Innovationen & Investitionen

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FORUM PUBLIC MANAGEMENT

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Innovationen & Investitionen

g n i k n Thi e d i s t ou x o b e th

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Neue Wege denken: Finanzierung und Investitionen Seite 4 Gemeinde-Haushaltsreform: Ist ein einheitliches Rechnungswesen mรถglich? Seite 7 Kommunale Wirkungsorientierung: Die Position des KDZ Seite 10


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INHALT

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EDITORIAL 3 Wohlfahrtsstaat durch Innovationen sichern

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GRUNDLAGEN FÜR POLITIK UND VERWALTUNG Neue Wege denken: Finanzierung und Investitionen Gemeinde-Haushaltsreform: Ist ein einheitliches Rechnungswesen möglich? Kommunale Wirkungsorientierung: Die Position des KDZ Gerechtes Wohnen: Investitionen in die Gesellschaft Finanzierung der Kinderbetreuung: In die Zukunft investieren Organisationsberatung: Ein Überblick

LITERATURAUSWAHL 24 Buchrezensionen

IMPRESSUM: Eigentümer, Herausgeber und Verleger: KDZ Redaktion: Mag. Peter Biwald, Mag. Thomas Prorok, Mag. Michaela Bareis, MA, Postanschrift: 1110 Wien, Guglgasse 13 Telefon: +43 1 8923492-0 Fax: +43 1 8923492-20 E-Mail: institut@kdz.or.at Internet: www.kdz.or.at Angaben gemäß § 25 Mediengesetz vom 12.6.1981: KDZ Managementberatungs- und Weiter­ bildungsGmbH, 1110 Wien, Guglgasse 13 Geschäftsführer: Mag. Peter Biwald, Mag. Thomas Prorok (Stv.) Vorstand: Mag. Wolfgang Figl, SC Mag. Angelika Flatz, Bgm. MMag. Klaus Luger, SR Mag. Martin Pospischill, SC Dr. Matthias Tschirf, Gen. Sekr. Dr. Thomas Weninger Aufgabe des Forum Public Management ist die praxis­­nahe In­for­mation von MandatarInnen, öffentlichen ­Bediensteten und anderen Interessierten aus Wirtschaft und Gesellschaft. Preis pro Ausgabe: E 4,55 + 10% USt. zzgl. ­Versandspesen Grafische Gestaltung: Martin Renner, www.rgd.at DTP-Produktion: Karin Hruschka, www.grafic.at Druck: facultas, Wien Titelbild: iStock BESTELLUNGEN: bestellung@kdz.or.at

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Kompetenzzentrum für den öffentlichen Sektor

Forschung · Beratung · Weiterbildung Wir bieten seit mehr als 45 Jahren den Städten und Gemeinden Expertise im Bereich der öffent­lichen Verwaltung sowie maßgeschneiderte ­Konzepte und Umsetzungen von individuellen Projekten an. Dabei stützen sich unsere praxis­bezogenen Berater­ innen und Berater auf moderne Instrumente und erprobte wissenschaftliche Methoden. Überzeugen Sie sich von unserem breiten Portfolio oder informieren Sie sich über bereits erfolgreich durchgeführte Projekte.

Wir freuen uns, Sie am 65. Österreichischen Städtetag am Messestand des KDZ Nr. 7A begrüßen zu dürfen!


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EDITORIAL

Wohlfahrtsstaat durch Innovationen sichern „Wir haben es mit einer selbst erfüllenden Prophezeiung zu tun: Je mehr wir die Rolle des Staates in der Wirtschaft kleinreden, desto weniger kann er seine Rolle erfüllen und ein relevanter Akteur sein, und desto weniger wird es ihm gelingen, Toptalente anzuziehen. Ist es Zufall, dass das US-Ener­ gie­ministerium, von dem (...) pro Kopf die ­meisten Ausgaben für Energieforschung der OECD kommen, einen Physik-Nobelpreis­ träger als Leiter gewinnen konnte? Oder dass weniger ambitionierte Länder eher nach dem Prinzip der Vetternwirtschaft funktionieren und in ihren Ministerien entsprechend wenig Sachverstand vorzuweisen haben?“ 1 Marianna Mazzucato, Ökonomieprofessorin in Sussex, argumentiert, dass die Art der öffentlichen Ausgaben entscheidend für die Entwicklung von Staaten ist und nicht die Höhe der öffentlichen Ausgaben und der staatlichen Verschuldung. Die Kürzungen staatlicher Programme, um fragwürdige Schulden- und Defizitquoten zu erreichen, sind demnach der falsche Weg. In der Tradi­ tion des ersten KDZ-Geschäftsführers Egon Matzner sehen wir die Notwendigkeit für einen kräftigen Wohlfahrtsstaat (von morgen). Dennoch ist der scharfe Blick auf die Art und den Nutzen der Ausgaben heute notwendiger denn je. Was soll und muss der öffentliche Sektor ­leisten? Wie können zur Gewohnheit gewordene staatliche Finanzierungen, Leistungen und Strukturen bis hin zur öffentlichen Verwaltung hinterfragt und geändert werden? Diesen Fragen gehen wir in der bewährten Kombination von Theorie und Praxis nach. Wir stellen aktuelle und innovative Lösungen vor, welche den zielgerichteten Einsatz öffentlicher Mittel und Leistungen ermöglichen. Zentral sind die Fragen: Was will die öffentliche Hand erreichen? Was (worin) wird in­vestiert? Mit welchen Mitteln (wie) wird

in­vestiert? Welchen gesellschaftlichen ­Nutzen haben öffentliche Programme? Der Artikel „Kommunale Wirkungsorientierung“ zeigt, dass eine schlanke kommunale Wirkungsorientierung Sinn macht. Es erleichtert die Prioritätensetzung und macht sichtbar, was die Städte und Gemeinden mit den öffentlichen Mitteln erreichen wollen. Der Abriss „Gemeinde-Haushaltsreform“ hebt die Vorteile der Drei-Komponenten-Rechnung hervor. Sie macht transparent, „Was investiert wird“ und „Mit welchen Mitteln investiert wird“. Die Darstellung in „Neue Wege denken“ zeigt, dass in Österreich Public Private Partnership Modelle (PPP) immer häufiger eingesetzt werden, um „Maastricht-konforme“ Finanzierungen von Investitionen zu ermög­lichen. Andere EULänder sind hier deutlich skeptischer. Der Artikel „Gerechtes Wohnen“ beschäftigt sich mit dem gesellschaftlichen Nutzen öffentlicher Leistungen. Weisen öffentliche Finanzierungen diesen nicht auf, sind sie zu hinterfragen. Weitere Beiträge in diesem FPM: „Finanzierung der Kinderbetreuung“, „Organisations­ beratung“ und „Mariana Mazzucato: Das Kapital des Staates“. Kommentar senden

Thomas Prorok stv. Geschäftsführer KDZ 1 Mariana Mazzucato, Das Kapital des Staates, S. 31.

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GRUNDLAGEN FÜR POLITIK UND VERWALTUNG

Neue Wege denken Sind Kapitalmarktfinanzierung und Public-Private-Partnership-Modelle (PPP) die Lösungen für den Investitionsstau der Kommunen? Welche Probleme bringt der Stabilitätspakt für die österreichischen Gemeinden? von Clemens Hödl und Wolfgang Oberascher

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Clemens Hödl

Wolfgang Oberascher

erzeit ist es nur schwer möglich, die notwendigen jährlichen Investitionen für die österreichischen Gemeinden zur Erhaltung der vorhandenen Infrastruktur abzuschätzen. Das ist einerseits auf die fehlende flächen­ deckende Vermögensrechnung (dies wird mit der neuen Voranschlags- und Rechnungsabschlussverordnung (VRV) möglich sein) und andererseits auf nicht vorhandenen fundierten Schätzungen zum Investitionsstau in Österreich zurückzuführen. Zahlen zur Bundesrepublik Deutschland besagen, dass in unserem Nachbarland der Investitionsstau auf kommunaler Ebene rund 118 Mrd. Euro beträgt, dies entspricht 4,2 Prozent des Brutto­inlandsproduktes. Umgelegt auf Österreich würde dies einen Investitionsstau von rund 13,5 Mrd. Euro bedeuten. Unter der Einschätzung, dass hierzulande die Infrastruktur in einem ­bes­seren Zustand als in Deutschland ist, erscheint der Wert von 13,5 Mrd. Euro als etwas zu hoch gegriffen. Nimmt man nun die Hälfte an, würde dies noch immer ein Volumen von fast 7 Mrd. Euro bedeuten. Um diesen Investitionstau aufzulösen würde sich eine österreichweite Investitionsoffensive aller Gebietskörperschaften anbieten, stattdessen sind Bund, Länder und Gemeinden aufgrund europäischer Vorgaben dazu verpflichtet zu sparen bzw. nicht in zu großem Umfang zu investieren. Geregelt wird dies in der EU-Steuerungsarchitektur (Sixpack, Twopack und Fiskalpakt) und in ­weiterer Folge im Österreichischen Stabilitätspakt (ÖStP 2012). Dort wurden die EUrechtlichen Vorgaben, welche für den Ge-­ samtstaat Rechtsverbindlichkeit haben, auf

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die einzelnen Gebietskörperschaften heruntergebrochen. Damit wirken auch Länder und Gemeinden an der Erfüllung der Vorgaben des Rechtes der Europäischen Union mit. Der Österreichische Stabilitätspakt verpflichtet die Gemeinden bis zum Jahr 2016 jährlich zu einem landesweise ausgeglichenen Haushalt. Dies gilt de facto auch künftig für das strukturelle Defizit ab dem Jahr 2017, in dem konjunkturelle Einflüsse bzw. Einmaleffekte herausgerechnet werden. Zusätzlich sind die Gemeinden in den nächsten Jahren von zwei weiteren Bremsen betroffen: • Die Ausgabenbremse beschränkt den erlaubten Anstieg der Ausgaben – für die Jahre 2015 und 2016 ist ein realer Ausgabenanstieg von nur 0,1 Prozent zulässig; • Die Schuldenquotenanpassung fordert auch von den Gemeinden ihre öffentlichen Schulden in den nächsten Jahren regelmäßig zu reduzieren (von der wirtschaflichen Entwicklung und von den Wachstumsraten des BIP abhängig), bis Österreich die 60 Prozent-Grenze erreicht hat. Die konkrete Umsetzung (exakte Berechnung, Frühwarnmechanismen, Sanktionen etc.) der Ausgabenbremse sowie der Schulden­quotenanpassung ist noch in ­Verhandlung. Die Bestimmungen zur Aus­ gabenbremse traten allerdings ab 1. Jänner 2014 in Kraft mit dem Vergleichsjahr 2013, und die Regelungen der Schuldenquotenanpassung erstmals für 2014 bis 2016. Die Auswirkungen auf die Gemeinden werden aus heutiger Sicht weitreichend sein.


GRUNDLAGEN FÜR POLITIK UND VERWALTUNG

Viele Gemeinden werden Schwierigkeiten haben die Ausgabenbremse einzuhalten. Vor allem wachsende Gemeinden, die stark in Infrastruktur investieren müssen (Straßen, Kinderbetreuung, Schulen etc.), und diese Investitionen zusätzlich fremd­finanzieren, werden Probleme haben die Vorgaben zu erfüllen. Sicher scheint, dass unter diesen Voraussetzungen der eingangs beschriebene Investi­ tionsstau nicht aufzulösen sein wird. Es wird daher nötig sein, alternative Finanzierungsformen zu finden, die die Ausgabenbremse und Schuldenquotenanpassung möglichst nicht tangieren, um weiterhin in den Kommunen ausreichend investieren zu können.

Alternative Finanzierungsmöglichkeiten

Der Grund liegt häufig in einem Rückzug der Banken aus dem Kommunalgeschäft bzw. einer Einschränkung dieses Geschäftsfeldes, da dieses an Attraktivität verliert. Zum einen sieht Basel III vor, dass für Kommunalkredite Eigenkapital durch Banken bereitgestellt werden muss. Vormals wurde für ein Kommunaldarlehen durch die Bank selbst das Geld geliehen, ohne Eigenkapitalhinterlegung. Nun werden die Eigenkapital­ reserven tendenziell für margenstarke Geschäfte bereitgehalten. Zum anderen konnten Banken vor der Finanzkrise kurz­ fristige Spareinlagen (z. B. Tagesgeld) für zwei bis drei Prozent auf­nehmen und dieses Geld mittel- bis lang­fristig für vier bis fünf ­Prozent an die Kommunen verleihen. >

„Der Stabilitätspakt wird die Gemeinden fordern.“ Foto: iStock

Neue Wege, bedeutet an Finanzierungs­ varianten zu denken, die für die die kommunale Ebene atypische sind. Bei unseren ­deutschen Nachbarn werden diese Wege mittlerweile erfolgreich begangen. Typische

Finanzierungsformen wie die Darlehen und Kassenkredite werden – zwar langsam aber doch – um atypische Formen der Kommunalfinanzierung erweitert.

Wieviel Kapital ist notwendig, um die Infrastruktur zu erhalten? Und welche Finanzierungsvariationen sind vorteilhaft?

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GRUNDLAGEN FÜR POLITIK UND VERWALTUNG

Zwar ergaben sich daraus auch nur geringe Margen, bei entsprechen­den Volumina war jedoch auch dies ein gewinnträchtiges Geschäft. Nunmehr gewinnen Kommunalan­leihen oder Schuldscheindarlehen immer mehr an Bedeutung. Während erstere am Kapitalmarkt p ­ latziert werden und dadurch ein breiteres Abnehmerfeld erreichen können, sind zweitere einem beschränkten Kreis an poten­ tiellen Fremdkapitalgebern vorbehalten. Auch Bürgerdarlehen wurden bereits von der kommunalen Praxis ins Auge gefasst.

Ein Patentrezept?

Es stellt sich nun die Frage, ob quasi kapi­tal­ markt­orientierte Finanzierungen bzw. Direkt­ finan­zierungen die Lösung bilden. Eine ­Antwort hierauf ist, in Ermangelung einer letztgültigen Ausgestaltung der Ausgabenund Schuldenbremse, nur bedingt möglich. Klassische Finanzierungsgeschäfte, wie Darlehen und Kassenkredite erhöhen den Schuldenstand und sind demnach davon erfasst. Kapitalmarktorientierte Finanzierungen, wie Anleihen und Schuldscheindar­lehen, begründen ebenfalls eine vertragliche Schuld der Stadt oder Gemeinde und werden i.d.R. in den Rechnungsabschlüssen im Schuldendienstnachweis angeführt. Es ­handelt sich dann um öffentliche Finanzschulden, wenn sie nicht in den Gebührenhaushalten und wirt-schaftlichen Unternehmungen anfallen.

„Alternative Finanzierungen können den Gemeinden mehr Handlungsspielraum verschaffen.“ Der Vertrag muss stimmen

Es bleiben daher jene Finanzierungskonstel­ lationen, die weitestgehend außerhalb der kommunalen Haushalte abgewickelt werden. Dies betrifft v.a. Public-Private-PartnershipModelle (PPP), sofern sie nicht der Stadt oder Gemeinde zuzurechnen sind. Dies ist aber nur dann der Fall, wenn vertraglich die 6

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Gemeinde als ­reiner Leistungsbezieher gestellt ist und nicht mit versteckten Ausfallshaftungen oder Sicherheiten für Risiken gerade stehen muss. Diese Zurechnungsfrage der Risikoverteilung muss daher bereits in der Initiierungsphase eines PPP-Projektes vertraglich genau ausbedungen werden, v.a. welcher Vertragspartner das Bau-, das Ausfalls- und das Nach­fragerisiko trägt. Somit ist zumeist weniger die Art des Modells, sondern die Ausgestaltung des Vertrages ausschlaggebend. Nicht unerwähnt sollte aber bleiben, dass Potentiale bestehen. Vor allem dann, wenn Private Leistungserbringung auf erfolgsabhängiger Basis mit einer Gemeinde koope­ rieren. Dies ist zum Beispiel bei Energie-Einspar-Contracting-Modellen der Fall, welche im Bereich kommunaler Bäderanlagen zur Anwendung gelangen können. Hierbei werden durch ein spezialisiertes Unternehmen die möglichen Einsparungspotentiale kalkuliert, die Optimierungsmaßnahmen – etwa in Form neuer, energie­ärmerer Anlagetechnik – realisiert und auch vorfinanziert. Der Gewinn für private Partner wird vertraglich als Prozentsatz der Energiekosteneinsparung für eine bestimmte Laufzeit vereinbart, das Risiko liegt somit beim Contracting-Nehmer. Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass der Stabilitätspakt die (Re-)Finanzierbarkeit des Investitionsstaus nicht erleichtern wird. So sind zwar vertraglich entsprechend aus­ gestaltete PPP-Lösungen geeignet, um Investi­tionen innerhalb der Vorschriften des Stabilitätspakts zu realisieren, es sollte jedoch bedacht werden, dass eine umfassende Risiko­überwälzung auf einen privaten Leistungserbringer sich in höheren Risikozuschlägen im Leistungsentgelt niederschlagen wird und damit auch für die Stadt oder Gemeinde einen monetären Gegenwert aufweist. Ob dann die kosteneffizienteste Lösung erreicht wird, ist von Projekt zu Projekt im ­Einzelfall zu prüfen. < Kommentar senden


GRUNDLAGEN FÜR POLITIK UND VERWALTUNG

Gemeinde-Haushaltsreform Drei-Komponenten-Rechnung oder Überleitungsmodell? von Peter Biwald und Alexander Maimer

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Peter Biwald

m aktuellen Entwurf zur VRV Neu (Voranschlags- und Rechnungsabschlussverordnung) wird analog zum Bundessystem auch für die Gemeindeebene die Übernahme der Drei-Komponenten-Rechnung vorgeschlagen. Als Alternative dazu wird vom Österreichischen Gemeindebund ein Überleitungs­system präferiert. Anschließend werden die beiden Modelle hinsichtlich ihrer Eckpunkte und damit verbundenen Vor- und Nachteile dargestellt.

Drei-Komponenten-Rechnung

Bei diesem Modell handelt es sich um eine integrierte Finanzierungs-, Ergebnis- und Vermögensrechnung. Die Finanz- und Ergebnisströme werden durchgehend dargestellt – vom Gesamthaushalt bis zu den Abschnitten und Unterabschnitten. Alexander Maimer

Die Finanz- und Ergebnisrechnung basiert auf der Querschnittsrechnung. Es werden dadurch von der Gesamtdarstellung bis zum Unterabschnitt – und damit zu den einzelnen Leistungsbereichen (z. B. Kinderbetreuung, Musikschule, Gemeindestraßen, Abwasserentsorgung) folgende wichtige Fragen beantwortet und somit wesentliche Informa­ tionen geliefert: • Was sind die Einnahmen/Ausgaben (bzw. Aufwendungen/Erträge) im laufenden Betrieb? • Was wird investiert? • Wie wird dies finanziert? Folglich ist für jeden Leistungsbereich (Unterabschnitt) diese Information auf ein bis zwei Seiten kompakt darstellbar. Derzeit wird dies getrennt im ordentlichen und außer­ ordentlichen Haushalt erfasst.

Die Vermögensrechnung ist von den Bewertungsgrundsätzen (Anschaffungs- bzw. Zeitwert) auf die Substanzerhaltung ausgerichtet. Es wäre allerding zielführend, wenn die Darstellung und Gliederung der Vermögensrechnung noch stärker den Charakter des Vermögens erkennbar macht, was in den bisherigen Entwürfen unzureichend erfolgt ist. Hier kann beispielsweise dahingehend unterschieden werden, ob das Vermögen verwertbar oder nicht verwertbar ist (z. B. bebaubare Grundstücke versus Straßen).

„Es gilt die Illusion der Kostendeckung zu reduzieren.“ Klare Sicht – Transparenz

Die Drei-Komponenten-Rechnung hat ein durchgehendes Buchführungssystem, so werden mit einem Buchungssatz die drei Systeme auf allen Ebenen gebucht. Mit der Ergebnisrechnung auf Ebene der Unterabschnitte (z. B. Gebührenhaushalte) werden sogenannte „Kostendeckungsillusionen“ reduziert. Der tatsächliche Ressourcen­ verbrauch (d. h. inkl. Abschreibungen) wird dargestellt. Damit wird transparenter, was beispielsweise die Kinderbetreuung tatsächlich kostet. Auch kann mit der Drei-KomponentenRechnung klar geregelt werden, wann ein Gemeinde­haushalt ausgeglichen ist bzw. wofür Schulden aufgenommen wer­den dürfen. Ein ausgeglichener Haushalt ist dann erzielt, wenn der Saldo 11 der Finanzierungsrechnung abzüglich der

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1 Saldo 1 gibt darüber Auskunft, inwieweit die laufenden Ausgaben von den laufenden Einnahmen gedeckt werden können.

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GRUNDLAGEN FÜR POLITIK UND VERWALTUNG

Abb. 1: Die DreiKomponentenRechnung illustriert dargestellt. Quelle: VRV Neu, Entwurf, KDZ 2015.

ERGEBNISHAUSHALT [entspricht GuV] = Ergebnisvoranschlag + Ergebnisrechnung

FINANZIERUNGSHAUSHALT [entspricht Geldflussrechnung] = Finanzierungsvoranschlag + Finanzierungsrechnung

VERMÖGENSHAUSHALT [entspricht Bilanz] = Vermögensrechnung (kein Voranschlag)

Schulden­tilgungen größer gleich Null ist. Finanz­schulden dürfen nur für Ausgaben der Vermögensgebarung aufgenommen werden, maximal in der Höhe des Saldos 2.2

Überleitungsmodell

Außer der verpflichtenden Vermögens­ rechnung bleibt vorerst alles beim Alten. Es wird in der – bisherigen – Differenzierung in ordentlichen und außerordentlichen Haushalt unterschieden. Das vertraute System bleibt bestehen. Beim Überleitungsmodell besteht ein geringerer Änderungsbedarf bei Gemeindeordnungen sowie Haushaltsordnungen.

„Mit der Drei-Komponenten-Rechnung ist ein einheitliches, transparentes Rechnungswesen möglich.“ Eine gesamthafte Sicht, nach den oben angeführten drei Komponenten ist nur auf oberster Ebene – dem Gesamthaushalt möglich, nicht in den einzelnen Leistungsbereichen. Die folgenden Fragen sind für die einzelnen Leistungsbereichen nicht auf einen Blick bzw. schwerer zu beantworten. 2 Saldo 2 zeigt das Ergebnis der Vermögensgebarung ohne Transaktionen.

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• • •

Was sind die Einnahmen/Ausgaben (bzw. Aufwendungen/Erträge) im laufenden Betrieb? Was wird investiert? Wie wird dies finanziert?

Die sich aus der Querschnittsrechnung ergebende Transparenz wird nicht genutzt. Am Jahresende wird eine Ergebnisrechnung aufgestellt. Die Gebührenhaushalte weisen wie bisher weiterhin nur Einnahmen und Ausgaben aus. Kostendeckungsillusionen werden weiter gefördert. Wie hoch der Zuschussbedarf in einzelnen Leistungsbereichen inkl. der Infrastrukturaufwendungen (Abschreibungsaufwand) ist, kann auf den ersten Blick nicht transparent gemacht werden. Was beispielsweise die Kinderbetreuung der Gemeinde kostet, ist aus Voranschlag und Rechnungsabschluss nicht ersichtlich. In diesem Modell wird mit Wiederbeschaffungswerten bewertet. Damit verbunden sind jährliche Bewertungsprobleme: Was ist der Wiederbeschaffungswert einer Schule in x-Jahren? Wie hat er sich im Vergleich zum letzten Jahr geändert? Hier bedarf es sehr detaillierter Leitfäden und Grundlagen zur Unterstützung der Gemeinden.


GRUNDLAGEN FÜR POLITIK UND VERWALTUNG

Resümee

Für eine Einheitlichkeit des öffentlichen Rechnungswesens spricht die Drei-Komponenten-Rechnung. Dies trifft sowohl für Bund-Länder-Gemeinden, wie auch für die kommunale Ebene selbst zu, da unabhängig von der Größe der Gemeinde das Rechnungswesen einheitlich wäre. Das Transparenzgebot erfordert eine ­kompakte Erfassung und Darstellung • von Finanz- und Ergebnisströmen in der laufenden Gebarung, • von Investitionen und deren Finanzierung, • von der Entwicklung von Vermögen sowie Schulden und Rücklagen. Dies wird durch die Drei-Komponenten-­ Rechnung mit der durchgehenden Querschnittsrechnung wesentlich besser erfüllt. Der Haushaltsausgleich sowie die Schulden­ regeln sind auch im Drei-Komponenten-­ System einfach und transparent zu definieren. Allerdings gibt es Veränderungen zum Status Quo – der ordentliche und der außerordentliche Haushalt sind in der bestehenden Form nicht mehr gegeben. Dies führt zu einer notwendigen Änderung in den rechtlichen Grundlagen und auch im Verständnis der Gemeindeführung. Transparenz bedeutet allerdings auch, das Ausmaß von Aufwandsdeckung und des Zuschussbedarfes in einzelnen Bereichen besser einschätzen zu können. Die DreiKomponenten-Rechnung leistet dafür mit der flächendeckenden Darstellung der Ergebnisrechnung einen wichtigen Beitrag. Beide Systeme bringen einen Umstellungsaufwand mit sich – sowohl im EDV-Bereich als auch in den Buchhaltungseinheiten der Gemeinden. Beides ist machbar. Wichtig ist, dass die VRV Neu auch beim Drei-Komponenten-System die kommunalen Erfordernisse noch stärker berücksichtigt – insbesondere hinsichtlich der Gliederung der

Vermögensrechnung und einfacher Bewertungsregeln für das Aktiva und Passiva. D. h. der vorliegende Entwurf wäre noch weiter­ zuentwickeln. Die Drei-Komponenten-Rechnung hat folgenden Zusatznutzen: • Mit der Querschnittsgliederung wird auf allen Haushaltsebenen kompakt auf ein bis zwei Seiten dargestellt, was im laufenden Betrieb übrig bleibt bzw. zu zuschießen ist, was investiert und wie das finanziert wird. • Mit der Ergebnisrechnung werden flächendeckend der Überschuss und Zuschussbedarf einschließlich der Infrastrukturaufwendungen dargestellt. Es wird ein einheitliches Rechnungswesen geschaffen – gebietskörperschaftsübergreifend wie auch auf kommunaler Ebene. Das Überleitungsmodell stellt eine Übergangslösung dar. Aus Sicht des Nutzens für die Weiterentwicklung des kommunalen Rechnungswesens ist der Umstieg auf die Drei-Komponenten-Rechnung zielführend. Daher ist einem einheitlichen neuen Rechnungswesen für alle Gemeinden der Vorzug zu geben, gegenüber einer Lösung, die im aktuellen Entwurf zur VRV Neu (§ 41) wie folgt lautet: Für Gemeinden unter 10.000 EinwohnerInnen sind „die Bestimmungen ­dieser Verordnung – bundesländerweise einheitlich – frühestens ab dem Finanzjahr 2017 und spätestens ab dem Finanzjahr 2020 anzuwenden.“ Dies kann acht unterschiedliche Lösungen für die Gemeinden bringen – der damit verbundene Nutzen ist nicht dar< stellbar und nachvollziehbar. Kommentar senden MEHR INFORMATIONEN ZUR VRV

www.bmf.gv.at/budget/finanzbeziehungen-zu-laendern-undgemeinden/neuevoranschlags-und-rechnungsabschlussverordnung.html

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Kommunale Wirkungsorientierung Die Position des KDZ konkret zusammengefasst. von Thomas Prorok, Peter Biwald und Alexander Maimer

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Thomas Prorok

Peter Biwald

un ist es klar. Die neue VRV (Voranschlags- und Rechnungsabschluss­ verordnung) wird ohne verpflichtender ­Wirkungsorientierung kommen. Das Finanzministerium hat Ende April einen Verordnungsentwurf zur Begutachtung ausgeschickt, der die Wirkungsorientierung nur für die per Verfassung vorgesehenen „Gleichstellungsziele von Mann und Frau“ vorschreibt. Aus heutiger Sicht heißt dies, dass das System „Wirkungsorientierung Bund“ für Städte und Gemeinden NICHT verpflichtend eingeführt wird. Ob jene Bundesländer, ­welche die Bundeshaushaltsreform voll­ ständig übernehmen (z. B. Steiermark), ihre Städte und Gemeinden über die Gemeindeordnungen zur wirkungsorientierten Verwaltungsführung verpflichten werden, steht noch zur Diskussion.

Zentraler Bestandteil des strategischen Managements

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Dies ist ein guter Zeitpunkt, um noch einmal die KDZ Position zur Wirkungsorientierung für Städte und Gemeinden anhand von acht Punkten zu konkretisieren.

Wirkungsorientierte Steuerung ist ein zentraler Bestandteil des strategischen Managements und sollte in jeder Stadt und ­Gemeinde zum Einsatz kommen. Die Frage „Was wollen wir erreichen?“ steht dabei am Beginn kommunaler Planungen und ist Leitlinie für die Leistungserbringung der Städte und Gemeinden. Dies ist wichtig, da es den Städten erlaubt, kommunale Entwicklungsschwerpunkte zu setzen und für diese zielgerichtet Budgetmittel bereitzustellen. Manche Städte und Gemeinden steuern schon im Sinne der Wirkungsorientierung: Balanced Scorecards, Kontraktsysteme, Strategien mit Umsetzungsmonitoring folgen einer wirkungsorientierten Steuerungslogik. Was fehlt sind die Verknüpfung mit dem ­Budget und die einheitlichen Standards, sodass nicht jede Gemeinde ihr eigenes ­System erfinden muss.

Geringe Anzahl an Zielen und Indikatoren

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Strategisch Steuern mit Wirkungsorientierung bedeutet, dass für kommunale Handlungsfelder wenige Wirkungsziele und Indikatoren definiert werden. Ein bis vier Wirkungsziele pro Handlungsfeld sind ausreichend. Die Gemeinde entscheidet, ob sie Wirkungsziele für alle oder – im Sinne einer strategischen Priorisierung – nur für ausgewählte Handlungsfelder definiert.

Wirkungsorientierung light

Abb. 1: Strategische Steuerung mit Wirkungen Quelle: Eigene Darstellung KDZ 2014, nach KGSt.

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Für kleine Gemeinden unter 2.000 bis 5.000 EinwohnerInnen reicht im Regelfall eine „Wirkungsorientierung light“. Hier werden insgesamt drei bis fünf Wirkungsziele definiert, welche die kommunalen Schwerpunkte der


GRUNDLAGEN FÜR POLITIK UND VERWALTUNG

nächsten Jahre umfassen. Diese können dem Budget vorangestellt und mit Entwicklungsschwerpunkten (z. B. Neubau einer Schule, Schaffung von Wohnraum) und ­Indikatoren konkretisiert werden.

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Integrierte Aufgaben und Finanzpläne

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Die Wirkungsziele sollten im Budget mit den kommunalen Leistungen verknüpft werden und eine rollierende mehrjährige Vorausschau aufweisen. Hier können die integrierten Aufgaben und Finanzpläne der Schweizer Kantone1 als Beispiel dienen.

Timing

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Zeitlich sollte die Wirkungsorientierung an die „Legislaturperiode“ der Stadt und Gemeinde andocken. Das heißt, dass sich die politischen Programme in den Wirkungszielen wiederfinden. Im Idealfall kann die Stadt­ regierung durch die Instrumente der ­wirkungsorientierten Steuerung das eigene Programm operationalisieren.

Kausalität

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Wirkungen sind zumeist schwer zu messen und oftmals ist die Kausalität (Verknüpfung von Ursache und Wirkung) nicht oder nur indirekt nachweisbar. Deshalb ist das Definieren von steuerungsrelevanten Indikatoren schwierig und es muss akzeptiert werden, dass viele Indikatoren nicht direkt von der kommunalen Ebene beeinflussbar sind. Daher müssen vor allem jene Maßnahmen und Indikatoren definiert werden, die beeinflussbar sind und die einen positiven Beitrag zum Wirkungsziel leisten. Im Kanton Aargau wird bei den Indikatoren unterschieden zwischen „direkt steuerbar“, „eingeschränkt steuer­bar“ und „nicht steuerbar“, was auch für eine österreichische Lösung übernommen werden sollte.

Relevanz

Leistungs- oder Output-Indikatoren sind streng genommen keine Wirkungsindikatoren2 . Sie messen das Ergebnis einer ­kommunalen Leistung oder Maßnahme, sind jedoch auch zulässig. Ausschlagge­bend ist die Relevanz der Indikatoren für das Wirkungsziel, das heißt, ob ein positiver Beitrag zu einem Wirkungsziel erfasst ­werden kann.

Wirkungsziele sind nach außen gerichtet

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Alexander Maimer

Wirkungsziele beziehen sich auf das nach außen gerichtete Handeln der Stadt und Gemeinde (BürgerInnen, Gesellschaft, Stake­holder). Ziele für die interne Steuerung (Support, MitarbeiterInnenführung etc.) sind keine Wirkungsziele im eigentlichen Sinn und sollten deshalb nicht zur wirkungsorientierten Steuerung verwendet werden.

„Eine Verwaltung, die über Wirkungsorientierung gesteuert wird, erfordert eine Änderung der Kultur.“ Zum besseren Verständnis wird hier das Handlungsfeld (Aufgabenbereich) Standortförderung aus dem Aufgaben- und Finanzplan des Kantons Aargau3 dargestellt. Der Kern der Wirkungsorientierung liegt im Kapitel „Ziele und Indikatoren“. Hier sind die Wirkungsziele „Was wollen wir erreichen?“ definiert und mit Indikatoren zur Messung der Zielerreichung versehen. Ausgewählte Wirkungsziele sind: • Der Kanton Aargau ist ein attraktiver Standort. • Die Neuansiedlungen erfolgen vorwiegend in wertschöpfungsstarken Branchen. • Das Jungunternehmertum im Kanton Aargau wird gefördert. >

1 siehe Kanton Aargau 2 z. B. Anzahl von Betriebsansiedelungen, Anzahl oder Anteil der unter Dreijährigen in elementaren Bildungs- und Betreuungseinrichtungen, Anzahl von TeilnehmerInnen bei Veranstaltungen, … 3 Die Zuständigkeiten von Schweizer Kantonen sind grundsätzlich umfassender als jene österreichischer Städte. Das ausgewählte Handlungsfeld ist jedoch mit den Kompetenzen in Österreichs Städten und Gemeinden vergleichbar.

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GRUNDLAGEN FÜR POLITIK UND VERWALTUNG

• Die touristischen Angebote im Tages­ tourismus sind vernetzt und werden gemeinsam vermarktet. Abbildung 2 zeigt, wie das Ziel „Der Kanton Aargau ist ein attraktiver Standort“ in den Budgetunterlagen dargestellt wird. Die Indi­ka­ toren (Zahl der Unternehmen, Unternehmensbesuche, Standortpflegeprojekte) konkretisieren das Ziel. In der Mehrjahresplanung zeigen sie zum einen was Aargau unternimmt, um das Ziel zu erreichen (z. B. Unternehmensbesuche) und zum anderen, was Aargau erreichen will (z. B. Zahl der Unternehmen in Aargau). Die Kategorisierung der Indikatoren in „direkt steuerbar“, „eingeschränkt steuerbar“ und „nicht steuerbar“ zeigt, in welchem Ausmaß Aargau die Wirkung „Standortattraktivität“ beeinflussen kann.

„Wirkungsziele, Maßnahmen und Indikatoren sollen mit dem Budget verknüpft werden.“

Kommunale Wirkungsorientierung in Österreich

Wie kann nun ein wirkungsorientiertes ­Steuerungssystem in Österreichs Städten aus­sehen? Ausgehend von der funktionalen Gliederung und dem Verordnungsentwurf der VRV werden zehn Bereichsbudgets (Gruppen 0-9) auszuweisen sein, welche bedarfs­ orientiert in Globalbudgets (Abschnitte) aufgeteilt werden können. Es macht demnach Sinn, die Wirkungsinformationen (Wirkungsziele, Maßnahmen, Indikatoren) mit dieser Struktur zu verknüpfen. Für kleinere Gemeinden (unter 2.000 bis 5.000 EW) kann eine Wirkungsorientierung light zum Einsatz kommen4. Eine eindeutige Zuordnung zu den Gruppen und Abschnitten (VRV neu: Bereichsbudgets, Globalbudgets) erfolgt nicht. Ein Verweis auf die relevanten Wirkungsziele bei den Bereichsbudgets im Voranschlag ist jedoch sinnvoll.

4 Vgl. Punkt 3 in diesem Artikel

Abb. 2: Aufgaben und Finanzplan Kanton Aargau 2015-2018.

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Quelle: ebd. S 75.


GRUNDLAGEN FÜR POLITIK UND VERWALTUNG

Im Regelfall der kommunalen Wirkungsorientierung sollten die Wirkungsinformationen in das Budget integriert werden. Dies ist auf Ebene der Gruppen und Abschnitte (VRV neu: Bereichsbudgets, Globalbudgets) möglich. Wichtig ist es jedoch eine Priorisierung vorzunehmen. Nicht für alle Bereichsbudgets müssen Wirkungsziele definiert werden, sondern diese sollen den strategischen Schwerpunkten (kommunale Handlungsfelder) der Stadt entsprechen. Hier stehen Nutzen, Qualität und Umsetzbarkeit der Wirkungsorientierung im Vordergrund und nicht der alleinige Fokus auf Vollständigkeit.

Abb. 3: Wirkungsorientierung light

Quelle: KDZ 2015.

Mut zur Lücke

Dies kann zu Lücken führen, sodass einzelne Bereichsbudgets keine Wirkungsinforma­ tionen aufweisen, oder dass sich diese in den Globalbudgets finden. Auch die Zuordnung von Wirkungsinformationen zu mehreren Bereichs- oder Globalbudgets muss möglich sein. Die kommunale Wirkungsorientierung ist demnach deutlich schlanker und zielgerichteter als das oftmals diskutierte „System Bund“. Städte und Gemeinden Abb. 4: Kommunale Wirkungsorientierung Quelle: KDZ 2015. mit Leitbildern, Strategien oder ähnlichem haben schon die Basis für eine kommunale Wirkungssteuerung gelegt. Aus ­diesen mit der kommunalen Wirkungsorientierung ­Dokumenten lassen sich die prioritären erreicht ohne den Verwaltungsaufwand zu ­kommunalen Handlungsfelder ableiten ausufern zu lassen. Allerdings ist nicht ausund Wirkungsziele definieren. zuschließen, dass Städte und Gemeinden die kommunale Wirkungsorientierung mittelfristig Die entstehenden Lücken können in Kauf auch umfassender umsetzen werden. < genommen werden. Die wichtigsten Ziele der Wirkungsorientierung sind bessere Steuerung und mehr Transparenz. Diese werden Kommentar senden

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GRUNDLAGEN FÜR POLITIK UND VERWALTUNG

Gerechtes Wohnen

Investitionen in die Gesellschaft am Beispiel des Wiener Gemeindebaus. von Alexandra Schantl

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ute Wohnverhältnisse und ausreichend Wohnraum sind zentrale Indikatoren für Lebensqualität und gesellschaftlichen Zu­­sam­menhalt. Eine Studie des KDZ untersuchte den Public Value des Wiener Ge­mein­ de­baus und kommt zu dem Schluss, dass die nachgewiesenen sozialen, öko­nomischen, ökologischen und gesellschaftlichen Wirkun­ gen maßgeblich zur wirtschaftlichen, sozialen und gesellschaftlichen Kohäsion Wiens beitragen. Wohnen als unverzichtbares Grundbedürfnis zeichnet sich im Gegensatz zu anderen Gütern dadurch aus, dass es unersetzbar ist. Der freie Markt allein schafft es in der Regel nicht, die Bevölkerung mit ausreichend leistbarem Wohnraum zu versorgen. Ein Eingreifen der öffentlichen Hand ist aber auch aus verteilungspolitischen Gründen gerechtfertigt und notwendig. Der demografische Wandel und gesellschaftliche Herausforderungen erschweren es den öffentlichen Gewähr­ leisterInnen allerdings zunehmend, der Bevölkerung bedarfsgerechten Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Auch gesetzliche Umweltauflagen, knappe öffentliche Res­ sourcen, hohe Anforderungen der Wohn­ bauförderung und nicht zuletzt das EU-Wettbewerbsrecht schränken den Handlungsraum der kommunalen Wohnungswirtschaft in Österreich immer mehr ein.

„Public Value ist die kombinierte Ansicht der Gesellschaft darüber, was sie als wertvoll erachtet.“ [frei nach Colin Talbot]

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KDZ FORUM PUBLIC MANAGEMENT #1 2015

Der Wiener Gemeindebau

Eine einzigartige Rolle spielt dabei die Stadt Wien. Wiener Wohnen – eine Unternehmung der Stadt Wien ist nicht nur Österreichs, sondern auch Europas größte Hausverwaltung. Innerhalb Österreichs unterscheidet sich die Struktur des Wohnungsbestandes in Wien wesentlich von jener der anderen Bundesländer. Einerseits ist sie geprägt von einem im Verhältnis relativ geringen Anteil von Hausund Wohnungseigentum, andererseits liegt der Anteil der Gemeindewohnungen mit einem guten Viertel des Gesamtwohnungsbestandes deutlich über dem österreichischen Durchschnitt mit 16 Prozent. Somit wohnt jede vierte Wienerin bzw. jeder vierte Wiener in einem Gemeindebau. Dementsprechend betreffen den Wiener Gemeindebau die bereits genannten Herausforderungen besonders. Dies auch deshalb, weil die Wiener Bevölkerung bis zum Jahr 2035 auf prognostizierte zwei Millionen Einwohnerinnen und Einwohner anwachsen wird und dafür jährlich zusätzliche 10.000 bis 15.000 Wohnungen benötigt werden. Vor diesem Hintergrund ist es umso wichtiger, den gesellschaftlichen Mehrwert oder Public Value des Wiener Gemeindebaus zusätzlich zum eigentlichen Nutzen der Wohnbedarfsdeckung für primär einkommensschwächere Bevölkerungsgruppen darzustellen und nach außen sichtbar zu machen.

Der Public Value

Um den Public Value des Wiener Gemeindebaus zu definieren und zu erfassen, wurde ein Modell entwickelt, dem folgende zentrale Fragestellungen zu Grunde liegen:


GRUNDLAGEN FÜR POLITIK UND VERWALTUNG

• die Rolle des Wiener Gemeindebaus als Wirtschaftsfaktor; • die Rolle des Wiener Gemeindebaus als Stabilitätsfaktor für den Wohnungsmarkt in Wien; • die Rolle des Wiener Gemeindebaus unter dem Aspekt der sozialen Integration; • die Rolle des Wiener Gemeindebaus unter dem Aspekt der ökologischen Nachhaltigkeit.

Zur Messung des Public Values wurden sowohl quantitative als auch qualitative ­Indikatoren herangezogen, wobei das Indi­ katorensystem so konzipiert wurde, dass von den einzelnen gewünschten Wirkungen ausgegangen wurde. Für diese Wirkungen wurden jeweils ein oder mehrere Indikatoren bestimmt.

Zentrale Ergebnisse

Das Public Value Modell basiert auf dem ­fünfdimensionalen Modell für den öffentlichen Sektor von Tony Bovaird1 und wurde für den Wiener Gemeindebau weiterentwickelt (siehe dazu Artikel Gemeinwohl, FPM 03/2014, S.4ff).

Public Value des Wiener Gemeindebaus übergeordnete Ziele

1 Bovairds Modell unterscheidet folgende Dimensionen: (1) den direkten Wert für die NutzerInnen („user vaule“), (2) den Wert/ Nutzen für andere Zielgruppen im direkten Umfeld, (3) den politischen Wert/Nutzen, (4) den sozialen Wert/Nutzen und (5) den Wert/Nutzen für die Umwelt. (Vgl. Bovaird, 2008, S. 260 – 270).

Der Wiener Gemeindebau generiert aufgrund der festgestellten sozialen, ökonomischen, ökologischen und gesellschaftlichen Wirkungen auf sein Umfeld einen bedeutenden Public Value. >

politische Zielsetzungen Daseinsvorsorge: Wohnversorgung

Sozialer Ausgleich (Distribution)

Stabilisierung (Arbeits- und Wohnungsmarkt)

nachhaltige Raumentwicklung

Erhaltung und Verbesserung Lebensqualität

WIENER GEMEINDEBAU direkte Wirkungen

Wert für die BewohnerInnen und AkteurInnen STAKEHOLDER VALUE BewohnerInnen

(leistbares, qualitativ hochwertiges Wohnen, Wohnsicherheit)

Wiener Wirtschaft (Beschäftigung, Beständigkeit, …)

Stadt Wien / Wiener Wohnen

(sparsamer Mitteleinsatz, Kontrolle und Steuerung, Beständigkeit, …)

Wirkungen

indirekte Wirkungen

Wert für das Umfeld und die Gesellschaft PUBLIC VALUE sozial

ökonomisch

Bedarfsorientiertes Wohnungsangebot / Wohnversorgung

Sparsamer Mitteleinsatz (Reinvestition) und Stetigkeit

Wohnqualität und Leistbarkeit

Abb. 1: Ziele und Nutzen des Wiener Gemeindebaus (Wiener Wohnen) – Übersicht Quelle: eigene Darstellung, KDZ 2014.

Verbesserte Teilhabechancen benachteiligter Gruppen Armutsprävention

ökologisch

räumlich

Versorgung mit Grün- und Erholungsflächen

gesellschaftlich Soziale, demographische und ethnische Vielfalt

Beschäftigung und Wertschöpfung

Erhöhte Energieeffizienz sparsamer Ressourceneinsatz

Attraktives Wohnumfeld Aufwertung von Stadtteilen

Stärkung der Gemeinschaft und Integration

Stabiler Wohnungsmarkt (Mietenniveau, Wohnsicherheit)

Verminderung SchadstoffEmissionen und Imissionen

Vermeidung von Segregation und deren Folgen für die Entwicklung von Stadtteilen

Erhöhte Wohnzufriedenheit

©KDZ, 2014.

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GRUNDLAGEN FÜR POLITIK UND VERWALTUNG

Leistbar und sozial

Der Wiener Gemeindebau garantiert leistbares Wohnen und Wohnsicherheit in ganz Wien. Private Mieten sind bei Neubezug fast doppelt so teuer wie Gemeindewohnungen. Ein Neubezug ohne Zusatzkosten sowie unbefristete Mietverhältnisse garantieren vor allem auch einkommensschwächeren Bevölkerungsgruppen stabile Wohnverhältnisse. Die regulierten Mieten und das große Angebot wirken sich zudem preisdämpfend auf die freien Mieten aus und senken das allgemeine Wiener Mietpreisniveau. Als einziger Anbieter von leistbarem Wohnraum, auch für sozial stark benachteiligte Menschen, vermindert der Wiener Gemeindebau sichtbare Armut und Obdachlosigkeit und schützt sozial benachteiligte Menschen vor der Armutsfalle. Da die Gemeindebauten über ganz Wien verteilt sind und die Mietkonditionen in allen Bezirken unabhängig von Lage und Bezirk gleich sind, können ethnische und soziale Segregation abgefedert werden.

„Wien hat im Vergleich zu anderen europäischen Städten kaum Obdachlosigkeit, keine Armutsviertel oder unsichere Bezirke.“ Umwelt und Erholungsraum

Die großen Frei- und Grünflächen des Wiener Gemeindebaus2 stellen vor allem in den inneren, dicht bebauten Bezirken wichtige zusätzliche Erholungsflächen für die gesamte Wiener Bevölkerung dar. Durch Sanierungstätigkeiten wird der jährliche CO2-Ausstoß in ganz Wien um drei Prozent verringert und der jährliche Wiener Raumwärmebedarf um ein Prozent gesenkt.

Arbeitsplätze

600 Millionen Euro Investitionen im Jahr 2012 erzielten einen Beschäftigungseffekt von 7.200 Arbeitsplätzen im Großraum Wien. Mit den 3.800 Beschäftigten der Unternehmung Stadt Wien – Wiener Wohnen werden somit 11.000 Arbeitsplätze jährlich gesichert.

Vielfalt und Integration

Durch seine BewohnerInnenstruktur (Alter und Herkunft) ist der Wiener Gemeindebau ein wesentlicher Träger der kulturellen Vielfalt und des durchmischten Wohnens in Wien. Er unterstützt damit maßgeblich den gesellschaftlichen Integrationsprozess.

International beispielhaft

Wien verfügt mit rund 580 Wohnungen je 1.000 Einwohnerinnen und Einwohner über ein deutlich größeres Wohnungsangebot als Prag, Budapest oder Hamburg, primär durch den hohen Anteil an Gemeindewohnungen. Durch die Verteilung der Gemeindebauten auf das gesamte Stadtgebiet hat Wien im internationalen Vergleich eine sehr ausge­ wogene sozialräumliche Stadtstruktur. Auch unter dem Aspekt, dass „gerechtes Wohnen “3 nicht nur Verfügbarkeit und Leistbarkeit, sondern auch adäquaten Wohnraum für einkommensschwächere Menschen in attraktiven Stadtteilen meint, gilt es, den nachgewiesenen Public Value des Wiener Gemeindebaus nachhaltig zu sichern. Denn nicht zuletzt aufgrund des hohen Anteils an Gemeindebauten kann Wien als „gerechte Stadt“4 bezeichnet werden. <

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2 700 Hektar Grünflächen machen beinahe ein Zehntel aller kultivierten Grünflächen Wiens aus. 3 Vgl. Gutheil-Knopp-Kirchwald, Gerlinde; Kadi Justin: Gerechte Stadt – gerechte Wohnungspolitik? In: Der öffentliche Sektor – The Public Sector, Vol. 40 (3-4) 2014, S. 11-28. 4 In der „gerechten Stadt“ sind öffentliche Interventionen vorzusehen, die vor allem die Situation von benachteiligten Haushalten verbessern (soziale Stadtentwicklung). Sozialer Ausgleich, Vielfalt und Demokratie als Prinzipien einer gerechten Stadt. (vgl. Gutheil-Knopp-Kirchwald, Gerlinde; Kadi Justin: Gerechte Stadt – gerechte Wohnungspolitik? In: Der öffentliche Sektor – The Public Sector, Vol. 40 (3-4) 2014, S. 11.

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GRUNDLAGEN FÜR POLITIK UND VERWALTUNG

Finanzierung der Kinderbetreuung Städte und Gemeinden müssen weiterhin in die Zukunft der Kinder investieren können. von Karoline Mitterer und Anita Haindl

Die Kinderbetreuung ist ein stark dynamischer Ausgabenbereich, der auch in Zukunft einen hohen Investitionsbedarf aufweisen wird. Wesentlicher Grund hierfür sind die 15a-Vereinbarungen zum Gratis-Kinder­ garten und zum Ausbau des Kinderbetreuungsangebotes. Es ist dabei von großer Karoline Mitterer

­Bedeutung, dass dieser Bereich auch in ­Zukunft – z. B. über einen aufgabenorien­ tierten Finanzausgleich – finanzierbar bleibt.

Anita Haindl

Der Kinderbetreuungsbereich stellt mit 5,4 Prozent der Gesamtausgaben einen wesentlichen Ausgabenbereich der Gemeinden dar. Die Ausgabendeckung liegt dabei nur bei einem Drittel. Lag der Zuschussbedarf im Jahr 2008 noch bei 730 Mio. Euro, so erhöhte er sich bis 2013 auf 1,154 Mrd. Euro.1 In den letzten zehn Jahren haben sich die Ausgaben im Kinderbetreuungsbereich verdoppelt (siehe Abbildung 1 auf Seite 18). Während die Entwicklung bis zum Jahr 2007 moderat ver­lief, kam es ab 2008 zu einem sehr markan­ten Ausgabenanstieg. Den Wende­punkt ­brachten die ­Einführung halb­ tägig kostenloser und ­verpflichtender frühen Förderung in institu­tionellen Kinderbe­ treuungseinrichtungen sowie die frühe sprachliche Förderung.

„Finanzierung der Kinderbetreuung muss über einen aufgabenorientierten Finanzausgleich geregelt werden.“

Unterschiede in den Bundesländern

Die Ausgabenbelastung unterscheidet sich dabei je nach Bundesland (Abbildung 2 auf Seite 18). So differiert sowohl die Gesamt­ höhe der Ausgaben als auch die Ausgabenstruktur. Der Anteil an privaten Einrichtungen – und damit auch die Transferzahlungen der Gemeinden an private Organisationen – ­variiert stark. Doch auch die Personalaus­ gaben pro betreutem Kind (gewichtet)2 unterscheiden sich voneinander. Das kann unter anderem auf unterschiedliche Leistungsstandards zurückgeführt werden, wie z. B. Gruppen­größen und Betreuungsschlüssel. In Nieder­österreich werden die Kosten für das pädagogische Personal vom Land ge­tragen, wodurch hier die niedrigsten Personalaus­gaben bestehen. In Wien ­müssen bei der Interpretation der Ausgabenstruktur die Trägerstruktur (hoher Anteil an privaten Trägern) und höhere Leistungsstandards berücksichtigt werden (z. B. weniger Schließtage, längere Öffnungszeiten).

Hoher zukünftiger Investitionsbedarf

Auch für die Zukunft ist von einem weiteren Investitionsbedarf auszugehen. Insbesondere für die Betreuung der unter 3-Jährigen bedarf es noch weiterer Plätze, um das BarcelonaZiel einer Versorgungsquote von 33 Prozent zu erreichen. Schätzungen zum weiteren Investitionsbedarf differieren dabei je nach Zielsetzung und Entwicklungspfad deutlich. So hätten die bereits jetzt bestehenden ­Netto-Ausgaben für den Bereich der 0- bis 2-Jährigen in der Höhe von rund

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1 Siehe hierzu eigene Berechnungen KDZ 2015 auf Basis Statistik Austria: Gemeindefinanzdaten 2013. 2 Gewichtet nach Halbtags- oder Ganztagsbetreuung (Verhältnis Ausgaben Halbtagsplatz zu Ganztagsplatz liegt bei 0,65 zu 1) sowie nach Altersstufen (Verhältnis Ausgaben Kinder 0- bis 2-Jährig zu Kinder 3- bis 5-Jährig liegt bei 2:1) – Gewichtung basiert auf den, vom KDZ durch­geführten interkommunalen, Kennzahlenvergleichen im Kinderbetreuungsbereich.

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Abb. 1: Entwicklung der Ausgaben der Gemeinden (inkl. Wien) im Kinderbetreuungsbereich, 2003 bis 2013 Quelle: KDZ: eigene Berechnung 2015 auf Basis Statistik Austria: Kindertagesheimstatistik 2013/2014 und Gemeindefinanzdaten 2003 bis 2013. Anmerkung: Sonstige Ausgaben ohne Postengruppe 961 bis 968 (Soll-/Ist-Abwicklungen)

196 Mio. Euro um zusätzliche rund 87 Mio. Euro3 erhöht werden müssen, um im Jahr 2013 eine Betreuungsquote von 33 Prozent zu erreichen. Geht man von der Annahme aus, dass zusätzliche Betreuungsplätze nur durch die Neuerrichtung von Gruppenräumen möglich sind, erhöhen sich die Mehraus­ gaben auf 597 Mio. Euro.4

„Zukünftige Investitionen müssen nach wie vor möglich bleiben.“ Transferentflechtung und Wirkungsziele

Die Aufgaben-, Ausgaben- und Einnahmenverantwortung liegt im Kinderbetreuungs­ bereich nicht in einer Hand. So wird die

­ ufgabenverantwortung in erster Linie durch A die Länder über die Vorgabe der Rahmen­ bedingungen bestimmt. Die rechtlichen Grundlagen ergeben sich aber auch durch die 15a-Vereinbarungen (teils über den Bund). Die eigentliche Aufgaben- und Aus­ gabenverantwortung wird letztlich durch die Gemeinden getragen, wenngleich ein Teil der Ausgaben durch Landesförderungen (für das pädagogische Personal) bzw. die Mittel aus den 15a-Vereinbarungen zur Kinderbetreuung abgegolten werden. Der verbleibende Zuschussbedarf muss von den Gemeinden über den allgemeinen Haushalt (Ertragsanteile und eigene Abgaben) gedeckt werden. Um die komplexen Verflechtungen zu reduzieren, wäre daher ein Entfall der laufenden Länderzuschüsse an die Gemeinden notwendig (im Abtausch gegen Ertragsanteile).

3 Berechnung basiert auf den durchschnittlichen Ausgaben pro betreutem Kind im Jahr 2013. 4 Angenommener Errichtungspreis von 280 Tsd. Euro pro Gruppe – basierend auf BKI Objektdaten 2012. Um zusätzlich 27.924 Kinder zu betreuen, wären bei einer durchschnittlichen Gruppengröße von 13,1 Kindern im Krippenbereich insgesamt 2.131 neue Gruppen notwendig (gemäß Kindertagesheimstatistik 2013).

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Abb. 2: Ausgabenstruktur der Gemeinden nach Bundesland, 2013 Quelle: KDZ: eigene Berechnung 2015 auf Basis Statistik Austria: Gemeindefinanzdaten 2013. Anmerkung: Private Organisationen umfassen private institutionelle Einrichtungen und Tageseltern. Sonstige Ausgaben ohne Postengruppe 961 bis 968 (Soll-/Ist-Abwicklungen)

Weitere Aspekte sind die derzeit sehr unterschiedlichen Leistungs- und Ausgaben­ niveaus in den Bundesländern sowie nach Gemeindegrößen. Zentrale Leistungsmerkmale (z. B. Gruppengröße, Öffnungsstunden, Schließtage) sind in hohem Maße unterschiedlich ausgeprägt und auch die regionale Versorgung mit Kinderbetreuung ist sehr verschieden. Eine verstärkte Koordination des Leistungsangebotes und eine verbesserte regionale Abstimmung der Grundversorgung wären hierbei notwendig. Insbesondere sollten Entwicklungskonzepte im Kinderbetreuungsbereich aus den einzelnen Ländern mit einem gesamtstaatliche Konzept abgestimmt werden.

Finanzierung aufgabenorientiert sichern

Aufgrund unterschiedlicher Rahmenbedingungen (z. B. Ausmaß der Zentralörtlichkeit, Zugehörigkeit zu einem Bundesland) ent­ stehen bei den Gemeinden verschiedene Ausgabeninten­sitäten. Diese ließen sich im

Rahmen eines aufgabenorientierten Finanzausgleichs abgelten. Zusätzlich können damit Anreize zum Ausbau der Kinderbetreuungskapazitäten gesetzt werden, indem höhere Leistungsangebote belohnt werden. Als aufgabenbezogener Indikator kommt dabei in erster Linie die Zahl an betreuten Kindern in Frage. Dabei ist jedoch eine Differenzierung nach Altersgruppen und Betreuungsdauer sinnvoll. Auch eine gesonderte Berücksichtigung höherer Leistungsangebote (z. B. geringe Anzahl von Schließtagen, ­lange Öffnungszeiten) oder besonderer Lasten (z. B. hoher Anteil an Kinder mit nichtdeutscher Erstsprache) wäre im Sinne einer besseren Gesamtsteuerung. >

„Entwicklungskonzepte in der Kinderbetreuung sowie Leistungsstandards sollten gesamtstaatlich abgestimmt werden.“ #1 2015 KDZ FORUM PUBLIC MANAGEMENT

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Neben der laufenden Finanzierung sind ­programmatische Förderungen mit einem gezielten Aufgaben- bzw. Wirkungsbezug sinnvoll. Mögliche Zielsetzungen wären hierbei die bereits jetzt bestehende Ausbauoffensive, eine enge Verknüpfung mit einem koordinierten Ausbauplan nach Regionen oder einer verstärkten interkommunalen/interregionalen Kooperation.

Kinderbetreuungsbereich als Herausforderung

Ausbau der Kinderbetreuung. Durch eine ­verstärkt aufgabenorientierte ­Mittelverteilung über die Ertragsanteile – bei gleichzeitigem Entfall der laufenden Landesförderungen – wären eine intensive Ver­knüpfung von Wirkungszielen und bundesweit ­einheitlichen Leistungsstandards möglich. Gleichzeitig könnte die Finan­zierbarkeit des steigenden Kinderbetreu­ungs­angebotes sichergestellt werden. < Kommentar senden

Letztlich tragen die Gemeinden einen wesentlichen Teil der Verantwortung zum

VORANKÜNDIGUNG KDZ LEHRGANG

Beteiligungsmanagement

Ausgliederungen mit effektivem Gewährleistungsund Beteiligungsmanagement 29. September bis 24. November 2015

Verwaltungsreformen wie auch die finanzielle Situation von Bund, Ländern, Städten und Gemeinden haben in den letzten Jahren verstärkt zu Ausgliederungen geführt. Damit verbunden sind die Anforderungen an die Steuerung externer Leistungserbringung gestiegen. Ein effektives Gewährleistungs- und Beteiligungsmanagement gewinnt daher an Bedeutung. Mit diesem Lehrgang soll eine gebietskörperschaftsübergreifende Weiter entwicklung gefördert werden. Dauer: • 3 Module zu insgesamt 6 Lehrgangstagen • Rahmenzeit: jeweils von 09:00 bis 17:00 Uhr • zusätzlich 3 Abendeinheiten, jeweils am 1. Modultag Modul 1: Strategisches Beteiligungsmanagement Modul 2: Rechtliche Grundlagen und Analysetools Modul 3: Instrumente des Beteiligungsmanagement Vortragende: Mag. Peter Biwald, Mag.a Bettina Infeld-Handl, MPA, Dr. Reinhard Kautz, LL.M. (LSE), DI Gerald Maurer, Mag. a Dr.in Verena Michalitsch, Ursula Palle-Futschik, MSc, Dr. Christian Rudischer, Mag.a Julia Seeger Information/Anmeldung: Eva Wiesinger, MBA Tel: + 43 1 89234 92-16 Detaillierte Informationen erhalten Sie unter www.kdz.or.at/seminarprogramm

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Organisationsberatung Ein Überblick zwischen Experteneinschätzung und Prozessbegleitung. von Klaus Wirth und Alexander Maimer

D

Klaus Wirth

Alexander Maimer

ie Vorstellungen darüber, wie eine ­wirksame und wirtschaftliche Verwaltungsorganisation ausgestaltet sein soll, haben sich seit den weit zurückliegenden Überlegungen von Frederick Taylor1 vielfach verändert; zuletzt hat die Reformdebatte des New Public Managements die Meinungen darüber, wie eine ideale Organisationen ­ausgestaltet sein sollte, nochmals grund­ legend verändert.

In einem früheren Beitrag FPM 3/2009 haben wir bereits darauf hingewiesen, dass sich die Beratungsgegenstände und auch die Herangehensweisen in den letzten Jahren grundsätzlich sehr verändert haben: Neben klassischer externer Einschätzung und Beratung steht immer häufiger die Begleitung von Organisationsentwicklungsprozessen oder auch organisatorischen Lernprozessen im Vordergrund.

Diese strukturellen Vorstellungen sind eine wichtige Rahmenbedingung der Organisa­ tionsentwicklung; die Art und Weise, wie es gelingen kann, eine Organisation zu verändern und zu verbessern eine weitere. Insofern überrascht kaum, dass auch die Standpunkte zur Organisationsentwicklung sich parallel zu den strukturellen Vorstellungen und mit dem sich verändernden Bild von Organisation kontinuierlich weiterentwickelt und verändert haben. Insbesondere das systemorientierte Denken hat hierbei einen großen Einfluss darauf gehabt, wie wir heute Organisationsentwicklung sehen und praktizieren. Organisationen zu verändern ist ­niemals trivial; das Wissen um Verbesserungsmöglichkeiten in aller Regel erst der Beginn und keinesfalls das Ende eines ­Organisationsprojekts.

„Organisation ist ein Mittel, die Kräfte des Einzelnen zu vervielfältigen.“

Und so ist die Form der Organisations­ beratung und damit auch die Art und Weise der beratenden Interventionen – wie wir sie im KDZ praktizieren – letztlich immer abhängig von der Aufgabenstellung und den Zielsetzungen unserer Kundinnen und Kunden. Gleichzeitig kann auf eine Vielzahl von methodischen Ansätzen zurückgegriffen ­werden.

[Peter F. Drucker]

Inhaltliche Veränderungen sind etwa der­ gestalt zu sehen, dass umfassende und gesamthafte Modernisierungsprojekte, die alle Bereiche der Organisation betreffen, eher seltener werden. Sie standen vor allem im Kontext der zurückliegenden New Public Management Diskussion und deren breiten Modernisierungsansatz. Inzwischen haben thematisch engere und stärker fokussierte Projekte (Fokus eine Abteilung, ein Auf­ gabenbereich) wieder an Bedeutung ge­wonnen. Gleichzeitig hat über die Jahre das methodische Know-how in den Städten und Gemeinden weiter zugenommen (Weiterbildung wirkt, Aufnahme junger MitarbeiterInnen bringt neue Sichtweisen und Fähigkeiten in die Organisationen). Die Anforderungen an die externe Unterstützung haben sich damit auch verändert. > 1 Frederick Winslow Taylor (1856–1915) gilt als Begründer der Arbeitswissenschaft.

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Aktuelle Themenstellungen und neue Zugänge

Einige Veränderungen die wir wahrnehmen, möchten wir im Folgenden noch etwas weiter ausführen: Erarbeiten von professionellen Organi­sa­t­ionsgrundlagen: Aktuelle, auf die Bedürfnisse der Organisation ausgerichtete Grundlagen sind ein wesentlicher Dreh- und Angelpunkt für das Funktionieren einer ­Organisation. Dazu gehören insbesondere ein Organigramm mit zugewiesenen Auf­ gaben, Stellenbeschreibungen sowie die Dokumentation zentraler Abläufe. Wenn dies nicht gegeben ist, ist es umso schwieriger Organisations­veränderungen und -weiterentwicklungen zu initiieren. In diesem Fall ist es wesentlich erst organisatorische Grundlagen zu schaffen und dann darauf aufbauend ­weitere Schritte zu setzen.

1

2

Prozesseinstieg mit Workshops: Am Anfang vieler Organisationsprojekte stehen Klausuren oder Workshops. Sie helfen ein breites Bewusstsein für Veränderungserfordernisse zu schaffen, sie bereiten den Boden

für ein späteres Veränderungsprojekt, sie ­binden viele ein und eröffnen Möglichkeiten sich aktiv einzubringen. Sie sind ein sanfter ­Einstieg in längere Prozesse. Workshops knüpfen sehr stark an das Wissen und die Erfahrung in der Organisation ein und helfen den Blick auf die für eine Organisation wichtigen Themen zu richten.

3

Schnelle Einschätzung der Ausgangs­ situation mit dem Quick-Scan: In eine ähnliche Richtung geht ein neuer methodischer Zugang von uns, der Quick-Scan. Er zielt darauf ab, stärker unser externes Expertenwissen gezielt dafür einzusetzen, in einer ersten und eher groben externen Einschätzung Potenziale aber auch Optimierungs­ bereiche sichtbar zu machen, an denen dann in weiterer Folge und in weiteren vertiefenden Analysen bzw. Teilprojekten gearbeitet werden kann.

4

Begleitung der internen Organisationent­ wicklung/Projektteams: Der Fokus von ­Projekten liegt vielfach nicht mehr auf der umfassenden Analyse sondern auf der >

Veränderung gelingt nur über einen gemeinsamen Prozess.

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gemeinsamen Umsetzung von Veränderungen. Dabei ist es wichtig die Organisationen bei der Umsetzung von vereinbarten Veränderungsmaßnahmen zu begleiten und sie bei der Zielverfolgung und beim Projektmanagement zu unterstützen.

Praktische und pragmatische Unterstützung der Projektverantwortlichen vor Ort gewinnt an Bedeutung. Hier gehören insbesondere die Unterstützung bei der organisationsinternen Umsetzung und das Projektmanagement dazu.

Sinnvolle Verknüpfung von Konsoli­dierung und Organisationsentwicklung: Gerade die schwierige Haushaltssituation in vielen Städten und Gemeinden hat in den letzten Jahren häufiger die Notwendigkeit erzeugt, gezielte Konsolidierungsprojekte zu starten. Dabei haben wir die Erfahrung gemacht, dass ­viel­fach auch organisatorische Optimierungserfordernisse sichtbar werden, die dann geschickt als Folge eines Konsolidierungs­ansatzes ­weiterverfolgt werden können.

Quick-Wins (rasche Erfolge) sind ein wesentlicher Punkt zur Legitimation von Projekten. Diese müssen im Rahmen von Projekten rasch gefunden und im Rahmen der Umsetzung möglichst bald realisiert und bekannt gemacht werden.

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Ausblick

Bei Reformprojekten stehen weniger umfassende Reformen, sondern stärker fokussierte Projekte mit ganz spezifischen Frage- und Problemstellungen der Kundinnen und Kunden im Mittelpunkt. Es geht nicht darum ­auszuloten, welche Entwicklungsmöglichkeiten es gibt, sondern um die Lösung ganz konkreter Problemstellungen.

Stärkere Verknüpfung von Organisationsund Personalentwicklungsfragen ist not­wen­ dig. Organisations- und Personalentwicklungsfragen sind eng miteinander verbunden. Fragen der Aufbau- und Ablauforganisation sind intensiv mit den Kompetenzen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und der Entwicklung derselben verknüpft. Hier ist es wichtig das Thema gesamthaft zu betrachten. < Kommentar senden

INFORMATIONEN ZUM KDZ-QUICK-SCAN

Die Organisation beurteilen In fünf Schritten zum Ziel

In der Organisationsberatung haben wir uns methodisch mit dem aktuellen KDZ-Quick-Scan weiterentwickelt. Er ist ein Instrument zur Diagnose von aktuellen Entwicklungsbedarfen und zur Identifikation von passenden Handlungsoptionen für Ihre Organisation geeignet. In nur fünf Schritten kann der Standort ihrer Organisation beurteilt werden, erste Sofortmaßnahmen entschieden und Handlungsempfehlungen herausgearbeitet werden. Das besondere an diesem Ansatz ist, dass sie rasch zu einer qualifizierten Experteneinschätzung kommen, zu überschaubaren internen und externen Kosten. In der Regel liegen nach rund zwei Monate nach Projektstart die ersten Ergebnisse vor. Der Quick-Scan eignet sich insbesondere für abgegrenzte Aufgabenbereiche (Bau-/Wirtschaftshöfe, Stadtgartenbetriebe, Freizeitbetriebe, Veranstaltungseinrichtungen, kommunale Sportanlagen uvm.) sowie einzelne Abteilungen (Bauamt, Finanzabteilung, Personalamt oder Bürgerservice). Detaillierte Informationen erhalten Sie beim Städtetag am Stand 7A.

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BUCHREZENSIONEN

Liebe Leserin! Lieber Leser!

Das Kapital des Staates von Thomas Prorok

Wir haben mit unserem KDZNewsletter [kdz.or.at/newsletter] ein neues Informationsinstrument, um ihnen noch rascher ein Mehr an Informationen zukommen zu lassen. Dadurch werden aktuelle Zeitschriftenartikel und Bücherlisten nur mehr über die Homepage zugänglich sein, unter: www.kdz.or.at/de/abstract_datenbank

An dieser Stelle finden Sie im Forum Public Management ausgewählte Bücher, die für uns den heutigen Diskurs widerspiegeln und inhaltlich kurz zusammengefasst werden. Abonnieren Sie Ihren KDZ-Newsletter – unverbindlich und kostenlos!

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MARIANA MAZZUCATO, Ökonomiepro­ fessorin in Sussex, hat mit „Das Kapital des Staates (engl. The Entrepreneurial State)“ ­einen internationalen Diskurs über die Rolle des Staates ausgelöst. Sie selbst sagt, dass dieses Buch an eine politische Flugschrift ­erinnert. „Ich wollte die britische Regierung zu einem Kurswechsel bewegen: Keine Kürzungen staatlicher Programme mehr, um die Wirtschaft angeblich wettbewerbsfähiger und ­unternehmerischer zu machen …“. Es ist ein Buch gegen den „neoliberalen Mainstream“, der den Staat als bremsenden Störfaktor ­wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Entwicklung sieht. Mazzucato liefert keine ­großen empirischen Zahlenreihen. Sie geht konkreten Beispielen nach, die beweisen ­sollen, dass der Staat Befähiger von Inno­va­ tion und Wachstum ist. Staatliche Investitionen sind demnach der Schlüssel zu technologischer Innovation und wirtschaftlichem Wachstum. Bei ihr ist der Staat nicht nur Gewährleister der Daseinsvorsorge, Hüter des Generationenvertrages und Garant eines ­fairen Ressourcenausgleichs. Das iPhone würde gemäß ­Mazzucato ohne staatliche Erfindungen und Infrastrukturen wie GPS und ­Internet nicht existieren. Bei der kostspieligen Entwicklung neuer Medikamente oder von Nanotechnologien muss der Staat als Risikokapitalgeber einspringen. Der Staat wird zum risiko­bereiten Visionär. Staatlich ­finanzierte Institute (Beispiele aus Japan und den USA) investieren mehr Mittel in Entwicklung und Forschung als private Firmen. Es werden ­Beispiele von börsennotierten ­Unternehmen gebracht, welche mehr Geld für Aktien­rückkäufe und somit in „künstliche“ Unternehmenswertsteigerungen aufwenden als für ­Forschung und Entwicklung.


BUCHREZENSIONEN

besagt, dass kleine Unternehmen die meisten Arbeitsplätze schaffen. Wahr ist vielmehr, dass „für das Wirtschaftswachstum in Großbritannien eine kleine Gruppe schnell wachsender Firmen am wichtigsten war“.1 Es geht somit nicht nur um ein einfaches Mehr an öffentlichen Mitteln, sondern um ­deren klugen Einsatz. Dies ist besonders wichtig, wenn es um die anstehende große Herausforderung für die Staaten geht: Die grüne Revolution wird nur zu meistern sein, wenn die Staaten klug investieren und dadurch die Entwicklung innovativer Technolo­ gien ermöglichen. Private Unternehmen ­werden dies ohne staatliche Unterstützung nicht schaffen (siehe kostspielige Leitung­ netze zur Verteilung von Windenergie). Innovative Umwelttechnologien tragen ­demnach nicht nur zur nachhaltigen ­Schonung des Planeten Erde bei, sondern sind gleichzeitig die Garanten für zukünftiges ­Wirtschaftswachstum. Mazzucato fordert einen stärkeren Staat mit mehr öffent­lichen Investitionen. Dies zeigen auch ihre ­öffentlichen Auftritte und die Diskussionen in den sozialen Netzwerken (siehe Twitter), an denen sie sich rege beteiligt. ­Dabei gehen im öffentlichen Diskurs zumeist die Differenzierungen verloren, welche das Buch auszeichnen und für die Verwaltungsforschung von besonderem Interesse sind: Braucht es einfach mehr öffentliche Mittel oder reicht das vorhandene Geld und es wird nur falsch (ineffektiv und ineffizient) eingesetzt? An Beispielen wie der DARPA (Defense ­Advanced Research Project Agency) und der Nanotechnologie-Initiative der USA werden Erfolgsfaktoren herausgearbeitet, welche zu Innovationen führen (z. B. Fokus auf zukunftsweisende Technologiefelder, Wagniskapital, Zusammenbringen von privaten und staat­lichen Akteurinnen und Akteuren, Freiraum für beste Köpfe und finanzielle Unabhängigkeit, kein Patentdruck). Schonungslos wird der Mythos „klein ist fein“ falsifiziert, der

„Außerdem muss die Regierung eine Vision haben, eine klare Mission für ihre Innovationspolitik formulieren.2“

1 vgl. Das Kapital des Staates, 2014, S. 64 2 aus: Süddeutsche Zeitung, 22.04.2015, S. 24

DETAILS ZUM BUCH Mazzucato, Mariana Das Kapital des Staates: Eine andere Geschichte von Innovation und Wachstum. Übersetzt von Ursel Schäfer, Verlag Kunstmann, 2014. ISBN 3956140001, 9783956140006

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BUCHREZENSIONEN

Das öffentliche Haushaltswesen in Österreich, 55(2014), 4. Gesellschaft für das öffentliche Haushaltswesen (Hrsg. und Verlag)

Soziale Versorgung zukunftsfähig gestalten Wüthrich, Bernadette (Hrsg.)

Sechs Beiträge umfasst diese ­Ausgabe der ÖHW. Iris Saliter und ­Alexander Herbst nehmen die VRV Neu unter die Lupe. Grundsätzlich liegt in der Vermögensrechnung der größte Harmonisierungsbedarf, hier wird ein Überblick über die mögliche Ausgestaltung gegeben. Die Transparenz als essentiellen demokratischen Wert beleuchtet Werner Pleschberger. Bei der Betrachtung der fiskalischen Transparenz vergleicht er auch die vom KDZ initiierte Plattform offenerhaushalt.at. mit Beispielen aus den USA und Großbritannien. Wesentlich ist auch, dass Transparenz hilft Korruption zu vermeiden. Mit Antikorruptionsmaßnahmen in städtischen Verwaltungen beschäftigt sich Christian Ecker. Er erläutert Begriffe, Instrumente der Prävention und Prüfungskonzepte. Dem zeitlosen und immer wiederkehrenden Thema Verwaltungsreform und Öffentliche Verwaltungen im Wandel nimmt sich Reinbert Schauer an, wobei er das gesamthafte Denken und Handeln herausstreicht. Das Finanzausgleichsgesetz 2008, welches ursprünglich bis 2013 gelten sollte wird bereits zum zweiten Mal verlängert. Christian Sturmlechner erläutert die Änderungen und zeichnet einen chronologischen Weg seit 2008. Als praktisches Beispiel präsentiert Felix Faltin die Umsetzung von Standards und Normen in der Stadt Wien. Ein gelungener Band, der den derzeitigen Dialog im öffentlichen Sektor widerspiegelt.

Eine der zentralen Aufgaben demo­ kratischer Gemeinschaften ist es, ­Sozialstaatlichkeit und sozial ausgewogene Lebensverhältnisse zu garantieren. Das zunehmende Auseinanderklaffen der Lebensbedingungen in der Gesellschaft auf der einen Seite, und die immer eingeschränkteren (finanziellen) Handlungsspielräume der kommunalen Gebietskörperschaften auf der anderen Seite, stellen in dieser Hinsicht eine große Herausforderung für die Sozialwirtschaft und das Sozialmanagement dar. In diesem Zusammenhang muss die Sozialwirtschaft im Sinne einer sozialwirtschaftlich integrierten Gemeindeentwicklung Querschnittsaufgaben ­definieren, zu deren Bewältigung sowohl die unterschiedlichen Ressorts als auch die lokalen Akteure auf ­kommunaler Ebene eingebunden ­werden müssen. Fragen, wie die sozialstaatlichen ­Rahmenbedingungen in den deutschsprachigen Staaten, die aktuellen Herausforderungen und Perspektiven sowie die Dimensionen der Gestaltung der Versorgung werden untersucht, wobei die Wandlung der Sozialwirtschaft zu einer „Quasi-Marktökonomie“ und die Notwendigkeit, gesamteuro­ päische Perspektiven der Sozialwirtschaft und des Sozialmanagements zu entwickeln, nicht aus den Augen verloren wird.

NR 6481

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Wiesbaden: Springer VS, 2015, 464 S. ISBN 978-3-658-04072-7 A-734-176 NR 6482

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Direkte Demokratie und Parlamentarismus: wie kommen wir zu den besten Entscheidungen? Öhlinger, Theo; Poier, Klaus (Hrsg.)

Wien; Graz [u.a.]: Böhlau, 2015, 407 S. (Studien zu Politik und Verwaltung; 84) ISBN 978-3-205-79665-7 A-501-166 NR 6483 Die Debatte um Parlamentaris­mus­ reformen und mehr direkte Demokratie hat mittlerweile auch in Österreich Einzug gehalten. Anlässlich der parlamentarischen EnqueteKommission „betreffend Stärkung der Demokratie in Österreich“ haben Autor­ innen und Autoren aus den Bereichen Verfassungsrecht und Politikwissenschaft Beiträge zum Thema „Direkte Demokratie und Parlamentarismus“ beigesteuert, um zu einer sachlichen Diskussion dieser Thematiken in Österreich beizutragen. Schon der Titel „Direkte Demokratie und Parlamentarismus“ gibt zu ver­ stehen, dass beide Instrumentarien nicht unbedingt als Gegensatz begriffen werden müssen, sondern im Idealfall zusammenwirken. Wie aber kann ein ausgewogenes Zusammenspiel zwischen demokratischen Institutionen und Abläufen gestaltet werden, und welche Reformen wären dazu erforderlich? In mehreren Blöcken beleuchtet der vorliegende Sammelband Thematiken rund um Qualität, Reformierbarkeit und Reformbedürftigkeit der Demokratie und des Parlamentarismus sowie Instrumente, Funktionen, Ziele und ­Wirkungen direkter Demokratie auch auf Länder- und Gemeindeeben, ­interdisziplinär aus unterschiedlichen Blickwinkeln.


KDZ PUBLIKATIONEN

SCHRIFTENREIHE ÖFFENTLICHES MANAGEMENT UND FINANZWIRTSCHAFT IM NWV

Euro

Band 6

Kalkulation von Gebühren und Entgelten – Leitfaden für die Praxis 34,80 Wien, Graz 2007, 227 Seiten

Band 7

Stärkung der subnationalen Steuerautonomie 38,80 und intragovernmentale Transfers Wien, Graz 2007, 210 Seiten

Band 8

Finanzausgleich 2008: Ein Handbuch – mit Kommentar zum FAG 2008 44,80 Wien, Graz 2008, 536 Seiten

Band 9

Reform der vertikalen Aufgabenverteilung und Verwaltungs- 38,80 modernisierung im Bundesstaat Wien, Graz 2008, 227 Seiten

Band 10

Innovation im öffentlichen Sektor. Festschrift für Helfried Bauer Wien, Graz 2008, 496 Seiten

Band 11

Kommunale Infrastrukturbetriebe erfolgreich führen 48,80 Grundlagen – Beispiele – Perspektiven, Wien, Graz 2009, 392 Seiten

Band 12

Demografischer Strukturwandel als Herausforderung für 38,80 die öffentlichen Finanzen Wien, Graz 2010, 215 Seiten

Band 13

Gutes Regieren: Konzepte – Realisierungen – Perspektiven 58,00 Wien, Graz 2011, 741 Seiten

Band 14

Koordinierung der Finanzpolitik im Bundesstaat 38,80 Wien, Graz 2011, 248 Seiten

Band 15

Handbuch zur Kommunalsteuer 98,00 Wien, Graz 2012, 2., überarb. u. erw. Aufl., 976 Seiten

Band 16

Offene Stadt: Wie BürgerInnenbeteiligung, BürgerInnenservice 44,80 und soziale Medien Politik und Verwaltung verändern Wien, Graz 2012, 420 Seiten

Band 17

Zur Effizienz der Förderpolitik im Bundesstaat: 38,00 Effizienz und Koordinierungsaspekte Wien, Graz 2013, 155 Seiten

68,80

Die Schriftenreihe erscheint im Neuen Wissenschaftlichen Verlag (NWV). Bestellungen richten Sie bitte schriftlich, per Telefon, Fax oder Online an MELO, IZ-NÖ. Süd, Straße 1, Objekt 34, Tel.: +43 223663535, Fax: DW 243. E-Mail: melo@medien-logistik.at. Web: www.nwv.at.

SONSTIGE PUBLIKATIONEN Band 45

Euro

Kontierungsleitfaden für Gemeinden und Gemeindeverbände 2015 41,50 Wien 2014, 412 Seiten

Wenn nicht anders angegeben, verstehen sich die Preise zzgl. 10% UST. und Versandspesen. Fördernde Mitglieder, Mitglieder des KDZ erhalten als Stammkunden Preisnachlässe auf alle Publikationen mit Ausahme der Loseblattsammlungen.

Bestellung direkt beim KDZ: bestellung@kdz.or.at oder besuchen Sie unseren Online-Shop: www.kdz.eu/de/bestellformular-publikationen

#1 2015 KDZ FORUM PUBLIC MANAGEMENT

27


ÖSTERREICHISCHE POST AG INFO.MAIL ENTGELT BEZAHLT

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DIE NÄCHSTE AUSGABE DES

FORUM PUBLIC MANAGEMENT

ERSCHEINT IM DEZEMBER 2015

KDZ Zentrum für Verwaltungsforschung Guglgasse 13 · A-1110 Wien T: +43 1 892 34 92-0 · F: -20 institut@kdz.or.at · www.kdz.or.at


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