2021-06-09 - Thöne - Was kann ein Finanzausgleich zur Krisenbewältigung beitragen

Page 1

Finanzwissenschaftliches Forschungsinstitut an der Universität zu Köln FiFo Institute for Public Economics, University of Cologne

Was kann ein Finanzausgleich zur Krisenbewältigung beitragen? Dr. Michael Thöne Geschäftsführender Direktor FiFo Köln

KDZ Zentrum für Verwaltungsforschung und TU Wien 9. Juni 2021


Unser Job heute

Unsere Frage nach der Krisenresilienz kann nur beantwortet werden mit Blick auf den ganzen Finanzausgleich

Michael Thöne

2


Zwei unterschiedliche Krisentypen zur Bewältigung im Finanzausgleich

Akute Krise

• Bsp. Corona 2020, Finanzkrise 2009 etc. • Auftreten: Schnell und (weitgehend) unerwartet • Akuter Handlungsbedarf an ex ante unbekannter Stelle • Prinzipiell überwindbar: Rückkehr an den (mehr oder minder) alten Ausgangspunkt ist möglich und gewollt

Michael Thöne

Chronische Krise

• Bsp. Klimawandel; demografischer Wandel • Auftreten: Vorhersehbar und (fachlich) erwartet • Handlungsbedarf / Aufgabenänderungen nach Art und Ort vorhersehbar • Nicht „überwindbar“ i.e.S.: Nach/mit der Krise wird neuer Zustand angestrebt.

3


Was ist alles Finanzausgleich? Finanzausgleich im engeren Sinne

Michael Thöne

Ergänzender aktiver FA

Passiver Finanzausgleich

• Umverteilung vertikal • Umverteilung horizontal • Aufgaben- & bedarfsgerecht

• Aufgaben-Zuteilung • Generiert die Finanzbedarfe

Aktiver Finanzausgleich

Ergänzender passiver Finanzausgleich

• Zuweisung von Einnahmenquellen • Inkl. Verschuldungs -rechte & -grenzen

• Aufgabenkorrektur / -delegation wg. Externalitäten o.ä.

Verschie -dene Ansätze für akute und chronische Krisen

4


Bewältigung akuter Krisen durch Finanzausgleiche 1.

Aufgabenprofile der Gebietskörperschaften stehen an erster Stelle der Überlegungen: – Es geht nicht nur um die Frage „Wer braucht wieviel Geld?“, sondern um: „Wer braucht wieviel Geld wofür? – So kann beurteilt werden, ob die Mittel dort ankommen, wo sie benötigt werden und wie das am besten bewerkstelligt werden kann.

2.

Funktion eines Finanzausgleichs als automatischer bzw. „semidiskretionärer“ Stabilisator, der zusätzliche Einnahmen (auch Neuverschuldung) von dort, wo sie am leichtesten generiert werden können, dorthin leitet, wo sie akut benötigt werden. – –

3.

Steuern oder Neuverschuldung? Bei ubiquitären akuten Krisen Neuverschuldung. Bei regional oder ebenenspezifisch begrenzten Krisen kann beides sinnvoll sein.

Blick auf sich wieder normalisierende Aufgaben ist ein guter Indikator dafür, wann und wie die Phase der Schockabsorption zum Ende kommt und die entsprechenden Einnahmenverlagerungen zurückgefahren werden können. – Zurückzahlen der Hilfen? Eher nicht. Wenn, dann als Lastenteilung.

Michael Thöne

5


Bsp. Lastenteilung in der Pandemie: Finanzierungsalden der föderalen Ebenen in Deutschland 2019 und 2020 (in. Mio. EUR)

Bund

Länder

Gemeinden/Gv.

14 814 16 595

5 627

3 209 - 7 319

1 982 - 9 731

- 9 787

- 16 696

- 17 378

- 14 864

- 33 455 - 43 847

- 93 615

- 129 860

2019 1.-4. Quartal

2020 1. Quartal

2020 1.-2. Quartal

2020 1.-3. Quartal

2020 1.-4. Quartal Quelle: Destatis, eigene Darstellung.

Michael Thöne

6


Mehr Abgabenautonomie zur Bewältigung akuter Krisen? Ein Mindestmaß an Abgabenautonomie und die damit verbundene finanzielle Eigenverantwortung sind ein wichtiges Fundament für einen leistungsfähigen Finanzausgleich.

Die horizontalen und vertikale Absicherungsfunktion eines Finanzausgleichs gegen akute Krisen sollte eher nicht auf Abgabenautonomie aufbauen. Michael Thöne

• Gilt das auch für Krisenabsorption /–bewältigung? • „Hilf Dir selbst, sonst hilft der keiner“? • Abgabenautonomie kann als Rückversicherung gegen das Finanzausgleichsversagen dienen; mehr aber nicht.

• Je stärker eine Gebietskörperschaft von einer Krise betroffen ist, desto weniger gut (d.h. allokativ effizient) kann sie die Mittel zur Krisenbekämpfung selbst aufbringen. • Abgabenautonomie kann schlimmstenfalls auch als Vorwand der Stärkeren dienen, sich vor ihren Solidaritätspflichten in der Krisenabwehr zu „drücken“.

7


Bewältigung chronischer Krisen durch Finanzausgleiche 1.

Aufgabenprofile der Gebietskörperschaften stehen an erster Stelle der Überlegungen: – Es geht nicht nur um die Frage „Wer braucht wieviel Geld?“, sondern um: „Wer braucht wieviel Geld wofür? – So kann beurteilt werden, ob die Mittel dort ankommen, wo sie benötigt werden und wie das am besten bewerkstelligt werden kann.

2.

Chronische Krisen verändern langsam die Aufgabenprofile von Gebietskörperschaften. Es bedarf keiner „Schockabsorption“. Aber das System kehrt auch nicht in der Ursprungszustand zurück. – Folgen für deren aufgabenspezifische Finanzbedarfe. – Steuern oder Neuverschuldung? Steuern!

3.

Potentielles Problem für Bewältigung chronischer Krisen: Gewollte Trägheit von Finanzausgleichen. – Finanzausgleiche sind in allen Staaten, die sich dieser Instrumente bedienen, immer auch „gefrorene Kompromisse“. – Wichtig: automatische bzw. semi-diskretionäre Bedarfsorientierung (→ aufgabenorientierter Finanzausgleich).

Michael Thöne

8


Bsp. Messung von Finanzbedarfen

Quelle: E. Gerards, J.M. Gutsche, F. Schrogl, M. Thöne (2019), Bedarfsgerechte Weiterentwicklung des kommunalen Finanzausgleichs in Schleswig Holstein, FiFo-Bericht Nr. 27). .

Michael Thöne

9


Finanzwissenschaftliches Forschungsinstitut an der Universität zu Köln

Danke

thoene@fifo-koeln.

Michael Thöne

10


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.