Inhalt
Singende Kirche 1 | 2018 | 65. Jahrgang
2 Editorial
beiträge 3
Papst Franziskus
Salus Populi Romani Predigt vom 28. Jänner 2018 in der Basilika Santa Maria Maggiore am jährlichen Festtag der Übertragung des Gnadenbildes Salus Populi Romani 5
Franz Karl Praßl
„Unter deinen Schutz und Schirm“ Ein ökumenischer Mariengesang der ungeteilten Christenheit 8
Ulrich Walther
Zur gesellschaftlichen Bedeutung von Orgel- und Kirchenmusik … … und zu den Perspektiven einer zeitgemäßen Hochschulausbildung in diesen Bereichen 10 Michael G. Kaufmann
Organumpulchrum, sed periculosum – Gefahrenraum Orgel 13 Ágnes Horváth
Der Cäcilianismus in Ungarn 1870–1950 Die Wirkung Regensburgs auf die Bewegung der ungarischen katholischen Kirchenmusik 20 Reinhard Kriechbaum
Orgeln und ihre Spieler Karl-Gerhard Straßl und die Orgel in der Kalvarienbergkirche Wien
Service 23 P. Winfried Bachler OSB, Österreichisches Liturgisches Institut
Kehrverse aus dem Gotteslob 2013 … … zu den Antwortpsalmen an den Wochentagen vom 3. 4. bis 30. 6. 2018 28 Hermann Platzer
Notenbeilage 2018 | 1 29 Franz Reithner
Liedplan 6. 5. bis 29. 7. 2018
Kalendarium 33 Musik im Gottesdienst | Termine 40 Kirchenkonzerte | Termine
nachrichten 43 Personalia 45 Berichte aus dem In- und Ausland 46 Zur Information 47 Neue Orgeln und Orgelrestaurierungen
aus den Diözesen 51 Wien 55 Eisenstadt 56 St. Pölten 60 Linz 61 Salzburg 64 Innsbruck 68 Feldkirch 72 Graz-Seckau 76 Gurk-Klagenfurt 78 Bozen-Brixen
Rezensionen 81 Noten 84 Tonträger 87 Leserforum
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Ulrich Walther
Zur gesellschaftlichen Bedeutung von Orgel- und Kirchenmusik …
FOTO: sonntagsblatt / Kurt Hochsam
… und zu den Perspektiven einer zeitgemäßen Hochschulausbildung in diesen Bereichen
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lücklicherweise erscheint es vielerorts nach wie vor als selbstverständlich, dass Orgel- und Kirchenmusik etwa von J. S. Bach, D. Buxtehude und W. A. Mozart als wertvolles kulturelles Erbe einen festen Platz im Rahmen der Kirchenmusikarbeit einnehmen, ebenso dass Kirchenmusik und Liturgie wiederum als Hauptaufführungsort dieses Repertoires einen nicht wegzudenkenden Bereich des allgemeinen Kulturlebens darstellen. Entwicklungen der letzten Jahre erwecken jedoch den Eindruck, dass hinsichtlich einer solchen Sichtweise schon länger kein Konsens mehr besteht, zudem die Relevanz dieser kulturellen Tradition durchaus auch anders beurteilt wird: Eine sich durch Kirchenaustritte verringernde Zahl von Kirchenmitgliedern und GottesdienstbesucherInnen – v. a. im mitteleuropäischen Raum – steht in Verbindung mit einem zunehmenden Priestermangel und einer abnehmenden Vertrautheit der Bevölkerung mit liturgischen und hymnologischen Traditionen. Die deshalb stetig schrumpfende Zahl von Kirchenchören hat überdies immer mehr mit Problemen zu kämpfen. So wird deren regelmäßige Arbeit einerseits durch Konkurrenz mit anderen Freizeitangeboten erschwert, anderseits wird kirchenmusikalisches und oratorisches Repertoire schon lange nicht mehr allein von Kirchenchören und Kantoreien zur Aufführung gebracht. Durch diese Umstände wird das musikalische und liturgische Miteinander als eine wichtige Grundfunktion von Kir-
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chenmusik zunehmend entkräftet, die aktuelle Arbeit von KirchenmusikerInnen durch Stellenzusammenlegungen erschwert. Dass sich all dies mittlerweile in Streichungen/ Herabstufungen und Umstrukturierungen von Kirchenmusikstellen sowie in BewerberInnenmangel sowohl bei ausgeschriebenen Stellen als auch bei Studienanwärtern niederschlägt, mag nicht überraschen. Ebenso wenig die daraus resultierende öffentliche Infragestellung einiger Ausbildungsstellen selbst an Orten reicher Kirchenmusik-Tradition, wie z. B. in Salzburg im Jahr 2012. Wenngleich sich mit nicht-kirchlichen Konzertformaten klassischer Musik durchaus Schnittmengen z. B. hinsichtlich Überalterung des Publikums und Nachwuchsmangel ergeben, so zeigen sich dennoch v. a. in den Bereichen Kirchenmusik und Orgelkonzert Tendenzen, die im Kontext einer scheinbaren Neubewertung der evangelischen und katholischen Hauptkirchen gesehen werden müssen. Die vergangenen Jahre weisen deutlich auf einen gesamtgesellschaftlichen Wandel hin, mit denen aktiv praktizierende KirchenmusikerInnen bereits seit längerem konfrontiert sind. Untersuchungen, die sich mit der derzeitigen Situation der Kirche befassen, zeigen, dass kirchenmusikalische Arbeit in der Lage ist, derartigen Auflösungserscheinungen entgegenzuwirken. Aus diesem Grund scheint es geboten, aus der aktuellen Lage sinnvolle Rückschlüsse zu ziehen, um einerseits das wertvolle Kulturgut der katholischen und evangelischen Kirchenmusiktradition sowie das Amt des Kirchenmusikers bzw. der Kirchenmusikerin als attraktives, sozial wertgeschätztes und auskömmliches Berufsbild zu erhalten. Andererseits um damit nach wie vor Menschen vor Ort den Wert eines gemeinsamen christlichen und kirchenmusikalischen Miteinanders vermitteln und bieten zu können. Um gegenwärtigen Trends entgegenzuwirken, wurden in der Auseinandersetzung mit der momentanen Entwicklung der Kirchenmusik in den letzten Jahren bei Kirchenmusiktagungen sowohl in Stuttgart (2008) als auch in Zürich (2011) erstmalig mit Resolutionen bewusste Gegensignale gesetzt. Seit langer Zeit wurde damit wieder der Wert der Kirchenmusik als bedeutsames kulturelles Erbe sowie deren Schutz festgeschrieben. Diese wichtige Sichtbarmachung von kulturellen Werten erinnert stark an die omnipräsenten Mahnrufe seitens prominenter FürsprecherInnen in Bezug auf aktuelle Sparmaßnahmen, von denen die klassische Musik derzeit vielerorts bedroht ist. Dennoch können Aufrufe und Resolutionen nur der Anfang einer Reihe von notwendigen Gegenmaßnahmen sein, die Umsetzung der Erklärungen steht im Grunde noch bevor. Eine der wichtigsten Grundvoraussetzungen für die Pflege unserer reichen Kirchenmusik-Tradition liegt sicherlich
11 Ulrich Walther | Zur gesellschaftlichen Bedeutung von Orgel- und Kirchenmusik
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Künstlerische Leitung: Michael Schade
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in einer konsensualen Kirchen- und Kulturpolitik, die das Berufsprofil „Kirchenmusik“ auch in Zukunft wertschätzend behandelt. Dass von Seiten der Kirchen alles daran gesetzt wird, Kirchenmusik und Liturgie als kooperatives Miteinander auf Augenhöhe zu betreiben, bleibt ein wichtiges Anliegen. Gleichzeitig müssen die Ausbildungsinstitute (v. a. Hochschule und Universität) mit ihren Curricula dafür Sorge tragen, dass künftigen KirchenmusikerInnen eine höchstmögliche und praxisnahe Qualifikation – basierend auf dem letzten Stand eines aufführungspraktischen, kirchenmusikalischen und musikologischen Wissens – garantiert ist. Eine derartige Ausbildung berücksichtigt dabei einerseits Erfordernisse sowohl kleinerer B-Stellen als auch großer „Leuchtturmstellen“. Andererseits muss sie auch auf Gegebenheiten des europäischen wie auch des internationalen Musiklebens abgestimmt werden. Curricula sollten zudem eine Durchlässigkeit beispielsweise von Kirchenmusik- und Schulmusikstudium begünstigen, damit AbsolventInnen auch für heterogene Stellenprofile vorbereitet werden. Den Kern einer ökumenischen Ausbildung bilden nach wie vor liturgisches und konzertantes Orgelspiel, Improvisation, Singen und Chor- bzw. Ensemblearbeit. Wichtig ist dabei einerseits der Dialog der Fächer untereinander sowie der Brückenschlag zu den musikologischen (v. a. in Form einer historisch informierten Aufführungspraxis) und theologischen Hintergründen der jeweiligen Lehrinhalte. Andererseits wird eine Orientierung an aktuellen Stellenprofilen und deren z. T. veränderten Erfordernissen zunehmend wichtiger. So erscheint eine zeitgemäße Erweiterung der Lehrinhalte um Musikrichtungen wie Jazz- und Popularmusik mittlerweile als obligatorisch. Wichtig ist in diesem Kontext, angehende KirchenmusikerInnen für die Notwendigkeit zu sensibilisieren, die Auswahl des Kirchenmusikrepertoires als qualitätsvolle Mischung zu verstehen, welche unterschiedliche Genres und Geschmäcker berücksichtigt. Nur dadurch lassen sich auf Dauer die heterogenen Lebenswelten unterschiedlichster Alters- und Interessengruppen einer Gemeinde sinnvoll erreichen und in die kirchenmusikalische Arbeit integrieren. Darüber hinaus muss eine Kirchenmusikausbildung auch für den musikpädagogischen Bereich der Musikvermittlung, der mittlerweile auch im Bereich der Kirchenmusik zunehmende Wichtigkeit erlangt, sensi-
PFINGSTEN 2018 · 17. – 21. MAI barocktagemelk.at
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DIE SCHÖPFUNG UND IHRE NATURGEWALTEN
bilisieren und kreative Wege für einen offenen Umgang mit traditionellen Konzertformaten aufzeigen. Ansatzpunkte können in der Verbindung unterschiedlicher künstlerischer Ausdrucksformen (Improvisation, Schauspiel, Tanz etc.) sowie im kreativen Umgang mit Medien liegen. Die Offenheit, die sich MusikerInnen häufig vom Publikum wünschen, muss auch für die eigene Arbeit gelten und sollte dazu führen, sich immer wieder erneut auf die Suche nach neuen Vermittlungs- und Ausdrucksformen zu begeben. Nur damit kann auch in Zukunft erfolgreiche Gemeindearbeit und musikalische Nachwuchsförderung stattfinden. Dass in jüngsten Stellenausschreibungen der Fokus verstärkt auch Wert auf Gremienund Pastoralarbeit gelegt wird, sollte in der Ausbildung ebenfalls berücksichtigt werden. Nicht zuletzt müssen heutige KirchenmusikerInnen bis zu einem gewissen Grad mit zeitgemäßen Kommunikationsformen und Marketingstrategien (u. a. social media, Werbung) vertraut sein, um Gemeinde und Konzertpublikum erreichen zu können, zudem um auch von außen als zeitgemäß und ansprechend wahrgenommen zu werden. Die derzeitige Umbruchsituation sollte nicht als Anlass für künstlerische Zugeständnisse verstanden werden, die evtl. in eine populistische oder gar kommerzielle Richtung tendieren könnten. Vielmehr bieten sich aktuell auch Chancen für neue Wege und Formen künstlerischer Orgel- und Kirchenmusik. So können Zusammenlegungen mit anderen Gemeinden zu neuen Kooperationsmodellen und -möglichkeiten führen. Erfolgreich in die heutige Zeit übersetzt, kann der Bereich der Kirchenmusik in seiner Vielseitigkeit der Entfaltungsmöglichkeiten eines der abwechslungsreichsten und befriedigendsten musikalischen Tätigkeitsfelder sein und bleiben.
… um damit nach wie vor Menschen vor Ort den Wert eines gemeinsamen christlichen und kirchenmusikalischen Miteinanders vermitteln und bieten zu können.
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Reinhard Kriechbaum
Orgeln und ihre Spieler Karl-Gerhard Straßl und die Orgel in der Kalvarienbergkirche Wien
Die Orgel in der Kalvarienbergkirche Wien-Hernals (links) – Organist Karl-Gerhard Straßl
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um Auszug spielt die Orgel.“ Das zu hören oder zu lesen, geht ihm wider die Natur: „Es spielt ja nicht die Orgel von alleine“, sagt Karl-Gerhard Straßl und spricht damit wahrscheinlich all seinen Kolleginnen und Kollegen aus der Seele. Gerade er, einer von zwei Organisten in der Kalvarienbergkirche in Wien-Hernals, ist jemand, dem es wichtig ist, als Spieler das Instrument so farbenprächtig und vielseitig vorzustellen wie nur möglich. So sind wir auf ihn auch aufmerksam geworden, weil uns seine CD „Oper & Orgel“ in die Hände gefallen ist. Die Blumenarie aus Bizets „Carmen“, „La donna e mobile“ aus Verdis „Rigoletto“, und sogar die Gralserzählung aus Wagners „Lohengrin“: Das fließt Organisten sonst gewiss nicht aus den Fingern. Karl-Gerhard Straßl hat, als er sich gemeinsam mit dem an der Volksoper engagierten Tenor Oliver Ringelhahn an dieses Projekt gemacht hat, die Transkriptionen erst selbst schreiben müssen. „Am Beginn der Zusammenarbeit stand ein Konzert im Wagner / Verdi-Gedenkjahr 2013.“ Zwei Jahre später haben die beiden
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das Opernarien-Programm, mit dem sie fleißig konzertierten (auch im Ausland), dann auf CD aufgenommen. Im ersten Moment empfindet man den Nachhall gewöhnungsbedürftig – gerade für die Stimme. „Mir war aber gerade der echte Raumklang wichtig“, erklärt Straßl, „es sollte sich ganz bewusst nicht nach Studioatmosphäre anhören.“ Die Orgel in der Kalvarienbergkirche spielt alle Stückeln (pardon für die Formulierung, Herr Organist!). Vor allem französische und geradezu ideal solche aus der französischen Orgelromantik sowie von Franz Schmidt. Der damalige Pfarrer, Prälat Johann Koller, hat das Instrument bei der Orgelbauwerkstätte Hartwig Späth in Freiburg im Breisgau in Auftrag gegeben. Die Disposition erstellten Robert Schander und Orgelbaumeister Hartwig Späth, der zu dieser Zeit als erster deutscher Orgelbauer Instrumente von Cavaillé-Coll restaurierte. In diesen Stil war der Orgelbauer also so recht eingefuchst und es ist kein Zufall, dass Karl-Gerhard Straßl auch auf die Opern-CD einige Gassenhauer aus diesem Stilbereich eingespielt hat: den „Boléro
11 Reinhard Kriechbaum | Orgeln und ihre Spieler
de concert“ von Louis Lefébure-Wely (des Vorgängers von Widor in St. Sulpice in Paris) zum Beispiel, oder die berühmte Fantasie „Carillon de Westminster“ von Louis Vierne. „Aus der Suite Gothique von Léon Boëllmann habe ich bewusst eines der weniger geläufigen Stücke, das ‚Menuet gothique‘ gewählt, das übrigens meist zu schnell gespielt wird“, sagt Straßl. Zur 1988–1990 gebauten Orgel in der Kalvarienbergkirche, mit 38 Registern und zwei Halbzügen sehr großzügig disponiert, hat Karl-Gerhard Straßl aber nicht nur deshalb eine innige Beziehung, weil sie besondere Möglichkeiten bietet. „Ich habe in der Kirche schon ministriert, es ist meine Pfarre“, sagt der gebürtige Wiener (Jahrgang 1969). Er kommt aus einer musikalischen Familie, beide Elternteile sind Chorsänger, der Vater Chorleiter, der Großvater war als Organist tätig. „Mit 14 Jahren kam ich auf die Idee, Orgel zu lernen.“ Und bald drauf hat er – „zitternd“, wie er sagt – die erste Messe in der Kalvarienbergkirche gespielt. Seit 1989 ist er dort unter Vertrag. „Wir hatten immer angestellte Organisten, das macht die historische Verbindung zum Inserat_Singende Kirche_RZ_180301.indd 1 Stephansdom“, weiß er. Sein Kollege ist Alois Hörlesberger, Pädagoge im Bildungszentrum Kenyongasse. Ein gutes Team: „Beim Radiogottesdienst am ersten Fastensonntag jüngst haben Sehr lang ist die Liste, wo Karl-Gerhard Straßl schon wir vierhändige Orgelmusik gespielt.“ Mit diesen beiden konzertiert hat, bis nach China, Brasilien und Südafrika ist Organisten kann man jedenfalls auf außergewöhnliche Hö- er gekommen. „Ich gebe nach wie vor Konzerte – die Vorrerlebnisse bauen, wie überhaupt die Kalvarienbergkirche bereitung darauf sind die Abende, die ich an meinem privaein reiches Musikleben birgt. Am Ostersonntag lässt der ten Instrument verbringe.“ Er ist Initiator und Gründer des Kirchenchor (geleitet von Elisabeth Zottele) gar Bernsteins „Hernalser Orgelfests“ sowie regelmäßig Vorsitzender der „Mass“ hören! Jury beim Internationalen Franz-Schmidt-Orgelwettbewerb. Sein Werdegang: Nach privatem Orgelunterricht hat er Seit Fertigstellung der Späth-Orgel (auf der schon so gut wie alle namhaften österreichischen Organisten am Wiener Diözesankonservatorium gelernt und schließkonzertierten und sie für hervorragend befanden) ist es lich an der Wiener Musikuniversität bei Rudolf Scholz das Karl-Gerhard Straßl ein Anliegen, dass das Instrument Konzertfach abgeschlossen. Außerdem absolvierte er ein nicht nur liturgisch gut und sinnvoll zum Einsatz kommt, Jusstudium, besuchte einen Lehrgang für Kulturmanagesondern „dass auch der große Schatz der Orgelliteratur für ment und machte ein zweites Doktorat in Kulturwissendie Leute hörbar wird“. So hat Straßl sich immer wieder schaft. „Es ist mir bewusst geworden: Als Kirchenmusiker zu Akzente ausgedacht, mehrjährige Zyklen „um die Messe leben und Familie zu haben, ist nicht so einfach.“ Derzeit herum“, in denen man Besonderes zu hören bekam. „Or- leitet Straßl an der Universität für Musik und darstellende gelpunkte“ hieß so ein Zyklus (immer vor einer Messe an- Kunst Wien die Abteilung „Organisationsrecht und Berugesetzt). Ein anderer hieß „Festspiel 5 nach“, Kurzkonzerte fungsmanagement“, die auch für „akademische Integrität“ an besonderen Tagen (etwa Faschingssonntag, Muttertag), zuständig ist. Wer bei der Dissertation abkupfert, könnte jeweils fünf Minuten nach den Sonntagsmessen. Momen- die unfreundliche Seite von Karl-Gerhard Straßl kennen tan setzt man auf „Orgelsolomessen“: Drei Mal im Jahr lernen … Das Chor-Engagement der Eltern wirkt auch auf ihn meldet sich die Orgel (und ihr Spieler!) an vier Stellen der Messe mit passender Sololiteratur zu Wort. Die Kirchenbe- weiter: Seit 1991 ist er Chorleiter der (von seinem Vater sucher finden auf den Bänken Programme vor. Der Pfarrer, gegründeten) „Wiener Sängerrunde“, und von 1993 bis Dechant Karl Engelmann, unterstützt sehr diese musikali- 2004 war er zudem Chorleiter des Kirchenchors in Währing. Straßl ist auch Präsident des Chorverbands Österreich. schen Aktivitäten.
01.03.18 13:19
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Doch zurück nach Hernals: „Wir sind immer noch eine Wallfahrtskirche“, sagt Straßl, „tausende Leute kommen jedes Jahr zum Kalvarienberg.“ Tagsüber, weil es dort auch im 21. Jahrhundert nur wenig elektrisches Licht gibt. Die Geschichte dieser Wallfahrt in wenigen Sätzen: In der Zeit der Reformation war Hernals (außerhalb der Stadtmauern) ein Zentrum der Protestanten. Nachdem Kaiser Maximilian II. dem Adel im Erzherzogtum Österreich 1568 und 1571
Wahrscheinlich hat kaum ein Musiker, eine Musikerin eine so innige Beziehung zum Instrument wie Organistinnen und Organisten. Wer über Jahrzehnte Sonntag für Sonntag mit einem solchen Klangwerkzeug umgeht, sei es historisch oder neueren Datums, entwickelt fast zwangsläufig geradezu familiäre Gefühle für „sein“ Instrument. Solchen auratischen Bindungen wollen wir nachgehen in der neuen Reportage-Reihe „Orgeln und ihre Spieler“. Dabei nehmen wir ganz bewusst nicht die großen Instrumente in Domkirchen oder Klöstern in den Blick, sondern solche in kleinen Kirchen, Kleinodien – und die oft interessanten Menschen, die sich ihrer annehmen. Die „Singende Kirche“ freut sich über Hinweise aus den Reihen der Leserinnen und Leser für weitere anregende Geschichten (singende.kirche@gmx.at).
Redaktionsschluss für unsere nächste Ausgabe: 1 15. April 2018
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Religionsfreiheit auf dessen Herrschaften gewährt hatte, strömten die Wiener trotz der Verbote des „Auslaufens“ in das nahe gelegene Hernals, um dort den Prädikanten zu lauschen. Im Zuge der Gegenreformation machten die Habsburger dem ein Ende, indem sie die Hernalser Kirche unmittelbar dem Domkapitel von St. Stephan unterstellten. Und wie es der Zufall wollte: Der Prozessionsweg vom Stephansdom nach Hernals entspricht in der Länge genau dem Passionsweg in Jerusalem. Das war der Beginn der populären Wallfahrt (ab 1639). Aus dem einsetzenden Devotionalienhandel ging der bis heute bestehende vorösterliche Kalvarienbergmarkt hervor. Sein Wahrzeichen ist der „Bamkraxler“ (ein Holzspielzeug als Sinnbild für den biblischen Zachäus, der auf einen Baum kletterte, um Jesus besser sehen zu können). Was bekommen Hernals-Wallfahrer heuer geboten, so sie sich nicht vom Markt ablenken lassen, sondern auch für Musik empfänglich sind? „Wir machen musikalische Fastenmeditationen mit Texten und Musik, jeweils an den Sonntagen um 17 Uhr“, so Karl-Gerhard Straßl.
Mitarbeiter dieser Ausgabe P. Mag. Winfried Bachler OSB, Salzburg Dr. Ágnes Horváth, Prof. Dr. Michael G. Kaufmann, Heidelberg Mag. Johann Simon Kreuzpointner, St. Pölten Reinhard Kriechbaum, Salzburg Mag. Franz Reithner, St. Pölten Univ.-Prof. Ulrich Walther, Graz