Public Value der österreichischen Sozialversicherung

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Thomas Prorok, Alexandra Schantl, Nikola Hochholdinger, Verena Weixlbraun (KDZ)

PUBLIC VALUE DER ÖSTERREICHISCHEN SOZIALVERSICHERUNG



Thomas Prorok, Alexandra Schantl, Nikola Hochholdinger, Verena Weixlbraun (KDZ)

PUBLIC VALUE DER ÖSTERREICHISCHEN SOZIALVERSICHERUNG

Verlag Arbeiterkammer Wien Dezember 2023


INHALT

Inhaltsverzeichnis I

Einleitung .............................................................................................................................. 6 1

Der Public Value-Ansatz ............................................................................................... 6

II

Executive Summary ............................................................................................................. 8

III

Das österreichische Sozialversicherungssystem .......................................................... 13

IV

V

VI

1

Die Geschichte der österreichischen Sozialversicherung .......................................... 13

2

Aufbau der österreichischen Sozialversicherung ....................................................... 14

3

Systemmerkmale der Sozialversicherung .................................................................. 16

3.1

Selbstverwaltung ........................................................................................................ 17

3.2

Sozialpartnerschaft ..................................................................................................... 20

3.3

Pflichtversicherung ..................................................................................................... 21

3.4

Solidaritätsprinzip ....................................................................................................... 21

3.5

Weitere wichtige Merkmale: Sachleistungsprinzip und Einkommensersatzprinzip ... 23

Das Public Value Modell der österreichischen Sozialversicherung ............................. 24 1

Die Methodik ............................................................................................................... 24

2

Politische Zielsetzungen und Leitlinien ...................................................................... 26

2.1

Gesetzliche Grundlagen und übergeordnete Prinzipien ............................................ 26

2.2

Zieldimensionen und die wichtigsten Zielsetzungen .................................................. 28

3

Leistungsspektrum ...................................................................................................... 31

4

Stakeholderinnen und Stakeholder ............................................................................ 34

Die 19 Public Values und ihre Bedeutung ....................................................................... 37 1

Die Public Values im Überblick................................................................................... 39

2

Die Gewichtung der Public Values ............................................................................. 41

Der Public Value der österreichischen Sozialversicherung im Detail .......................... 44 1

GRUNDBEDÜRFNISSE ............................................................................................. 44

1.1

Public Value: Weniger Armut...................................................................................... 44

1.2

Public Value: Gesund länger leben ............................................................................ 46

1.3

Public Value: In Würde altern ..................................................................................... 47

1.4

Public Value: Sorgenfreier leben ................................................................................ 48

1.5

Public Value: Selbstbestimmter leben ........................................................................ 49

3 19.01.24


INHALT

2

SOZIALE & WIRTSCHAFTLICHE ENTWICKLUNG .................................................. 50

2.1

Public Value: Nachhaltige Stadt- und Gemeindeentwicklung .................................... 50

2.2

Public Value: Innovative und produktive Gesellschaft ............................................... 51

2.3

Public Value: Resiliente Wirtschaft ............................................................................. 52

2.4

Public Value: Sozialer Zusammenhalt........................................................................ 53

4

UNIVERSALE WERTE ............................................................................................... 55

4.1

Public Value: Gleiche Chancen für alle ...................................................................... 55

4.2

Public Value: Mehr Gendergerechtigkeit .................................................................... 56

4.3

Public Value: Sozialer Ausgleich ................................................................................ 57

4.4

Public Value: Wissensbasierte Gesellschaft .............................................................. 58

5

GOVERNANCE und Etablierung starker PARTNERSCHAFTEN.............................. 60

5.1

Public Value: Sozialer Frieden ................................................................................... 60

5.2

Public Value: Resiliente Institutionen und Netzwerke ................................................ 61

5.3

Public Value: Nachhaltige Finanzierung..................................................................... 62

5.4

Public Value: Gefestigte Demokratie .......................................................................... 63

6

NACHHALTIGE NUTZUNG VON RESSOURCEN und ÖKOLOGISCHE

VORAUSSETZUNGEN ........................................................................................................ 65

VII

6.1

Public Value: Gesunde Umwelt .................................................................................. 65

6.2

Public Value: Verantwortungsvoller Umgang mit Ressourcen................................... 66

Schlussfolgerungen ........................................................................................................... 68 1

Selbstverwaltung, Sozialpartnerschaft, Pflichtversicherung und Solidaritätsprinzip als

grundlegende Elemente der Sozialversicherung ................................................................. 68

VIII

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2

Herausforderungen – Public Values der österreichischen Sozialversicherung ......... 72

3

Mögliche nächste Schritte zur Nutzung der Public Values ........................................ 79

Anhang ................................................................................................................................ 82



EINLEITUNG

I

Einleitung

Die KDZ-Managementberatungs- und WeiterbildungsGmbh wurde von der Arbeiterkammer Wien beauftragt, den Public Value der österreichischen Sozialversicherung herauszuarbeiten und darzustellen. Public Value kann mit gesellschaftlichem Mehrwert übersetzt werden und beschreibt jenen Wert(beitrag), den eine Organisation für die Gesamtgesellschaft erbringt. Um den Public Value einer Organisation oder eines Systems identifizieren zu können, bedarf es zunächst der Klärung, welche Leistungen bzw. Aktivitäten die öffentliche Institution, die Organisation, das Unternehmen etc. wertvoll für die Gesellschaft macht und wie dieser, zumeist bereits vorhandene implizite öffentliche Wert, explizit sichtbar gemacht werden kann. Zentral dafür ist die Einschätzung, inwiefern eine Organisation in ihrem Kerngeschäft die Funktionsfähigkeit einer Gesellschaft beeinflusst. Anhand unterschiedlicher Kriterien, Bewertungsdimensionen und Indikatoren wird versucht, die tatsächliche Wertschöpfung, also den Public Value einer Organisation aufzuzeigen und mittels Steuerung abzusichern und weiterzuentwickeln. Vorliegende Studie fokussiert auf das Ermitteln und Darstellen der Public Values der österreichischen Sozialversicherung mit dem Ziel, ihren Wertbeitrag für die Gesellschaft in Österreich abzubilden. Dabei soll der Public Value sowohl nach außen für die Stakeholder*innen und die Bevölkerung, als auch nach innen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Sozialversicherung (Stichwort: Purpose und Mitarbeiter*innenmotivation) sichtbar gemacht werden. Als Orientierungsrahmen wurden die 17 UN-Nachhaltigkeitsziele oder Sustainable Development Goals (SDGs, Vereinte Nationen, 2023), die im wissenschaftlichen Diskurs als globale Public Values bezeichnet werden, herangezogen. Damit wird der gesellschaftliche Mehrwert der österreichischen Sozialversicherung auch hinsichtlich seiner Beiträge zur Zielerreichung der SDGs in Beziehung gesetzt.

1

Der Public Value-Ansatz

Ursprünglich wurde der Public-Value Ansatz von Harvard Professor Mark Moore 1995 für die öffentliche Verwaltung entwickelt. Analog zum „shareholder value“ im privaten Sektor, definierte Moore den „public value“ im öffentlichen Sektor, indem er aufzeigte, dass öffentliche Einrichtungen ihre Zwecke im Gemeininteresse effizienter erreichen, wenn Management und Nutzer*innen zusammenarbeiten (Moore 1995).1 Mittlerweile wurde das Konzept weiterentwickelt und auf unterschiedliche gesellschafts(politische) Bereiche, Institutionen, Organisationen, aber auch Unternehmen angewendet. Im Bildungsbereich beispielsweise ermöglichte der Public Value Ansatz den Deutschen Auslandsschulen und ihren Partnern erstmals eine gesellschaftliche Standortbestimmung mit einem Kriterienkatalog, um ihre Arbeit bewerten und ausrichten zu können. Deutsche öffentliche Schwimmbäder werden mit einem Public Value Award ausgezeichnet, um aufzuzeigen, dass sie keine reinen Wirtschaftsbetriebe sind, sondern Werte für die Gesellschaft generieren und die deutsche Bundesagentur für Arbeit verwendet den Public Value, um ihren gesellschaftlichen Beitrag, der über die reine Aufgabenerfüllung weit hinausgeht, zu verstehen

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Gemäß Moore erfüllen Public Manager*innen mit ihren Leistungen die Erwartungen und Wünsche der Stakeholder, sowohl durch konkrete Services und Produkte als auch durch funktionierende Abläufe, und generieren damit einen Public Value für die Gesellschaft (Moore 1995).

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EINLEITUNG

und für Managemententscheidungen nutzbar zu machen. In Österreich ist das renommierteste Beispiel der Österreichische Rundfunk, der mit Hilfe des Public Value Ansatzes versucht, seinen Platz in der Gesellschaft zu definieren und damit seinen öffentlichen Auftrag zu argumentieren. Die Bandbreite an Definitionen und Konzepten für den Public Value Ansatz ist entsprechend vielfältig, eine eindeutige Definition bzw. ein allgemein gültiges Modell für die Ermittlung und Steuerung von Public Value fehlt bislang. Dies wohl auch deshalb, weil der Public Value weder absolut noch universell ist. Er muss immer gesucht bzw. erkundet werden und wird kontinuierlich durch soziale und politische Interaktion (re)definiert. Er ist kontextspezifisch, da Werte per se nicht manifest kodifiziert und nicht universell vereinbart sind. Grundsätzlich bezeichnet Public Value im Gegensatz zum Private Value den „gesellschaftlichen Mehrwert“ bzw. auch den „Wert für die Öffentlichkeit“. Dabei ist der Wert für die Öffentlichkeit das Ergebnis von Bewertungen darüber, wie Grundbedürfnisse von Individuen, Gruppen und der Gesellschaft als Ganzes in Beziehungen mit der Öffentlichkeit beeinflusst werden. Damit ist Public Value auch Wert von der Öffentlichkeit, wird also aus der Erfahrung mit dieser abgeleitet, wodurch jeder Einfluss auf die geteilte Erfahrung der Beziehungsqualität zwischen dem Individuum und der Gesellschaft Public Value schaffen, aber auch zerstören kann (Meynhardt 2009). Ist der „private value“ in der Regel ausgerichtet auf direkte Wirkungen für die einzelnen Stakeholder*innen (=user value)2 inkludiert der „public value“ die indirekten Wirkungen und ist ausgerichtet auf die Gesamtgesellschaft, d.h., den Wert schöpft die Gesellschaft und nicht der Einzelne. Das Ziel hinter allen Public Value Definitionen und Modellen ist das Sichtbarmachen von Wirkungen für die Gesellschaft durch (öffentliche) Leistungen. Diese Wirkungen sind immer mehrdimensional und bedingen einander. Als Grundlage für das Public Value Modell des KDZ dient das 5-Dimensionenmodell von Tony Bovaird. Er definiert den gesellschaftlichen Mehrwert anhand des Wertes für die direkten Nutzerinnen und Nutzer („user value“), den Wert für einen weiter gefassten Nutzer*innenkreis, den politischen und sozialen Wert sowie den Wert für die Umwelt (Bovaird 2008, S. 260-270). Dabei hängt der gesellschaftliche Mehrwert sehr stark von den jeweiligen Zielen des öffentlichen Handelns ab. Das heißt die Public Value Dimensionen unterscheiden sich je nach Organisation und Zielsetzung.

2

Das Konzept des Corporate Social Responsibility (CSR) bildet hier die Ausnahme, allerdings bezieht sich CSR im Gegensatz zum Public Value nicht auf das Kerngeschäft einer Organisation.

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EXECUTIVE SUMMARY

II

Executive Summary

Wie in vielen anderen Ländern führen demografische und soziale Entwicklungen sowie höhere Kosten der modernen Medizin dazu, dass die Anforderungen an die sozialen Sicherungssysteme steigen. Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, den Public Value oder Mehrwert des österreichischen Sozialversicherungssystems für die Gesamtgesellschaft, welcher über die garantierte Gesundheits- und Pensionsversorgung hinausgeht, darzustellen und transparent zu machen. Damit kann einerseits die Akzeptanz und das Vertrauen in der Bevölkerung für das österreichische Sozialversicherungssystem erhöht und andererseits die Sozialversicherung als Organisation und zentraler Akteur des österreichischen sozialen Sicherungssystems gestärkt werden. Public Value bezeichnet im Gegensatz zum „private Value“ den „gesellschaftlichen Mehrwert“ bzw. den „Wert für die Öffentlichkeit“, der durch die Leistungen, die eine Organisation in ihrem Kerngeschäft erbringt, generiert wird. Insgesamt konnten für die österreichische Sozialversicherung 19 Public Values und 73 SubValues identifiziert werden. Als Orientierungsrahmen und zur Strukturierung wurden die 17 UNNachhaltigkeitsziele (SDGs) herangezogen.

Abbildung: Der Public Value der österreichischen Sozialversicherung

Quelle: Eigene Darstellung KDZ 2023. 8 19.01.24


EXECUTIVE SUMMARY

Die ermittelten 19 Public Values beschreiben mögliche Mehrwerte der österreichischen Sozialversicherung für die Gesellschaft. Sie zeigen somit die Potentiale auf, welche im System der Sozialversicherung immanent vorhanden sind und in unterschiedlichem Ausmaß erfüllt werden. Die österreichische Sozialversicherung generiert im Zuge ihres Wirkens auch essentielle Beiträge zu den 5 SDG-Dimensionen: „Grundbedürfnisse“, „Soziale und wirtschaftliche Entwicklung“, „Universale Werte“, „Governance und Partnerschaften“ sowie „Nachhaltige Nutzung von Ressourcen und ökologische Voraussetzungen“. Mit ihren Bereichen der gesetzlichen Pensions-, Kranken- und Unfallversicherung zeichnet sich die österreichische Sozialversicherung durch besondere institutionelle, rechtliche und werteorientierte Eigenschaften aus. Diese „Systemmerkmale“ sind die Selbstverwaltung, die Pflichtversicherung, die Sozialpartnerschaft und das Solidaritätsprinzip. Diese vier zentralen Systemmerkmale spielen eine entscheidende Rolle bei der Schaffung des Public Values. Eine Schwächung und/oder Änderung der Systemmerkmale – z. B. weitere Einschränkung der Selbstverwaltung durch etwaige Reformen oder die Aushöhlung des Solidaritätsprinzips – hätte in vielen Fällen direkte Auswirkungen auf die identifizierten Public Values. Oder anders formuliert: Selbstverwaltung, Pflichtversicherung, die Sozialpartnerschaft und das Solidaritätsprinzip sind das Fundament für den gesellschaftlichen Mehrwert der Sozialversicherung. Die Public Values der österreichischen Sozialversicherung Die bedeutendsten Public Values, die sich auch in den Grundsätzen, Zielsetzungen und Leistungen der Sozialversicherung widerspiegeln und maßgeblich vom Tun der Sozialversicherung beeinflusst werden, beziehen sich auf die Deckung der Grundbedürfnisse der Bevölkerung: „Weniger Armut“, „Gesund länger leben“, „Sorgenfreier leben“ und „Selbstbestimmter leben“. Gleichsam stehen die Chancengerechtigkeit bzw. der Public Value „Gleiche Chancen für alle“ und „Sozialer Ausgleich“ (Dimension Universale Werte) sowie „Sozialer Frieden“ (Dimension Governance & Partnerschaften) im Fokus des Handelns der Sozialversicherungsträger. So kann die soziale Absicherung in allen Lebenslagen (Krankheit, Unfall, Erwerbsunfähigkeit und Alter) sowie die leistbare Gesundheitsversorgung durch die Kostenübernahme für medizinische Behandlungen das Risiko für Armut senken. Weniger Altersarmut und der Schutz vulnerabler Bevölkerungsgruppen bedeuten insgesamt „Weniger Armut“ in Österreich. „Gesund länger leben“ wird durch die gezielte Früherkennung von Krankheiten, eine garantierte Notfall- und Unfallversorgung, eine hochwertige und effektive Gesundheitsversorgung sowie eine vergleichsweise hohe Gesundheitskompetenz in der Bevölkerung gestützt. Diese grundlegende gesundheitliche und finanzielle Versorgungssicherheit für alle aufgrund der Pflichtversicherung reduziert den Leidensdruck bei gesundheitlicher Beeinträchtigung, stärkt das Vertrauen in öffentliche Institutionen und den Rechtstaat und ermöglicht die soziale Teilhabe und den Menschen damit auch „Sorgenfreier und gleichzeitig auch selbstbestimmter zu leben“. Leistungsgerechtigkeit und die Gewährleistung fairer Arbeitsbedingungen schaffen mehr Freiheiten in der Lebensgestaltung der Versicherten. Pflichtversicherung und Solidaritätsprinzip legen den Grundstein für „Gleiche Chancen für alle“. Sie sorgen dafür, dass möglichst die gesamte Bevölkerung und insbesondere vulnerable Gruppen (z.B. Kinder, Personen mit Beeinträchtigung) in die Sozialversicherung integriert und geschützt werden. Auch wenn es beispielsweise im Bereich der „Gendergerechtigkeit“ noch Weiterentwicklungsbedarf gibt, so sichern ein gleichberechtigter und niederschwelliger Zugang

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EXECUTIVE SUMMARY

über kurze Wege und der gesetzliche Anspruch auf eine gleichwertige Gesundheitsversorgung eine weitgehend gleichberechtigte Versorgung unabhängig von Geschlecht, Herkunft, sozialem Status oder anderen persönlichen Merkmalen. Durch die Sozialisierung der Lebensrisken in den Bereichen Krankheit, Unfall und Alter gemäß dem solidarischen Versicherungsprinzip und den einkommensbezogenen Beiträgen stellt die Sozialversicherung ein zentrales Instrument für den „Sozialen Ausgleich“ dar und trägt damit wesentlich zum Erhalt des „Sozialen Friedens“ in Österreich bei. Im Gegensatz zu privaten Systemen kann im österreichischen Sozialversicherungssystem kein Ausschluss aufgrund eines erhöhten Risikos (z.B. Vorerkrankung oder risikoreicher Beruf) erfolgen, da alle zu gleichen Bedingungen versichert sind. Darüber hinaus sind in der Dimension der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung die direkten und indirekten positiven Effekte vielfältig: Als bedeutende Arbeitgeberin mit mehr als 27.000 Beschäftigten und zahlreichen Vertragspartnerinnen und -partnern beispielsweise im niedergelassenen Bereich stärkt die Sozialversicherung die nachhaltige Stadt- und Gemeindeentwicklung. Durch die Absicherung bei Erkrankungen und Unfällen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sind v.a. auch Klein- und Mittelbetriebe robuster und damit resilienter, da die Kosten langfristig gedeckt sind und damit auch langfristige Planungssicherheit besteht. Umfassende Prüf- und Kontrolltätigkeiten stützen einen fairen Wettbewerb, die qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung und Zusatzleistungen wie die betriebliche Gesundheitsförderung erhöhen die Standortattraktivität. Das Solidaritätsprinzip bzw. die solidarische und nicht gewinn-orientierte Organisation garantiert, dass Ressourcen entsprechend der Notwendigkeiten verteilt werden und somit eine solidarische und vor allem partnerschaftliche Gesellschaft gefördert wird. Die Selbstverwaltung fokussiert in ihren Entscheidungen auf einen Interessensausgleich, der auf eine Reduktion des Konfliktpotentiales und somit breite Akzeptanz in der Gesellschaft abzielt. Damit begründet die Sozialversicherung - gestützt auf die Sozialpartnerschaft - gerade auch in der Dimension der Governance und starken Partnerschaften einen maßgeblichen gesellschaftlichen Mehrwert: Die Förderung des „Sozialen Friedens“. Die Sozialversicherung ist ein wichtiger Bestandteil des politischen und demokratischen Systems, in dem die direkte Beteiligung der Bürgerinnern und Bürger – Partizipation und Mitbestimmung – aufgrund der Selbstverwaltung fest verankert ist. Als repräsentative demokratische Organisation stärkt die Sozialversicherung das Bewusstsein für gesamtgesellschaftliche Verantwortung, erhöht die Akzeptanz und das Vertrauen in öffentliche Leistungen und trägt damit zu einer „Gefestigten Demokratie“ bei. Darüber hinaus gewährleisten Selbstverwaltung und Pflichtversicherung eine nachhaltige Finanzierung, da die Einnahmen durch die Beitragszahlungen der Arbeitnehmer*innen und Arbeitgeber*innen zweckgewidmet sind und durch das Umlageverfahren in der Pensionsversicherung keine Beiträge auf Finanzmärkten veranlagt werden. In der Dimension Nachhaltige Nutzung von Ressourcen und ökologische Voraussetzungen zeigt sich, dass die österreichische Sozialversicherung zwar zahlreiche Maßnahmen zur ökologischen Nachhaltigkeit setzt (zum Beispiel beim Einkauf oder bei Sanierung und Neubau eigener Infrastrukturen), der Handlungsspielraum und die Möglichkeiten der Sozialversicherung, einen sehr hohen Beitrag zur „Gesunden Umwelt“ zu leisten, jedoch eingeschränkt sind. Dennoch wird auch hier ein gesellschaftlicher Mehrwert generiert.

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EXECUTIVE SUMMARY

Handlungsbedarf zur Steigerung des Public Values besteht zudem bei den Public Values „Innovative und produktive Wirtschaft“ sowie „Mehr Gendergerechtigkeit“ und „Wissensbasierte Gesellschaft“. Um die österreichische Sozialversicherung gesamtheitlich zu stärken und nachhaltig zu legitimieren und auszurichten, ist es von zentraler Bedeutung, die ermittelten Public Values möglichst umfassend zu gewährleisten und zu kommunizieren. Diskussionen um eine etwaige „Verstaatlichung des Gesundheitssystems“ oder zusätzliche Beschränkungen der Selbstverwaltung kann mit dem gezielten Ausbau der Public Values entgegengetreten werden. Herausforderungen für den Public Value der österreichischen Sozialversicherung Handlungsbedarf zeigt sich insbesondere beim Public Value „Gleiche Chancen für alle“. So hat die Schwächung der Selbstverwaltung im Zuge der Organisationsreform indirekt auch zu Leistungseinbußen geführt. Ein verstärkter Fokus auf gesundheitliche Vorsorge kann ebenso wie der Ausbau der Versorgung im Bereich der psychischen Gesundheit dazu beitragen, länger erwerbsfähig zu sein, und die gesunden Lebensjahre im Alter zu erhöhen (Public Value „Gesund länger leben“). Es gilt, je weniger Ungleichheiten im System bestehen und je gerechter es wahrgenommen wird, desto größer ist das Vertrauen der Bevölkerung in das System, wodurch auch die Legitimation gestärkt wird. Das Ersetzen der Pflichtversicherung durch ein gewinnorientiertes, privates System hätte zur Folge, dass es eine Risikoauslese in den Versicherungen gibt, bestimmte Bevölkerungsgruppen dauerhaft von gesundheitlichen Leistungen aufgrund einer Vorerkrankung ausgeschlossen werden können und somit keine Chancengerechtigkeit mehr gegeben ist. Die Selbstverwaltung nimmt eine tragende Rolle bei vielen der Public Values (z.B. Beiträge zu „Gefestigte Demokratie“, „Resiliente Institutionen und Netzwerken und „Sozialer Frieden und Zusammenhalt“) ein. Mögliche Tendenzen zu ihrer Schwächung sind daher zu beobachten und gegebenenfalls abzuwehren. So hat vor allem die Reduktion der Anzahl der Funktionärinnen und Funktionäre in den unterschiedlichen Selbstverwaltungskörpern und Gremien der Sozialversicherung negative Auswirkungen auf die Identifikation, Organisationskraft und Präsenz der Sozialversicherungen. Eine Übernahme der Gesundheitsagenden durch den Staat würde sich auf beinahe alle Public Values auswirken, aber vor allem auf den Bereich der Grundbedürfnisse wie z.B. auf den Public Value „Gesund länger leben“, weil durch ein steuerfinanziertes System Leistungen einfacher beispielsweise durch einen Regierungswechsel reduziert werden könnten und die Zweckwidmung der Mittel wegfallen könnte. Bei der Weiterentwicklung der Organisation der Selbstverwaltung als auch der Sozialpartnerschaft ist im Sinne der Chancengerechtigkeit insbesondere darauf zu achten, auch weitere – nicht berufstätige – soziale Gruppen beispielsweise durch weitere permanente oder periodische Einrichtungen mit Bürger*innenbeteiligung und/oder neue Formen der Partizipation mit einzubeziehen. Nicht zuletzt kann dadurch auch die Kommunikation mit und zu den Bürgerinnen und Bürgern verbessert werden, denn das Wissen über die Sozialversicherung in der österreichischen Bevölkerung ist eher gering ausgeprägt (Stichwort: Wir sind Sozialversicherung). Auch geteilte Zuständigkeiten, mangelnde Kooperation zwischen den Trägern und die eingeschränkte Transparenz des komplexen Versicherungssystems erschweren das Verständnis und führen zur Unzufriedenheit der Bevölkerung . Entscheidend für die Absicherung und Weiterentwicklung bzw. Stärkung der Public Values im Sinne einer gezielten Steigerung positiver Wirkungen ist daher die Koordination und

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EXECUTIVE SUMMARY

Intensivierung der interdisziplinären, sektoren- und ebenenübergreifenden Zusammenarbeit. Die Leistungsharmonisierung, gerechte Finanzierung und der Risikostrukturausgleich zwischen den Trägern sind daher weiter voranzutreiben. Zusammenfassend belegt die Studie aufgrund der identifizierten Public Values, dass die österreichische Sozialversicherung eine Institution mit hohem gesellschaftlichen Mehrwert ist. Sie unterstützt maßgeblich den sozialen Frieden in Österreich, gewährleistet die Nachhaltigkeit und Stabilität des Gesundheits- und Pensionssystems und stärkt die Demokratie in Österreich. Diesen Mehrwert gilt es extern und intern zu kommunizieren, abzusichern und weiterzuentwickeln (z.B. durch Indikatoren und Stakeholder-befragungen). Mittel- bis langfristig könnten die Public Values auch für die interne Steuerung genutzt werden, wodurch nicht bloß die Transparenz nach außen und innen erhöht würde, sondern auch notwendige Adaptierungen des Systems frühzeitiger erkannt würden und damit ein Gegensteuern erleichtern würden.

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DAS ÖSTERREICHISCHE SOZIALVERSICHERUNGSSYSTEM

III Das österreichische Sozialversicherungssystem 1

Die Geschichte der österreichischen Sozialversicherung3

Die Geschichte der österreichische Unfall-, Kranken- und Pensionsversicherung ist eng verbunden mit der Geschichte der Arbeiter*innenbewegung. Zwar waren arbeitende Menschen schon vor dem 19./20. Jahrhundert krank, alt oder hatten Unfälle am Arbeitsplatz. Doch vor dem 19. Jahrhundert hatten nur sehr wenige die Möglichkeit, Institutionen herauszubilden, die sie vor den Risiken Alter, Krankheit oder Unfall schützten. Im Jahr 1887/88 wurde vom österreichischen Reichsrat ein Unfallversicherungsgesetz und das Arbeiter-Krankenversicherungsgesetz beschlossen. Das Sozialversicherungswesen sollte die „soziale Frage“ entschärfen und nach dem Muster der Bismarck’schen Sozialgesetzgebung im Deutschen Reich der sich auch in Österreich gerade (re-)organisierenden Sozialdemokratie das Wasser abgraben. Es wurde das Prinzip der Pflichtversicherung ins Leben gerufen und die gesetzlich eingerichteten Kassen wurden unter Staatsaufsicht von den Versicherten selbst verwaltet. Ihre Leitungsgremien setzten sich zu 2/3 aus Arbeitnehmer- und zu 1/3 aus Arbeitgebervertretern zusammen. In der Unfallversicherung war die Aufteilung drittelparitätisch, d.h. 1/3 Arbeitgeber, 1/3 Arbeitnehmer und 1/3 Vertreter des Innenministeriums. Was es noch nicht gab, war eine gesetzliche Altersversicherung. Diese wurde zunächst nur Angestellten mit dem Pensionsversicherungsgesetz für Angestellte 1906 zuteil. Auch dieses Gesetz entsprang einer politischen und keiner sozialpolitischen Absicht, nämlich den Vormarsch der Sozialdemokratie bei den Angestellten zu begrenzen. Auch das Angestelltenversicherungsgesetz von 1926 wurde nach dem Prinzip der Selbstverwaltung gestaltet. So war das Verhältnis im Verwaltungskörper 4/5 Arbeitnehmer und 1/5 Arbeitgeber, im Überwachungsausschuss umgekehrt. Eine von Sozialdemokraten, Gewerkschaften und Arbeiterkammern vehement eingeforderte Alters- und Invaliditätsversicherung blieb den Arbeiter*innen im Unterschied zu den Angestellten jedoch noch verwehrt. Der Austrofaschismus zerstörte mit der demokratischen Republik auch die Selbstverwaltung in der Sozialversicherung. Schritt für Schritt wurden 1933/34 zunächst die Personalvertretungen im öffentlichen Dienst (Eisenbahn, Post…), die Arbeiterkammern und schließlich auch die Sozialversicherungen gleichgeschaltet, d.h. die gewählten sozialdemokratischen Mandatare abgesetzt und durch die Regierung genehme Personen ersetzt. Damit einher ging ein Sozialabbau auf allen Ebenen, etwa eine Verkürzung der Höchstdauer der Unterstützung im Falle von Arbeitslosigkeit, was bedeutete, dass immer mehr Arbeitslose gänzlich ohne Unterstützung blieben. Weiters kam es zu Kürzungen beim Krankengeld und bei der Invaliditätsrente im Rahmen der Angestelltenversicherung. Die Machtübernahme durch die Nationalsozialisten und der sogenannte Anschluss im März 1938 wälzten auch die Verhältnisse auf dem Gebiet der Sozialversicherung um. Am 1. Jänner 1939

3

Beschreibung der Entstehung der Sozialversicherung durch die Arbeiterkammer zur Verfügung gestellt.

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DAS ÖSTERREICHISCHE SOZIALVERSICHERUNGSSYSTEM

wurde in Österreich die Invaliden-, Alters- und Hinterbliebenenversicherung eingeführt. Mit 31.12. 1938 wurden die bisher bestehenden Versicherungsanstalten aufgelöst und ihr Vermögen auf verschiedene Sozialversicherungseinrichtungen aufgeteilt. Was von der Selbstverwaltung noch übrig war, wurde nun gänzlich beseitigt. Auch in der Sozialversicherung galt nun das „Führerprinzip“. Mit dem Zusammenbruch des Nationalsozialismus und der Wiedererrichtung der demokratischen Republik im April 1945 wurden neben den Organisationen der Arbeiter*innenbewegung, den Gewerkschaften und Arbeiterkammern auch die Sozialversicherungen wiedergegründet. Mit dem Sozialversicherungs-Überleitungsgesetz von 1947 wurden die österreichische Sozialversicherung neu organisiert (Gründung des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger als Dachverband) und die Selbstverwaltung wiederhergestellt. Dabei wurden die Versichertenvertreter jedoch nicht mehr, wie vor 1933, von den Versicherten direkt gewählt, sondern ein System der indirekten Wahl durch Nominierung der Versichertenvertreter durch Gewerkschaften und Kammern etabliert. Das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz (ASVG) von 1955 brachte eine Vereinheitlichung der Bestimmungen des Sozialversicherungsrechtes und Leistungsverbesserungen. Es regelte die Kranken- Unfall- und Pensionsversicherung für alle unselbstständig Erwerbstätigen mit Ausnahme des öffentlichen Dienstes und die Organisation und Finanzierung der Sozialversicherung. Schrittweise wurde im Verlauf der nächsten Jahre und Jahrzehnte der Versichertenkreis auf beinahe die gesamte Bevölkerung ausgeweitet. Die bisherige Organisation der Sozialversicherung wurde durch das SozialversicherungsOrganisationsgesetz (SV-OG, BGBl I 2018/100) maßgeblich umgestaltet.

2

Aufbau der österreichischen Sozialversicherung

Das Sozialversicherungssystem in Österreich hat bereits lange Tradition und ist gekennzeichnet durch stetige Modernisierung und Weiterentwicklung im Sinne der Bevölkerung. Der Grundgedanke dabei war immer, dass bei Arbeitsunfähigkeit die Existenzen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht bedroht werden (Steiner 2019, S. 158). Im Zuge der Neuorganisation 2018 wurde eine weitreichende Umgestaltung in der österreichischen Sozialversicherung vorgenommen. Ein wesentliches Element dieser Organisationsreform ist eine durch Fusionen erwirkte Reduktion der Sozialversicherungsträger von 21 auf 5. Dabei muss jedoch berücksichtigt werden, dass die neben den Sozialversicherungsträgern bestandenen Krankenfürsorgeanstalten, die für bestimmte Beschäftigtengruppen die Aufgaben von Kranken- und Unfallversicherung wahrnehmen, erhalten blieben. Neben den bestehenden Sozialversicherungsträgern gibt es daher weiterhin eine Reihe an „Trägern“, die für einen nicht unbeachtlichen Personenkreis zuständig sind. Eine weitere wesentliche Änderung betrifft die Entsendung der Versicherungsvertreter*innen in die Gremien der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) und der Pensionsversicherungsanstalt (PVA), die erstmals in der Historie nach dem Paritätsprinzip – das heißt zu gleichen Teilen aus Arbeitnehmer- und Arbeitgeber-Vertreter*innen - erfolgt. Dabei wurde auch die Struktur der Verwaltungskörper selbst grundlegend geändert und die Anzahl der Versicherungsvertreter*innen verringert. Durch die Besetzung im Verhältnis 50:50 gilt nun ein 14 19.01.24


DAS ÖSTERREICHISCHE SOZIALVERSICHERUNGSSYSTEM

paritätisches Stimmverhältnis, wodurch die Versicherten keine Entscheidungsmehrheit in den für sie zuständigen Versicherungsträgern haben. Abseits der BVAEB ist in allen Entscheidungsgremien der Sozialversicherung eine Entscheidung nur mit Zustimmung von Arbeitgebervertreter*innen möglich. Durch die Parität verfügt die Arbeitgeberseite daher über eine absolute Vetomacht. Darüber hinaus wurde für die ÖGK und die PVA eine Rotation in der Vorsitzführung verankert, halbjährlich wechselt der Vorsitz zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmer*innenseite. Der für trägerübergreifende und koordinierende Aufgaben zuständige Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger wurde in den Dachverband umgewandelt, wobei auch in dessen Struktur umfassende Änderungen erfolgten. Das Entscheidungsgremium, die Konferenz, ist seitdem durch die Obmänner/Obfrauen und ihre Stellvertreter*innen der Sozialversicherungsträger besetzt – damit sechs Arbeitgeber- und vier Arbeitnehmer*innenVertreter*innen und unabhängig von der Anzahl an Versicherten in den einzelnen Trägern. Die Vorsitzführung erfolgt wie in ÖGK und PVA im Rotationsprinzip. Ein Gremium, das neben der durch Trägervertreter*innen eingesetzten Konferenz für die Aufgabenbesorgung des Dachverbands Sorge trägt, gibt es seit der SV-Reform nicht mehr. Nachfolgende Abbildung gibt einen Überblick zu den Trägern der Sozialversicherung und den jeweiligen Zuständigkeiten vor und nach der Neuorganisation 2018. Abbildung 1: Sozialversicherungsträger im österreichischen Dachverband

Quelle: KDZ: eigene Darstellung 2023; auf Basis: Beigl 2020, S. 302.

Das österreichische Sozialversicherungssystem umfasst die gesetzliche Pensions-, Kranken- und Unfallversicherung und ist ein zentraler Bestandteil der sozialen Sicherheit in Österreich. Dieses System soll vor allem vor sozialen Risiken wie Krankheit, Erwerbsunfähigkeit und Unfällen schützen und der finanziellen Absicherung im Alter dienen. Das System ist insgesamt in fünf Versicherungsträger gegliedert. Während es für Versicherte in der Österreichischen

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Gesundheitskasse (ÖGK) noch zusätzlich die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt (AUVA) sowie die Pensionsversicherungsanstalt (PVA) gibt, sind die Sozialversicherungsanstalt für Selbständige (SVS) als auch die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau für alle Zweige der Sozialversicherung zuständig, d.h. Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung (Beigl 2020, S. 303).

3

Systemmerkmale der Sozialversicherung

Die österreichische Sozialversicherung zeichnet sich durch besondere institutionelle, rechtliche und werteorientierte Eigenschaften aus. Diese werden im Folgenden als vier Systemmerkmale bezeichnet und umfassen die Selbstverwaltung, die Pflichtversicherung, die Sozialpartnerschaft und das Solidaritätsprinzip. Diese lassen sich aus dem Bismarck-Modell zur sozialen Absicherung (Kraft 2010, S. 31) ableiten. Das Bismarck-System wird durch Sozialabgaben der Versicherten finanziert. Das zweite in Europa verbreitete System zur sozialen Absicherung ist das Beveridge-System, das im Gegensatz zum Bismarck-System steuerlich finanziert wird. Dementsprechend unterscheiden sich die beiden Systeme im Wesentlichen dadurch, dass bei Beveridge die gesamte Bevölkerung versichert ist, während bei Bismarck alle Erwerbstätigen grundsätzlich zu den versicherten Personen zählen. Otto von Bismarck hat mit seinem System den Grundstein für das moderne Sozialversicherungssystem wie es heute aus Österreich, Deutschland und der Schweiz bekannt ist, gelegt. Die Beiträge der Erwerbstätigen sind grundsätzlich nach dem Einkommen angesetzt und bemessen sich je nach Gehalt. Im steuerfinanzierten System nach Beveridge finanziert sich das System aus dem Staatshaushalt. Dieses System deckt Pauschalleistungen ab und fokussiert zumeist auf die Existenzsicherung, während im Bismarck-System versucht wird, den Lebensstandard abzusichern (Rohwer 2008, S. 26). In beiden Systemen spürt man den demografischen Wandel der Gesellschaft, sodass ein immer kleiner werdender Teil der Bevölkerung für einen größer werdenden Teil aufkommen muss. Das heißt, dass es immer weniger Beitragszahlerinnen und Beitragszahler gibt, welche für mehr Personen aufkommen müssen. Die Herausforderung besteht darin, die Beschäftigungspotentiale der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter zu nutzen. Denn letztlich ist für die Finanzierung nicht die Relation der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter zur Bevölkerung 65 Plus entscheidend, sondern das Verhältnis der Beitragszahler zu den Leistungsempfängern. Bei den Beitragszahlern besteht in Österreich noch enormes Potenzial, zum einen bei der Beschäftigungsquote der 50 bis 64-Jährigen, zum anderen auch im Bereich der Arbeitslosigkeit und der unfreiwilligen Teilzeit. Die Finanzierung des Sozialversicherungssystem im Beveridge Modell steht außerdem in Konkurrenz mit anderen Budgetposten in der politischen Debatte und daher ist die nachhaltige Finanzierung vor allem in diesem Modell gefährdet (ebd. 2008, S. 28).

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DAS ÖSTERREICHISCHE SOZIALVERSICHERUNGSSYSTEM

Abbildung 2: Vergleich Bismarck-Modell und Beveridge-Modell

Quelle: Siehe Kraft 2010, S. 31.

Die vier Systemmerkmale Selbstverwaltung, Pflichtversicherung, Sozialpartnerschaft und Solidaritätsprinzip grenzen somit das österreichische Sozialversicherungssystem einerseits von steuerfinanzierten und durch staatliche Verwaltung organisierten Systemen und andererseits von privaten Systemen ab, welche den Prinzipien der Marktwirtschaft und der Gewinnorientierung unterliegen. Diese basieren meist auf einer Kapitalmarktdeckung mit einem hohen Risiko. Je nach Entwicklung des Kapitalmarktes kann es bei Pensionen zu unterschiedlichen Entwicklungen nach oben und unten führen. Bei der Krankenversicherung hängen die Leistungen stark von den persönlichen Risikofaktoren der Klienten ab.

3.1

Selbstverwaltung

Grundsätzlich können in Österreich zwei Arten der Selbstverwaltung unterschieden werden. Zum einen die Selbstverwaltung der Gemeinden (Art. 115 ff B-VG)4 und zum anderen die „Sonstige Selbstverwaltung“ (Art. 120a bis 120c B-VG) im Sinne einer beruflichen und sozialen Selbstverwaltung. Zur letztgenannten Selbstverwaltung gehören die gesetzlichen Interessenvertretungen und die Sozialversicherungsträger. Die Selbstverwaltung im Sinne der Verfassung knüpft an bestimmte Kriterien an. So muss eine Selbstverwaltung bestimmte Wesensmerkmale erfüllen, damit die Aufgaben durch die öffentliche Verwaltung im Sinne der Verfassung erledigt werden können. Josef Cerny (2018) fokussiert in seinen Ausführungen auf „jene Wesensmerkmale, die für die berufliche und für die soziale Selbstverwaltung von besonderer Bedeutung sind“ und nachfolgend erläutert werden:

4

B-VG ist das österreichische Bundes-Verfassungsgesetz

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Weisungsfreiheit Die Weisungsfreiheit geht aus Art. 120b Abs. 1 B-VG hervor. Selbstverwaltungskörper haben das Recht, die ihnen übertragenen Aufgaben frei von Weisungen zu besorgen. Das Merkmal der Weisungsfreiheit ist damit eines der essenziellsten von Selbstverwaltungskörpern und zwingend notwendig, um die Einflussnahme von staatlichen Behörden durch Weisungen zu unterbinden. Gesetzliche Zugehörigkeit Ein weiteres Wesensmerkmal der Selbstverwaltung ist die sogenannte „gesetzliche Zugehörigkeit“. Öffentlich spricht man hier oftmals von der „Pflichtmitgliedschaft“ im Zusammenhang mit der Arbeiter- oder Wirtschaftskammer. Die Sozialversicherung ist wie das Kammernsystem von einer „gesetzlichen Zugehörigkeit“ gekennzeichnet, da es sich um eine Pflichtversicherung handelt. Demokratische Legitimation Die demokratische Legitimation ergibt ich aus Art. 120c Abs. 1 B-VG. Die Organe der Sozialversicherung müssen aus dem Kreis ihrer Mitglieder, der Pflichtversicherten, nach demokratischen Grundsätzen gebildet werden. Finanzautonomie Die Selbstverwaltungsträger müssen ohne staatliche Einflussnahme über die ihnen zur Verfügung stehenden Mittel ohne staatliche Einflussnahme entscheiden können. Staatsaufsicht Die Sozialversicherung unterliegt der Staatsaufsicht in einfachgesetzlichen Regelungen. Die Aufsicht muss in den Gesetzen so geregelt sein, dass die Aufsichtsbehörden selbst nicht Entscheidungen von Aufgaben der Selbstverwaltung treffen. Rechnungshofkontrolle Die Rechnungshofkontrolle ist in Art. 127b B-VG normiert und überprüft neben der Richtigkeit auch die Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit, nicht jedoch die (interessenpolitische) Zweckmäßigkeit.

Konkret bedeutet dies, dass der Staat die Rahmenbedingungen in der Verfassung sowie in anderen (Verfassungs-)Gesetzen5 festlegt, aber die Beitragszahler*innen selbst für die Organisation der Körperschaft6 zuständig sind. Die Versicherungsvertreter*innen werden von den Dienstgeber*innen (Wirtschaftskammer Österreich) und Dienstnehmer*innen (Arbeiterkammer) nach dem Ergebnis der Wirtschaftskammer- und Arbeiterkammerwahl für fünf Jahre in die Selbstverwaltung entsendet. Versicherungsvertreter*innen müssen gewisse Kriterien7 erfüllen und sind ehrenamtlich tätig. Das Sozialversicherungs-Organisationsgesetz (SV-OG) brachte 2019/2020 eine maßgebliche Änderung der Zusammensetzungen der Selbstverwaltung. Es wurde gesetzlich die Parität zwischen Arbeitgeber*innen und Arbeitnehmer*innen in wichtigen Selbstverwaltungsgremien eingeführt. Davor hatten die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in ihren Trägern die Mehrheit8. Damit erhalten beispielsweise in der ÖGK die Arbeitgeber*innen ein Stimmrecht im gleichen

5

Siehe auch: https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVI/BNR/140 Körperschaften sind selbstständige Träger von Rechten und Pflichten und verfügen über eine eigene Rechtspersönlichkeit. Sie handeln durch ihre Organe bzw. gesetzlichen Vertreter (Unternehmensservice Portal 2023). 7 Mind. 18 Jahre und in keiner Beziehung zur Selbstverwaltung stehend. 8 Dies gilt nicht für die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt (AUVA), die ehemalige Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (SVA) und die Sozialversicherungsanstalt der Bauern (SVB) sowie den Hauptverband. 6

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Ausmaß, obwohl sie nicht in der ÖGK versichert sind. Auch die Mandatsverteilung im Dachverband wurde zugunsten der Arbeitgeber*innen geändert in einem Verhältnis von 6:4 (Klein et al., 2020). Abbildung 3: Wahl der Funktionär*innen der Selbstverwaltungskörper der SV

Quelle: Dachverband der österreichischen Sozialversicherungen, Jahresbericht 2020, S.12.

Die Verwaltungskörper der jeweiligen Träger bestehen aus dem Verwaltungsrat, der Hauptversammlung und den Landesstellenausschüssen, die in jedem Bundesland einen Sitz haben. Sowohl die Aufgaben als auch die Zusammensetzung und die Anzahl der Mitglieder des Verwaltungskörpers sind gesetzlich geregelt (WKO Wien 2019, S. 16 f.). Die genaue Zahl der jeweiligen Versicherungsvertreterinnen und Versicherungsvertreter in den Selbstverwaltungsgremien ist im ASVG9, B-KUVG10 sowie im SVSG11 geregelt. Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) Die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) stellt ihr Angebot für 7,4 Millionen Versicherte12 bereit und ist damit eine der drei größten gesetzlichen Krankenkassen Europas. Damit gehen Leistungen in einem Ausmaß von 16 Milliarden Euro einher (ÖGK 2021, S. 5). Allgemeine Unfallversicherungsanstalt (AUVA) Die AUVA ist für über 4,5 Millionen Versicherte zuständig, davon über 3,1 Millionen Erwerbstätige und über 1,4 Millionen Schülerinnen und Schüler, Studentinnen und Studenten sowie Kindergartenkinder (AUVA 2021, S. 9). Pensionsversicherungsanstalt (PVA) Die Pensionsversicherungsanstalt (PV) war im Jahr 2021 für über 3,5 Millionen Versicherte zuständig (PV 2021, S. 25). Die PV ist neben den Alterspensionen auch für die Schwerarbeitspension, Berufsunfähigkeits- und Invaliditätspension, Witwen/Witwerpension, Pension für hinterbliebene eingetragene Partnerinnen und Partner und für die Waisenpension

9

Allgemeines Sozialversicherungsgesetz. Beamten-, Kranken- und Unfallversicherungsgesetz Selbständigen-Sozialversicherungsgesetz 12 Basis ÖGK Jahresbericht 2021 10 11

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zuständig (ebd., S. 28). Darüber hinaus zählen die Prävention und Rehabilitation zu den Aufgaben der PVA. Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen (SVS) Das Angebot der SVS erreicht 1,3 Millionen Selbständige. Im Unterschied zur ÖGK bietet die SVS neben der Kranken-, auch Unfall- und Pensionsversicherung (SVS 2021, S. 87). Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau (BVAEB) Die BVAEB bietet wie die SVS ebenfalls Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung an und erreicht damit über 1,1 Millionen Versicherte (BVAEB 2021, S. 56). Die Selbstverwaltung garantiert vor allem die Mitwirkungsmöglichkeit der Versicherten bei wichtigen gesundheitspolitischen Beschlüssen. Sie gibt der Sozialversicherung eine demokratische Legitimation durch die Entsendung der Mitglieder (Funktionärinnen und Funktionäre) aufgrund von Wahlergebnissen in den Kammern (Arbeiterkammern, Wirtschaftskammern und Landwirtschaftskammern). Die Verwaltung kann durch die Selbstverwaltung praxisnah für die Interessen der Versicherten lösungsorientiert arbeiten. Die umfassende Einbeziehung verschiedener Interessengruppen fördert auch die Zusammenarbeit mit Expertinnen und Experten aus Wirtschaft und Sozialpolitik. Dies stärkt wiederum das Solidaritätsbewusstsein (Dachverband der österreichischen Sozialversicherungen 2020, S. 303).

3.2

Sozialpartnerschaft

Die Sozialpartnerschaft in Österreich wurde nach dem zweiten Weltkrieg im Jahr 1946 mit der Gründung der Dachverbände der Wirtschafts-, Arbeiter- und Landwirtschaftskammer wiederbelebt. Nicht zuletzt war es nach den Erfahrungen aus der Zwischenkriegszeit und des zweiten Weltkriegs wichtig den gegenseitigen Dialog und die Gesprächsbereitschaft wieder aufleben zu lassen, um Herausforderungen gemeinsam besser begegnen zu können (Die Sozialpartnerschaft Österreich, 2015). Institutionell setzt sich Sozialpartnerschaft in Österreich aus vier Verbänden auf Bundesebene zusammen: der Wirtschaftskammer (WKÖ), der Landwirtschaftskammer (LKÖ), der Bundesarbeitskammer (BAK) sowie aus dem österreichischen Gewerkschaftsbund (ÖGB). Die Sozialpartnerschaft ist im Wandel (siehe Talos, Hinterseer 2019). Die Sozialpartnerschaft war in ihrer Hochblüte ein zentraler politischer Gestaltungsfaktor in Österreich. Die Paritätische Kommission für Lohn- und Preisfragen war eine zentrale Institution der österreichischen Wirtschafts- und Sozialpolitik. Darüber hinaus förderten zahlreiche paritätisch ausgerichtete Beiräte, Kommissionen, Ausschüsse, Komitees, Studiengruppen etc. eine Politik des Interessenausgleichs und des Kompromisses. Mit dem Beitritt zur EU, neuen politischen Akteurinnen und Akteuren aber auch Anforderungen der Bevölkerung an transparente und partizipative Politikgestaltung haben sich Einfluss und Aufgaben der Sozialpartnerschaft gewandelt. Sicher ist aber, dass die Sozialpartnerschaft noch immer ein wichtiger Faktor im österreichischen politischen System ist. Dies zeigt sich zum 20 19.01.24


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Beispiel bei den Kollektivverträgen, aber auch bei der Weiterentwicklung der dualen Berufsbildung in Österreich. Darüber hinaus wirken die Sozialpartner in die Politikgestaltung ein, indem sie Gesetzesvorlagen begutachten oder bei der Formulierung von Gesetzesentwürfen mitwirken (Die Sozialpartnerschaft Österreich, 2015). Darin liegt auch die Bedeutung der Sozialpartnerschaft in der österreichischen Sozialversicherung. Basierend auf der Idee des Interessenausgleichs vor allem zwischen Wirtschaft und Arbeitnehmerverbänden, entwickeln die Sozialpartner die Sozialversicherung gemeinsam weiter und übernehmen Verantwortung für die für den Staat besonders wichtige soziale Absicherung im Gesundheits- und Pensionsbereich. Institutionell sind die Sozialpartner über die Selbstverwaltung in der Sozialversicherung verankert. Die Sozialpartnerschaft als Wert der Zusammenarbeit, des Interessenausgleichs und des Kompromisses geht über diese institutionelle Verankerung hinaus und sichert das faire, paritätische Zusammenwirken der Arbeitnehmer*innen und Arbeitgeber*innen.

3.3

Pflichtversicherung

Ein wichtiger Grundsatz der österreichischen Sozialversicherung ist die Pflichtversicherung. Sofern in Österreich eine Erwerbstätigkeit vorliegt, ist diese Person pflichtversichert und unterliegt einem Versicherungsschutz (Jahresbericht Dachverband 2020, S. 16). Dem Eintritt in das Versicherungssystem geht keine Willenserklärung des Versicherten bzw. der Versicherten voraus, sondern erfolgt auf Grundlage des Gesetzes. Die Pflichtversicherung wird mittels „Pflichtbeiträgen“ durch Dienstgeber*in und Dienstnehmer*in (Unselbständige) bzw. der Versicherten und aus bestimmten Steuermitteln (Selbständige) finanziert (Dachverband der österreichischen Sozialversicherung 2020, S. 304). Darüber hinaus gilt in Österreich der Rechtsanspruch auf Gesundheitsleistungen, der auch eingeklagt werden kann (ASVG 2023, §121 Abs. 2 iVm §133). Auch unterstützen Ombudsstellen der Sozialversicherungsträger die Kundinnen und Kunden bei Problemen, Konflikten und der Wahrung der Rechtsansprüche. Das Äquivalent zur Pflichtversicherung ist die Versicherungspflicht, wie sie zum Beispiel aus Deutschland oder der Schweiz bekannt ist. Hier sind grundsätzlich alle Bewohnerinnen und Bewohner des Landes verpflichtet, eine Krankenversicherung abzuschließen. In Deutschland kann je nach Personenkreis auf staatliche oder private Versicherungssysteme zurückgegriffen werden (Deutsches Bundesamt für Gesundheit 2020, S.8). In der Schweiz können die Bewohner*innen die obligatorische Krankenversicherung bei einer der rund 50 Krankenkassen abschließen (Schweizer Bundesamt für Gesundheit 2018, S. 5). Dies führt zu Wettbewerb zwischen den Systemen und zu sehr unterschiedlichen Versorgungsleistungen. Darüber hinaus kann es zu erhöhten Prämienzahlungen im Alter kommen.

3.4

Solidaritätsprinzip

Das Solidaritätsprinzip ist ein weiteres wesentliches Systemmerkmal der österreichischen Sozialversicherung. Diese wird durch die gesetzlich verankerte Pflichtversicherung sichergestellt.

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Im Unterschied zur Privatversicherung werden in der österreichischen Sozialversicherung alle Menschen gleich versichert. Dies bedeutet in der Kranken- und Unfallversicherung gleiche Leistungen für alle. In der Pensionsversicherung ist mit der Höchstbeitragsgrundlage festgelegt, dass es eine Obergrenze für Pensionen gibt, aber dennoch ein faires Leistungsprinzip über die unterschiedlichen Pensionshöhen verankert ist. Bei den Pensionen spiegelt sich das

Solidaritätsprinzip insbesondere auch im Generationenvertrag des Umlageverfahrens wider. Unabhängig von den individuellen Risiken stehen den Versicherten sämtliche Leistungen zu gleichen Bedingungen zur Verfügung. Das Versicherungsverhältnis kann aufgrund erhöhter Risiken beispielsweise durch ein beruflich bedingtes Unfallrisiko nicht abgelehnt werden. Es darf kein Ausschluss bestimmter Leistungen beispielsweise aufgrund von Vorerkrankungen erfolgen (Jahresbericht Dachverband 2020, S. 17). Abbildung 4: Die zentralen Unterschiede zu privaten Systemen – Umverteilungseffekte

Quelle: Eigene Darstellung KDZ 2023 auf Basis Dachverband der österreichischen Sozialversicherung 2023.

Im Gegensatz zu staatlichen Systemen arbeiten die privaten Versicherer gewinnorientiert und müssen mit dem Kapitaldeckungsverfahren kalkulieren. Leistungen können nur im Ausmaß des von den Versicherten bereits eingebrachten Kapitals erbracht werden. Dadurch müssen risikobasierte Beiträge eingehoben werden und die Solidarität innerhalb der Versicherten wird eingeschränkt. Bei Privatversicherung gilt das Solidaritätsprinzip nicht. Während sich die Beiträge bei einer privaten Versicherung an den individuellen Risikoumständen orientieren, sind die Beiträge der Sozialversicherung je nach Einkommen der/des Versicherten gestaffelt. Besserverdienende und Gesunde finanzieren mit ihren Beiträgen somit solidarisch medizinische Leistungen von finanziell schlechter gestellten und/oder kranken Menschen. Beim 22 19.01.24


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Äquivalenzprinzip der privaten Krankenversicherung hängt die Beitragshöhe vom individuellen Risiko und/oder vom gewünschten Leistungsniveau ab (BMSGPK 2023a).

3.5

Weitere wichtige Merkmale: Sachleistungsprinzip und Einkommensersatzprinzip

In Österreich ist de facto die gesamte Bevölkerung krankenversichert und alle Erwerbseinkommen sind in die Pensionsversicherung einbezogen, alle Beschäftigten - aber z.B. auch Schüler*innen - sind unfallversichert. Die Leistungserbringung erfolgt im Wesentlichen nach dem Sachleistungs- und Einkommensersatzprinzip. Das heißt, es werden Sachleistungen (u.a. Krankenbehandlung, Heilmittel, Krankenhausbehandlung) und Geldleistungen als Einkommensersatz (etwa Krankengeld, Pensionen) gewährt. Das Sachleistungsprinzip ermöglicht den Versicherten ihre Leistungen ohne Vorfinanzierung in Anspruch zu nehmen, da diese direkt über die Versicherungen abgerechnet werden. Gerade bei teuren Behandlungen ist dies ein großer Vorteil im Vergleich zu anderen Systemen. Durch das Einkommensersatzprinzip wird der Lebensstandard der Versicherten abgesichert.

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IV Das Public Value Modell der österreichischen Sozialversicherung 1

Die Methodik

Folgende zentrale Fragestellungen bilden die Grundlage, um den Public Value der österreichischen Sozialversicherung zu ermitteln und das Public-Value-Modell zu erstellen:  Wie lässt sich der Public Value des österreichischen Sozialversicherungssystems definieren und in einem Modell abbilden?  Welche Rolle spielen die Selbstverwaltung, die Sozialpartnerschaft, die Pflichtversicherung und das Solidaritätsprinzip als die zentralen Systemmerkmale des österreichischen Sozialversicherungssystems für den gesellschaftlichen Mehrwert?  Wie lässt sich der gesellschaftliche Mehrwert nach außen (die österreichische Bevölkerung, externe Stakeholder*innen) und nach innen (Akteur*innen, Mitarbeiter*innen, Funktionär*innen,..) darstellen und kommunizieren?  Inwieweit trägt dieser gesellschaftliche Mehrwert zur Umsetzung der 17 UNNachhaltigkeitsziele (SDGs) bei. Als theoretisches Grundgerüst für das Public Value Modell der österreichischen Sozialversicherung wurde das Public-Value Modell nach Bovaird (vgl. Abschnitt 1: Der Public Value-Ansatz) herangezogen und vom KDZ ergänzt. Das Public-Value-Modell wurde für die österreichische Sozialversicherung entsprechend seinen Systemmerkmalen, übergeordneten Zielsetzungen und Leistungen weiterentwickelt. Zudem wurden für die Ermittlung der Public Values die 17 UN-Nachhaltigkeitsziele (SDGs) als Orientierungsrahmen herangezogen. Dies ermöglicht einerseits die Public Value Dimensionen im Modell zu strukturieren und andererseits den potenziellen Beitrag der österreichischen Sozialversicherung zur Zielerreichung der SDGs darzustellen. Als erster Schritt wurden die wesentlichen Basiskomponenten des Modells identifiziert. Diese setzen sich zusammen aus den    

übergeordneten Zielsetzungen, Systemmerkmalen, Grundlagen und Leistungen der österreichischen Sozialversicherung.

Mit diesen erzielt die Sozialversicherung ihre Wirkungen einerseits  

für die Stakeholder*innen (Stakeholder Value oder direkte Wirkungen/Values) und andererseits für die Gesellschaft (Public Values oder indirekte Wirkungen/Values).

Die Basiskomponenten wurden mittels Desk-Research zu Strategien, Leitbildern, Gesetzen und Leistungen der österreichischen Sozialversicherung etc. sowie weiterführender und vertiefender Literatur zu den Systemmerkmalen definiert. Ein Workshop mit der Projektsteuerungsgruppe hat diese konkretisiert. Zur besseren Verständlichkeit wurden die abgeleiteten Zielsetzungen nach Zieldimensionen und die Leistungen nach zentralen Leistungsbereichen geclustert.

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Die Systemmerkmale wurden zudem im Rahmen von vertiefenden Interviews mit zentralen Stakeholderinnen und Stakeholdern der österreichischen Sozialversicherung vertieft und deren Beitrag zum Public Value diskutiert. Abbildung 5: Basis-Komponenten des Modells: Systemmerkmale – Ziele – Leistungen

Quelle: Eigene Darstellung KDZ 2023.

Die recherchierten Zielsetzungen, Systemmerkmale und Leistungen der Sozialversicherung bilden die Grundlage für die Ableitung der Public Values. Dabei wurde beachtet, dass zwischen den Wirkungen für die Stakeholder*innen und Kund*innen und den Public Values für die Gesellschaft unterschieden wird. Die SDGs wurden als Orientierungsrahmen genutzt. Für die Ableitung der Public Values standen folgende Fragestellungen im Vordergrund:  

Welchen Mehrwert erbringt die österreichische Sozialversicherung mit ihren Systemmerkmalen, Zielen und Leistungen für die Gesellschaft? Entsprechen die Public Values der Sozialversicherung den SDG-Zieldimensionen „Grundbedürfnisse“, „soziale und wirtschaftliche Entwicklung“, „universale Werte“, „Governance und starke Partnerschaften“ sowie „ökologische Voraussetzungen und nachhaltige Nutzung von Ressourcen“?

Die Bestimmung der Public Values wurde ebenfalls gemeinsam mit der Projektsteuerungsgruppe konkretisiert.

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DAS PUBLIC VALUE MODELL DER ÖSTERREICHISCHEN SOZIALVERSICHERUNG

2

Politische Zielsetzungen und Leitlinien

Ausgangsbasis zur Ableitung und Definition der Public Values des Systems der österreichischen Sozialversicherungen bilden einerseits die 4 Systemmerkmale (siehe Kapitel III3 Systemmerkmale der Sozialversicherung) - Selbstverwaltung, Sozialpartnerschaft, Pflichtversicherung und Solidaritätsprinzip - und andererseits eine umfassende strukturierte Sammlung der Zielsetzungen, die auf Basis der gesetzlichen Grundlagen von Politik und Verwaltung (Sozialversicherungsträger und Dachverband) getroffen wurden. Gleichsam induzieren die im Zuge der Umsetzung ihrer Ziele erbrachten konkreten Maßnahmen und Leistungen einen Wert nicht nur für die primär Betroffenen, nämlich die Versicherten, und für die Stakeholder*innen, sondern darüberhinausgehend auch einen Mehrwert für die Gesellschaft – den Public Value.

2.1

Gesetzliche Grundlagen und übergeordnete Prinzipien

Rechtsgrundlagen der Organisation, Aufgaben und Leistungen sind in der Verfassung (B-VG), in Gesetzen und Verordnungen festgelegt. So ist in der Kompetenzverteilung des B-VG die Zuständigkeiten für Gesetzgebung und Vollziehung normiert - und damit eine wesentliche Determinante für die Sozialversicherung. Im B-VG ist aber auch das Systemmerkmal "Selbstverwaltung" verankert - weisungsfreie Besorgung der eigenen Aufgaben, Bildung der Organe der Selbstverwaltung aus dem Kreis der Mitglieder, Möglichkeit sonstiger Aufgaben der staatlichen Verwaltung - sind die verfassungsrechtlich geschützten Kernelemente. Gesetzliche Grundlagen sind z.B. das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz (ASVG), das Gewerbliches Sozialversicherungsgesetz (GSVG), das Beamten-, Kranken- und Unfallversicherungsgesetz (BKUVG), das Bauern-Sozialversicherungsgesetz (BSVG), das FreiberuflichenSozialversicherungsgesetz (FSVG) und das Allgemeines Pensionsgesetz (APG). Mit dem Sozialversicherungsorganisationsgesetz (SV-OG) erfolgte ein Umbau der Sozialversicherung - die Zusammensetzung der Organe der Selbstverwaltung (Parität) und die Struktur der Sozialversicherungsträger wurde zum Teil massiv verändert: So wurde die Zahl der SV-Träger von 21 auf fünf verringert. Die neun GKK wurden zu einer ÖGK, die Versicherungsanstalt der Beamten mit der Versicherungsanstalt für Eisenbahnen und Bergbau (BVAEB) zusammengelegt und die Versicherungsanstalten der Bauern und Selbstständigen zu einer gemeinsamen Selbstständigen Sozialversicherungsanstalt (SVS) zusammengeführt. Der Hauptverband der SVTräger wurde zum Dachverband (DV) umbenannt und in seinen Kompetenzen und der Mitarbeiterzahl deutlich reduziert. Teile der Reform wurden vom VfGH als verfassungswidrig aufgehoben. Bereits 2010 war der "Masterplan Gesundheit" der Sozialversicherung vorgelegt worden, eine der Kernforderungen war u.a. die Entwicklung von Gesundheitszielen. Für den Gesundheitsbereich wurden 2017 im Gesundheits-Zielsteuerungsgesetz die zentralen Grundsätze, Prinzipien und die bereits 2012 erarbeiteten Ziele gesetzlich vorgeschrieben: „Der Bund und die gesetzliche Krankenversicherung haben sich an den […] beschlossenen Gesundheitszielen und an den Public Health Grundsätzen der WHO zu orientieren und die Multiprofessionalität in der Versorgung, Prävention, Gesundheitsförderung sowie in der Forschung und Lehre zu stärken.“ (Bundesgesetz zur partnerschaftlichen Zielsteuerung Gesundheit §4). „Dabei ist den Prinzipien Wirkungsorientierung, Verantwortlichkeit, 26 19.01.24


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Rechenschaftspflicht, Offenheit, Transparenz von Strukturen bzw. Prozessen und Fairness zu entsprechen und dadurch qualitativ bestmögliche Gesundheitsleistungen und deren nachhaltige Finanzierung sicherzustellen“ (Bundesgesetz zur partnerschaftlichen Zielsteuerung Gesundheit §5). Dieses Governance-Modell der Zielsteuerung des Gesundheitssystems wurde mittlerweile durch eine VfGH-Erkenntnis bestätigt und hat somit auch dauerhaft Bestand (VfGH 2022). Weiters wurde die einheitliche Steuerung und Organisation durch das Finanzausgleichsgesetz 2024 - 2028 in wesentlichen Punkten weiterentwickelt, wie etwa durch die Reduktion der Vetorechte der Ärztekammer oder die Schaffung von mehr Kompetenzen und mehr Mittel für die Zielsteuerung. Innerhalb der Sozialversicherung wurde das BSC-System etabliert. Unter den bestehenden verfassungsrechtlichen Gegebenheiten konnten durch die Einrichtung der BundesZielsteuerungskommission und der Landes Zielsteuerungskommissionen Bund, Länder und Sozialversicherung „an einen Tisch“ gebracht werden. Es wurde somit ein neues GovernanceModell mit einer klaren strategischen Ausrichtung geschaffen. Als übergeordnetes Ziel für den Gesundheitsbereich ist die Steigerung von Effektivität und Effizienz sowie der Patient*innenorientierung definiert. Diese Optimierung ist anhand folgender Prinzipien anzustreben:  Forcierung der Gesundheitsförderung und Prävention,  Kurative Versorgung am „Best Point of Service“,  Verbindliche und aktive Zusammenarbeit und wechselseitige Unterstützung zwischen Bund, Ländern und Sozialversicherung,  Patient*innenorientierte Qualität,  Vorrang der Einrichtung von multiprofessionellen und integrativen Versorgungsformen,  Sicherstellung einer nachhaltigen Sachleistungsversorgung. Das Gesetz definiert darüber hinaus fünf zentrale Zielsetzungen und sieben Handlungsfelder, welche für die vier zentralen Steuerungsbereiche – Ergebnisorientierung, Versorgungsstrukturen, Versorgungsprozesse und Finanzzielsteuerung – näher konkretisiert werden. Den Vorgaben des Zielsteuerungs-Gesetzes folgend werden jeweils für einen Zeitraum mehrerer Jahre die strategischen (langfristigen) und operativen (in der Vertragsperiode umzusetzenden) Ziele sowie die auf Bundes- und Landesebene zu setzenden Maßnahmen zur Zielerreichung in gesonderten Zielsteuerungsverträgen auf Bundesebene13 vereinbart und verbindlich festgelegt (BMSGPK 2019b). Der erste Vertrag umfasste die Jahre 2013 bis 2016, der zweite die Jahre 2017 bis 2021, dieser wurde bis 2023 verlängert. Diese Vereinbarung zwischen Bund, Ländern und Sozialversicherung - bildet gleichsam eine zentrale Grundlage für die Bestimmung der wichtigsten Zielsetzungen und Zieldimensionen für die Sozialversicherung (siehe nachfolgendes Kapitel).

13

Die weitere Operationalisierung und Konkretisierung dieser Maßnahmen im Hinblick auf die termingerechte Umsetzung erfolgt auf Bundesebene im Rahmen von Bundes-Jahresarbeitsprogrammen und auf Landesebene im Rahmen der jeweiligen LandesZielsteuerungsübereinkommen (mehrjährig).

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2.2

Zieldimensionen und die wichtigsten Zielsetzungen

Als ein Beispiel - von vielen - für eine strategische Befassung mit Zielsetzungen innerhalb der Sozialversicherung kann die von der Trägerkonferenz des Hauptverbandes bereits im Jahr 2018 beschlossene Strategie zur Stärkung der Sachleistungsversorgung genannt werden. Darin sind fünf finale Ziele für die künftige Gestaltung festgeschrieben:  Bessere Gesundheit,  Kund*innenzufriedenheit,  Schutz vor finanziellen Risiken,  Nachhaltigkeit,  Soziale Sicherheit und Demokratie (durch Selbstverwaltungskörper) (Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungen, 2018) Ein zentrales Ziel der sozialen Krankenversicherung in Österreich und des größten Trägers -der Österreichischen Gesundheitskasse - ist, dass jede und jeder in Österreich die Behandlung bekommt, die sie oder er braucht – und zwar unabhängig von Einkommen, Alter, Geschlecht oder Wohnort (ÖGK 2023a). Im Rahmen der Zielsteuerung Gesundheit wird das übergeordnete Ziel für den Gesundheitsbereich wie folgt definiert: „Das große, gemeinsame Ziel ist: mehr Gesundheit, Lebensqualität und Wohlbefinden für alle. Wer in Österreich lebt, soll die gleichen Chancen auf Gesundheit haben – unabhängig von Alter, Bildung, Einkommen, Herkunft, Wohnumgebung oder Geschlecht. Dies kommt sowohl den Einzelnen als auch der Gesellschaft insgesamt zugute.“ (Österreichische Sozialversicherung 2023a). Die Aufgabe der gesetzlichen Unfallversicherung ist einerseits die Unfallheilbehandlung und Rehabilitation und andererseits die finanzielle Entschädigung durch Gewährung von Versehrtenrenten bei einer Erwerbsminderung nach Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten. Die AUVA als größter Unfallversicherungsträger ist auch engagiert im Bereich der Prävention. Die Pensionsversicherungs-Anstalt definiert ihre Kernaufgabe über die finanzielle Absicherung der Versicherten im Alter oder nach krankheitsbedingtem Ausscheiden aus dem Berufsleben sowie der hinterbliebenen Angehörigen. Darüber hinaus hat die Pensionsversicherung die Aufgabe, durch Maßnahmen der Gesundheitsvorsorge (z.B. Aufenthalt in Kurorten) und der Rehabilitation (Wiedereingliederung in das Erwerbsleben) die Gesundheit und Arbeitsfähigkeit zu erhalten und den vorzeitigen Anfall einer Pension nach Möglichkeit zu verhindern oder doch möglichst zu verzögern (PVA, 2012 und 2023). Die SVS und die BAVEB vereinen alle drei Sparten der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung unter einem Dach (Allspartenträger) bzw. bieten sämtliche Leistungen der Sozialversicherung von einem Träger an. Die SVS ist für die soziale Absicherung aller selbständig Erwerbstätigen, der Gewerbetreibenden, der Bauern, der Neuen Selbständigen und Freiberufler zuständig und bietet unter dem Leitspruch „Gemeinsam gesünder“ für ihre Versicherten einen One-Stop-Shop in der Gesundheits-, Unfall- und Pensionsversicherung an. Das oberste Ziel der SVS ist es, den Versicherten möglichst viele gesunde Lebensjahre zu ermöglichen, die SVS möchte dafür sorgen, dass ihre Kundinnen und Kunden gesünder leben, gesünder arbeiten und gesünder ihre Pension genießen können. „Ein gesundes Land braucht gesunde Selbständige – und jemanden, der sich ihrer sozialen Absicherung verschrieben hat“ (SVS 2023). Die BVAEB gewährleistet die Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung für öffentlich Bedienstete und alle Beschäftigten der Eisenbahnen und im Bergbau. Von der Geburt bis ins hohe Alter fördert die BVAEB über Vorsorge und präventive Maßnahmen die Gesundheit 28 19.01.24


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ihrer Versicherten. Sie gewährleistet Heilbehandlungen, Therapien und Rehabilitation und sichert durch finanzielle Leistungen ihre Versicherten in vielen Lebenslagen ab (BVAEB 2023). Die strategischen Ziele sind im Jahresbericht der BVAEB (BVAEB 2021) in Bezug zu 4 Fokusbereichen zusammengefasst: Im Bereich Kund*innen und Vertragspartner*innen wird beispielsweise eine hohe Zufriedenheit und bestmögliche Servicequalität sowie eine aktive und attraktive Gestaltung der Services angestrebt, Behandlungen werden state of the art erbracht und Prävention und Gesundheitsförderung werden gestärkt und ausgebaut. Weitere Zielsetzungen wurden für die Bereiche Mitarbeiter*innen, Prozesse (z.B. Effiziente Gestaltung und Ausbau Online Services) sowie Finanzen formuliert. Diese übergeordneten Leitsätze werden in zahlreichen Programmen, Strategien, Leitlinien und Maßnahmenplänen in den einzelnen Sparten näher definiert und beschrieben. Neben den gesetzlichen Grundlagen und politischen Zielen (z.B. aus Regierungsprogrammen) wurden auch Jahresberichte und Leitbilder der einzelnen Sozialversicherungsträger herangezogen. Im Gesundheitsbereich, dessen Zuständigkeit zwischen Bund, Ländern und Sozialversicherung geteilt ist, konnte auf Gesundheitsziele zurückgegriffen werden. Im Rahmen eines Screenings sämtlicher zur Verfügung stehender Dokumente und Informationen zu den Zielsetzungen wurde zunächst eine umfassende Sammlung erstellt, um daraus über das Kriterium Relevanz für die Sozialversicherung die wichtigsten Zielsetzungen zu extrahieren. Wichtig dabei war insbesondere die Betrachtung über einen längeren Zeitraum, damit auch bereits länger bestehende Rahmen-Zielvorgaben wie beispielsweise das Leitbild der Pensionsversicherung (2012) Berücksichtigung finden. Dieser umfassende Katalog von über 70 Einzel-Zielsetzungen aus allen Bereichen (Gesundheit, Unfall und Pension) wurde in einem weiteren Schritt zu gesamthaften, teilweise übergreifenden 20 Zielen bzw. Clustern konsolidiert und zusammengefasst. In nachfolgender Übersicht sind die zentralen 20 Ziele bzw. Zielcluster in 5 Zieldimensionen zusammengeführt: 1. 2. 3. 4. 5.

Soziale Sicherheit durch Schutz vor finanziellem Risiko und Absicherung im Alter Chancengerechtigkeit: Hochwertige Versorgung für alle Hohe Qualität und Zufriedenheit der Kund*innen durch optimierte und bedarfsgerechte Versorgung Gesündere Bevölkerung mit hoher Lebensqualität Governance – Gewährleistung bestmöglicher Versorgung

Das gegenständliche Zielsystem wurde in Abstimmung mit der Projektsteuerungsgruppe und ausgewählten zentralen Stakeholder*innen in Interviews weiter konkretisiert und festgelegt. Eine Auflistung sämtlicher über dieses Zielsystem zusammengefassten Einzelziele für oder im Bereich der Sozialversicherung und ihrer Träger findet sich im Anhang.

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Tabelle 1: Systemmerkmale, Zieldimensionen und -cluster Merkmale und Zieldimension Systemmerkmale der Sozialversicherung

Soziale Sicherheit

Chancengerechtigkeit Hochwertige Versorgung für alle

Hohe Qualität und Zufriedenheit durch optimierte und bedarfsgerechte Versorgung

Ziel-Cluster Selbstverwaltung Sozialpartnerschaft Pflichtversicherung Solidaritätsprinzip Lebensstandard sichern und Armut bekämpfen Finanzielle Absicherung im Alter und nach Ausscheiden aus dem Berufsleben Nachhaltig gesicherte Versorgung Sozialversicherung und ausreichende Sachleistungsversorung für alle sicherstellen Ausbau ambulante Primärversorgung (extramural) Egalitärer Zugang und Verfügbarkeit notwendiger Leistungen Gesundheitliche Chancengerechtigkeit zwischen den Geschlechtern und sozioökonomischen Gruppen Gesundheitskompetenz und Gesundheitsbewusstsein stärken Kund*innenorientierung: Bedarfsorientierte und bedarfsgerechte Versorgung

Besser koordinierte und integrative Versorgung "The Right Care" für eine hohe Zufriedenheit Gesündere Bevölkerung mit hoher Ganzheitliche, integrierte und gesundheitsförderliche Versorgung Lebensqualität Zielgerichtete Gesundheitsförderung und Prävention

Governance - Gewährleistung bestmöglicher Versorgung

Erhalt der Gesundheit durch Früherkennung und verstärkte Präventionsmaßnahmen sowie Ausbau der stationären und ambulanten Rehabilitation Verbleib im Erwerbsleben / Erwerbsintegration Effiziente (Gesundheits-)Versorgung Intensivierung der übergreifenden Zusammenarbeit, Vernetzung und Optimierte Rahmenbedingungen für eine effiziente und wirksame Versorgung Modernisierung und Ausbau der Versorgungsinfrastrukturen Nachhaltige Finanzierung des Systems ("Better Value")

Quelle: Eigene Darstellung KDZ 2023 auf Basis der gesetzlichen Regelungen und weiterer Strategien und Leitbilder aus Politik und Verwaltung.

Insgesamt wird das Zielsystem stark durch die im Rahmen des Zielsteuerungsprozesses Gesundheit definierten Gesundheitsziele bestimmt. Für die Pensionsversicherung findet man nur wenige veröffentlichte Zielsetzungen beispielsweise auf der Webseite der PVA oder vor allem auch im Rahmen des Regierungsprogrammes. Ein den Gesundheitszielen entsprechender Zielkatalog für die Pensionsversicherung existiert nicht bzw. ist nicht öffentlich verfügbar. Wie bereits ausgeführt, hat die Sozialversicherung selbst bereits 2010 in einem Masterplan Gesundheit erste wesentliche Schritte in Richtung Zielsetzungen beschlossen. In der Art 15a Vereinbarung über die Organisation und Finanzierung des Gesundheitswesens sowie der Vereinbarung Zielsteuerung Gesundheit finden sich heute die zentralen Zielsetzungen. Für die Erarbeitung der Public Values wurde davon ausgegangen, dass viele der allgemeingültigen Gesundheitsziele auch dem Wirken in den Sparten der der UV und PV zugrunde liegen. Beispiele dafür sind die „Sozialversicherung für alle sicherstellen“, die „nachhaltig gesicherte Versorgung“ und insbesondere auch die „Besser koordinierte und integrative Versorgung“, die „Intensivierung der übergreifenden Zusammenarbeit, Vernetzung und Abstimmung“ aller Akteurinnen und Akteure im Sinne der Kundinnen und Kunden. Die Gesundheitsversorgung und speziell der Erhalt der Gesundheit durch Früherkennung und Prävention sind ausschlaggebend für den Verbleib im Erwerbsleben und damit auch für den 30 19.01.24


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Aufwand für Rehabilitation in der Pensionsversicherung. Die Wechselwirkungen und Zusammenhänge des Gesundheitssystems mit dem Pensionssystem sind vielfältig. Dies spiegelt sich auch bei den direkten Wirkungen und den Public Values wider. Nur durch das optimierte Zusammenwirken der Maßnahmen in allen Sozialversicherungssparten können die gesetzten Ziele erreicht und ein Mehrwert für die Gesellschaft – ein Public Value – geschaffen werden. Nachfolgender Abschnitt gibt einen Überblick zu den zentralen Leistungen und Maßnahmen der Sozialversicherungsträger.

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Leistungsspektrum

Die österreichische Sozialversicherung setzt gemäß ihrem Online-Portal (Österreichische Sozialversicherung 2023) die Schwerpunkte bei ihren Tätigkeiten und Leistungen für die Kund*innen vor allem in sechs Bereichen entsprechend ihren prioritären Zielgruppen und ausgewählten besonderen Lebenslagen wie folgt:  Jugend – Familie  Gesundheit – Krankheit  Schwangerschaft – Geburt  Pension – Pflegegeld  Arbeitsleben – Arbeitsunfall  Vorsorge – Sicherheit Für all diese thematischen Bereiche werden den beitragszahlenden Versicherten und ihren Angehörigen bzw. anderswertig Versicherten eine Vielzahl an unterschiedlichen Leistungen – nach dem Sachleistungsprinzip in der Krankenversicherung sowie Geldleistungen zum Ersatz weggefallenen Einkommens – gewährt. Teile davon – wie beispielsweise die Verwaltung des Pflegegeldes oder des Kinderbetreuungsgeldes erfolgen nicht im eigenen, sondern im übertragenen Wirkungsbereich, d.h. die Träger der Sozialversicherung übernehmen dabei entgeltlich einzelne Agenden des Bundes im Sozialbereich.14 Unabhängig von der Ursache einer Krankheit wird Krankenbehandlung von der KV geleistet. Ist ein Arbeitsunfall für die Erkrankung kausal, kommt auch die Unfallheilbehandlung als Leistung in Frage. Die Pensionsversicherung gewährt Leistungen der Rehabilitation - ebenfalls bei gesundheitlichen Problemen. In nachfolgender Übersicht werden diese Leistungen zusammengefasst und konsolidiert dargestellt. Dabei werden grundlegend vier Leistungsarten unterschieden:  Versicherungsleistungen für Kundinnen und Kunden (Sachleistungen und Geldleistungen)  Bereitstellung und Betrieb der Versorgungsinfrastrukturen (z.B. Ambulatorien und RehabEinrichtungen der SV)  Institutionalisierte Netzwerke und Partnerschaften (z.B. Verträge mit Ärzt*innen etc.)  Verwaltung (eigene und übertragene Aufgaben)  Forschung und Entwicklung

14

Diese Leistungen für die Versicherten werden in nachfolgendem Leistungskatalog nicht ausgewiesen, dennoch wird durch diese Dienstleistungen der SV für den Sozialstaat ein Mehrwert im Bereich der Governance generiert.

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DAS PUBLIC VALUE MODELL DER ÖSTERREICHISCHEN SOZIALVERSICHERUNG

Die Versicherungsleistungen können weiter in folgende Bereiche untergliedert werden:  Gesundheitsvorsorge und Prävention  Krankenbehandlung und Anstaltspflege  Heilbehelfe und Hilfsmittel  Rehabilitation  Geldleistungen

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DAS PUBLIC VALUE MODELL DER ÖSTERREICHISCHEN SOZIALVERSICHERUNG

Tabelle 2: Überblick zu den Leistungsbereichen der Sozialversicherung Sparte Leistung bzw. Maßnahmen KV UV PV Gesundheitsvorsorge und Prävention 1 1 1 Maßnahmen der Gesundheitsförderung (allgemeine Beratung und Aufklärung) 1 1 1 sowie Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten 1 1 Maßnahmen zur Festigung der Gesundheit (z.B. Kuren, Impfungen, etc.) Früherkennung und Vorsorge sowie Verhütung von Arbeitsunfällen und 1 1 1 Berufskrankheiten (z.B. Arbeitsmedizinische Betreuung) Krankenbehandlung und Anstaltspflege 1 1 Ärztliche Hilfe sowie der ärztlichen Hilfe gleich gestellte Leistungen (KV) bzw. ärztliche Hilfe als Bestandteil der Unfallheilbehandlung (UV) 1 1 Anstaltspflege (KV) bzw. Pflege in Kranken-, Kur-, und sonstigen Anstalten als Bestandteil der Kranken- und Unfallheilbehandlung (UV) 1 1 1 Beistand durch Ärzt*innen und Hebammen bei Mutterschaft Erste Hilfe bei Arbeitsunfällen (Ausbildung betriebliche Ersthelfer*innen) 1 1 Medizinische Hauskrankenpflege 1 Zahnbehandlung, Zahnersatz, kieferorthopädische Behandlungen Heilbehelfe und Hilfsmittel 1 1 1 1 Heilmittel (Medikamente) 1 1 Heilbehelfe (Medizinprodukte) 1 1 1 Hilfsmittel bei körperlichen Gebrechen (z.B. Rollstühle, Prothesen) Rehabilitation 1 1 1 1 1 1 Medizinische Rehabilitationsmaßnahmen 1 Case Management bei Bezug von Rehabilitationsgeld Berufliche Rehabilitationsmaßnahmen 1 1 1 1 Soziale Rehabilitationsmaßnahmen 1 1 1 Geldleistungen Krankengeld bzw. Unterstützungsleistung bei Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit oder Taggeld und Familiengeld, 1 1 Versehrtenrente infolge Unfall 1 1 Wochengeld 1 Berufsunfähigkeits-, Invaliditäts- und Erwerbsunfähigkeitspension Rehabilitationsgeld sowie Wiedereingliederungsgeld 1 1 1 Übergangsgeld bei geminderter Arbeitsfähigkeit Zuschüsse zu Maßnahmen zur Festigung der Gesundheit (z.B. Kur) 1 1 Versehrtengeld (einmalig), Integritätsabgeltung (einmalig) Hinterbliebenenrenten für Witwen/Witwer bzw. für eingetragene 1 Partnerinnen/Partner und Waisenrenten 1 Hinterbliebenenpensionen und Waisenpensionen 1 Altenversorgung: Pensionen 1 Heimopferrente und Kriegsgefangenenentschädigung 1 Zuschuss für Arbeitgeber*innen durch die AUVA oder die BVAEB 1 Betriebshilfe bei Mutterschaft Beitragsbefreiungen (z.B. Mitversicherung,Unfallversicherung Lehrlinge, etc.) 1 1 und -begünstigungen 1 Extramurale ärztliche und therapeutischen Versorgung (z.B. Ambulatorien) Versorgungsinfra1 Primärversorgungszentren strukturen 1 1 1 Eigene Spitäler der SV (murale Versorgung) 1 1 1 Rehabilitationseinrichtungen 1 1 1 Kund*innen-Servicezentren - Landesstellen 1 Apotheken und medizinische Labore 1 1 1 Sozialpartnerschaft Institutionalisierte 1 1 1 Zielsteuerung Gesundheit und integrative Versorgungsplanung Netzwerke und 1 1 1 Verträge mit Drittleistern (z.B. Ärzte, Therapeuten, Labore, etc.) Partnerschaften 1 1 1 Vernetzung mit Vereinen 1 1 1 Einbindung Interessensvertretungen außerhalb der Selbstverwaltung 1 Verwaltung (eigene Melde-, Versicherungs- und Beitragswesen 1 und übertragene Prüftätigkeiten (z.B. Beitragsprüfung) 1 1 Aufgaben für Dritte (z.B. Kinderbetreuungsgeld) Aufgaben) Forschung und Innovation Forschung und Entwicklung 1 1 1 Art (Gesetzliche) Versicherungsleistungen

Quelle: Eigene Darstellung KDZ 2023.

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DAS PUBLIC VALUE MODELL DER ÖSTERREICHISCHEN SOZIALVERSICHERUNG

4

Stakeholderinnen und Stakeholder

Stakeholderinnen und Stakeholder sind in der weitesten Definition jene natürlichen oder juristischen Personen, welche ein Interesse an der österreichischen Sozialversicherung haben (Interessengruppen). Im engeren Sinn sind auch die Versicherten umfasst, welche gleichzeitig Beitragszahlende und Leistungsempfängerinnen und -empfänger im Sinne von Kund*innen und Kunden sind. Da im System der Selbstverwaltung die Beitragszahlenden auch „Eigentümer*innen“ der Sozialversicherung sind, werden ihre Vertreterinnen und Vertreter auch als Entscheidungsträgerinnen und -träger bei den Versicherungen und ihren Gremien tätig. Die österreichische Sozialversicherung erzielt aufgrund ihrer Systemmerkmale, Zielsetzungen, und Leistungen Wirkungen für ihre Stakeholderinnen und Stakeholder. Diese direkten Wirkungen werden im Public Value Modell als Stakeholder Value bezeichnet. Da sich vorliegende Studie auf die Public Values konzentriert, werden die Stakeholder im Folgenden nur exemplarisch genannt ohne Ableitung konkreter direkter Wirkungen (Stakeholder Values). Die folgenden fünf Stakeholdergruppen der österreichischen Sozialversicherung wurden erhoben:     

Leistungsempfänger*innen Leistungserbringer*innen und Dienstleister*innen Steuerung und Finanzierung Interessenvertretungen Wirtschaft und Arbeitsmarkt

Leistungsempfänger*innen Unter Leistungsempfänger*innen sind vor allem die Erwerbstätigen (selbständig und unselbständig) sowie die Pensionistinnen und Pensionisten zu verstehen. Im weiteren Sinn gehören zu dieser Gruppe auch:    

Arbeitslose, Bezieherinnen und Bezieher einer Berufsunfähigkeits-, Invaliditäts- (Arbeiter*innen und Angestellte) und Erwerbsunfähigkeitspension (Selbständige und Bauern), Angehörige (Ehegatt*innen, Lebensgefährt*innen, eingetragene Partner*innen, Kinder) Rentenbezieher*innen (Waisen, Witwen/Witwer, Kriegshinterbliebene)

Darüber hinaus sind weitere Gruppen als Leistungsempfänger*innen zu nennen:  Bezieher*innen von Sozialleistungen: Kinderbetreuungsgeldbezieher*innen,  Bezieher*innen Mindestsicherung, Asylwerber*innen,  Bezieher*innen von Rehabilitationsgeld  Kausal behinderte Personen (Arbeitsunfall, Berufskrankheit etc.)  freiwillig Versicherte  usw. Leistungserbringer*innen und Dienstleister*innen Im System der österreichischen Sozialversicherung sind zunächst die Träger (Kranken-, Unfall-, Pensionsversicherung) als Stakeholder zu nennen. Diese sind zwar die zentralen Leistungserbringer*innen, aber darüber hinaus aufgrund des komplexen Systems der

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DAS PUBLIC VALUE MODELL DER ÖSTERREICHISCHEN SOZIALVERSICHERUNG

Sozialversicherung und des gemeinsamen Dachverbandes auch als Stakeholder mit eigenen Interessen aktiv. 

Darüber hinaus sind weitere Akteurinnen und Akteure aus dem Gesundheitswesen wie Spitäler, Kuranstalten, Apotheken, Ärztinnen und Ärzte, Therapeutinnen und Therapeuten zu bedenken. Dabei kann es sich auch um eigene Einrichtungen der Trägerinnen und Träger handeln. Vereine wie Caritas, Rotes Kreuz, Volkshilfe Österreich, Lebenshilfe Österreich, Rettungsorganisationen (ÖAMTC, Wasserrettung etc.) usw. sind weitere Leistungserbringer*innen und Dienstleister*innen.

Steuerung und Finanzierung Zahlreiche Akteurinnen und Akteure sind in die Steuerung und Finanzierung der österreichischen Sozialversicherung einbezogen. Dies betrifft einerseits die Vertretung in den Entscheidungsgremien der Selbstverwaltung durch Arbeiter- und Wirtschaftskammer. Darüber hinaus unterliegt die österreichische Sozialversicherung der Aufsicht des Bundes und der Gesetzgeber schafft die rechtlichen Grundlagen. Da der Bereich Steuerung und Finanzierung von besonderer Wichtigkeit ist und die folgenden Stakeholder auch direkten Einfluss auf die Ausgestaltung und Steuerung der Sozialversicherung haben, werden sie hier gesondert genannt:  Arbeiterkammer  Wirtschaftskammer  Gebietskörperschaften: Bund (Sozialministerium), Länder, Gemeinden  Gesetzgeber  ÖGB  usw. Interessenvertretungen Weitere Institutionen versuchen Entscheidungen und Entwicklungen der Sozialversicherung zu beeinflussen. Diese sind zwar nicht in den Gremien der Trägerinnen und Träger oder des Dachverbandes integriert, üben aber dennoch informellen Einfluss auf die Sozialversicherung aus. Im Folgenden werden einige der Interessenvertretungen exemplarisch aufgezählt. Dies soll die Breite der Interessengruppierungen aufzeigen, die auf die Österreichische Sozialversicherung einwirken.  Patientenanwaltschaft  Österreichischer Seniorenrat  Gewerkschaften  Industriellenvereinigung  Städte- und Gemeindebund  Österreichischer Behindertenrat  Ärztekammer, Zahnärztekammer, Apothekerkammer  Pharmig - Verband der pharmazeutischen Industrie Österreich  AGES  BASG - Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen  Bundesgesundheitsagentur  Selbsthilfegruppen  usw.

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DAS PUBLIC VALUE MODELL DER ÖSTERREICHISCHEN SOZIALVERSICHERUNG

Wirtschaft und Arbeitsmarkt Institutionen aus dem Wirtschafts- und Arbeitsmarktsektor agieren nicht als Interessenvertretung. Diese können entweder als Partnerinnen und Partner, Auftragnehmerinnen und Auftragnehmer oder einfach als Interessenten auftreten. Dies können sein:  Unternehmen (z.B. als Auftragnehmer*innen),  NGOs (z.B. Durchführen von Studien),  Universitäten (z.B. Kooperationen in Studienprogrammen),  usw.

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DIE 19 PUBLIC VALUES UND IHRE BEDEUTUNG

V

Die 19 Public Values und ihre Bedeutung

Der Public Value (gesellschaftliche Mehrwert) der österreichischen Sozialversicherung ist multidimensional. Neben den politischen, sozialen und ökologischen Werten des Bovairds Modells bietet die Agenda 2030 mit den 17 Nachhaltigkeitszielen (Sustainable Development Goals-SDGs) einen umfassenden Rahmen für die ökologische, soziale und wirtschaftliche Entwicklung der Welt. Der Aktionsplan Transformation unserer Welt: die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung wurde im September 2015 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen beschlossen (Vereinte Nationen 2015). Alle 193 UN-Mitglieder haben sich einstimmig diesen gesamtheitlichen Zielvorgaben verschrieben, welche einen gemeinsamen globalen Werterahmen darstellen. Die Sustainable Development Goals bilden deshalb einen idealen Rahmen zur gesamthaften Erarbeitung und Darstellung des Public Values der österreichischen Sozialversicherung. Die Orientierung an den SDGs stellt die umfassende Abbildung der gesellschaftlichen Mehrwerte des komplexen Systems „österreichische Sozialversicherung“ mit den zahlreichen Organisationseinheiten und unterschiedlichen Versicherungsträgern sicher. Dies ermöglicht es auch, die politischen, sozialen und ökologischen Werte in der notwendigen Detaillierung darzustellen und auch eventuelle Entwicklungserfordernisse zu identifizieren. Für die Public Values der österreichischen Sozialversicherung wurden die SDGs in folgenden Ziel-Dimensionen kategorisiert: 1. 2. 3. 4. 5.

Grundbedürfnisse (SDG 1,2,3) Soziale und wirtschaftliche Entwicklung (SDG 8,9,11) Universale Werte (SDG 4,5,10) Governance und Partnerschaften (SDG 16,17) Nachhaltige Nutzung von Ressourcen und Ökologische Voraussetzungen (SDG 6,7,12,13,14,15)

Abbildung 6: Die SDGs als übergeordneter Rahmen

Quelle: Eigene Darstellung auf Basis International Institute for Applied Systems Analysis, IIASA, 2017.

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DIE 19 PUBLIC VALUES UND IHRE BEDEUTUNG

Das Public Value Modell der österreichischen Sozialversicherung ist in nachstehender Abbildung visualiert. Die Modellgrafik veranschaulicht einerseits den Weg zum Modell bzw. den Weg zur Ermittlung der Public Values und andererseits das Zusammenwirken der einzelnen Modellkomponenten: Systemmerkmale, Grundlagen, Leistungen und die daraus abgeleiteten Wirkungen/Werte für die Gesellschaft („Public Value“). Abbildung 7: Das Public Value System der österreichischen Sozialversicherung

Sozialpartnerschaft

Systemmerkmale & Zieldimensionen

Selbstverwaltung

Grundlagen

Gesetze, Verträge, Strategien, Leitbilder, Zielsysteme, Pläne, Jahresberichte und Webseiten (Auszug):

Pflichtversicherung

Solidaritätsprinzip

Soziale Sicherheit Chancengerechtigkeit Hochwertige Versorgung für alle Hohe Qualität und Zufriedenheit durch optimierte und bedarfsgerechte Versorgung Gesündere Bevölkerung mit hoher Lebensqualität Governance - Gewährleistung bestmöglicher Versorgung

Leistungen

Wert für die KundInnen & AkteurInnen STAKEHOLDER VALUE

GRUNDBEDÜRFNISSE Versorgungsinfrastrukturen

Leistungsempfänger*innen

Versicherungsleistungen Grundlagen-Gesetze: Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) ...

Gesundheitsvorsorge und Prävention

GesundheitsZielsteuerungsgesetz (2017) Primärversorgungsgesetz (2017) SozialversicherungsOrganisationsgesetz (2018)

Heilbehelfe und Hilfsmittel

Krankenbehandlung und Anstaltspflege

Leistungserbringer *innen und Dienstleister*innen

Steuerung und Finanzierung

Rehabilitation

Zielsteuerungsvertrag auf Bundesebene (2022)

Geldleistungen

Regierungsprogramm 2020

Institutionalisierte Netzwerke und Partnerschaften

Interessenvertretungen

Gesundheitsziele 2017 (Masterplan Gesundheit der SV 2010)

Wert für das Umfeld und die Gesellschaft PUBLIC VALUE

Verwaltung (eigene und übertragene Aufgaben)

...

Forschung und Entwicklung Systemmerkmale & Zieldimensionen & Leistungen Ableitung und Konsolidierung des Public Values

Wirtschaft und Arbeitsmarkt

Weniger Armut Gesund länger leben In Würde altern Sorgenfreier leben Selbstbestimmter leben SOZIALE & WIRTSCHAFTLICHE ENTWICKLUNG Nachhaltige Stadt- und Regionalentwicklung Innovative und produktive Gesellschaft Resiliente Wirtschaft Sozialer Zusammenhalt UNIVERSALE WERTE Gleiche Chancen für alle Mehr Gendergerechtigkeit Sozialer Ausgleich Wissensbasierte Gesellschaft GOVERNANCE & PARTNERSCHAFTEN Sozialer Frieden Resiliente Institutionen und Netzwerke Nachhaltige Finanzierung Gefestigte Demokratie NACHHALTIGE NUTZUNG VON RESSOURCEN und ÖKOLOGISCHE VORAUSSETZUNGEN Gesunde Umwelt Verantwortungsvoller Umgang mit Ressourcen

©KDZ, 2023.

Quelle: Eigene Darstellung KDZ 2023. 38 19.01.24


DIE 19 PUBLIC VALUES UND IHRE BEDEUTUNG

1

Die Public Values im Überblick

Insgesamt konnten abgeleitet aus den Zieldimensionen, Systemmerkmalen und Leistungen 19 Public Values erarbeitet werden, die sich jeweils aus mehreren Sub-Values zusammensetzen. Die 19 Public Values sind wiederum den fünf SDG-Dimensionen zugordnet. Tabelle 3: Die Public Values der österreichischen Sozialversicherung

39 19.01.24


DIE 19 PUBLIC VALUES UND IHRE BEDEUTUNG

Quelle: Eigene Darstellung KDZ 2023.

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DIE 19 PUBLIC VALUES UND IHRE BEDEUTUNG

2

Die Gewichtung der Public Values

Die Beziehungen, Zusammenhänge und Wirkungen im österreichischen Sozialversicherungssystem sind vielfältig und so sind auch die Public Values mehrdimensional bestimmt. Nachfolgende Abbildung zeigt das Zusammenwirken der Zieldimensionen und Systemmerkmale mit den Public Values. Abbildung 8: Zusammenwirken von Zielsetzungen, Systemmerkmalen mit Public Values

Hohe Qualität und Zufriedenheit durch optimierte und bedarfsgerechte Versorgung Gesündere Bevölkerung mit hoher Lebensqualität

Governance - Gewährleistung bestmöglicher Versorgung

Ganzheitliche, integrierte und gesundheitsförderliche Versorgung Zielgerichtete Gesundheitsförderung und Prävention Erhalt Gesundheit durch Früherkennung & verstärkte Präventionsmaßnahmen & Ausbau der stationären u. ambulanten Rehabilitation Verbleib im Erwerbsleben / Erwerbsintegration Effiziente (Gesundheits-)Versorgung

1 1

1 1

1 1 1 1

1 1 1 1

1 1

1 1

1 1

1 1

1 1

1 1

1

1

1 1

1 1 1

1

1

1 1

1 1

1 1 1 1 1 1

1 1 1

1

1

1

1 1

1

1 1

1 1

1 1 1

1 1

1 1

1 1

1 1

1

1 1

1

1 1

1

1 0

1

1 1 1

1 1 1

1 1 1

1

1

1

1 1

Sozialer Frieden

1 1 1 1 1 1

1

1

1

1

1

1 1

14

1

1

1

1

1

1

1 1

1

1

8

1

11

11

20

9

1

1

1

1

1

1

1

1 1

1

1 1

1 1

15

7

1

1 1

1

1 1 1

1

1 1

1 1

1 1

1 1 1 1

1 1 1 1

1 1

1

1

1

1 1 1 1

1 1

Verantwortungsvoller Umgang mit Ressourcen

1 1

1

1 1 1 1 1 1

1

Gesunde Umwelt

1 1 1 1 1 1

NACHHALTIGKEIT*

Gefestigte Demokratie

1 1 1

1 1 1 1 1 1

1 1

1

Intensivierung der übergreifenden Zusammenarbeit, Vernetzung und 1 Abstimmung Optimierte Rahmenbedingungen für eine effiziente und wirksame 1 1 1 1 1 1 Versorgung Modernisierung und Ausbau der Versorgungsinfrastrukturen 1 1 1 1 Nachhaltige Finanzierung des Systems ("Better Value") 1 1 1 1 Anzahl Ziele 15 16 11 18 17 * NACHHALTIGKEIT: NACHHALTIGE NUTZUNG VON RESSOURCEN und ÖKOLOGISCHE VORAUSSETZUNGEN

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1 1 1 1

Nachhaltige Finanzierung

1 1

1 1

Resiliente Institutionen und Netzwerke

1 1

1 1

Wissensbasierte Gesellschaft

Selbstbestimmter leben 1

Soziale Zusammenhalt

Sorgenfreier leben 1

Innovative und produktive Gesellschaft

In Würde altern 1

Nachhaltige Stadt- und Regionalentwicklung

Gesund länger leben 1

GOVERNANCE & PARTNERSCHAFTEN

Sozialer Ausgleich

Chancengerechtigkeit: Hochwertige Versorgung für alle

1 1 1 1 1 1

UNIVERSALE WERTE

Gleiche Chancen für alle Mehr Gendergerechtigkeit

Soziale Sicherheit

Systemmerkmale und Ziele bzw. Cluster Selbstverwaltung Sozialpartnerschaft Pflichtversicherung Solidaritätsprinzip Lebensstandard sichern und Armut bekämpfen Finanzielle Absicherung im Alter und nach Ausscheiden aus dem Berufsleben Nachhaltig gesicherte Versorgung Sozialversicherung und ausreichende Sachleistungsversorung für alle sicherstellen Ausbau ambulante Primärversorgung (extramural) Egalitärer Zugang und Verfügbarkeit notwendiger Leistungen Gesundheitliche Chancengerechtigkeit zwischen den Geschlechtern und sozioökonomischen Gruppen Gesundheitskompetenz und Gesundheitsbewusstsein stärken Kund*innenorientierung: Bedarfsorientierte und bedarfsgerechte Versorgung Besser koordinierte und integrative Versorgung "The Right Care" für eine hohe Zufriedenheit

Weniger Armut

Dimensionen Systemmerkmale der Sozialversicherung

Resiliente Wirtschaft

SOZIALE & WIRTSCHAFTLICHE ENTWICKLUNG

GRUNDBEDÜRFNISSE

1

0 0 1 1

1

1 1

1

1

1

1

1

1

1

1 1

1

1

1 1

22 10 11 10 7 13 Quelle: KDZ eigene Darstellung 2023.


DIE 19 PUBLIC VALUES UND IHRE BEDEUTUNG

Die Ausprägung beziehungsweise der Erfüllungsgrad der 19 Public Values ist unterschiedlich. Die identifizierten Public Values beschreiben mögliche Mehrwerte für die Gesellschaft der österreichischen Sozialversicherung. Sie zeigen somit die Potentiale auf, welche im System der Sozialversicherung immanent vorhanden sind. Zur Messung der Erfüllungsgrade bedarf es weitergehender Studien beziehungsweise Befragungen von Stakeholderinnen und Stakeholdern. Trotzdem zeigt die vorliegende Studie, dass die 19 definierten Public Values zum einen  

eine unterschiedliche Wichtigkeit aufweisen und zum anderen der mögliche Beitrag der Österreichischen Sozialversicherung zu den einzelne Public Values unterschiedlich ausgeprägt ist.

Konkret zeigt sich etwa beim Public Value „Gesunde Umwelt“, dass die österreichische Sozialversicherung zahlreiche Maßnahmen zur ökologischen Nachhaltigkeit setzt (zum Beispiel beim Einkauf). Dennoch zeigt die Analyse der Zieldimensionen und Leistungen, dass „Gesunde Umwelt“ eine geringere Wichtigkeit aufweist als zum Beispiel der Public Value „Weniger Armut“. Auch zeigt sich, dass die Österreichische Sozialversicherung in diesem Feld weniger Handlungsspielraum und Möglichkeiten hat. Somit sind auch die Möglichkeiten der Sozialversicherung, einen wichtigen Beitrag zur „Gesunden Umwelt“ zu leisten, eingeschränkt. Um diese Unterschiede bei den Public Values und den aktuellen Handlungsspielraum der Österreichischen Sozialversicherung sichtbar zu machen, wurde in dieser Studie eine Gewichtung in drei Kategorien vorgenommen. Diese baut auf den Zieldimensionen und Leistungen der österreichischen Sozialversicherung auf. Die höchste Gewichtung erhalten jene Public Values, die von der Mehrzahl der Zielsetzungen und Leistungen der Sozialversicherung generiert werden. Die Gewichtung bringt die aktuelle Bedeutung der einzelnen Public Values zum Ausdruck.  Hohe Gewichtung: Die Public Values Weniger Armut, Gesund länger leben, Sorgenfreier leben, Selbstbestimmter leben, Gleiche Chancen für alle, Sozialer Ausgleich und Sozialer Frieden weisen derzeit mit 22 bis 15 Zielen die höchste Bedeutung in der Österreichischen Sozialversicherung auf. Sie stellen somit den Kern des Mehrwerts für die Gesellschaft dar. Einerseits zeigen die analysierten Unterlagen, dass die meisten Zielsetzungen und Leistungen der Sozialversicherung zu diesen Public Values beitragen. Andererseits zeigt sich auch, dass in diesen Feldern der höchste Handlungsspielraum für die Sozialversicherung und ihre Trägerinnen und Träger besteht.  Mittlere Gewichtung: Die Public Values In Würde altern, Nachhaltige Stadt- und Regionalentwicklung, Resiliente Wirtschaft, Sozialer Zusammenhalt, Resiliente Netzwerke und Institutionen, Nachhaltige Finanzierung, Gefestigte Demokratie und Verantwortungsvoller Umgang mit Ressourcen weisen derzeit mit 14 bis 10 Zielen eine mittelhohe Bedeutung in der Österreichischen Sozialversicherung auf. Hier zeigt sich, dass diese in den Zielsetzungen und Leistungen der Österreichischen Sozialversicherung zwar in geringerem Ausmaß jedoch immer noch relativ stark verankert sind. Trotzdem werden die meisten dieser Public Values nicht unmittelbar mit dem Wirken der Sozialversicherung in Verbindung gebracht.

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DIE 19 PUBLIC VALUES UND IHRE BEDEUTUNG

 Niedrige Gewichtung: Die Public Values Innovative und Produktive Gesellschaft, Mehr Gendergerechtigkeit, Wissensbasiert Gesellschaft und Gesunde Umwelt weisen mit neun und weniger Zielen die geringste Bedeutung auf. Dies zeigt sich anhand der geringen Anzahl an erhobenen Zieldimensionen und Leistungen. Hinzu kommt, dass diese Public Values nur in geringem Umfang mit den Kernkompetenzen der Österreichischen Sozialversicherung in Zusammenhang stehen. Mehrwerte für die Gesellschaft werden in diesen Feldern zwar erreicht, eine besondere Stellung, welche über die Erbringungen der zentralen Leistungen der Sozialversicherung hinausgeht, ist derzeit jedoch nicht festzustellen.

Abbildung 9: Gewichtung der Public Values Bedeutung mittel

hoch Dimensionen

GRUNDBEDÜRFNISSE

niedrig

Public Values Weniger Armut

2

0

0

Gesund länger leben In Würde altern

2 0

0 2

0 0

Sorgenfreier leben

2

0

0

Selbstbestimmter leben

2

0

0

Nachhaltige Stadt- & Regionalentwicklung Innovative & produktive SOZIALE & WIRTSCHAFTLICHE Gesellschaft ENTWICKLUNG Resiliente Wirtschaft

0

2

0

0 0

0 2

2 0

Soziale Zusammenhalt

0

2

0

Gleiche Chancen für alle

2

0

0

Mehr Gendergerechtigkeit

0

0

2

Sozialer Ausgleich

2

0

0

Wissensbasierte Gesellschaft

0

0

2

Sozialer Frieden

2

0

0

Resiliente Institutionen & Netzwerke

0

2

0

Nachhaltige Finanzierung

0

2

0

Gefestigte Demokratie

0

2

0

0

0

2

0

2

0

UNIVERSALE WERTE

GOVERNANCE & PARTNERSCHAFTEN

NACHHALTIGE NUTZUNG VON Gesunde Umwelt RESSOURCEN und Verantwortungsvoller Umgang mit ÖKOLOGISCHE Ressourcen VORAUSSETZUNGEN

Quelle: Eigene Darstellung KDZ 2023.

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DER PUBLIC VALUE DER ÖSTERREICHISCHEN SOZIALVERSICHERUNG IM DETAIL

VI Der Public Value der österreichischen Sozialversicherung im Detail 1

GRUNDBEDÜRFNISSE

Abbildung 10: Der Beitrag zur Deckung der GRUNDBEDÜRFNISSE

Quelle: Eigene Darstellung KDZ 2023.

1.1

Public Value: Weniger Armut

Soziale Absicherung im Alter – Bei Krankheit, Unfall und Erwerbsunfähigkeit sozial abgesichert – Weniger Kinderarmut – Leistbare Gesundheitsversorgung – Schutz vulnerabler Gruppen Die hohe soziale Absicherung im Alter als auch bei Krankheit, Unfall und Erwerbsunfähigkeit ist Resultat der Pflichtversicherung und des Solidaritätsprinzips. Die österreichische Sozialversicherung trägt wesentlich dazu bei, dass die Altersarmut in Österreich im internationalen Vergleich sehr moderat ist. So lag die Armutsgefährdungsquote nach Sozialleistungen der Bevölkerung mit 60 und mehr Jahren im Schnitt der EU-27-Länder 2022 44 19.01.24


DER PUBLIC VALUE DER ÖSTERREICHISCHEN SOZIALVERSICHERUNG IM DETAIL

knapp unter 17 Prozent, in Österreich hingegen bei 14,6 Prozent (Eurostat 2023a). Bei Frauen ab 60 Jahren in der EU-27 hingegen bei 18,8 im Vergleich zu 16,7 Prozent in Österreich. Vor allem private oder kapitalmarktorientierte Pensionsvorsorgesysteme haben sich in den letzten beiden Jahrzehnten als weniger resistent erwiesen und vielen Betroffenen spürbare Einbußen und Leistungskürzungen gebracht. Dies wurde nicht zuletzt in der Finanzkrise 2008 deutlich, indem private Pensionsfonds in verschiedenen Ländern signifikant an Wert verloren haben. Beispielsweise fiel die Durchschnittspension um 15 Prozent, dies führte zu einer starken Vertrauenskrise in das öffentliche Pensionssystem in Ländern wie Großbritannien (The Guardian, 2008). Auch im Jahr 2022 mussten Pensionsfonds in Großbritannien durch die Bank of England gerettet werden. Die Anfälligkeit des Systems wurde als alarmierend bezeichnet und es wurden immer mehr Rufe nach Regulatorien in ‚Nonbank financial institutions‘ wie beispielsweise Hedgefonds, Versicherungsgesellschaften etc. laut, um diese robuster zu machen (CNBC 2022). Auch im Vergleich zu Deutschland zeigen sich im Hinblick auf die Armutsquoten der über 65Jährigen gegenläufige Tendenzen: In Österreich ist die Armutsquote unter der älteren Bevölkerung von den Jahren 2007 bis 2018 gesunken, in Deutschland dagegen gestiegen (Blank et al., 2021). Gründe für diese Entwicklungen sind Arbeitsmarktentwicklungen, die den Aufbau von Ansprüchen und damit die Alterseinkünfte der Personen beeinflussen, als auch pensionspolitische Entscheidungen. So liegt die berechnete Bruttoersatzquote bei Berufseinstieg im Jahr 2018, 45 Erwerbsjahren und einem Pensionsantritt mit dem 65 Lebensjahr in Deutschland nur bei 38,7%, in Österreich hingegen bei 77,6% (Blank et al., 2021 S.6). Die österreichische Sozialversicherung trägt die Kosten für beispielsweise medizinische Behandlungen, Arztbesuche, Medikamente und Rehabilitation und leistet finanzielle Zahlungen in Form von beispielsweise Krankengeld, Pensionen oder Renten im Falle einer Erwerbsunfähigkeit oder auch dauerhafter Beeinträchtigung. Anspruch auf die Sachleistungen haben nicht nur die Erwerbstätigen, sondern auch deren mitversicherte Familienmitglieder und Angehörigen. Die Absicherung von Erwerbstätigen und damit auch von Familien in krankheits- oder unfallbedingten Krisensituationen, aber insbesondere auch die Mitversicherung von Kindern und der Anspruch auf Waisenpensionen im Rahmen der Pflichtversicherung bedingen insgesamt in Österreich vergleichsweise weniger Kinderarmut als in anderen Ländern. Durch die Sozialleistungen stagniert die Armutsgefährdungsquote nach Sozialleistungen bei Kindern unter 18 Jahren in Österreich und lag 2022 mit 19,2 % Prozent (Eurostat 2023b) deutlich unter dem Durchschnitt des Euroraumes (19,9 %) und leicht unter dem Durchschnitt der Europäischen Union (19,3%).. Im internationalen Vergleich der OECD (OECD 2023) ist die Armutsquote der 0-17Jährigen nur halb so hoch wie beispielsweise in den USA, Mexiko oder Chile, wo es keine staatliche Versorgung, Versicherungspflicht oder Pflichtversicherung gibt. Pflichtversicherung, Solidaritätsprinzip und eine nicht-gewinnorientierte Organisation und Verwaltung garantieren, dass Gesundheit keine Frage des Reichtums ist. Gesundheitsversorgung und Prävention von Krankheit ist für alle leistbar – durch einkommensabhängige Beiträge, Beitragsbefreiungen und -begünstigungen auch für sozioökonomisch benachteiligte Gruppen. Die Leistungen der österreichischen Sozialversicherung schließen niemanden aus. Beitragsbefreiungen und begünstigungen, Mitversicherung, (Halb)Waisenunterstützungen etc. sorgen dafür, dass insbesondere vulnerable Bevölkerungsgruppen abgesichert und geschützt sind. Armutsprävention trägt in weiterer Folge maßgeblich zur sozialen Sicherheit bei und stärkt den sozialen Zusammenhalt.

45 19.01.24


DER PUBLIC VALUE DER ÖSTERREICHISCHEN SOZIALVERSICHERUNG IM DETAIL

1.2

Public Value: Gesund länger leben

Früherkennung von Krankheiten – Garantierte Notfall- und Unfallversorgung - Hochwertige und effektive Gesundheitsversorgung –– Hohe Gesundheitskompetenz der Bevölkerung Die Selbstverwaltung durch Vertreter*innen der Empfänger*innen von Gesundheits- und Pensionsleistungen führt dazu, dass ein umfassendes und an die Bedarfe der Betroffenen angepasstes Leistungsspektrum angeboten wird. Dort wo Leistungsausschüsse der Selbstverwaltung eingeschränkt wurden, ist auch ein Rückgang von Bewilligungen zu vermerken15. Um ein langes und gesundes Leben zu führen sind die Früherkennung von Krankheiten und die systematische Gesundheitsvorsorge im Sinne einer umfangreichen Prävention von besonderer Bedeutung. Die Pflichtversicherung sorgt dafür, dass Prävention für alle leistbar ist und nicht ökonomischen Überlegungen wie „Kann ich mir den Arztbesuch leisten?“ die VorsorgeUntersuchungen beeinträchtigen. Dennoch besteht gerade im Bereich der Prävention und Früherkennung noch Nachholbedarf, worauf auch die niedrigeren „gesunden Lebensjahre“ der Österreicherinnen und Österreicher im europäischen Vergleich verweisen: Der Indikator gesunde Lebensjahre im Alter von 65 Jahren liegt sowohl für Männer als auch Frauen unter dem EUSchnitt (Männer: AT: 9,3 Jahre, EU: 9,5 Jahre; Frauen: AT: 9,7 Jahre, EU: 9,9 Jahre; Eurostat 2021). Eine hochwertige Gesundheitsvorsorge führt zu einer Verringerung der ökonomischen Belastung in der Gesellschaft, da die Menschen durch verschiedene Maßnahmen länger im Erwerbsleben bleiben und behandlungsintensive Krankheiten vermindert werden. Neben allgemeinen Maßnahmen zur Gesundheitsförderung wie beispielsweise Beratungsgesprächen und Aufklärung, bietet die Sozialversicherung ein Angebot an Kuren und Früherkennungsmaßnahmen sowie arbeitsmedizinische Betreuung an. Durch das Setzen von frühzeitigen Präventionsmaßnahmen können Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten verringert werden. Eine garantierte Notfall- und Unfallversorgung trägt dazu bei, dass Invalidität und Pflege- und Rehabilitationsbedarf verringert werden. Mit dieser garantierten Versorgung wird die Gesamtgesellschaft entlastet und ein langfristig gesundes Leben unterstützt. In Österreich ist die Sterblichkeitsrate auch bei behandelbaren Krankheiten oder Unfällen nachweislich geringer und liegt im oberen Drittel der OECD. Dies untermauert die gute Versorgung durch die Sozialversicherung (OECD 2021, S. 89). Für jene Versicherten, die eine Rehabilitation benötigen, wird diese durch die Pensionsversicherung zur Verfügung gestellt. Der Anspruch an ein gesundes Leben ist darüber hinaus eine hochwertige und effektive Gesundheitsversorgung zu erhalten. Dies wird durch eine patient*innenorientierte, interdisziplinäre und sektorenübergreifende Gesundheitsversorgung sichergestellt (z.B. in Primärversorgungszentren). Im Gesundheitssystem arbeiten verschiedenste Disziplinen eng zusammen, um die Leistungen an die Lebensrealitäten der Bevölkerung anzupassen und die Versorgung nach dem neuesten Stand der Wissenschaft anzubieten. Hier trägt wiederum die Selbstverwaltung dazu bei, die Leistungen nach dem besten Stand der Wissenschaft für alle anzubieten: Im System der Selbstverwaltung, welches den Versicherten eine starke Position zuerkennt, steht immer das optimale Leistungsangebot im Vordergrund. Erst danach kommen Effizienzfragen. Trotzdem ist die interdisziplinäre und sektorenübergreifende

15

Basierend auf den Ergebnissen der Interviews mit den Expertinnen und Experten aus der österreichischen Sozialversicherung.

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Gesundheitsversorgung zum Beispiel durch Primärversorgungszentren noch ausbaufähig und abhängig von den gesetzlichen Rahmenbedingungen und der Finanzierung. Gesundheitsbildung und Aufklärung in Schulen, bei Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern und in der individuellen Beratung stärken die Gesundheitskompetenz der Bevölkerung. Die Fokussierung Gesundheitskompetenz wird durch das System der österreichischen Sozialversicherung durch zahlreiche Initiativen und Angebote unterstützt. Die Stärkung der Gesundheitskompetenz ist unter anderem im Gesundheitsziel 3 verankert und wird in der Umsetzung über die österreichische Plattform Gesundheitskompetenz koordiniert (ÖPGK 2023). Beispielsweise bietet die Sozialversicherung ihren Kundinnen und Kunden primär im Zuge stationärer Aufenthalte in Einrichtungen der SV (Kur, Reha, etc.) ein GesundheitskompetenzCoaching gestützt auf das Handbuch „Gesundheitskompetenz-Coaching“ der Sozialversicherung (Dachverband SV 2023a) und diverse Broschüren (z.B. „Kompetent als Patientin und Patient – gut informiert entscheiden“) an. Als gemeinsamer Leitfaden zur Stärkung der Gesundheitskompetenz dient die im Jahr 2020 entwickelte „Methodenbox – eine gesundheitskompetente Sozialversicherung“ (Dachverband SV 2020a). Über die betriebliche Gesundheitsförderung koordiniert durch die ÖGK gibt es umfassende Angebote für Betriebe, um die Gesundheitskompetenz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu stärken (Österreichische Gesundheitskasse 2023b). Über die Primärversorgungszentren wird vermehrt auf die Prävention und Gesundheitskompetenz gesetzt, was sich in den Konzepten der Zentren widerspiegeln muss (Plattform Primärversorgung 2023).

1.3

Public Value: In Würde altern

Sicheres Einkommen im Alter – Soziale Teilhabe im Alter Pflichtversicherung und Solidaritätsprinzip garantieren, dass fast alle Menschen in Österreich einen Anspruch auf Pension haben und damit ein gesichertes Einkommen im Alter haben. Das Solidaritätsprinzip gewährleistet, dass auch diejenigen, die aufgrund von Krankheit, Arbeitslosigkeit oder anderer Gründe nicht ausreichend Beiträge leisten können, eine angemessene Pension erhalten. Zusätzliche Leistungen wie die Hinterbliebenenpension für die Familie, die Invaliditätspension für Menschen mit dauerhafter Arbeitsunfähigkeit und die Pflegegeldleistungen für pflegebedürftige Personen tragen dazu bei, dass Menschen in verschiedenen Lebenssituationen entsprechend versorgt sind. Das österreichische Pensionssystem baut auf Umlagen, d.h., die Beiträge der Erwerbstätigen werden direkt zur Finanzierung der Pensionen verwendet und es erfolgt keine Veranlagung auf Finanzmärkten, die volatil sein können. Damit trägt das System zu kontinuierlichen und nachhaltig gesicherten Pensionen bei und unterstützt die Generationengerechtigkeit. Das österreichische Pensionssystem bietet im Allgemeinen eine im Vergleich zu anderen Ländern relativ hohe Pension und durch das Leistungsprinzip wird ermöglicht, dass die Menschen ihren Lebensstandard auch im Ruhestand beibehalten können. Mit einer BruttoEinkommensersatzquote von etwa 65 Prozent16 der Einkommen im letzten Abschnitt der Erwerbstätigkeit lag Österreich 2019 ex aequo mit Frankreich an sechster Stelle im europäischen

16

Die Brutto-Einkommensersatzrate bei den Alterspensionen in Österreich lag im Jahr 2022 etwas höher bei 69,5%, die NettoEinkommensersatzrate lag 2022 bei 82,7% (BMSGPK 2024).

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Vergleich, lediglich in Luxemburg, Griechenland und Italien ist die Quote mit über 70 Prozent deutlich höher, der EU-Durchschnitt liegt bei etwa 57 Prozent (European Commission, Social Protection Committee 2021, S. 40). Auch damit wird die soziale Teilhabe alter Menschen gestärkt, indem neben der Abdeckung der Grundbedürfnisse auch Freizeitaktivitäten (Sport, Kultur, etc.) oder Hobbies nachgegangen werden kann. Dies wirkt sich positiv auf die Gesamtgesellschaft aus, indem sich die Menschen auch im Alter noch gesellschaftlich einbringen können. Das Pensionskonto ermöglicht zudem, dass der Ruhestand finanziell besser planbar wird. Zusammenfassend ermöglicht die österreichische Sozialversicherung aufgrund ihrer Systemmerkmale den Menschen in Würde zu altern: die Menschen werden im Alter nicht allein gelassen und ein sicheres Einkommen ermöglicht die soziale Teilhabe, wodurch Armut und Einsamkeit im Alter abgefedert und damit der soziale Zusammenhalt gestärkt wird.

1.4

Public Value: Sorgenfreier leben

Gesundheitliche Versorgungssicherheit für alle – „Grundeinkommen“ bei Krankheit, Unfall und Erwerbsunfähigkeit – Weniger Leidensdruck bei gesundheitlicher Beeinträchtigung – Soziale Teilhabe durch Verbleib im Erwerbsleben – Vertrauen in Rechtsstaat und Rechtsansprüche Im internationalen Vergleich der Gesundheitssysteme der OECD im Rahmen der Studie Health at a Glance (OECD 2021, S. 129) zählt Österreich neben den Niederlanden und Deutschland zu den in Bezug auf den Zugang zu und der Verfügbarkeit von Leistungen am besten versorgten Ländern (quantitatives Leistungsangebot). Weniger als ein Prozent – auch im untersten Einkommensquintil – meldeten „unmet needs“, d.h. einen ungedeckten Bedarf von gesundheitlichen Bedürfnissen. Demnach ist im österreichischen Sozialversicherungssystem die gesundheitliche Versorgungssicherheit für alle aktuell beinahe vollständig gewährleistet. Ausschlaggebend dafür ist primär das System der Pflichtversicherung mit dem zugrunde liegenden Solidaritätsprinzip. Gleichsam sichert der Anspruch der Versicherten auf Entgeltfortzahlung im Krankenstand17 und auf finanzielle Leistungen wie Krankengeld, Wochengeld, Rehabilitationsgeld, Versehrtenrente, Berufsunfähigkeits-, Invaliditäts- und Erwerbsunfähigkeitspension (siehe Abschnitt IV3 Leistungsspektrum) einen „Einkommensersatz“ bei Krankheit, Unfall und Erwerbsunfähigkeit, es besteht deutlich weniger Leidensdruck bei gesundheitlicher Beeinträchtigung. Dieses Wissen um die nachhaltig gesicherte gesundheitliche Versorgung inklusive der für alle verfügbaren Gesundheitsförderung und Prävention als auch die finanzielle Unterstützung im Krankheitsfall, nach einem Unfall oder auch einer anderen gesundheitsbedingten Notlage ebenso wie im Alter trägt wesentlich zu einem sorgenfreieren und damit wiederum gesünderen Leben bei. Vielfältige Maßnahmen beispielsweise zur Rehabilitation und Sicherung des Arbeitsplatzes ermöglichen auch bei gesundheitlich bedingten temporären oder auch bleibenden Beeinträchtigungen die soziale Teilhabe durch den unterstützten Verbleib im Erwerbsleben. Der mit der Pflichtversicherung verbundene grundlegende Rechtsanspruch, einheitliche Standards und Prüfkriterien sowie vielfältige Unterstützungsangebote zur Einforderung der

17

Entgeltfortzahlung im Krankenstand ist ein arbeitsrechtlicher Anspruch gegenüber dem Arbeitgeber, kein Anspruch aus der Sozialversicherung.

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DER PUBLIC VALUE DER ÖSTERREICHISCHEN SOZIALVERSICHERUNG IM DETAIL

Leistungen wie beispielsweise die Ombudsleute der Versicherungsanstalten oder Leistungsausschüsse der Selbstverwaltung (sofern diese nicht aufgelöst wurden) stärken insgesamt das Vertrauen der österreichischen Bevölkerung in den Rechtsstaat und die Rechtsansprüche. Dieses wiederum ist eine der zentralen Grundlagen für eine gefestigte Demokratie.

1.5

Public Value: Selbstbestimmter leben

Mehr Freiheiten in der Lebensgestaltung – Leistungsgerechtigkeit – Faire Arbeitsbedingungen – Wahlfreiheit bei der Versorgung Pflichtversicherung und Solidaritätsprinzip befördern die freie Lebensgestaltung und individuelle Lebensmodelle. Vor allem Frauen sind weniger abhängig von traditionellen Familienstrukturen und können durch den hohen Versicherungsschutz im Gesundheits- und Pensionsbereich eine eigenständigere Lebensplanung mit finanzieller Absicherung vornehmen. Die österreichische Sozialversicherung ist im Bereich der Gesundheitsvorsorge im Wesentlichen sachleistungsorientiert. Lediglich das Krankengeld orientiert sich am Einkommen vor der Arbeitsunfähigkeit. In der Pensionsversicherung entscheidet grundsätzlich das Bruttoeinkommen und die Versicherungsdauer über die Höhe der Pension. Ganz wesentlich ist jedoch die soziale Ausgestaltung des Systems insbesondere, weil auch für Zeiten der Kindererziehung, der Arbeitslosigkeit, des Krankengeldbezuges etc. Beiträge für die Versicherten von sogenannten Beitragsgaranten (Bund, AMS, etc.) bezahlt werden. Dadurch besteht insgesamt ein klarer Zusammenhang zwischen Beitragshöhe, Beitragsdauer und Leistungshöhe, und zwar für alle Berufsgruppen (Leistungsgerechtigkeit). Gleichzeitig wird das Armutsrisiko minimiert, indem ein Mindestniveau an Versicherungsleistungen gewährt bleibt. Selbstbestimmung im Sinne der österreichischen Sozialversicherung bedeutet demnach, Leistungen entsprechend zu würdigen und gleichzeitig Armut zu minimieren. Dieser Aspekt der Fairness wird durch die Sozialpartnerschaft noch ausgeweitet, indem für alle Versicherten faire Arbeitsbedingungen sichergestellt und überprüft werden. Das inkludiert neben fairer kollektivvertraglicher Bezahlung auch die Zulagen für Schwerstarbeit und den gesamten Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Selbstbestimmung bedeutet auch Wahlfreiheit bei der Versorgung durch die Vertragsärztinnen und Vertragsärzte. Die Selbstverwaltung als Sprachrohr der Versicherten stellt die freie Arztwahl als hohes Gut der österreichischen Gesundheitsversorgung sicher. Während andere Systeme konkrete Vertragsärztinnen und Vertragsärzte in definierten Sprengeln oder für spezifische Gesundheitsleistungen vorsehen, entscheiden die österreichischen Patientinnen und Patienten selbstbestimmt, welche Ärztinnen und Ärzte ihres Vertrauens sie aufsuchen.

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DER PUBLIC VALUE DER ÖSTERREICHISCHEN SOZIALVERSICHERUNG IM DETAIL

2

SOZIALE & WIRTSCHAFTLICHE ENTWICKLUNG

Abbildung 11: Der Beitrag zur Förderung der SOZIALEN & WIRTSCHAFTLICHEN ENTWICKLUNG

Quelle: Eigene Darstellung KDZ 2023.

2.1

Public Value: Nachhaltige Stadt- und Gemeindeentwicklung

Beschäftigung - menschengerechte Arbeitsplätze vor Ort – Erhöhtes Arbeitskräftepotential Stärkung der Wirtschaftskraft durch örtliche Infrastrukturen und Dienste –– Mehr Kaufkraft für alle Die österreichische Sozialversicherung ist direkte Arbeitgeberin für 27.273 Menschen (Dachverband der österreichischen Sozialversicherung 2022a, S.26). Im gesamten Gesundheitswesen18 betrug 2021 die Anzahl der Beschäftigten inklusive des weiteren Personals 304.008 (Statistik Austria: STATcube, 2023). Dies ist vor allem ein regionalwirtschaftlich wichtiger Faktor, der qualifizierte und menschengerechte Arbeitsplätze vor Ort schafft. Neben dem direkten ist aber auch der indirekte Beschäftigungseffekt hervorzuheben. Der Einkauf bei

18

ÖNACE 2008 Abteilung: Gesundheitswesen Q86.

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regionalen Betrieben oder die Investitionen durch die Versicherungen beleben die örtliche Wirtschaft und ermöglichen eine nachhaltige Entwicklung von Gemeinden und Region. Darüber hinaus wird die örtliche Infrastruktur mit Ambulanzen, Gemeinschaftspraxen und Primärversorgungszentren ausgeweitet und damit auch die Wirtschaftskraft gestärkt. Ebenso sorgt die Sozialversicherung in den eigenen Institutionen für „gute“ Arbeitsplätze. Dieser Fokus wird durch die starke Stimme von Sozialpartnerschaft und Selbstverwaltung noch intensiviert, sind sie doch die zentralen Akteure in Österreich für qualitätsvolle Arbeitsplätze. Der Bereich der Pensionsversicherung mit 11,6% und die Krankenversicherung mit 5,0% nahmen im Jahr 2022 einen nicht unerheblichen Teil des BIP in Österreich ein. Auch die sonstigen Sozialausgaben19 machen mit 13,5% einen großen Teil des BIP aus (Dachverband der österreichischen Sozialversicherung 2023). Auch trägt die österreichische Sozialversicherung mit ihren Gesundheitsleistungen dazu bei, ein hohes Arbeitskräftepotenzial in der Region zu sichern. Rasche Genesung, Prävention, Unterstützung beim Wiedereinstieg in das Erwerbsleben, betriebliche Gesundheitsförderung aber auch qualitätsvolle Arbeitsplätze tragen dazu bei, dass Menschen verstärkt für den Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen und die regionale Wirtschaft wachsen kann. Die langfristig positive Wirtschaftsentwicklung wird durch die Kaufkraft der Bevölkerung gestärkt. Diese wird im Rahmen der Pflichtversicherung und der Solidarität im Krankheitsfall, nach Unfällen und im Alter durch die Versicherungsleistungen gesichert. Einem Kaufkraftverlust, v.a. im Alter wird somit entgegengewirkt. Laut Konsumerhebung 2019/20 der Statistik Austria finden sich unter den rund 4 Mio. Haushalten 32% Pensionistinnen und Pensionisten und die Haushaltsausgaben belaufen sich hier im Durchschnitt auf 2.740 Euro, womit sie nach den Erwerbstätigen die zweitwichtigste Konsumgruppe darstellen (Statistik Austria 2022, S. 28 f.). Differenziert man hier noch einmal nach Altersgruppen so betragen die Haushaltsausgaben der 60 bis 69-Jährigen 3.290 Euro und die der über 70-Jährigen 2.500 Euro. Umgelegt auf die geringere Haushaltsgröße mit 1,76 bzw. 1,48 Personen ist die ältere Generation daher ein bedeutender Wirtschaftsfaktor (ebd., S. 74). Darüber hinaus entlastet die Versicherung durch diverse Leistungen nach Krankheiten oder Unfällen die Haushaltsbudgets der Versicherten durch Waisenpension, Wochengeld, Beitragsbefreiungen etc.

2.2

Public Value: Innovative und produktive Gesellschaft

Unabhängige Forschung und öffentlich verfügbare Grundlagenarbeit – Technische und soziale Innovationen – Ökonomische Innovationskraft – Erweiterte Kompetenzen in der Wirtschaft Die dank der Pflichtversicherung gebündelten umfassenden Ressourcen ermöglichen der Sozialversicherung eine unabhängige Forschung beispielsweise auch zu seltenen Krankheiten (z.B. Kooperation im Vienna Bone & Growth Center20) und innovativen Behandlungsformen (z.B. „Telemedizinische Versorgung chronisch kranker Personen“ in Kooperation mit dem IHS, Czypionka et al. 2022). Das Ziel ist die stetige Weiterentwicklung und Ausrichtung der 19 20

z.B. Beamtenpensionen, Familienbeihilfen, Arbeitslosenversicherung Wiener Einrichtung zur Erforschung, Diagnose und Behandlung von seltenen Erkrankungen des Knochens. Beteiligte Institutionen sind die Medizinische Universität Wien und das Universitätsklinikum AKH Wien, das Orthopädische Spital Speising, die I. Medizinische Abteilung des Hanusch-Krankenhauses der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) und das Ludwig Boltzmann Institut für Osteologie am HanuschKrankenhaus und am Traumazentrum Meidling der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt (AUVA). http://www.vbgc.at/s

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Leistungen an den Bedarfen der Kundinnen und Kunden. Die Sozialversicherung betreibt vielfach in Kooperation mit Universitäten sowie nationalen sowie internationalen Forschungsinstitutionen Forschung auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit (z.B. Studie „Soziale Unterschiede, Lebenserwartung und Gesundheitsausgaben im Lebensverlauf“ in Kooperation mit dem WIFO, Leoni et al. 2020), erstellt Gutachten und gibt Stellungnahmen in wichtigen grundsätzlichen Fragen der Sozialversicherung ab (Österreichische Sozialversicherung 2023b). In Zusammenarbeit mit dem Institut für Höhere Studien (IHS) wird quartalsmäßig das „Health System Watch“ als Beilage zur Fachzeitschrift Soziale Sicherheit veröffentlicht. Die Ergebnisse dieser Forschung – wie beispielsweise Studien anhand von Kund*innenBefragungen in der Versorgungsforschung oder das System der Pflegestufeneinteilung – erbringen als öffentlich verfügbare Grundlagenarbeit einen Nutzen sowohl für die Partner der Sozialversicherungen als auch für andere Versicherungen und die Wirtschaft insgesamt. So nutzen zahlreiche Pflegedienste die Pflegestufeneinstufung der Patientinnen und Patienten für ihre eigenen Leistungsangebote. Nicht selten übernehmen dadurch die Sozialversicherungen mit ihren neuen Entwicklungen die Vorreiterrolle bei technischen und sozialen Innovationen. So wird beispielsweise über das eigene Unternehmen, IT−Services der Sozialversicherung GmbH (ITSV GmbH), die Digitalisierung in allen Bereichen vorangetrieben (z.B. elektronisches Kommunikationsservice eKOS, monatliche Beitragsgrundlagenmeldung mBGM, ELGA, digitale Online-Services und mobile Apps, Ausbau von Telemedizin und Tele-Reha), und neue Technologien werden in Pilotprojekten erprobt. Bei den sozialen Innovationen ist hier insbesondere – vor allem auch in Zusammenhang mit dem im Zuge von COVID verstärkten Auftreten psychosozialer Krisen nicht nur bei Kindern und Jugendlichen – der forcierte Ausbau psychischer Betreuung und Angebote als neuer thematischer Schwerpunkt hervorzuheben. Darüber hinaus wirkt das aufgrund der Absicherung in der Pflichtversicherung stark reduzierte ökonomische Risiko für die Versicherten bei potenziellen Ausfällen durch Unfall oder Krankheit als Befähiger für den Gang in die Selbständigkeit und die Gründung neuer Unternehmen. Die Sozialversicherung stärkt die Risikobereitschaft der Einzelnen und bildet gleichsam die robuste Basis für das endogene Potential in der Bevölkerung. Dies trägt maßgeblich zu einem flexibleren Arbeitsmarkt als auch zur ökonomischen Innovationskraft der Wirtschaft und Gesellschaft insgesamt bei. Zudem werden durch Zertifizierungen wie beispielsweise im Zuge der betrieblichen Gesundheitsförderung die Unternehmen in ihren innovativen Bestrebungen bestärkt. Die umfassenden präventiven und gesundheitserhaltenden als auch rehabilitierenden Maßnahmen durch die Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung zielen unter anderem auf die Stärkung und den langfristigen Erhalt der Arbeitskraft sowie dem Verbleib in der Erwerbstätigkeit ab. Dadurch bleiben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den Betrieben länger erhalten, deren langjährigen umfassenden Erfahrungen und Kenntnisse bedingen gleichsam auch erweiterte Kompetenzen in der Wirtschaft.

2.3

Public Value: Resiliente Wirtschaft

Robuste Klein- und Mittelbetriebe – Faire Wettbewerbsbedingungen – Langfristige Planungssicherheit – Erhöhte Standortattraktivität

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DER PUBLIC VALUE DER ÖSTERREICHISCHEN SOZIALVERSICHERUNG IM DETAIL

Die Versicherungsgemeinschaft der österreichischen Sozialversicherung bietet nicht nur ihren direkten Kundinnen und Kunden soziale Sicherheit, indem individuelle Lebensrisiken abgefedert und umverteilt werden. Sie stärkt durch ihre Leistungen auch die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, welche durch eigene Beiträge je Arbeitnehmerin und Arbeitnehmer gleichsam zur Finanzierung beitragen. Vor allem die Übernahme der finanziellen Risiken bei Arbeitsunfällen durch die Versicherung (z.B. Renten bei Erwerbsunfähigkeit und Invalidität nach Arbeitsunfällen etc.) und die Zuschüsse zur Entgeltfortzahlung bei Ausfall einer Mitarbeiterin oder eines Mitarbeiters nach Erkrankung und Unfall für kleine und mittlere Betriebe wirken stabilisierend auf die Betriebe und machen insbesondere Klein- und Mittelbetriebe robuster. De facto besteht durch die gesetzliche Unfallversicherung für Dienstgeberinnen und Dienstgeber ein Haftungsausschluss bei Arbeitsunfällen. Die Langfristkosten bei Arbeitsunfällen übernimmt die Arbeits- und Unfallversicherung, die Arbeitgeber*innen werden entlastet. Primär die Pflichtversicherung, die alle Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber zu gleichen Bedingungen in die Verpflichtung nimmt, gleiche Beiträge zu entrichten, aber auch die umfassenden Prüf- und Kontrolltätigkeiten der Versicherungsträger stellen sicher, dass faire Wettbewerbsbedingungen am Arbeitsmarkt gegeben sind und die Beschäftigten vor unfairem Lohndumping geschützt sind. Für ihre Partner (z.B. Ärztinnen und Ärzte, Vertragspartner in der Rehabilitation, Zulieferbetriebe etc.) bietet die Sozialversicherung vor allem auch Sicherheit in Form von beständigen und belastbaren Beziehungen, so dass langfristige Planungssicherheit gegeben ist. Aufgrund dieser ökonomischen Sicherheiten können insbesondere Klein- und Mittelbetriebe ihre Wettbewerbsfähigkeit steigern und auf Veränderungen am Arbeitsmarkt flexibel reagieren. Darüber hinaus stärken die vorbeugenden, gesundheitsfördernden als auch -erhaltenden Maßnahmen wie insbesondere auch die betriebliche Gesundheitsförderung (BGF) nicht nur die Belegschaft, sondern auch die Betriebe. Dies bedeutet, dass indirekt auch der für die Resilienz der Städte und Regionen erforderliche Branchenmix gefördert wird. Das Zusammenspiel der hohen sozialen Sicherheit für die Bürgerinnen und Bürger mit den direkten und indirekten Unterstützungen der österreichischen Sozialversicherung für die Unternehmen bedingt eine erhöhte Standortattraktivität Österreichs im internationalen Wettbewerb. Das bestätigt auch eine Studie des WIFO aus dem Jahr 2018, indem Österreich in der Wettbewerbsposition im oberen Mittelfeld des Global Competitiveness Index ist. Durch die vergleichsweise hohen Sozialausgaben in Österreich ist es außerdem möglich die gesamtwirtschaftliche Nachfrage hoch zu halten, auch während konjunktureller Schwankungen (Mayrhuber et. al. 2018, S. 68 f.).

2.4

Public Value: Sozialer Zusammenhalt

Starke soziale Beziehungen und tragfähige Netzwerke – Partnerschaftliches Denken und Handeln in der Gesellschaft – Solidarität in der Gesellschaft Die österreichische Sozialversicherung bildet das stabile Fundament für den sozialen Zusammenhalt in der österreichischen Gesellschaft. Pflichtversicherung und Selbstverwaltung gewährleisten, dass die Kosten und Ressourcen entsprechend dem zu Grunde liegenden Solidaritätsprinzip fair und gerecht verteilt sind und weniger Ungleichheiten bestehen. Fast alle

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Mitglieder der Gesellschaft sind auch Teil der Versichertengemeinschaft, in der in gemeinschaftlicher Verantwortung solidarisch für die – insbesondere schwächeren oder in Not geratenen - Mitglieder gesorgt wird. Das große Vertrauen der österreichischen Bevölkerung auf das Funktionieren dieser Gemeinschaft und den Schutz im Alter und die krankheitsbedingten Notlagen durch die Sozialversicherung zeugt von den dahinterliegenden verbindenden starken sozialen Beziehungen und der Tragfähigkeit der Netzwerke, die auf dem etablierten bzw. seit 1946 bestehenden und bewährten Grundgerüst der Sozialpartnerschaft aufbauen. Gestärkt wird der soziale Zusammenhalt insbesondere durch die gelebte Sozialpartnerschaft. Diese impliziert den Interessenausgleich und lebt partnerschaftliches Denken und Handeln vor. Der Kompromiss vor allem zwischen den Interessen von Arbeitnehmer*innen und Arbeitgeber*innen kann als Zeichen der Solidarität wichtiger Gesellschaftsgruppen gesehen werden. Die Selbstverwaltung mit ihren Funktionär*innen agiert als gesellschaftliches Netzwerk. Sie zeigt, wie wichtig der permanente Diskurs um Interessenausgleich ist und dass partnerschaftlich ausverhandelte Lösungen nachhaltiger sind. Sie finden auch breitere Akzeptanz in der Bevölkerung als einfache Mehrheitsentscheidungen, welche gegen den Widerstand von gesellschaftlichen Gruppen beschlossen werden. Insgesamt ist festzustellen, dass die umfassende Absicherung von Lebensrisiken durch die österreichische Sozialversicherung den sozialen Zusammenhalt im Land stärkt. Ein Verteilungskampf findet nicht statt, da ein Rechtsanspruch auf faire und umfassende Gesundheits- und Pensionsleistungen besteht.

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DER PUBLIC VALUE DER ÖSTERREICHISCHEN SOZIALVERSICHERUNG IM DETAIL

4

UNIVERSALE WERTE

Abbildung 12: Der Beitrag zur Festigung der UNIVERSALEN WERTE

Quelle: Eigene Darstellung KDZ 2023.

4.1

Public Value: Gleiche Chancen für alle

Gleichberechtigter und niederschwelliger Zugang – Gleichwertige Kranken-, Notfall- und Unfallversorgung – Guter Start ins Leben für alle – Gleichberechtigte Altersversorgung – Kurze Wege zur Gesundheitsversorgung – Inklusiver Arbeitsmarkt Ein wesentlicher Vorteil der Selbstverwaltung besteht im direkten Bezug und damit auch der Nähe zu den Leistungsempfängerinnen und Leistungsempfängern. Das umfassende Wissen über die Lebensrealitäten und Bedürfnisse der Versicherten und die starke Verbundenheit bedingen hohe Motivation und einen starken Einsatz der gewählten Vertreterinnen und Vertreter für die Kundinnen und Kunden. Dieser Einsatz manifestiert sich in Österreich ebenso wie in Ländern mit einem vergleichsweise hohen Grad an Selbstverwaltung in einem sehr breiten Zugang zu Gesundheitsleistungen (Biach 2023, S. 27). Zudem sorgen Pflichtversicherung und die Sozialpartnerschaft mit dem zu Grunde liegenden Solidaritätsprinzip dafür, dass möglichst die gesamte Bevölkerung und insbesondere vulnerable Gruppen in die Sozialversicherung integriert und geschützt werden („leave no one behind“).

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DER PUBLIC VALUE DER ÖSTERREICHISCHEN SOZIALVERSICHERUNG IM DETAIL

Chancengerechtigkeit entsteht aufgrund des gleichberechtigten und niederschwelligen Zugangs zu Versicherungsleistungen unabhängig vom Status und der Staatsangehörigkeit. Gleichsam ist mit Eintritt ins System ein sofortiger Zugang zur Gesundheitsversorgung ohne Übergangsfristen (allerdings kann die Selbstversicherung bei freiwilliger Abmeldung oder Beitragsrückständen von zwei Kalendermonaten erst nach einer Frist von sechs Monaten wieder beantragt werden21) gewährleistet. Im Gegensatz zu privaten Systemen besteht kein Risikoausschluss beispielsweise aufgrund von Vorerkrankungen, alle Versicherten erhalten eine gleichwertige Kranken-, Notfall- und Unfallversorgung. Die gleichberechtigte und gleichwertige Versorgung umfasst auch den Zugang zu Arzneimitteln, Heilbedarfen und präventiven Maßnahmen wie beispielweise die Vorsorgeuntersuchung. Chancengerechtigkeit muss bei den jüngsten Mitgliedern einer Gesellschaft ansetzen. So wird durch das Angebot einer umfassenden medizinischen und präventiven Versorgung und Betreuung in der Schwangerschaft (Arztbesuche und Untersuchungen im Rahmen des Mutter-Kind-Passes, Beratung und Unterstützung etc.) in Kombination mit dem Mutterschutz, Wochengeld und Kinderbetreuungsgeld ein guter Start ins Leben für alle möglich. Doch auch im letzten Lebensabschnitt bedeutet eine gleichberechtigte Altersversorgung, dass Menschen unabhängig von ihrem Geschlecht, ihrer Herkunft, ihrem sozialen Status oder anderen persönlichen Merkmalen gleiche Möglichkeiten und Bedingungen haben, um für ihre Pension vorzusorgen. Das System sieht einen gleichberechtigen Anspruch vor, allerdings ist aufgrund der hohen Teilzeitquote bei Frauen ein Handlungsbedarf in Bezug auf die Altersversorgung festzustellen. Dieses, alle Lebensphasen umspannende, Grundprinzip des gleichberechtigten Zugangs zu gleichwertigen Leistungen bedingt eine Umverteilung und damit einen Ausgleich und eine maßgebliche Verminderung sozialer und gesundheitlicher Ungleichheiten in der Gesellschaft. Zusätzlich ermöglicht die flächendeckende Versorgung unter anderem über multiprofessionelle dezentrale Primärversorgungszentren an gut erreichbaren Standorten und Mobile Dienste kurze Wege zur Gesundheitsversorgung. Dies erleichtert auch im ländlichen Raum den Zugang zu einer gleichwertigen Versorgung. Schließlich tragen zahlreiche flankierende Maßnahmen der Versicherungsträger (z.B. beschäftigungsfördernde Unterstützungsleistungen oder Begünstigungen für Arbeitgeber*innen) zu einem inklusiven Arbeitsmarkt bei. Dadurch erhalten auch Menschen mit Beeinträchtigung eine Chance auf einen adäquaten Arbeitsplatz.

4.2

Public Value: Mehr Gendergerechtigkeit

Zielgruppenspezifische und bedarfsgerechte Versorgung – Wertschätzung unbezahlter gesellschaftlicher Arbeit Das Solidaritätsprinzip und damit der Grundsatz, gleichwertige Leistungen für alle unabhängig von Geschlecht, Alter, Staatsangehörigkeit etc. bereitzustellen, umfasst insbesondere auch das Bestreben, benachteiligte Gruppen zu schützen und gleichberechtigt zu versorgen. Dazu zählen insbesondere auch Frauen, welche aufgrund einer auf die männliche Norm ausgerichteten Medizin aber vor allem auch aufgrund niedrigerer Erwerbseinkünfte und vielfach verringerter Erwerbszeiten tendenziell benachteiligt sind. Krankheiten bei Frauen werden häufig später 21

Voraussetzungen für einen Antrag bzw. die Beendigung der Selbstversicherung: https://www.gesundheitskasse.at/cdscontent/?contentid=10007.867315&portal=oegkportal

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DER PUBLIC VALUE DER ÖSTERREICHISCHEN SOZIALVERSICHERUNG IM DETAIL

erkannt und nicht optimal behandelt. Frauen im Alter sind aufgrund ihrer Biografie häufig von Altersarmut betroffen. Sie erhalten in Österreich im Schnitt um 42 Prozent weniger Pension als Männer (BMSGPK 2023b, S.22). Entsprechend der Prämisse der gesundheitlichen Chancengerechtigkeit zwischen den Geschlechtern wird im Rahmen der Forcierung von Gendermedizin und insbesondere auch mit dem Aktionsplan Frauengesundheit angestrebt, sukzessive eine zielgruppenspezifische und bedarfsgerechte Versorgung zu realisieren. Die Maßnahmen in den Bereichen der Forschung zur Gendermedizin, der pränatalen Diagnostik und Schwangerschaftsbetreuung wurden in den letzten Jahren verstärkt. Dennoch besteht gerade im Bereich der Gendermedizin und frauengerechten medizinischen Betreuung noch Aufholbedarf, wie auch der Frauengesundheitsbericht 2022 aufzeigt (BMSGPK 2023b, S.6): „Die weitere Umsetzung der Maßnahmen des Aktionsplans Frauengesundheit sowie die Themen der gesellschaftlichen und strukturellen Rahmenbedingungen, der Frauen- und Gendergesundheitsforschung, der Entwicklungen im Digital-Health- und KI-Bereich, der frauen- und genderspezifischen Gesundheitsförderung, Prävention und Gesundheitsversorgung erfordern neue Schwerpunktsetzungen im Gesundheitsbereich… Dabei sind frauenrelevante Gesundheitsthemen nach den verschiedenen Lebensphasen und Lebenslagen von Mädchen und Frauen zu differenzieren. …, um allen Frauen und Mädchen gleiche gesundheitliche Chancen zu ermöglichen.“ Das freiwillige Pensionssplitting soll dazu beitragen, die deutlich niedrigeren Pensionsbezüge von Frauen künftig zu erhöhen. Außerdem ist eine bessere Bewertung von Kindererziehungszeiten im Pensionskonto ein Mittel, um den Gender-Pension-Gap zu verringern. Diese Beiträge der Sozialversicherung zu einer bedarfsgerechten Versorgung sind wichtig. Klar ist aber, dass die zentralen Einflussfaktoren zur Verbesserung von Frauenpensionen – wie bessere Entlohnung, Kinderbetreuungs – und Erziehungsangebote sowie der Ausbau von professionellen Pflege- und Betreuungsangeboten – außerhalb des direkten Einflussbereichs der Sozialversicherung liegen. Die Beiträge der Sozialversicherung könnten zum Beispiel sein: Verstärkt über bestehende Möglichkeiten der kostenlosen Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege sowie über Vor- und Nachteile des Pensionssplittings informieren. Im Bereich der Krankenversicherung zeigt auch die Mitversicherung eine Wertschätzung unbezahlter gesellschaftlicher Arbeit.

4.3

Public Value: Sozialer Ausgleich

Sozialisierung Lebensrisken – Sozial faire Kostenteilung – Integration vulnerabler Gruppen Pflichtversicherung und Solidaritätsprinzip bilden die solide Basis für den sozialen Ausgleich, der gerechten Verteilung über alle Bevölkerungsgruppen und Generationen. Alle Erwerbstätigen – also auch diejenigen mit hohen Einkommen werden zur Teilhabe verpflichtet und leisten somit einen Beitrag zum Funktionieren des Systems. Gemäß dem grundlegenden Versicherungsprinzip werden auftretende Schäden und Kosten von der Versichertengemeinschaft getragen, der Einzelne entrichtet entsprechend seiner Möglichkeiten bzw. seines Einkommens einen regelmäßigen Beitrag. Alle Personen sind zu den gleichen Bedingungen versichert und es kann kein Ausschluss aufgrund eines erhöhten Risikos (z.B. Vorerkrankung oder risikoreicher Beruf) vorgenommen werden. Es erfolgt somit eine Sozialisierung der Lebensrisiken in den

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Bereichen Krankheit, Unfall und Alter. Im Bedarfsfall entstehende Kosten für die Behandlung, Medikamente und Hilfsmittel, für Invalidität oder auch die Altersversorgung der einzelnen Mitglieder werden aus den Einnahmen der Versicherung gedeckt. Gesundheitliche Probleme oder auch eingeschränkte Erwerbsfähigkeit aufgrund von Invalidität oder aufgrund des Alters stellen somit für das Individuum kein potentiell existenzbedrohendes Risiko mehr dar. Die Sozialversicherung befördert damit Stabilität und soziale Sicherheit gerade auch in schwierigen Lebenssituationen. Auf der Einnahmenseite sorgen einkommensbezogene Beiträge, Beitragsbefreiungen und begünstigungen sowie die Pflichtbeiträge der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber für eine sozial faire Kostenteilung. Personen mit höherem Einkommen tragen einen größeren Anteil der Kosten, während Personen mit niedrigerem Einkommen einen niedrigeren Anteil tragen. Somit werden speziell ökonomisch schwächere Bevölkerungsgruppen mit geringeren finanziellen Möglichkeiten nicht übermäßig belastet, erhalten jedoch gleichwertige Leistungen. Ein besonderer Mehrwert entsteht darüber hinaus durch den Schutz und die Integration vulnerabler Gruppen – vor allem von Kindern und Jugendlichen, oder Personen mit Beeinträchtigung – in das System der Sozialversicherung. Der Schutz dieser Personengruppen wird durch die Mitversicherung in der Krankenversicherung und durch das Einbeziehen gewisser Personengruppen in die Krankenversicherung durch eigene Verordnungen und Gesetze22 gewährleistet. Zudem werden besonders gefährdete Risikogruppen in prekären wirtschaftlichen oder gesundheitlichen Situationen durch spezifische Services und Beratungsangebote (z.B. Case- und Care-Management, Sucht- und Drogenberatung etc.) mit dem Ziel der Prävention, Wiedereingliederung und Teilhabe am sozialen Leben unterstützt.

4.4

Public Value: Wissensbasierte Gesellschaft

Mehr Wissen über Gesundheit und Prävention – Kompetente Bürger*innen – Qualifizierte Mitarbeiter*innen der Versicherungen – Hohe Bildungschancen Ein zentraler Schlüssel zu einem gesunden Leben liegt auch im Gesundheitsbewusstsein jeder/s Einzelnen. Mehr Wissen über Gesundheit und Prävention in der Bevölkerung kann maßgeblich zu einer bewussteren Lebensführung und damit auch der Vermeidung von Krankheiten und dem Erhalt der Gesundheit beitragen (Gesundheitsrelevantes Verhalten vgl. Universität für Weiterbildung Krems 2020). Proaktiv können von jedem einzelnen Mitglied der Gesellschaft bewusst Risikofaktoren wie beispielsweise Rauchen oder ungesunde Ernährung reduziert werden und durch regelmäßige Bewegung Erkrankungen vorgebeugt werden. Mit einer erhöhten Gesundheitskompetenz können Anzeichen und Symptome frühzeitig erkannt und behandelt werden, sodass schwere Erkrankungen und die damit verbundenen zeit- und kostenintensiven Behandlungen vermieden oder reduziert werden können. Folglich bildet die Stärkung der Gesundheitskompetenz der Bevölkerung eines der zehn übergeordneten Gesundheitsziele, welche im Zielsteuerungs-Gesetz handlungsleitend auch für die Sozialversicherung vorgegeben sind. Dementsprechend wurden und werden von den Sozialversicherungsträgern laufend Maßnahmen und Aktivitäten zur Wissensvermittlung gesetzt (ÖGK 2022): Aufklärungskampagnen (z.B. Alkohol-Dialogwoche), Betriebliche

22

z.B. § 9 ASVG.

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DER PUBLIC VALUE DER ÖSTERREICHISCHEN SOZIALVERSICHERUNG IM DETAIL

Gesundheitsförderung (BGF), Schulische Gesundheitsförderung (SSgS), Workshops, Webinare und Kurzfilme, Ernährungsberatung und -workshops, Abnehmprogramm für Kinder und Jugendliche, Pilotprojekt Verein in Form, Sturzpräventionskurse, Videoreihe „Trittsicher & Aktiv“, 1st-Level Contact Center etc. Durch diese bewusstseinssteigernden Aktivitäten und Programme wird auch die Kompetenz der Bürger*innen in der Gesellschaft gestärkt. Mit dem Wissen über die Zusammenhänge zwischen der Lebensführung und der gesundheitlichen Lebensqualität können die Menschen eigenständig über ihre Entscheidungen ihre Gesundheit beeinflussen und auch an ihren Behandlungen teilhaben. Gefördert durch die Sozialpartnerschaft hat Bildung in der Sozialversicherung einen sehr hohen Stellenwert. Zum einen wirkt die gesetzliche Pflichtversicherung, in der auch die Angehörigen und damit die Schülerinnen und Schüler als auch Studierende bis inklusive 26 Jahre beitragsfrei mitversichert sind, stark bildungsfördernd. Zudem sind auch Lehrlinge unfallversichert. Mit diesen Beitragsbefreiungen, die gleichzeitig eine wesentliche Kostenentlastung für Auszubildende darstellen und mitunter längere Bildungswege ermöglichen, leistet die Pflichtversicherung einen wesentlichen Beitrag zu den in Österreich vergleichsweise hohen Bildungschancen. Zum anderen bieten die Sozialversicherungen ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine Vielzahl an Aus-, Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten an (z.B. cast - Campus der Sozialversicherungsträger: Grundschulung, Grundausbildung, Führungskräfteausbildung, castWebshop etc.). Darüber hinaus beteiligt sich die Sozialversicherung finanziell an den in der Ärzt*innenausbildung nunmehr verpflichtenden Lehrpraxen23. Damit wird sichergestellt, dass kompetente Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Versicherungen als auch der Partnerbetriebe die Anliegen der Kundinnen und Kunden verantwortungsvoll bearbeiten und den Versicherten eine qualitativ bestmögliche Versorgung zugutekommt.

23

Die neuen Regelungen zur Ärzteausbildung verpflichten Jungärzte/innen, die sich für eine Ausbildung zum/zur Allgemeinmediziner/in entscheiden, am Ende ihrer Ausbildung sechs Monate in einer Lehrpraxis mitzuarbeiten.

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DER PUBLIC VALUE DER ÖSTERREICHISCHEN SOZIALVERSICHERUNG IM DETAIL

5

GOVERNANCE und Etablierung starker PARTNERSCHAFTEN

Abbildung 13: Der Beitrag zur GOVERNANCE und Etablierung starker PARTNERSCHAFTEN

Quelle: Eigene Darstellung KDZ 2023.

5.1

Public Value: Sozialer Frieden

Solidarische, nicht gewinn-orientierte Organisation – Institutionalisierter Interessenausgleich – Reduziertes Konfliktpotential – Gesellschaftliche Diversität fair gestaltet – Erhöhte öffentliche Sicherheit Pflichtversicherung bedeutet soziale Absicherung für alle. Alle zahlen Beiträge in das System ein und profitieren in einem gerechten Ausmaß von den Leistungen. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass sich soziale Sicherheit positiv auf eine geringere Kriminalität und höhere öffentliche Sicherheit auswirkt. Vor allem aber ist im Hinblick auf die gesellschaftliche Dimension der soziale Friede in Österreich im Vergleich zu anderen Ländern sehr konsistent. So sind etwa Ausschreitungen und Krawalle, wie sie in anderen europäischen Großstädten vorkommen24, in

24

Etwa die Krawalle in Frankreich 2005 und im Sommer 2023, in den Niederlanden 2021 und in Dublin im Herbst 2023.

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DER PUBLIC VALUE DER ÖSTERREICHISCHEN SOZIALVERSICHERUNG IM DETAIL

Österreich ein kaum auftretendes Phänomen. Darüber hinaus mildern Sozialpartnerschaft und Selbstverwaltung Interessenkonflikte und forcieren das Finden gemeinsamer Lösungen. Die geringe Streikrate25, aber auch die sonstige im Vergleich zu anderen Ländern geringen gesellschaftlichen Spaltungen sind ein Indikator für die schwächeren Konfliktpotentiale im Land. Belegt wurde das vergleichsweise niedrige Spaltungsniveau in Deutschland aber auch in Österreich anhand einer vergleichenden Analyse von vier ausgewählten Spaltungsindikatoren durch das Roman Herzog Institut (Hradil et al. 2022): 1. Misstrauen gegenüber den Mitmenschen, 2. Misstrauen gegenüber der Regierung, 3. Einkommensungleichheit und 4. Diskriminierung von Minderheiten. So zeigt sich, dass in Österreich der Anteil der Befragten, die ihren Mitmenschen eher nicht oder überhaupt nicht vertrauen, mit etwa 25 Prozent etwas unter dem EU-Durchschnitt (EU27) von 28 Prozent liegt und auch das Vertrauen in die nationale Regierung in Österreich etwas größer als in der Mehrheit der anderen EU-Staaten ist. Darüber hinaus zeigt auch der GiniKoeffizient im europäischen Vergleich deutlich geringere Unterschiede bei den Nettoeinkommen (nach Steuern und Transfers) als in vielen anderen europäischen Ländern. Dadurch ist Österreich vergleichsweise wenig von sozialer und gesellschaftlicher Spaltung bedroht, auch wenn die subjektiv wahrgenommene Diskriminierung im Eurobarometer vergleichsweise sehr hoch ist. Im Vergleich zu privaten Systemen steht die gemeinnützige, nicht gewinnorientierte Ausrichtung der Sozialversicherung im Vordergrund. Diese ermöglicht ein nachhaltiges Planen und Ausrichten der Sozialversicherung auf den langfristigen Nutzen für die Gesellschaft anstatt auf den kurzfristigen Gewinn Einzelner. Gesellschaftliche Solidarität mit Vorbildwirkung wird im österreichischen Sozialversicherungssystem zur Selbstverständlichkeit, die nicht mehr wegzudenken ist und auch nicht hinterfragt wird. Auch dies stellt einen Beitrag zum sozialen Frieden dar.

5.2

Public Value: Resiliente Institutionen und Netzwerke

Alle gesellschaftlichen Gruppen haben eine Stimme – Nachhaltigkeit ist handlungsleitend – Starke Partnerin für die Versicherten – Besseres Verständnis für die Bedarfe der Kundinnen und Kunden – Dienstleisterin für den Sozialstaat Die österreichische Sozialversicherung ist verlässlich und stabil. Während in anderen Ländern mit staatlichen oder privaten Gesundheits- und Pensionssystemen oftmals Organisationsänderungen beziehungsweise Leistungsbeschränkungen zu verzeichnen sind, ist die österreichische Sozialversicherung resilient gegen schnelle Eingriffe von außen. Auch wenn das Sozialversicherungs-Organisationsgesetz 2018 einen starken Eingriff in die Strukturen und Entscheidungsmechanismen der Sozialversicherung brachte, hat sich das System dennoch als relativ stabil erwiesen. Es ist davon auszugehen, dass die Reformbemühungen der Regierung 2018 innerhalb eines staatlichen Gesundheitssystems zu deutlich umfassenderen Einschränkungen von Rechten und Leistungen für die Vertreterinnen und Vertreter der „Versicherten“ geführt hätten. Dadurch ist sie eine starke Partnerin für die Versicherten, die sich auf die Leistungen verlassen können. Die Pflichtversicherung garantiert die hierfür nötigen

25

Siehe: https://www.etui.org/strikes-map

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DER PUBLIC VALUE DER ÖSTERREICHISCHEN SOZIALVERSICHERUNG IM DETAIL

finanziellen Mittel, da die große Gruppe der Versicherten eine Solidargemeinschaft bildet, welche die Beiträge aufbringt. Die Sozialpartnerschaft als zentrale Säule der österreichischen Sozialversicherung ist wiederum ein Garant für die Nachhaltigkeit des Systems. Der Kompromiss und das Ausverhandeln unterschiedlicher Interessen, bis es zu einer gemeinsamen Lösung kommt, sind Markenzeichen der Sozialpartnerschaft. Dies fördert die Nachhaltigkeit im Sinne eines langfristig stabilen Sozialversicherungssystems und dem langfristigen Nutzen für alle gesellschaftlichen Gruppen. Die Selbstverwaltung entfaltet eine besondere Wirkung, da durch die Einbindung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern die Bedarfe der Leistungsempfänger*innen im Gesundheits- und Pensionsbereich direkter in das Management der Versicherungen eingebracht werden können. Die Vertreter*innen in den Gremien der Selbstverwaltung kennen die Bedarfe der Kundinnen und Kunden besser, weil sie in näherem und permanentem Austausch mit diesen sind. Außerdem stärkt die institutionelle Verankerung der Selbstverwaltung die Verhandlungspositionen der Versicherten. Insgesamt zeichnet sich die österreichische Sozialversicherung durch eine hohe Resilienz ihrer Institutionen und Leistungen aus. Auch staatliche Einrichtungen sind von der hohen Qualität und Verlässlichkeit der Sozialversicherungs-Institutionen überzeugt. Diese lassen von den Versicherungen einige versicherungsfremde Dienstleistungen der Sozial-, Familien und Arbeitsmarktpolitik wie die Prüfung von Anspruchsvoraussetzungen erbringen. Dementsprechend ist die österreichische Sozialversicherung auch eine zentrale Dienstleisterin für den Sozialstaat.

5.3

Public Value: Nachhaltige Finanzierung

Einnahmen sind zweckgewidmet – Abgestimmter und sparsamer Mitteleinsatz – Effektiver Mitteleinsatz – Reduzierte Ausgaben durch Prävention Pflichtversicherung und Selbstverwaltung gewährleisten eine nachhaltige Finanzierung des österreichischen Sozialversicherungssystems. Durch die Beitragszahlungen von Arbeitnehmer*innen und Arbeitgeber*innen sind die Einnahmen zweckgewidmet. Das Umlageverfahren gewährleistet ein stabiles Sozialversicherungssystem, da keine Beiträge auf Finanzmärkten veranlagt werden. Klar ist jedoch, dass im Bereich der Pensionsversicherung ein wichtiger Beitrag aus den Steuermitteln notwendig ist. Die Pensionsversicherung ist nicht nur für die Auszahlung von Pensionsleistungen zuständig, sondern auch für die Organisation und Durchführung der medizinischen Rehabilitation, für den fiktiven Dienstgeberbeitrag der Pensionsbezieher*innen, für die Partnerleistung bei den Selbstständigen etc.. Das heißt, die Beiträge, die der Bund für die Pensionsversicherung leistet, dienen überwiegend Zwecken, die auch sinnvollerweise aus allgemeinen Steuermitteln finanziert werden sollten, nämlich Aufgaben der Rehabilitation, der Krankenversicherung für Pensionsbezieher, Strukturausgleich für Bauern etc.. Dies schafft Vertrauen in die Tragfähigkeit des Systems und stärkt den sozialen Frieden. Als Selbstverwaltung ist die österreichische Sozialversicherung nicht gewinnorientiert. Die Mittel werden abgestimmt und sparsam eingesetzt. Zweckwidmung, Kontrolle und Compliance sorgen dafür, dass die Gelder auch effektiv eingesetzt werden. Pflichtversicherung und 62 19.01.24


DER PUBLIC VALUE DER ÖSTERREICHISCHEN SOZIALVERSICHERUNG IM DETAIL

Umlageverfahren wirken zudem kostensparend für das Gesamtsystem: Pflichtversicherung für alle bedeutet niedrigere Verwaltungskosten als beispielsweise eine Versicherungspflicht wie sie es in Deutschland gibt. So sind in der Pflichtversicherung die Versicherungsbeiträge als auch die Versicherungsleistungen stark standardisiert und vereinheitlicht und zu großen Teilen gesetzlich vorgeschrieben. Die Beiträge der unselbständig Beschäftigten werden automatisiert basierend auf einheitlichen Beitragssätzen im Zuge der Lohnverrechnung einbezogen. Dadurch gibt es keine individuellen Verträge oder unterschiedlichen Tarife wie bei der Versicherungspflicht und auch deutlich vereinfachte Prozesse auch für die Betreuung einer größeren Anzahl an Kundeninnen und Kunden (Skaleneffekte), die den Bearbeitungsaufwand und damit auch die Kosten wesentlich reduzieren. Zudem hat das Umlageverfahren nur Verteilungs- und keine Kapitalkosten und auch Kosten für Marketing und Vertrieb sind bei einer Pflichtversicherung deutlich niedriger. Durch Prävention und die Unterstützung von gesundem Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen trägt das österreichische Sozialsystem aber auch dazu bei, die gesamtstaatlichen Sozial- und Gesundheitsausgaben zu reduzieren.

5.4

Public Value: Gefestigte Demokratie

Repräsentative demokratische Organisation – Transparenz – Partizipation und Mitbestimmung – Bewusstsein für gesamtgesellschaftliche Verantwortung – Erhöhte Akzeptanz und Vertrauen in öffentliche Leistungen Die Sozialversicherung ist ein fixer Bestandteil des österreichischen politischen und demokratischen Systems. Dabei spielt die Sozialpartnerschaft als anerkannte Plattform zum Ausgleich gesellschaftlicher Diskurse eine zentrale Rolle. Zur Festigung der Demokratie von noch wichtigerer Bedeutung ist das Prinzip der Selbstverwaltung. Dieses trägt die Fundamente von Demokratie in wichtige gesellschaftliche Bereiche, die für die Lebensqualität von höchster Bedeutung sind: Gesundheit und Absicherung im Alter werden demokratisch von Vertreterinnen und Vertretern jener gesteuert, die direkt von den Leistungen der Sozialversicherung betroffen sind. Durch Wahlen in Arbeiterkammer und Wirtschaftskammer bestimmen die Arbeitnehmer*innen und Arbeitgeber*innen direkt die Entsendung und Zusammensetzung der Selbstverwaltungsgremien bei den Versicherungsträger*innen. Dieses Lehrstück an repräsentativer demokratischer Organisation und Teilhabe kann das demokratische Bewusstsein der Bevölkerung und deren Verantwortlichkeit und Einstellung zur Sozialversicherung als wichtige Institution für die Menschen und Gesellschaft stärken. Partizipation und Mitbestimmung als moderne Elemente westlicher Demokratiemodelle sind in der österreichischen Sozialversicherung durch die Selbstverwaltung institutionell verankert. Auch die Sozialpartnerschaft fördert das Bewusstsein für Partizipation und Mitbestimmung, gibt sie doch der großen Zahl an Arbeitnehmer*innen eine gewichtige Stimme bei der Vertretung ihrer Interessen. Dies erhöht auch das Bewusstsein der Bevölkerung für gesamtgesellschaftliche Belange. Sozialpartnerschaft und Selbstverwaltung machen die österreichische Sozialversicherung ein Stück weit transparenter. Durch die Einbindung der Interessenvertreter*innen und auch der

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DER PUBLIC VALUE DER ÖSTERREICHISCHEN SOZIALVERSICHERUNG IM DETAIL

Kontrolle durch die Selbstverwaltungsorgane findet ein offenerer Diskurs über zentrale Entscheidungen und Strategien der Sozialversicherung statt. Die oftmals öffentliche Abwägung unterschiedlicher Interessen führt zu medialer Aufmerksamkeit, welche die Transparenz und das Wissen der Bevölkerung über aktuelle Fragen der Sozialversicherung stärken kann. Insgesamt kann diese direkte Einflussnahme der Versicherten auf die Sozialversicherung auch zu einer erhöhten Akzeptanz und zu mehr Vertrauen in die Versicherungsleistungen führen. Da Gesundheits- und Pensionsleistungen zentrale Elemente der staatlichen Daseinsvorsorge darstellen, kann auch von einem generell höheren Vertrauen in öffentliche Leistungen ausgegangen werden, zu dem die Sozialversicherung wichtige Beiträge leistet. Ein guter Indikator für die hohe Akzeptanz und das Vertrauen ist die Zufriedenheit mit den Leistungen im Gesundheitssystem, welche im Rahmen des OECD-Monitorings „Government at a Glance“ regelmäßig erhoben wird (OECD 2023a): Mit 81 Prozent der Befragten, die angaben, mit den Leistungen des Gesundheitssystems zufrieden zu sein, rangiert Österreich hier im Spitzenfeld und deutlich über den rund 68 Prozent im Durchschnitt aller OECD-Länder.

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6

NACHHALTIGE NUTZUNG VON RESSOURCEN und ÖKOLOGISCHE VORAUSSETZUNGEN

Abbildung 14: Der Beitrag zur NACHHALTIGEN NUTZUNG VON RESSOURCEN und den ÖKOLOGISCHEN VORAUSSETZUNGEN

Quelle: Eigene Darstellung KDZ 2023.

6.1

Public Value: Gesunde Umwelt

Klimaschonende und resistente Gebäude – Verringerung des Verkehrsaufkommens – Reduzierte Emissionen Neubau und Sanierung von Gebäuden im öffentlichen Bereich wie beispielsweise Krankenanstalten und teilweise auch Primärversorgungszentren erfolgen ausschließlich nur noch nach klimafitten Standards (z.B. Klimaaktiv Standard). Energieeffizienz, erneuerbare Energien, Ressourceneffizienz und die Klimawandelanpassung bilden übergeordnete Leitlinien bei sämtlichen baulichen Maßnahmen nicht nur im Bereich der gesundheitlichen Infrastrukturen, sondern auch im Bereich der Verwaltungsbauten. Beispielhaft dafür ist Generalsanierung des Gebäudekomplexes der SVS in der Wiedner Hauptstraße in Wien, welche im Jahr 2020 fertiggestellt wurde (SVS 2021). Durch Umsetzung energieeffizienter, innovativer und nachhaltiger Lösungen wie beispielsweise einer neuen Außenhülle mit Vollwärmeschutz, dem

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DER PUBLIC VALUE DER ÖSTERREICHISCHEN SOZIALVERSICHERUNG IM DETAIL

Einbau einer Wärmerückgewinnungsanlage und dem Umstieg auf Fernwärme konnte im Zuge der Sanierung eine maßgebliche Reduktion der CO2-Emissionen und damit auch des ökologischen Fußabdruckes erzielt werden. Damit leisten die Sozialversicherungen über ihren finanziellen Beitrag zu den Krankenanstalten als auch ihre eigenen klimaschonenden und resistenten Gebäude einen Beitrag zum Klimaschutz und für eine gesunde Umwelt. Durch die gezielte Verlagerung der Gesundheitsversorgung weg von zentral angesiedelten Krankenanstalten zu einer verstärkt ambulanten Versorgung in Primärversorgungszentren werden zahlreiche Wege der Patientinnen und Patienten verkürzt bzw. vermieden. Die Nähe der Einrichtungen zu Kundinnen und Kunden, mobile Dienste als auch dezentrale Servicestellen können ebenso wie das zunehmende Angebot von ortsungebundenen Dienstleistungen (z.B. Tele-Medizin, Tele-Reha) zu einer Verringerung des Verkehrsaufkommens und damit auch zu reduzierten Emissionen beitragen.

6.2

Public Value: Verantwortungsvoller Umgang mit Ressourcen

Sparsamer Ressourceneinsatz – Faire und klimaschonende Beschaffung und Verwaltung Das Solidaritätsprinzip sichert die Versorgung für Alle. Dies erfordert einen verantwortungsvollen Umgang mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen im gesamten System. Die effiziente und kostensparende Versorgung liegt somit im Interesse aller Mitglieder der Selbstverwaltung der Sozialversicherung – sowohl der Arbeitgeber*innen also auch der Arbeitnehmer*innen - und bildet eine übergeordnete Zielsetzung für alle Akteur*innen (z.B. Ziel 10 der Gesundheitsziele: Qualitativ hochstehende und effiziente Gesundheitsversorgung). Zahlreiche Maßnahmen und Aktivitäten der Sozialversicherungsträger zielen folglich auf eine effiziente Gesundheitsversorgung und damit auch einen sparsamen Ressourceneinsatz ab: Im Zuge der bedarfsorientierten Planung und Steuerung einer integrativen Versorgung und dem flächendeckenden Ausbau der ambulanten Primärversorgung werden die verfügbaren Ressourcen entsprechend der Bedarfe im gesamten Land verteilt. Insbesondere durch die Intensivierung der übergreifenden Zusammenarbeit, Vernetzung und Abstimmung sowie die in den vergangenen Jahren stark vorangetriebene Modernisierung und Digitalisierung werden die Verwaltungsprozesse zunehmend effizienter gestaltet und Ressourcen wie Zeit und Papier oder auch Energie für Gebäude, Transport und Mobilität eingespart. Die eigene ITSV GmbH hat das Ziel, zahlreiche digitale Lösungen zu entwickeln. Das elektronische Kommunikationsservice eKOS (ehemals eBS) und weitere elektronische IKTSysteme wie beispielsweise die monatliche Beitragsgrundlagenmeldung (mBGM) unterstützen und beschleunigen den gesamten Administrationsprozess. E-card, die elektronische Gesundheitsakte (ELGA) und e-Medikation sowie zahlreiche weitere digitale Services und mobile Apps (z.B. Meine SV, BedBusters) erleichtern nicht nur den Zugang für die Kundinnen und Kunden, sondern leisten gleichsam einen zentralen Beitrag zur weiteren Automatisierung und damit auch zur Ressourcenschonung. Darüber hinaus ermöglichen verstärkte Angebote im Bereich der Tele-Medizin und Tele-Reha vor allem Beratung (z.B. 1450 - Telefonische Gesundheitsberatung) aber teilweise auch Behandlungen unter minimalem Einsatz von Ressourcen (z.B. Therapie Aktiv – Betreuungs- und Therapieprogramm für Diabetiker*innen) direkt am Wohnort. Nicht zuletzt sorgt auch der Schwerpunkt der Gesundheitsförderung und

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DER PUBLIC VALUE DER ÖSTERREICHISCHEN SOZIALVERSICHERUNG IM DETAIL

Prävention für eine frühere Behandlung und die Vermeidung von schweren und ressourcenintensiven Erkrankungen. Als sehr großes Unternehmen mit insgesamt mehr als 27.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern verfügen die Träger der Sozialversicherung über eine starke Marktposition, welche ihnen einen gebündelten und günstigen Einkauf und damit auch eine faire und klimaschonende Beschaffung und Verwaltung ermöglicht.

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SCHLUSSFOLGERUNGEN

VII Schlussfolgerungen Die Studie konnte 19 Public Values der österreichischen Sozialversicherung identifizieren. Dies bedeutet, dass in dem speziellen System der Sozialversicherung ein umfassender Mehrwert für die österreichische Gesellschaft liegt.

1

Selbstverwaltung, Sozialpartnerschaft, Pflichtversicherung und Solidaritätsprinzip als grundlegende Elemente der Sozialversicherung

Die vier zentralen Systemmerkmale „Selbstverwaltung“, „Pflichtversicherung“, „Sozialpartnerschaft“ und „Solidaritätsprinzip“ spielen eine entscheidende Rolle bei der Schaffung des Public Values. Eine Änderung der Systemmerkmale – z. B. weitere Reduktion der Selbstverwaltung oder Aushöhlung des Solidaritätsprinzips – hätte in vielen Fällen eine Einschränkung der identifizierten Public Values zur Folge. Die Beiträge der Selbstverwaltung zum Public Value Die verfassungsmäßige Verankerung der Selbstverwaltung der Sozialversicherung garantiert vor allem die Mitwirkung der Versicherten bei wichtigen Beschlüssen und stellt damit primär sicher, dass für die zentralen Grundbedürfnisse der Bevölkerung im Bereich der Gesundheit und Altersversorgung gesorgt wird. Ein wesentlicher Vorteil der Selbstverwaltung besteht im direkten Bezug und damit auch der Nähe zu den Leistungsempfängerinnen und Leistungsempfängern. Die gewählten Vertreterinnen und Vertreter in den Gremien der Selbstverwaltung kennen die Lebensrealitäten und Bedürfnisse der Versicherten besser und setzen sich dafür ein, dass die Kosten, Ressourcen und Leistungen über alle Bevölkerungsgruppen und Generationen gerecht verteilt sind und somit gleiche Chancen für alle bestehen. Im System der Selbstverwaltung, welches den Versicherten eine starke Position zuerkennt, steht immer das optimale und bedarfsorientierte Leistungsangebot zum Wohle aller – für ein längeres gesundes, sorgenfreieres und selbstbestimmteres Leben mit weniger Armut – im Vordergrund. Als Selbstverwaltung ist die österreichische Sozialversicherung nicht gewinnorientiert. Sie ist für die Umverteilung der Beiträge im eigenen Wirkungsbereich selbst verantwortlich und damit auch mit der Wahrnehmung von öffentlichen Aufgaben im Interesse aller betraut. Im Gegensatz zu privaten Systemen werden die Beiträge nicht auf volatilen Finanzmärkten veranlagt, sondern im Umlageverfahren an die Versicherten verteilt. Dies erhöht die Beständigkeit und Stabilität des Sozialversicherungssystems und stärkt unter anderem das Vertrauen der Bevölkerung in das System und in öffentliche Leistungen insgesamt. Während in anderen Ländern mit staatlichen oder privaten Gesundheits- und Pensionssystemen oftmals Organisationsänderungen beziehungsweise Leistungsbeschränkungen zu verzeichnen sind, ist die österreichische Sozialversicherung resilient gegen schnelle Eingriffe von außen. Trotzdem ist eine Abhängigkeit vom Gesetzgeber gegeben, da zum Beispiel die Festlegung der Beiträge als auch das Leistungsspektrum gesetzlich vorgegeben werden. Die Selbstverwaltung in der Sozialversicherung kann aufgrund der darin fest verankerten Partizipation und Mitbestimmung durch die Versicherten als repräsentative demokratische

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SCHLUSSFOLGERUNGEN

Organisation das demokratische Bewusstsein der Bevölkerung stärken und liefert damit auch einen Beitrag zur Festigung der Demokratie. Selbstverwaltung und Sozialpartnerschaft fokussieren in ihren Entscheidungen auf einen Interessensausgleich, der auf eine breite Akzeptanz in der Gesellschaft abzielt und somit ein Grundpfeiler des sozialen Zusammenhalts darstellt. Die Sozialpartnerschaft bildet die treibende Kraft in der Selbstverwaltung. Die Beiträge der Sozialpartnerschaft zum Public Value Die Sozialpartnerschaft – bestehend aus der Wirtschaftskammer (WKÖ), der Landwirtschaftskammer (LKÖ), der Bundesarbeitskammer (BAK) sowie aus dem österreichischen Gewerkschaftsbund (ÖGB) – ist ein fixer Bestandteil des österreichischen politischen und demokratischen Systems und sorgt für eine stabile und starke Position der Sozialversicherung im Staatsgefüge. Durch den jahrzehntelang erprobten, institutionalisierten Interessensausgleich im Rahmen eines kontinuierlichen Dialoges bildet sie nicht nur ein tragfähiges Gerüst aus funktionierenden Beziehungen für den sozialen Zusammenhalt und Frieden, sondern auch ein stabiles robustes Fundament für eine resiliente Wirtschaftsentwicklung. Stabile Verhältnisse wiederum ermöglichen ein nachhaltiges Planen und Ausrichten der Sozialversicherung auf den langfristigen Nutzen für die Gesellschaft. Insgesamt hat die Sozialpartnerschaft mit ihrem gelebten partnerschaftlichen Denken und Handeln, dem oft mühevollen und langwierigen Kompromissfindungen im friedlichen Dialog eine starke Vorbildwirkung für die Gesellschaft. Es ist davon auszugehen, dass sozialpartnerschaftliche Entscheidungen durch Einbindung von Arbeiter- und Wirtschaftskammer die regionalwirtschaftlichen Wirkungen von Investitionsentscheidungen und regionaler Beschäftigung stärker im Blick haben als andere staatliche oder private Organisationsformen. Ebenso sorgt die Sozialversicherung in den eigenen Institutionen für „gute“ Arbeitsplätze. Dieser Fokus wird durch die starke Stimme von Sozialpartnerschaft und Selbstverwaltung noch intensiviert, sind sie doch die zentralen Akteure in Österreich für qualitätsvolle Arbeitsplätze. Die Sozialpartnerschaft sichert faire Arbeitsbedingungen, welche dazu beitragen, sorgenfreier und selbstbestimmter leben zu können. Gleichsam leistet die Sozialpartnerschaft direkt einen Beitrag für ein gesünderes längeres Leben, in dem sie die Integration von Gesundheitsfragen in das Arbeitsrecht, Arbeitsleben und die Betriebe gezielt vorantreibt. Die Beiträge der Pflichtversicherung zum Public Value Die Pflichtversicherung bedeutet soziale Absicherung für alle. Sie stellt gesundheitliche Chancengerechtigkeit sicher, da sie niemanden ausschließen kann. Alle Versicherten verfügen über den gleichen Rechtsanspruch auf gleichwertige Leistungen unabhängig von Einkommen, Alter, Geschlecht und Herkunft bzw. Wohnort. Unabhängig von den individuellen Risiken stehen den Versicherten sämtliche Leistungen zu gleichen Bedingungen zur Verfügung. Durch die Pflichtversicherung wird auch die Solidarität des Sozialversicherungssystems in Österreich unterstrichen. Gemeinsam bilden sie die solide Basis

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SCHLUSSFOLGERUNGEN

für den sozialen Ausgleich, der gerechten Verteilung der Ressourcen über alle Bevölkerungsgruppen und Generationen. Personen in höheren Einkommensgruppen können nicht in den privaten Versicherungsbereich ausweichen, sondern finanzieren das System anteilig mit. Dies hilft vor allem Menschen aus schwächeren Einkommensgruppen bzw. Menschen, die von Arbeitslosigkeit betroffen sind. Gemeinsam mit dem Solidaritätsprinzip und der nicht-gewinnorientierten Selbstverwaltung garantiert somit die Pflichtversicherung, dass Gesundheit keine Frage des Wohlstandes ist. Gesundheitsversorgung und Prävention von Krankheit ist für alle leistbar – durch einkommensabhängige Beiträge, Beitragsbefreiungen und -begünstigungen auch für sozioökonomisch benachteiligte Gruppen. Gleichsam ermöglichen vor allem die gesundheitliche Versorgungssicherheit und finanzielle Absicherung bei Krankheit, Unfall und Erwerbsunfähigkeit ein sorgenfreieres und selbstbestimmteres Leben. Die Mitversicherung von Auszubildenden lässt mitunter längere Bildungswege zu und leistet einen Beitrag zu vergleichsweise hohen Bildungschancen in Österreich. Aufgrund der Pflichtversicherung hat die Mehrheit der Menschen auch einen Anspruch auf Pension und damit ein gesichertes Einkommen im Alter, die Menschen können in Würde altern. Die Pflichtversicherung bildet damit einen zentralen Eckpfeiler des österreichischen Sozialsystems, da alle solidarisch ihren Beitrag leisten müssen. Bei einer Versicherungspflicht wie in Deutschland hingegen werden aufgrund der Wahlfreiheit zwischen unterschiedlichen Versicherungen soziale Ungleichheiten verstärkt. Ähnlich wie bei privaten Systemen, in denen sich finanziell bessergestellte Bevölkerungsgruppen einen umfassenderen Versicherungsschutz leisten können und damit auch häufig von einer qualitativ hochwertigeren Versorgung profitieren, sinken die gesundheitlichen Chancen großer Teile der Bevölkerung. Die Ungleichheiten in der Gesellschaft sind stärker ausgeprägt. Die Beiträge des Solidaritätsprinzips zum Public Value Das Solidaritätsprinzip ergibt sich aus der Pflichtversicherung. Das bedeutet ohne eine Pflichtversicherung gäbe es auch das Solidaritätsprinzip in seiner jetzigen Form nicht. Das Umlageverfahren sorgt dafür, dass alle grundlegend abgesichert sind. Die Beiträge der Sozialversicherung sind je nach Einkommen der/des Versicherten sozial gestaffelt. Solidarisch tragen finanziell Bessergestellte für finanziell Schwächere, Jüngere für Ältere, Gesunde für Kranke etc. bei, die individuellen Risiken und Folgekosten werden von der Gemeinschaft getragen. Dem Solidaritätsprinzip folgend hat der Schutz von besonders vulnerablen Gruppen einen sehr hohen Stellenwert, der Gemeinwohl-orientierte Ansatz zielt auf die bestmögliche Versorgung aller Mitglieder der Gemeinschaft ab. Dadurch wird Ausgrenzung und Armut nicht nur bei Kindern, sondern auch in der gesamten Bevölkerung abgefedert.

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SCHLUSSFOLGERUNGEN

Abbildung 15: Der Public Value der österreichischen Sozialversicherung

Quelle: Eigene Darstellung KDZ 2023.

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SCHLUSSFOLGERUNGEN

2

Herausforderungen – Public Values der österreichischen Sozialversicherung

Die österreichische Sozialversicherung steht unter Druck: Wie in vielen anderen Ländern führen demografische und soziale Entwicklungen sowie höhere Kosten der modernen Medizin dazu, dass die Anforderungen an die sozialen Sicherungssysteme steigen. Dies hat auch Auswirkungen auf die 19 Public Values der österreichischen Sozialversicherung. Beim Erarbeiten der Studie zeigten sich folgende Herausforderungen für die österreichische Sozialversicherung und die Public Values. Diese wurden durch Interviews mit Vertreterinnen und Vertretern aus den Sozialversicherungsträgern vertieft und vom KDZ eigenverantwortlich zusammengefasst. Public Values umfassend gewährleisten – Legitimation der Sozialversicherung stärken Die Ausprägung beziehungsweise der Erfüllungsgrad der 19 Public Values ist unterschiedlich. Die identifizierten Public Values beschreiben mögliche Mehrwerte für die Gesellschaft der österreichischen Sozialversicherung. Sie zeigen somit die Potentiale auf, welche im System der Sozialversicherung immanent vorhanden sind. Auch wenn vorliegende Studie das Ausmaß der Erreichung der Public Values nicht misst, brachten die Recherche und Interviews zum Vorschein, dass nicht alle identifizierten Public Values auch vollumfänglich erzielt werden. So weisen z.B. die Public Values „Gleiche Chancen für alle“, „Gesund länger leben“ und „Mehr Gendergerechtigkeit“ noch Handlungsbedarf auf. Zudem wurde in Bezug auf den Public Value „Gesund länger leben“ in mehreren Interviews darauf verwiesen, dass das Leistungsspektrum der Gesundheitsversorgung stark auf die Behandlung von Erkrankten ausgerichtet ist und Prävention tendenziell eine untergeordnete Rolle spielt. Verstärkter Fokus auf gesundheitliche Vorsorge kann einerseits dazu beitragen, länger erwerbsfähig zu sein, und andererseits auch im Alter länger gesund zu bleiben. So liegt zum Beispiel der Indikator gesunde Lebensjahre im Alter von 65 Jahren sowohl für Männer als auch Frauen in Österreich unter dem EU-Schnitt (Männer: AT: 9,3 Jahre, EU: 9,5 Jahre; Frauen: AT: 9,7 Jahre, EU: 9,9 Jahre; Eurostat 2021). Letzteres betrifft auch den Ausbau der Versorgung im Bereich der psychischen Gesundheit, um Langzeitfolgen zu minimieren. Generell zeigt sich, dass eine interdisziplinäre und sektorenübergreifende Gesundheitsversorgung noch ausbaufähig ist und die Zusammenlegung der Gebietskrankenkassen zur Österreichischen Gesundheitskasse hier zu keinen signifikanten Verbesserungen geführt hat. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen bieten wenig Spielraum und wären diesbezüglich zu überprüfen. Hier zeigt sich ein Nachholbedarf, der zur Absicherung und zum Ausbau der Public Values führen kann. Gleichzeit wird damit die Legitimation der österreichischen Sozialversicherung im öffentlichen Diskurs gestärkt. Diskussionen um etwaige „Verstaatlichung des Gesundheitssystems“ oder Beschränkung der Selbstverwaltung kann mit dem Ausbau der Public Values entgegengetreten werden. Darüber hinaus gilt, je weniger Ungleichheiten im System bestehen und je gerechter es wahrgenommen wird, desto größer wird auch das Vertrauen der Bevölkerung in das System sein und dies stärkt die Legitimation. 72 19.01.24


SCHLUSSFOLGERUNGEN

Chancengleichheit sicherstellen Zentrale Public Values der österreichischen Sozialversicherungen fokussieren auf Chancengleichheit, Gendergerechtigkeit und sozialen Ausgleich. Bei der Erarbeitung dieser Public Values in der Studie wurde festgestellt, dass es in verschiedenen Bereichen noch Verbesserungspotenzial gibt. So hat die Schwächung der Selbstverwaltung indirekt auch zu Leistungseinbußen geführt. Es wurden die Leistungsausschüsse reduziert (z.B. Reha-Ausschuss), in welchen Vertreter*innen der Selbstverwaltung – Arbeitnehmer*innen- und Arbeitgeber*innen-Vertreter*innen – über spezifische Leistungszuteilungen für Versicherte entschieden haben. Im Bereich der Pensionsvorsorge sind Frauen aufgrund von Teilzeitbeschäftigung durch Kinderbetreuung und Pflege von Angehörigen immer noch stark benachteiligt (Stichwort: GenderPension-Gap). Der Gender Pension Gap beträgt 2023 40,55 Prozent oder 148 Tage weniger Pension. Die Pension von Männern in Österreich beträgt im Monat durchschnittlich 2.162 Euro brutto, während Frauen durchschnittlich 1.285 Euro brutto monatlich erhalten.26 Eine Verbesserung bei den Pensionen, vor allem von Frauen, bewirkt die gute Bewertung der Kindererziehungszeiten im Pensionskonto. Als eine Möglichkeit, um finanzielle Verluste zumindest teilweise zu reduzieren und sukzessive die Chancengleichheit im Pensionssystem zu verbessern, besteht die Option des „Pensionssplittings“. Allerdings wird dadurch nur ein intrafamiliärer Ausgleich gewährleistet – ohne Anerkennung dieser Care-Arbeit durch die Gesellschaft. Über bestehende Möglichkeiten der kostenlosen Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege und die Möglichkeit des freiwilligen Pensionssplittings sollte besser informiert werden. Die Ermöglichung einer gut bezahlten Vollzeiterwerbstätigkeit und eine gerechtere Verteilung der unbezahlten Care-Arbeit ist aber mindestens ebenso wichtig. Auch im Bereich der Chancengleichheit aller Versichertengruppen gibt es noch einiges zu tun. Die Leistungsharmonisierung zwischen den Trägern ist nicht zur Gänze umgesetzt, wodurch es unterschiedliche Leistungen und Kosten für die Versicherten gibt. Dies hat die Bevorzugung bestimmter Berufsgruppen zulasten anderer Berufsgruppen zur Folge, welche die Chancengleichheit einschränkt. So bietet beispielsweise die BVAEB im Gesundheitsbereich ein höheres Leistungsniveau, fordert jedoch auch für ausgewählte Leistungen Behandlungsbeiträge (Selbstbehalt) – in der Regel 10 Prozent – ein. Die Leistungsharmonisierung, gerechte Finanzierung und der Risikostrukturausgleich zwischen den Trägern sind weiter zu verstärken. Selbstverwaltung unter Druck Vor allem die Sozialversicherungsreform 201827 hat zu einer Schwächung der Selbstverwaltung geführt. So hat vor allem die als Kostenminimierung gedachte Reduktion der Anzahl der Funktionärinnen und Funktionäre in den unterschiedlichen Selbstverwaltungskörpern und Gremien der Sozialversicherung28 negative Auswirkungen auf die Identifikation, Organisationskraft und Präsenz der Sozialversicherungen. Weniger Funktionär*innen können als

26

Pensionsversicherungs-Jahresstatistik Dez. 2022, Berechnung: MA 23 - Wirtschaft, Arbeit und Statistik der Stadt Wien. Sozialversicherungs-Organisationsgesetz (SV-OG, BGBl. I Nr. 100/2018). Das Gesetz wurde Ende 2018 beschlossen und 2019/2020 mit der Zusammenführung der damals bestehenden Sozialversicherungsträger auf fünf Sozialversicherungsträger unter einem Dachverband anstelle des Hauptverbandes umgesetzt. Die neue Struktur besteht seit 1. Jänner 2020. 28 Mit der Fusion der 21 Träger auf nunmehr 5 Kassen erfolgte auch eine starke Reduktion der Anzahl der Funktionärinnen und Funktionäre um etwa zwei Drittel von zuvor 2.000 auf nunmehr etwa 480 https://www.kleinezeitung.at/politik/innenpolitik/5496244/Sozialversicherungen_DieFusion-der-Kassen-ist-nun-fix_So-sieht sowie https://newsv2.orf.at/stories/2439649/) 27

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SCHLUSSFOLGERUNGEN

Multiplikator*innen und Ansprechpartner*innen vor Ort zum Beispiel in Betrieben agieren. Weniger Repräsentant*innen der Versicherungen können in der Öffentlichkeit informieren oder stehen als Ansprechpartner*innen für Fragen der Sozialversicherung zur Verfügung. Des Weiteren hat die Schwächung der Selbstverwaltung indirekt auch zu Leistungsreduktionen geführt. Es wurden die Leistungsausschüsse eingeschränkt (z.B. Reha-Ausschuss), in welchen Vertreter*innen der Selbstverwaltung – Arbeitnehmer*innen- und Arbeitgeber*innenVertreter*innen – über spezifische Leistungszuteilungen für Versicherte entschieden haben. Dort wo Leistungsausschüsse der Selbstverwaltung eingeschränkt wurden, ist auch ein Rückgang von Bewilligungen zu vermerken29. Dies schränkt auch die Partizipations- und Mitbestimmungsmöglichkeiten der Versicherten ein. Dies verringert zum einen das Wissen um Leistungen sowie den Möglichkeiten von Gesundheitsund Pensionsleistungen. Zum anderen führt dies aber auch zu einem Rückgang des Bewusstseins, dass die Sozialversicherung allen Versicherten „gehört“ und keine „normale staatliche oder private Dienstleisterin ist“. Die Konsequenz kann eine verminderte Identifikation der Bevölkerung mit der österreichischen Sozialversicherung sein, was in einigen Interviews zum Ausdruck gebracht wurde. Als organisatorische Auswirkung der Gremienverkleinerung ergeben sich mittel- und langfristig Herausforderungen in Bezug auf den Mangel an kompetenten Nachwuchskräften mit ausgeprägtem Verständnis über Funktionieren und Mehrwert der Selbstverwaltung. Die Gremien der Selbstverwaltung als indirekte Ausbildungseinrichtungen für zukünftige Mitarbeitende bei den Sozialversicherungsträgern fallen weg und führen zu einem Verlust von implizitem Wissen über die Grundlagen von Sozialversicherungen, Selbstverwaltung und Sozialpartnerschaft. Seitens der Arbeitnehmervertreter*innen wird auch auf die geringere Repräsentativität in den Gremien hingewiesen. Während vor der Reform die Arbeitnehmer*innen eine Mehrheit hatten, findet sich heute eine Eins-zu-Eins-Parität. Dies hat die Machtverhältnisse zugunsten der Arbeitgeber*innen verschoben und spiegelt die Breite der Gesellschaft in geringerem Ausmaß wider als dies vor der Reform der Fall war. Wenn auch in den Interviews die durchwegs sehr gute und konstruktive Zusammenarbeit der handelnden Entscheidungsträger*innen von Arbeitgeber*innen- und Arbeitnehmer*innenseite betont wird, sind doch sukzessive Restriktionen festzustellen. Dies ist zunächst die stärkere Stellung der geschäftsführenden Büros gegenüber den Selbstverwaltungsgremien. Auch wenn die strategischen Entscheidungen durch die Selbstverwaltung getroffen werden, hat die Reform durch die Schaffung der Österreichischen Gesundheitskasse die Geschäftsführung gestärkt. Demgegenüber stehen Obfrauen/Obmänner, die ihre Funktion in den Selbstverwaltungsgremien nebenberuflich ausüben und im Halbjahresrhythmus zwischen Arbeitgeber*innen und Arbeitnehmer*innenseite wechseln. Das Ungleichgewicht wird weiter verschärft, da die vergleichsweise niedrigen Aufwandsentschädigungen für die Obfrauen/Obmänner dazu führen, dass deren Aufwände über die Gehälter der entsendenden Organisationen abdeckt werden müssen. Dies kann zu variierendem Einsatz und unterschiedlicher Freistellung für die Aufgaben als Obmann/Frau führen. Des Weiteren ist eine Gewährleistung einer hohen Professionalisierung der Funktionärinnen und Funktionäre innerhalb des Systems herausfordernd.

29

Basierend auf den Ergebnissen der Interviews mit den Expertinnen und Experten aus der österreichischen Sozialversicherung.

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SCHLUSSFOLGERUNGEN

Da die Selbstverwaltung eine tragende Rolle bei vielen der Public Values einnimmt, ist ihre Schwächung genau zu beobachten und zu hinterfragen. Ihre wichtigen Beiträge vor allem zu „Gefestigter Demokratie“, „Resiliente Institutionen und Netzwerken“ und „Soziale Frieden und Zusammenhalt“ wurden in der Studie sichtbar. Gesundheitspolitik auf dem Prüfstand Gesundheitsversorgung ist kostenintensiv und in Österreich von zahlreichen Stakeholdern und Entscheidungsträger*innen gesteuert. Dies führt dazu, dass Diskussionen zur Gesundheitsreform permanent geführt werden und unterschiedliche Szenarien vorgebracht werden. Vereinzelt wird auch die Verstaatlichung oder Teilverstaatlichung des Gesundheitssystems wie dies zum Beispiel in Großbritannien der Fall ist, gefordert. Für eine solche Übernahme der Kompetenzen und Finanzierung der Gesundheitsversorgung in staatliche Hände wäre in Österreich eine Änderung der Bundesverfassung notwendig. Eine Übernahme der Gesundheitsagenden durch den Staat würde sich auf beinahe alle Public Values auswirken, insbesondere auf den Bereich der Grundbedürfnisse wie z.B. auf den Public Value „Gesund länger leben“, weil durch ein steuerfinanziertes System Leistungen einfacher beispielsweise durch einen Regierungswechsel reduziert werden können. Die Mittel in der Sozialversicherung sind durch die Beiträge der Versicherten zweckgebunden und können nicht anders verwendet werden. Würden die Agenden der Sozialversicherung an Bund und Länder wandern, wäre die angestrebte Harmonisierung der Leistungen und damit die Chancengerechtigkeit gefährdet. Das Ersetzen der Pflichtversicherung durch ein gewinnorientiertes, privates System hätte zur Folge, dass es eine Risikoauslese in den Versicherungen gibt und somit bestimmte Bevölkerungsgruppen dauerhaft von gesundheitlichen Leistungen aufgrund einer Vorerkrankung ausgeschlossen werden können. Die Versorgung rückt zunehmend in den privaten Bereich, wodurch das Solidaritätsprinzip sukzessive ausgehöhlt wird. Die Benachteiligung würde verstärkt und soziale Ungerechtigkeiten weiter befeuert werden. In gewinn-orientierten privaten Systemen finden die spezifischen Bedarfe marginaler Gruppen weniger Berücksichtigung. Herausforderung Transparenz Transparenz ist in der modernen Public Governance ein wichtiges Prinzip für das Funktionieren öffentlicher Organisationen. Die fünf unterschiedlichen Träger und das unterschiedliche Leistungsspektrum gepaart mit geteilten Zuständigkeiten von Gebietskörperschaften (Bund, Länder und Gemeinden) und Sozialversicherungen schränken die Transparenz ein und erschweren somit das Verständnis über das Gesamtsystem Sozialversicherung. Weiters spiegelt sich diese Tatsache auch im Austausch von Daten zwischen den Trägern wider. Es existiert für den Gesundheitsbereich beispielsweise ein übergreifender ZielsteuerungsProzess. Die Krankenversicherungen verfügen im Vergleich zur Pensionsversicherung über sehr umfassende und öffentlich leicht zugängliche Strategien und Leistungsbeschreibungen. Strategien und Ziele sind daher nicht bei allen Trägern in gleichem Ausmaß offengelegt. Für die Leistungsempfänger*innen bzw. Kund*innen der österreichischen Sozialversicherung ist es schwierig, sich in den unterschiedlichen Trägern zurecht zu finden. So gibt es beispielsweise bei der Rehabilitation geteilte Zuständigkeiten in der Kranken-, Unfall- und auch Pensionsversicherung. Die zuständigen Stellen und somit die richtige Versorgung sind oftmals nur über Umwege (Weiterverweisungen) erreichbar.

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SCHLUSSFOLGERUNGEN

Das erhöht den Aufwand und führt zu Unzufriedenheit nicht nur bei den Kundinnen und Kunden, sondern auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Die Transparenzherausforderung innerhalb des Systems bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und Führungskräften kann zu einer Organisationskultur führen, die Motivation, Kund*innenorientierung und Zusammenarbeit nicht als prioritäre Prinzipien betrachtet. Dies kann mittelfristig auch zu Problemen bei der Attraktivität als Arbeitgeberin führen. Bezüglich organisationaler Transparenz ist auf den Informations- und Datenaustausch zwischen den Trägern zu verweisen, der trotz der SV-Reform gemäß den Interviews noch wenig fortgeschritten ist. Auch wenn hier Datenschutz sowie die geltenden gesetzlichen Grundlagen enge Grenzen setzen, ist die Österreichische Sozialversicherung beim Public Value „Innovative und produktive Gesellschaft“ noch gefordert, um als Motor von Innovationen gelten zu können. Public Values sind mehrdimensional und versicherungsübergreifend Gesellschaftlicher Mehrwert entsteht nicht aus Einzelleistungen, sondern aus dem Zusammenspiel verschiedener Faktoren und Maßnahmen aller beteiligten Akteurinnen und Akteure. Dies gilt auch für die Public Values der österreichischen Sozialversicherung. Nur das optimale Zusammenwirken aller Maßnahmen in allen Sozialversicherungsbereichen generiert Public Values. Demensprechend ist eine zielgerichtete Steuerung und Steigerung gewünschter positiver Wirkungen und damit des Public Values nur über eine koordinierte Zusammenarbeit und Abstimmung auf allen Ebenen und zwischen allen Versicherungsträgern möglich. Unter dem Dach der österreichischen Sozialversicherung sind mehrere historisch eigenständig gewachsene Organisationen bzw. Träger mit deutlich unterschiedlichen Strukturen und Zuständigkeiten (Kranken- und Unfallversorgung, Pensionen) vereint. Die Organisationsstrukturen folgen seit der Reform 2018 dem Gedanken der Zentralisierung. Wichtige Ziele der Zentralisierung sind u.a. die Einsparung administrativer Kosten, die Vermeidung von Doppelgleisigkeiten, mehr Transparenz für die Versicherten und das Vorantreiben der Leistungsharmonisierung. Vor allem die Österreichische Gesundheitskasse erfuhr mit der Zusammenlegung der neun Gebietskrankenkassen zu einer bundesweiten Österreichischen Gesundheitskasse eine starke Veränderung in Richtung Zentralisierung. Diese Zentralisierung zeigt sich etwa darin, dass die Landestellen der ÖGK in ihrer Entscheidungsbefugnis deutlich eingeschränkt wurden. Regionale Projekte können nicht mehr so leicht umgesetzt werden oder müssen sogar eingestellt werden. Die eigenständige Bearbeitung von Anträgen in den Landesstellen ist eingeschränkt. Für eine bestmögliche bedarfsorientierte regionale Versorgung ist eine gewisse Flexibilität notwendig. Es ist daher wichtig, dass Zentralisierungsprozesse stets mit Bedacht durchgeführt werden und funktionierende regionale Strukturen nicht nachhaltig zerstört werden. Die unterschiedlichen Steuerungs- und Organisationskulturen erschweren die versicherungsübergreifende Abstimmung und Zusammenarbeit. Folglich stellt die Koordination zwischen den Trägern und Sparten im Sinne einer optimierten gesamtheitlichen Versorgung auch eine zentrale Herausforderung für die Absicherung und Weiterentwicklung der Public Values dar. Geringes Wissen der Bevölkerung über die Sozialversicherung Trotz Selbstverwaltung und Mitbestimmung (Stichwort: Wir sind Selbstverwaltung) ist das Wissen über die Sozialversicherung in der österreichischen Bevölkerung eher gering ausgeprägt. Der Wert und Nutzen des Gesamtsystems in seiner heutigen Form ist Vielen kaum bewusst. 76 19.01.24


SCHLUSSFOLGERUNGEN

So ist beispielsweise das Solidaritätsprinzip für die Leistungsempfänger*innen nur schwer nachvollziehbar, wenn Gesundheitsleistungen/Behandlungen je nach Träger unterschiedlich abgegolten werden. Zudem fehlt es für die/den Einzelne/n oftmals an Transparenz, wie die Versicherungsbeiträge verwendet werden. Auch die Verlässlichkeit und der Rechtsanspruch im Pensions- und Krankenversicherungssystem ist zu wenig bekannt, wodurch Menschen verstärkt in den privaten Versicherungsbereich gedrängt werden und die Angst vor Versorgungsengpässen und geringen Pensionen somit monetarisiert wird. Hinzu kommt, dass damit auch das Solidaritätsprinzip sukzessive ausgehöhlt wird. Um den Erfolg und die Effizienz des österreichischen Sozialversicherungssystems sicherzustellen, bedarf es einerseits eines generellen Verständnisses über den Mehrwert der Selbstverwaltung sowie eines starken Commitments zur Selbstverwaltung seitens der Mitarbeiterinnen und Führungskräfte in den Trägerorganisationen. Andererseits braucht es mehr internes Wissen über die Public Values der Sozialversicherung und eine entsprechende Verankerung des gesellschaftlichen Mehrwerts in den Trägern. Ein gesteigertes Bewusstsein bezüglich der Public Values, die das österreichische Sozialversicherungssystem generiert, kann intern die Kooperation und Effektivität stärken und extern das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Trägerorganisationen fördern und damit die Legitimation des Gesamtsystems Sozialversicherung unterstützen. Einbeziehung aller gesellschaftlichen Gruppen – neue Beteiligungsformate andenken Die Absicherung und Stärkung der Public Values vor allem im Bereich der bedarfsgerechten Versorgung bzw. Verteilung und Abdeckung der Grundbedürfnisse der Bevölkerung wie beispielsweise „selbstbestimmter, sorgenfreier und gesund länger leben“ erfordert eine permanente Weiterentwicklung der Organisation der Selbstverwaltung als auch der Sozialpartnerschaft. Die Selbstverwaltungskörper und Gremien sind primär mit Funktionärinnen und Funktionären der Kammern und des Gewerkschaftsbundes besetzt. Im Wesentlichen handelt es sich dabei um Vertreterinnen und Vertreter der Dienstnehmer*innen- als auch der Dienstgeber*innenseite. Weitere – nicht berufstätige – soziale Gruppen wie beispielsweise auch Migrantinnen und Migranten, ältere Menschen oder andere Interessensgruppen mit speziellen Anforderungen sind unzureichend eingebunden. In den Interviews wurde die Einbeziehung weiterer gesellschaftlicher Gruppen diskutiert und unterschiedlich bewertet, um die vielfältigen Interessen und Bedürfnisse der gesamten Bevölkerung möglichst weitreichend abzudecken zu können und damit den Public Value des „Sozialen Ausgleichs“ und der „Chancengerechtigkeit“ zu stärken. Mit der verstärkten Einbindung marginaler und sozioökonomisch benachteiligter gesellschaftlicher Gruppen in die Selbstverwaltung würden insbesondere auch neue Herausforderungen wie beispielsweise die Zunahme von prekären Arbeitsverhältnissen stärker Berücksichtigung finden. Dies könnte auch die Umsetzung von bereits lange verfolgten Zielen wie der Gleichstellung von Frauen im Sozialversicherungssystem oder auch der eigenständigen Integration von Menschen mit Beeinträchtigungen im System (z.B. Anerkennung von Arbeitsleistungen in Werkstätten) befördern. In diesem Zusammenhang empfiehlt es sich, die bestehenden partizipativen Instrumente zu evaluieren und gegebenenfalls um weitere permanente oder periodische Einrichtungen mit Bürger*innenbeteiligung und neuen Formen der Partizipation und Mitwirkung –beispielsweise in

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SCHLUSSFOLGERUNGEN

Form von Beiräten, thematischen Dialog-Foren oder (online) Konsultationen für Kund*innen und Stakeholder*innen – zu ergänzen. Ebenso können bei der Evaluierung und laufenden Anpassung der Strukturen und Prozesse der Selbstverwaltung möglichst diverse Vertretungen aus der Bevölkerung einen konstruktiven Beitrag im Sinne der Verbesserung des Wohlergehens und der Gesundheit leisten. Nicht zuletzt kann durch die verstärkte Einbeziehung und Partizipation auch die Kommunikation mit und zu den Bürgerinnen und Bürgern maßgeblich verbessert und damit das Bewusstsein über den Public Value der Sozialversicherung in der Bevölkerung gestärkt werden. Stärkung des Dachverbandes? Die Mehrheit der Public Values ist multidimensional bestimmt und kann nur über das konzertierte Zusammenwirken aller beteiligten Stakeholder – und hier insbesondere der unterschiedlichen Trägerorganisationen – optimal gewährt werden. Der Dachverband spielt hier gleichsam als Dirigent bzw. Koordinationsplattform eine zentrale Rolle, welche nicht nur bei der Weiterführung der Reform (z.B. weitere Harmonisierung der Leistungen), sondern auch bei der gezielten Stärkung und Kommunikation der Public Values ausgebaut werden könnte. Dem Dachverband obliegt die Beschlussfassung von Richtlinien zur Förderung der Zweckmäßigkeit und Einheitlichkeit der Vollzugspraxis der SV-Träger, die Koordination der Vollziehungstätigkeiten der SV-Träger (zentrale Erbringung von Dienstleitungen) und die Wahrnehmung trägerübergreifender Verwaltungsaufgaben. Idealerweise wären auch zahlreiche weitere Funktionen und Aufgaben wie beispielsweise trägerübergreifende Strategien und Reformprojekte (Gemeinschaftliche Zielsteuerung, Digitalisierung, Leistungsharmonisierung, etc.) oder die gemeinschaftliche Kommunikation nach innen und außen (z.B. Informationsaustausch, Online-Kundenservices, Zentrale Verwaltung von Leistungsanträgen, Datenmanagement etc.) in der Kompetenz des Dachverbandes angesiedelt. Der Dachverband fungiert als zentraler Ansprechpartner für die Regierung und kann darüber hinaus die gemeinsamen Interessen der Trägerorganisationen gebündelt in die politischen Entscheidungsprozesse zur Weiterentwicklung des Systems der Sozialversicherung einbringen. Inwieweit der Dachverband in seiner aktuellen, durch die Reform verkleinerten Form und eingeschränkten Rolle30 diese Aufgaben auch übernehmen bzw. ausfüllen kann, ist zu überprüfen. Möglicherweise braucht es hierzu eine Stärkung des Dachverbandes als Schnittstelle, vor allem auch um Synergien zu erhöhen und allfällige Systemschwächen (z.B. Härtefälle aufgrund von Nicht-Zuständigkeit der einzelnen Träger) abzufedern. Schließlich bedarf es einer intensiven Zusammenarbeit und Abstimmung auf allen Ebenen des österreichischen Sozialversicherungssystems, um eine zielgerichtete Steuerung und nachhaltige Absicherung und Weiterentwicklung der Public Values zu gewährleisten.

30

Die Zahl der Führungsfunktionen sank im Zuge der Reorganisation insgesamt um 30% von 20 auf 14 Dienstposten, darüber hinaus sah die Reform eine Verschiebung von rund einem Drittel der Beschäftigten des Hauptverbands in die ÖGK vor. Ebenso sank das Budget des Dachverbandes durch die Umsetzung des SV-OG (RH Österreich, 2022 S. 87 und S. 129 ff.).

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SCHLUSSFOLGERUNGEN

3

Mögliche nächste Schritte zur Nutzung der Public Values

Basierend auf diesen Herausforderungen empfehlen wir folgende Schritte, um den gesellschaftlichen Mehrwert der österreichischen Sozialversicherung abzusichern und weiterzuentwickeln. Damit würde die österreichische Sozialversicherung zudem weiterhin zur Zielerreichung der SDGs beitragen. Public Value kommunizieren – Tu Gutes und sprich darüber! Aufgrund der identifizierten Public Values unterstützt die österreichische Sozialversicherung maßgeblich den sozialen Frieden, gewährleistet die Stabilität des Gesundheits- und Pensionssystems, auch durch nachhaltige Finanzierung, und stärkt die Demokratie in Österreich. Somit kann sie als Beispiel für eine Institution mit hohem gesellschaftlichem Mehrwert betrachtet werden. Diesen Mehrwert gilt es sowohl intern, als auch extern sichtbar zu machen. Intern kann die Kenntnis über den Public Value zur Motivation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beitragen (Stichwort: Purpose). Die Kommunikation des Public Values nach außen kann sowohl die Kenntnis über den Nutzen und Wert der österreichischen Sozialversicherung stärken als auch das Bewusstsein über das Gesamtsystem schärfen (Stichwort: Wir sind Sozialversicherung) und damit das allgemeine Image verbessern. Dies betrifft gleichermaßen Versicherte, Stakeholderinnen und Stakeholder sowie die Gesamtgesellschaft. Zentral dabei ist „sensible“ Kommunikation, die auch Herausforderungen benennt und/oder auf jene Public Values fokussiert, die nachweislich mit guten Beispielen zu belegen sind. Möglichkeiten wären eine interaktive Plattform (auch als Teil des SV-Webportals), Kurzvideos zu bestimmten Public Values etc. Dabei könnte auch der Beitrag der österreichischen Sozialversicherung zur Zielerreichung der SDGs „vor den Vorhang“ geholt werden. Public Value messen – Entwickeln eines Indikatorensets Vorliegende Studie fokussierte auf das Ermitteln und Darstellen möglicher Public Values der österreichischen Sozialversicherung, um einerseits ihren Wert/Nutzen für die Gesellschaft in Österreich sichtbar zu machen und andererseits ihren Beitrag zur Zielerreichung der UNNachhaltigkeitsziele (SDGs) abzubilden. Dafür wurden die Systemmerkmale, Ziele und Leistungen der österreichischen Sozialversicherung als zentrale Parameter herangezogen und entlang der fünf SDG-Dimensionen strukturiert. Um die identifizierten Public Values zu überprüfen und zu konkretisieren könnten in einem zweiten Schritt diese mit quantitativen (z.B. volkswirtschaftliche Effekte und Beschäftigung oder Vergleich von Kennzahlen mit anderen Versicherungssystemen in Europa zu Leistungen, Finanzierung etc.) und qualitativen Indikatoren (z.B. anhand von „Good Practices“) belegt werden.

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SCHLUSSFOLGERUNGEN

Abbildung 16: Beispiel: Ausschnitt Indikatoren-Set zum Public Value der Elementaren Bildung und Betreuung

Quelle: KDZ, 2014.

Zudem wären die Indikatoren die Basis für die Weiterentwicklung des Modells und könnten eine Gewichtung der Public Values unterstützen. Mittelfristig könnten diese Indikatoren zur Messung des Public Values in ein Modell zu Monitoring und Steuerung übergeführt werden, um die Public Values abzusichern (vgl. Punkt 3.4.). Public Values überprüfen – Mitarbeiter*innen und Kund*innen zum Public Value befragen Es wäre empfehlenswert, eine Umfrage zu den identifizierten Public Values unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und/oder den Stakeholderinnen und Stakeholdern durchzuführen. Unter der Prämisse „Public Value is what the public values” könnten diese als “Fokusgruppe“ die Public Values „bestätigen“ und/oder gewichten. Hierfür könnten entweder einzelne Public Values herausgegriffen werden oder die Gesamtheit der Public Values abgefragt werden. Als niederschwellige online-Umfrage (z.B. Lime-Survey“) könnte entweder mit ja/nein Fragen (z.B. „Wird durch die Pensionsversicherung gewährleistet, dass die Menschen in Österreich in Würde altern können?) der jeweilige Public Value verifiziert oder falsifiziert werden, oder durch Abfrage mittels „Stimme ich zu/stimme ich weniger zu/stimme ich gar nicht zu“ der Grad der Zustimmung/Ablehnung eruiert werden. Damit könnten die Public Values konkretisiert und/oder auch priorisiert werden und Handlungsnotwendigkeiten erkannt werden. Durch die Einbindung aller relevanten Interessengruppen könnten die Ergebnisse der Umfrage zudem dazu beitragen, eine ganzheitliche und partizipative Strategie zur Förderung der Public Values zu entwickeln und sicherzustellen, dass die Ziele der Organisation bestmöglich erreicht werden. Public Values zur internen Steuerung nutzen Die bestehenden BSC-Systeme in der Sozialversicherung könnten mit Public Value-Indikatoren und Zielwerten (vgl. 3.2.) ergänzt werden. Damit würden die Public Values als zentrale Leitprinzipien des Steuerungsprozesses fungieren. Diese Public-Value-Scorecard könnte einerseits aktuelle Handlungsbedarfe aufzeigen und andererseits sicherstellen, dass die Unternehmensziele im Einklang mit den Public Values stehen. Darüber hinaus könnte dieses Steuerungssystem auch auf der Ebene der einzelnen Träger effektiv eingesetzt werden, um zu 80 19.01.24


SCHLUSSFOLGERUNGEN

gewährleisten, dass die Prinzipien der Public Values in jeder Organisationseinheit verwirklicht werden. Neben der internen Steuerung könnte die Public Value-Scorecard auch als Informationsquelle sowohl für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als auch für die Öffentlichkeit genutzt werden, um Status Quo und Fortschritt aufzuzeigen – “wo stehen wir momentan in Bezug auf die Public Values und wie setzen wir diese in unserer Arbeit um?”. Dies trägt dazu bei, das Vertrauen der Öffentlichkeit in das österreichische Sozialsystem zu stärken und eine bessere Transparenz in den Handlungen der Versicherungen zu gewährleisten.

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ANHANG

VIIIAnhang Abkürzungen und Glossar Armutsgefährdungsquote (Eurostat) Quote bzw. Anteil der von Armut bedrohten Personen, deren Äquivalenzeinkommen unterhalb der definierten Grenze von 60% des medianen Äquivalenzeinkommens nach Sozialleistungen liegt. Armutsquote (OECD)

Die Armutsquote ist definiert als der Anteil der Personen (in einer bestimmten Altersgruppe), deren Einkommen unter der Armutsgrenze liegt; diese Schwelle ist bei der Hälfte des Medianhaushaltseinkommens der Gesamtbevölkerung angesetzt.

APG

Allgemeines Pensionsgesetz

ASVG

Allgemeines Sozialversicherungsgesetz

AUVA

Allgemeine Unfallversicherungsanstalt

BGF

Betriebliche Gesundheitsförderung

BSC

Balanced Scorecard

BSVG

Bauern-Sozialversicherungsgesetz

BVAEB

Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau

B-KUVG

Beamten-, Kranken- und Unfallversicherungsgesetz

B-VG

Bundes-VerfassungsGesetz

DMP

Disease Management Programme bieten die Chance, die Versorgung chronisch Kranker systematisch, integriert, multiprofessionell und patientenorientiert zu organisieren.

DV

Dachverband

eKOS

Elektronisches Kommunikationsservice

ELGA

Elektronische Gesundheitsakte

Euroraum

Der Euroraum (amtlich auch Euro-Währungsgebiet oder Eurozone) bezeichnet die Gruppe der EU-Staaten, die den Euro als offizielle Währung besitzen. Die Eurozone besteht 2023 aus 20 EU-Staaten und wird deswegen als Euro-20 bezeichnet.

FGÖ

Fonds Gesundes Österreich

FSVG

Freiberuflichen-Sozialversicherungsgesetz

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ANHANG

Gini-Koeffizient

Der Gini-Koeffizient oder Gini-Index ist ein Maß der relativen Konzentration beziehungsweise Ungleichheit bezogen auf das Einkommen in der Bevölkerung und kann einen Wert zwischen Null und Eins (Gini-Koeffizient) bzw. skaliert von 0 bis 100 (Gini-Index) annehmen. Ein Wert von null bedeutet eine vollkommene Gleichverteilung der Einkommen.

GSBG

Gesundheits- und Sozialbereich-Beihilfen-gesetz

GSVG

Gewerbliches Sozialversicherungsgesetz

mBGM

Monatliche Beitragsgrundalgenmeldung

NAP

Nationaler Aktionsplan

OECD

Organization for Economic Co-operation and Development

ÖGK

Österreichische Gesundheitskasse

ÖPGK

Österreichische Plattform Gesundheitskompetenz

PRIKRAF

Privatkrankenanstalten-Finanzierungsfonds

PVA

Pensionsversicherungsanstalt

SSgS

Schulische Gesundheitsförderung

SV

Sozialversicherung

SV-OG

SozialVersicherungs-OrganisationsGesetz

SVS

Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen

VfGH

VerfassungsGerichtsHof

WHO

Weltgesundheitsorganisation

ZPFSG

Gesetz über die Zusammenführung der Prüfungsorganisationen der Finanzverwaltung und der Sozialversicherung

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ANHANG

Vertiefende Übersichten Abbildung 17 Die 10 Gesundheitsziele31 

Ziel 1: Gesundheitsförderliche Lebens- und Arbeitsbedingungen für alle Bevölkerungsgruppen durch Kooperation aller Politik- und Gesellschaftsbereiche schaffen

Ziel 2: Für gesundheitliche Chancengerechtigkeit zwischen den Geschlechtern und sozioökonomischen Gruppen, unabhängig von der Herkunft, für alle Altersgruppen sorgen

Ziel 3: Die Gesundheitskompetenz der Bevölkerung stärken

Ziel 4: Die natürlichen Lebensgrundlagen wie Luft, Wasser und Boden sowie alle unsere Lebensräume auch für künftige Generationen nachhaltig gestalten und sichern

Ziel 5: Durch sozialen Zusammenhalt die Gesundheit stärken

Ziel 6: Gesundes Aufwachsen für alle Kinder und Jugendlichen bestmöglich gestalten und unterstützen

Ziel 7: Gesunde Ernährung mit qualitativ hochwertigen Lebensmitteln für alle zugänglich machen

Ziel 8: Gesunde und sichere Bewegung im Alltag durch die entsprechende Gestaltung der Lebenswelten fördern

Ziel 9: Psychosoziale Gesundheit bei allen Bevölkerungsgruppen fördern

Ziel 10: Qualitativ hochstehende und effiziente Gesundheitsversorgung für alle nachhaltig sicherstellen Das Ziel 10 umfasst dabei noch weitere insbesondere für die Sozialversicherung relevante Zielsetzungen wie beispielsweise:  die integrierten, multiprofessionellen und gesundheitsförderlichen Versorgungssysteme und Netzwerkstrukturen oder  die wirksame Früherkennung, Frühintervention, integrierte Versorgung und damit den Ausbau der Prävention und Gesundheitsförderung sowie  die effiziente und zweckmäßige Planung, Steuerung und Finanzierung in gemeinsamer Verantwortung auf Basis eines partnerschaftlichen Zielsteuerungssystems.

Quelle: BMGF 2017.

31Anmerkung: Fett hervorgehoben sind diejenigen Ziele mit besonderer Relevanz für die Sozialversicherung.

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ANHANG

Abbildung 18: Überblick Ziel-Dimensionen, Ziel-Cluster und Einzelziele Soziale Sicherheit Lebensstandard sichern und Armut bekämpfen Sozialversicherung für alle sicherstellen Prävention von Berufsunfähigkeit, Rehabilitation und Erwerbsintegration Kinder- und Jugendgesundheitsstrategie: Umsetzung forcieren Risiko- und Schadensausgleich Finanzielle Absicherung im Alter und nach Ausscheiden aus dem Berufsleben Heranführen des faktischen and das gesetzliche Pensionsalter finanzielle Absicherung der Versicherten im Alter oder nach krankheitsbedingtem Ausscheiden aus dem Berufsleben sowie- der hinterbliebenen Angehörigen Nachhaltig gesicherte Gesundheitsversorgung Sicherstellung bestmöglicher Gesundheitsleistungen und deren nachhaltiger Finanzierung Qualitativ hochstehende und effiziente Gesundheitsversorgung für alle nachhaltig sicherstellen Chancengerechtigkeit: Hochwertige Versorgung für alle Sozialversicherung und ausreichende Sachleistungsversorgung für alle sicherstellen Einbezug und Absicherung benachteiligter/schutzbedürftiger Gruppen (Menschen mit Behinderung, Sozialhilfebezieherinnen und -bezieher, Ehrenamt, Künstlerinnen und Künstler) Ausreichende Sachleistungsversorgung (genügend Kassenärzt*innen) gewährleisten Ausbau der Primärversorgung (extramural) Primärversorgungsmodelle auf- und ausbauen Egalitärer Zugang und Verfügbarkeit notwendiger Leistungen Flächendeckende Versorgung Fokus/Angebotserweiterung psychische Gesundheit (Bedarfsdeckung) Zugang und Verfügbarkeit notwendiger Leistungen gewährleisten Zur Stärkung der Sachleistungsversorgung örtliche, zeitliche und soziale Zugangsbarrieren abbauen Gesundheitliche Chancengerechtigkeit zwischen den Geschlechtern und sozioökonomischen Gruppen Gesundheitliche Chancengerechtigkeit zwischen den Geschlechtern und sozioökonomischen Gruppen Forcierung von Gender-Medizin - Förderung Frauengesundheit Gesundheitskompetenz und Gesundheitsbewusstsein stärken Stärkung der Patient*innenkompetenz Die Gesundheitskompetenz der Bevölkerung stärken Frauen treffen informierte, gesundheitsbewusste und selbst-bestimmte Entscheidungen in Gesundheitsfragen Kinder- und Jugendgesundheitsstrategie: Umsetzung forcieren Hohe Qualität und Zufriedenheit durch optimierte und bedarfsgerechte Versorgung Kund*innenorientierung: Optimierte bedarfsorientierte und bedarfsgerechte Versorgung Steigerung der Effektivität, Effizienz und Patient*innenorientierung Bedarfsgerechte Gestaltung, Abstimmung und Weiterentwicklung der (ambulanten) Fachversorgung Fokus Betreuung in Schwangerschaft und Geburtshilfe Förderung psychosoziale Gesundheit Besser koordinierte und integrative Versorgung Medikamentenversorgung sektorenübergreifend gemeinsam optimieren Verbesserung der integrativen Versorgung durch gemeinsame abgestimmte verbindliche Planung und Schaffung eines One-Stop-Shops: – Für Hilfsmittel und Heilbehelfe, – Für Beratung, Begleitung und Betreuung, – Für „Persönliche Assistenz“. – Schnittstelle AMS/SMS/Länder/Sozialversicherung „The right care“ für eine hohe Zufriedenheit Optimierung der Versorgung von Kindern und Jugendlichen in ausgewählten Bereichen Stärkere Ausrichtung des Vertragswesens und der Honorierungssysteme am Versorgungsbedarf bei gleichzeitiger Unterstützung der Zielsetzungen der ZS-G (insbesondere Versorgung am „Best Point of Service“) und der Anforderungen an die Versorgungsformen Klient*innenorientiertes Case Management

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ANHANG

Gesündere Bevölkerung mit hoher Lebensqualität: Erhöhung der Zahl der gesunden Lebensjahre und Verbesserung der Lebensqualität von erkrankten Personen Ganzheitliche, integrierte und gesundheitsförderliche Versorgung Verbesserung der integrierten Versorgung Zielgerichtete Gesundheitsförderung und Prävention Stärkung der Gesundheitskompetenz der Bevölkerung Stärkung von evidenzbasierter und zielgerichteter Gesundheitsförderung und Prävention Erhalt der Gesundheit durch Früherkennung und vertstärkte Präventionsmaßnahmen sowie Ausbau der stationären und ambulanten Rehabilitation Flächendeckende Bereitstellung und Ausbau früher Hilfen Wirksame Früherkennung, Frühintervention, integrierte Versorgung Gesundes Aufwachsen für alle Kinder und Jugendlichen bestmöglich gestalten und unterstützen Aufwertung Schulärzt*innen und Aufbau School und Community Nurses Verbleib im Erwerbsleben / Erwerbsintegration Prävention von Berufsunfähigkeit, Rehabilitation und Erwerbsintegration Faktisches Pensionsalter anheben durch Ermöglichung eines längeren Verbleibs im Erwerbsleben“ Governance - Gewährleistung bestmöglicher Versorgung Effiziente (Gesundheits-) Versorgung Steigerung der Effektivität, Effizienz und Patientenorientierung Optimierte Prozesse und reduzierter Ressourceneinsatz Ausbau der ambulanten Versorgung und Rehabilitation zur Entlastung der stationären Versorgung Qualitativ hochstehende und effiziente Gesundheitsversorgung für alle nachhaltig sicherstellen Health in all Policies: Intensivierung der übergreifenden Zusammenarbeit, Vernetzung und Abstimmung Abgestimmte Versorgung im niedergelassenen, ambulanten, tagesklinischen und stationären Bereich Kooperation aller Politik- und Gesellschaftsbereiche Kooperation zwischen spezifischen Akteursgruppen Partnerschaftliche Zielsteuerung Optimierte Rahmenbedingungen für eine effiziente und wirksame Versorgung Steigerung der Effektivität, Effizienz und Patientenorientierung Sicherstellung bestmöglicher Gesundheitsleistungen und deren nachhaltiger Finanzierung Sicherstellung der Ergebnisqualität im gesamten ambulanten Bereich Transparenz und Qualität Verfügbarkeit und Einsatz des für die qualitätsvolle Versorgung erforderlichen Gesundheitspersonals sicherstellen Forschung und Weiterentwicklung Modernisierung und Ausbau der Versorgungsinfrastrukturen Ausbau der ambulanten Versorgung und Rehabilitation - von Primärversorgungseinheiten und Facharztzentren Stärkung des Sachleistungsprinzips Integrierte, multiprofessionelle und gesundheitsförderliche Versorgungssysteme und Netzwerkstrukturen Bedarfsgerechte Anpassung der ambulanten und stationären Versorgungsstrukturen Früherkennung und Frühintervention modernisieren und verbessern Gezielter Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien Nachhaltige Finanzierung des Systems ("Better Value") Heranführen des faktischen an das gesetzliche Pensionsalter Sicherstellung bestmöglicher Gesundheitsleistungen und deren nachhaltiger Finanzierung Zielwerte der Finanzzielsteuerung bzw. der Ausgabenobergrenzen einhalten Eine nachhaltige, konsolidierte, solidarische Finanzierung des Pensionssystems Quelle: Eigene Darstellung KDZ 2023 auf Basis der gesetzlichen Regelungen und weiterer Strategien und Leitbilder aus Politik und Verwaltung.

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ANHANG

Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Sozialversicherungsträger im österreichischen Dachverband ................................. 15 Abbildung 2: Vergleich Bismarck-Modell und Beveridge-Modell ................................................... 17 Abbildung 3: Wahl der Funktionär*innen der Selbstverwaltungskörper der SV ............................ 19 Abbildung 4: Die zentralen Unterschiede zu privaten Systemen – Umverteilungseffekte ............ 22 Abbildung 5: Basis-Komponenten des Modells: Systemmerkmale – Ziele – Leistungen ............. 25 Abbildung 6: Die SDGs als übergeordneter Rahmen .................................................................... 37 Abbildung 7: Das Public Value System der österreichischen Sozialversicherung ........................ 38 Abbildung 8: Zusammenwirken von Zielsetzungen, Systemmerkmalen mit Public Values .......... 41 Abbildung 9: Gewichtung der Public Values .................................................................................. 43 Abbildung 10: Der Beitrag zur Deckung der GRUNDBEDÜRFNISSE .......................................... 44 Abbildung 11: Der Beitrag zur Förderung der SOZIALEN & WIRTSCHAFTLICHEN ENTWICKLUNG...................................................................................................................... 50 Abbildung 12: Der Beitrag zur Festigung der UNIVERSALEN WERTE ........................................ 55 Abbildung 13: Der Beitrag zur GOVERNANCE und Etablierung starker PARTNERSCHAFTEN 60 Abbildung 14: Der Beitrag zur NACHHALTIGEN NUTZUNG VON RESSOURCEN und den ÖKOLOGISCHEN VORAUSSETZUNGEN ............................................................................ 65 Abbildung 15: Der Public Value der österreichischen Sozialversicherung .................................... 71 Abbildung 16: Beispiel: Ausschnitt Indikatoren-Set zum Public Value der Elementaren Bildung und Betreuung ......................................................................................................................... 80 Abbildung 17 Die 10 Gesundheitsziele .......................................................................................... 84 Abbildung 18: Überblick Ziel-Dimensionen, Ziel-Cluster und Einzelziele ...................................... 85

Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Systemmerkmale, Zieldimensionen und -cluster .......................................................... 30 Tabelle 2: Überblick zu den Leistungsbereichen der Sozialversicherung ..................................... 33 Tabelle 3: Die Public Values der österreichischen Sozialversicherung......................................... 39

Literaturverzeichnis Allgemeine Unfallversicherungsanstalt (AUVA, 2021). Jahresbericht. Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) BGBl. Nr. 189/1955 idF. BGBl. I Nr. 69/2023. Bachner F, Bobek J, Habimana K, Ladurner J, Lepuschutz L, Ostermann H, Rainer L, Schmidt A E, Zuba M, Quentin W, Winkelmann J. Das österreichische Gesundheitssystem – Akteure, Daten, Analysen, 2019, 20(3). World Health Organization 2019 (acting as the host organization for, and secretariat of, the European Observatory on Health Systems and Policies). Das österreichische Gesundheitssystem Akteure, Daten, Analysen. 2019. Beigl W. (2020). Fachzeitschrift Soziale Sicherheit. Ausgabe 7-8 2020. S. 302 bis 306. Biach A. (2017). Selbstverwaltung neu – Grenzen und Praxis ihrer Ausgestaltung. In: Kröll, Thomas, Lienbacher, Georg, Pürgy, Erich (LexisNexis), Zeitschrift für Verwaltung 1/2023, S. 2533.

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ANHANG

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KURZBESCHREIBUNG KDZ Das KDZ – Zentrum für Verwaltungsforschung ist ein gemeinnütziger Verein mit Sitz in Wien. Das KDZ ist Kompetenzzentrum und Wissensplattform für den öffentlichen Sektor, insbesondere für Städte und Gemeinden, Länder, Bund und die Europäische Ebene. In den Bereichen Public Management Consulting, Europäische Governance & Städtepolitik, Öffentliche Finanzen und Föderalismus und Weiterbildung setzt sich das KDZ für einen qualitätsvollen öffentlichen Sektor ein und entwickelt dafür maßgeschneiderte Konzepte und Lösungen. Das Leistungsangebot umfasst angewandte Forschung, Beratung und Weiterbildung. Die Expertise des KDZ ist seit 1969 gefragt.


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GERECHTIGKEIT #FÜRDICH Die Arbeiterkammer steht für soziale Gerechtigkeit. Wir setzen uns seit mehr als 100 Jahren für die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ein.

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