher, die wir auch immer mal haben oder auch gern zulegen. Also, es ist halt schon auch etwas Schönes, auch in etwas zu blättern, sich das zusammen zu suchen.

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jw: Aber das Internet dann schon auch. #00:09:37-9#

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dk: Ja, also natürlich erst einmal so als erste Adresse, Anlaufstelle. #00:09:41-6#

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jw: Na, das finde ich interessant, das ist echt so eine Altersfrage, ne. Also, ich bin zum Beispiel inzwischen fast komplett auf die Blogs umgestiegen, weil man dann die Zeitschriften fast nicht mehr braucht. #00:09:56-5#

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dk: Man merkt auch, dass ja auch bei den Zeitschriften immer weiter auch ein Stück weit zurückgeht, aber es ist halt schon auch etwas angenehmes auch mal eben nicht vor dem Computer zu sitzen, einfach auch sich einen anderen Raum zu suchen, wo halt vielleicht auch kein Computer steht, und dahingehend vielleicht auch noch einmal andere Inspirationen an sich, halt auch eine andere Atmosphäre zu schaffen. #00:10:13-8#

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jw: Wie siehst du so die Präsentation von Innenarchitektur in den Medien? In allen möglichen Medien? #00:10:23-0#

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dk: Da weiß ich jetzt nicht so ganz genau, worauf die Frage jetzt hinausläuft, wenn du meinst, wie siehst du die?!

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jw: Na, ich meine es gibt ja, also, auch mal absehen von den Fachmedien, zum Beispiel in den Zeitschriften. Es gibt auch Zeitschriften wie Schöner Wohnen und vielleicht auch im Fernsehen. Mir ist halt auch aufgefallen, dass zum Beispiel Architektur immer sehr professionell präsentiert wird. Also so als... #00:10:54-8#

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dk: Es ist so ein bisschen, bei der Innenarchitektur ist es immer so ein bisschen schwierig von der Präsentation in den Medien. Einfach weil man schnell das Gefühl bekommt, es geht so in diese Dekorationsgeschichten, sage ich mal. Wenn du jetzt zum Beispiel das Thema Schöner Wohnen ansprichst, das ist jetzt auch für den Privatbereich auch halt natürlich optimal. Aber könnte natürlich halt dahingehend auch so das Bild schaffen: das macht ein Innenarchitekt. Er macht die Dekoration, er sucht die Kissen aus, er

jw: Ja, ich finde es halt auch interessant, dass zum Beispiel Architektur ein Feuilleton-Thema ist, es kommt halt auch in der Sonntags, oder in der Welt am Sonntag gibt es auch einen Architekturteil, da wird das halt wirklich als Kultur präsentiert, und Innenräume sind halt da wirklich selten.

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sucht das Sofa aus, und überlegt sich, wie herum er es zu stellen hat. #00:11:27-9#

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dk: Ja, der Innenarchitekt ist in dem Sinne halt auch so eine kleine Nische, der halt, auf der einen Seite es schwierig hat, auch wahrgenommen zu werden, also, im richtigen Maße, also zu verstehen, was er halt macht. Auf der anderen Seite merke ich, oder wir zum Beispiel auch, dass halt das schon auch immer mehr wieder kommt. Also, es gibt immer mal so verschiedene Phasen, auch in diesem Bereich, wo man halt auch so über die Jahre halt feststellt, es gibt so Phasen, wo der Innenarchitekt überflüssig erscheint, weil der Architekt das ja mitmachen kann, das ist einfach so, was der Innenarchitekt kann, kann ja auch der Architekt machen. Was aber ich auch nicht so sehe. Und dann merkt man aber irgendwann so ein bisschen mit der Zeit, dass man schon auch die Vorzüge beim Innenarchitekten halt auch sehen kann, also, wirklich halt so sich mit dem Raum an sich zu befassen, wie er wirkt, was halt Vorteile für den Raum an sich sind. Merkt man aber halt erst auch bei gewissen, also, wir haben auch befreundete Architekten, mit denen wir auch zusammen arbeiten, die dann halt auch sagen, wenn es wirklich um den Innenraum geht, fehlt denen die Erfahrung. Das ist so deswegen ein bisschen so die Nische, wo man merkt, ok, man bekommt dann ab dem Innenraum dann halt schon die Möglichkeit mittlerweile da, dass man seine Projekte halt auch umsetzen kann. #00:13:00-3# jw: Dann ist noch ein großes Thema in meiner Arbeit die Gender-Frage. Weil, ich weiß nicht, wie es in Wiesbaden ist, aber zum Beispiel an der Burg in Halle ist es halt sehr häufig so, dass es sehr, sehr viele Frauen studieren und nur ganz wenig Männer. Ich habe in Zürich in einem Büro gearbeitet, da waren nur Frauen, also das waren 10 Frauen. Es macht immer mal den Anschein, es handelt sich bei der Innenarchitektur um einen Frauenberuf. Siehst du das auch so? Wie siehst du das? Wie war das bei euch in Wiesbaden? #00:13:32-6# dk: Im Studium war es so gewesen, in meinem Kurs, mit dem ich anfangen habe, waren unter den 30 Studenten 28 Frauen und zwei Männer. Ich weiß jetzt nicht, ob das jetzt vielleicht noch, also, einer davon war auch noch schwul, also, ich weiß jetzt nicht so genau, ob das jetzt vielleicht auch noch etwas mit hinein spielt. Das war eher auch so das Klassische, oder das Typische, was den Studiengang immer so ausgemacht hat. Währenddessen es eine Aus-


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nahme gab, nämlich in dem Semester unter mir war es Hälfte-Hälfte. Wie das zustande gekommen ist, kann ich jetzt auch schlecht sagen, aber da sind zum Beispiel viele Schreiner gewesen, Schreiner und Tischler, die dann gesagt haben, sie möchten sich gerne noch weiterbilden, also noch ein bisschen in die andere Richtung noch mit machen. Und hatten dann den Studiengang Innenarchitektur genutzt. War aber schon eher die Ausnahme, muss man schon auch sagen. Ansonsten ist es halt auch häufig im Büro so, also, man merkt, dass man halt schon eher den Eindruck hat, als wäre es ein typischer Frauenberuf.

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jw: Ja, wieso habt ihr euch dann, also, ihr habt euch ja dann auch als zwei Frauen gefunden. War das eine bewusste Entscheidung, wo du sagst, du würdest zum Beispiel ein Büro nur mit einer Frau zusammen machen wollen? #00:14:38-3# dk: Nein. Also, das war jetzt in dem Sinne keine bewusste Entscheidung, das kommt eher wirklich aus der Entscheidung daher, dass wir uns lange kennen und auch schon uns, also, wirklich über viele Jahre kennen und halt auch wissen, wie wir halt zusammen funktionieren können. Wo wir noch zu dritt waren, war auch noch ein Mann mit dabei. Also, es war halt so, dass wir sozusagen dahingehend, ich mag das auch schon eher, dass es ein ausgeglichenes Verhältnis ist. #00:15:05-2#

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jw: Aber, das ergibt sich dann. #00:16:17-8#

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dk: Genau, das ergibt sich dann, wenn man dann halt einfach in den Gesprächen auch merkt, man hat auch das Wissen dazu und dann... #00:16:26-9#

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jw: Ok, würdest du euer Design als typisch weiblich bezeichnen? #00:16:29-9# dk: Nein. Also das ist so, unser Design ist mit jedem Projekt auch so verschieden, dass es wirklich alle Bereiche, also von ja... #00:16:46-8#

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jw: Ja, ich will damit auch überhaupt nicht sagen, ob es das gibt oder nicht. Ich finde einfach nur die Antworten interessant, die da bei solchen Fragen halt auch kommen. Also, ich hoffe auch nicht, dass irgendjemand das über das sagt, was ich mache. Darauf möchte ich echt nicht reduziert werden. #00:17:01-3#

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dk: Ja, genau. #00:17:04-0#

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jw: Weil das ist eben auch die Erfahrung, die ich in Zürich gemacht habe. Die Chefinnen haben das schon so, die wollten das halt so, dass das nur Frauen sind. #00:17:11-7#

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dk: Ach, das war eine bewusste, so eine Entscheidung.

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jw: Wie erlebt ihr euch denn so selbst als Frauen in dieser Branche? Also, habt ihr irgendwie Positives, Negatives zu berichten? #00:15:11-8#

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dk: Also, am Ende eigentlich nur Positives. In den Projekten, wo wir jetzt gearbeitet haben, also, gerade jetzt zum Beispiel im Bereich Messebau ist es weniger so, dass es so diese, dass es nichts Ungewöhnliches, dass Frauen das machen, merkt man schon, dass es halt viele Frauen, also, auch aus dem Marketingbereichen der Firmen, die wir als Kunden haben, sind das auch immer Frauen, und sozusagen ergibt sich das. Ist es immer trotzdem irgendwie ein Frauenteam. Auch seitens von den Kunden her. Das ist halt mittlerweile schon gar nicht mehr ungewöhnlich. Im Bereich von der, ich sag jetzt mal, klassischen Innenarchitektur, was Ladenbau betrifft, ist es schon eher, dass man mit den Gewerken merkt, diese Männerdomäne vermeintlich sind, dass man zu Beginn erst einmal so versucht, man muss erst einmal gucken, oder man wird getestet, ob man jetzt wirklich so die Erfahrung hat. Also, das ist, was sich aber schnell dann auch wieder auflöst, dann mit der Zeit. Aber die Erfahrung habe ich auch schon selber gemacht, wo man dann halt auf die Baustelle kommt und halt so als Frau ein bisschen anders gesehen wird, als wenn dort ein Mann stehen würde, im ersten Eindruck. #00:16:17-4#

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jw: Ja ja, die haben das schon zum Thema gemacht. Und das fand ich total anstrengend. Also, überhaupt mit zehn Frauen zusammen arbeiten ist total anstrengend. #00:17:20-5# dk: Ja, das kann ich mir vorstellen. Also, ich hatte bis jetzt immer ganz gutes Glück gehabt, dass ich halt immer ein relativ ausgeglichenes Verhältnis hatte. Also, zum Beispiel mit dem Semester unter mir habe ich einen guten Draht gehabt, deswegen Projekte auch im Hauptstudium zusammen gelegt. Oder jetzt nicht bewusst gelegt, aber dadurch halt auch eine gute Mischung hatte, um einfach verschiedenen Einflüsse auch zu bekommen. Und ich mag persönlich auch nicht, dieses, es unter einem weiblichen Aspekt zu sehen. #00:17:47-1# jw: Ja, ich habe dann noch so ein Zusatzthema, das fällt jetzt irgendwie so ganz raus zu den anderen Fragen. Aber damit beschäftige ich mich halt am Rande. Was meinst du, wird der 3D-Druck für einen Einfluss haben auf eure Arbeit in Zukunft? #00:18:08-2# dk: Also, es ist im Moment, sehe ich da jetzt noch nicht so viel Eindruck, also, man muss dazu sagen, ich kenne mich mit 3D-Druck, also ich kenne die Anfänge von 3D-Druck aus meinem Studium im Bereich Modellbau. Dass es eine sehr große Hilfe ist, habe mich jetzt aber nach dem Studium


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auch nicht weiter damit beschäftigt gehabt, weil es bis jetzt für mich noch kein Thema war. Weiß jetzt aber eher, also durch unseren Verein, das ist halt an sich noch einmal eine andere Sache, dass wir uns damit schon auch noch einmal beschäftigt haben, dass es halt auch so eine große Weiterentwicklung gibt und wir das jetzt auch auf den Designers Open im letzten Jahr auch schon mitbekommen haben, dass es da natürlich wirklich viele Entwicklung gibt. Und sehe jetzt aber im Moment jetzt noch keinen Einfluss auf unsere Arbeit. Wobei ich jetzt denken würde, dass da auch einfach mal noch die nächsten fünf Jahre auch abzuwarten sind. #00:18:54-1# jw: Beschäftigt ihr euch denn also so davon abgesehen mit innovativen Techniken und Materialien, ist das ein Thema, oder seid ihr eher klassisch in der Wahl? #00:19:05-1#

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dk: Es ist schon an sich ein Thema, wobei es jetzt bei der Umsetzung natürlich immer aufgrund von oftmals Budget mit neuen, also mit ganz innovativen Materialien immer eher eine Schwierigkeit dann darstellt. Zumindest wenn es jetzt wirklich komplett neue Materialien sind, die halt dahingehend einfach auch vom Preis her nicht ins Budget passen und deswegen es eben oftmals die Entscheidung gibt, ok, wie versucht man das Konzept mit der Idee halt mit einfacheren oder mit klassischeren Materialien umsetzen. #00:19:35-2#

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jw: Ok, ja, das war es schon. Danke schön. #00:19:44-7#

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Erkl채rung Hiermit erkl채re ich, Julia Wolf, an Eides statt, dass ich die vorliegende Masterarbeit selbst채ndig verfasst und keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt habe.

Halle an der Saale, den 31.03.2014


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