Factsheets Sozialhilfe- und Pflegefinanzierung

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Fact Sheets: Sozialhilfeund Pflegefinanzierung

Grundlagen und Finanzierung der Sozialhilfe sowie Pflege 8. Mai 2018

verfasst von Mag. Peter Biwald Dr.in Karoline Mitterer

KDZ Zentrum für Verwaltungsforschung Guglgasse 13 · A-1110 Wien T: +43 1 892 34 92-0 · F: -20 institut@kdz.or.at · www.kdz.or.at


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INHALT

Inhaltsverzeichnis Sozialhilfe allgemein ...................................................................................................................... 5 1.

Akteure im Sozialhilfebereich ....................................................................................... 5

2.

Ausgaben im Sozialhilfebereich ................................................................................... 6

3.

Sozialhilfeumlagen........................................................................................................ 8

4.

Bedarfsorientierte Mindestsicherung (BMS)................................................................. 9

Pflege ............................................................................................................................................. 11 1.

Leistungsspektrum...................................................................................................... 11

2.

Leistungen im Pflegebereich ...................................................................................... 12

3.

Pflegefinanzierung ...................................................................................................... 14

4.

Einflussfaktoren der Ausgabenentwicklung................................................................ 16

5.

Pflegefonds ................................................................................................................. 18

6.

Pflegegeld ................................................................................................................... 19

7.

Pflegeregress .............................................................................................................. 20

8.

Prognosen und Ausgabendämpfungspfad ................................................................. 21

9.

Reformbedarf im Pflegebereich .................................................................................. 22

Verzeichnisse................................................................................................................................ 24

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SOZIALHILFE ALLGEMEIN

SOZIALHILFE ALLGEMEIN 1. Akteure im Sozialhilfebereich Als Träger der Sozialhilfe erbringen oder sichern grundsätzlich die Bundesländer das Leistungsangebot im Sozialhilfebereich. In Oberösterreich, der Steiermark und in geringerem Ausmaß in Kärnten sind auch Sozialhilfeverbände (formal Gemeindeverbände) als Träger der Sozialhilfe bestimmt. In Vorarlberg wurde ein Sozialfonds als Schaltstelle der Sozialhilfeleistungen eingerichtet, in Wien der Fonds Soziales Wien. In Tirol gibt es einen Mindestsicherungsfonds. Kommunen tragen mit der Sozialhilfeumlage wesentlich zur Finanzierung des Sozialhilfebereiches bei. Daneben betreiben Gemeinden und Städte auch eigene Einrichtungen, wie etwa Senioren- oder Pflegeheime. So bestehen etwa in Salzburg, Tirol und Vorarlberg vielfach Gemeindeverbände für Alten-, Wohn- und Pflegeheime. Zusätzlich übernehmen Statutarstädte Aufgaben im Rahmen ihrer Funktion als Bezirksverwaltungsbehörde – beispielsweise in der Kinder- und Jugendhilfe. Der Bund übernimmt in der Sozialhilfe primär die Rolle des Fördergebers. Mittels Geldleistungen werden pflegebedürftige Personen mithilfe des Pflegegeldes unterstützt. Der Bund trägt neben den Ländern und Gemeinden zur Finanzierung des Pflegefonds bei. Der Sozialhilfebereich umfasst mehrere Aufgabenfelder: vor allem den (finanzmäßig bedeutendsten) Pflegebereich, die Behindertenhilfe, die Bedarfsorientierte Mindestsicherung und die Kinder- und Jugendhilfe (Jugendwohlfahrt). Abbildung 1: Akteure im Sozialhilfebereich

Bund teilweise Grundsatzgesetzgebung (z.B. ASVG) , Auszahlung Pflegegeld Pflegefonds

finanziert durch Bund, Länder und Gemeinden

Länderebene Träger der Sozialhilfe nur das Land: Bgld, NÖ, Sbg zusätzliche Landesfonds in Tir (Mindestsicherungsfonds), Vbg (Sozialfonds), W (Fonds Soziales Wien) zusätzlich Sozialhilfeverbände in Stmk und OÖ (formal Gemeindeverbände), Ktn (Sozial- und Gesundheitssprengel) Behindertenhilfe

Sozialhilfe: v.a. Soziale Dienste, Alten- und Pflegeheime, Bedarfsorientierte Mindestsicherung

Kinder- und Jugendhilfe

Kostenbeiträge an Sozialhilfeverbände und Betreiber

Umlagen

Gemeindeebene

Leistungserbringung

Ko-Finanzierung durch Gemeinden Gemeindebeiträge zu Sozialhilfe-Ausgaben der Länder

z.T. Finanzierung und Leistungserbringung durch Statutarstädte (OÖ, Stmk) z.T. Betreiber von sozialen Diensten, Altenund Pflegeheimen (z. B. Sbg, Tir)

Quelle: KDZ: eigene Darstellung 2018 auf Basis Mitterer et al.: Länder-Gemeinde-Transferverflechtungen, 2016, S. 74; BMASK: Pflegevorsorgebericht 2016; Statistik Austria: Gemeindefinanzdaten 2016.

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SOZIALHILFE ALLGEMEIN

2. Ausgaben im Sozialhilfebereich Ausgaben im Überblick Grundsätzlich tragen alle Gebietskörperschaftsebenen – direkt oder indirekt – zur Finanzierung des Sozialhilfebereiches bei. Dabei zeigt sich eine insgesamt dynamische Ausgabenentwicklung. Insgesamt wurde im Jahr 2016 ein Volumen von rund 14,7 Mrd. Euro – ohne Konsolidierung der Transfers zwischen den Gebietskörperschaften – ausgegeben. Dies entspricht einem Zuwachs von rund 23 Prozent gegenüber dem Jahr 2012 (12 Mrd. Euro). Ein großer Teil der Ausgaben davon – rund 2,9 Mrd. Euro – fließt als intragovernmentale Transfers zu anderen Gebietskörperschaften, Sozialhilfeverbänden oder Fonds. Nach Konsolidierung verbleiben 11,8 Mrd. Euro Ausgaben (2016), wobei sich die Verteilung auf die Gebietskörperschaften maßgeblich verändert: Infolge der Bereinigung verringern sich die Ausgaben maßgeblich, insbesondere bei den Gemeindeverbänden und den Fonds, welche große Teile ihrer Einnahmen aus Transfers von Gemeinden und Ländern beziehen.  Auch die Länder erhalten Transfereinnahmen in der Höhe von rund 1,8 Mrd. Euro – vorrangig über Umlagen sowie den Bundeszuschuss für den Pflegefonds.  Die Gemeinden, die Stadt Wien und der Bund erhalten kaum Transfereinnahmen, so dass sich deren Ausgaben nicht wesentlich verändern. Die Länder- und Gemeindeebene trägt damit 73 Prozent der Netto-Ausgaben, 27 Prozent trägt der Bund bei (Auszahlung der Pflegegelder, Bundeszuschuss zum Pflegefonds).

nicht konsolidierte Ausgaben 2016

2.292

2015

2.195

2014

2.064

4.741

4.164

3.972

2.121

1.886

1.724

2.085

3.139

1.953

1.850

3.042

Ausgaben in Mio. Euro

Abbildung 2: Entwicklung des gesamten Ausgabenvolumens im Sozialhilfebereich 2012 bis 2016 (nicht konsolidiert) sowie konsolidierte Ausgaben 2016 15.000 13.500

21%

12.000

2%

10.500

14%

2.085

3.139

27%

14%

2.121

1.184

2% 10%

2.121

18%

32%

4.741 2.908

25%

2.292

2.225

19%

Ausgaben 2016

Ausgaben 2016 konsolidiert

3.139

9.000 7.500

2.966

konsolidierte Ausgaben

6.000

2013

1.961

3.789

1.628

1.773

4.500

2.930

3.000

2012

1.910 0

3.620

1.489

1.710

2.987

in Mio. Euro

1.500

1.500 3.000 4.500 6.000 7.500 9.000 10.500 12.000 13.500 15.000 Gemeinden

Länder

Wien

Gemeindeverbände

16%

0

Fonds

Bund

Quelle: KDZ: eigene Berechnungen 2018 auf Basis Mitterer et al.: Länder-Gemeinde-Transferverflechtungen, 2016, S. 75 f.; Statistik Austria: Gemeindefinanzdaten und Länderfinanzdaten 2012 bis 2016; Bundesrechnungsabschlüsse 2012 bis 2016.

Ausgaben der Gemeinden Die Ausgaben der Gemeinden im Sozialbereich beliefen sich 2016 auf 2.292 Mio. Euro bzw. 11,3 Prozent des Gemeindebudgets. Mit 1.565 Mio. Euro entfiel der Großteil der Ausgaben auf die Sozialhilfeumlagen. Den Ausgaben standen im Jahr 2016 Einnahmen von 495 Mio. Euro bei jenen Gemeinden gegenüber, die Alten- und Pflegeheime betreiben. Die Entwicklung der Ausgaben zeigt, dass diese seit 2012 um 20 Prozent gestiegen sind, während sich die Einnahmen nur um 14 Prozent erhöhten. Dies führte zu einem Zuwachs der Nettoausgaben um 22 Prozent.

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SOZIALHILFE ALLGEMEIN

Abbildung 3: Entwicklung der Nettoausgaben der Gemeinden nach Aufgabenbereichen (ohne Wien), 2012 bis 2016

Nettoausgaben in Mio. Euro

12,0%

10,7%

2.000

1.500

136 111

1.177

1.213

10,0%

153 128

153 122

143 112

129 117

11,3%

11,3%

10,8%

10,7%

8,0%

6,0%

1.000 4,0%

1.439

1.400

1.302

500

2,0%

0

Anteil Sozialausgaben an Gesamtausgaben in %

2.500

0,0% 2012

2013

2014

2015

2016

Gesonderte Verwaltung

Allgemeine öffentliche Wohlfahrt

Freie Wohlfahrt

Jugendwohlfahrt

Sozial- und familienpolitische Maßnahmen

Anteil Sozialausgaben

Quelle: KDZ: eigene Berechnungen 2018 auf Basis Statistik Austria: Gemeindefinanzdaten 2012 bis 2016. Anmerkungen: Gesonderte Verwaltung: z.B. Sozialamt, Jugendamt; Allgemeine öffentliche Verwaltung: v.a. Umlagen; Freie Wohlfahrt: z.B. Pflegeheime, Essen auf Rädern, Heimhilfe; Sozial- und familienpolitische Maßnahmen: z.B. Notunterkünfte, Unterbringung kinderreicher Familien).

Betrachtet man die Sozialhilfeausgaben nach Einwohnerklassen, zeigt sich, dass diese mit der Größenklasse deutlich ansteigen. Dies ist auf zwei Gründe zurückzuführen: Einerseits steigt die Pro-Kopf-Belastung der Sozialhilfeumlagen mit der Größenklasse, da die finanzkräftigeren Städte durch die bestehenden Berechnungsregelungen pro Kopf stärker belastet werden. Andererseits finden sich bei den größten Städten auch die Statutarstädte in Oberösterreich und der Steiermark, welche selbst Sozialhilfeträger sind. Diese sind daher direkt Leistungserbringer und erhalten Leistungsentgelte vom Land (und zahlen daher keine Umlagen). Weiters zeigen sich deutliche Bundeslandunterschiede, welche auf institutionelle und rechtliche Unterschiede zurückzuführen sind. Im Burgenland und in Niederösterreich erbringen die Gemeinden nur selten selbst Leistungen und sind daher vorwiegend im Zuge der Sozialhilfeumlagen involviert. Anders ist dies in Oberösterreich und Steiermark mit den Sozialhilfeverbänden oder in Salzburg und Tirol mit den zahlreichen Gemeindeverbänden für Alten-, Wohn- und Pflegeheime.

600,0

800,0 700,0 600,0 500,0 400,0 300,0 200,0 100,0 0,0

90% 91%

90%

90%

90%

90%

80% 76%

0 bis 500 EW

72%

80%

501 bis 1.000 EW 1.001 bis 2.500 EW 2.501 bis 5.000 EW 75% 70% 72%

500,0

60%

400,0

50% 46%

300,0

40% 30%

200,0

20%

100,0 0,0

10% 0 bis 500 501 bis 1.001 bis 2.501 bis 5.001 bis 10.001 bis 20.001 bis 50.001 bis EW 1.000 EW 2.500 EW 5.000 EW 10.000 EW 20.000 EW 50.000 EW 500.000 EW

0%

Euro pro Kopf

100% 91%

700,0

800,0

100% 92%

80%

86%

700,0

75% 84%

600,0 5.001 bis 10.000 EW 500,0

100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 77% 10% 0%

76% 46%

10.001 bis 20.000 EW

20.001 bis 50.000 72%EW

50.001 bis 500.000 EW

49%

90% 80% 70% 60%

56% 57%

400,0

Anteil SH-Umlage an Sozialausgaben in Prozent Anteil SH-Umlage an Sozialausgaben in Prozent

800,0

Anteil SH-Umlage an Sozialausgaben in Prozent

pro Kopf Euro Euro pro Kopf

Abbildung 4: Ausgaben der Gemeinden nach Aufgabenbereichen pro Kopf nach EW-Klassen und Bundesländern, 2016

50% 40%

300,0

30% 200,0

20% 100,0

10%

0,0

0% Bgld

Ktn

Sbg

Stmk

Tir

Vbg

Gesonderte Verwaltung

Allgemeine öffentliche Wohlfahrt

Freie Wohlfahrt

Jugendwohlfahrt

Sozial- und familienpolitische Maßnahmen

Anteil SH-Umlage an Sozialausgaben

Quelle: KDZ: eigene Berechnungen 2018 auf Basis Statistik Austria: Gemeindefinanzdaten 2016.

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SOZIALHILFE ALLGEMEIN

3. Sozialhilfeumlagen Die Sozialhilfeumlagen umfassen die Pflege, Bedarfsorientierte Mindestsicherung, Behindertenhilfe sowie Kinder- und Jugendhilfe. Die Sozialhilfeumlagen sind in der Regel ein reines Ko-Finanzierungsinstrument, die Gemeinden haben häufig keine Mitsprachemöglichkeit. Bundeslandunterschiede Die Gemeinden tragen je nach Bundesland zwischen 35 und 50 Prozent der Sozialhilfeausgaben1. Die geringste Belastung pro Kopf bestand 2016 für die niederösterreichischen Gemeinden, die höchste in Oberösterreich und Vorarlberg.

Euro pro Kopf

Abbildung 5: Entwicklung der Sozialhilfeumlagen nach Bundesländern 2012 bis 2016 0 -50 2012 -100 2013 -150 -168

-200

2014

-180

-193

-210

-250

2015

-246

-239

-270

-300

-305

2016

-350 Bgld

Ktn

Sbg

Stmk

Tir

Vbg

Quelle: KDZ: eigene Berechnung 2018 auf Basis Statistik Austria: Gemeindefinanzdaten 2012 bis 2016. Anmerkung: Statutarstädte in OÖ und Stmk sind Sozialhilfeverbände und leisten keine Umlagen. Um die Belastung dennoch darzustellen, wurde hier ein Anteil von 76 Prozent der Nettoausgaben im Sozialbereich als „fiktive Sozialhilfeumlage“ angenommen (Durchschnittswert der Städte über 50.000 EW).

Starke Dynamik der Sozialhilfeumlagen Insgesamt stiegen die Sozialhilfeumlagen binnen zehn Jahren um 74 Prozent (von 2006: 900 Mio. Euro auf 2016: 1.565 Mio. Euro), die Ertragsanteile für die Gemeinden im selben Zeitraum um 44 Prozent (von 2006: 4.350 Mio. Euro auf 2016: 6.249 Mio. Euro). Der kurzzeitige Einbruch in der Dynamik im Jahr 2012 ist auf die Einführung des Pflegefonds zurückzuführen. Eine nachhaltige Dämpfung konnte durch den Pflegefonds jedoch nicht erreicht werden. Abbildung 6: Entwicklung der Sozialhilfeumlagen und der Ertragsanteile 2006 bis 2016 200

174

Index 2006 = 100

180 160 140 120 100 80

144 100 100

60 40 20 0 2006

2007

2008

2009

2010

Index Sozialhilfeumlage

2011

2012

2013

2014

2015

2016

Index Ertragsanteile

Quelle: KDZ: eigene Berechnung 2018 auf Basis Statistik Austria: Gemeindefinanzdaten 2006 bis 2016. 1

35 Prozent in Tirol; 40 Prozent in Oberösterreich, in der Steiermark und in Vorarlberg; 50 Prozent in den weiteren Bundesländern. Siehe auch Mitterer et al.: Länder-Gemeinde-Transferverflechtungen, 2016, S. 80.

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SOZIALHILFE ALLGEMEIN

4. Bedarfsorientierte Mindestsicherung (BMS) Sozialhilfeträger der Bedarfsorientierten Mindestsicherung sind die Länder. Die Gemeinden finanzieren die BMS über die Sozialhilfeumlagen zwischen 35 und 50 Prozent mit. Zweck der Bedarfsorientierten Mindestsicherung Die Bedarfsorientierte Mindestsicherung ist für Personen vorgesehen, die über keine angemessenen finanziellen Mittel verfügen, um ihren Lebensunterhalt bzw. den ihrer Angehörigen ausreichend decken zu können. Richtsatzleistung und Richtsatzhöhe2 Die regelmäßige Geldleistung des BMS umfasst die Leistungen zur Deckung des Lebensunterhaltes (dafür sind 75 Prozent der Leistung vorgesehen) und die des angemessenen Wohnbedarfes (25 Prozent). In der Höhe basiert sie grundsätzlich auf dem monatlichen Richtsatz der Ausgleichszulage in der gesetzlichen Pensionsversicherung. Wieviel ein Haushalt, eine Person erhält, hängt von Haushaltsgröße und -zusammensetzung ab. Zur Deckung des Lebensunterhaltes können auch Sachleistungen vorgesehen sein. Bevor eine Leistung aus der BMS zuerkannt wird, müssen grundsätzlich eigene Einkünfte, eigenes Vermögen sowie Leistungen Dritter berücksichtigt werden. Nach Auslaufen der Art. 15a-Vereinbarung über eine bundesweite Bedarfsorientierte Mindestsicherung zwischen dem Bund und den Ländern mit Ende 2016 haben die Länder wiederum eigene landesgesetzliche Regelungen erlassen. Es bestehen daher in den einzelnen Bundesländern teils deutlich unterschiedliche Regelungen (beispielsweise Regelungen für Asylberechtigte, „Familienobergrenzen“). Bisher konnte noch keine Einigung über eine neue bundesweit einheitliche Regelung erreicht werden. Besonders dynamischer Ausgabenbereich Von 2012 bis 2016 kam es zu einem deutlichen Anstieg der Bezieherinnen und Bezieher der Bedarfsorientierten Mindestsicherung (BMS) um 39 Prozent. Im gleichen Zeitraum stiegen die Ausgaben der BMS um 62 Prozent deutlich stärker und stellen damit Länder und Gemeinden vor finanzielle Herausforderungen. Die Ausgaben für die BMS (Lebensunterhalt, Wohnbedarf, Krankenhilfe) betrugen 2016 für die Länder und Gemeinden insgesamt 924,2 Mio. Euro. Abbildung 7: Entwicklungen in der Bedarfsorientierten Mindestsicherung, 2012-2016 Bezieherinnen und Bezieher 350.000

+ 39% in Mio. Euro

Anzahl Personen

300.000 250.000 200.000 150.000 100.000 50.000 0 2012

2013

2014

2015

2016

Ausgaben

1.000 900 800 700 600 500 400 300 200 100 0

+ 62%

2012

2013

2014

Lebensunterhalt und Wohnbedarf

2015

2016

Krankenhilfe

Quelle: Statistik Austria: Statistik der Bedarfsorientierten Mindestsicherung 2012-2016.

2

Vgl. AK Wien: Sozialleistungen im Überblick 2018, 2018, S. 380 ff.

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SOZIALHILFE ALLGEMEIN

Konzentration in Städten

Ein großer Teil der BMS-Bezieherinnen und -Bezieher lebt in Städten. So leben etwa in Kärnten, Salzburg und der Steiermark über 50 Prozent der Leistungsbeziehenden in der Landeshauptstadt bzw. in Städten über 40.000 EW. Mit rund 56 Prozent der Personen bzw. 60 Prozent der Bedarfsgemeinschaften lebt der Großteil der Bezieherinnen und Bezieher in Wien, während auf die anderen Bundesländer jeweils maximal 10 Prozent der Leistungsbeziehenden entfallen. Eine Betrachtung der Durchschnittswerte von Städten (gemäß Österreichs Städte in Zahlen 2017) nach drei EW-Klassen zeigt, dass insbesondere in den Städten über 20.000 EW die BMSLeistungsbezieherInnen-Dichte besonders hoch ist.

60

40 35

50

30 40 25 30

20 15

20

10 10

5 0

0 Bgld Ktn NÖ OÖ Sbg Stmk2 Tir Vbg2 Ö

BMS BezieherInnen je 1.000 EW Anteil der BMS BezieherInnen in der Landeshauptstadt bzw. Städten über 40.000 EW an allen BMS BezieherInnen

BMS BezieherInnen1 je 1.000 EW

BMS BezieherInnen1 je 1.000 EW (Säulen)

45

Anteil der BMS BezieherInnen in der Landeshauptstadt bzw. Städten über 40.000 EW an allen BMSBezieherInnen in Prozent (%) (Kreise)

Abbildung 8: Bezieherinnen und Bezieher der Bedarfsorientierten Mindestsicherung pro 1.000 EW nach Bundesland (2016) und in ausgewählten Städten nach EW-Klassen (2016) 45

100

40

90

35

80 70

30

60

25

50

20

40

15

30

10

20

5 0

10 10.001 - 20.001 - über 20.000 50.000 50.000 3 3 3 EW EW EW

0 Wien

Quelle: KDZ: eigene Darstellung 2018; auf Basis Statistik Austria: Statistik der Bedarfsorientierten Mindestsicherung 2016 (für Bundeslandwerte); ÖSTB und KDZ: Österreichs Städte in Zahlen 2017; 2018 (für Städte). Anmerkungen: 1) Die Angaben zu den Personen sind Jahressummen. 2) Inkl. nicht unterstützte Kinder. 3) Bei der Berechnung des Wertes nach EW-Klassen konnten nur jene Städte einbezogen werden, für welche in der Publikation "Österreichs Städte in Zahlen 2017" Daten publiziert wurden. Der dargestellte Wert kann deswegen nur eine Annäherung an den Mittelwert der EWKlassen darstellen. Die Berechnung des Anteils der BMS-BezieherInnen der Städte an den Landeswerten basiert auf zwei unterschiedlichen Datengrundlagen (Statistik Austria bzw. ÖSTIZ), welche nur eingeschränkt vergleichbar sind.

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PFLEGE

PFLEGE 1. Leistungsspektrum Die öffentliche Finanzierung des österreichischen Pflegesystems basiert auf einer Kombination von Geld- und Sachleistungen.

informell durch direkte Bezugspersonen ohne pflegerische Ausbildung aus dem Haushalts- oder Familienverband

formell bzw. institutionell durch qualifiziertes Pflegepersonal in ambulanten, teilstationären oder stationären Betreuungseinrichtungen

Geldleistungen z.B. Pflegegeld basieren auf einer bundeseinheitlichen Regelung mit Rechtsanspruch. Die Leistungsempfänger können frei wählen, ob sie die Geldleistungen für formelle oder informelle Pflege verwenden.

Sachleistungen z.B. Pflege- und Altenheime Für die Bereitstellung, Organisation und Finanzierung sind die Länder zuständig. Es bestehen länderspezifisch unterschiedliche Regelungen betreffend Organisation, Personal- und Ausstattungsstandards wie auch der Mitfinanzierung der Gemeinden.

LEISTUNGEN

ORGANISATION

Abbildung 9: Organisations- und Leistungsformen des Pflegesystems

Quelle: KDZ: eigene Darstellung 2018.

WELCHE DIENSTLEISTUNGEN UMFASST DIE FORMELLE PFLEGE?3 Stationäre Betreuungs- und Pflegedienste: Stationäre Betreuung und Pflege (inkl. tagesstrukturierende Leistungen) sowie Hotelleistungen (Wohnung und Verpflegung) in eigens geschaffenen Einrichtungen (inkl. Hausgemeinschaften) mit durchgehender Präsenz von Betreuungs- und Pflegepersonal (z. B. Pflegeheime, Pflegewohnhäuser, Seniorenheime). Teilstationäre Tagesbetreuung: Betreuung und Verpflegung während des Tages für Personen, die nicht in stationären Einrichtungen leben (z. B. Tagesstätten, -zentren). Mobile Betreuungs- und Pflegedienste: Häusliche Betreuung und Pflege sowie Unterstützung bei der Haushaltsführung (z. B. Hauskrankenpflege, Heimhilfe, Hospiz- und Palliativbetreuung). Alternative Wohnformen: Einrichtungen für Personen, die aus sozialen, psychischen oder physischen Gründen nicht mehr alleine wohnen können oder wollen und keine ständige stationäre Betreuung und Pflege brauchen. Kurzzeitpflege in stationären Einrichtungen: Zeitlich befristete Wohnunterbringung (bis zu drei Monaten) mit Verpflegung sowie (re-) aktivierender Betreuung und Pflege. Case- und Caremanagement: Betreuungs- und Pflegeplanung, Organisation und Vermittlung von Betreuungs- und Pflegediensten (mobil oder an Servicestellen/Stützpunkten), Nahtstellenmanagement.

3

Vgl. § 3 Pflegefondsgesetz; sowie Statistik Austria: Betreuungs- und Pflegedienste der Bundesländer im Jahr 2016.

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PFLEGE

2. Leistungen im Pflegebereich Betreuungsmix der Pflegegeldbezieherinnen und -bezieher

Mit 42 Prozent wird ein wesentlicher Teil der Pflegegeldbezieherinnen und -bezieher zuhause betreut. 32 Prozent der Personen nehmen mobile Dienste in Anspruch, 16 Prozent werden stationär betreut. Teilstationäre Betreuung und alternative Wohnformen haben mit knapp zwei bzw. knapp drei Prozent eine noch vergleichsweise geringe Bedeutung. Die 24h-Betreuung nimmt einen Anteil von gut fünf Prozent ein. Hinzu kommen noch Kurzzeitpflegeangebote sowie das Case- und Care-Management, welches in den letzten Jahren als Beratungs- und Unterstützungsangebot für pflegebedürftige Personen und ihre Angehörigen zunehmend an Bedeutung gewonnen hat. Abbildung 10: Betreute Personen, die Pflegegeld beziehen, nach Betreuungsform, 2016 1,6% 5,4% 41,8%

32,2%

16,4% 2,6%

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

80%

90%

100%

Pflegegeld-anspruchsberechtigte Personen nach Betreuungsart in Prozent Zuhause + Angehörige

Mobil

Stationär

Teilstationär

Alternative Wohnformen

24h-Betreuung

ergänzend: Case- und Caremanagement: 21%, Kurzzeitpflege: 2% Quelle: KDZ: eigene Darstellung auf Basis: Sozialministerium: Abschaffung des Pflegeregresses, 2017 [auf Basis der Daten von PFIF – Pflegegeldinformation des Hauptverbandes der österr. Sozialversicherungsträger (Anspruchsberechtigte Personen Pflegegeld 2016), Pflegedienstleistungsstatistik 2016 (Statistik Österreich) und 24h-Betreuung Monatsstatistik (Dez. 2016)].

Verhältnis stationäre zu mobile Dienste variiert nach Bundesland

Der Betreuungsmix in den einzelnen Bundesländern ist durchaus unterschiedlich (Abbildung 11). Die Unterschiede werden bei einer Betrachtung der Nutzung der Pflegedienstleistungen (daher ohne Pflege zuhause und 24h-Betreuung) durch die Generation 75+ deutlich. Stationäre Dienste sind am stärksten in Kärnten und der Steiermark ausgebaut, die mobilen Dienste in Vorarlberg und Wien. Das Angebot an teilstationären Tagesbetreuungen und alternativen Wohnformen variiert sehr deutlich. Zur Beurteilung der Bedeutung der stationären Pflege eignet sich insbesondere auch die Betrachtung der stationär betreuten Personen je 100 Personen mit Pflegegeldbezug der Stufe 4-7 (Abbildung 12). In Kärnten werden rund 70 Prozent der Pflegegeldbezieherinnen und -bezieher stationär betreut, während es im Burgenland nur 34 Prozent sind – daher nur die Hälfte. Deutliche Unterschiede zeigen sich auch beim Verhältnis zwischen mobil und stationär betreuten Personen. So kommen in Vorarlberg auf eine stationär betreute Person 3,5 mobil betreute Personen. In Kärnten und in der Steiermark hingegen sind es nur 1,6 mobil betreute Personen, der Österreichdurchschnitt liegt bei zwei mobil betreuten Personen pro stationär betreuter Person.4 Das Konzept „mobil vor stationär“ wurde daher in den Bundesländern bisher in sehr unterschiedlichem Ausmaß umgesetzt.

4

Basierend auf Statistik Austria: Pflegedienstleistungsstatistik 2016.

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PFLEGE

Abbildung 11: Betreute Personen nach Betreuungsform je 1.000 EW mit 75 und mehr Jahren nach Bundesland, 2016

Betreute/gepflegte Personen je 1.000 EW mit 75 und mehr Jahren

300

250

200

150

100

50

0 Bgld

Ktn

Stationäre Dienste

NÖ 1

Mobile Dienste

Sbg 1,2

Stmk 3

Teilstationäre Tagesbetreuung

Tir 1

Vbg 4

Wien

Ö

Alternative Wohnformen

Anmerkungen: Die Betreuungs- und Pflegedienste umfassen die in § 3 Abs. 1 Pflegefondsgesetz (PFG) aufgelisteten sechs Dienstleistungsbereiche der Länder und Gemeinden in der Langzeitpflege, soweit ihre (Mit)Finanzierung aus Mitteln der Sozialhilfe/Mindestsicherung bzw. sonstigen öffentlichen Mitteln erfolgt (mobile, teilstationäre und stationäre Dienste, Kurzzeitpflege, alternative Wohnformen, Case- und Caremanagement); ohne Leistungen der Behindertenhilfe und der Grundversorgung sowie ohne Selbstzahlerinnen und -zahler; 1) Alternative Wohnformen: Kein von der Sozialhilfe/Mindestsicherung finanziertes Angebot; 2) Teilsationäre Dienste: ohne Hospiz- und Palliativbetreuung; 3) Einschließlich Doppel-/Mehrfachzählungen, Stationäre Dienste: einschließlich Kurzzeitpflege; 4) Mobile Dienste: Hauskrankenpflege, ohne sonstige mobile Dienste.

Quelle: KDZ: eigene Darstellung 2018; auf Basis Statistik Austria: Pflegedienstleistungsstatistik 2016; Statistik Austria: Bevölkerungsstatistik 2016.

Abbildung 12: Struktur der Pflegedienstleistungen nach Bundesland, 2016

Quelle: KDZ: eigene Darstellung 2018; auf Basis Statistik Austria: Pflegedienstleistungsstatistik 2016.

13 08.05.18


PFLEGE

3. Pflegefinanzierung Hohe Komplexität

Die Finanzierung der Pflege ist komplex und weist eine hohe Verflechtung zwischen den Gebietskörperschaftsebenen auf. Insgesamt verteilt sich die Netto-Belastung5 von 4.680 Mio. Euro auf Bund, Länder und Gemeinden folgendermaßen: rund 54 Prozent (bzw. 2.254 Mio. Euro) tragen der Bund, rund 25 Prozent (bzw. 1.187 Mio. Euro) die Länder und rund 20 Prozent (bzw. 951 Mio. Euro) die Gemeinden. Als wichtigster Ausgabenbereich beim Bund zeigt sich (2016) das Pflegegeld mit 2.587 Mio. Euro, welches von Ländern und Gemeinden mit 372 Mio. Euro ko-finanziert wird. Hinzu kommen 151 Mio. Euro für die 24-Stunden-Betreuung, welche von Bund und Ländern gemeinsam im Verhältnis 60:40 bezahlt werden. Bei den Ländern und Gemeinden liegt der Schwerpunkt auf der Finanzierung der Pflegedienstleistungen. Für v.a. stationäre, teilstationäre und mobile Pflegedienstleistungen gaben die Länder 2016 insgesamt 1.941 Mio. Euro aus, welche über einen Teil6 der Sozialhilfeumlagen durch die Gemeinden mit 783 Mio. Euro ko-finanziert werden. Zusätzlich fließen hier Mittel aus dem Pflegefonds ein, welcher gemeinsam von Bund (236 Mio. Euro), Ländern (72 Mio. Euro) und Gemeinden (42 Mio. Euro) dotiert wird. Die Ausgaben7 der Länder für stationäre Dienste beliefen sich auf 1.405 Mio. Euro und für die mobilen Dienste auf 399 Mio. Euro. Weitere 137 Mio. Euro teilen sich auf teilstationäre Dienste (24,6 Mio. Euro), auf alternative Wohnformen (83,6 Mio. Euro), auf die Kurzzeitpflege (17,2 Mio. Euro) und das Case- und Care-Management (11,6 Mio. Euro) auf.

Gemeinden

EN

AG

2.587 Mio. 372 Mio.

372 Mio.

151 Mio. 236 Mio. *

60 Mio.

60 Mio.

2.542 Mio. Netto-AG 54,3%.

stationäre Dienste 1.405 Mio.

EN 127 Mio. Sozialhilfeumlage 783 Mio.

sonst.

mobile Dienste

Dienste

399 Mio.

137 Mio. 72 Mio.**

350 Mio.

236 Mio.

AG

72 Mio. 42 Mio.

350 Mio.

Länder

Bund

Abbildung 13: Einnahmen und Ausgaben im Pflegebereich, 2016

1.187 Mio. Net.AG 25,4%.

AG 127 Mio. Sozialhilfeumlage 783 Mio. 42 Mio.*** 951 Mio. Net.AG 20,3%.

EN Legende:

Nicht abgrenzbar, etwa:

Pflegegeld

Pflegefonds

*

GSBG-Mittel

24h-Betreuung

Netto-Ausgaben (Ausgaben abzüglich Einnahmen)

**

Einmalige Zuschüsse über BZ-Mittel

Pflegedienstleistungen

*** Zuschüsse an gemeindeeigene Einrichtungen

Quelle: KDZ: eigene Darstellung 2018; auf Basis: BMASK: Österreichischer Pflegevorsorgebericht 2016; Pflegefondsgesetz BGBl. 57/2011; Statistik Austria: Gemeindefinanzdaten 2016. Anmerkung: Ausgaben der Länder für Pflegedienstleistungen sind Netto-Ausgaben (daher abzüglich Beiträge und Ersätze von Privaten sowie sonstigen Einnahmen). 5

Ausgaben abzüglich Einnahmen. Annahme, dass rund die Hälfte der Sozialhilfeumlage auf den Pflegebereich entfällt (basierend auf aktuellen Abrechnungen in zwei Bundesländern). 7 Ausgaben: Brutto-Ausgaben abzüglich Beiträgen, Ersätzen und sonstige Einnahmen. Transfers zwischen den GK sind noch nicht berücksichtigt. 6

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PFLEGE

Pflegegeld und stationäre Dienste als zentrale Ausgabengrößen

Knapp 60 Prozent der Ausgaben im Pflegebereich erfolgen als Geldleistungen über das Pflegegeld. Dem stehen Sachleistungen im Bereich der Pflegedienstleistungen8 sowie die 24h-Betreuung gegenüber. Abbildung 14: Ausgaben 2016 nach Leistungsarten 3% 59%

0%

20%

27%

8%

4%

40%

Pflegegeld Weitere Pflegedienstl.

60% 80% 100% Ausgaben nach Leistungsarten in Prozent Stationäre Dienste Mobile Dienste 24h-Betreuung

Quelle: KDZ: eigene Darstellung 2018; auf Basis: BMASK: Pflegevorsorgebericht 2016. Anmerkung: Ausgaben für Pflegedienstleistungen sind Brutto-Ausgaben abzüglich Beiträge und Ersätze sowie sonstige Einnahmen (Pensionen und Pflegegelder der betreuten/gepflegten Personen, Umsatzsteuerrefundierung, Landesgesundheitsfonds-Mittel, Zuschüsse der Krankenversicherung).

Unterschiedliche Dynamiken der Ausgabengrößen

Nach Gebietskörperschaftsebenen zeigen sich unterschiedlich dynamische Entwicklungen. So stieg das Pflegegeld (daher ein Großteil der Ausgaben des Bundes) im Zeitraum 2013 bis 2016 nur um vier Prozent. Dem gegenüber kam es bei den Pflegedienstleistungen, welche von Ländern und Gemeinden gemeinsam getragen werden, zu einer Steigerung um 14 Prozent. Die Sozialhilfeumlagen zeigten sogar eine Dynamik um 19 Prozent. Dies bedeutet, dass es mittelfristig zu einer Verschiebung der Finanzierungslast vom Bund auf die Länder- und Gemeindeebene kommt. Die Einführung des Pflegefonds konnte dabei nur kurzfristig die Netto-Belastung für die Pflegedienstleistungen dämpfen. Eine nachhaltige Finanzierung konnte daher nicht erreicht werden. Abbildung 15: Entwicklung der wichtigsten Ausgabengrößen, 2013-2016

Index (Basis = 2013)

120

+19%

115

+14%

110

105

+4% 100 2013 Pflegegeld (Bund)

2014 2015 stationäre, teilstationäre und mobile Pflegedienstleistungen (Länder)

2016 Sozialhilfeumlagen (Gemeinden)

Quelle: KDZ: eigene Darstellung 2018; auf Basis: BMASK: Pflegevorsorgebericht 2016; Pflegefondsgesetz BGBl. 57/2011; Statistik Austria: Gemeindefinanzdaten 2016. Anmerkung: Ausgaben der Länder für Pflegedienstleistungen sind Brutto-Ausgaben abzüglich Beiträge und Ersätze sowie sonstige Einnahmen (Pensionen und Pflegegelder der betreuten/gepflegten Personen, Umsatzsteuerrefundierung, Landesgesundheitsfonds-Mittel, Zuschüsse der Krankenversicherung). 8

Siehe Fußnote 7.

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PFLEGE

4. Einflussfaktoren der Ausgabenentwicklung Wie sich die Ausgaben der Gemeinden in der Zukunft entwickeln werden, hängt von verschiedenen Faktoren ab.9 Einerseits werden die Ausgaben durch gesetzliche Maßnahmen beeinflusst. Andererseits wird die Entwicklung der Pflegeausgaben dadurch bestimmt, ob in ausreichendem Ausmaß auf die bestehenden Rahmenbedingungen reagiert wird und entsprechende Konzepte zur Weiterentwicklung des Pflegebereiches bestehen. Abbildung 16: Einflussfaktoren der Pflegeausgaben auf Gemeindeebene

Quelle: KDZ: eigene Darstellung 2018.

Rahmenbedingungen und Strategien

Ein wichtiger Faktor ist die demografische Entwicklung sowie die Entwicklung des Gesundheitszustandes. Wir bewegen uns auf eine weiterhin alternde Gesellschaft hin, deren Bevölkerungszuwachs in erster Linie auf Wanderungsbewegungen zurückzuführen ist. Die „Baby-Boomer“-Generation erreicht in den Jahren 2025 bis 2030 die Altersgrenze von 60 Jahren. Wichtiges Kriterium ist auch die Entwicklung des Gesundheitszustandes, welcher die Anzahl an Pflegejahren in Relation zur steigenden Lebenserwartung beeinflusst. Die Pflegeausgaben werden weiters davon beeinflusst, welche Arten von Pflegedienstleistungen in welchem Ausmaß in Anspruch genommen werden. Bereits seit Längerem ist ein Rückgang der informellen Pflege zu verzeichnen. Dies ist etwa begründet in einer stärkeren Arbeitsmarktbeteiligung von Frauen, einem relativen Rückgang des Frauenanteils im Alter von 40 bis 59 Jahren sowie in der Abnahme der durchschnittlichen Haushaltsgröße bzw. dem überdurchschnittlichen Anstieg an Einpersonenhaushalten. Durch den Wegfall an informeller Pflege entsteht eine Verschiebung in den formellen Pflegebereich.

9

Vgl. Grossmann u. Schuster: Langzeitpflege in Österreich, 2017, S. 30 ff.; Brückner et al.: Aufgabenfinanzierung und Transferbeziehungen im tertiären Finanzausgleich, S 161 ff.; Paktum zum Finanzausgleichsgesetz 2017.

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PFLEGE

Bei der Struktur der Pflegedienstleistungen zeigt sich ein Trend zu mehr mobiler oder teilstationärer Pflege, um die teurere stationäre Pflege einzubremsen. Auch eine Stärkung von alternativen Wohnformen kann hier Entlastung bringen. Wie schnell dieser Strukturwandel im Bereich der Pflegedienstleistungen erfolgen kann, wird letztlich von den Konzepten der Länder abhängen. Die Dynamisierung der Ausgaben wird auch durch die Preisentwicklung beeinflusst. Zu nennen ist hier insbesondere die Lohnentwicklung des Pflegepersonals, aber auch die Anpassung von Qualitätsstandards (z. B. Betreuungsschlüssel). In den nächsten Jahren kann von einer relativen Verknappung des Pflegepersonals ausgegangen werden („relativer“ Rückgang der Personen im erwerbsfähigen Alter bei gleichzeitigem Anstieg der über 65-Jährigen). Auch eine Erhöhung der Qualifizierungsstandards für Pflegeberufe wird zu überdurchschnittlichen Anstiegen der Pflegeausgaben führen. Gesetzliche Maßnahmen

Neben diesen demografischen, gesellschaftlichen und strukturellen Einflussfaktoren werden die Pflegeausgaben der Gemeinden auch von gesetzlichen Maßnahmen oder von Verschiebungen der Ausgaben zwischen den Gebietskörperschaften beeinflusst. Mit dem Paktum zum Finanzausgleichsgesetz 2017 wurde eine Verlängerung des Pflegefonds bis zum Jahr 2021 beschlossen. Inwieweit der Pflegefonds auch über das Jahr 2021 fortgeführt wird oder ob eine Reform der Pflegefinanzierung angegangen wird, ist nicht abschätzbar (nähere Informationen nachfolgend). Noch nicht konkret bestimmbar sind die finanziellen Auswirkungen des vor den Nationalratswahlen 2017 beschlossenen Entfalls des Pflegeregresses (wie nachfolgend dargestellt). Hier entstehen Einnahmenentgänge bzw. Mehrausgaben, die in der Regel gemeinschaftlich von Ländern und Gemeinden getragen werden müssen, teils aber vom Bund abgegolten werden. Ein weiterer seit langem kritisierter Aspekt ist die fehlende Valorisierung des Pflegegeldes (wie nachfolgend beschrieben). Schließlich wird die Entwicklung der Pflegeausgaben auch davon abhängen, ob der im Paktum zum Finanzausgleichsgesetz 2017 vereinbarte Ausgabendämpfungspfad im Pflegebereich im Ausmaß von jährlich 4,6 Prozent greift und ob sich dieser auch auf die Sozialhilfeumlage der Gemeinden niederschlagen wird (Näheres zu Prognosen nachfolgend).

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PFLEGE

5. Pflegefonds Der im Jahr 2011 eingeführte Pflegefonds wird den Ländern und Gemeinden zur teilweisen Abdeckung der Ausgaben, die im Rahmen der Sicherung sowie dem Aus- und Aufbau der Betreuungs- und Pflegedienstleistungen der Länder im Bereich der Langzeitpflege (mobile Dienste, stationäre Pflege, Tageszentren, Kurzzeitpflege, Case- und Caremanagement sowie alternative Wohnformen) zum laufenden Betrieb anfallen, jährlich als Zweckzuschuss zur Verfügung gestellt. Ziel des Pflegefonds ist es, die Ausgabendynamik von Ländern und Gemeinden zu bremsen, indem auch der Bund Mittel in den Pflegefonds einspeist. Der Pflegefonds wird dabei im Rahmen des Finanzausgleichsgesetzes über Vorwegabzüge bei den Ertragsanteilen von Bund, Ländern und Gemeinden finanziert. Die Dotierung des Pflegefonds lag 2011 noch bei 100 Mio. Euro und erhöht sich seitdem kontinuierlich. Mit dem FAG 2017 wurde die Finanzierung des Pflegefonds bis 2021 gesichert. Bis dahin erhöht sich die Dotierung auf 417 Mio. Euro (zzgl. 18 Mio. Euro für die Hospiz- und Palliativbetreuung). Die Zuteilung der Mittel aus dem Pflegefonds auf die einzelnen Bundesländer erfolgt nach der Bevölkerung.10

in Mio. Euro

Abbildung 17: Höhe und Mittelaufbringung des Pflegefonds 450 400

Höhe des jährlichen Zweckzuschusses 18

350

18

18

18

100% 80%

300 250

11,9% 33%

20,5%

60%

200 350

150

350

366

382

399

417

300

100 50

Mittelherkunft

18

200

235

150 100

33%

40%

0%

0 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 Pflegefonds

zusätzlich für Hospiz- und Palliativbetreuung

67,7%

20%

Bund

33%

Pflegefonds (2018: 366 Mio.) Länder

Hospiz- und Palliativbetreuung (18 Mio.)

Gemeinden

Sozialversicherungsträger

Quelle: KDZ: eigene Darstellung 2018 auf Basis § 2 Pflegefondsgesetz sowie § 10 Finanzausgleichsgesetz 2017.

Bedeutung für die Gemeinden

Für die Gemeinden zeigen sich mit dem Pflegefonds zwei wichtige Aspekte. Erstens sollte der Pflegefonds die Ausgabendynamik im Pflegebereich – und damit auch der Sozialhilfeumlage – bremsen. Dieser Effekt zeigte sich allerdings nur bei der Einführung (2011, 2012), mittelfristig steigen die Sozialhilfeumlagen-Ausgaben aber wieder sehr dynamisch. Es kam daher zu keinem nachhaltigen Effekt. Ergänzend muss auch darauf hingewiesen werden, dass sich die Länder und Gemeinden einen Teil der Pflegefonds-Mittel selbst finanzieren und es daher nur zu einer Verschiebung von den Ertragsanteilen zum Pflegefonds kommt. Zweitens können Gemeinden, welche selbst Träger von Betreuungs- und Pflegeeinrichtungen sind, über die Länder Mittel aus dem Pflegefonds erhalten. Gemäß Pflegefondsgesetz ist vorgesehen, dass die Gemeinden mit Mitteln entsprechend dem Verhältnis zu ihren tatsächlich getragenen und nachgewiesenen Nettoausgaben für Pflegedienstleistungen in der Langzeitpflege zu versorgen sind.

10

Vgl. auch Mohr: Finanzierungsverflechtungen bei Gesundheit und Pflege, 2017, S. 186 ff.

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PFLEGE

6. Pflegegeld Zweck des Pflegegeldes

Das Pflegegeld dient der pauschalierten Abdeckung von pflegebedingten Mehraufwendungen, um selbstbestimmt die notwendige Betreuung und Hilfe zu sichern. Die Höhe des Pflegegeldes richtet sich nach der Pflegestufe und erfolgt unabhängig vom Einkommen oder Vermögen der Pflegebedürftigen.11 Ko-Finanzierung durch Länder und Gemeinden

Die Finanzierung des Pflegegeldes ist komplex. Bis zum Jahr 2011 wurde zwischen dem Bundespflegegeld und dem Landespflegegeld unterschieden. Mit 2012 wurde das Landespflegegeld in das Bundespflegegeld überführt und Finanzierungsbeiträge von Ländern und Gemeinden vereinbart, welche im Rahmen des Finanzausgleichsgesetzes über den Weg von Vorwegabzügen bei den Ertragsanteilen von Ländern und Gemeinden abgezogen werden. Die Ausgaben für das Pflegegeld lagen 2016 bei 2.587 Mio. Euro, die Kostenbeiträge von Ländern und Gemeinden bei 372 Mio. Euro. Fehlende jährliche Valorisierung führt zu Mehrbelastungen bei Ländern und Gemeinden

Das Pflegegeld wurde seit der Einführung 1993 nur fünfmal für alle Stufen valorisiert. Die Höhe des Pflegegelds hat seit 1993 um 15,1 Prozent zugenommen, während der VerbraucherPreis-Index um 52,7 Prozent gestiegen ist. Das Pflegegeld ist somit um weniger als ein Drittel des Preisniveaus gestiegen, das Delta seit 1993 beläuft sich auf rund 845 Mio. Euro. Tabelle 1: Entwicklung des Pflegegeldes seit 1993 Pflegestufe

1993 Euro

1994 Euro St.

1995 Euro St.

2005 Euro St.

2009 Euro St.

2011 Euro St.

2016 Euro St.

Stufe 1

181,68

186,26 2,5%

145,35 -22,0%

148,30 2,0%

154,20 4,0%

154,20 0,0%

157,30

2,0%

Stufe 2

254,35

260,75 2,5%

268,02

2,8%

273,40 2,0%

284,30 4,0%

284,30 0,0%

290,00

2,0%

Stufe 3

392,43

402,24 2,5%

413,51

2,8%

421,80 2,0%

442,90 5,0%

442,90 0,0%

451,80

2,0%

Stufe 4

588,65

603,40 2,5%

620,26

2,8%

632,70 2,0%

664,30 5,0%

664,30 0,0%

677,60

2,0%

Stufe 5

799,40

819,39 2,5%

842,35

2,8%

859,30 2,0%

902,30 5,0%

902,30 0,0%

920,30

2,0%

Stufe 6 1.090,09 1.117,34 2,5% 1.148,67 Stufe 7 1.453,46 1.489,79 2,5% 1.531,51

2,8% 1.171,70 2,0% 1.242,00 6,0% 1.260,00 1,4% 1.285,20 2,0% 2,8% 1.562,10 2,0% 1.655,80 6,0% 1.655,80 0,0% 1.688,90 2,0% Anmerkung: St. = Steigerung gegenüber vorherigem Pflegegeld

Quelle: Bundespflegegeldgesetze seit 1993.

In den letzten zehn Jahren kam es zu Steigerung von nur 0,6 bis 1 Prozent pro Jahr, während die Inflation in den letzten zehn Jahren durchschnittlich zwei Prozent betrug. Wäre es im Zeitraum 2009 bis 2016 zu einer laufenden Inflationsanpassung des Pflegegeldes gekommen, hätten die Ausgaben des Bundes um rund 300 Mio. Euro steigen müssen.12 Dies bedeutet Mehrbelastungen bei den Gemeinden von rund 120 Mio. Euro.13 Die mangelnden jährlichen Anpassungen des Pflegegeldes an die Preisentwicklungen haben dazu geführt, dass es zu Verschiebungen der Finanzierungslast vom Bund zu den Ländern und Gemeinden gekommen ist, da ein immer größerer Anteil der Pflegeausgaben über die Sozialhilfe abgedeckt werden muss.

11

Vgl. AK Wien: Sozialleistungen im Überblick 2018, 2018, S. 271. Differenz aus tatsächlicher Steigerung 2009 bis 2016 (auf Basis Bundespflegegeldgesetz BGBl. Nr. 110/1993 idgF) gegenüber angenommener Steigerung im Ausmaß der Inflation (auf Basis Statistik Austria: Verbraucherpreisindex). 13 Bei einem Anteil der Gemeinden von durchschnittlich 40 Prozent an den Netto-Ausgaben der Länder für den Pflegebereich. 12

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PFLEGE

7. Pflegeregress Mit Anfang 2018 wurde der Pflegeregress abgeschafft. Für die dadurch entstehenden Mindereinnahmen der Länder und Gemeinden wurden vom Bund Kompensationen in Höhe von 100 Mio. Euro vorgesehen. Eine Abdeckung der Folgelasten ist damit nicht vorgesehen. Abbildung 18: Mindereinnahmen und Mehrausgaben bei Entfall des Pflegeregresses

Quelle: KDZ: eigene Darstellung 2018.

Mindereinnahmen

Als Pflegeregress wird grundsätzlich bezeichnet, wenn im Fall einer geförderten Langzeitpflege einer Person auf das Einkommen sowie das Privatvermögen des Betroffenen und dessen Angehörigen zurückgegriffen werden kann. Jener Anteil der Pflegeheimkosten, welcher nicht durch Pflegegelder oder Eigenbeiträge (etwa Pension) gedeckt werden kann, wird im Rahmen der Sozialhilfe von Ländern und Gemeinden getragen. Durch den Wegfall des Pflegeregresses auf Vermögenswerte entfallen zusätzliche Einnahmen, weshalb es zu Mehrausgaben im Bereich der Sozialhilfeausgaben kommen wird. Alleine der Einnahmenentgang wird von den Ländern mit 150 Mio. Euro angegeben (davon 37 Mio. Euro Wien).14 Für die Gemeinden (ohne Wien) ergibt dies einen Anteil von 48 Mio. Euro.15 Folgelasten / Mehrausgaben

Darüber hinaus ergeben sich Folgelasten aufgrund des Wegfalls der Vollzahlerinnen und -zahler sowie durch eine erhöhte Nachfrage und einen steigenden Investitionsbedarf. Bei den Vollzahlerinnen und -zahlern handelt es sich um Personen, welche bisher als Privatkundinnen und -kunden aufgetreten sind und daher den Pflegeplatz zur Gänze selbst finanzierten. Diese Option wurde häufig gewählt, um nicht unter die Regelung des Pflegeregresses zu fallen. Durch den Entfall des Pflegeregresses fällt dieses Argument weg, sodass diese Personen nun ebenfalls Anträge auf Förderung des Pflegeheimplatzes stellen und es dadurch zu Mehrausgaben im Bereich der Sozialhilfe kommt. Zusätzlich führt der Entfall des Pflegeregresses zu einem generellen Anstieg der Anträge zur Aufnahme in Pflegeheimen, da die Entscheidung eines Wechsels von einer Betreuung zuhause oder von der 24h-Betreuung in eine stationäre Pflegeeinrichtung leichter fällt. Dies führt kurzfristig zu einer höheren Auslastung der bestehenden stationären Einrichtungen, mittel- bis langfristig ist ohne entsprechende Gegenmaßnahmen von einem Ausbaubedarf auszugehen. Nach Schätzungen der Länder werden die Mehrausgaben für Folgekosten für die Länder und Gemeinden gemeinsam zwischen 390 und 500 Mio. Euro liegen16 (inkl. Einnahmenentfall bei 530 bis 650 Mio. Euro). Für die Gemeinden (ohne Wien) bedeutet dies eine zusätzliche Belastung von 145 bis 185 Mio. Euro (inkl. Einnahmenentfall von 193 bis 233 Mio. Euro).17 Hier noch nicht eingerechnet sind Mehrausgaben aufgrund eines Ausbaubedarfes von stationären Einrichtungen. 14

Gemäß diverser Presseartikeln. Basierend auf den Kostenanteilen der Gemeinden in den einzelnen Bundesländern an den Sozialhilfeausgaben: 50 Prozent im Burgenland, in Kärnten, Niederösterreich und Salzburg; 40 Prozent in Oberösterreich, Steiermark und Vorarlberg; 35 Prozent in Tirol. 16 Gemäß diverser Presseartikeln. 17 Siehe FN 15. 15

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PFLEGE

8. Prognosen und Ausgabendämpfungspfad Gemäß einer Prognose für den Fiskalrat von Grossmann u. Schuster18 erhöht sich die Anzahl an Pflegedienstleistungsbezieherinnen und -beziehern in der optimistischen Variante von 2015 auf 2060 um 100 Prozent, in der pessimistischen Variante um 260 Prozent. Bei letzterer wird ein stärkerer Wegfall der informellen Pflege angenommen. Das durchschnittliche jährliche Wachstum der Pflegekosten für den Zeitraum 2015 bis 2030 liegt, abhängig vom Szenario, zwischen 4,4 und 6,2 Prozent. Während die Ausgaben für das Pflegegeld mit durchschnittlich jährlich 2,5 bis 5,2 Prozent wachsen, entwickeln sich die Nettoausgaben19 für Pflegedienstleistungen mit jährlich 5,8 bis 7,8 Prozent deutlich dynamischer. Ebenfalls eine überdurchschnittliche Entwicklung wird im Bereich der geförderten 24-Stunden-Pflege mit jährlich 4,2 bis 7,0 Prozent prognostiziert. Diese Szenarien verdeutlichen die Notwendigkeit für Gegenmaßnahmen klar. Die prognostizierten Nettoausgaben für Pflegedienstleistungen von 5,8 bis 7,8 Prozent übersteigen den vereinbarten Ausgabendämpfungspfad gemäß Finanzausgleichspaktum 2017 von jährlich 4,6 Prozent recht deutlich. Die Ertragsanteilsprognosen liegen mit jährlich vier Prozent noch niedriger. Abbildung 19: Aktuelle Prognosewerte und der Ausgabendämpfungspfad im Pflegebereich

Quelle: für den Fiskalrat: Grossmann u. Schuster: Langzeitpflege in Österreich: Determinanten der staatlichen Kostenentwicklung, 2017; Paktum zum Finanzausgleich 2017; BMF: Prognose der Ertragsanteile 2017.

18 19

Vgl. Grossmann u. Schuster: Langzeitpflege in Österreich: Determinanten der staatlichen Kostenentwicklung, 2017, S. 36 ff. noch ohne Berücksichtigung der Sozialhilfeumlagen.

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PFLEGE

9. Reformbedarf im Pflegebereich Die zuvor angesprochene prognostizierte hohe Ausgabendynamik macht den Reformbedarf deutlich. Ohne entsprechende Gegenstrategien wird der gesetzte Ausgabendämpfungspfad wohl nicht erreichbar sein. Dabei zeigen sich durchaus unterschiedliche Ansatzpunkte. Einerseits bedarf es klarer Strategien zur Ausgabeneindämmung im Pflegebereich, um mit Strukturreformen trotz der bestehenden demografischen und gesellschaftlichen Entwicklungen die Finanzierbarkeit des Pflegebereiches sicherstellen zu können. Ein konsequentes Weiterverfolgen der Stärkung der mobilen Pflege, aber auch der teilstationären Pflege und von alternativen Wohnformen ist hier notwendig. Durch einen stärkeren Austausch zwischen den Ländern können hier bestehende Konzepte besser evaluiert und Erfolgsmodelle in die bundesländerspezifischen Strategien integriert werden. Zur Weiterentwicklung des Pflegebereiches bedarf es daher klarer Zielsetzungen, wie diese insbesondere im Rahmen einer stärker wirkungsorientierten Steuerung sinnvoll wären. Wenn klar ist, wohin und in welchen Schritten sich der Pflegebereich entwickeln soll, kann anhand von Zwischenetappen der Fortschritt evaluiert und gegebenenfalls Anpassungsmaßnahmen getroffen werden. Hierzu ist eine enge Kooperation aller betroffenen Gebietskörperschaften und Akteure notwendig. Es gilt, gebietskörperschaftsübergreifende Strategien und Konzepte zu entwickeln. Andererseits wäre zur Sicherung der Pflegefinanzierung eine Reform des Finanzierungskonzeptes notwendig. Vielfach bestehen enge und komplexe Finanzierungsverflechtungen. Eine Entflechtung und damit eine Zusammenführung der Finanzierungs- und Aufgabenverantwortung ist notwendig. Auch hier gilt es, alle betroffenen Institutionen und Gebietskörperschaften einzubeziehen, wie dies im aktuellen Regierungsprogramm auch vorgesehen ist. Bei einer Neugestaltung des Finanzierungskonzeptes sollten auch neue Finanzierungsquellen evaluiert werden – etwa die Einführung einer Pflegeversicherung oder eine steuerbasierte Finanzierung (wie etwa eine zweckgebundene Vermögenssteuer). Abbildung 20: Reformansätze im Pflegebereich

Quelle: KDZ: eigene Darstellung 2018.

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Literaturverzeichnis Arbeiterkammer Wien: Sozialleistungen im Überblick 2018. Lexikon der Ansprüche und Leistungen. 20. Auflage, ÖGB Verlag, Wien 2018. Bauer, Helfried; Biwald, Peter; Mitterer, Karoline; Thöni, Erich (Hrsg.): Finanzausgleich 2017: Ein Handbuch – mit Kommentar zum FAG 2017, Neuer Wissenschaftlicher Verlag, Wien-Graz 2017. BMASK: Österreichischer Pflegevorsorgebericht 2016, Wien 2017. Brückner, Helmut; Haindl, Anita; Mitterer, Karoline: Aufgabenfinanzierung und Transferbeziehungen im tertiären Finanzausgleich. In Bauer et al. (Hrsg.): FAG-Handbuch 2017, 2017, S. 141-174. Bundespflegegeldgesetz, BGBl. Nr. 110/1993, idF BGBl. I Nr. 116/2016 sowie Vorfassungen. Finanzausgleichsgesetz, BGBl. I Nr. 116/2016, idF BGBl. I Nr. 144/2017. Grossmann, Bernhard; Schuster, Philip: Langzeitpflege in Österreich: Determinanten der staatlichen Kostenentwicklung, Fiskalrat-Studie, Wien 2017. Hauptverband der Sozialversicherungsträger: 20 Jahre Pflegegeld. Entstehung, Entwicklung und Zukunft des Pflegegeldes. In: Soziale Sicherheit 6/2013 (Fachzeitschrift der Österreichischen Sozialversicherungsträger), Wien 2013. Mitterer, Karoline; Biwald, Peter; Haindl, Anita: Länder-Gemeinde-Transferverflechtungen; Status und Reformoptionen der Transferbeziehungen zwischen Ländern und Gemeinden. KDZ-Studie. Wien. 2016. Mohr, Egon: Finanzierungsverflechtungen bei Gesundheit und Pflege, In Bauer et al. (Hrsg.): FAG-Handbuch 2017, 2017, S. 175-196. ÖSTB (Hrsg.): Österreichs Städte in Zahlen 2017; Wien 2018. Paktum über den Finanzausgleich ab dem Jahr 2017. Paktum zur Finanzausgleichsgesetz 2017. Pflegefondsgesetz, BGBl. I Nr. 57/2011, idF BGBl. I Nr. 22/2017. Sozialministerium: Abschaffung des Pflegeregresses. Präsentation im Sozial-, Gesundheits- und Jugendausschuss des Österreichischen Städtebundes; November 2017. Statistik Austria: Betreuungs- und Pflegedienste der Bundesländer im Jahr 2016, Statistische Nachrichten 1/2018, Wien 2018.

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VERZEICHNISSE

VERZEICHNISSE Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Akteure im Sozialhilfebereich 5 Abbildung 2: Entwicklung des gesamten Ausgabenvolumens im Sozialhilfebereich 2012 bis 2016 (nicht konsolidiert) sowie konsolidierte Ausgaben 2016 6 Abbildung 3: Entwicklung der Nettoausgaben der Gemeinden nach Aufgabenbereichen (ohne Wien), 2012 bis 2016 7 Abbildung 4: Ausgaben der Gemeinden nach Aufgabenbereichen pro Kopf nach EW-Klassen und Bundesländern, 2016 7 Abbildung 5: Entwicklung der Sozialhilfeumlagen nach Bundesländern 2012 bis 2016 8 Abbildung 6: Entwicklung der Sozialhilfeumlagen und der Ertragsanteile 2006 bis 2016 8 Abbildung 7: Entwicklungen in der Bedarfsorientierten Mindestsicherung, 2012-2016 9 Abbildung 8: Bezieherinnen und Bezieher der Bedarfsorientierten Mindestsicherung pro 1.000 EW nach Bundesland (2016) und in ausgewählten Städten nach EW-Klassen (2016) 10 Abbildung 9: Organisations- und Leistungsformen des Pflegesystems 11 Abbildung 10: Betreute Personen, die Pflegegeld beziehen, nach Betreuungsform, 2016 12 Abbildung 11: Betreute Personen nach Betreuungsform je 1.000 EW mit 75 und mehr Jahren nach Bundesland, 2016 13 Abbildung 12: Struktur der Pflegedienstleistungen nach Bundesland, 2016 13 Abbildung 13: Einnahmen und Ausgaben im Pflegebereich, 2016 14 Abbildung 14: Ausgaben 2016 nach Leistungsarten 15 Abbildung 15: Entwicklung der wichtigsten Ausgabengrößen, 2013-2016 15 Abbildung 16: Einflussfaktoren der Pflegeausgaben auf Gemeindeebene 16 Abbildung 17: Höhe und Mittelaufbringung des Pflegefonds 18 Abbildung 18: Mindereinnahmen und Mehrausgaben bei Entfall des Pflegeregresses 20 Abbildung 19: Aktuelle Prognosewerte und der Ausgabendämpfungspfad im Pflegebereich 21 Abbildung 20: Reformansätze im Pflegebereich 22

Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Entwicklung des Pflegegeldes seit 1993....................................................................... 19

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