Portfolio Kaey

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TEXT & STYLING KAEY PORTFOLIO


ÜBER MICH Eine meiner ersten Erinnerungen ist ein silbernes Paar Pumps. Als Kind war ich fasziniert von den glitzernden Schuhen meiner Großmutter und versuchte selbst darauf und damit zu stöckeln. Man könnte annehmen, die Affinität zu Mode sei mir bereits in die Wiege gelegt worden. Weit gefehlt. Meine Mutter verkörperte alles andere als ein glamouröses Frauenbild. Make-up und High Heels sind für sie bis heute Fremdkörper. Trotzdem hat sie mich der Mode näher gebracht, indem sie mein Interesse fürs Zeichnen und Malen weckte. Sie verzierte die Wände meines Kinderzimmers mit Tierfiguren, akribisch in Handarbeit. Also begann ich selbst mit dem Zeichnen und war früh fasziniert von Comicfiguren, die sich mit der Zeit zu Modeillustrationen weiterentwickelten. Am Ende meiner Schulzeit wurde mir klar, dass ich Modedesign studieren wollte. Damals fertigte ich bereits Kostüme für die Theatergruppe im Halleschen Jugendtheater. Auch heute noch suche ich stundenlang in Fachgeschäften oder auf Wochenmärkten nach richtigen Farben, Stoffen und Texturen. Nach dem Abitur habe ich in meiner Heimatstadt Halle an der Saale eine Berufsausbildung zur Modeassistentin absolviert um mir


den Einstieg in ein Modedesignstudium zu erleichtern, was mir dann auch gelang. Mittlerweile war ich nach Berlin gezogen und studierte an der FHTW Modedesign. Zum Schreiben bin ich durch Zufall gekommen. Während meiner Studienzeit habe ich bereits kleine Beiträge und eine eigene Kolumne für Magazine wie “Du&Ich” und “Blu” geschrieben. Irgendwann wurde mir klar, dass es für mich nicht in Frage kommt, ein eigenes Label zu gründen. Die Arbeit bei einem Magazin wurde immer interessanter. Nach meinem Abschluss absolvierte ich ein Praktikum beim Berliner Stadtmagazin Siegessäule und mit den entstandenen Texten bewarb ich mich in Hamburg beim Hamburger TUSH Magazine als Praktikantin. Bereits nach zwei Monaten wurde mir dort vom Chefredakteur Armin Morbach eine Stelle als Redakteurin angeboten. Eine Chance, die ich mir nicht entgehen lassen konnte. Drei Jahre verbrachte ich bei einem der aufregendsten Beautyund Modemagazine Europas und konnte nicht nur mein journalistisches Fachwissen schulen, sondern auch einen eigenen Schreibstil und den professionellen Umgang mit Presseagenturen, Künstlern und Redaktionen erlernen.

In meiner Freizeit stehe ich oft auf der Bühne. Dann wird aus all meinen Leidenschaften und Berufszweigen Eins. Ich singe und moderiere auf vielen “queeren” Veranstaltungen in Berlin und Hamburg. Obwohl das nur eine Nebentätigkeit ist, habe ich dafür dennoch eine private Gesangsund Schauspielausbildung ab solviert. Auch für das Berufsleben sind die Erfahrungen, die ich mit meinem Hobby sammle, von großem Nutzen. Wer es schafft, eine Show in einem Theater zu organisieren oder auf einer Freilichtbühne vor 10.000 Zuschauern zu singen, den erschüttert nichts so leicht. Und auch die unzähligen Kontakte helfen mir auch im Professionellen immer wieder weiter. Mein Portfolio reflektiert die vielen verschiedenen Themengebiete, in denen ich mich zu Hause fühle. Mode, Musik und Kunst, dargestellt in Interviews und Porträts über und mit Fotografen, Künstlern, Modedesignern und Musikern, Features über Fa shi on We ek s , Tre n d s un d Phänomene unserer Zeit. Bei einigen Editorials kam ich auch als Stylistin und Styling-Assistenz zum Einsatz. Ich bin davon überzeugt, dass die Bandbreite meiner Arbeiten einen guten Eindruck meiner Kreativität, Persönlichkeit und Leistungsfähigkeit vermittelt.


TUSH Konzept/Realisation/Styling

Farbzuwachs Mut zuM Stilbruch lohnt Sich, denn eS iSt iMMer daS unerwartete, waS unS reizt und weiterbringt! zuM eleganten outfit Schrill gefärbteS Kopf- und bartha ar zu tr agen, Str ahlt SelbStbew uSSte exzentriK auS, und genau die br auchen wir – alS geSunden benefit in gr auen zeiten

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tUSH GALLERY

FOTO ARMIN MORBACH sTills WOlf-DIeteR BöttCHeR REAlisATiON ANDReS DAMM / kAey


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01 „Vita Lift 5 Augen Roll-On“ von L’ORÉAL PARIS MEN EXPERT, um 10 Euro 02 Körperaftershave von firma, um 75 Euro

Alexander Pohnert arbeitet als freier Künstler in Berlin. Er trägt einen Anzug von hugo, ein Hemd von caruso und eine Fliege von herr von eden.

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03 „Savon Liquide Thé Tonka“ von COMPAGNIE DE PROVENCE, über Zalando, um 20 Euro 04 Duf t „ Avantgarde“ von lanvin, EdT um 35 Euro 05 Eau de Cologne „No 8 8“ von CZECH&SPEAKE, um 100 Euro


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01 „B-Leave In Conditioner“ von BEAD HEAD FOR MEN, um 10 Euro 02 Duftkerze „Le Salon En Hiver“ von DAVID MALLETT, um 45 Euro

Hannes Kettritz ist Modedesigner und hat seine Debüt-Kollektion auf der letzten Berlin Fashion Week präsentiert. Er trägt einen A nzug von YVES SAINT LAURENT (über mrporter.com) und ein Hemd von hugo

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03 Augencreme „SKN-EY 243 Eye Fuel“ von KYOKU FOR MEN, um 40 Euro 04 Rasierer „Touch Control Beard&Stubble Trimmer“ von REMINGTON, um 60 Euro 05 Haarpuder „Styling Powder Grip 03“ von redken, um 15 Euro


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HaarE & GROOMING Armin Morbach/Schwarzkopf Haarexperte Koloration Isabel Eiler/Ballsaal Styling Andres Damm Bildbearbeitung Sevengreen FOTOassistenz Stefan Vorbeck, Max Liebenstein Haarassistenz Manuela Schwozer/Ballsaal KOLORATIONSassistenz Lisa Scharff Sex Toy gesehen bei darling-frivole.de

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Der in Dänemark geborene Sigurd Larsen b etreibt ein erfolgreiches Design- und Architekturstudio. Er trägt einen Anzug von hugo, sowie ein Hemd und eine Fliege von herr von eden.

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01 Gesichtsserum „Essence 27“ von M.E.SKINLAB PARIS, um 95 Euro 02 Augencreme „Soin Des Contour Des Yeux“ von ANNAYAKE, um 50 Euro 03 Bodylotion „M/Mink“ von BYREDO, um 50 Euro 04 Cleanser „V1.3 El Gel Limpiador“ von SEPAI, um 80 Euro 05 „Shaving Soap“ von ROYAL SHAVING, um 25 Euro


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TUSH Interview

a new kinD of

beauty

Der new Yorker künstler PhilliP toleDano fotografierte Menschen, Die ihre körPer Mit hilfe oPerativer eingriffe gestaltet haben. Die entstanDenen Portr äts zeigen bizarre körPerbilDer, Die seltsaM schön sinD

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Foto

phillip toledano Interview kaey

Die Fotoserie „A New Kind Of Beauty“ zeigt, wie man Schönheit definiert – in einer Zeit, in der es unterschiedlichste Möglichkeiten gibt, seinen Körper nach seinem eigenen Ideal zu formen und zu verformen. Wie definieren Sie Schönheit im Allgemeinen und vor allem in Bezug auf den menschlichen Körper?

ich finde vollkommene schönheit auf künstlerischer ebene uninteressant. ich mag paradoxe kontraste, makellos und irgendwie seltsam zugleich. Die landschaftsfotografien von edward burtynsky zum beispiel sind besonders faszinierend. er fotografiert industriegebiete, die wunderschön wirken, obwohl es eigentlich zerstörte landschaften sind. während des Projekts „a new kind of beauty“ habe ich mich überraschenderweise sehr mit meinem eigenen alterungsprozess auseinandergesetzt. Und ich bin schockiert darüber, dass ich altere, und vor allem über die rapide geschwindigkeit, in der es passiert. Man denkt immer, es wäre ein langsamer Prozess, doch dann steht man morgens vor dem spiegel und denkt: Moment mal! Diese falte war gestern noch nicht da! ich fühle mich betrogen von der biologie und habe am ende auch nur klischeehafte ansichten wie jeder andere auch. Jugend und einen jungen körper finde auch ich schön und sexy. 201


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Die Menschen auf Ihren Porträts haben sich entschieden, ihre Körper durch chirurgische Eingriffe zu verändern. Wie haben Sie Ihre Modelle gefunden?

via facebook! Manchmal schaue ich mir die freundesliste meiner verlinkten freunde an. irgendwann bin ich auf diese frau gestoßen, die all diese unglaublichen schönheitseingriffe hat machen lassen. ich dachte: wow, fantastisch! ich will sie unbedingt fotografieren! glücklicherweise war sie sehr interessiert an meiner idee und stellte mir noch andere ihrer freunde vor, die mir auch wieder weitere freunde vorstellten. es ist wie eine kleine community. es gibt immer jemand, der jemanden kennt, der dann noch jemanden kennt. Wenn man eine Person porträtiert, ist es unerlässlich, dass der Fotograf eine persönliche Beziehung zum Modell aufbaut. War die Zusammenarbeit in diesem Fall besonders intim?

seltsamerweise war es nicht sonderlich intim. ich habe die Modelle einige stunden in meinem studio fotografiert, und das war’s. selbstverständlich habe ich versucht, durch aufmerksame gespräche eine besondere verbindung zu ihnen aufzubauen, um ein wirklich ehrliches, würdevolles Porträt zu bekommen. Meine fotoserie Phonesex war viel intimer, da ich lange und intensive e-Mail-konversationen mit den Protagonistinnen geführt habe. Hatten Sie den Eindruck, Ihre Modelle sind mit sich im Reinen und zufrieden, sind sie jetzt sozusagen „fertig“?

Diese frage wird mir oft gestellt. ich denke, als menschliches wesen ist man immer im fluss und verändert sich. es ist ein fortwährendes auf und ab. Die Modelle aus „a new kind of beauty“ jedoch bewegen sich immer auf derselben ebene, denn sie erneuern sich ständig und sind nie „fertig“. es ist wie bei einem Maler, der sein bild immer wieder mit kleinen veränderungen überarbeitet. Die meisten meiner Modelle waren sehr damit beschäftigt, wie sie aussehen, was zu erwarten war, wenn man bedenkt, wie viele operationen sie haben machen lassen. Hatten Sie das Gefühl, dass Ihre Modelle unter einer verzerrten Selbstwahrnehmung leiden?

Man unterstellt Menschen, die so viele schönheits-oPs hinter sich haben, immer gerne, dass sie psychisch gestört sind. vielleicht stimmt das auch. Doch es wäre nicht sonderlich fair, es zu behaupten, da ich die Modelle nicht wirklich kenne. Wenn man Ihre Bilder betrachtet, fällt auf, dass die Inszenierung der Protagonisten und Protagonistinnen immer gleich ist. Dunkler Hintergrund, hartes, kühles Licht, sämtliche Modelle erscheinen nackt. Warum haben Sie diese spezifische Inszenierung gewählt, was war der genaue Hintergrund?

es ging mir in erster linie darum, die Person zu zeigen ohne ablenkende elemente im hintergrund. außerdem war die Porträtmalerei aus dem 15. /16. Jahrhundert eine große inspirationsquelle. künstler wie hans holbein und hans Memling galten als die Maler ihrer zeit und porträtierten das vorherrschende schönheitsideal. ich dachte, es wäre interessant, einen zusammenhang herzustellen, indem ich das schönheitsideal der heutigen zeit in einer ähnlichen stimmung inszeniere. Können Sie als Künstler den Drang nachvollziehen, seinen Körper zu gestalten, auch wenn damit schmerzhafte operative Eingriffe in Kauf genommen werden? 202


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es gibt einige künstler, die ihren körper als arbeitsmaterial betrachten. aber man darf nicht vergessen, dass die Menschen aus der Porträtserie sich nicht operieren, um eine künstlerische aussage zu treffen. ich kann es allerdings sehr gut verstehen, wenn man es macht, um dem alterungsprozess entgegenzuwirken. Haben Sie selbst schon einmal etwas machen lassen?

nein. Doch ich schließe nicht aus, dass ich es tun würde. Inwieweit ist Ihrer Meinung nach der Chirurg und nicht der Klient der Gestalter eines operierten Körpers?

wenn man sich alle fotos ansieht, dann kann man kaum die ähnlichkeit der Menschen übersehen. vielleicht geht man zu einem chirurgen und sagt, was man verändern möchte, doch letztendlich wird es immer durch seine hände und seine sichtweise gefiltert. wahrscheinlich haben sie einen großen einfluss darauf, wie man am ende aussieht, vor allem, wenn man viel machen lässt. Extrem ist das Erste, was einem einfällt, wenn man Ihre Porträts betrachtet. Warum, denken Sie, überschreitet das Körperideal Ihrer Modelle oft die gängigen Ansichten von Schönheit?

als die Menschen sich vor 20 Jahren tätowieren oder piercen ließen, fand man das total durchgeknallt. Doch jetzt ist das ganz alltäglich und total gewöhnlich. in 20 Jahren werden uns die Dinge, die wir aufgrund technischer fortschritte mit unseren körpern anstellen, extrem radikal erscheinen im vergleich zu den heutigen Möglichkeiten. einige Modelle aus der serie sind transsexuelle. wenn man mit solch einer grundvoraussetzung anfängt, hat man viel mehr freiheiten. es ist nicht wie eine reguläre nasenkorrektur oder eine brustvergrößerung mit 16. Denn wenn man etwas Grundlegendes wie das Geschlecht ändert, ist man auch bereit, seinen Körper komplett zu modifizieren ...

... als transsexuelle Person strebt man nach vollkommener weiblichkeit. alles, was für das „frausein“ steht, wird adaptiert. ich habe die transsexuellen Modelle besonders gern fotografiert, weil ich den eindruck hatte, dass sie sich ganz neu erfunden haben. Die meisten Menschen entscheiden sich für Schönheitsoperationen, weil sie sich als nicht perfekt empfinden und der Meinung sind, durch Hilfe äußerlicher Eingriffe ein neues Selbstwertgefühl zu erlangen. Oftmals wird dabei aber vergessen, dass Perfektion langweilig ist und gerade Makel und Fehler interessant machen. Was ist denn Ihrer Meinung nach der Grund, weshalb die Menschheit stets nach Vollkommenheit strebt, anstatt die Schönheit im Unperfekten wahrzunehmen?

vielleicht assoziiert man schönheit mit Jugend und Jugend mit freiheit. Umso älter man wird, umso mehr wird man mit unnötigem stress belastet; mit rechnungen, dem körperlichen verfall, verantwortung und dem tod. wenn man jung ist, befindet man sich im zustand der vollkommenen Unschuld. ich bin mir aber durchaus dessen bewusst, dass ich nichts neues erzähle. Wie wird sich unser Schönheitsideal in Zukunft entwickeln? Werden wir uns alle irgendwann ähnlich sehen?

ich denke, es werden sich, ähnlich wie in der menschlichen evolution, unterschiedliche „arten“ entwickeln. wie der neandertaler und der homo sapiens nebeneinander existierten, wird es in zukunft noch mehr operativ gestaltete Menschen neben „naturbelassenen“ Menschen geben. 207


TUSH Interview MOVE

DO IT LIKE

Jessie J.

JUSTIn TIMBERLAKE H채LT SIE f체R DIE DERzEIT BESTE S채 nGERIn IM POPBUSInESS. DOCH DIE JUnGE BRITIn BIETET MEHR ALS IHRE KRAfTVOLLE, SOULIGE STIMME Interview

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Kaey Foto Dan WIlton


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Die Branche schätzte sie bisher vor allem als talentierte Songwriterin. Jessie J. ist unter anderem mitverantwortlich für Miley Cyrus’ Smashhit „Party In The U.S.A.“. Obwohl sie ebenfalls wie Adele und Amy Winehouse die BRIT School for Performing Arts besuchte, unterscheidet sich ihr Musikstil deutlich von dem ihrer ehemaligen Schulkameradinnen. Der Sound ihres Debüts „Who You Are“ bewegt sich spielerisch zwischen spröden R’n’B-Klängen und sanften Akustikballaden. Lohn: Platz 2 in den UK-Charts. Dein Album trägt den Titel „Who You Are“. Wer ist Jessie J.?

Ich bin ein 23-jähriges Mädchen, und ich finde, das Leben ist viel zu kurz, um nicht jeden Moment zu genießen. Ich bin sehr ehrlich, ich bin sehr rebellisch, ich bin vorlaut und ich bin sehr humorvoll. Ich möchte versuchen, ein Vorbild zu sein und ein kleines Licht ins Dunkel zu bringen. Hast du Vorbilder?

Whitney Houston hat mich dazu inspiriert, Sängerin zu werden. Auch Michael Jackson ist ein großes Idol. Egal welches Chaos in seinem Leben herrschte und was die Presse über ihn berichtet hat, am Ende lebt er durch seine Musik weiter. Momentan bin ich am meisten von Beyoncé beeindruckt. Jedes Mal, wenn ich sie sehe, denke ich: „Wow, du bist echt schon ganz schön lange im Geschäft!“, und dabei hat sie nie ihren Humor verloren. Wenn sie bei einem Konzert von der Treppe fällt, lacht sie über sich und macht einfach weiter. Der Titeltrack des Albums „Who You Are“ ist ein kraftvoller Song, der daran erinnert, dass es okay ist, auch schwache Momente zu haben. Momentan gibt es viele ähnliche Messages in der Popmusik, wie zum Beispiel Lady Gagas „Born This Way“. Warum sind solche Botschaften gerade jetzt wieder wichtig?

Die Musikindustrie war lange besessen von Songs, in denen es um Partymachen und Hinternwackeln geht. Meiner Meinung nach kann es jedoch nie genügend Songs geben, die dich wieder aufbauen. Wenn es einem richtig schlecht geht, dann kann man den richtigen Song mit dem richtigen Text anhören und sich dreieinhalb Minuten in seinem Selbstmitleid suhlen. Danach geht es einem viel besser und man kann weitermachen. Es ist wirklich schön, Musik zu machen, die Menschen trösten kann. 187


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Was machst du, wenn du schlecht drauf bist?

Ich treffe mich mit meiner familie und meinen freunden. Dann lachen wir viel miteinander und ich rede mit ihnen über ihre Probleme, denn die meiste zeit sonst rede ich hauptsächlich von mir und über mich. Es tut gut, nicht immer nur sich selbst auf dem Schirm zu haben. Ich koche gerne und habe einen ausgeprägten Putzfimmel. Ich liebe das zufriedene Gefühl nach einer Putzorgie, wenn der Haushalt blitzt und blinkt. Außerdem habe ich eine große Schwäche für Themenparks!

Was würdest du machen, wenn du für einen Tag ein Mann sein könntest?

Ich würde im Stehen pinkeln! Das ist alles?

Ja, ich würde im Stehen pinkeln. Ich bin ein totaler Bazillenfreak und hasse es, mich auf die Klobrille setzen zu müssen. Da kommt der Putzfimmel wieder zum Vorschein! Ist es im Jahr 2011 als Frau nach wie vor schwierig in der Musikindustrie?

Themenparks?

Ja! Ich bin besessen von Achterbahnen! Dabei habe ich extreme Höhenangst. Es kostet mich immer große überwindung, doch wenn ich mich dann traue, bin ich am Ende besonders stolz. Gab es einen besonderen Tiefpunkt in deinem Leben? Wie hast du diesen überwunden?

früher hatte ich oft gesundheitliche Probleme. Ich habe fast mein ganzes Leben in Krankenhäusern verbracht. Vor vier Jahren hatte ich einen besonders starken Schlaganfall. Das war der zeitpunkt, an dem mir klar wurde, dass es keine zeit zu verschwenden gibt und ich mein Ding jetzt durchziehen muss. Irgendwann kam ich an einen Punkt, an dem ich dachte, ich ertrage das ganze Musikbusiness nicht mehr. Es gibt viele falsche und unfreundliche Leute. Ich habe gelernt, dass man in der Lage sein muss, sich zu öffnen und seinen Gefühlen freien Lauf zu lassen. Aber genauso wichtig ist es, sich danach wieder zu verschließen. Außerdem hat mich die Krankheit sehr diszipliniert. Drogen, Alkohol und zigaretten machen dich nur kaputt, und ich bin sehr froh, dass ich keine kleinen Helferlein brauche, um auf die Bühne zu gehen.

Ich denke, es ist für jeden schwierig. Der einzige Vorteil, den man als frau wohl hat, sind Titten. Deshalb verkaufen sich auch Magazine mit Mädchen auf dem Cover besser als mit Jungs auf dem Cover. Mir fällt allerdings besonders auf, dass man als Künstlerin mehr im öffentlichen Interesse steht. Es wird öfter über dein Privatleben berichtet als bei den männlichen Kollegen. Hattest du denn Angst davor, dass sich die Presse und die Öffentlichkeit auf dein Privatleben stürzt?

Ja, das hatte ich. Wenn fotos von mir veröffentlicht werden, auf denen ich total fertig aussehe, oder wenn sich die Presse darüber das Maul zerreißt, wen ich gerade date, dann hat das ja immer unmittelbar etwas mit mir zu tun. Ich finde, es ist auch keine große Leistung, solche Geschichten aufzubauschen, weil es eigentlich nur zeigt, dass ich ein Mensch und kein Roboter bin. Wenn man ein Star werden will, kann man sich über Gossip nicht beschweren, denn man weiß ganz genau, was auf einen zukommt. Doch mein Umfeld versuche ich zu beschützen. Ich habe mich dafür entschieden, im Rampenlicht zu stehen. Aber manchmal habe ich ein schlechtes Gewissen, wenn im Leben der anderen rumgeschnüffelt wird. Wenn man sich für mich interessiert, finde ich das völlig in Ordnung, doch ich werde nicht meine Verwandten, Geliebten und freunde zur Schau stellen. Es heißt ja auch Jessie J. und nicht Jessie J. und Co.

ICH BIn fROH, DASS ICH KEInE KLEInEn HEL fERLEIn BRAUCHE, UM AUf DIE BüHnE zU GEHEn

Im Song „Do It Like A Dude“ geht es um Frauen, die sich wie Männer aufführen. Wie definierst du männliches und weibliches Verhalten?

In dem Song geht es eher um ein starkes, selbstbewusstes Auftreten. „Lass es niemals zu, dass dir jemand das Gefühl gibt, du könntest die Dinge nicht tun, die du tun willst!“ Ich bin oft von männlichen Egos umgeben, die mich rumkommandieren, weil ich ein 23-jähriges Mädchen bin. Ich denk mir dann immer, „Dude“, ich weiß selbst, wie man die Dinge anpackt. Außerdem ist der Titel auch ein bisschen ironisch gemeint. Ich hätte auch „Do It Like A Girl, Do It Like A Lady“ singen können. Aber „Do It Like A Dude“ erschien mir viel humorvoller. Gibt es Situationen, in denen du dich eher männlich verhältst?

Ich war schon immer sehr mädchenhaft mit einem derberen, männlicheren Humor. Ich hatte auch immer mehr männliche als weibliche freunde. Doch ich glaube, im Gegensatz zu den meisten Mädels im Musikbusiness nehme ich mich nicht zu ernst. Ich kann über mich selbst lachen und habe keine Angst, auch mal dumm dazustehen oder einfach nur dämlich auszusehen. Die meisten achten ja doch sehr darauf, immer perfekt zu erscheinen. 188

Durch Plattformen wie iTunes, Youtube verbreiten sich die neusten Tracks auf rasante Weise in der ganzen Welt. Findest du es nach wie vor zeitgemäß, eine Platte zu produzieren?

Heutzutage braucht man nicht mehr besonders talentiert zu sein, um Erfolg zu haben. Ich denke, das Internet hat viel damit zu tun. Wenn man einen Plattenvertrag hat, kann man nicht einfach tun und lassen, was man will. Man muss Kompromisse eingehen und das kann oft auch sehr gut für deine Musik sein, weil du genau überlegen musst, was du veröffentlichst. Der Vorteil ist natürlich auch, dass du mit großartigen Produzenten zusammenarbeiten kannst. Im Internet verkauft sich vor allem die Persönlichkeit der Künstler und nicht deren Musik. Da ich aber musikalisch ziemlich einzigartig bin, mache ich mir keine großen Sorgen. Doch falls jemals mein Outfit mehr Aufmerksamkeit erregt als meine Musik, werde ich definitiv die notbremse ziehen.


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SIEGESSÄULE Titelgeschichte


SIEGESSÄULE

berlin Macht Mode Mode ist eine allgegenwärtige Kunstform, denn wir bewegen uns tagtäglich mit und in ihr. Selbst wenn Berlin gerne Understatement symbolisiert, weiß es die Kraft der stilvollen Körperverhüllung zu schätzen und inszeniert sich gerne als neue europäische Fashionmetropole. Kaey, die neben der Siegessäule hauptsächlich für das Modemagazin Tush in Hamburg arbeitet, hat für uns die Relevanz der Berliner Szene beleuchtet und mit queeren Designern und Insidern gesprochen 12 siegessäule 01|2012

Text: Kaey Fotos: Marcus Witte marcuswitte.com Outfits: sadak.de Hair & Make-up: Lucia Krämer kraemdelakraem.de Model: Sepp Location: HAU1


SIEGESSĂ„ULE

,,YZ[L (KYLZZL! YZ[L (KYLZZL! • Wer kennt sie nicht, diese Situation: Freitagabend in irgendeiner Bar in Kreuzberg. Bärtige Kerle, die trotz ihres Heterolooks nicht weniger schwul-affektiert wirken, und schlecht geschminkte Transen in zu engen Fummeln, die sich aber trotzdem fĂźr Topmodels halten. Vielleicht kommt man mit einer der anwesenden Personen ins Gespräch, und es stellt sich trotz Flodder-Look heraus, dass sie im Modebusiness arbeitet. Im besten Falle bezeichnet sie sich gar als Designer, weil sie in ihrer Freizeit T-Shirts bedruckt. So, wie der Berliner Hype-Designer Kilian Kerner in seinen Anfangstagen. Vor einigen Jahren noch ein NoName, präsentiert er mittlerweile seine Kollektionen auf Messen wie der Berlin Fashion Week und erĂśffnete im Sommer 2011 den Flagship-Store seines Labels in Mitte. Die Legende besagt, dass er mit einem selbstgefertigten T-Shirt, auf das er einfach den berĂźhmten Rolling-Stones-Mund gepinnt hatte, auf einem NenaKonzert war. Die Deutschpop-Ikone war von Kilians Anblick in besagtem Shirt so fasziniert, dass sie ihn auf die BĂźhne holte und ihn bat, ihre BĂźhnenoutfits zu entwerfen. Kurze Zeit später zeigte sich der frischgebackene Designer im Fernsehen und verkĂźndete voller Stolz, kompletter Autodidakt zu sein und dass er erst einmal ein Schnittbuch kaufen musste, um Jeanette Biedermann ein Kleid fĂźr den roten Teppich zu kreieren. Keine gute Visitenkarte fĂźr die Berliner Modelandschaft. Doch bei genauer Betrachtung ist zu erkennen,

Hochschule fĂźr Technik und Wirtschaft Berlin (HTW): „Ich finde, dass die handwerkliche Ausbildung an der HTW sehr gut ist. Vom Siebdruck bis hin zur Strickmaschine bekommt man wirklich in alle VerarbeitungsmĂśglichkeiten und Anwendungstechniken einen Einblick. Leider bleibt das Kreative, KĂźnstlerische oft auf der Strecke.“ Die Professorin Johanna Michel unterrichtet an der HTW unter anderem das Fach „Gestalterische Grundlagen“. Sie sieht das Ganze etwas differenzierter: „Wir versuchen unsere Studierenden ,produktfähig’ zu machen, das heiĂ&#x;t, das Industrieprodukt Mode umzusetzen, auf Realisierbarkeit zu ĂźberprĂźfen, auch wenn der Ansatz noch so experimentell sein sollte. Also vermitteln wir entsprechend Schnitt und Nähkenntnisse, aber auch Computerdesign, Print und Marketing sind ein groĂ&#x;es Thema.“ Bei dem breiten Angebot gibt es natĂźrlich unzählige junge Menschen, die eine Ausbildung im Modebereich absolviert haben und mit einem Abschluss versuchen, im Modebusiness FuĂ&#x; zu fassen. Doch macht das die Hauptstadt automatisch zu einer Modemetropole? Das Potenzial junger Kreativer ist vorhanden, und auch ein anderes Indiz weist darauf hin, dass Berlin nicht uninteressant fĂźr die Modebranche ist: Ab dem 18. Januar präsentiert die Berlin Fashion Week bereits zum zehnten Mal deutsche und internationale Designer. Seit 2003 findet mit kurzer Unterbrechung die Bread and Butter zweimal jährlich zur gleichen Zeit in Berlin statt

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dass diese Ausnahme wie immer die Regel bestätigt. Denn eine Tatsache macht die Hauptstadt einzigartig: mit drei staatlichen Hochschulen und fĂźnf Privatschulen, an denen man Modedesign studieren kann, werden beste Voraussetzungen fĂźr junge Kreative geboten. Dabei ist die Ausrichtung der jeweiligen Ausbildungsstätten oft unterschiedlich. Die Universität der KĂźnste (UdK) und die Kunsthochschule WeiĂ&#x;ensee sind bekannt fĂźr ihren kĂźnstlerischen Anspruch und untermauern dieses Image gerne mit Gastprofessoren wie der britischen Modedesignerin Vivienne Westwood. Szenesternchen und Dragqueen Barbara Vogue (24) hingegen studiert Modedesign im siebten Semester an der

und ist mit ca. 600 Ausstellern die grĂśĂ&#x;te Modemesse fĂźr Street- und Sportswear in ganz Europa. Auch die Modemesse Premium und andere Events steigen inzwischen in Berlin. Diese Ballung von Präsentationsplattformen ist ein Beweis dafĂźr, dass Berlin fĂźr die Modeindustrie nicht unwichtig sein kann. Um die Frage zu beantworten, ob Berlin das Zeug zur Modemetropole hat, muss man sich vielleicht aber erst einmal mit der Frage auseinandersetzen, ob deutsche Mode Ăźberhaupt relevant ist fĂźr den internationalen Markt. Oft wird deutscher Stil als clean, gradlinig, tragbar beschrieben. Also eher konservativ als spektakulär 15 und Ăźberraschend. Parsival Cserer hat 2010


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den Designer of Tomorrow Award gewonnen, der im Rahmen der Mercedes-Benz Fashion Week und in Kooperation mit Peek & Cloppenburg an hoffnungsvolle Jungdesigner vergeben wird. Er hat eine Theorie, weshalb Deutschland sich modisch eher in der Grauzone bewegt: „Deutschland ist sehr durch den Calvinismus und Protestantismus geprägt. Dabei gilt das Motto: Das letzte Hemd hat keine Taschen. Das bedeutet, alles, was Mode ist, wird als eitler Tand abgetan. In Italien und Spanien ist es viel wichtiger, wie man sich präsentiert.“ Dementsprechend gibt es so gut wie keine deutschen Labels, die international bekannt sind. Die Zeiten von Joop und Jil Sander sind seit Ende der 90er vorbei, nachdem die Marken an ausländische Firmen verkauft worden waren. Die Einzigen, die noch in Paris präsentieren, sind Talbot und Runhof, und auch der bekannteste deutsche Designer, Karl Lagerfeld, arbeitet für die französische Marke Chanel. Doch noch sind nicht alle Hoffnungen verloren, wie auch Parsival findet: „Berlin hat durch tolle Ateliermöglichkeiten, die Weite der Stadt, durch die Tatsache, dass die Kneipen nicht um zwei Uhr schließen und man in Clubs 48 Stunden durchfeiern kann, mittlerweile einen höheren Künstleranteil als London, New York und Paris.“ Einen ähnlichen Eindruck hat auch der Modeblogger und freie Modejournalist Fabian Hart. Er hat als Textchef für die deutsche Beauty- und Modezeitschrift Tush gearbeitet, für die L´Officiel Hommes geschrieben und unterrichtet als Dozent an der Akademie für Mode und Design (AMD) in Hamburg. „Ich glaube nicht, dass Berlin eine typische Hauptstadt der Mode ist, kein Paris, kein Mailand. Berlin steht für Subkultur und die präsentiert sich nie offensichtlich und glamourös. Die Moden, die in Berlin entstehen, sind Ergebnisse multinationaler 16 Kreativer und nicht nur textilen Ursprungs.“ Das immer noch

„Die Zeiten von Joop und Jil Sander sind vorbei“

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SIEGESSÄULE

berlin Termine Mercedes-Benz Fashion Week Berlin 18.–21.1. Brandenburger Tor Bread and Butter 18.–20.1. Flughafen Tempelhof Premium 18.–20.1. Station-Berlin am Gleisdreieck The Green Showroom 18.–20.1. Hotel Adlon, Unter den Linden 77 Showroom für ökologisches Design Collect 19./20.1. Alte Münze Showroom für Contemporary Fashion

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„Berlin ist keine typische Hauptstadt der Mode“ günstige Berlin lockt nach wie vor Kreative aus der ganzen Welt an. So auch Sasa Kovacevic. Der gebürtige Serbe lebt seit fast acht Jahren hier und gründete schon während seines Studiums das Label Sadak. Mit der Hauptstadt verbindet er das Gefühl von Freiheit und lässt sich von ihren BewohnerInnen inspirieren: „Ich beobachte gerne Menschen, die mir im Alltag oder im Nachtleben über den Weg laufen, zum Beispiel die türkischen Frauen am Einsteinufer, Dragqueen-Performances im SO36, Straßenbahnfahrer oder die Pelz tragenden, älteren Damen im KaDeWe. Auch die Geschichte der Stadt finde ich sehr anregend.“ Seine Kollektionen befassen sich jedoch konkret mit dem Balkan und der ehemaligen jugoslawischen Region, aus der er stammt. Das Ergebnis sehen wir auf dem aktuellen Siegessäule-Cover. Der Schritt in die Selbstständigkeit ist heute mutiger denn je. Vor allem wenn man betrachtet, welche Konkurrenz herrscht. Zu den Absolventen der Hochschulen und Universitäten gesellen sich ja noch unzählige Selfmade-DesignerInnen. Erfolg ist nicht immer garantiert, man sollte sein Konzept genau im Auge haben. „Mittlerweile gibt es immer mehr große Ketten wie H&M. Man kann sich nur durch ein Nischenprodukt absetzen, denn Mainstream hat wenig Chancen. Der Markt ist aber beschränkt, da gerade die Berliner nicht sehr viel Geld für Mode ausgeben können und wollen“, erzählt Professorin Johanna Michel. Geld ist leider auch die Grundlage für eine Selbstständigkeit. Sogar einem Talent wie Parsival war das Risiko letztendlich zu groß. Im Prinzip braucht man, wenn man sein eigenes Label gründen will, eine Art Bauernhof. Einen funktionierenden Betrieb, in

dem Menschen verschiedene Aufgaben übernehmen, um am Ende ein gutes Produkt herzustellen. Das bedeutet, man benötigt ein Grundbudget, bis der Laden läuft. Vor der Wirtschaftskrise war die Möglichkeit, einen Kredit zu bekommen, leichter. „Ich habe einen Businessplan aufgestellt und errechnet, dass ich im Monat Betriebskosten von 30.000 Euro aufbringen müsste, wenn ich nicht nur T-Shirts in irgendeinem Hinterhof bedrucken will und meine Mode eine gewisse Qualität haben soll.“ Sasa hingegen hat den Schritt gewagt. Momentan steckt er mitten in den Vorbereitungen seiner neuen Kollektion und plant, diese im asiatischen Raum zu präsentieren, dem weltweit größten Modemarkt. Mit Berlin machte er eher schlechte Erfahrungen, wenn es darum ging, seine Mode in einem größeren Rahmen zu präsentieren. Die Landesregierung hat es sich zwar zum Ziel gemacht, Berlins Kreativwirtschaft und Nachwuchsdesigner zu fördern und zu stärken, doch es ist für Newcomer fast unmöglich, die eigene Kollektion auf der Fashion Week zu präsentieren. „Man kann sich zwar bewerben, aber die Auswahlkriterien sind mir noch immer unklar. Auch die Tatsache, dass das Label die kompletten Kosten für PR, Seating, Models und Stylisten selber tragen muss, finde ich nicht sonderlich sinnvoll“, berichtet Sasa. Berlin liebt es nun einmal, sich zu inszenieren. Immer nach dem Motto: Arm, aber sexy. Doch vor allem im Bereich der Mode entwickelt sich die Stadt langsam, aber stetig zu einer Metropole, die in Europa an Wichtigkeit gewinnt. Bis sie sich allerdings mit New York, London und Paris auf diesem Sektor messen kann, wird es noch eine Weile dauern, wie auch Sasa findet: „Berlin hat das Potenzial, sich als Modemetropole durch junge und kreative Menschen zu etablieren. Die Stadt ist wie ein Kochtopf, der schon lange auf einer heißen Flamme steht. Man merkt förmlich, wie es in ihr brodelt. Doch wann das Gericht, das in ihr kocht, endlich genießbar sein wird, ist leider noch nicht abzusehen.“


TUSH Designerportrait

ARTS & AESTHETICS

IN ALLER

MUNDE

Die Berlin Fashion Week wird mindestens so stark diskutiert wie eines der bemerkenswertesten Talente, die sie f端r die Herbst/Winter-2010-Saison hervorbrachte. Sam Frenzel ist ein Name, an dem die Mode nicht mehr vorbei kommen wird. Wer das sagt? Er nat端rlich. INTERVIEW KAEY

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TUSH

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französischen Modehäuser ausfindig zu machen, was wirklich nicht leicht war, aber ich wollte von den Besten lernen. Nachdem ich mich dann auf penetrante Art und Weise beworben hatte, wurde ich von Balmain zum Vorstellungsgespräch eingeladen. Ich habe mein letztes Geld zusammengekratzt und bin, ohne ein Wort Französisch zu sprechen, nach Paris geflogen, um mein Portfolio zu präsentieren. Trotz der Zusagen anderer Modehäuser entschied ich mich letztendlich für Chloé.

Sam, du bist nicht nur ein aufstrebender Modedesigner, sondern auch ein bekanntes Gesicht der schwulen Szene. Dein Konterfei ist in vielen homosexuellen Medien noch heute präsent. Wie kommt man vom Porno-Look zur Prêt-à-porter?

Gegenfrage: Wie erfolgreich wäre die Modefotografie von Terry Richardson und David LaChapelle ohne eindeutig pornografische Anspielungen? Wie schaffte es François Sagat, ein international erfolgreicher Hardcore-Pornostar, Model für Bernhard Willhelm zu werden und gleichzeitig auch von Covers großer Modemagazine zu lächeln? Was wäre Tom Ford ohne seinen Status als Schwulenikone? Die Ambivalenz von Bedecktheit und Unbedecktheit, das ist Mode. Somit lassen sich Sex, Erotik und Pornografie nicht von der Mode trennen. Thierry Mugler hat mal passend gesagt: „Everything is just about a good fuck.“ Das lasse ich jetzt einfach mal so im Raum stehen. Du glaubst also nicht, dass gerade im sehr konservativen Deutschland diese Bilder deinem Image schaden könnten?

FOTO AXEL SIEBMANN/ACCESS (5), MATTI DI FOTO (1)

Diese Bilder haben mir den Weg bereitet, mich selbst zu akzeptieren, ich schäme mich keineswegs für diese Aufnahmen, das Ausleben einer gesunden Portion Narzissmus empfinde ich als sehr wichtig. Die tägliche Diskussion um die eigene Attraktivität, der Kampf mit körperlichen Nachteilen und deren Akzeptanz machen mich zu dem, was ich als Mensch und Designer bin. Außerdem muss ich mich mit meiner eigenen Attraktivität auseinandersetzen, um auch attraktive Bekleidung für Frauen entwerfen zu können. Nur so kann ich versuchen, die Bedürfnisse der Frauen zu verstehen, denn eines ist klar, am Ende wollen wir alle begehrenswert wirken. Sind die Gestaltung und die Präsentation deines Körpers als eine Art erster Schritt in Richtung Design zu verstehen?

Dein Ehrgeiz hat sich ausgezahlt. Du hast letztes Jahr den Nachwuchspreis eines großen deutschen Textilhauses gewonnen.

Es fühlt sich immer gut an, wenn man für seine Arbeit honoriert wird, vor allem wenn man einen langen Weg hinter sich hat, der mit viel Verzicht und Schweiß verbunden war. Ich hatte damals nicht das Selbstbewusstsein meiner Arbeit gegenüber und dachte, ich hätte sowieso keine Chance mit meinen Chiffonkleidern und Stickereien. Aber es hat geklappt! Was, denkst du, unterscheidet dich von den anderen jungen Designern in Deutschland?

Deutschland ist im Grunde ja sehr konstruktiv, urban und hat eine andere Definition von Feminität als das Bild, das ich während meiner Lehrjahre in Frankreich vermittelt bekommen habe. Das deutsche Selbstbewusstsein in der Mode, vor allem auch in Berlin, begründet sich darauf, Secondhand-Kleidung zusammenzunähen und etwas darüber zu tackern und zu drucken. In Paris hatte ich das Glück, Handwerkstechniken von Modellisten zu lernen, die seit über dreißig Jahren in Couture-Ateliers arbeiten. Ich finde, dahin müssen wir zurück. Es ist ein wichtiger Teil unserer Kunst und unseres Berufes. Diese Industriezweige gab es ja auch in Deutschland und es werden zu gern Namen wie Ulli Richter vergessen. Heute geht es nur noch um Absatzmärkte – ich versuche immer noch herauszufinden, ob ich damit Pionierarbeit leisten kann, aber offensichtlich ist das Interesse tatsächlich vorhanden. Klar, am Ende will keiner in Schönheit sterben, aber von wem möchte die kommerzielle Industrie sich inspirieren lassen, wenn jeder nur noch für den Massenmarkt arbeitet? Dann gibt es keine Ideen mehr, die sich kommerzialisieren lassen. Viele halten dich für arrogant. Äußerungen wie „An mir kommt man jetzt nicht mehr vorbei“ schießen über die Beschreibung „selbstbewusst“ ganz klar hinaus. Anscheinend geht dein Konzept dennoch auf.

Sam Frenzels H/W-2010-Kollektion: Volumenspiele, Materialmixturen und XXL-Schmuck

Wir sind alle Produkte unserer selbst, jeden Morgen, wenn wir an uns basteln, versuchen wir, unseren Wünschen, wer und wie wir sein wollen, näherzukommen, um glücklicher mit uns zu werden. Etwas Eigenes zu schaffen, das wollte ich nicht nur an meinem Körper realisieren, indem ich 20 Kilo abgenommen hatte. Ich komme aus dem Osten und bin Halbtürke, man hat mir immer den Eindruck vermittelt, ich könnte meine Ziele nicht erreichen. Aber ich habe mich nicht unterbuttern lassen; während meines Modedesignstudiums nutzte ich die Unterrichtszeit, um mir ein Portfolio aufzubauen, zum Ärger meiner Dozenten. Dann habe ich versucht, die Kontakte zu den Human Resources der großen

Ich bin selbstbewusst, aber kein bisschen überheblich oder arrogant. Alle Menschen, die versuchen, im Leben etwas zu erreichen, gelten als arrogant. Wer mich wirklich kennt, weiß, dass ich immer freundlich und respektvoll bin, ich hatte eine Ost-Mutti, das sagt alles. Wenn ich etwas wie „An mir kommt man jetzt nicht mehr vorbei“ sage, dann immer mit einer großen Portion Selbstironie. Ich lache sehr viel über mich, das fällt mir überhaupt nicht schwer: 1,68 m klein, ein bisschen zu sehr aufgepumpt, ein Kontrollfreak und meistens der Lauteste. An mir kommt man nicht vorbei, das ist wahr, aber bei meiner Körpergröße kann man einfach über mich hinwegsteigen … 225


TUSH Portrait


TUSH

PERFECT FINISH FOTO STRAULINO REALISATION RETO BRUNNER TExT kAEy

Haare & Make-up Aysu; Model Masha Rudenko/M4 Models; Bildbearbeitung Elektronische Schönheit

Das Thema schönheiT beschäfTigT uns, regelmässig pr äsenTieren wir akTuelle TrenDs, moDernsTe Techniken unD viel versprechenDe neuerungen, Die unser leben bereichern. in Diesem fall sogar weiT Darüber hinaus

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onnerstagabend in Hamburg St. Pauli. Wieder einmal feiert sich die Fashionszene in einem schrabbeligen Club im ewig nach Urin riechenden Skandalbezirk. Meine Blicke streifen neugierig über dünne Model-Newcomer, trendaffine Modeblogger und feierwütige Pressevertreter. Nahtlos reiht sich ein junger Mann in seinen Skinnyjeans, der James-Dean-Gedächtnis-Gelfrisur und dem angesagten Pornoschnäuzer in die homogene Partymeute. Auf dem Weg zur Bar werden wir einander vorgestellt, mit dem Nebensatz, dass Henrik als Bestatter arbeitet und Verstorbene schminkt. Mein Interesse ist geweckt. Wie muss ich mir das vorstellen? Benutzt man dabei Produkte, die man bei Dougla s k au fen k a n n, oder g ibt e s spe z iel le Kosmetika? Doch am meisten interessiert 211

mich, wie man sich überwinden kann, Foundation und Lidschatten auf die kalte Haut eines Verstorbenen aufzutragen. Henrik Busch ist 23 Jahre alt und leitet zwei Bestattungsunternehmen. Da bereits sein Vater als Bestatter gearbeitet hat, gehörte der Umgang mit dem Tod schon immer zu Henriks Alltag. Doch Pflichtbewusstsein war nicht der Grund, die Familientradition weiterzuführen. „Ich wollte vor allem Bestatter werden, weil es ein sehr abwechslungsreicher Beruf ist. Man erlebt immer etwas Neues. Denn viele verschiedene Bereiche gehören dazu: von der Verwahrung des Verstorbenen, nachdem die Sterbeurkunde von einem Arzt ausgestellt wurde, über die komplette Organisation und Durchführung der Trauerfeier bis hin zur Gestaltung der Einladungskarten“, sagt Henrik. Wichtig ist ihm dabei vor allem, den Trauernden die Möglichkeit zu geben, Abschied zu nehmen. Um dies zu gewährleisten, hat Henrik Busch eine Weiterbildung zum staatlich anerkannten Thanatologen, international Embalmer genannt, absolviert. Vereinfacht könnte man sagen, er ist Einbalsamierer, doch das wird seiner Tätigkeit nicht gerecht.Die Thanatologie ist eine sehr junge

TUSH DRESS TO KILL


TUSH

der Begrif f schminken nur sehr ungern verwendet wird: „Wir bezeichnen es lieber als postmortale kosmetische Behandlung. Immer nach dem Grundsatz: so viel wie nötig, so wenig wie möglich.“ Der größte Unterschied zu den übl ic hen K o sme t i k a b e s te ht hauptsächlich in der Zusammensetzung. Ma ke-up, das wir täglich benutzen, ist für wa rme, durchblutete Haut konzipiert. Das aufgetragene Produkt reagiert und entfaltet sich also auf einer lebendigen Grundlage. Da bei Verstorbenen kei ne Blut z i rk u lat ion mehr vorhanden ist, muss vor allem die Grundierung besonders abgestimmt sein, um ein natürliches Endergebnis zu erz ie len. A u ß erdem werden auch Kosmetika auf Lösemittelbasis verwendet, die man auf keinen Fall an einem lebenden Menschen anwenden kann. Üblicherweise werden die Produkte mit Pinseln und in speziellen Fällen, zum Beispiel um das dunkelrot-lilafarbene Kapillarnetz unter der Haut von Bluthochdruckpatienten nachzubilden, mit Fingertechniken aufgetragen. Die a merik a nische Firma „The Dodge Company“ hat sich auf das Gebiet der postmortalen Kosmetika spezialisiert. „Doch Produkte von L’Oréal, Dior, La Biosthétique, Maybelline oder Leichner Stage Make-Up gehören ebenfalls zum Sortiment eines Embalmers“, so Henrik. Auch einen Star, eine verehrte Koryphäe gibt es unter den speziellen Make-up-Artisten – den Amerikaner Robert G. Mayer. Er publizierte im Jahr 2005 das Buch „Embalming – history, theory and practice“. Dieses Werk gilt seither als „Bibel“ im Bereich der Thanatopraxie. Dort liest man, dass es auch beim postmortalen Make-up nationale Unterschiede gibt. Während in Deutschland generell auf ein natürliches Erscheinungsbild geachtet wird, bevorzugt man in England und Amerika eher die rosige Variante. Die Verstorbenen werden aufwändiger gestylt und bereits beim Blutaustausch werden dem Formaldehyd pinkfarbene Pigmente beigemischt. In den meisten Fällen wird das Erscheinungsbild mit den Angehörigen besprochen und es kommen auch Lieblingskosmetika zum Einsatz, die der Verstorbene regelmäßig verwendet hat. Nur sehr selten hat Henrik Busch allerdings in einem Testament Wünsche bezüglich des Stylings gefunden. Bisher. Im Gegensatz zu uns interessiert es den Verstorbenen weniger, wie er oder sie von anderen gesehen wird.

Wissenschaft, die sich mit den soziologischen und psychologischen Aspekten des Todes und des Sterbens beschäftigt. In den 1950erund 1960er-Jahren schufen Wissenschaftler, unter anderem die Schweizer Psychiaterin Elisabeth Kübler Ross, verschiedene Grundlagen zur Erstellung von Betreuungs- und Therapieprogrammen. Die Anwendung der thanatologischen Erkenntnisse nennt sich Thanatopraxie und hat das Ziel, den Körper in einen hygienisch einwandfreien, ästhetischen und würdigen Zustand zu bringen. Dies kommt häufig zum Einsatz, wenn der Verstorbene vor seiner Beisetzung aufgebahrt werden soll oder es im Ausland zum Todesfall kam und der Verstorbene von den Verwandten identifiziert werden muss, um dann am gewünschten Ort beerdigt zu werden. Das Einbalsamieren ermöglicht es, den Körper bis zu acht Wochen zu lagern. Ähnlich wie bei einer Dialyse wird das Blut durch Arterien und Venen abgeleitet, dann aber durch Formaldehyd ersetzt, das mit Farbpigmenten angereichert wurde. Die Pigmente sorgen für einen natürlichen Haut ton. Neben der Ha ltba rkeit spielt auch d ie Rekonstruktion eine wichtige Rolle. Nach einem Unfall oder einem schweren Krankheitsbild gehört es auch zu der Aufgabe des Embalmers, dem Verstorbenen wieder ein würdevolles Antlitz zu verleihen. Keine gewöhnliche Jobbeschreibung. Mir wird schon immer ganz komisch im Magen, wenn ich Operationen in Arztserien sehe. Wie geht man damit um, wenn vor einem ein echter Mensch liegt? Auch für Henrik Busch war es anfangs eine Überwindung: „Als ich das erste Mal miterlebt habe, wie ein Körper geöffnet wurde, dachte ich, das stehe ich nie durch. So richtig klick hat es erst bei einem Praktikum in England gemacht. Wir wurden einfach ins kalte Wasser geworfen und mussten funktionieren. Erst seitdem bin ich in der Lage, die richtige Distanz aufzubauen.“ Empfohlen hat ihm die Weiterbildung eine gute Freundin, auch, weil Henrik ein trendy Typ ist, der ein Faible für Mode und Styling hat. Wie muss ich mir das Werkzeug eines Embalmers vorstellen? Finde ich alles, ähnlich wie bei einem Visagisten, in einem Schminkkoffer? Anja Schlange ist Bestatterin aus Bremerhaven und leitet das Seminar „Perfect Finish“. Als Erstes klärt sie mich darüber auf, dass

Es werden Kosmetika auf Lösemittelbasis eingesetzt, die man auf keinen Fall an einem lebenden Menschen anwenden kann 212

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TUSH

FOTO ANOUK JANS/anouk-onthebrink.blogspot.com

Henrik Busch ist mit 23 Jahren bereits er folgreicher Ge schäftsführer von zwei Bestattungsunternehmen. Weder ein Grund bieder noch spießig zu sein, wie diese Aufnahme bei der Hamburger Partyreihe Schwarzrausch/ Weißrausch zeigt


MÄNNER Beautyseite

MÄNNER ❘ MAGAZIN

PerFecT ShAVe Wo sich sogar Jake mit Schokomassagen auffrischen lässt

TOP 3 naturprodukte „Nachhaltigkeit“, „alternative Rohstoffe“, „Recycling“ – alles Begriffe, die im Jahr 2012 jeder kennt und die mittlerweile zum Standardvokabular des Mainstream avanciert sind. An jeder Ecke gibt es heute einen Biomarkt, und auch große Supermärkte und Einkaufshäuser setzen aufs Thema Öko. Selbstverständlich kommt die Beautyindustrie da nicht um dieses Thema herum. Seit Jahrzehnten gibt es bereits für die Damenwelt Produkte, die auf natürliche Inhaltsstoffe setzen. Endlich wird jetzt auch für Männer nachgelegt. Denn selbstverständlich reagiert der Körper des starken Geschlechts ebenso empfindlich auf chemische Zusatzstoffe. Männer hat drei Naturprodukte gefunden, die wir hier als „Pioniere“ vorstellen möchten.

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www.m-maenner.de

EnTSPannEnd

ExOTiSch

Der Salon von Patricia C. Pahl besticht durch minimalistisches Interieur und ein angenehmes Ambiente. Man kann hier

Der Salon von Patricia C. Pahl besticht durch minimalistisches Interieu Der Salon von Patricia C. Pahl besticht durch minimalistisches Interieur und Der Salon

Der Salon von Patricia C. Pahl besticht durch minimalistisches Interieu Der Salon von Patricia C. Pahl besticht durch minimalistisches Interieur und Der Salon

ErFriSchEnd

GesichtspfleGe von florena

feuchtiGkeitscreme von alva

allround-creme von lavera

Die Feuchtigkeitsemulsion für normale Haut entspannt und pflegt gleichermaßen. Die Inhaltsstoffe Ginseng und Magnesium erhöhen den Feuchtigkeitsgehalt der Haut bis zu 25 Std. nach der Anwendung. Das Produkt wurde von der Stiftung Ökotest mit „gut“ ausgezeichnet. 100 ml für 6,65 Euro

Die Feuchtigkeitscreme ist Bestandteil der Pflegeserie For Him. Die Naturkosmetikfirma Alva hat diese Produkte speziell auf die Bedürfnisse für Männer zugeschnitten. Ein exotischer Feuchtigkeitskomplex aus tropischen Regenwäldern sorgt für perfekte Pflege. Der Inhalt besteht aus: , Traubenkernöl und Cupuacu-Butter und Vitamin E. 60 ml für 9,90 Euro

Die Allround-Creme für den Mann pflegt Gesicht und Hände mit Schachtelhalm-Extrakten, Mineralien, Bio-Aloe-Vera, Jojoba-, Mandel- und Olivenöl. Wertvolle Bio-Shea-Butter sorgt für ein natürliches Schutzschild, während der frische Duft die Sinne belebt. Die Stiftung Ökotest hat das Produkt mit „sehr gut“ bewertet. 30 ml für 6,95 Euro

MÄNNER FAVOrIT

FOTOS: PR (7), PRIVAT(2), RICK DAY/PLAYERS TWO/BRUNO GMÜNDER VERLAG

Anfang Juli fand in Berlin die Fashionweek statt und parallel dazu die Modemessen Bread&Butter und Premium: Designer, Journalisten, Fotografen, Blogger, Einkäufer, Models und Fashionvictims huschen durch die Gegend. Von einer Show zur nächsten. Das stresst enorm. Irgendwann sieht man nur noch verspannte Gesichter, die längst jede Contenance verloren haben. Ausschweifende Partys erledigen den Rest. In solchen Situationen ist es wichtig, entspannende Phasen einzuplanen. Es gibt also keine bessere Gelegenheit, einen Beautysalon zu besuchen. Einer unserer liebsten ist der salon von tricia c. pahl in der Berliner Oberwallstraße 12. Der ist populär bei Stars mit Rang und Namen. Nicht nur die Chefredakteurin der deutschen Vogue lässt sich vor der Fashionweek von Tricia verwöhnen. Sogar Hollywoodgrößen wie Oscar-Gewinnerin Charlize Theron oder Popikone Kylie Minogue sind bei ihr Kunden, von Pierce Brosnan, Kevin Costner, Matt Damon und Jake Gyllenhaal einmal ganz zu schweigen. Dabei bieten Tricia und ihr Team alles von Gesichts- und Körperbehandlungen bis zum Waxing. Außerdem ist die Chefin eine gefragte Hand- und Fußstylistin und hat bereits mit den legendären Fotografen Mario Testino und Mario Sorrenti zusammengearbeitet. Zu den besonderen Highlights in ihrem Salon gehört das Mikrodermabrasions-Peeling. Dabei werden feinste Mikrokristalle mithilfe von Unterdruck eingesetzt. Das Ergebnis: ein strahlend jugendlicher Teint (60 Minuten für 95 Euro). Ebenfalls zu empfehlen ist das einzigartige Hot rafen Mario Testino und Mario Sorrenti zusammengearbeitet. Zu den besonderen Highlights in ihrem Salon gehört das Zwei Sportler aus dem Mikrodermabrasions-Peeling. Dabei werden feinsterafen Mario Testino und Bildband Players Two Mario Sorrenodermabrasions-Peeling. Dabei werden feinsteChoclate Treat (Gmünder Vlg. 2012) r www.tricia-c-pahl.com


MÄNNER

MÄNNER ❘ MAGAZIN

eau de cologne Die Produkte von Bulldog jetzt erstmals in Deutschland

TOP 3 Sommerdüfte Es ist Mai, und der nahende Sommer entfaltet langsam seine volle Pracht. Mutter Natur gibt uns einen Schub Glückshormone – und die Libido läuft auf Hochtouren. Das ein oder andere erste Date steht vor der Tür, und man will einen guten Eindruck hinterlassen. Dabei kommt es nicht nur auf den perfekten Look an, sondern auch auf den perfekten Duft. Der Geruchssinn ist der komplexeste chemische Sinn. Er ist von Geburt an komplett ausgeprägt und löst in uns starke Emotionen aus. Er ist eng mit dem Geschmackssinn verbunden, und beide Sinne interagieren miteinander. Es ist also absolut empfehlenswert, einen verführerischen Duft aufzutragen, damit der Angebetete vielleicht auf den „Geschmack“ kommt – und nicht nur vom gemeinsamen Dinner kosten will!

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ExTravaganT

ExOTisch

fEuchTigkEiTscrEmE Mit Grünalgen und Konjak-Mannan, welche der Haut helfen sich zu rehydrieren. 75 ml für 6,49 Euro

WaschgEl Enthält ätherische Öle um das Gesicht von Verunreinigungen zu säubern. 150 ml für 5,99 Euro

sPOrTlich

Le maLe SUmmer von GaULtier

L’eaU d’iSSeY PoUr Homme

BoSS BottLed SPort

Der Klassiker aus dem Hause Jean Paul Gaultier bekommt ein neues, farbenfrohes Gewand. Der Flakon ist von den farbenprächtigen Stoffdrucken der Sommerkollektion 2011 inspiriert. Der sanfte, frische, extravagante Duft wirkt leicht, ohne dabei seine männliche Komponente zu verlieren. 125 ml für 53 Euro

Voller Energie präsentiert sich der Duft mit Zitrus-Akkorden von frischer Yuzu und Mandarine. Auf den sinnlichen Basisnoten entwickeln sich lebhafte Aromen von Kardamom und Salbei. Ein Sommerduft von tonischer Frische und einer unaufdringlichen Männlichkeit. Perfekt für heiße Partynächte. 125 ml für 54 Euro

Boss Bottled Sport überzeugt mit einem Schlüsselakkord, der dem Duft etwas subtil Metallisches verleiht, basiert auf der Verbindung von Lavendel und Kardamom mit dezenten Aldehyd-Noten, während die frischen Zitrusnoten der Kopfnote die Sinne schärfen. Das Ergebnis ist ein energiegeladenes Aroma. 100 ml für 74 Euro

MÄNNER FaVoRIT

FOTOS: PR (7)

www.meetthe-

Der moderne Mann will gut aussehen. Der moderne Mann will eine gute Pflege. Der moderne Mann will natürliche Wirkstoffe. Doch auch im Jahr 2012 steckt die Beautybranche für Männer noch immer in den Kinderschuhen. Schaut man sich das Warenangebot in den Kaufhausregalen an, wird schnell klar: Wirklich tolle Pflegeprodukte für Ihn sind selten! Meist wird eine Abwandlung der Frauenpflegeprodukte präsentiert, was man nicht nur am ähnlichen Design der Verpackungen erkennt, sondern auch an den Inhaltsstoffen. Auf die wirklichen Bedürfnisse von Männerhaut wird eigentlich kaum geachtet. Dies war einer der Gründe, weshalb Simon Duffy (Foto) seine Firma Bulldog gründete. Bulldog richtet sich an Männer, die nicht nur eine gute Pflege verlangen, sondern auch auf überflüssigen Schnickschnack verzichten können. Alle Produkte der Linie kommen ohne künstliche Zusatzstoffe aus wie Parabene, Natriumlaureathsulfat und ohne synthetische Farb- und Duftstoffe. Stattdessen sind sie reich an ätherischen Ölen und vielen anderen natürlichen Inhaltsstoffen, die die Haut nicht belasten und sie perfekt pflegen. Die Firma startete 2007 und eroberte in kürzester Zeit den britischen, amerikanischen und schwedischen Markt. Jetzt sind die Produkte erstmals in Deutschland erhältlich, unter anderem bei REWE. Es wird Zeit, die chemischen Kosmetika aus den deutschen Badezimmern zu verbannen und sie durch natürliche Hautpflegeprodukte zu ersetzen.und schwedischen Markt. Jetzt sind die Produkte erstmals in Deutschland erhältlich, unter anderem bei REWE. Es wird Zeit, die chemischen Kosmetika aus den deutschen Badezimmern zu verbannen und sie durch natürliche Hautpflegeprodukte bulldog.com

afTEr-shavEBalsam Enthält acht essentielle Öle, grünen Tee, Hagebutte und Vitamin E. Beruhigt die Haut. 75ml für 6,49 Euro


MÄNNER Beautyseite MÄNNER ❘ MAGAZIN

klassikEr

Mit diesen Düften macht man nichts falsch

Wenn man heutzutage durch Modemagazine blättert, das Radio anschaltet oder ins Kino geht, hat man das Gefühl, alles irgendwie schon mal gehört oder gesehen zu haben: Retro ist ein Begriff, der seit Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre nicht mehr aus der modernen Kultur wegzudenken ist. Damals begann man, längst vergangene Dekaden zu zitieren oder sogar zu kopieren. Ein Trend der im neuen Jahrtausend auch die Parfümindustrie erobert. Nicht nur klassische Damendüfte erleben dabei ein Revival, auch die Herren können sich getrost auf Gewohntes verlassen. Anfang der 50er Jahre erlebten Herrendüfte ihren ersten großen Boom und unterstrichen den Flair vom Gentlemen im Anzug mit Hemd und Krawatte. Wer kennt sie nicht, die Charmeure, die von Leinwänden und Plattencovern lächelten: Dean Martin, Frank Sinatra, Cary Grant und viele mehr? Sie verzauberten nicht nur die Damenwelt mit ihrem Stil und ihrer Eleganz. In dieser Ära liegt der Ursprung der heutigen Kosmetikindustrie, und alle Düfte, die danach entstanden, sind nach wie vor eine Variation dieser sehr maskulinen Duftnoten. 1959 wurde Monsieur von Givenchy auf den Markt gebracht. Er wurde erstmalig international vertrieben und war schon damals ein Riesenerfolg. Die Kopfnote besteht aus Zitrus-Elementen und dem spritzig säuerlichem Duft der Bergamotte. Die Herznote wird von Lavendel und Eisenkraut bestimmt. Und die Basisnote besticht durch erdiges Eichenmoos. Monsieur ist allen Männern gewidmet, die nicht laut sprechen müssen, damit man sie versteht und die nicht zu erobern brauchen, um zu verführen. 100 ml für ca. 75 Euro

AFTERSHAVES Welcher Mann kennt diese Situation nicht zur Genüge: ein wichtiges Bewerbungsgespräch steht an. Oder das erste Date mit dem absoluten Traumprinzen. Ausnahmsweise will man nicht aussehen, wie der absolute Wildfang und greift beherzt zum Rasierer, um sich der Stoppeln im Gesicht zu entledigen. Denn schließlich will man einen gepflegten ersten Eindruck hinterlassen. Doch was ist das Resultat? Rasurbrand! Die Haut wird strapaziert und ist gerötet. Das Schlimmste, was man jetzt tun kann, ist unbedacht irgendein Produkt aufzutragen. Mann sollte mit Bedacht wählen, denn das richtige Aftershave sorgt dafür, dass sich die Haut sofort beruhigt und entspannt. Damit es auch mit dem Job oder dem Date klappt.

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BERUHIgENd

Old SPICE 1938 wurde dieser maskuline Klassiker von einem Damenduft (!) abgeleitet. 150 ml für ca. 12 Euro

dIOR EAU SAUvAgE Rosmarin, Basilikum, Lavendel, Jasmin und Eichenmoos sorgen für eine harmonische Mischung. 100 ml für ca. 70 Euro

BESäNfTIgENd

loTIoN VoN clARINS MEN

loTIoN VoN ANNAyEKE

FIRE FIGHTER VoN oRIGINS

Das vitalisierende Splash unterstützt die Regeneration beanspruchter Haut und lindert Brennen nach der Rasur. Die Formel auf der Basis von Pflanzenextrakten aus Portulak, Tigergras und der blauen Alpendistel hilft der Haut, die tägliche Rasur besser zu meistern und macht sie widerstandsfähiger. 100 ml für ca. 29,95 Euro

Der Inhaltsstoff Alpha-Bisabolol aus Kamille wirkt reizlindernd, entzündungshemmend und antibakteriell. Allantoïn wird wegen seiner besänftigenden Wirkung zur Pflege von empfindlicher, reaktiver und angegriffener Haut verwendet. Vitamin F verhindert das Austrocknen der Haut. Und kräftigt die Hautbarriere. 100 ml für ca. 34,95 Euro, bei www.douglas.de

Beruhigender After Shave Balsam, der schnelle Abhilfe bei Rasurbrand leistet. Kamille, Gurke und Zaubernuss retten beanspruchte Haut nach der Rasur und kühlen angenehm. Eukalyptus und Pfefferminz sorgen für einen Frische-Kick und bereiten einen energiereichen Start in den Tag. 50 ml für 21 Euro

MÄNNER FaVOriT

FOTOS: PR (7), MICHAEL BREYETTE, SEASONS OF LOVE/BRUNO GMÜNDER (3), PRIVAT

TOP 3

ERfRISCHENd

gIORgIO ARMANI ACqUA dI gIO Seit 1996 auf dem Markt, Bergamotte und Jasmin bestimmen den Duft. 30 ml für ca. 45 Euro


MÄNNER Modetrend

MÜTZEN Das ideale Accessoire für trübe Herbsttage

Die grüne Schildkappe „Paul“ besteht aus geprägtem Leder und ist wetterfest. Alida Modesterie & Hutdesign München, 180 Euro; www.alida-hutdesign.de

Strickoptik mit flauschigem Innenfutter. Tommy Hilfiger, 79,95 Euro, bei www.zalando.de

Auf der Show des verstorbenen Alexander McQueen zeigte Nachfolgerin Sarah Burton Military Looks: Army Mütze mit roter Krempe (Preis auf Anfrage); www.alexandermcqueen.co.uk

Die komplett eingestrickte Mütze mit dem Namen „Kasimir II“ gibt’s in vier verschiedenen Farben. Kiss by Fiona Bennett, 180 Euro; www.kissbyfionabennett.com

FOTOS: ARROW, PR

„Wherever I hang my hat is home“

Die Schapka-Mütze aus Schafsfell ist russischen Ursprungs und hat variable Seitenlaschen. Paul Smith, 185 Euro, gesehen bei www.mr.porter.com

Kappe in hellem Blau für Männer, die stilistisch kein Risiko eingehen wollen. Acne (Preis auf Anfrage); www.acnestudios.com

Schildkappe mit Schottenkaros: ein farbliches Highlight und definitiv nicht over the top. Alex Hutdesign, 59 Euro; www.alex-hutdesign.de

november 2011 ❘

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TUSH Styling Assistenz

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HAUTE SAUVAGE FOTO ARMIN MORBACH REALISATION KATRIN GERHARDY ILLUSTRATION GARY FERNÁNDEZ

SIE SIND DIE LETZTEN IHRER ART, UNGEZÄHMT, HEMMUNGSLOS UND EINMALIG PR ÄCHTIG – EDLE GESCHÖPFE, DIE SICH KEINER REGEL FÜGEN. SELTEN IST ES UNS VERGÖNNT, IHNEN IN FREIER WILDBAHN DER ART NAH ZU KOMMEN

Kleid von VERSACE ATELIER .


TUSH


TUSH

(linke S eite) M antel von

MAISON MARTIN MARGIELA ARTISANAL. (diese Seite) Kleid, Handschuhe, Schleier und Hut. Alles von CHANEL

HAUTE COUTURE.

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(d i e s e S e i t e) K l e i d v o n VA LENTINO HAUTE COUTURE . (rechte Seite) Kleid von ELIE SAAB HAUTE COUTURE.


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TUSH


Haare Karim Amerchih mit Produkten von WELLA Pro Series/Ballsaal Make-up Stephanie Willmann mit Produkten von CHANEL/Ballsaal Styling Katrin Gerhardy/Ballsaal Model Iris Egbers/Select London Bildbearbeitung Sevengreen Fotoassistenz Andre Märkenz, Max Liebenstein Stylingassistenz Nina Nestler, Kaey

TUSH

(linke Seite) Kleid, Kopfschmuck, Armreif und Clutch. Alles von GIORGIO ARMANI PRIVÉ . (diese Seite) Kleid und Jacke von JEAN PAUL GAULTIER HAUTE COUTURE.

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TUSH Mediaseiten welt en tush

Welt en Tush

Texte: Kaey, Hella Schneider

Culture

Divacool Lisa Bassenge ist eine ziemlich coole Sau. Lässig steht sie in einem Fransenkleid hinter dem Mikrofon und singt ihre Lieder. Manchmal wirkt sie fast nackt. Nicht nur, weil das Kleid hautfarben ist, sondern vor allem, wenn sie eine ihrer selbst komponierten Balladen intoniert. Mit zerbrechlicher, glasklarer Stimme singt sie über die Liebe und ihr Ende. Dabei ist nicht immer klar, in welche Musikrichtung man die Berlinerin einordnen soll. Ihre Wurzeln liegen ganz klar im Jazz, was sie schon auf diversen Veröffentlichungen bewiesen hat. Doch auch hier macht sie nicht halt davor, aus Kylie Minogues Pophit „Can’t Get You Out Of My Head“ ihre eigene überraschende Version zu vertonen. Neben ihrem Soloprojekt musiziert sie ebenfalls im Lisa Bassenge Trio, bei Micatone und dem Elektro-Chanson-Projekt Nylon. Seit einigen Jahren fühlt sie sich dabei der deutschen Sprache verpflichtet. Ein ganz natürlicher Entwicklungsprozess, der sich unter anderem daraus ergeben hat, dass ihre beiden Töchter sie immer wieder mit ungewollten Wortspielen inspirierten. So landen oft kleine Zitate in ihren Texten. Vom „Apfelbaumblues“ über das groovige „Lass die Schweinehunde heulen“ bis hin zum herzzerreißenden „Staub im Regal“ zeigt Lisa Bassenge wieder ihr ganzes Können und schüttelt Reime und Rhythmen aus dem Ärmel, die mit großer deutscher Chansonkunst jede Sekunde mithalten können. Würde Hildegard Knef noch leben, würde sie mit Sicherheit ihre Alben von Lisa Bassenge produzieren lassen.

rhythm-Girl Wenn man sich durch die aktuellen Charts hört, bekommt man ungewollt einen Backlash in die 90er. Plötzlich klingt Jennifer Lopez wie 2Unlimited und will.i.am mit Britney zusammen wie Scooter meets Culture Beat. Auf manche Retrotrends könnte man getrost verzichten, wenn es nicht doch immer wieder Musiker gäbe, die klug genug sind, ihren Sound nicht wie schlecht aufgewärmte Hits klingen zu lassen. Denitza Todorova aka D E N A ist gebürtige Ungarin. Vor einigen Jahren ist sie nach Berlin gekommen, um die deutsche Hauptstadt mit ihren Songs zu beglücken. Dabei gelingt es ihr spielend, den angesagten 90er-House-Sound zu adaptieren und mit R ’n’ B und Popeinflüssen zu mischen. Das Ergebnis: Rhythmen, die jeden zum Tanzen animieren. Zum eigenen musikalischen Profil gesellt sich ein, euphemistisch ausgedrückt, unprätentiöses Stylingkonzept. Wenn man die Sängerin das erste Mal in ihrem Video (spielt auf dem Flohmarkt im Berliner Mauerpark) sieht, denkt man, es handelt sich um eine Parodie. Ungeschminkt, mit Schlabberpulli und gelangweilter Miene präsentiert sie ihren Song „Cash, Diamond Rings, Swimming Pool“. Doch spätestens bei der Hookline ist klar, dass D E N A es ernst meint. D E N A, Debütalbum für Frühjahr 2013 angekündigt, in den Kaiku-Studios produziert, denafromtheblock.com, Foto: Emma Svensson

Lisa Bassenge, „Wolke 8“ (Minor Music Records), www.lisa-bassenge.de, Foto: PR

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MUSIK

CLASH

Griechischer Bass Prickelbrause Wenn die „Queen of Beatz“, Mel Beatz, bekannt als Produzentin fĂźr Kanye West und Xavier Naidoo, und die „Queen of House“, Alexandra Prince, Songwriterin u.a. fĂźr David Guetta, ein gemeinsames Musikprojekt starten, dann ist ein explosives Gebräu zu erwarten. Mit dem Projekt „DurstlĂśscher“ wollen die zwei Powerfrauen deutsche Elektromusik neu definieren. Mit roughen Rhythmen und eingängigen Gesangsfragmenten kĂśnnte ihnen dies gelingen. DurstlĂśscher „Feierbiester“, ferryhouse productions, erscheint im Mai Foto: Katja Kuhl

Konzeptmädchen Mary Ocher ist ein Gesamtkunstwerk. Geboren wurde sie als Mariya Ocheretianskaya in Moskau. Aufgewachsen ist sie in Israel und lebt mittlerweile in Berlin. Nachdem sie Film studiert hat, sieht sie sich jetzt als Vollblutmusikerin. Allerdings der besonderen Art. Mary Ocher spielt leidlich Gitarre und präsentiert eine teilweise achterbahnartige Vokalakrobatik. Es wird gepiepst, geschrien, geflĂźstert, gegluckst und gegurgelt. Das Ergebnis ist definitiv keine Fahrstuhlmusik, sondern eher Konzeptkunst, wie man auf ihrem aktuellen Album „war-songs“ hĂśren kann. Das nächste ist gerade in Arbeit. Wer Sinn fĂźr wirklich anderes hat, sollte unbedingt eins ihrer Konzerte erleben. Mary Ocher „war-songs“, Haute Real, maryocher.com, Foto: Thomas Hauser, thomashauser.net P.91

T U SH

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M A R M AY 2 01 2

Griechenland hat durchaus mehr zu bieten als den Ursprung der Demokratie und die aktuelle Finanzkrise. Ein Beweis: Tareq Souleiman. Der junge Mann mit der Bassstimme und jordanischen Wurzeln verzauberte bereits mit seinem DebĂźtalbum „Cocoon“ und verträumt melodischen Songs die griechische Elektroszene. Auch die deutsche Popband Frieda Gold lieĂ&#x; sich von ihm exklusiv einen Track remixen. Vielsagender Titel: „Unsere Liebe ist aus Gold“. Tareqs neue Platte mit dem Titel „Fish“ erscheint im Sommer. Tareq „Cocoon“, undorecords, myspace.com/tareqsouleiman, facebook.com/tareqdisco Foto: Christof Terzis


TUSH Interview

Quarterly Now Foto GREGOR HOHENBEIN Rollkragenpullover & Jackett JOHN LAWRENCE SULLIVAN

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TUSH

Quarterly Now

Nach langer Pause meldet sich der gebürtige Australier Sam Sparro mit seinem neuen Album „Return to

Paradise“ zurück. Grund für die Auszeit war das Ende einer Liebesbeziehung. Überraschenderweise hört

man das kaum heraus, denn die Tracks laden allesamt dazu ein, ordentlich das Tanzbein zu schwingen

Loverboy

Interview KAEY

Lass uns über die Liebe sprechen! sam sparrow Okay. Dann gehen wir also direkt in die Vollen! tush

t

Sind Beziehungen harte Arbeit? Oh ja! Das sind sie.

ss

Du hast dich gerade nach einer dreijährigen Beziehung getrennt. Es war deine erste ernsthafte Liebesgeschichte. Warst du davor jemand, der nach einer Beziehung gesucht hat? ss Ich würde schon sagen, dass ich zum damaligen Zeitpunkt danach gesucht habe.

t

Wie hast du deinen Traumprinzen gefunden? ss Nun ja, wir sind nicht mehr zusammen, also ist er wohl nicht wirklich der Traumprinz gewesen. t

t Aber du hast zumindest drei Jahre lang gedacht, er könnte es sein?

ss Das stimmt. Für eine Weile habe ich das wirklich gedacht.

durch das Internet verändert hat.

ss Ja, definitiv! Ich habe gelernt, dass ich eigentlich niemanden Würdest du denn gern heiraten? wirklich brauche. Es ist besser, ss Ich bin definitiv jemand, der das Gefühl zu haben, mit jemangern eine feste Beziehung hätte dem zusammen sein zu wollen, als und eine Familie gründen möch- das Gefühl zu haben, mit jemante. Wahrscheinlich liegt es da- dem zusammen sein zu müssen. ran, dass ich in einer gut behüteten Familie aufgewachsen bin. t In deiner Single „Happiness“ Es ist einfach schön, jemanden beschreibst du, wie man negatizu haben, mit dem man sein Le- ve Gedanken in positive umwanben teilen kann. Wenn ich ir- delt. Wie hast du die Trennung gendwann 60 bin, habe ich kei- verarbeitet? ne Lust, meine Lebensgeschichte ss Es hat wirklich lange gedauert. alle vier Wochen jemand Neuem Aber wahrscheinlich mag ich es zu erzählen. einfach, mich selbst zu quälen. Einige Therapiesitzungen haben t Gibt es nur den einen Mr. Right mir allerdings geholfen, mit der Situation klarzukommen. oder vielleicht doch mehrere? ss Jeder Mensch befindet sich auf t seiner eigenen Reise, und BezieAuf dem Album gibt es den hungen sind vielleicht nur ein Song „I Wish I Never Met You“. kleiner Abschnitt, bei dem man Wünschst du dir immer noch, du etwas lernen kann. hättest ihn nie getroffen? ss Es ist natürlich sehr extrem zu t Hast du etwas in deiner Beziesagen „ich wünschte, ich hätte dich nie getroffen“. Ich war sehr hung gelernt? t

Es existiert noch immer das Klischee, dass schwule Männer eher selten eine Beziehung anstreben. Würdest du dem zustimmen? ss Ich denke, in einem gewissen Rahmen stimmt das schon. Aber es gibt durchaus auch welche, die in einer monogamen Beziehung leben und vielleicht sogar heiraten wollen. Aber wahrscheinlich verschiebt sich bei Schwulen zeitlich alles ein wenig, weil sie eine andere Entwicklung als Heteros durchmachen. Während der Pubertät ist es oft schwer für Schwule, sich auszuprobieren, weil man mit sich selbst und dem Outing-Prozess beschäftigt ist. Oft ist es auch schwer, Gleichgesinnte kennenzulernen und sich vielleicht zu verlieben, deshalb verschiebt sich die Adoleszenz bei Schwulen in die 20er. Obwohl sich heutzutage auch vieles t

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Quarterly Now Grooming SHEILA MICHELLE RIEKE mit Produkten von CHANEL/BALLSAAL Styling NINA NESTLER

verärgert und traurig, als ich den sein. Niemand bleibt verschont. ein Faible für Bläsersätze und ss Ich denke, erst dieser Mix macht Song geschrieben habe, und man t Dein neues Album heißt „Return wollte diese unbedingt auf der es modern. Anstatt in einer Ära zu überspitzt die Emotionen gerne in to Paradise“. Wie sieht dein per- neuen Platte haben. Meine Mutter bleiben, zwei völlig verschiedene solch einem Moment. Doch es war sönliches Paradies aus? hatte eine riesige Plattensammlung zu mischen, macht es erst intereswichtig für mich, das auszudrü- ss Zu Hause mit meinen beiden und hat immer Michael Jackson, sant, neu und aufregend. cken, um mich weiterentwickeln Hunden Wiederholungen von Stevie Wonder und Sade gehört. t Wann wird sich Sam Sparro zu können. Aber ich bedauere Akte X ansehen. t Wie wichtig ist dir die Meinung nichts. Denn im Nachhinein bin wieder verlieben? ich dankbar für die Erfahrungen, t Die neue Platte klingt sehr nach deiner Eltern, wenn es um deine ss Wer sagt, dass ich nicht verdie ich machen konnte. 70s-Soulmusic. Woher kommt die Musik geht? liebt bin? ss Sie ist mir egal. Wenn man in Inspiration? t Aber ist es nicht schwierig, den ss Ich habe Soul schon immer geeinem Haushalt mit lauter Mu- t Bist du es denn? Song immer wieder zu singen liebt. Doch nicht nur die Musik sikern aufwächst, wird ständig ss Das verrate ich nicht. und sich somit immer wieder zu dieser Ära fasziniert mich, son- herumkritisiert. Egal, ob es ein erinnern? dern auch die kulturellen Verän- Konzert war, auf das man ge- t Auf welchen Typ Mann stehst ss Mittlerweile habe ich den Einderungen. Ich habe mir vorge- gangen ist, oder eine Liveperfor- du eigentlich? druck, es geht mir nicht mehr so stellt, wie es in dieser Zeit war, mance im Fernsehen, alles wird ss Ich stehe auf alle Männer. nahe, nachdem ich den Song so- in New York zu leben und in den auseinandergenommen. DementFin zusagen der Welt überlassen habe Clubs feiern zu gehen. Vor der sprechend habe ich früh gelernt, und andere Menschen nachemp- Aidskrise. Außerdem hatte ich ihre Meinung auszublenden. finden können, wie es mir ging. den Eindruck, Popmusik ist sehr Es geht weniger darum, diese aggressiv geworden und es fehlt t Für das TUSH-Shooting wollEmpfindungen wieder zu durch- ein wenig Soul darin. Ich wurde test du ein Styling, das sich an leben, als darum, sie mit dem Pu- auch von meiner Familie beein- dem Ga n gsterlook der 20er blikum zu teilen. Jeder hat sich flusst. Mein Großvater war Jazz- Jahre orientiert. Ähnliches sieht doch schon einmal so gefühlt. musiker und hat mir Material von man auch in deinen Videos. Und falls nicht, wird es garantiert Sarah Vaughan und Billie Holiday Deine Musik klingt nach den 70ern. jedem eines Tages so ergangen nähergebracht. Seitdem habe ich Wie kam dieser Mix zustande? 194


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Quarterly Now Anzug MAISON MARTIN MARGIELA Shirt AMERICAN APPAREL

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FREIE PRODUKTION Styling


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SIEGESSÄULE Interview ***020_025_Musik:Programm

24.08.2012

17:31 Uhr

Billie Ray Martin

„Five Takes (A Song About Andy)“ Disco Activisto/Cargo • Ein echtes Liebhaberstück ist die DVD „Five Takes (A Song About Andy)“ von Billie Ray Martin. Mit Produzent Colin Waterson nahm die House-Ikone fünf Versionen der elektronischen Elegie „On Borrowed Time“ auf, eine fiktionale Wehklage Andy Warhols über das Leben als immerwährender Traum. Dazu erschuf der Berliner Filmemacher Jörn Hartmann, angelehnt an Warhols Screen-Test-Filme, fünf visuelle Meditationen. Die DVD ist liebevoll gestaltet, eine zusätzliche Audio-CD vermisst man allerdings etwas. Wir verlosen zwei von Billie signierte Exemplare auf siegessäule.de!

Nuclear Family „Crime“ nuclearfamily.de

• Stagnation war der Sargnagel so mancher musikalischer Ausdrucksform, der dazu führte, dass einst bahnbrechende Stilrichtungen wie Punk, Grunge oder Electroclash in der Bedeutungslosigkeit versanken. Ewig am Leben gehalten durch Protagonisten, die aus der einstigen Aufbruchsstimmung ein stilistisches Ghetto formten. Einen mutigen Ausbruch wagt nun das Electropunk-Projekt Nuclear Family mit dem dritten Album „Crime“. Grelle Provokation weicht emotionalen Statements, elektronische Wutausbrüche werden zu kantigen Popsongs. Ein vielversprechender Auftakt in ein neues Leben.

„Coexist“ Young Turks/XL/Beggars • Was die Londoner Hipsterband The xx 2009 tatsächlich zu einer Ausnahmeerscheinung machte, war das Phänomen, mit einem Debütalbum, das in etwa den Unterhaltungswert von vertonter Luft hatte, zum State of the art erklärt zu werden. Während die Spex der Band aktuell drei Doppelseiten widmet und sie erneut zum wichtigsten Pop-Phänomen der Gegenwart stilisiert, fassen wir uns kurz: Der latent verpennte New-Wave-Soul des Trios nimmt nun mit „Coexist“ endlich etwas Fahrt auf und macht die Platte durchaus hörbar.

Steve Morell & Monica Pokorná „Lady Pheres“ Pale Music Int.

• Eine Perle des Chanson Noir schütteln Steve und seine Muse Monica mit der EP „Lady Pheres“ aus dem Ärmel. Das klingt wie Rotwein und Zigarettenasche auf zerfickten Laken und macht gierig auf das in Kürze erscheinende Album. Ein grandioser Electrosexual-Remix des Titeltracks setzt dem Ganzen die Krone auf. Texte: jano

FOTO: STUART WESTON

musik

Neu auf CD

The xx

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Seite 24

Skunk Anansie: Black Traffic (earMUSIC/Edel), ab dem 14.9. erhältlich Kaey traf Skin und Ace (2. v. r.) zum Interview

Skunk’s not dead! Siegessäule-Autorin Kaey traf Skin und Ace von Skunk Anansie zum Interview über ihr neues Album „Black Traffic“ Kurz bevor wir loslegen, macht sich Skins iPhone bemerkbar. „Willst du ein Bild von mir und meiner Freundin sehen?!”, fragt sie mich, während sie mir das Gerät unter die Nase hält. Eine hübsche Blondine lächelt mir gemeinsam mit der Sängerin entgegen. Ich bin über so viel Offenheit mindestens genauso überrascht wie über den für Skin eher untypischen Irokesenhaarschnitt Skin, wieso hast du wieder Haare? Skin: Danke für die Frage! Ich hab mich schon gewundert, wieso kein Einziger bisher gefragt hat. Unsere letzte Sommertour war sehr anstrengend. Außerdem war es wahnsinnig heiß. Ich war dann so erschöpft, dass ich einfach keine Lust mehr hatte, mir den Kopf zu rasieren. Manchmal hab ich Phasen, in denen ich anders aussehen will. Man muss seinem Bedürfnis nach Veränderungen nachgehen. „Black Traffic“ ist das zweite Album nach eurer Reunion. Glaubt ihr immer noch, es war eine gute Idee, die Band wiederzubeleben? S: Auf jeden Fall. Die Band ist unser Zuhause. Ace: Man hört es auch in der Musik. Wenn die Arbeit nicht mit einer gewissen Leidenschaft gemacht wird, merkt man das. „Black Traffic“ ist eine Platte mit Substanz und Sinn. Wir versuchen, zeitgemäß zu bleiben, aber gleichzeitig einen Klassiker zu produzieren. Wir haben das Grundgerüst der Songs live eingespielt. Dann haben wir es dekonstruiert, etwas hinzugefügt, gesampelt, geloopt, es wieder zusammengefügt und dann noch einmal

eingespielt, um die Live-Energie wieder hineinzutransportieren. Es ist eine Mischung aus modernster Technologie und 20-jähriger Band-Erfahrung. Wie hat sich die Musikindustrie in den letzten 20 Jahren verändert? S: Im Prinzip wurde alles auf den Kopf gestellt. Wenn sich Dinge dramatisch verändern, kann man sich ebenfalls verändern oder wie ein sturer Felsklotz völlig stagnieren. Allerdings sehen wir das Ganze sehr positiv. Wir haben sogar den Schritt gewagt, endlich unser eigenes Label Boogooyamma zu gründen. In den großen Plattenfirmen wird sehr viel Geld fürs Marketing verpulvert. Jetzt haben wir alles unter Kontrolle und können viele Dinge oft auch preisgünstiger realisieren. Außerdem nutzen wir alle Social Networking: Facebook und Twitter etc. So erreichen wir unsere Fans, und diese wissen, dass wir ungefiltert mit ihnen kommunizieren. A: Als wir uns 2001 getrennt haben, war das Internet auch noch gar nicht so populär. Trotzdem haben wir als Band online während unserer Trennung überlebt. S: Das hat uns über die Jahre immer neue Fans eingebracht. Wenn wir jetzt live spielen, sind wir immer total überrascht, dass all die jungen Leute auf unseren Konzerten sind. Außerdem sehen wir ja auch nicht aus wie irgendwelche Altrocker mit grauen Bärten und Bierbäuchen, die es jetzt noch einmal wissen wollen. Skin, bist du der Meinung, du hast etwas für Frauen in der Musikindustrie bewirkt? S: Eine kanadische Schriftstellerin arbeitet gerade an einem Buch über schwarze Frauen im Rockbusiness. Sie hat mir erzählt, dass die anderen Sängerinnen mich immer als eines ihrer größten Vorbilder erwähnt haben. Interessanterweise sagt einem so etwas ja niemand ins Gesicht. Dementsprechend freue ich mich natürlich immer über solche Komplimente. Interview: Kaey


SIEGESSÄULE Buchrezension ***028_029_Buch:Programm

23.07.2012

18:23 Uhr

buch

Er, Sie, Es

Buchtipps Stefan Scheiblecker

Bitterböse und entlarvend, Sibylle Berg ist die Meisterin auf dem literarischen Terrain des Spotts, was ihr eine große schwule Fangemeinde beschert hat. Ihr neues Buch handelt von Intersexualität

„Elf Zentimeter“, Knaur TB, 192 Seiten, 8,99 Euro Ob bei Gayromeo oder auf eigens darauf ausgerichteten Sexpartys, jeder Schwule kennt die beinahe zwanghafte Suche vieler Mitmänner nach einem Gegenüber mit möglichst großem Puller. Bezeichnenderweise ist es ein Hetero, der österreichische Kabarettist Stefan Scheiblecker, der nun in seinem autobiografischen Roman „Elf Zentimeter“ offen über seinen kleinen Pimmel spricht. Irgendwie dann doch ein cooles Buch, obwohl einem das ewige Penis-Thema schon relativ zügig auf den Zeiger geht.

Toto ist anders. Toto ist ein Er, eine Sie, ein Es. Toto ist intersexuell. Eine Tatsache, die ihn für viele sofort zum Freak macht, die nicht nur die Behörden in der DDR überfordert, sondern auch Totos Mutter. Erdrückt von der Tristesse des realen Sozialismus wurde sie zur Alkoholikerin und plötzlich schwanger. Die einzige Lösung: das Kind muss ins Heim. Schnell wird Toto dort zum Außenseiter. Kasimir ist der Einzige, zu dem Toto eine Beziehung aufbauen kann, die aber vorerst nur von kurzer Dauer scheint. Zwei Jahre hat Sibylle Berg an ihrem neuen Buch „Vielen Dank für das Leben“ gearbeitet. Und nach Erfolgsromanen wie „Sex II“ und „Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot“ wandelt Berg auf neuen Pfaden. Bisher standen Frauen und Männer im Mittelpunkt, die nach der wahren Liebe lechzten und dabei vom Leben stets eins gewaltsam

Stefanie Zesewitz

„Der Duft der Seide“, Querverlag, 316 Seiten, 14,90 Euro Zwei Frauen im viktorianischen England: Julia will ihrem Mann alles recht machen, dazu gehört auch kompatibel zu sein für die Gesellschaft und ihre Vorstellungen von Würde und Anstand. Dass eine Frau Frauen lieben kann, weiß Julia nicht – bis ihr Camiel begegnet. Mit „Der Duft der Seide“ legt Stefanie Zesewitz einen echten Schmöker vor: verbotene Leidenschaft in schönen Kleidern, angenehm beschriebene Erotikszenen und viel Romantik versetzen Träumerinnen der ganz alten Schule in Verzückung.

Juan Goytisolo

„Reise zum Vogel Simurgh“ Suhrkamp, 202 Seiten, 21,95 Euro Ein Buch ohne einen einzigen Punkt, genauso wie diese Rezension jetzt, so schreibt der über 80-jährige Juan Goytisolo, gleichwohl Schreiben eine Beleidigung ist, in fünf Kapiteln kitzelt er heraus, was Sprache zu bieten hat, setzt einen Wörter-Mahlstrom in Gang, nimmt den Leser mit auf eine Phantasmagorie, in der auf Stelzen laufende Vogelscheuchen allegorisch für das Übel mit vier Buchstaben stehen, Aids, und Menschen mit einem Fingerzeig in Fleischklumpen verwandeln, surreal, beängstigend, ein echter künstlerischer Wurf!

Christoph Schwarz

Juan G oy Reise zutisolo m Vog Roman

el Simurgh Suhrkam

p

Seite 28

„Ibiza 24“, edition a, 192 Seiten,19,95 Euro

Ibiza bedeutet Partys, Drogen, Superreiche und massenhaft schöne Menschen. Christoph Schwarz’ Autobiografie möchte nun „die dunklen Seiten“ der Insel aufdecken. Er selbst leitete dort jahrelang eine schwule Escortagentur mit fragwürdigem Erfolg. Was als Insider-Einblick in kokainschwere Jachtpartys gedacht ist, wird durch fehlende Selbstreflexion zu einem Bericht, der mehr Vorlage für eine Stern-TV-Reportage als Roman ist. Denn dass eine Partyszene Schattenseiten hat, ist kalter Kaffee – gleichwohl flüssig geschriebener Kaffee.

auf den Deckel bekamen. Mit Toto jedoch verfolgt sie einen neuen Ansatz. „Ich kenne Intersexuelle, Transgender, Transsexuelle, Homosexuelle und sogar ein paar Heterosexuelle sind dabei“, erklärt sie im Interview. „Doch die Intersexualität in meinem Buch steht auch symbolisch für das nicht Zuweisbare, für den großen Außenseiter. Ich wollte ein kleines Denkmal setzen. All denen, die in der Schule gelitten haben, die im Leben gestrauchelt sind.” Toto ist lange selbst nicht bewusst, warum er oder sie – das Pronomen wechselt im Verlauf des Buches – ein Außenseiter ist. Irgendetwas stimmt nicht, doch wirkliche Erklärungen lassen sich nicht dafür finden. Deshalb bleibt Toto nichts anderes übrig, als sein Schicksal zu akzeptieren. Aber er entwickelt dabei keinerlei Bitterkeit, Zorn oder Groll. Hass gegenüber anderen ist Toto völlig fremd. Nahezu autistisch geht er mit seiner eigenen Emotionalität um. Etwas, das Berg alles andere als fremd ist. „Ich kann Gefühle nicht klar benennen. Sie sind mir zu schwammig und wechselhaft. Ich untersuche die Welt nach Parametern des körperlichen Wohlseins. Diesen kleinen Tick habe ich auf Toto übertragen.” Irgendwann entdeckt Toto eine Leidenschaft, die das Potenzial hat, ihm einen Platz in der Gesellschaft zu sichern. Während er Kühe auf dem Hof seiner neuen Adoptiveltern hütet, bringt sich Toto das Singen bei. Sein absolutes Gehör, eine seltene Gabe, fördert die Entwicklung eines glockenklaren Soprans. Nach geglückter Flucht aus der DDR schlägt Toto sich mit Gelegenheitsjobs durch und ergattert sogar kleine Auftritte. Hier findet sich ebenfalls eine Parallele zu Bergs Leben, die 1984 aus der DDR übersiedelte und sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser hielt. Anders als für Berg bleibt der große Erfolg für Toto jedoch aus. Zu wenige Menschen sind in der Lage, seinen Seelenstriptease zu würdigen. Doch im Publikum findet sich ein alter Weggefährte: Kasimir. „Vielen Dank für das Leben“ ist kein Sachbuch über Gendertheorie, obwohl Berg zu diesem Thema eine klare Meinung hat. Wenn es nach ihr ginge, sollten die Geschlechterstereotypen weg, keiner könne doch sagen, was es heiße, sich männlich oder weiblich zu fühlen. Diesem hehren Sujet opfert Berg jedoch keineswegs ihren ureigenen zynischen Stil. Neben Toto erschafft sie, wie in ihren früheren Büchern, Figuren, die nichts zu erwarten haben und an ihrer eigenen Banalität scheitern. Auch Toto fällt wieder und wieder auf die Schnauze. Aber es gibt Hoffnung für ihn. Ein Gefühl, das Berg gern vermittelt: „Manchmal sagten mir Leser: Ich habe mich mit Ihren Büchern plötzlich nicht mehr als Außenseiter und allein gefühlt. Etwas Besseres gibt es doch gar nicht.“ Kaey

FOTO: KATHARINA LÜTSCHER

Texte: jano/chal/rob

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Sibylle Berg: „Vielen Dank für das Leben“, Hanser, 400 Seiten, 29,90 Euro


TUSH Interview

Quarterly Now

GegenGeschlecht Interview KAEY

Foto KATHARINA L端TSCHER

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Quarterly Now

Toto ist ein wirklicher Freak. Keine gute Voraussetzung, um glücklich zu werden.

t u s h Wie lange haben Sie an Ihrem neuen Roman geschrieben? s i b y l l e b e r g Zwei Jahre. t Wie gestaltet sich der Prozess des Schreibens? s b Unbewusst suche ich über längere Zeit nach einem Thema, das gerade meines ist oder das der Welt, in der ich lebe. Ich sammle unbewusst und lese Fachbücher und Aufsätze. Irgendwann, im guten Fall, ist das Thema reif. Dann kann ich anfangen, Sätze aus der Luft zu hauen. Der erste Schreibdurchlauf ist so, als würde ich Stein bearbeiten.

Für wen schreiben Sie? Beim Schreiben für niemanden. Da bin ich bei mir und der Arbeit. Ich versuche die allerbeste Sache zu machen, zu der ich gerade in der Lage bin. Die Leserinnen meiner Bücher sehe ich dann teilweise auf Lesetouren im Anschluss, oder sie sprechen mich an. Die Leser gefallen mir extrem gut. Sie sind schüchtern. Und manchmal erzählen sie mir, dass sie sich durch meine Bücher nicht mehr allein und als Außenseiter gefühlt haben. Etwas Besseres gibt es doch gar nicht.

t

sb

Die Hauptfigur in Ihrem neuen Roman, Toto, ist ein ganz besonderer Mensch, denn er/sie ist intersexuell. Was hat Sie zu dieser außergewöhnlichen Figur inspiriert? s b Toto ist für mich der Inbegriff des Danebenstehenden, des aus der Gesellschaft Gefallenen und Gestoßenen. Es, das Toto, ist alles, was ich an Menschen liebe. Eine Person, die frei ist und nicht in den Erwartungen anderer funktioniert. Optisch hat mich Antony Hegarty von Antony & the Johnsons inspiriert. Totos Lebensweg und sein Charakter sind sicher eine Mischung aus dem idealen Menschen, meinen Freunden und mir. t

Kennen Sie persönlich intersexuelle Menschen? Ja. Ich kenne Intersexuelle,

t

sb

In ihrem neuen Roman beschreibt Sibylle Berg eine Welt, in der selbst

Transgender, Transsexuelle und Homosexuelle. Sogar ein paar Heterosexuelle sind dabei. Ich habe privat fast ausschließlich mit Menschen zu tun, die sich in jeder Hinsicht aussetzen, die Grenzen und Normen hinterfragen. Ich wollte ihnen ein kleines Denkmal setzen. All denen, die in der Schule gelitten haben, die im Leben gestrauchelt sind, weil sie nicht den einfachen Weg gegangen sind, sich dem anzupassen, was unsere Gesellschaft als normal definiert hat, weil es unauffällig ist. Auffallen heißt immer, in Gefahr zu sein, aus dem Rudel ausgeschlossen und getötet zu werden, im übertragenen und im realen Sinn. Denn angestarrt und ausgelacht zu werden, sich rechtfertigen zu müssen, sich zu verstecken, sich zu verstellen, hat einige Menschen, die ich kenne, dazu gebracht, sich umzubringen. Haben Sie eine persönliche Definition von Geschlecht, mit der Sie hantieren? s b Ich hantiere mit Geschlechtern. Das ist schön gesagt. Ich versuche meine Gedanken auf Stereotype zu untersuchen. Völlig gelingt mir das nicht. Ich habe Vorurteile, ich habe blödsinnige Klischees, ich verallgemeinere. Wir leben nach wie vor in einer heteronormativen Welt, die mich unendlich langweilt, weil sie sich nicht bewährt hat. Weg mit den Geschlechterstereotypen! Das wäre meine Maßnahme. Es kann mir doch keiner sagen, was es heißt, sich männlich oder weiblich zu fühlen. Fragt man danach, hört man Klischees, Sexismus, die ganze Bandbreite menschlicher Beschränktheit. Geschlechterzuweisungen sind für mich Grundlage der Unterdrückung von 50 Prozent der Menschheit. Da kann doch etwas nicht stimmen. t

Wie würden Sie Geschlecht in Bezug auf Ihre eigene Person definieren? Welches Geschlecht haben Sie? s b Ich habe mich in der Adolest

das Wahrhaftige zugrunde geht. Doch die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt

zenz als Mann gefühlt. Als sehr angsteinf lößender Mann. Was rückblickend eine recht niedliche Idee war. Nach einer Zeit der Verwirrung, in der ich mich als Transsexuelle fühlte oder als Transvestit oder einfach verkleidet im falschen Körper, wurde mir das Thema zu anstrengend. Ich fand für mich heraus, dass ich mich als nichts fühlen und damit außerordentlich zufrieden sein kann. Ich bin ein Mensch mit beschränkter Hirnkapazität. Wie alle anderen auch. t Toto wird aufgrund seiner/ihrer Intersexualität als geschlechtslos wahrgenommen. Er/Sie symbolisiert das Unantastbare. Ein Mensch, der gut ist und keine gehässigen, verbitterten, bewertenden Gedankengänge verinnerlicht hat. Inwieweit besteht ein Zusammenhang zwischen seiner/ihrer geschlechtlichen Uneindeutigkeit und dieser Unantastbarkeit? s b Die Unantastbarkeit, das Unberührbare hat nichts mit Totos Geschlecht zu tun, sondern kommt aus ihm. Sie lässt sich nicht enttäuschen, weil sie keine Erwartungen hat. Er ist nicht verwundbar, weil er von niemandem abhängig ist. Toto geht davon aus, dass jeder ist wie sie: ein freundliches, weiches Wesen, das darauf achtet, niemandem zu schaden und es allen, die das Los des baldigen Todes teilen, angenehm zu machen.

Mit seinem/ihrem Gesang transportiert Toto all das Leid und den Schmerz dieser Welt. Doch nur die wenigsten der Zuschauer sind in der Lage, die Kraft, Intensität und Schönheit der Darbietung wahrzunehmen. Sind wir alle abgestumpft oder von echten Gefühlen schlichtweg überfordert? s b Gefühle sind mir ein zu unklarer Zustand, als dass ich sie näher untersuchen möchte. Ich untersuche die Welt nach Parametern des körperlichen Wohlseins. Diesen kleinen Tick habe ich auf Toto übertragen. Ich kann Gefühle t

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nicht klar benennen, sie sind mir zu schwammig und wechselhaft. Der Zustand der körperlichen Entspanntheit sagt mir aber klar, ob es mir in einer Situation, mit einem oder mehreren Menschen, an diversen Orten oder in einem Beruf wohl ist. Dieses dauernde Untersuchen der Gefühle hat uns ja auch nicht weitergebracht. t Ist es denn nicht die Aufgabe der Kunst, die Menschen zu berühren? s b Ich weiß nicht. Für mich ist die Aufgabe der Kunst, eine Gegenwelt zu der des Geldes, der Büros, der Wirtschaft, des Elends zu bauen, in die Menschen flüchten können.

Hat man als extremer Außenseiter, wie Toto eine(r) ist, überhaupt eine Chance, sein Glück auf eine andere Weise zu finden als aus der eigenen inneren Kraft? s b Ich befürchte, Glück oder eine Zufriedenheit bekommt man nur so und nicht geschenkt. t

Glauben Sie an ein Happy End? Nein, selbstverständlich nicht! Wie kann es denn ein Happy End geben, wenn wir alle sterben?! Wenn der Mensch, den wir endlich mal lieben, sterben wird, und unser Kind und die Eltern und am Ende wir. Das kann doch nur ein kurzer, im besten Fall entspannter Taumel auf der Erde sein, währenddessen wir die ständige Demütigung unseres verschissenen Endes verdrängen. Ein kleines Happy End kann nur bedeuten, dass wir die Sterblichkeit als wirklich elementar begreifen und dadurch frei werden.

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Fin

Sibylle Berg, „Vielen Dank für das Leben“, Carl Hanser Verlag, 400 Seiten


TUSH Interview

FASHION

JAHrelANg HAt

Crystal renn IHreN Körper gequält,

um eIN erFOlgreIcHeS mOdel zu werdeN. dOcH erSt AlS SIe SIcH trAute, SIe SelbSt zu SeIN, KAm dIe KArrIere rIcHtIg INS rOlleN. Foto & Realisation armin morbaCh inteRview Kaey

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N Nahezu nackt springt die junge Frau durchs Fotostudio. man kann beim besten willen nicht erkennen, was an ihr denn plus Size sein soll. Avarage, normal, durchschnittlich, gewöhnlich trifft es eher. crystal renn hat den Körper, den jedes zweite mädchen im Alter von 23 Jahren hat, und trotzdem, sie ist etwas besonderes. Sobald die Kamera blitzt, wird sie zu einer außergewöhnlichen Schönheit. licht, make-up und Styling sind dabei eher kleine Helfer. crystal renn hat die Fähigkeit, auf Knopfdruck eine Verbindung herzustellen zur Kamera, zum Fotografen, zum betrachter. Sie schafft es, in nur einem moment ihre präsenz zu manifestieren. In der modeindustrie wird oft vergessen, dass genau diese Fähigkeit mädchen zu models macht. und nicht die tatsache, dass sie fettreduzierte Kleiderständer sind, auf denen man beliebig Outfits drapiert.

lich magersüchtig geworden bist. Wie ist das Körpergefühl einer Magersüchtigen und wie fühlst du dich heute, nachdem du die Krankheit überwunden hast?

wenn man unter Anorexie leidet, hat man definitiv keinen bezug zu seinem Körper. es ist nahezu so, als würde man neben sich stehen. das einzige, was ich spürte, war ein grippegefühl, nur zehnmal stärker. mein Haar fiel aus und meine muskeln taten weh. wenn du vorher nie trainiert hast und dann plötzlich jeden tag 3 bis 4 Stunden im Fitnessstudio stehst, dann schmerzen deine muskeln und Knochen ständig. Ich war von der Angst besessen zuzunehmen und wieder zurück nach mississippi geschickt zu werden, in die unerträgliche einöde, aus der ich komme. Heute bin ich befreit. Ich war froh, dass man mir gezeigt hat, dass es plus-Size-modeling gibt, und ich diese Seite des business kennen lernen konnte. Ich habe gerade erst mittag gegessen und musste nicht darüber nachdenken. Ich habe das essen genossen und es gibt mir die energie, die ich brauche, um meinen Job zu machen.

AlS IcH 9 INcHeS AN deN HuFteN AbNeHmeN SOllte, KlANg dAS Fur mIcH NIcHt wIe eINe grOSSe zAHl

Crystal, du wurdest mit 14 Jahren entdeckt. Man riet dir für eine Modelprofikarriere, 9 Inches abzunehmen, also 22 cm ausgehend von deinem damaligen Hüftumfang von 109 cm. Das sind die allgemein gültigen Bedingungen dieses Jobs. Haben sie dich damals entsetzt, überrascht oder warst du gerne dazu bereit?

damals hat mir diese zahl rein gar nichts gesagt. Ich konnte mir darunter nichts vorstellen. Ich wusste nicht einmal, was modeling ist. Als ich 9 Inches an den Hüften abnehmen sollte, klang das für mich nicht wie eine große zahl. man hat mir eine Vogue gezeigt, auf der gisele bündchen zu sehen war, und ich dachte: „du sagst mir, dass ich das sein kann?“ Ich war mir sicher, dass ich alles dafür tun würde. 2009 kam dein Buch „Hungry“ auf den Markt, in welchem du beschreibst, wie du durch den Beruf des Models krank, näm178

Plus-Size-Models sind Models mit einer Kleidergröße ab 40 aufwärts. Heute, mit 23, bist du eines der gefragtesten Übergrößenmodels überhaupt. Besonders seit der „Size“-Ausgabe von V Magazine und deinem Auftritt bei der Berliner FashionWeek bist du in allen Medien vertreten. Du bist als Plus Size gefragter als mit Size Zero. Wie empfindest du den Hype um dein Gewicht, um deine Person?

Nachdem ich mich entschieden hatte, gesund zu werden und selbstbewusst mit meinem Körper umzugehen, waren die menschen von Anfang an sehr aufgeschlossen. und nur so hatte ich erfolg. das ist wirklich der rat, den ich Frauen geben kann, die dieses Interview lesen, und den ich im Übrigen jedem geben kann, der das liest. wirklich niemand mag einen lemming. um erfolgreich zu sein und sich von anderen abzuheben, musst du ein Individuum sein. Ich denke, das ist der Schlüssel zum erfolg. Sei stolz auf dich als Individuum und heb dich ab, denn du bringst etwas Neues mit, das sonst niemand hat. daran glaube ich. Als Plus-Size-Model mit einer Größe von 40 bist du ja nicht wirklich dick, sondern arbeitest mit deinen natürlichen Kurven. Warum denkst du, dass inzwischen operativ geformte Körper als normal empfunden werden und natürliche Rundungen nicht?

Die nackte Wahrheit: Crystal und der Alptraum Size Zero.

Ich denke, in letzter zeit ändert sich das. die leute reagieren erfreut und positiv, wenn jemand eben nicht Size zero trägt.

Rechts Shirt und Jeans von CLOSED.


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w Was glaubst du, ist die Masse mittlerweile bereit für Plus Size?

Absolut, denn auch celebreties geben das Ideal langsam auf, in Kleidergröße 32/34 zu passen. die öffentlichkeit vergisst manchmal, dass diese Stars genug geld haben, um einen trainer für 300 dollar pro Stunde zu engagieren. Sie haben das geld, um sich operieren zu lassen. Sie haben all diese möglichkeiten, um ihre Körper zu formen. der Normalsterbliche hat das alles nicht. es geht um Vielfalt und darum, verschiedene Körperbilder zu zeigen. denn genau so sind Frauen. Aktuell bist du aufgrund deiner Modelkarriere berühmt. Wofür wärst du außerdem noch gern bekannt?

eines möchte ich klarstellen: Ich glaube nicht, dass ruhm der grund war, weshalb ich mit diesem Job angefangen habe. es ging mir um die Kunst, ich wollte teil dieser besonderen editorials sein. Natürlich geht der berühmtheitsgrad mit solchen Angeboten einher. Jetzt, wo ich den so genannten ruhm erreicht habe, möchte ich ihn als meine Stimme nutzen und über dinge sprechen, um etwas zu verändern, um leute herauszufordern ihre Standards zu überdenken. Ich habe eine meinung und viele Ideen in meinem Kopf. bekannter zu sein gibt einem die möglichkeit, dinge laut auszusprechen und zum Ausdruck zu bringen. In der zukunft würde ich gerne mehr im bereich Styling und Artdirection arbeiten und zu einem anderen part des kreativen prozesses werden, egal in welcher Form. Ich möchte etwas verändern, egal ob es nun dabei um Körperbilder geht oder darum, wie die welt Frauen wahrnimmt.

Links latzhose von SISLEY.

Man sagt, der Körper hat seine eigene Sprache. Was hat dir dein Körper die letzten 8 Jahre erzählt?

Ich glaube, alles funktioniert nach bestimmten regeln, nicht nur der Körper. es gibt gesetze, wie die dinge im universum funktionieren. manche Sachen sind festgelegt. und dein Körper wurde so geschaffen, dass er dir sagt, was er braucht und will. das wichtigste ist, in der lage zu sein, diese Stimme auch zu hören. Vielleicht bekommt man ein Verlangen nach bestimmtem essen und diesem Verlangen sollte man unbedingt nachgeben. denn dein Körper sagt dir, dass dir bestimmte Nährstoffe fehlen. Im grunde ist der Körper ein ratgeber, wie du dein leben führen kannst. was in deinem Kopf vorgeht und wie du dich fühlst, kann dir zeigen, wie du leben sollst und glücklich werden kannst. Natürlich habe ich das auch nicht perfektioniert. Aber für mein Alter, wenn man bedenkt, wo ich vor 6, 7 Jahren war, bin ich einen langen weg gegangen. Seit meiner Kindheit bin ich obsessiv und kontrollsüchtig, das werde ich immer sein. Aber ich weiß, wer ich bin, und kann es akzeptieren. man kann diese energie nutzen und sie in etwas positives umwandeln, anstatt seinen Körper zu hassen und zu ändern, wer man ist. Ich habe begonnen Klavier zu spielen, ich liebe wandern und möchte gerne malen. man kann negative denkmuster umwandeln. Ich war in der lage, das zu schaffen. und ich glaube fest daran, dass es wirklich jeder schaffen kann.

SeIt meINer KINdHeIt bIN IcH ObSeSSIV uNd KONtrOllSucHtIg, dAS werde IcH Immer SeIN...

Crystal als Teenager: Ehrgeizig, dürr, unglücklich.

Hast du die Menschen schon einmal wiedergetroffen, die dir damals geraten haben abzunehmen? Wenn ja, wie haben sie auf dich reagiert?

Kurz nachdem ich mich dazu entschlossen hatte, es als plus-Size-model zu versuchen, traf ich diese Frau wieder, mit der ich bereits als „normales model“ gearbeitet hatte. Sie kam auf mich zu und sagte: „was ist denn bloß mit dir passiert? du siehst viel besser aus! Früher warst du so dünn!“ es ist schwer, die wahrheit über dein leben zu erzählen, besonders wenn es so düster war wie meines. Ich habe mich entschieden, ihr von meiner Anorexie zu erzählen, und sie schien wirklich überrascht. Ich dachte nur: „wow, vielleicht ist sie die wahrheit nicht gewohnt? Vielleicht sprechen andere sie nicht aus?“ Nachdem ich mit ihr gesprochen hatte, ging es mir viel besser. darüber zu reden, was ich mir angetan habe und wieso, war und ist noch immer wie eine therapie. mir ist einfach klar geworden, dass ich nie aufhören werde, darüber zu sprechen, was ich damals alles erlebt habe. Hört mehr auf euch selbst, das ist meine botschaft. und obwohl das ganz unspektakulär klingt – glaubt mir, es ist eine sehr große Herausforderung. 183


TUSH Portrait WELT EN TUSH

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TUSH

CUTTING

EDGE

ATLANTA IST NICHT GERADE FÜR KREATIVITÄT BEKANNT. ZWEI JUNGE FRAUEN RAGEN JETZT MIT IHREN KÜNSTLERISCHEN PAPIERIDEEN HOCHKANT AUS DER MASSE HERVOR

FOTO PR (1)

V

Vor mehr als 1900 Jahren wurde in China das erste Papier erfunden. Seitdem bietet das vielseitige Material vielen verschiedenen Künstlern eine unerschöpfliche Inspirationsgrundlage. Auch Amy Flurry und Nikki Salk widmen sich mit dem „PaperCut-Project“, das seit Anfang 2010 besteht, voll und ganz der vielseitigen Gestaltung mit Papier. Die beiden Freundinnen haben ihre Zusammenarbeit begonnen, nachdem Nikki ihr eigenes Geschäft aufgrund der Wirtschaftskrise schließen musste. Sie arbeitete zu diesem Zeitpunkt bereits sechs Jahre als Papierkünstlerin und ist somit vor allem die umsetzende Kraft bei dem gemeinsamen Projekt. Amy ist seit 15 Jahren freischaffende Autorin, Redakteurin und Stylistin und arbeitete für das Four Seasons, Country Living und Instyle. Die geschaffenen Kunstwerke bilden ein Gegengewicht zur schnelllebigen Massenware

und stehen für die Rückkehr zu handgefertigten Designobjekten. Dabei entstanden neben extravaganten Tiermasken unter anderen für Hermès auch überdimensionale Perücken. Weißes Bristol-Papier ist dabei das bevorzugte Material: „Wir benutzen kein farbiges Papier, weil dabei die Linien und Texturen unserer Objekte nicht ausreichend zur Geltung kommen würden. Vor allem die Schattierungen, die am besten auf weißem Papier wirken, erzeugen eine besondere räumliche Tiefe.“ Ihre aktuelle Serie besteht aus turmhohen MarieAntoinette-Modellen, die exklusiv als Auftragsarbeit für die in Toronto ansässige Hudson Bay Company hergestellt wurden. Alle Projekte werden nach Absprache mit dem jeweiligen Klienten konzipiert und umgesetzt. „Für eine einzige Perücke brauchen wir rund 30 bis 60 Arbeitsstunden. Manchmal sogar noch länger.“ Amy Flurry und Nikki Salk träumen davon, dass ihre Papierdesigns bald den Weg auf einen Laufsteg schaffen, und arbeiten momentan gleichzeitig daran, ihre Visionen in Metall zu adaptieren. Atlanta hat also doch noch so einiges in petto. (kaey) www.paper-cut-project.com

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TUSH Filmrezension

MOVE

I AM LOVE

SPRECHEN WIR üBER FILME, BESSER GESAGT üBER EINEN GANZ BESTIMMTEN. SPRECHEN WIR üBER „I AM LOVE“, ICH BIN LIEBE, UND ERWARTEN SIE JETZT BLOSS KEINEN HOLLyWOOD-CHICK-FLICK. TexT Kaey

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TUSH

FoTo Copyright © 2007–2010 MFa+ FilMdistribution (3)

G

„I AM LOVE“ IST EMOTIONALES 3-D. DER FILM ZEIGT, DASS LIEBE EINEN ZWINGT, SICH MIT SICH SELBST AUSEINANDER ZU SETZEN“.

Gegen seichte Unterhaltung sprechen bei „I Am Love“ gleich zwei Argumente. Erstens: Es handelt sich um einen italienischen Film. Punkt zwei: Tilda Swinton. Die kühl-kühne Britin übernimmt zum ersten Mal neben einer Filmrolle auch die Rolle der Produzentin. Obwohl sie immer wieder mit Blockbustern ihre Kasse aufbessert, hat sie Independentprojekten nie den Rücken gekehrt. Mit ihren Filmen stellt sie sich stetig neuen Aufgaben: Männerrollen verkörpert sie grandios, siehe „Orlando“, Frauen spielt sie mal androgyn, mal feminin, und selbst als gewalttätige Alkoholikerin entlockt sie ihrer Rolle tragische Erotik und charmante Schizophrenie, wie etwa in „Julia“. selbst empfindet ihre Situation weder als beklemmend noch als Im Film „I Am Love“ spielt Tileinengend – bis zu dem lesbischen Coming-out ihrer Tochter. da Swinton Emma, eine russiUnter der bröckelnden Fassade erkennt sie sich selbst. Emotiosche Immigrantin, die Teil des nen, Bedürfnisse und Möglichkeiten, die seit Langem unter anitalienischen Familienclans gepassten Verhaltensmustern vergraben waren, bahnen sich den Recchi ist. Durch ihre Ehe mit Weg an die Oberfläche. Emma verliebt sich in den jungen Koch dem Sohn des FamilienoberAntonio. Selbstverständlich hat dieses eigennützige Verhalten hauptes genießt sie die VorzüAuswirkungen auf die Familienstruktur und hinterfragt ein ge der Haute Bourgeoisie, zuüberholtes und antiquiertes Traditionsbewusstsein ... sammen mit ihren Kindern Auf der Berlinale lief der Film in der Kategorie Kulinarisches, führt sie ein zufriedenes, aber neben der emotionalen Storyline gelingt „I Am Love“ eine devon Familientraditionen getailreiche, sensible und empfindsame Bildsprache. Sie erreicht prägtes Leben. Sie bewegt sich den Zuschauer weit über die Leinwand hinaus. Die Kombination lethargisch von Dinnerparty zu aus schauspielerischer Leistung, künstlerischer BildkompositiDinnerparty und kommt ihren on und tiefgründiger Geschichte macht den Film für den ZuVerpflichtungen als Vorzeigeschauer im wahrsten Sinne greifbar. In einigen Szenen hat man ehefrau nach. Emma ist gefanden Eindruck, die Kochkünste von Antonio zu riechen oder zu gen in ihrer Tristesse, doch sie spüren, wie sich das Textil von Emmas Designerkleidern auf der Haut anfühlt. „I am Love“ ist emotionales 3-D. Neben der Empfindsamkeit ging es dem Regisseur Luca Guadagnino auch um einen anderen Aspekt: Weiblichkeit. In der Präsenz, die Frauen und insbesondere Tilda Swinton auf der Leinwand ausstrahlen, lag schon immer ein besonderer Reiz für ihn. Somit geht es in dem Film vor allem um die Stärke einer Frau. Emma findet diese im Laufe der Handlung und durch sie zu sich selbst zurück. Ein altes, neues Gefühl, das sie durchströmt und erfüllt. Liebe zwingt jeden, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen. Denn erst, wenn man sich selbst nahe ist, kann man einem anderen Menschen näherkommen.

„I Am Love“ ist ab 14. Oktober in den deutschen Kinos zu sehen.

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TUSH Modelportrait

Kleid von GARETH PUGH.


TUSH

AnfAng 2011 fAnd hinter den Kulissen von tush ein testshooting mit AntoniA Wesseloh stAtt. nur ein hAlbes JAhr und 36 gel Aufene schAuen später ist die 16-Jährige dAs gesicht der AKtuellen pr AdAK AmpAgne und unser cover-shooting-stAr

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twas unbeholfen wirkte Antonia, als sie für uns im SwarovskiBikini posierte. Das lag aber nicht am freizügigen Outfit, sondern vielmehr an ihrem Vater, der bereits parat stand, um seine Tochter abzuholen. Alles sollte von da an ganz schnell gehen … Antonia kommt aus einem wohlbehüteten Elternhaus und lebt in Buxtehude, einer Kleinstadt in der Nähe von Hamburg. Sie geht in die 11. Klasse und bereitet sich auf das bald anstehende Abitur vor. „Wie ich auf die Idee gekommen bin zu modeln, weiß ich gar nicht mehr. Jedenfalls habe ich meine Bewerbungsfotos an viele Agenturen in Hamburg gesendet. Doch nur Modelwerk hat sich gemeldet“, erzählt die Schülerin beim Covershooting. Was die anderen Agenturen nicht gesehen haben: Antonia hat den momentan angesagten Look – ein kindliches Gesicht, kombiniert mit einer schmalen, aber dennoch weiblichen Silhouette. Und natürlich endlos erscheinende lange Beine. Auch Prada war sofort angetan. „Eigentlich hatte ich mich für die Kampagne gar nicht wirklich beworben. Ich war auf einem Casting für Balenciaga und zufälligerweise war die anwesende Castingdirektorin auch für die Prada-Kampagne zuständig.“ Ab diesem Zeitpunkt war klar, dass Antonia viel erreichen kann. Gemeinsam mit einem anderen Model und der Agenturchefin von Modelwerk ging es nach Paris. Und gleich zu Chanel. „Ich habe wirklich nicht damit gerechnet, dass es klappen würde, doch dann wurde ich zum Fitting eingeladen. Als ich dann vor Karl Lagerfeld stand, verschlug es mir tatsächlich die Sprache, so aufgeregt war ich.“ Inzwischen träumt sie sogar davon, einmal eine Chanel-Kampagne zu schießen, wie sie mit strahlendem Lächeln zugibt. Doch momentan ist erst einmal Schluss mit dem Modezirkus. Denn der verpasste Schulstoff muss nachgeholt werden, um den Abschluss zu bestehen. Dabei sind es weniger ihre Eltern, die darauf drängen, als Antonia selbst: „Mir ist es sehr wichtig, mein Abitur zu machen, denn wer weiß, wie lange es mit dem Modeln funktioniert. Ich weiß zwar noch nicht, ob und was ich studieren will, aber die Möglichkeit will ich mir definitiv offenlassen. Ich könnte mir auch vorstellen, als Bookerin in einer Agentur zu arbeiten.“ Wir glauben nicht, dass es dazu kommen wird, denn vor der Kamera ist Antonia mit Sicherheit kein schnell verglühendes Sternchen. (kaey)

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TUSH GALLEry

Foto & Realisation Armin morbAch

RATS GNTI OHS

(links) Hose, Kapuzentop

GALLERY

HION, TRENIERUNDS NG BEAUDIETY,HOHEFAS KUNST DER INSZE

GALLERY

HION, TRENIERUNDS NG BEAUDIETY,HOHEFAS KUNST DER INSZE

und Jacke. Alles von PACO RABANNE. (rechts) Cape von CHRIStOPHE COPPENS. Top von AMÉLIE JAEGER. Maske (als Kette getragen) von HEYNIEK.



FREIE PRODUKTION Styling


FREIE PRODUKTION


FREIE PRODUKTION


TUSH Artikel Arts

Behind the screen

BrOOKs, GArBO, hArLOW: VieLe hOLLyWOOd-diVen sind UnsterBLich, WeiL ihr LOOK sie 端BerLeBt hAt. MOderne iKOnen M端ssen VieLFALt BeWeisen UM in ihreM JOB ZU Bestehen. dABei heLFen ihnen hAirstyLinG Und MAKe -UP. Text

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KAEY Illustration KAtE LA MochE


TUSH

Was unterscheidet die entblößte charlize theron im dior-Werbefilm von der Protagonistin Aileen Wuornos im Film „Monster“? Zum größten teil das haar-und-Make-up-Konzept. die erfindung der Modefotografie und des Kinofilms in den 1920er-Jahren hat den Beruf des Maskenbildners, der bis dato hauptsächlich im theater agierte, vor völlig neue herausforderungen gestellt. die großen Leinwände, nahaufnahmen und unterschiedlichen Kameraperspektiven verlangten nach noch präziserer Arbeit, deren kleinste Fehler sofort sichtbar wurden und die Glaubhaftigkeit einer rolle in Frage stellten. im hollywood der 1930er-Jahre wurden schauspielerinnen wie Jean harlow aufgrund ihres perfekten Aussehens zu Legenden – signifikante Looks wie blondierte haare und ein verführerischer schmollmund gaben diesen Frauen einen neuen charakter, den sie bis heute verkörpern. Mittlerweile besteht die Kunst des schauspielens in der authentischen darstellung ganz vieler unterschiedlicher charaktere. ikonen des modernen Films sehen in ihren Filmen eben nicht mehr aus wie ikonen, sondern wie schicksale des echten Lebens. Je „leiser“ ein schauspieler agiert, je weniger er tatsächlich „schauspielert“, desto größer scheint dann die illusion, nicht einen darsteller, sondern einen Menschen des echten Lebens zu beobachten. nicki Ledermann, verantwortlich unter anderem für das Make-up in „sex and the city 2“, „der teufel trägt Prada“ und „Verwünscht“, ist expertin für Filmlooks: „Meistens geht es heute darum, eine rolle zu verkörpern, die wenig mit der eigenen Persönlichkeit zu tun hat. Als Makeup-Artist ist es eine große Freude und herausforderung, eine Person komplett zu transformieren.“ dennoch gibt es sie auch noch heute, schauspielerinnen, die scheinbar die immer gleiche rolle oder sogar immer wieder sich selbst spielen. Jennifer Aniston etwa. sie ist seit „Friends“ berühmt für ihren stufenhaarschnitt. dieser hat sich ähnlich wie ihre Filmrollen weiterentwickelt, nämlich relativ wenig. eine strategie, wie sie auch darstellerinnen der 1920er- und 1930er-Jahre verinnerlichten. Louise Brooks etwa. sie war immer die burschikose herbe mit dem Bubikopf. er wurde wie die gelegten blonden Locken und abrasierten, im halbkreis nachgezogenen Augenbrauen bei Greta Garbo zum teil einer trademark. Zu dieser Zeit stand der Wiedererkennungseffekt im Mittelpunkt, heute findet Wiedererkennung oft nur noch auf dem roten teppich statt. „ich habe sie fast nicht erkannt“, wurde charlize theron ständig beteuert, als sie für ihre rolle in „Monster“ den Oscar gewann. Viele waren sich einig, dass sie den Academy Award vor allem auch wegen ihres Muts zur hässlichkeit gewonnen hat und nicht nur ihrer schauspielerischen Leistung wegen. tym Buacharern war Leiter des Make-up-departments des Films „dreamgirls“ und hat beobachtet, „dass es manchmal vorkommt, dass ein Filmstudio eine schauspielerin engagiert, weil

ihr persönlicher stil dem äußeren erscheinungsbild ihrer rolle besonders nahekommt. dadurch ist keine große Veränderung notwendig. Andererseits bin ich mir sicher, dass die meisten schauspielerinnen ihren Look definitiv für eine rolle ändern würden.“ er hat cher auf ihrer Farewell-tour geschminkt und auch für ihr Film-comeback „Burlesque“ gearbeitet. die rolle der nachtclubbesitzerin tess wurde cher auf den Leib geschneidert. Welche Arbeit aber dahintersteckt, wenn das drehbuch nicht nur die storyline, sondern auch das erscheinungsbild der Protagonisten vorschreibt, beschreibt nicki Ledermann: „nachdem ich das skript gelesen habe, beginne ich mit der recherche. in welcher Zeit spielt der Film? Und wie kann ich die emotionale entwicklung des charakters mit hilfe von Make-up widerspiegeln? dazu mache ich skizzen und sammle Bildmaterial aus Magazinen und dem internet. das ergebnis präsentiere ich anschließend dem regisseur und den darstellern, um mit ihnen gemeinsam einen stil zu entwickeln.“ ihr Kollege Kerry Warn, internationaler Kreativberater bei John Frieda, persönlicher stylist von nicole Kidman und verantwortlich für das haarstyling in „eyes Wide shut“, „the hours“ und „der Goldene Kompass“, kann berichten, inwiefern die stile der Protagonisten vom regisseur beeinflusst werden: „Manche haben von Anfang an eine bestimmte Vision im Kopf und andere wiederum erwarten, dass man ihnen eigene ideen präsentiert.“ Und dann im Kino, im gemütlichen Paarsessel, vergisst man Gott sei dank, wie viel Arbeit und wie viele stunden es gekostet hat, eine Protagonistin im Film auf natürliche Art so aussehen zu lassen, als sei sie gerade erst aufgestanden. es scheint, die Zeit der Old-schoolhollywood-ikonen ist bis auf einige Ausnahmen Vergangenheit. die mysteriöse Aura einer Marlene dietrich und der naive charme einer Marilyn Monroe waren unverwechselbar, aber die moderne schauspielerin zeigt sich wandelbar. es bleibt also nur noch die Frage, inwieweit der Look eines Films den persönlichen stil der darstellerin beeinflusst. tim Buacharern meint: „Manchmal scheint die Zusammenarbeit die stars zu inspirieren. Wenn wir gemeinsam an einem Film arbeiten, der in den 1960er-Jahren spielt, kann es passieren, dass ein für diese Zeit typischer Lidstrich vom star selbst übernommen wird.“ Kerry Warn dagegen findet: „ich denke nicht, dass ein Film den persönlichen stil eines stars beeinflusst. ein Look wird eher durch das Filmpublikum übernommen und somit in den Alltag und vor allem aber auch in die Mode transportiert.“ Unsere Zeit ist schneller geworden, wir wechseln unsere Looks und Persönlichkeiten mit jeder saison aufs neue, wir adaptieren und werden inspiriert vom Look dieser Frauen der Leinwände. Was wir dabei nicht vergessen sollten, ist, dass es nicht die schauspielerin ist, die uns inspiriert, sondern die kreative Kraft einer ganzen Branche.

es scheint, die Zeit der OLd-schOOL hOLLyWOOdiKOnen ist Bis AUF einiGe AUsnAhMen VerGAnGenheit.

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TUSH Interview

K l e i d v o n ATSUKO KUDO. Perücke mit Steinen von SWAROVSKI von ANDRÉS SARDÁ.


TUSH

I M OBETTER N Foto Txema YesTe

Realisation alberTo murTra inteRview KaeY

Als sängerin von Hercules And love AffAir eroberte die gebürtige new Yorkerin die welt.Mit iHrer bAnd JessicA 6 zeicHnet noMi ruiz (27) iHr eigenes Musik AliscHes Profil. nicol A forMicHetti erkor sie zu seiner Muse, für tusH l ässt sie nun einige Hüllen MeHr fAllen

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Kleid von ANDRÉS SARDÁ. Schuh e v o n JEFFREY CAMPBELL.

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Unser Image Ist Uns so wIchtIg, dass wIr es fast wIe eIn KUnstwerK betrachten Und InszenIeren. das Ist natürlIch für dIe verKaUfsorIentIerte IndUstrIe eIn gefUndenes fressen. N: Ich fühle mich mit diesem Thema jetzt nicht mehr ganz so unwohl. Mit Hercules and Love Affair stand ich das erste Mal in meinem Leben im medialen Fokus. Selbstverständlich hatte ich früher schon kleinere Interviews zu meinen Soloprojekten gegeben, doch plötzlich ging es um mehr als nur um die Musik. Im Grunde bin ich sehr stolz darauf, wer und was ich bin. Ich möchte nicht den Eindruck erwecken, dass ich etwas verheimlichen Mit deiner Band und eurem Debütalbum „See the Light“ bist du auf will oder mich verstecken möchte. Doch mir absolutem Erfolgskurs. Hast du damit gerechnet? ist es wirklich sehr wichtig, dass die Leute sich NOMI: Ich wusste anfangs gar nicht, was ich erwarten soll. Es gab auf meine Arbeit konzentrieren. Denn ich arMomente, in denen ich etwas besorgt war, weil das Album auf eklekbeite wirklich hart und möchte als Songwritetische Weise viele Musikrichtungen miteinander verbindet. Es war rin und Musikerin wahrgenommen werden. sehr schwer, ein Plattenlabel zu finden, das diese Mischung interesWirklich viele Leute wollten mich als Gimsant findet. Doch mittlerweile bin ich sehr stolz darauf, dass wir unsemick inszenieren und die Musik ignorieren, re eigene Vision verwirklichen konnten und uns treu geblieben sind. um ihre Neugier über meine geschlechtliche Wie kam es dazu, dass du mit Bassist Andrew Raposo und dem KeyIdentität zu befriedigen. Wenn es ein Musikboarder Morgan Wiley, die du beide aus der Zusammenarbeit bei magazin ist, macht es für mich einfach wenig Hercules and Love Affair kennst, wieder eine Band gegründet hast, Sinn, über meine Transsexualität zu sprechen. anstatt ein Soloprojekt zu verwirklichen? Es ist für mich auch ein wichtiges Thema, N: Ich habe schon vor Hercules and Love Affair an Soloprojekten geüber das viele Leute noch aufgeklärt werden arbeitet und werde es auch weiterhin tun. Leider endete die Zusammüssen. Ich finde es schwierig, das dann mit menarbeit in einem kleinen Drama und etwas früher, als ich selbst Musik zu vermischen. dachte. Ich wusste eigentlich von Anfang an, dass ich nicht ewig in eiDenkst du nicht, dass man Menschen auch ner Band bleiben werde, in der ich nicht selbst Songs schreiben und mit Musik sehr gut aufklären kann? produzieren kann. Es war klar, dass ich irgendwann aussteige. Die N: Ich versuche es, indem ich einfach ich Chemie zwischen mir, Andrew und Morgan ist etwas ganz Besonderes selbst bin und mich nicht erkläre oder sogar und ich liebe es, live mit einer richtigen Band zu spielen. entschuldige. Damit zeigt man den Menschen, Wolltest du schon immer Musik machen? dass man nicht in irgendeine Schublade passen N: Ja, ich habe schon als Kind immer gesungen. Am Ende war es meimuss, um als Musikerin erfolgreich zu sein. ne Mutter, die mir geraten hat, aus dieser Leidenschaft etwas zu maOft haben die Leute noch immer stereotype chen. Dann habe ich mit 11 angefangen, Songs zu schreiben und sie Klischees im Kopf: Transsexuelle sind obdachauch aufzunehmen. lose Nachtgestalten, die sich prostituieren und In früheren Interviews hast du oft betont, dass du nur ungern über drogenabhängig sind. Ich möchte eine andere deine Transsexualität sprichst. Hat sich deine Einstellung zu diesem Referenz anbieten und verdeutlichen, dass wir Thema mittlerweile geändert? normale Menschen mit normalen Bedürfnissen sind und unsere Transsexualität wirklich nur einen kleinen Teil unserer Persönlichkeit ausmacht. Als Transsexueller unterzieht man sich einer Hormontherapie, um sein physisches Erscheinungsbild dem einer Frau anzugleichen. Hormone verändern allerdings nicht die Stimmlage. Dementsprechend werden transsexuelle Frauen oft aufgrund ihrer tieferen Stimme als transsexuelle Frauen identifiziert. Als Sängerin versucht man jedoch, jede Nuance der eigenen Stimme als Instrument zu nutzen. Inwiefern hast du dich mit diesem Kontrast auseinandergesetzt? N: Ich erinnere mich, dass ich früher mit verschiedenen Rappern Songs aufgenommen habe. Als ich diese dann meinen Freunden vorgespielt

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habe, sagten sie immer, es klingt wie ein Liebesduett zwischen mir und dem Rapper. Ich klang also schon immer sehr weiblich. Ich wollte immer Sängerin werden und hatte eher Angst davor, dass ich als transsexuelle Frau niemals Erfolg haben werde, weil man mich, so wie ich bin, nie akzeptieren würde. Mittlerweile finde ich es wirklich interessant, dass ich früher so gedacht habe, denn mein Lebensweg beweist mir, dass solche Ängste unbegründet sind. Wenn man vor etwas Angst hat, zeigt es einem, womit man sich wirklich auseinandersetzen sollte. Wenn man Ängste überwindet, entwickelt man sich weiter. Dragqueen RuPaul feiert in Amerika große Erfolge mit seiner Show Drag Race. Das transsexuelle Model Lea T. und der ambivalente Andrej Pejic erobern die Laufstege und Antony Hegarty von Antony & The Johnsons gilt in der Musikszene mittlerweile als Ikone. Hast du den Eindruck, das Spiel mit den Geschlechtern wird momentan ein Teil des Mainstreams? N: Ich denke schon. Man versteht langsam, wie vielfältig die Facetten menschlicher Existenz sind und dass es nicht nur Schwarz und Weiß gibt. Menschen, die sich zwischen den Geschlechtern bewegen, sind frei und selbstbewusst, wenn es um die Gestaltung ihres eigenen Images geht. Unser Image ist uns so wichtig, dass wir es fast wie ein Kunstwerk betrachten und inszenieren. Das ist natürlich für die verkaufsorientierte Industrie ein gefundenes Fressen. Wenn man die Fotos betrachtet, die mit Txema Yeste entstanden sind, fällt auf, dass du kein Problem damit hast, oben ohne zu posieren. Mittlerweile ist es schwierig, professionelle Models zu finden, die so freizügig sind. Was denkst du, wieso transsexuelle Frauen sich und ihren Körper grundsätzlich gern präsentieren? N: Für mich ist es ein Stück Freiheit. Jahrelang habe ich sexy Frauen im Fernsehen oder Magazinen gesehen und jetzt bin ich an der Reihe zu zeigen, wie sexy ich bin. Ich habe keine Lust, mich zurückzuhalten, nur weil es für manche Menschen zu skandalös ist. Ich will einfach machen, was ich will und wann ich es will. Ja, ich bin transsexuell, trotzdem sind die Leute von meinen erotischen Reizen angeregt. Also spielst du mit der Tatsache, dass du transsexuell bist und die Menschen trotzdem oder auch deshalb auf dich stehen? N: Ich will zeigen, dass ich wie jedes andere Mädchen bin. Schaut her! Das bin ich! Ich zeige alles, was mich ausmacht, ob ich nun über mein Leben und meine Musik spreche oder mich halbnackt zeige. Hat es eine Frau im Jahr 2011 denn noch nötig, sich auszuziehen, um zu zeigen, dass sie sexy, erotisch und verführerisch sein kann? N: Das ist natürlich ein sehr feministischer Ansatz. Wenn man sich meine Musik anhört, dann versteht man schnell, dass ich versuche zu reflektieren, was es bedeutet, eine Frau zu sein. Doch manchmal habe ich das Gefühl, dass die Welt Angst vor Feminität hat. Selbst wenn man Homophobie und Transphobie betrachtet, haben diese ihren Ursprung darin, dass Weiblichkeit als minderwertig betrachtet wird. Alles, was superfeminin ist und die Macht einer Frau ref lektiert, und damit meine ich nicht unbedingt Nacktheit, empfinde ich als etwas sehr Kraftvolles. Männer denken zwar, sie regieren die Welt, doch sobald man sie nur ein bisschen anturnt, vergessen sie alles. Das zeigt

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doch die wirkliche Macht der Weiblichkeit. Deine neue Single mit Antony Hegarty heißt „Prisoner of Love“. Bist du eine Gefangene der Liebe? N: Ach, ich bin jeden Tag und jede Nacht von ihr gefangen. (lacht laut) Bist du momentan verliebt? N: Nein. Ich bin gerade wieder in einer Liebhaberphase. Ich habe sozusagen einen in jedem Hafen, auf der ganzen Welt verteilt. Bist du der Beziehungstyp? N: Ich bin da eigentlich ziemlich unschlüssig. Ich bin zwar gerne verliebt und mag Intimität, aber ich bin ständig unterwegs und auf Tour. Außerdem bin ich extrem schnell gelangweilt. Wenn ich dann mal mit jemandem zusammen bin, habe ich sofort ein schlechtes Gewissen, weil ich das Gefühl habe, dass ich eher arbeiten sollte, als gemeinsam auf der Couch zu sitzen und Filme anzusehen. Wenn es um Beziehungen geht, kommt man als transsexuelle Frau irgendwann an den Punkt, an dem man sich entweder offenbart und sein Geheimnis teilt oder sich dazu entscheidet, es zu verheimlichen. Wie gehst du damit um? N: Ich hatte niemals Probleme mit Männern. Man findet sie überall. Kommt es denn manchmal vor, dass Männer eine Transsexuelle eher als ein exotisches Abenteuer sehen und so einfach eine Art Fetisch befriedigen? N: Männer haben doch immer irgendein Laster. Ob es nun Transfrauen, Latinas, Gothic Girls sind, jeder hat irgendeinen Fetisch. Dafür kann ich wirklich niemanden verurteilen.

männer denKen, sIe regIeren dIe welt, doch sobald man sIe nUr eIn bIsschen antUrnt, vergessen sIe alles. das zeIgt doch dIe wIrKlIche macht der weIblIchKeIt.

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Haare & Make-up Victor Aldo; STYLING Alberto Murtra; Set Design Cristina Ramos & Biel Escamez/Povera Studio; Model Nomi Ruiz/Jessica 6; Produktion Carles B. Arnan; Fotoassistenz Jose Antonio Lopez; Vielen Dank Barcelona Studios

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Ringe von RABAT. Pelz von

SPORTMAX.

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TUSH Interview

SOcIETY

MAnĂśVEr

Balian hat mit Yvonne Schluss gemacht. Obwohl sie ihm jahrelang so nahe stand, hat er sie nie akzeptiert. Sich endgĂźltig von ihr zu trennen war der perfekte neuanfang, auch wenn dazu eine Vielzahl an Therapien und sogar Operationen notwendig waren. Foto armin morbach interview kaey


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TUSH

TUSH hat sich bereits ausführlich mit dem Gender-Begriff und den Facetten, die geschlechtliche Identitäten beinhalten, in Ausgabe 02/09 auseinandergesetzt. Doch wir möchten dieses Phänomen nicht Moden unterwerfen und es wie eine temporäre Erscheinung behandeln, die zyklisch Laufstege und Editorials beeinflusst. Für TUSH sind Menschen, die Geschlechtergrenzen dehnen und sprengen, ganz klar ein Bestandteil unserer heutigen Gesellschaft. Deshalb ist es eigentlich auch überhaupt nichts Besonderes, Balian Buschbaum zu interviewen, der einst als Yvonne Buschbaum sportliche Erfolge feierte.

Eine Geschlechtsangleichung erfordert Mut. Die Kraft, den eigenen Körper, die eigene Psyche und Sexualität bürokratisieren zu lassen, scheint zunächst sicherlich unaufbringbar. Hast du dich unter Druck gesetzt gefühlt, möglichst stark andere davon zu überzeugen, dass du nicht die eine, sondern der andere bist?

Selber zu wissen, wer man ist, ist das Wichtigste. Wenn du dir dessen sicher bist, gibt es für jedes Problem eine Lösung. Selbstverständlich muss man manchmal Dinge hinter sich lassen, wenn man sich entschieden hat, einen neuen Weg einzuschlagen. Ich war bereit, mein erfolgreiches Leben aufzugeben. Und ich wäre sogar bereit gewesen zu sterben, als noch länger in einem falschen Körper gefangen zu sein. Wie empfindest du den Begriff „im falschen Körper geboren“? Hast du deinen Körper im Ganzen als zu fraulich empfunden oder waren es „lediglich“ die primären Geschlechtsmerkmale?

Ich bin in der Sportwelt groß geworden und in dieser Welt ist dein Körper dein Kapital. Ich würde sagen, jeder Sportler ist mal mehr oder weniger selbstverliebt. Meinen Körper fand ich daher bis auf die Geschlechtsmerkmale vollkommen in Ordnung und alles andere als weiblich, dafür habe ich viele Jahre zu hart trainiert.

Balian, du machst dich ganz gut vor der Kamera...

Ich hätte noch Stunden weitermachen können. Es kommt meistens darauf an, dass es zwischen den Menschen, die miteinander arbeiten, klick macht, im wahrsten Sinne des Wortes. Dieses Gefühl hatte ich gleich, als ich hier im Studio ankam.

Du hast eine Transformation von Frau zu Mann durchführen lassen, deinen Körper deinem wahren Geschlecht anpassen lassen. Der Wunsch nach Erfüllung der eigenen Identität war größer als die Angst vor der Operation. Was war das Erste, das sich für dich nach den OPs veränderte?

Die Frage scheint platt, aber dennoch ist die Antwort darauf für viele im „richtigen Körper Geborene“ spannend und Fremdland: Wann hast du wie bemerkt, dass dein physisches und gefühltes Geschlecht nicht zueinanderpassen?

Es war das Gefühl der Vollständigkeit. Doch vor allem waren es Alltagssituationen. Endlich im Stehen pinkeln zu können und mich nicht mehr um meinen Penis betrogen zu fühlen. Endlich das zu sein und auch als das gesehen zu werden, was ich schon immer war, nämlich ein Mann.

Bereits mit fünf Jahren habe ich mich „anders“ gefühlt, doch ich fand keine Erklärung dafür. Ich verliebte mich in schöne Frauen und wollte die Mädels durch Liegestütze beeindrucken. Meine Eltern waren sehr liberal und ich musste nie Mädchenkleider tragen. Schwierig wurde es erst in der Pubertät, als sich mein Körper veränderte. Damals begann ich Sport zu treiben und konnte damit einer extremen Verweiblichung durch hartes Training immer auch entgegenwirken. Hattest du denn manchmal auch das Gefühl, zwei verschiedene Personen zu sein?

Dass ich nicht schizophren bin oder eine andere geistige Krankheit aufweise, musste ich in lächerlichen psychologischen Gutachten unter Beweis stellen. Sie waren die Voraussetzung für die Hormontherapie und die Operationen. Abgesehen davon hatte ich einen ganz normalen Werdegang, den eines ganz normalen Jungen. Mir fehlte lediglich bis zu meinem 28. Geburtstag, sagen wir, ein kleines männliches Detail.

Jeder Mensch hat weibliche und männliche Anteile. Inwiefern dürfen die weiblichen für dich noch eine Rolle spielen? Lässt du sie überhaupt noch zu, gestehst du sie dir ein?

BErEITS MIT 5 JAHrEn HABE IcH MIcH „AnDErS“ GEFÜHLT...

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Ich glaube, dass der Kreis sich in jedem erst dann schließt, wenn man glücklich ist: egal ob Mann oder Frau, ob gedanklich zwischen den Geschlechtern oder körperlich aufgrund eines Fehlers der natur. Ich stehe voll und ganz dazu, dass man alles zulassen sollte, solange man selbst dabei glücklich ist und niemand anderen dadurch schadet. Ich denke auch, dass wir unser eindimensionales Frau-Mann-Denken etwas erweitern sollten. Auf dieser Welt gibt es alles, was wir uns denken können und darüber hinaus eben auch Dinge, die fernab unserer Vorstellungskraft stattfinden, und wir sollten nichts verurteilen, nur weil wir es selbst nicht kennen und uns eher über diese Vielfalt freuen. Vor deiner Transformation hattest du hauptsächlich Beziehungen zu heterosexuellen Frauen. Was denkst du war der Reiz, den du auf diese Frauen ausgeübt hast?

Ich war sogar ausschließlich mit heterosexuellen Frauen zusammen! Sie haben sich in meine Männlichkeit verliebt, die aber gleichzeitig etwas Sinnliches, etwas anderes, etwas Geheimnisvolles in sich trug. Die Frauen mochten mich, weil ich ein Mann war, der sie versteht, ihnen zuhört, Empathie zeigen kann, aber auch zur richtigen Zeit ein Macho ist. Es ist wohl wie mit der Mode: Die Mischung macht es erst interessant. Gab es nie Berührungsängste deiner Partnerinnen, mit jemandem intim zu werden, der anatomisch weiblich ist, obwohl diese Frauen sich nicht als lesbisch begriffen haben?

Zu Beginn waren diese natürlich etwas irritiert. Aber ich denke, dass die Frauen sich nicht in mein Geschlechtsteil verliebt haben, sondern in Balian, in mich als Menschen und die männliche Art, die ich immer schon ausgestrahlt habe. Wenn du zurückdenkst: Gab es für dich denn vor der Geschlechtsangleichung Tabus, vor allem auch was die direkte Berührung deines Körpers betraf?

Es ist natürlich schwierig, wenn man den eigenen Körper nicht liebt, gleichzeitig Liebe von einem anderen Menschen entgegenzunehmen. Ich war ein Liebesdiener, der über Jahre lernte, welche Sehnsüchte die Frauen in sich tragen. Dafür bin ich dankbar, denn als stinknormaler Mann hätte ich diese Erfahrungen nicht machen können, da mein Penis wahrscheinlich schneller gedacht und agiert hätte als mein Gehirn. Wie konntest du damit umgehen, lesbischen Sex zu haben, obwohl du letztendlich nie lesbisch warst?

Ich hatte nie lesbischen Sex. Ich liebe die Frauen als Mann und wenn Männer denken, dass sie ihre Frau nur mit ihrem Penis befriedigen können, dann müssen sie noch viel lernen.

EIn PEnIS ALLEIn MAcHT KEInEn MAnn ZUM MAnn ...

Wenn du heute eine Frau kennen lernst, gibt es dann diesen einen bestimmten Moment, in dem du dich offenbarst und ihr deine Vergangenheit „beichtest“?

Wäre ich auf One-night-Stands aus, könnte ich es geschickt anstellen und die Frau würde nicht merken, dass ich ohne Hoden und Penis auf die Welt gekommen bin. Die Medizin ist heutzutage so weit, dass Frau in meinem Falle nichts merken würde. Ich versuche immer, ehrlich zu sein, erzähle aber auch nicht jedem gleich mein persönliches Schicksal. Wenn es zu Fragen kommt, habe ich stets Antworten, auch im Bett … Wie erlebst du dann diesen Moment der Offenbarung? Und vor allem, wie reagiert dein Gegenüber?

Generell spüre ich eigentlich sehr oft großes Interesse, aber je ehrlicher, authentischer und selbstsicherer ich bin, umso normaler und selbstverständlicher werde ich dann auch im weiteren Verlauf der Bekanntschaft wahrgenommen. Du warst selbst jahrelang erfolgreiche Stabhochspringerin, momentan arbeitest du wieder als Trainer in diesem Sport. Wäre es nicht auch möglich für dich als Mann ein Comeback zu starten und wieder bei Profiwettkämpfen anzutreten?

Das IOc (Internationales Olympisches Komitee) hat 2004 bereits ein Gesetz erlassen, das es transsexuellen Sportlern ermöglicht, auch wieder an Olympischen Spielen teilzunehmen. Gerade stelle ich mir diese Frage allerdings nicht, denn ich habe jenseits der Sportwelt eine viel größere Welt entdeckt. Es gibt noch so viel, das ich ausprobieren und mich daher nicht wieder einengen möchte. Generell bin ich für alles offen und freue mich auch immer über „andere Jobs“ wie zum Beispiel das heutige Shooting mit TUSH Magazine. Auch ich selbst empfinde das binäre Geschlechtersystem unserer Gesellschaft als einengend und überflüssig. Warum aber war es für dich wichtig, die Transformation komplett durchzuführen? Fühlst du dich nur als Mann, wenn auch alle körperlichen Merkmale eines Mannes vorhanden sind? Kurz gesagt: Braucht Mann einen Penis um ein „richtiger Mann“ zu sein?

Es war mir nicht primär wichtig, irgendwo dazuzugehören oder irgendwo eingestuft zu werden. Ich fühlte mich auch ohne Penis als Mann. Vielmehr war die Erfüllung meines Selbstbildes wichtig. Ohne meinen Penis fühlte ich mich nicht komplett. Doch ich stimme dir auch zu, dass nicht der Penis oder die Hoden einen Mann zum Mann machen oder die Brüste eine Frau zur Frau machen. nur wenn dein Geist und dein Körper sich in Einklang befinden, kannst du zufrieden sein. Stehst du zwischen den Geschlechtern und bist glücklich, dann freue ich mich für dich. Mehr ist doch nicht wichtig. Buschbaums Autobiografie „Blaue Augen bleiben blau“, erschienen im Krüger Verlag Frankfurt, ist bereits im Handel erhältlich. balian-buschbaum.de

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Foto armin morbach/agentur-linke.de Haare & GroominG nadine bauer/ballsaal StylinG kaey BildBearBeitunG mario Seyer PoStProduction FotoaSSiStenz alexander knöll. balian trägt Jacke, Shirt und hose von VerSace.

TUSH


TUSH Portrait

quarterly now

In ihrer Arbeit mit Glas transformiert die schwedische Künstlerin Asa Jungnelius das

zerbrechliche Material unter physischer Anstrengung und in geduldiger Mundarbeit

in filigrane, oft provokante Kunstwerke, die ihre Wirkung nie verfehlen

Durchblick

InterVIew

K a ey

t u s h Du hast an der bekanntesten schwedischen Kunst- und Designschule Konstfack studiert. warum hast du dich auf die arbeit mit Glas spezialisiert? a s a j u n g n e l i u s Die ausbildung an der universität war sehr frei und nicht auf ein spezielles Material ausgerichtet. Für mich geht es immer nur um das endresultat. Glas ist ein billig wirkendes, altbackenes Material, das andererseits aber auch vornehm erscheint. Hauptsächlich setze ich es als objekt in Installationen ein. Das Glasobjekt ermöglicht somit den einstieg in die Installation. Im raum selbst verwende ich auch andere Materialien wie Plastik oder unterschiedliche Stoffe.

woher kommt dein Interesse ausgerechnet für dieses Material? Mein Interesse für Glas habe ich als teenager entdeckt. In dieser Zeit steckt man voller unkontrollierbarer energie. Ich habe versucht, diese dann zu katalysieren, anstatt ein selbstzerstörerisches Verhalten zu entwickeln. es war eher eine intuitive entscheidung. Der Prozess des Glasblasens ist sehr physisch und anstrengend. oft ist es eine komplizierte teamarbeit. Vergleichbar mit dem Zusammenspiel in einer Band. wenn jemand den falschen ton spielt oder den rhythmus nicht halten kann, ist das endergebnis unbrauchbar. außerdem fand ich es sehr spannend, in einer eher männlich dominierten atmosphäre zu arbeiten.

t

aj

t wie hast du dich in dieser umgebung gefühlt? a j es war für mich sehr natürlich, da ich mich selbst eher als männ-

lich betrachtet habe. Ich konnte endlich ich selbst sein. allerdings war mir auch klar, dass ich mich weiterentwickeln möchte und als Künstlerin arbeiten will. t welche themenbereiche inspirieren dich und deine arbeit? a j womit ich mich am meisten beschäftige, ist die Frage, wie man sein Geschlecht, seine Persönlichkeit, seine Identität konstruiert. In diesem Zusammenhang interessiert mich auch der einfluss der Shopping- und Konsumkultur. was man konsumiert. wie man es konsumiert. welche attribute und werkzeuge brauche ich wirklich, um die gewünschte Persönlichkeit zu erschaffen? Ich kann Glas als Material nutzen, um die Menschen dazu zu zwingen, diese Fragen genauer zu betrachten. Der ursprung dieses Interesses liegt natürlich auf der persönlichen ebene. angefangen bei der Frage: wieso wurde ich als Frau und nicht als Mann geboren? Bis hin zu der erkenntnis, dass ich beides sein kann.

andrej Pejic auf den internationalen laufstegen, anthony Hegarthy in den Charts, das CandyMagazin in den Zeitschriftenläden. Das thema Gender scheint in den letzten Jahren aktueller denn je zu sein – wieso gibt es momentan diese entwicklung? a j Vor ungefähr zehn Jahren war es noch ein großer Durchbruch, über solche themen überhaupt zu sprechen. Doch mittlerweile sind wir einen Schritt weitergegangen. es ist keine theorie mehr, über die geredet wird. wir setzen sie inzwischen in die tat um. wir leben sie. t

t Viele deiner objekte haben eine sehr sexuelle Konnotation, wie zum Beispiel Snippan, eine goldene Glasvagina. wie wichtig ist Sex für die Kunst? a j Ich arbeite viel mit den themen Körper, Identität und der menschlichen Interaktion. Dementsprechend kann man Sexualität nicht außen vor lassen, weil es ein wichtiger teilaspekt des lebens und der Interaktion ist. außerdem geht es auch um objekt, Subjekt, aktiv und passiv. wie wird man missbraucht? wie möchte man missbraucht werden? wie möchte man missbrauchen? t Inwieweit spielt Provokation dabei eine rolle? a j Provozieren möchte ich nicht unbedingt. aber natürlich versuche ich, etwas mit meiner Kunst zu erzählen. Die Menschen sollen über meine Kunst in einen Dialog treten und sich mit themen auseinandersetzen, mit denen sie sich vielleicht vorher nicht befasst haben.

lippenstift, High Heels, nagellack. Deine objekte symbolisieren auch unterschiedliche Beautyprodukte. wie würdest du Schönheit definieren? a j Ich könnte Schönheit niemals definieren, weil es etwas sehr Subjektives ist. Ich urteile nicht gern und finde, dass viele leute nicht aufgrund von Äußerlichkeiten urteilen sollten. Das wichtigste ist für mich Charisma. t

t Für die Parfümfirma agonist hast du verschiedene Flakons entworfen. wie kann man sich deine Zusammenarbeit mit einem Kunden

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vorstellen? a j am wichtigsten ist es, dass man dem Kunden zuhört und herausfindet, was gewünscht wird. Die Zusammenarbeit mit agonist entstand sehr zufällig. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt große lust, einen Parfümflakon zu gestalten, und, als sei es Vorhersehung, die Firma kam auf mich zu. Mir hat das Konzept gefallen. es ging nicht darum, die pure schöne Seite der liebe darzustellen, sondern ihre dunkle Facette herauszuarbeiten. Bei solchen Kollaborationen ist es also vor allem auch wichtig, dass der Kunde mich als Künstlerin mit eigenen Visionen respektiert. Zu sehr verbiegen für eine auftragsarbeit würde ich mich nie. Fin

Foto: Pr (2)


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quarterly now

Kunstwerk aus Glas: F端r die Parf端mfirma agonist entwarf asa Jungnelius verschiedene Flakons (hier: onyx Pearl) 215



TUSH Cover/Styling Assistenz

tX n i Pr ityon aeld editi t i g Di limit


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Welt en tush

Bryanboy�s choices

Magdalena starK

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the neW faith Of fashiOn

Ohne Vergangenheit Keine ZuKunft. BesOnders in der MOde Wird das Bereits existierende Zur nOtWendigKeit, uM neues entstehen Zu lassen. Wie das aussehen Kann, Zeigen tush und

bryAnboy

anhand des neudeutschen designnachWuchses. Foto Armin morbAch Realisation KAtrin GerhArdy & FAbiAn Kölmel

Bluse von MAGDALENA STARK. gendarmenmütze von JULIA SPERLE X PIPKA PIPKA. sonnenbrille von EMPORIO ARMANI.

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TUSH

dOnt shOOt the Messengers

links Kurzjacke, shirt und hose. alles von DONT SHOOT THE MESSENGERS. sonnenbrille von MARC BY MARC JACOBS. uhr von JUNGHANS. Wedges von NICHOLAS KIRKWOOD 端ber mytheresa.com. rechts Wollmantel und Kleid (als turban getragen) von PERRET SCHAAD. sonnenbrille von GUCCI.

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Perret schaad


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nils dunKel


TUSH

sPeCial eDition CoVeR & FotostReCKe, HaaRe & MaKe-uP Stelli mit Produkten von chAnel styling KAtrin GerhArdy/ballsaal Digital oPeRatoR & BilDBeaRBeitung mArio Seyer PoStProduction Fotoassistenz AlexAnder Knöll stylingassistenz KAey

links t-shirt von NILS DUNKEL. Jacke von RAD HOURANI. rechts Kette, shirt, gürtel und leggins. alles von ARRONDISSEMENT AQ1. sonnenbrillen von GUCCI.

arrOndisseMent aq 1

get Addicted! diese ausgabe der tush gibt es auch als einmalige limited editon mit Bryanboy auf dem cover. nur zu beziehen über tushmagazine.com und bryanboy.com

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TUSH Portrait

ARtS & AEStHEtICS

BERLIN

BULGE

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IN DEN 1970ER-JAHREN PRäGtE PEtER BERLIN DURCH DIE oFFENSIVE ZURSCHAUStELLUNG SEINER SExUALItät EIN NEUES SCHWULES IDEAL. ZWISCHEN SELBStLIEBE, SELBStBILD UND SELBStBEWUSStSEIN WURDE ER ALS MoDERNER NARZISS ZUR IKoNE EINER SUBKULtUR. TexT KAEY

P

Peter Berlin wird am 28. Dezember 1942 als Armin Hagen Baron von Hoyningen-Huene in Polen geboren. Nachdem sein Vater im Zweiten Weltkrieg ums Leben kommt, zieht er zusammen mit seiner Mutter und seinen zwei Geschwistern zu den Großeltern ins Berliner Umland. Dort wächst er in ländlicher Idylle auf, bis er sich mit 17 als schwul outet. Ein Zusammenleben mit seiner Familie scheint daraufhin unmöglich, er zieht von zu Hause aus und genießt seine neu gewonnene Freiheit. Der hübsche Bursche wird sich seiner eigenen Schönheit bewusst und entwickelt seinen Look: „Ich kann mich entsinnen, dass es damals in Deutschland kleine amerikanische Zeitschriften gab mit Bildern von jungen Männern. Die sahen alle sehr gut aus und ich dachte, das Beste, was ich aus mir machen kann, ist, meinen Körper so gut wie möglich in Szene zu setzen. Die engen Hosen und die Prinz-Eisenherz-Frisur haben sich von selbst ergeben.“ Peter Berlin hat daraufhin niemals wieder seine Haare einem Friseur anvertraut.

Peter Berlin (heute 68 Jahre), stellte uns exklusiv für die Jubiläumsausgabe Bilder aus seinem privaten Archiv zur Verfügung.

Er erkundet seine Sexualität in Parks und Clubs und arbeitet als Schneider, Illustrator und Fotograf. Über seine Kontakte zur Berliner Szene und dank seiner zahlreichen Jobs und Interessen landet er 1970 schließlich in Amerika. San Francisco wird zu seiner neuen Wahlheimat und auch im sonnigen Kalifornien ist sein Erfolg bei den Männern groß. Narzissmus wird zum wesentlichen Element in Peter Berlins Leben und Arbeit, tatsächlich treibt ihn aber nicht seine Selbstverliebtheit an, sondern der Wunsch nach Bestätigung und Liebe. „Wir wollen alle geliebt werden. Menschen funktionieren so. Sie möchten ein Gegenstück finden und dafür muss man wahrgenommen werden. Daraus kann sich auch ein Spiel entwickeln. Wir sind alle Exhibitionisten und auch Voyeure. Ich glaube, dass es vielen Menschen schwerfällt, das eigene Ich zu erkennen, und ich habe in den Spiegel gesehen und mir gefallen. Ich bin einfach davon ausgegangen, dass das anderen Menschen auch gefallen wird.“ Er behält Recht. 237


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„StUDIo 54, ANDy, toM UND RoBERt– DIE SZENE HAt MICH NIE RICHtIG INtERESSIERt.“

Peter Berlin wird zur Schwulenikone. Jahrelang perfektioniert er die Kunst, sich in Selbstporträts zu stilisieren, gleichzeitig wird sein Interesse am Film geweckt. So entstehen 1972 „Nights in Black Leather“ und 1974 „that Boy“. Schnell machen ihn diese pornografischen Werke zum Star der Schwulenszene – er trifft auf die Großen des Business wie Andy Warhol, tom of Finland und auch auf den Fotografen Robert Mapplethorpe. Doch es ist niemals sein Ziel, sich in der Kunstszene aktiv zu involvieren. „Der Kontakt zu Warhol und Mapplethorpe war eher eine Randerscheinung, ich habe beide getroffen, eher beiläufig, aber die Szene hat mich nie richtig interessiert. Wenn man in die Clubs ging, ins „Studio 54“ etwa, waren die Leute einfach da. Ich bin nur ausgegangen, um gesehen zu werden, und dann bin ich wieder raus auf die Straße. Ich war nie richtig ein teil dieser Szene.“ Peter Berlin genießt sein Leben, bemüht sich aber nicht, seinen Starruhm zu manifestieren. Er lebt in den tag hinein und fotografiert sich weiterhin, er dreht sich nur um sich. Anfang der 1980er wird die schwule Subkultur durch HIV und Aids stark beeinflusst. Da Peter Berlin jedoch grundsätzlich Safer Sex praktiziert, bleibt er von der Krankheit verschont, nicht aber die Menschen in seinem Umfeld. Auch sein Lebensgefährte, mit dem er zwanzig Jahre zusammenlebt, stirbt an Aids. Das HI-Virus hat plötzlich einen enormen Einfluss auf den Umgang mit Sexualität, Schwule werden einmal mehr an den Pranger gestellt. Peter Berlin zieht sich immer mehr zurück und finanziert sein Leben durch den Verkauf seiner Bilder und den Vertrieb der Filme. Nach mehr als zwei Dekaden Ruhepause und Rückzug, erlangt er 2005 erneut öffentliches Interesse. Die Dokumentation „Die Peter-Berlin-Story“ zeigt unter der Regie von Jim tushinski das bewegte Leben eines Idols und den Menschen dahinter. Noch heute ist Peter Berlin überrascht, dass die Kunstfigur, die er erschaffen hat, immer noch solch einen Einfluss auf die Kreativszene hat: „Ich hatte selbst nie Idole. Ich denke, es ist sehr gefährlich, nach Vorbildern zu suchen, irgendetwas anzuhimmeln, das nicht aus dir selbst heraus entsteht. Sei dein eigenes Idol. Wenn mir ein junger Mann sagt, dass er so aussehen will wie Peter Berlin, dann ist das genau das, was ich nicht will. Für mich war es immer interessant, Leute zu treffen, die möglichst weit aus dem grauen Grau herausragen und besonders sind.“ Peter Berlin hat genau das geschafft. Er ist einer dieser Menschen, die durch ihre nahezu naive Authentizität aus der Masse hervorstechen. Auch wenn er seit langer Zeit nicht mehr aktiv die Subkultur bereichert, ist seine Präsenz nach wie vor in der selbstbewussten Darstellung aller professionell Posierenden zu spüren.

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TUSH

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TUSH Interview

MOVE

INTEAMITy

Die in Berlin lebenden italienischen Künstler Luigi y Luca präsentieren sich vorzugsweise nackt in eindeutig sexuellen Posen. Doch hinter dem vermeintlich offensiven Charakter der Bilder entdeckt man eine seltene Intimität und wird von ihr gefangen genommen. interview kaey

Die Serie „Arcano“, links, enstand gemeinsam mit Designer Manuel Albarran. Für „Abnegation“, rechts, arbeiteten Luigi y Luca mit diversen Berliner Labels zusammen.

Künstlerisches Wirken ist immer ein von intensiven Auseinandersetzungen geprägter Prozess. Die Auseinandersetzung des Künstlers mit sich selbst, den Ergebnissen seines Schaffens, mit seinem individuellen Darstellungsmedium und auch mit den Konsumenten seiner Arbeiten. Doch wenn zwei Menschen sich entscheiden, gemeinsam kreativ zu wirken, entstehen daraus weit komplexere Dynamiken. Luigi und Luca, ihr seid ein sehr junges Paar. Normalerweise werden sich Paare erst mit den Jahren ähnlicher, auch optisch. Bei euch scheint die visuelle Annäherung das Konzept eurer Beziehung. Erfüllt denn die Liebe zum anderen immer auch die Liebe des eigenen Ichs?

Die Liebe zu deinem Partner erfüllt die Liebe zu dir, aber auch die Aversion dir selbst gegenüber wird reflektiert. Normalerweise neigt man dazu, sich mit der Person, die vor dir steht, vollkommen zu identifizieren. Doch wenn du plötzlich ein Feindbild entdeckst, welches auch deine eigenen Unzulänglichkeiten widerspiegelt, zerstörst du es mit den gleichen Waffen, mit denen du einst selbst verletzt wurdest. Beziehungen sind ein feinfühliger Balanceakt und wenn der Spiegel zerbricht, dann kannst du auch die dunkle Seite dahinter erkunden. Funktioniert auch eure Arbeit nach diesem Prinzip?

Kunst ist der einzige sichere Ort, an dem sich die Risse im Spiegel wieder schließen lassen. In der Kunst ist es nicht notwendig zu 218

kämpfen, alles kann perfekt sein. Mit den Bildern versuchen wir, die Unschuld wieder zu beleben, die wir verloren haben, und es entsteht eine ausgeglichene Dualität, in der wir unsere besten Seiten entdecken. Projiziert ihr euch aufeinander?

Ich kann diese Frage viel besser mit einem ganz bestimmten Textauszug aus unserem Buch „Private Album“ beantworten: „Ich dachte immer, ich liebe dich. Weil du mein Spiegelbild bist. Weil wir eins sind. Ich dachte, ich betrachte dich. Aber ich starrte nur auf mich selbst. Nicht bewusst … Und du machst genau dasselbe, bis etwas zerbricht und wir bemerken, dass wir in die falsche Richtung schauen.“ Das sind weise Einsichten. Was sind eurer Meinung nach die wichtigsten Voraussetzungen für eine Beziehung?

Sei durchschaubar und ehrlich, die Wahrheit ist immer das Erstrebenswertere und nicht die Illusion oder falsche Selbstbilder. Ist diese Erkenntnis die Motivation hinter euren Arbeiten?

Die Motivation kommt aus der konstanten Analyse unserer Beziehungsstruktur und auch aus der daraus resultierenden Selbstreflexion. Diese duale Dynamik symbolisiert für uns einen zeitgemäßen Weg, eine Gemeinschaft zu bilden. Unser Ziel ist es, starke und interessante Bilder zu erschaffen, die ein Konzept vermitteln. In erster Linie sollen unsere Werke berühren, und das noch bevor sich der Verstand beim Betrachter einschaltet.


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Inwiefern sind eure Bilder privat, wollen sie privat sein?

Ich würde nicht sagen, dass sie privat sind, aber intim, weil wir die Energie inszenieren, die zwischen uns beiden existiert. Das ist auch der Grund, weshalb wir nicht mit Assistenten oder einer Crew zusammenarbeiten. Jedes Bild ist ein Ergebnis von uns selbst. Wir spielen mit unseren Körpern, dem Material, das uns am nächsten ist, und verarbeiten universelle Botschaften auf unsere intime eigene Art und Weise.

Manchmal hilft es, ein Problem zu erkennen, aber selbst wenn wir eine Wand vor uns sehen, verstehen wir sie manchmal solange nicht, bis wir direkt in sie hineinrennen. In dieser Hinsicht bleibt die künstlerische Umsetzung unserer Beziehung eine Botschaft, die wir nicht hören konnten. Was uns hilft, ist, etwas gemeinsam zu erschaffen. Es ist dann so, als ob wir uns in diesem Moment wieder wie eine Einheit fühlen. Besitzt die Inszenierung eurer Intimität eine Botschaft?

Inwieweit reflektieren die Fotografien eure Beziehung?

Man kann sie als zeitliche Abfolge unserer Beziehung betrachten. Bewusst oder nicht, es passiert immer, dass die Bilder uns reflektieren. Sogar die, mit denen wir noch nicht fertig sind. Ich denke aber, dass das niemand erkennt, der uns nicht wirklich nahesteht. Aber wenn wir unsere Bilder dann ansehen, ist es wie eine Therapie, denn wir betrachten die Projektionen unserer verdrehten Beziehung ganz ohne den Filter der Illusion oder Hoffnung. Es ist, als ob sie uns etwas lehren wollen, und manchmal bin ich ganz schockiert und kurz davor zu weinen. Gab es Momente, in denen euch die künstlerische Umsetzung half, ein Beziehungsproblem zu erkennen oder auch zu lösen?

Es gibt eine, aber es ist nicht unsere Aufgabe, sie wieder und wieder zu erklären. Wenn wir etwas kreiert haben, gehört es nicht mehr uns. Wir geben es ab, und die Leute finden ihre eigenen Botschaften. Wenn man versucht, ein Gefühl durch ein Bild auszudrücken, muss man Menschen die Freiheit lassen, ihren persönlichen Bezug dazu aufzubauen. Wir können eine Richtung vorgeben, aber dann muss der Betrachter selbst entscheiden, ob er den Weg einschlägt, und herausfinden, was er empfindet. Wir sind der Meinung, dass es an einem wahren, echten Gefühl nichts Abstoßendes gibt. Sogar die homophobsten und spießigsten Betrachter unserer Kunst haben mir überraschenderweise erzählt, dass sie die Ästhetik in unserer Kunst erkannt und verstanden haben. Das war eine sehr befriedigende Erfahrung.

„Love is a Dark Hole“, links, von 2008/09, spielt mit offensiver Homoerotik. Die Fotoserie „Clean“ entstand 2008 und „Don’t you smell? Dad is dead“ 2009, zu sehen auf der rechten Seite.


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An welcher Stelle fängt Pornografie an und hört Kunst auf?

Wir verteidigen unsere Arbeit immer sehr gegen den Vorwurf der Pornografie. Obwohl wir nichts gegen sie haben, wäre es eine Einordnung in die falsche Kategorie. Der Hauptunterschied ist, dass Pornografie zentrifugal funktioniert, also nach außen gerichtet, und die Interaktion mit dem Betrachter an einem bestimmten Punkt verdichtet. Dieser Punkt ist und wird immer die Erregung und der Sexualakt sein. Unsere Bilder funktionieren entgegengesetzt. Sie folgen einer nach innen gerichteten, zentripetalen Bewegung. Es fängt vielleicht mit einem sexuellen Akt an, aber es geht weit darüber hinaus. Die Sinne und das sexuelle Verlangen sind natürlich immer ein großer Teil unserer Arbeit, weil sie unsere reale Intimität widerspiegeln. Wir betrachten unsere Körper als die Grundlage für den Diskurs über die Welt und ihre Werte. Deshalb ist Sex in unseren Arbeiten nie spielerisch, lustig oder ironisch wie in so vielen Modefotografien der letzten Jahre. Sex ist für uns ernsthaft und sogar politisch. Findet ihr schwule Sexualität und das Darstellen von Fetischen provokativ, kann man damit heute noch schocken?

Nichts ist wirklich provokativ heutzutage, und es macht auch keinen Sinn mehr zu provozieren. Provokation ist nur einer der unzähligen Aspekte des Mainstreams. Es geht dabei nicht darum, den Geist und den Körper zu befreien, sondern vielmehr darum, oberflächliche Coolness darzustellen. Beispiel Lady Gaga. Die Attitüde der „Underground Coolness“ und Provokation kommt in ihrer Darstellung zu einem Höhepunkt und enttarnte sich selbst als beste Allianz, die die wirtschaftsorientierte Popkultur jemals eingehen konnte. Mit dieser Grundeinstellung sind Zeichen leer und haben keine andere Konnotation als die ästhetische selbst. So zu tun, als sei man ikonografisch, wurde paradoxerweise zur platten Zelebrierung aller bereits existierenden Ikonen, wobei jedes Bild gleiches Gewicht hat und Gut und Böse auf derselben Ebene stattfinden. Die Konsequenz ist ein sinnloser Nihilismus, der nichts kommuniziert. Er befreit weder das Bewusstsein der Konsumenten noch bietet er etwas Neues. Er ist vielmehr ein übertriebenes Spiel einer Kultur, die erkennt, dass sie dem Ende entgegen steuert. Provokation ist für alle, Poesie und Tiefgründigkeit sind nur für wenige. Unsere Kunst ist Poesie.

Foto Luigi y Luca (8)

Gibt es für euch einen Zusammenhang zwischen Religion, Spiritualität und Sexualität?

Ich denke, bei Religion und Spiritualität geht es um die Verbindung zwischen dir und deinen Gefühlen. Der essenzielle Drang aller Menschen ist die Suche nach sich selbst. Es scheint aber so, als ob die moderne Gesellschaft aufgesetzte Heiterkeit als Ersatz für etwas anderes benutzt. Es fehlt den Menschen an Emotionalität. Dir selbst und deinen Emotionen nahe zu sein ist die Botschaft aller Religionen, selbst wenn sie anfangen, Kontrolle auszuüben, anstatt einen philosophischen Leitfaden zu vertreten. Dem nahe zu sein, was dein wahrer Kern ist, das betrachte ich als spirituelle Spannung. Liebe und Sexualität spielen dabei sicherlich eine Rolle, denn sie erzeugen Nähe zu uns selbst, zu unseren Gefühlen, wenn man so will zu dem Göttlichen in uns. Sex ist eine heilige Erfahrung, weil man mit sich selbst in Kontakt tritt und kommuniziert, indem man auf jemand anderen trifft. Die antworten wurden auf Wunsch der künstler nicht mit dem Namen des antwortenden versehen. Mehr zu Luigi und Luca sowie ihrem Bildband „Private album“ unter luigiyluca.com. 221


TUSH Artikel arts

lipstick

art

DEr lippEnstiFt WirD allGEMEin scHWEr UntErscH ÄtZt. nOcH MEHr als scHönHEitsUtEnsil ist Er nÄ MlicH WirtscHaFtsinDikatOr, prEstiGE, OBJEkt DEr BEGiErDE UnD GEGEnstanD DEr kUnst. Text

kaey

Skulptur „Rouge Beverly Hills“ von Vincent Olinet, oben. „B-52-statt Bomben“ von Wolf Vostell, rechts.

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FoTo Gallery laurent Godin (1), Volstel HappeninG arcHiVe/Museo Volstel Malpartida, espana (1)

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a

Weiterentwicklung der Gesellschaft symbolisiert, dupliziert der deutsche installations- und Happeningkünstler Wolf Vostell im Jahre 1986 in seinem Manifest „B-52 – statt Bomben“ aus den Medien bekannte pressebilder. Es besteht aus Objektgrafiken, bei denen pressefotos einer Bomben abals die französische parfümeurfamilie Guerlain 1910 den ersten werfenden B-52 verwendet wurden. lippenstift in einer Metallhülse präsentiert, kann sie nur erahVostell ersetzt die Bomben jedoch nen, welche karriere ihre Erfindung machen würde. Denn aus durch lollipops und lippenstifte. Undem teuren lippenbemaler soll einhundert Jahre später das ter Verwendung der Massenware lipsymbol für Weiblichkeit schlechthin werden und das wohl bepenstift als Darstellungsmaterial verkannteste Beautyinstrument, das sowohl in den privaten schödeutlicht der künstler seine politinen, als auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten ein wenig lusche Einstellung zur damaligen Usxus, Farbe und Freude aufträgt. 47 Millionen Exemplare werden kriegsführung und verweist auf die im krisenjahr 2009 deutschlandweit verkauft. Der lippenstift kompromisslose Vormachtstellung ist ein Massenprodukt geworden, das es geschafft hat, prestige der Usa im Vietnamkrieg. sechs Jahzu bleiben, obwohl es mittlerweile von High End bis ramsch in re später ist es erneut der lippenstift, nahezu jeder ausführung jedem weltweit zugänglich ist. Das phänomen Massenware als Ergebnis der fortschreitenden industrialisierung wird erstmals deutlich von künstlern der pop-art aufgegriffen und so ist es nicht verwunderlich, dass auch Beautyprodukte ab einem gewissen Zeitpunkt vom instrument zum Objekt avancieren. Ähnlich wie Warhols „campbell’s soup cans“, auf dem das Werbemotiv einer Dosensuppe 32-mal vervielfältigt wurde und das somit die wirtschaftliche und auch die industrielle 191


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der als symbol zum zentralen thema einer künstlerischen arbeit führt. Die auf den Bahamas geborene amerikanerin Janine antoni setzt sich 1992 in ihrer installation „Gnaw“ mit dem Frauenbild der westlichen Gesellschaft auseinander. Der erste teil des kunstwerkes bestand aus einem 300 kilogramm schweren schokoladenblock und aus einem ebenso gigantischen schmalzblock. Beide wurden von der künstlerin angenagt, im Englischen „to gnaw“. aus der von ihr gekauten schokolade entstanden 27 herzförmig gebrannte pralinenschachteln und aus dem gekauten schmalz fertigte sie 130 rote lippenstifte. „Gnaw“ spielt mit verschiedenen Bildern des weiblichen Begehrens. Das anknabbern wird in diesem Zusammenhang mit Eva in Verbindung gebracht, der sünderin, die der Versuchung nicht widerstehen konnte, von der Frucht zu naschen, in den apfel zu beißen. Die Verwendung von schokolade und die präsentation der sexuell konnotierten lippenstifte stehen zudem für kulturell strukturierte weibliche Mechanismen. Der lippenstift, der bei Janine antoni als Demaskierung gesellschaftlich festgelegter Weiblichkeit fungiert, ist für die aus chile stammende livia Marin ein symbol der selbstwahrnehmung. sie zeigt in ihrer installation „Fictions of a Use“ (2007) verschieden geformte lippenstift-Miniaturskulpturen: „Mir geht es darum, wie wir uns zum thema schönheit positionieren. auf der einen seite steht unsere selbstwahrnehmung und dem gegenüber das Verhältnis zu den Mechanismen und Objekten, die sie beeinflussen. Eine meiner zentralen Herangehensweisen ist es, in meiner arbeit uns Bekanntes zu entfremden. Dabei transformiere ich banale, alltägliche Objekte zu zentralen Figuren in künstlerisch ästhetischen kompositionen.“ auch für Vincent Olinet aus Brüssel ist der lippenstift ein identität stiftender alltagsgegenstand: „ich nutze gerne Objekte, die jeder kennt, die uns verführen und locken. Diese setze ich dann auf eine ungewohnte Weise neu um. Unsere realität entspricht nicht den Bildern, die wir in Magazinen oder der Werbung sehen. Die Macht der Darstellung und das Erschaffen von illusionen ist eine anziehende und trügerische Erfahrung.“ 2010 schnitzt er aus Holz lippenstifte und gibt ihnen titel wie z.B. „rouge Beverly Hills“.

auch für ihn ist die Zweideutigkeit des Beautyprodukts ein wichtiges Element: „Die serie ,rouges à lèvres‘ symbolisiert für mich essentielles Verlangen. Mich fasziniert dieses sexuell anmutende Objekt: eine primitive anschwellende Form, die ich aus einem massiven Holzklotz geschnitzt habe. lackiert und mit Glitzer verziert, bannt es auf magische, glamouröse Weise die kraft der Verführung.“ livia Marin geht in der interpretation ihres kunstwerkes sogar noch einen schritt weiter: „Mich haben lippenstifte ganz besonders interessiert, weil sie informationen transportieren, die weit über ihr Material und ihre physische präsenz hinausgehen. noch mehr als um den lifestyle, der hinter einem speziellen Markennamen steht, ging es mir darum, was alle lippenstifte gemeinsam haben, egal ob Hochglanzprodukt oder ordinäre Massenware. Jeder lippenstift bekommt im laufe seiner Gebrauchszeit eine individuelle Form, abhängig davon, wer ihn benutzt und wie er benutzt wird. Es gibt eine unglaubliche Formenvielfalt, die im prinzip eine art signatur darstellt. in einem alltagsgegenstand wird sozusagen eine menschliche präsenz hinterlassen.“ Eine technischere auseinandersetzung mit dem produkt aus Bienenwachs, Fett und Farbpigmenten wählte die amerikanerin Janet Zweig. im Harris Engineering center der University of central Florida präsentierte sie kürzlich die installation „lipstick Enigma“. Dabei handelt es sich um eine elektronisch betriebene anzeigetafel, die mit Hilfe von 1200 roten lippenstiften texte generiert. Die Grundlage für die zufällig entstehenden sätze bilden Wortfragmente aus dem Bereich des ingenieurwesens und der Beauty- und Werbebranche. sie verbindet den alltagsgegenstand lippenstift mit neuester Elektronik und sprachlichen Elementen. „Das kunstwerk in seiner Gesamtheit befasst sich eindeutig mit den aspekten der kommunikation. Der lippenstift assoziiert sofort unser wichtigstes kommunikationsinstrument, den Mund. Doch in seiner symbolhaftigkeit, der phallischen Form, der erotischen Farbe, der sinnlichen textur überschreitet er bei Weitem die einfache Bedeutung eines Gebrauchsgegenstandes.“

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FoTo stepHen allen (1), Getty iMaGes (1)

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Oben: Janet Zweigs „Lipstick Enigma“. Unten: Schoko- und Fettblock aus der Installation „Gnaw“.

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TUSH Interview

JUNGES blUt INTERVIEW KAEY

Im dIgItalen ZeItalter Ist bald jeder, der sIch eIn bIsschen mIt PhotoshoP auskennt, eIn künstler. tush entdeckt lIeber talente, dIe tatsächlIch mIt stIft und PInsel umgehen können und et was eIgenes erschaffen wollen

(links) "Enter the void",Lack auf Karton, 2011; (rechts) "Everybody is watching u", L ack auf Leinwand, 2011

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uf der Suche nach jungen Künstlern orientiert sich alle Welt an den unzähligen Kunstmessen von der art Basel bis hin zur london art Fair. Begabte newcomer, die nicht die Möglichkeit haben, diese Plattformen für ihre Popularität zu nutzen, werden dabei oft vergessen. oder sie sind selbst gar nicht daran interessiert, ihre Werke auf dem internationalen Kunstmarkt zu präsentieren. Wir haben drei junge hamburger Künstler unter 25, die im Bereich Malerei verwurzelt sind, gefragt, inwieweit sie Kommerz und Kunst miteinander verbinden.

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TUSH GALLERY


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Tronje Thole van ellen ist 20 und geb端rtiger hamburger. nach dem Fachoberschulabschluss im Bereich Grafik studiert er seit Kurzem Kommunikationsdesign an der hTK hamburg. t www.einemillion.tv

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(oben) "Ohne Titel Nr. 1066 Shroom" Mixed Media, 2011; (rechts) "Ex Umbris", Mixed Media,2011

hedi XandT ist 23 und hat norwegische Wurzeln. er studiert Kommunikationsdesign in darmstadt und arbeitet momentan bei der agentur MUTaBor design. t www.hedixandt.com

ist Künstler ein Begriff, den ihr für euch anwenden würdet? Tronje: ja. allerdings begreife ich mich auf keinen Fall als bildenden Künstler, da meine Wurzeln eher in der Straßenkunst liegen. vladiMir: ich denke, es ist schwierig, das so einzuengen. der Begriff Kunst ist heute ja sehr weit gefasst. hedi: ich sehe mich als designer mit künstlerischen Projekten. ich male sehr viel und mache auch viele illustrationen. Und illustrationen bewegen sich für mich auf einem Grat zwischen kommerzieller und freier Kunst. Wie würdet ihr Kunst beschreiben? hedi: Kunst ist alles, was von einem Menschen geschaffen wurde. es wird ja immer gerne behauptet, Kunst ist kein design oder umgekehrt. ich finde allerdings, alles, hinter dem der Mensch mit seinem Geist steht, ist Kunst. vladiMir: Kunst ist für mich etwas, was bei Menschen emotionen hervorruft. das versuche ich auch mit meinen Bildern zu erreichen. Tronje: ich möchte provozieren und die Welt so hässlich darstellen, wie sie eigentlich ist. ich hoffe, die leute erkennen in meinen Bildern, was hinter der angst in der heutigen Gesellschaft alles steckt.

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Wie entstehen eure Kunstwerke? habt ihr bestimmte arbeitsprozesse oder rituale, mit deren hilfe ihr besonders kreativ arbeitet? vladiMir: Zuerst suche ich mir meine Motive aus. Meist im internet oder in Magazinen. danach arbeite ich entweder an dem entwurf, der meistens am Computer entsteht, oder ich setze die idee direkt um. in meinem atelier kann ich ungestört arbeiten und mich von der außenwelt abkapseln. es gibt keine Fenster, nur einen raum mit arbeitsmaterialien, meinen arbeiten und ein paar Büchern und Bildern, die mich inspirieren. Generell brauche ich keine rituale. ich kann nicht sagen, dass es Momente gibt, in denen ich besonders kreativ bin. ich fange an mit der arbeit und versuche, es so gut wie möglich zu machen, erst am ende kann man sehen, ob ich wirklich im Flow war. Zu diesem Thema gibt es ein Zitat von Chuck Close: „amateure suchen nach inspiration; wir anderen stehen auf und machen uns an die arbeit.“ hedi: Zum arbeiten brauche ich vor allem ruhe, denn es geht für mich um die Umsetzung eines Konzeptes, das wiederum sehr zufällig entsteht. ideen kommen meist spontan mit der inspiration. das kann überall sein, nicht selten in nonsens-Situationen oder wenn mir alles andere zu langweilig erscheint! natürlich darf man dabei auch

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TUSH

betrunken oder anderweitig geistig manipuliert sein, das ist allerdings keine Grundvoraussetzung. Tronje: am kreativsten bin ich morgens um 4. Sobald ich eine idee habe, fange ich an sie zu skizzieren und versuche möglichst viel festzuhalten. Wenn ich zu hause bin, gehe ich in mein Zimmer und höre dabei sehr aggressive Musik. Zuerst sprühe ich mit handschuhen und Gasmaske drauflos. doch nach zirka ein bis zwei Stunden sind die vergessen und meine hände werden immer bunter und meine atmung immer schlechter. Wenn ich eine Wand gestalte, arbeite ich geplanter und immer mit Kopfhörern im ohr. ich fühle mich dabei von Klamotten eher eingeschränkt und stehe meist im Unterhemd vor meiner Wand. Bilder unter drogeneinfluss werden einfach nur schlecht. Sex hingegen ist immer eine gute inspirationsquelle. dabei geht es mir nicht um pornografische Motive, sondern um die sinnlichen und ästhetischen reize und die emotionen, die damit verbunden sind. Wie wichtig ist euch relevanz auf dem internationalen Kunstmarkt? Spielen Karriere und kommerzieller erfolg für euch eine rolle? Tronje: der kommerzielle aspekt ist mir nicht wichtig. Mir geht es darum, mich auszudrücken. Wie ich überlebe, wird sich zeigen. vladiMir: Wenn man wirklich zufrieden ist mit dem, was man macht, oder das Gefühl hat, etwas Wahrhaftiges geschaffen zu haben, ist das meiner Meinung nach das Beste, das man erreichen kann. Tronje: ich lege wirklich keinen Wert darauf, ein akademisch gebildeter Typ zu sein. ich finde, die Kunstszene ist eine eigene Welt, die eigentlich fast niemanden richtig anspricht außer Galeristen und Sammler. ich finde es viel wichtiger, etwas Schönes zu erschaffen, das Menschen auch wirklich berührt. Mir kommt es oft so vor, als ob es nur noch darum geht, wie man seine Kunst repräsentiert. vladiMir: also nach dem Motto: erst das Konzept und dann die Kunst? Tronje: ja. am ende geht es doch nur um die wirtschaftlichen aspekte. Wenn man einen guten Galeristen hat, kann man auch Scheiße malen. ich versuche, unabhängig zu bleiben und Straßenkunst zu machen. natürlich bekomme ich gerne gutes Feedback. ich versuche aber trotzdem, mein eigenes ding durchzuziehen. Wenn es einen Galeristen interessiert, dann arbeite ich gerne auch mit jemandem zusammen. aber ich verbiege mich nicht und möchte nicht den eindruck erwecken, dass ich nur mit akademikern abhänge. ich stelle lieber etwas mit meinen Freunden auf die Beine: Unter dem namen Schwarzrausch/Weißrausch gibt es mehrmals im jahr eine Party in einer Galerie in der hafencity. hedi: ich finde den kommerziellen aspekt schon wichtig. Man arbeitet ja auch sehr viel, und das tut man dann auch gerne mal für Geld.

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Als Künstler ist mAn immer Auf der suche nAch sich selbst.

Mein Studium der freien Kunst habe ich abgebrochen, um Kommunikationsdesign zu studieren, denn design ist eigentlich das kommerzielle anwenden von Kunst und Kunstprinzipien. ich mache aber auch nach wie vor Projekte, die einen emotionalen Wert bieten. Und die haben bei dir alle die gleiche Wertigkeit? hedi: ja. Wenn ich etwas umsetze, dann bin ich mit dem ganzen herzen dabei und stecke all meine energie hinein. dabei ist es mir schon auch wichtig, international zu arbeiten und interessante Projekte zu verwirklichen. ob ich damit berühmt werde, ist mir egal. ich bin nicht unbedingt ein Charakter, der so etwas braucht. ihr seid nicht nur in einer Kunstrichtung kreativ unterwegs, wobei ihr die Malerei gemeinsam habt. ist diese künstlerische vielfalt eine bewusste entscheidung oder hat sie sich in einem natürlichen entwicklungsprozess ergeben? hedi: ich fand es schon immer interessant, etwas zu gestalten, was man dann irgendwo als Produkt wiederentdecken kann. also etwas, was nicht diesen Gemälde- oder Skulpturcharakter hat, der sich dann in einer Galerie wiederfindet, sondern im alltag der Menschen auftaucht, ob es ein Buch ist, das man in den händen hält, oder ganz lapidar eine Messe, die man besucht. Ganz viele digitale und multimediale dinge, die ich heute mache, haben sich aus dem „Creature design“ entwickelt. damals habe ich einfach mit Photoshop verschiedene effekte und Texturen auf Bilder angewandt, bis alienartige Wesen entstanden. Wenn ich heute illustriere, zeichne ich per hand und koloriere dann mit dem Computer. Tronje: Wenn ich eine Skulptur sehe, die ich toll finde, fühle ich mich inspiriert, etwas eigenes zu versuchen, selbst wenn ich bisher nur an Wände oder auch auf leinwand gemalt habe. vladiMir: als Künstler ist man immer auf der Suche nach sich selbst. dabei geht es nicht darum, sich dem heutigen Zeitgeist anzuschließen. es ist eine Sache, die aus sich heraus entsteht. all meine Zeichnungen, Bilder und illustrationen entstehen manuell. Mir ist es wichtig, dass am ende ein Unikat entsteht, denn das ist wertvoller, auch für einen selbst.

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TUSH

vladiMir SChneider ist 22 und wurde im russischen nowokusnezk geboren. im alter von 11 jahren übersiedelte er mit seiner Familie nach hamburg. er hat an der haW hamburg seinen Bachelor of arts mit dem Thema Modeillustration absolviert. ein Masterstudiengang folgt.

(oben) "Victoriya", Buntstift und Collage auf Papier, 29,7 cm x 21 cm, 2011; (unten) “Ohne Titel”, Bleistift und Collage auf Papier, 29,7 cm x 21 cm, 2011

PORTRAITS Ben Lamberty

t www.vladimirschneider.de

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TUSH Interview

Quarterly Now

200


TUSH

Quarterly Now

Transformer

Interview KAEy

Ein Mann im spießigen Anzug sitzt vor einer Videokamera. Plötzlich überschüttet er seinen Kopf mit Wasser und klatscht sich einen Klumpen Ton ins Gesicht. Er beginnt das Material zu verformen. Dabei entstehen groteske Gesichtszüge, die durch hektische Bewegungen und kleine Farbspritzer immer wieder verändert werden. Angsteinflößende Fratzen, untermalt von menschlichen Schreilauten, starren vom Bildschirm. Der Franzose Olivier de Sagazan hat sich nach seinem Biologie- und Psychologiestudium komplett seiner Kunst gewidmet. Zu schockieren ist aber nicht sein Anliegen. Ihre Kunstwerke sind oft düster, manchmal furchteinflößend. Was inspiriert Sie? o l i v i e r d e s a g a z a n Meine Arbeiten beschäftigen sich mit den großen existenziellen Fragen: Was kann ein Körper? Bin ich mein Körper? Was ist meine wahre Identität? Ursprünglich stamme ich aus dem Kongo. Dieses Land hat meine Art, tush

die Dinge zu sehen und zu fühlen, stark geprägt. Außerdem denke ich, dass meine Liebe zum Tanz, zum Körper und zur Erde mich in meiner Arbeit sehr beeinflussen.

bei der Bildhauerei die Berührung, und bei der Performance sind es die Lebendigkeit und die Darstellung. Ich würde keiner den Vorrang lassen.

Inwieweit ist es Ihnen wichtig, Menschen zu schockieren? Ich möchte mich zuerst einmal selbst aufrütteln, denn ich habe das Gefühl, dass wir ständig von irgendetwas eingelullt werden sollen. Schockierende Bilder können uns dabei helfen, uns der unglaublichen Tatsache bewusst zu werden, dass wir existieren. Im Grunde ist meine Kunst eine alltägliche Praxis, mit der ich versuche, mir immer darüber im Klaren zu sein, was es heißt, auf der Welt zu sein.

Während Ihrer Performances erschaffen Sie unterschiedlichste Masken in Ihrem eigenen Gesicht. Hat das Material Ton dabei eine spezielle Symbolik? o s Ton ist ein sehr körpernahes Material, mit dem in kürzester Zeit Auswüchse erschaffen werden können. Ton eignet sich perfekt dafür, das Aussehen so schnell wie das Denken zu verändern. Der Ton verhält sich auf dem Gesicht wie Wörter, mit denen die Gefühle ausgedrückt werden können.

Sie bewegen sich in vielen verschiedenen Kunstrichtungen wie Malerei, Bildhauerei und Performance. Welche Kunstform reizt Sie am meisten? o s Mich reizt an jeder Kunstform etwas ganz Bestimmtes: Bei der Malerei ist es die Schnelligkeit,

Wie wichtig ist es in der heutigen Gesellschaft, verschiedene Masken für verschiedene Anlässe im eigenen Repertoire zu haben? o s Ich will mich nicht hinter meinen Masken verstecken, ganz im Gegenteil: Sie stellen einen Versuch dar, meine wahre Identität zu

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enthüllen. Denn wir sind viele. Ich bin ein Tier, das aus 3 Milliarden Jahren Entwicklung hervorgegangen ist. Die Kunst stellt eine Möglichkeit dar, die Natur zu imitieren, aber manchmal muss man weiter als sie gehen, um zu verstehen, was sie meint. Sie ist eine Art parallele Realität, in der verschiedene Erfahrungen ausprobiert werden können. Als Künstler befindet man sich außerhalb des Geltungsbereichs der Moral; einzig die Wahrheit inspiriert uns. nefdesfous.free.fr

Fin



TUSH Cover/Styling Assistenz

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Foto Txema Yeste

Realisation Bernat Buscató p . 17 4

T u sh

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Ca p e

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kleid

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( l i n k e Se i t e ) BlU Se & RO Ck

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Passion Bait

Ca p e

Jo lib e


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kleid

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Passion Bait

H a n d S CH U H e

LaCrasia NY


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HaaRe

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Make-Up

M a n i k端 R e

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M a n U e l a S CH wO z e R

M i t p RO d U kt e n vO n CH a n e l / Ba l l Sa a l

M i t p RO d U kt e n vO n M aC / Ba l l Sa a l

Se t d e Sig n

Bi e l e S Ca M e z & CR i St i n a R a M O S / p Ov e R a St U diO


TUSH

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A t e li e r L a l a B e r li n

kleid

Va l e n t i n o H aU Be M i t S CH l e i e R

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TUSH Interview

quarterly now

MR. FITZSIMMONS

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TUSH

quarterly now

David Guetta und Paul van Dyk regieren zwar die Charts, doch fernab vom DancefloorGedudel geraten die Menschen

zunehmend in den Bann entspannter und ruhiger Klänge. Auf internationalen Bühnen spielen Jungs mit

akustischer Gitarre plötzlich die Hauptrolle. TUSH traf drei der talentiertesten zum Gespräch – auch über Bärte

Männliche Saiten

I n t e r V I e wS

K a ey

t u s h Deine Songs handeln hauptsächlich von schmerzvollen erfahrungen. wieso ist es leichter, eine traurige Ballade zu schreiben statt einer fröhlichen Melodie? w i l l i a m f i t z s i m m o n s weil Schmerz viel eher der normalzustand ist als Fröhlichkeit. nicht dass man mich falsch versteht, das leben ist voll schöner erlebnisse. aber die aufgabe der Kunst ist es nicht, fröhliche Dinge verständlich zu machen. es gibt manchmal nichts Besseres als ein wort, eine Melodie oder einen Song, um eine schlechte Zeit zu überstehen. Schmerz erinnert einen gerne daran, wie schwierig das leben ist, und Musik kann dabei helfen, diese Phasen zu überstehen.

Deine eltern sind beide blind. Inwieweit beeinflusst das deine Musik? w f Klänge sind für Blinde die Grundlage von Kommunikation. Musik als lebendigste und stärkste Form von Klang wird oft sehr wichtig in Familien mit blinden Personen. Dementsprechend ist Musik für mich nicht einfach nur Beschäftigungstherapie oder entertainment. Sie ist meine art, t

F o to

Pr

Dinge zu kommunizieren, die kein anderes Medium jemals transportieren könnte. t Haben deine ohren die aufgaben der augen übernommen? w f Ich bin ja nicht blind. Doch durch mein elternhaus wurden meine ohren die primäre quelle für die Interaktion mit der welt. Dinge, die man sieht, können oft sehr irreführend sein. Geräusche hingegen sind oft viel ehrlicher.

wir leben in einer sehr oberflächlichen welt. wie wichtig ist dir aussehen? w f nur ein lügner würde behaupten, eine gewisse Ästhetik sei nicht wichtig. wenn man über Sehkraft verfügt, wird man von dem beeinflusst, was man sieht. Ich lege allerdings nicht unbedingt sehr viel wert auf die Standards, die heutzutage so wichtig erscheinen. wir würden sicherlich in einer mitfühlenderen Gesellschaft leben, wenn das Visuelle weniger Bedeutung hätte. t

einer deiner Songs heißt „beautiful girl“. was magst du an einer Frau? w f Ich denke, eine Frau ist besonders schön, wenn sie sich traut, t

authentisch zu sein, und die hässlichen Seiten, die jeder Mensch an sich hat, nicht versteckt. wir möchten immer glauben, alles sei perfekt und wundervoll. Doch ich glaube, der einzige weg, zufrieden mit sich und der welt zu sein, ist es zu erkennen, dass auch schlechte Seiten zum leben gehören. Denn letztendlich ist Schönheit, wie die meisten Dinge, etwas ganz anderes, als wir ursprünglich denken. t Dein Vollbart ist mittlerweile dein Markenzeichen. repräsentiert er für dich Männlichkeit? w f Die tatsache, dass Frauen keinen Haarwuchs im Gesicht haben, könnte bedeuten, dass ein Bart Männlichkeit repräsentiert. Doch ein Bart macht keinen Mann zum Mann. Männlichkeit bedeutet für mich, Verantwortung zu übernehmen. Mein Vater hat mir beigebracht, mich um meine Familie zu kümmern und respektvoll mit Menschen umzugehen. Für mich hat Männlichkeit nichts mit Dominanz und Machtgehabe zu tun. Viele Frauen stehen auf Bärte, weil es sehr natürlich rüberkommt. Doch ich bin mir sicher, ein Mann, der sich jeden tag rasiert, denkt öfter über seinen Bart nach als ich.

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t Du drückst deine Gefühle mit deiner Musik aus. Doch wie bist du privat? Kannst du über deine Gefühle sprechen? w f es ist sehr viel leichter über die Musik. Beim Songschreiben ist man selbst der einzig wichtige Kritiker. In einer Beziehung ist man sich der anderen Person ständig bewusst. Das macht es oft schwer, sich völlig zu öffnen. Ich bin froh, dass ich Psychologie studiert habe, denn dadurch habe ich gelernt, mich auch mit meiner verletzlichen Seite auseinanderzusetzen. es wird aber nie leicht sein, alles rauszulassen, egal wie und wo man es macht.

es gibt das Klischee, dass Frauen besonders auf Musiker stehen. liegt das daran, dass es Musikern leichter fällt, emotionen zu zeigen? w f Ich denke, Frauen stehen auf Musiker, weil die meisten total kaputt sind und es den Impuls auslöst, uns zu „reparieren“. es ist entweder das oder der Bart. t

Fin DI SKo G r a F I e : u n t I l w H e n w e a r e G H o St S ( 2 0 0 5 ) , G o o D n IG H t ( 2 0 0 6 ) , t H e SPa r row a n D t H e Crow ( 20 0 8 ) , D e r I Vat I V e S ( 2 010) , G o l D I n t H e SH a D ow ( 2 01 1 ) w I l l I a M F I t Z SI M M o n S. C o M


TUSH

quarterly now

MR. MATTHEW

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TUSH

quarterly now

t u s h Du hast viele unterschiedliche Musikrichtungen ausprobiert: rockklänge mit deinem Bandprojekt elva Snow, elektronische Beats mit DJ eric D. Clark und sogar Jazz-Standards. wieso bist du letztendlich bei der melancholischen Folk-Ballade gelandet? s c o t t m a t t h e w Ich hatte schon während meiner teenagerzeit eine große leidenschaft für traurige Balladen. auch wenn ich mich in anderen Musikrichtungen ausprobiert habe, bin ich immer wieder bei melancholischen Songs gelandet. allerdings hat es eine weile gedauert, bis ich die Kraft in meiner Verletzlichkeit gefunden habe. Ich hoffe, andere empfinden diese Verletzlichkeit ebenfalls als Stärke. Für mich ist die Musik eine art trost. So ähnlich wie ein vertrauter Freund.

In den letzten Jahren hast du dich allerdings auch weiterentwickelt. Mittlerweile schreibst du sogar nahezu fröhlich wirkende Songs. trotzdem scheint Schmerz immer noch inspirierender für dich zu sein. weshalb fällt es dir leichter, traurige Songs zu schreiben? s m Diese tradition existiert seit Jahrhunderten. Dichter, Songwrit

F o to

M ICH a e l M a n n M ICH a e l M a n n . I n F o

ter, Künstler im allgemeinen finden im Schmerz und in der enttäuschung eine wichtige Inspirationsquelle. Mir persönlich fällt es besonders leicht, mich in diese intensiven emotionen hineinzuversetzen, weil sie wahrhaftig sind, und man kann eine emotion nur in ihrer wahrhaftigkeit transportieren, wenn sie besonders intensiv ist. Mir kommt es oft so vor, als würden viele diese Gefühle verleugnen. Mir geht es darum, sie zu feiern und ihnen eine Stimme zu geben. außerdem wirkt es wie ein Katalysator für Glücksgefühle. Ich verpacke diese melancholischen emotionen in einen Song. auf diese weise habe ich sie aus meinem eigenen Körper verbannt und bin frei für positivere Impulse. Du bist schwul. Denkst du, deine sexuelle orientierung hat einen besonderen einfluss auf deine Musik? s m Ich denke, die Selbstfindungsphase während des erwachsenwerdens hat meine Persönlichkeit stark geprägt. und meine Persönlichkeit wiederum ist teil meiner Musik. allerdings werde ich oft mit dem label „androgyn“ versehen. Das macht mich wütend, denn die tatsache, dass ich emotionen vermittle, empfinde ich nicht annähernd als androgyn. Ich denke, weil ich schwul bin, ordnen mich

die leute in solche Kategorien ein. Dabei geht es mir nicht darum, Geschlechtergrenzen zu verwischen. tatsächlich bin ich ein ganzer Mann. wie wichtig ist dir dein look? s m Mein look ist definitiv nicht kalkuliert, und ich beurteile andere auch nicht nach ihrem aussehen. obwohl ich immer nach der Bedeutung meines Vollbartes gefragt werde, ist der einzig wirkliche Grund, weshalb ich einen trage: Faulheit. Selbstverständlich nutzen wir trotzdem alle unser äußeres erscheinungsbild, um uns selbst auszudrücken, und es bringt durchaus viel Spaß, damit zu experimentieren. Doch es sollte wirklich nicht zu ernst genommen werden. t

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t Du hast mittlerweile drei alben veröffentlicht und einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht. Hast du das Gefühl, Männer wollen dich daten, weil sie wissen, dass du Der Scott Matthew bist? s m Instinktiv kann man spüren, wenn jemand dein Fan ist, und es fühlt sich nicht sonderlich angenehm an. außerdem bin ich mehr als nur meine Musik. Manchmal waren Menschen enttäuscht, weil ich dem Bild, das sie sich von mir gemacht haben, nicht entsprach.

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Der Mann, den ich momentan date, ist selbst sehr erfolgreich und viel talentierter als ich. wahrscheinlich bin ich sogar sein Fan. t Müssen deine Dates angst haben, dass du einen Song über sie schreibst? s m Ich bin mir sicher, sie sind sich dieser Möglichkeit bewusst. allerdings haben sich die Menschen, über die ich bisher in meinen Songs geschrieben habe, geschmeichelt gefühlt, selbst wenn sie nicht unbedingt gut dabei weggekommen sind. Ich bin allerdings nicht besonders feindselig, vor allem nicht Menschen gegenüber, die ich einmal geliebt habe. normalerweise sind wir schon wieder in einem freundschaftlichen Verhältnis, wenn der Song dann veröffentlicht wird. Ich würde mich auch wahnsinnig geschmeichelt fühlen, wenn mir jemand einen Song widmet. Ich warte noch immer darauf.

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DI SKo G r a F I e : e lVa Sn ow ( 20 0 5 ) , S C o t t M at t H e w ( 2 0 07 ) , r x ’S P r e S Cr I P t Io n C o CKta I l M I x e r S ( F e at. e r IC D. Cl a r K ) e P ( 2 0 0 8 ) , SI l e n t n IG H t S e P ( 2 0 0 8 ) , t H e r e I S a n o Ce a n t H at DI V I D e S a n D w I t H M y l o n G I n G I Ca n CH a rG e I t w I t H a Vo ltaG e t H at S S o V Io l e n t to Cro S S I t C o u l D M e a n D e at H ( 2 0 0 9 ) , G a l l a n t ry’S FaVo r I t e S o n ( 2 01 1 ) S C o t t M at t H e w M u SIC. C o M


TUSH

quarterly now

t u s h Momentan findet man in den deutschen Charts wieder sehr viele Jungs mit Gitarre, die allerdings auf Deutsch singen. Hast du jemals einen deutschen Song geschrieben? j o n a s d a v i d tatsächlich habe ich das. aber im nachhinein könnte das lied auch als Schlager durchgehen, zumindest wenn man eine 4/4 Bassdrum drunterlegt. er hieß „Zu schön“ und war für ein Mädchen, das ich im Bus gesehen habe. Irgendwann habe ich ihr eine CD mit diesem Song in die Hand gedrückt. ein paar wochen später hatte sie einen Freund, den hat sie bis heute. er heißt nicht Jonas.

warum hast du dich dazu entschieden, lieber englisch zu singen? j d wirklich erklären kann ich es nicht. Im englischen zu schreiben, fällt mir komischerweise leichter. In den meisten Fällen mache ich nur ein Ventil auf und die Dinge fließen von ganz alleine. Manchmal entstehen dabei komplette Songs in nur wenigen Minuten. oft verstehe ich erst hinterher, was überhaupt gerade losgelassen wurde. es ist auf jeden Fall eine Mischung aus bewusstem und unt

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r ené oM enZ etter oM enZ etter.CoM

bewusstem Schreiben. nicht zuletzt können englische texte auch weitaus mehr Menschen erreichen und berühren. t was inspiriert dich und deine Musik? j d Inspiriert wird meine Musik eigentlich nur musikalisch. Der inhaltliche teil besteht aus den Dingen, die ich erlebe. Die Sachen, die ich falsch mache, richtig mache oder einfach nur beobachte. es geht darum, emotion auszudrücken, die man besser nicht zurückhält, weil sie sonst nur bedrückend wirken. Manchmal ist das allerdings auch sehr widersprüchlich, denn eigentlich habe ich mir diese emotionen ja von der Seele geschrieben, um sie dann auf Konzerten immer und immer wieder zu durchleben. Musikalisch inspirieren mich Künstler, die auf ähnliche weise funktionieren wie zum Beispiel neil young, nick Drake, Cat Stevens und Justin Vernon. t Konzerte oder Studioaufnahmen? was ist dir lieber? j d Studioaufnahmen mag ich generell nicht so sehr. Das letzte album habe ich zu Hause aufgenommen. Bisher habe ich immer den Moment genutzt. und da muss man mal schnell ungeduscht und in Shorts aus dem Bett springen und etwas aufnehmen. Diese spontanen Songs

landen bei mir auch immer auf dem album. aber am meisten liebe ich es, Konzerte zu spielen und auf tour zu gehen. Ich befinde mich momentan in der spannendsten Zeit meines lebens, und ich hoffe, es bleibt noch lange so. repräsentiert dein Bart für dich Männlichkeit? Äußerlich betrachtet repräsentiert der Bart sicher Männlichkeit. Man kann schon von weitem feststellen, ob man einen Mann oder eine Frau sieht. wenn es um mein eigenes Männlichkeitsgefühl geht, stelle ich mir grundsätzlich immer die Frage, wer ich denn sein möchte und was für optionen mir eine Situation gibt. Müsste ich eigentlich gerade unbequem und direkt sein? Sollte ich vernünftiger handeln und mit einer gewissen weitsicht an eine Sache herangehen? oder wäre es besser, sensibler zu sein? Diese aufrichtigkeit und Zielstrebigkeit ist mir wichtig. Zu lernen, Verantwortung zu übernehmen. Männlichkeit hat für mich also gar nicht so viel mit dem Äußeren zu tun.

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wie wichtig ist dir dein Äußeres? oft ist es mir nicht so wichtig, weil es den leuten um mich herum schon wichtig genug erscheint.

Dafür kann ich mich nicht begeistern. es wird zu viel darüber geredet und zu viel Zeit mit diesem thema verschwendet. Ich wurde schon sehr oft überrascht und habe gelernt, dass der Mensch grundsätzlich nicht nur über sein Äußeres definierbar ist. wenn man jemanden kennen lernt, kann sich das äußere Bild von der Person auch völlig verschieben. andererseits spiegelt sich auch der seelische Zustand in der erscheinung eines Menschen wider, wenn man es zulässt. Menschen, die sich extrem pflegen, aber innerlich total gestört sind, wirken am ende wie ein Clown – angemalt. t Stehen die Mädels auf deinen Bart? j d Die richtigen Mädels bestimmt. aber diese Mädels können auch durch den Bart schauen und mögen das, was dahinter ist. Der Bart als Frauenfilter.

Fin

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DI SKo G r a F I e : K e e P t H e t I M e S ( 2 01 1 ) Jo n a SDaV I D. D e


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MR. DAVID

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MÄNNER Designerportrait

MÄNNER ❘ MAGAZIN

BRAND WAtCH

Herr von Eden Wirklich jeder Mann braucht einen Anzug! Das Label Herr von Eden ist die perfekte Wahl für Exzentriker und hat seinen Hauptsitz neben Stores in Berlin und Köln in Hamburg. Hinter dem Label steckt der stets elegant gekleidete Bent Angelo Jensen. Sein persönlicher Stil repräsentiert auch die Linie der Kollektionen: klassische Schnitte und Passformen treffen auf zeitgemäße, ideenreiche gestalterische Elemente. Dabei liest sich die Erfolgsgeschichte von Bent wie ein modernes Märchen. Obwohl er kein ausgebildeter Schneider ist und auch kein Designstudium absolviert hat, präsentierte er 1998 seine erste Kollektion, bestehend aus 20 Anzügen und 20 Hemden, alle in Schwarz und Weiß gehalten. Nachdem sein Erstlingswerk rasenden Absatz fand, wurde klar, dass sein Talent genügend Potenzial hat, um größere Kollektionen zu designen. Im Jahr 2004 wurde die erste Frauenkollektion präsentiert. Schmuck, Hüte, Schirme und ein eigener Duft bereichern das Angebot des Labels mittlerweile, das demnächst auch um eine Kollektion für Kinder erweitert werden soll. Doch der Hauptschwerpunkt liegt noch immer auf individueller Kleidung für den Mann. Die Herbst/Winter-Kollektion 2011/2012 ist dieses Mal orientalisch beeinflusst. Bent kombiniert dabei waghalsig die nach wie vor angesagten Pluderhosen mit tief sitzendem Schritt und klassische Anzugjacken in Karomustern. www.herrvoneden.com

FOTOS: PR

Herr von Eden: Bent Angelo Jensen

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www.m-maenner.de


FOTOS: IMAGO, CORBIS, GETTY

MÄNNER

„Die Kollektion für den Herbst und Winter 2011 ist diesmal orientalisch beeinflusst“

oktober 2011 ❘

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KALTBLUT MAGAZINE Konzept/Styling


KALTBLUT MAGAZINR


KALTBLUT MAGAZINR


KALTBLUT MAGAZINR


TUSH Interview

Station auf Korsika: Cy Wilson und Caro Ackermann („Caro and Cy Wilson Graphic Tattoo“) haben Kunden in ganz Europa


TUSH

ZAUBERSTIFT WIE MIT EINEM

INTERVIEW KAEY

RICK GENEST FÜR THIERRY MUGLER, DANIEL BAMDAD AUF DEM TUSH COVER, CHANEL-K AMPAGNEN – TATTOOS SIND ERNEUT EIN GROSSES THEMA. KUNST? MODEERSCHEINUNG? KÖRPERDESIGN? SCHLIESST SICH DAS EVENTUELL GAR NICHT GEGENSEITIG AUS?

F

iligran schlängeln sich abstrakte Liniengebilde großflächig über den Körper. Nur selten erkennt man eine Gestalt. Dabei wirkt jedes Tattoo so, als würde es den Körper ergänzen, nahezu vollenden. Es ist die ganz eigene kunstvolle Bildsprache von Cy Wilson, 34, und Caro ackermann, 27. Und die fasziniert immer mehr Menschen: Seit ca. 2 Jahren tätowiert das Paar Männer und Frauen in ganz Europa.

Ihr betrachtet das Tätowieren nicht als eine Kunstform – warum nicht? Caro: Wenn man sich die Kunsttheorie anschaut, dann gibt es keine ansatzpunkte, die es rechtfertigen würden, dass Tätowieren eine Kunst form ist. Kunst an sich und auch Tätowieren sind in ihrer Form und Vielfalt so reich an Möglichkeiten, dass man Tätowieren gar nicht als Kunstform definieren muss, weil es etwas völlig Eigenständiges ist. Cy: In der Kunstgeschichte kann man die verschiedenen Kunstperioden erkennen und auch zeitlich zuordnen. Wenn es um Tätowierungen geht, dann wird es schon etwas schwieriger. Es gibt keine wirkliche chronologische Geschichte, die die evolutionäre Entwicklung von Tattoos festhält. Caro: Natürlich kreiert man etwas, natürlich

fließt dein eigenes Verständnis von Ästhetik mit ein, und natürlich möchte man auch, dass einem das Tattoo selber gefällt. Doch die Einschränkung, dass man nicht einfach machen kann, was man will, ist der Punkt, der Tätowieren von Kunst unterscheidet. Denn Kunst ist in der Kunsttheorie eben gerade durch künstlerische Freiheit definiert. Selbstverständlich gab es auch Künstler, die eher als angestellte, zum Beispiel als Porträtisten an Königshäusern, agierten. Vielleicht ist Tätowieren dieser art von Kunst am nächsten. Cy: Es funktioniert einfach nicht, dass man auf einem fremden Körper machen kann, was man möchte. am Ende arbeitet man ja immer mit einem Kunden zusammen. Ich kann frei arbeiten, wenn es um meine Projekte geht und ich mich ausdrücken möchte. aber Tattoos sind für mich keine wirkliche Kunstform. Wie hat sich euer Interesse für das Tätowieren entwickelt? Cy: Meine Eltern waren beide Künstler. Ich ging in Paris auf eine Kunstschule. allerdings habe ich diese nie richtig abgeschlossen, weil ich immer aus der reihe tanzte und nicht so gearbeitet habe, wie man


TUSH Interview

es erwartete. Danach war ich 7 Monate in asien und habe das erste Mal gesehen, wie man traditionelle Tattoos sticht. Man braucht bis zu 6 Stunden für ein kleines Motiv. Ich war so fasziniert, dass ich einen befreundeten Japaner gebeten habe, mir Tätowieren beizubringen. als ich dann nach Lyon in Frankreich ging, habe ich mir mein eigenes Equipment besorgt und mir meine eigene Technik erarbeitet. Ich habe dann in verschiedenen Studios gearbeitet, bevorzugt in Piercingstudios. Denn das Verständnis von Körperästhetik und Körpergestaltung ist meinem Verständnis ähnlicher als bei klassischen Tattookünstlern. außerdem steht man nicht so sehr unter Beobachtung, denn ein Piercingstudio finanziert sich durch Piercings und nicht durch Tattoos. Damals war es sehr modern, farbige Tattoos zu fertigen, auch oft nach Fotovorlagen. Ich hatte aber schon immer einen anderen anspruch, den ich sicherlich auch durch meinen künstlerischen Background habe. Ich finde es nicht sonderlich kreativ, einfach ein farbiges Bild auf Haut zu übertragen. Caro: Ich bin in Heidelberg geboren, habe dort eine ausbildung zur Schneiderin absolviert und danach in Lyon und Weimar Europäische Medienkultur studiert. In dieser Zeit habe ich auch Cy kennen gelernt, der damals bereits in Lyon lebte. In meiner abschlussarbeit „Die geteilten Häute – Konzeptionalisierung von Schmerz in Tätowierung und Fotografie“ habe ich mich sehr mit dem Thema Schmerz auseinandergesetzt. Inwieweit fühlt ihr euch der Tattooszene zugehörig? Cy: Früher war ich mehr in der Tattooszene involviert, vor allem weil es mir damals um den austausch und auch das Erlernen von neuen Techniken ging. allerdings ist es mittlerweile so, dass ich meine eigene Technik nicht sonderlich gern mit anderen teile. Ich bin zwar auch mit anderen Tattookünstlern befreundet, aber nicht, weil wir den gleichen Stil bevorzugen, sondern eher, weil ich sie als Menschen mag. Caro: Es ist nicht so, dass wir keine anderen Tattookünstler kennen lernen wollen, doch wir wollen definitiv kein Teil der Szene sein. Wir geben keine Interviews für Tattoomagazine, geben keine Bilder raus und achten auch sehr darauf, auf welchen Blogs was und wie über uns berichtet wird. Wir finden den Stil, der verbreitet wird, eher vulgär. In den Magazinen werden nicht die Tattoos und ihr Design in den Vordergrund gestellt, sondern es wird eher mit frauenfeindlichen Bildern gespielt. Immer sieht man schlecht fotografierte, halbnackte Mädchen in erotischer Pose, die ihr Tattoo und sich zur Schau stellen. Das entspricht nicht unserer Idee von Präsentation, weshalb wir auch lieber einem Magazin wie TUSH den Vorrang geben. Die Szene an sich ist tendenziell sexistisch und faschistoid. allerdings hat unser Stil, die „bold black work“, seinen Ursprung in der queeren Londoner Szene, und dieser Einfluss ist mittlerweile auch wieder zu spüren. Gibt es denn nicht die Möglichkeit, die Szene aktiv zu verändern? Caro: Das machen wir im Prinzip ja auch. Wir gehen zwar auf keine Conventions, aber arbeiten in verschiedenen Studios. Dabei ist es uns sehr wichtig, dass uns niemand in unsere arbeit reinredet. Und dadurch, dass wir versuchen, uns treu zu bleiben, verändern wir ja auch schon etwas. In der Szene drin sind wir schon automatisch, weil wir tätowieren. Wie entstehen eure Tattoos? Cy: Jemanden zu tätowieren ist etwas sehr Intimes, denn letztendlich müssen sich die Leute vor einem Fremden ausziehen. Manchmal entstehen Situationen, in denen sich die Kunden dann plötzlich schämen, die Hosen runterzulassen. Es ist oft von Vorteil, dass wir zusammenarbeiten, denn vor allem den Mädchen fällt es leichter, wenn eine andere


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Foto PR (6)

wir wollen definitiv kein teil der Szene Sein. Frau dabei ist. Caro: Wir haben, bevor wir mit Tätowieren anfangen, meist 3 bis 4 Treffen, um das Design und die Idee mit den Kunden zu besprechen. Dabei entstehen Skizzen, die wir direkt mit Filzstift auf den Körper zeichnen. Cy: Wir empfehlen den Leuten immer, sich mit dem Filzstiftentwurf auf ihrem Körper zu fotografieren – wenn sie nackt aus der Dusche kommen, wie es aussieht, wenn sie im Bett liegen und ihr Liebster sie wach küsst. Einfach, damit sie ein Gefühl dafür bekommen, wie sich das Tattoo in ihr Leben integriert. Denn es ist etwas für die Ewigkeit und wird sie in jeder Situation begleiten. Deshalb ist es wichtig, dass man sich nicht halbherzig für ein Motiv entscheidet. Manchmal unterhalten wir uns mit Leuten über ihre Tattoos, die sie schon eine Weile haben, und hören immer wieder, dass sie damit eigentlich nicht zufrieden sind. Das ist etwas, was wir nicht verantworten können und wollen. Mir ist es wichtig, dass wir über jedes kleine Detail diskutieren. Caro: Wir verlangen auch keine Vorauszahlung, weil das unserer Meinung nach die Menschen unter Druck setzt, sich dann eventuell doch ein Tattoo stechen zu lassen, das sie nicht wirklich mögen. Ein Tattoo zu machen, ist wirklich nicht schwierig. Es funktioniert wie mit einem Zauberstift. Du hältst ihn in Tinte und malst ein schönes Bild. Es ist wirklich schwerer, den Leuten richtig zuzuhören und sich um sie und ihre Vorstellungen zu bemühen. Man muss das Talent haben, sie in gewisser Weise zu durchschauen, zu bemerken, wenn sie zu schüchtern sind, um wirklich zu sagen, was sie wollen. Man muss die Fähigkeit haben, etwas aus den Menschen herauszuholen. Tattoos werden immer extremer. Es gibt kaum noch Grenzen bzw. Körperstellen, wie Penis oder augapfel, die nicht tätowiert werden. Gibt es einen Körperteil, den ihr auslassen würdet? Cy: Nein. Wir würden überall tätowieren.

Welchen Einfluss haben Tattoos eurer Meinung nach auf die eigene Selbstwahrnehmung? Cy: Schon Coco Chanel hat beschrieben, dass man sich anders bewegt, wenn man einen Hüftgürtel trägt, auch wenn man ihn nicht sieht. So ähnlich ist es mit einem Tattoo. Ich hatte einmal einen Kunden, der während der Session viel über seine Depressionen geredet hat. als ich ihn dann später wiedergetroffen habe, schien er mir sehr zum Positiven verändert. Vielleicht auch, weil das Tattoo geholfen hat, sein eigenes Selbstwertgefühl anders zu hinterfragen. Caro: Ich habe ein großes Tattoo auf dem rücken, das ich selbst nur selten sehe. aber allein die Tatsache, dass ich es habe, gibt mir ein spezielles Gefühl. Cy: Es liegt auch viel Projektionsmöglichkeit in einem Tattoo. Wenn man zum Beispiel nur einen Teil davon sieht, ist es doch sehr anregend, sich vorzustellen, wo es weitergeht und wie es aussieht. Caro: Ein anderer aspekt, den wir wirklich spannend finden, ist, Muttermale gestalterisch mit einzubeziehen. Meistens gelten diese ja als körperliche Makel, doch ein Tattoo kann diesen Makel in etwas Wunderschönes verwandeln und die Individualität hervorheben. Cy: Mich würde es wirklich sehr reizen, Menschen zu tätowieren, die von Natur aus schon besondere Merkmale haben, wie Narben oder Feuermale, oder auch jemanden, der besonders dick, oder jemanden, der extrem dünn ist.


HORST Interview

198 P G S M BB P ASS

ARMIN MORBACH PATRICK GORRA ´ GLOOR RENE BENJAMIN DUKHAN SEVENGREEN PAUL KURZER & ROMAN RÄTZKE

THE BARTIST SONGZIO JACKE JULIUS GÜRTEL JUUN.J HOSE ´ RENE GLOOR MASKE


HORST

201 Q KAEy BURGERGIRL.NET BENJAMIN-DUKHAN.BLOGSPOT.COM

Den 32-jährigen Benjamin Dukhan alias Burger Girl kann man zweifelsohne als Kommunikationsdesigner bezeichnen. Der Pariser It-Man ist Video- und Peformance-Künstler, Musiker und, klar, Model. Horst sprach mit dem Vollbärtigen über die schöpferische Kraft von Wut, über Zugehörigkeit und Penisse Du bist in so vielen künstlerischen Genres zu Hause. Verlierst du manchmal den Überblick? Nein, obwohl ich erst vor Kurzem erkannt habe, dass ich wohl ein Allrounder bin. Aber es macht mich eher glücklich, mich nicht definieren zu müssen. Ich nutze gerne verschiedene Medien, und meine Ausdrucksform ist auch immer von den Projekten abhängig, an denen ich arbeite. Vor acht Jahren lag mein Fokus auf Clownerie und Comedy, vor fünf Jahren war es moderner Tanz, und momentan bin ich mit dem Musikprojekt Burger Girl beschäftigt. Vielleicht konzentriere ich mich aber in den nächsten zwei Jahren auf Videokunst und Schauspielerei. Wer weiß. Der Penis scheint oft dein zentrales Motiv. So wie für viele heterosexuelle Künstler die Vagina einen universellen Mythos verkörpert, zieht mich der Penis magisch an. Dabei geht es für mich allerdings eher um eine sexuelle Energie als um Sex. Eine andere Inspirationsquelle sind Zorn und Wut. SCHREIEN SPIELT BEISPIELSWEISE EINE WICHTIGE ROLLE für die Musik von Burger Girl. Doch das ist momentan nur eine Phase, die ich sicherlich bald überwunden habe.

CHRISTIAN LACROIX HEMD LAITINEN WESTE

Was genau ist Burger Girl? Ich denke grundsätzlich sehr konzeptuell, das gilt auch für mein Musikprojekt Burger Girl. Die Songs entstehen hauptsächlich aus der Improvisation heraus. Ich arbeite mit einem großartigen Musiker zusammen, der aus meinen »Schrei-Fragmenten« Tracks arrangiert. Ich habe auch gerade angefangen, Gesangsunterricht zu nehmen, um einen besseren Zugang zu meinen Emotionen zu bekommen und um selbstbewusster mit meiner Stimme zu arbeiten. Und weshalb bist du ein »Burger Girl«? Der Ausdruck »Sperm Burger« ist ursprünglich eine Beleidigung für Menschen, die jederzeit und allerorts zu sexueller Interaktion mit »spritzigem Ende« bereit sind. Ich habe den Namen dann abgewandelt, auch weil ich das Spiel mit den Geschlechtern mag. In deinen Musikvideos sieht man sehr viel nackte Haut, aber auch viel Blut … ICH VERBINDE SEXUELLE ENERGIE MIT SPIRITUALITÄT, WEIL ICH DIESEN KONTRAST SEHR SPANNEND FINDE. Das ist seit Jahrhunderten ein fester Bestandteil in der Kunst. Auf riesigen religiösen Gemälden kann man Maria mit dem fast nackten, blutenden Jesus sehen. Sicherlich ist die Auseinandersetzung damit nicht neu. Madonna verarbeitet diese Themen immer wieder. Doch ich setze sie auf meine Art um. Dein Erkennungszeichen ist der Vollbart. Fast scheint es, als wäre er das

momentane It-Accessoire der Männer, egal, ob schwul oder hetero. Hast du schon mal überlegt, deinen Bart abzurasieren? Ja. Gestern vorm Spiegel beim Trimmen, mit der Schere in der Hand. Aber ich konnte einfach nicht. Wieso nicht? Ich ließ mir den Bart wachsen, als eine für mich wichtige Person verstarb. Mein Vater ist Jude, und in der jüdischen Tradition rasiert man sich den Bart zwei Monate nicht, wenn jemand verstorben ist. Für mich war das tatsächlich auch ein Heilungsprozess und ein Symbol der Trauer. Mittlerweile ist der Bart für mich allerdings einfach nur noch ein schickes Accessoire … Du hast einige Zeit in Berlin gelebt, dort ist der Vollbart mittlerweile ein Bestandteil der schwulen Szene. Welche Erfahrungen hast du in Paris gemacht? Eine Zeit lang wurde ein dunkler Vollbart mit dem Islam und Terrorismus assoziiert. Doch das hat sich wieder gelegt. Mittlerweile kennen mich viele von den Runways der Pariser Modewochen, sie wissen, wer ich bin und was ich mache. Siehst du dich selbst als Teil einer bestimmten Szene? Nein, das war ich nie. Weder Teil der jüdischen Religion noch der schwulen Szene. Ich hatte nie die Energie dafür, mich politisch einzusetzen, weil ich sie lieber in meine Kunst investiere …


BLU Interview


BLU


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TEXT & STYLING KAEY PORTFOLIO Kaey / Denis Kiel Brunnenhofstrasse 5 22767 Hamburg 0176/39737128 kiel.denis@gmx.de


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