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(Codewort: Pennerseele)

Der Goldsucher und der Schlangentöter Er kam mit dem Krähen des ersten Hahns. Wir hatten Winter und es war noch dunkel draußen. Ich lag noch im Bett und döste als er plötzlich an mein Fenster klopfte und laut rief: >> Bist du da drin? Komm raus mein Junge! Zeit aufzubrechen! << Ich erschrak, öffnete die Augen und sprang blitzschnell wie ein Panther aus dem Bett. Dann ging ich nur in Unterhosen bekleidet zur Tür und öffnete. >> Was ist los? << >> Was los ist? Wir müssen los. Das ist los. Schläfst du etwa noch? << >> Wie spät ist es? << >> Sieben Uhr. So wie es abgemacht war. << >> Aber es ist noch dunkel. Wir werden da oben gar nichts sehen. << >> Keine Sorge. Dafür haben wir Taschenlampen. Außerdem wird es bereits hell sein wenn wir oben ankommen. << >> Hast du alles dabei was wir brauchen? << >> Ich hab alles hier. << Er deutete mit der Hand auf seinen Rucksack. >> Aber mach dir um mich keine Sorgen. Sieh lieber zu, dass du dir was anziehst und die Gänge kommst. Wir müssen los bevor uns wer anderer die besten Plätze streitig macht. << >> Na schön. Ich bin gleich soweit. << Mein Opa war ein verrückter alter Mann. Er war besessen von der Idee, dass es da oben in den Bergen irgendwo einen riesigen Goldschatz gab und dass er bloß noch nicht gefunden wurde, weil noch niemand so klug gewesen war an den richtigen Stellen zu suchen. Und nun wollte er derjenige sein, der ihn fand. Ich konnte zwar nicht verstehen wozu er mit seinen siebzig Jahren an diesem Gold, wenn es denn überhaupt welches da oben gab, so interessiert war, aber ich hatte ihm versprochen mitzugehen. Also musste ich wohl oder übel zum Goldsucher mutieren. Ich wusch mir das Gesicht, putzte mir die Zähne und sprang in die schäbigsten und ältesten Klamotten die ich auf die Schnelle fand. Ein Paar alte Hosen, deren Hosenschlitz sich nicht schließen ließ, ein altes T-Shirt, das lediglich den Ausdruck Fetzen verdient hätte und ein löchriger Pullover, den ich noch von meiner Zeit als Hilfsarbeiter auf diversen Baustellen hatte. Und schon war ich abmarschbereit. >> Bist du bereit? << fragte mein Opa mich. >> Ich bin bereit. << antwortete ich. >> Dann geht’s los! << Und dann ging´s los. Wir gingen den steilen Weg gleich hinter meinem Haus hoch. Mein Opa übernahm die Führung, weil er die Gegend und all die Berge um uns herum kannte wie seine Westentasche. Es ging gleich ziemlich steil hinauf. Die ersten zwanzig bis dreißig Minuten gingen wir nur bergauf. Mein Opa war zwar gut fünfundvierzig Jahre älter als


ich aber er hielt sich ziemlich gut auf den Beinen. Er kannte ein paar Abkürzungen. Die waren noch steiler als die normalen Wege aber dafür kürzer. Als wir zum ersten längeren Pfad kamen der nicht bergauf ging sondern eben war, war ich schon ziemlich aus der Puste. Mein Opa schnaufte auch heftig, aber er ließ sich nichts anmerken. Spielte vor seinem Enkel den starken Mann. Wir gingen ungefähr zwei Stunden über steinerne Pfade, unebene, steinübersäte Wege, bedrohliche Schluchten und zentimetertiefen Schlamm, ehe wir zu der besagten Stelle kamen. Es war ein kleines Plateau am steinernen Rand eines der höchsten Berge in der Umgebung. Ich zündete mir eine Zigarette an, während mein Opa die Teile für seinen Metalldetektor aus dem Rucksack packte und ihn zusammenbaute. Man sah ihm an, dass er nicht das erste Mal mit dem Ding hantierte. Er reichte mir eine Axt und befahl mir die kleineren Bäume und Äste zu entfernen, damit er Platz zum Suchen und Umherwandern hatte. Ich nahm die Axt und räumte alles aus dem Weg. Es war ein Kinderspiel. Die Schneide ging durch sämtliche Bäume und Äste wie durch Butter. Dann legte er seinen Metalldetektor an und machte sich auf die Suche nach dem kostbaren Gold. Mir vertraute er das Teil nicht an, weil es sein Sohn(mein Onkel) für teures Geld aus dem Ausland gekauft und über die Grenze geschafft hatte und man damit äußerst vorsichtig umgehen musste. Er ging einige Male im Kreis herum und das Ding blieb größtenteils stumm. Hin und wieder gab es ein paar Laute von sich und er ließ mich ein bisschen in der Gegend rumbuddeln. Aber nach einiger Zeit stellten wir fest, dass der Zeiger des Detektors ausschlug, wenn sich unsere Füße in der Nähe des Plastikkreises aufhielten. Wir machten nämlich beide den Fehler, schwere Arbeitsschuhe, die vorne mit Eisenplatten verstärkt waren, anzuziehen. Nicht unbedingt das Klügste wenn man mit einem Metalldetektor in der Hand herumlief. Und wir hatten beide diese schweren Eisenschuhe an. Meine Genialität von der ich oft und gerne schwärmte lag wohl in der Familie. Mein Opa musste sich nun wie ein Krüppel vornüber beugen um den Detektor soweit wie möglich von den Füssen wegzuhalten und in dieser Haltung seine Arbeit verrichten. Und obwohl er alle paar Meter stehenblieb und sich streckte, weil sein Rücken schmerzte, gab der alte Sack das Ding nicht aus der Hand. Jedes Mal wenn er stehenblieb und seinen Rücken durchstreckte, sagt er: >> Diesen Metalldetektor hat mein Sohn für teures Geld aus dem Ausland gekauft und über die Grenze gebracht. Damit muss man sanft und vorsichtig umgehen. Nicht jeder ist für so etwas geschaffen. << Ich setze mich hin und zündete mir eine Zigarette an. Soll er doch sein beschissenes Gold suchen wenn er so verrückt danach ist, dachte ich mir. Während ich an meinem Glimmstängel zog, erkannte ich aus dem Augenwinkel, dass etwas langsam auf mich zukam. Es war dunkelgrün oder grau oder etwas das dem nahekam. Ich richtete meinen Blick in die Richtung des grüngrauen Dings und erkannte, dass es eine Schlange war. Sofort sprang ich auf und schrie laut: >> Da ist eine Schlange verdammt! << >> Wo ist eine Schlange? << fragte mein Opa mich während er sich zu mir drehte.


>> Da verdammt! Direkt vor dir! Kill das verdammte Scheißding! << >> Ich kann nicht. Ich muss auf den Detektor aufpassen. Hol dir die Axt und mach sie fertig. << Ich blickte mich um. Die Axt war gute zehn Meter weit entfernt. Bis ich die erreiche, hat sich das verdammte Reptil vielleicht schon aus dem Staub gemacht, dachte ich mir. Ich griff nach dem Metalldetektor und riss ihn meinem Opa aus den Händen. >> Was tust du? << schrie er mich an. >> Bist du vollkommen verrückt? << >> Ich helfe uns aus der Patsche! << antwortete ich und stürzte mich mit einem Satz auf das Biest. Ich holte weit aus und schlug wie wild auf die Schlange ein. Sie fuchtelte ein paar Mal mit dem Schwanz und dem Kopf durch die Gegend und zeigte ihre Zähne, aber dann war das Reptil tot. Ich hatte es erledigt. Und mit ihm den teuren Metalldetektor. >> Oh mein Gott! << schrie Opa auf. >> Bist du den von allen guten Geistern verlassen? Sieh dir mal an was du mit meinem Detektor angestellt hast. << >> Ich hab uns gerettet. Die Schlange oder wir hieß es. Da hab ich mich für uns entschieden. << >> Ich hab dir gesagt du sollst die Axt nehmen. Wieso hast du nicht die Axt genommen verdammt? << >> Die war viel zu weit weg. Bis ich die gehabt hätte, hätte dich das Scheißvieh womöglich erwischt. << Ich gab ihm den Metalldetektor wieder. Oder das was noch davon übrig war. Er nahm ihn und sagte: >> Diesen Metalldetektor hat mein Sohn für teures Geld aus dem Ausland gekauft und ihn über die Grenze geschafft. Und jetzt hast du ihn völlig kaputt gemacht. Weißt du eigentlich wie viel dieses Ding kostet? << >> Ich hab keinen Schimmer. << >> Das glaube ich dir, dass du keinen Schimmer hast. Wenn du nämlich wüsstest wie viel Geld in dieser Apparatur steckt, dann wärst du auch nicht so fahrlässig damit umgegangen. << >> Ich hab das Scheißding gekillt verdammt. Zählt das den gar nichts? Was wenn sie dich angegriffen hätte? << >> Diesen Metalldetektor hat mein Sohn für teures Geld… << Ich gab es auf. Es hatte keinen Sinn. Er wäre lieber draufgegangen als seinen geliebten teuren Metalldetektor zu Bruch gehen zu sehen. Unter Tränen packten wir unsere Sachen zusammen und machten uns auf den Rückweg. Ich war froh, dass er mich trotz seines herben Verlustes nach Hause führen wollte. Denn hätte er mich alleine dort oben gelassen, ich hätte mich mit Sicherheit verlaufen und hätte höchstwahrscheinlich als Futter für die Wölfe mein Dasein gefristet. Für mich sah dort oben alles gleich aus. Jeder Baum, jede Weide, jede Pfütze und jeder steinerne Pfad glich dem anderen. Ich sah überall nur Wald, Wald und nochmals Wald. Auf dem gesamten Weg von der Stelle an der wir nach dem Gold suchten bis zu meinem Haus, wechselten wir nicht ein einziges Wort. Als wir ankamen, bat ich ihn zu mir herein. Aber er wollte nicht hinein. Er gab mir nur den kaputten Metalldetektor und sagte:


>> Lass ihn bei dir. Es ist jetzt schon spät und ich will nicht, dass mich die Leute im Dorf damit herumlaufen sehen. Ich komme ihn morgen oder übermorgen früh abholen. << >> Kein Problem. << sagte ich und nahm das schrottreife Ding entgegen. >> Aber willst du nicht auf einen Kaffee oder einen Tee reinkommen? << >> Nein. Heute nicht. Vielleicht ein andermal. << Der Schmerz lag zu tief. Er musste seinen Verlust erst noch verarbeiten. Er drehte sich um und ging davon. Ich hatte nichts zu verarbeiten außer vielleicht ein kaltes Bier oder ein Glas von dem selbstgebrannten Schnaps von dem ich noch eine Flasche in meinem Keller aufbewahrte. Ich ging nach drinnen, riss mir die schmutzigen Klamotten vom Leib und sprang unter die Dusche.


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