Informationsbrief Oktober 2013

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Aus dem Inhalt

Neues aus Kirche und Welt Aus Lehre und Verkündigung Der Hirte und die Herde Spannungen zwischen christlicher und profaner Sexualethik Was feiern wir eigentlich 2017? Gedanken zum Lutherjahr Jesus oder Isa »… die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen.« Elias Schrenk (1831–1913) Die Sprachrohre Gottes Aus Kirche und Gesellschaft

ISSN 1618-8306

Oktober 2013 Nr.  281

Bekenntnisbewegung »Kein anderes Evangelium«


kurz+bündig Personen Otto Graf zu Rantzau †

Otto Graf zu Rantzau (Breitenburg bei Itzehoe), der sich in den 80er und 90er Jahren wie kaum ein Zweiter für eine Kurskorrektur der nordelbischen Kirche eingesetzt hat, verstarb Ende Juni im Alter von 91 Jahren. Der als Landwirt tätige Graf war 1985 Initiator der Bekennenden Gemeinschaft, die Christen, die unter der modernistischen Theologie litten, geistliche Heimat bieten wollte. Die Gemeinschaft ließ einen »Ruf zur geistlichen Mitte« sowie einen »Aufruf an die Bischöfe« ausgehen. Kirchenleitenden Repräsentanten warf die Initiative unter anderem eine Aushöhlung von Ehe und Familie sowie das Eindringen von Irrlehren durch die feministische Theologie vor. 2001 löste sich die Gemeinschaft auf. Ehe-Aus für GöringEckardt

Wie die Bild-Zeitung berichtet, hat sich die 47-jährige Grünen-Spitzenpolitikerin Katrin Göring-Eckardt, die auch Präses der EKD-Synode ist (sie ließ während des Wahlkampfes das EKD-Spitzenamt ruhen), von ihrem Ehemann, Pfarrer Michael Göring (61, inzwischen Ruhestandspfarrer) nach 25 Jahren Ehe getrennt. Pfarrer Göring war zuvor bereits verheiratet und brachte drei Kinder in die Ehe; mit Göring-Eckardt 2

hatte er weitere zwei Kinder. Beide sollen neue Partner haben. Ein badischer Theologe fragte: »Wurde das neue EKDPapier etwa deshalb verfasst, um den Lebenswandel in der Führungsetage abzusichern?« Erst vor wenigen Monaten musste der EKD-Bevollmächtigte bei der Bundesrepublik Deutschland und der EU, Prälat Bernhard Felmberg, seinen Platz räumen, weil ihm Beziehungen zu Mitarbeiterinnen in der Spitze der EKD nachgesagt wurden.

und 150 Gemeindemitglieder (Stand 23. Juli 2013) das Familienpapier der EKD »Zwischen Autonomie und Angewiesenheit. Familie als verlässliche Gemeinschaft stärken«, kritisiert. Sie wollen, dass die Orientierungshilfe als offizielle Handreichung der EKD gestrichen wird.

Kirche in Deutschland Westfalen: Homosexueller Pfarrer geht eingetragene Lebenspartnerschaft ein

Der evangelische Pfarrer Jörg Uwe Pehle (Unna) ist eine eingetragene Lebenspartnerschaft eingegangen. Nach der standesamtlichen Zeremonie wurden Pehle und sein Partner Thomas König am 14. September in der Unnaer Stadtkirche unter Mitwirkung der Superintendentin des Kirchenbezirks Unna, Annette Muhr-Nelson gesegnet. Vor sechs Jahren hatte die Evangelische Kirchengemeinde Unna den Beschluss gefasst, Segnungen gleichgeschlechtlicher Partnerschaften in der Stadtkirche zu ermöglichen. Seither ließen sich vier oder fünf Paare segnen.

Baden: Gegen EKD-Orientierungshilfe zur Familie

Mit einer Unterschriftenaktion haben 50 badische Pfarrer

Notizen Luthers entdeckt

Bislang unbekannte handschriftliche Notizen Martin Luthers (1483–1546) sind in der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel entdeckt worden. Der Heidelberger Theologieprofessor Ulrich Bubenheimer habe die Bemerkungen des Reformators am Rand einer Chronik und einer lateinischen Dichtung gefunden. Sie zählten zu den ältesten erhaltenen handschriftlichen Notizen des Reformators.

Kirche weltweit Lesbische Bischöfin

Nachdem in Schweden eine Lesbe zur Bischöfin der lutherischen Kirche gewählt wurde, hat nun auch die größte lutherische Kirche

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in den USA, die »Evangelical Lutheran Church in America« einen homosexuellen Bischof: Guy Erwin; er lebt seit 20 Jahren in einer Homobeziehung. Russisch-orthodoxe Kirche bricht Dialog mit einigen lutherischen Kirchen ab

Weil einige lutherische Kirchen homosexuelle Paare trauen, hat das orthodoxe Moskauer Patriarchat den Dialog mit ihnen abgebrochen. Metropolit Hilarion sagte, wenn gleichgeschlechtliche Ehepaare die gleichen Rechte hätten wie Mann und Frau, zerstöre das nicht nur die Familie, sondern wegen der Bevölkerungszahlen auch Europa.

Katholische Kirche

Christenverfolgung Zentralafrikanische Republik: Verfolgung von Christen und Hungersnot

kurz+bündig

Personen +++ Kirchen +++ Glauben +++ »Modernes Leben«

In der Zentralafrikanischen Republik vollzieht sich von der Weltöffentlichkeit nahezu unbemerkt ein Drama der Christenverfolgung. Missionsstationen und Kirchen werden von jener muslimischen Rebellen-Allianz, die heute die Regierung des Landes stellt, geplündert und zerstört. Christen werden gefesselt, zusammengeschlagen und gezwungen, Lösegeld zu bezahlen, um ihr Leben zu retten. Und zudem riskiert eine halbe Million Menschen zu verhungern. Zuverlässigen Quellen zufolge haben die Rebellen zahlreiche Pastoren auf eine Abschussliste gesetzt.

Dialog mit Piusbrüdern beenden

Den von Papst Benedikt XVI. begonnenen Dialog mit der als sehr konservativ geltenden Pius-Bruderschaft will der Vatikan offenbar beenden. Für die angestrebte Versöhnung war Benedikt XVI. teilweise massiv kritisiert worden.

Papst ausdrücklich gegen Priesterinnen

Papst Franziskus hat sich klar gegen Frauen im Priesteramt ausgesprochen. »Diese Tür ist geschlossen.« Frauen dürften aber nicht auf ihre Rolle als Mutter reduziert werden. Zu entwickeln wäre eine »profunde Theologie der Frau«.

Herzlichen Glückwunsch Horst Georg Pöhlmann 80

Bereits im Juli konnte der evangelische Theologe Horst Georg Pöhlmann (Wallenhorst bei Osnabrück) seinen 80. Geburtstag begehen. Pöhlmann, Schüler des bekannten Heidelberger Systematikers Peter Brunner (1900–1981) gilt als bibel- und bekenntnisgebundener Theologe, dem in seiner theologischen Arbeit immer die Einheit von Lehre und Leben wichtig ist. Nach einem sechsjährigen Pfarramt in Unterfranken lehrte er ab 1969 in Heidelberg und von 1979 bis 1998 in Osnabrück. Neben zahlreichen Büchern gab er »Unser Glaube. Die Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche« heraus und übersetzte mehrere lateinische Werke Philipp Melanchthons (1497–1560).


kurz+bündig Ökumene der Religionen Interreligiosität: Viermal »gesegnet«

In Emmingen bei Freiburg/ Breisgau wurden die Besucher der 150-Jahr-Feier der katholischen St.-Bonifaziusgemeinde gleich viermal gesegnet, und zwar außer von einem katholischen und einem evangelischen Pfarrer auch von einem Rabbiner und einem Imam. Sie hätten als Vertreter der drei »abrahamitischen Religionen« »dem interreligiösen Dialog in einer gemeinsamen Andacht Ausdruck gegeben«. Der Sprecher der badischen Landeskirche, Daniel Meier, sagte dazu, es habe sich nicht um Religionsvermischung gehandelt, da der Segen nicht miteinander, sondern hintereinander gesprochen worden sei. Auch bei den Gebeten sei so verfahren worden. Die Besucher haben es jedoch anders empfunden. »Heute beten ein Imam, ein Rabbiner, ein evangelischer und ein katholischer Pfarrer. Dass ich das noch erleben darf«, sagte eine Katholikin.

Islam Ägypten: Zwangsverheiratung koptischer Frauen mit muslimischen Männern

In Ägypten werden immer wieder junge Christinnen entführt und mit Islamisten zwangsverheiratet. Diese verbrecherische Praxis findet auch mit der Entmachtung der Muslimbrüder kein Ende. Solche Verbrechen geschehen 4

meist mit stillschweigender Duldung der Sicherheitskräfte. Allein in den vergangenen zwei Jahren wurden mehr als 500 Koptinnen gekidnappt und zur Heirat mit Muslimen gezwungen. Es geschieht aus Rache an den Kopten, die für den Machtverlust der Islamisten in Ägypten mitverantwortlich gemacht werden oder um Geld zu erpressen.

Gesellschaft Litauen: Abtreibungsverbot

Bisher waren in Litauen Abtreibungen in den ersten drei Schwangerschaftsmonaten ohne Einschränkung möglich. Nun hat das litauische Parlament mit 46 gegen 19 Stimmen und 25 Enthaltungen beschlossen, künftig Abtreibungen zu verbieten; allerdings sollen sie bei Gefahr für Gesundheit und Leben der Mutter erlaubt sein.

Asylrecht in EU für Homosexuelle

Nach Ansicht einer EUGutachterin können Homosexuelle in Europa auf Aufnahme als Flüchtlinge hoffen. Die Behörden müssten prüfen, ob die Betroffenen in ihren Heimatländern mit schweren Strafen oder anderen Verfolgungen rechnen müssen. Amnesty International zufolge ist Homosexualität in 38 afrikanischen Staaten gesetzlich verboten.

Homo-Ehe in Großbritannien

Das Gesetz zur gleichgeschlechtlichen Ehe hat nun auch die letzte Hürde genom-

men. Am 16. Juli 2013 hat das Unterhaus mit überwältigender Mehrheit zugestimmt. Tags darauf gab auch die Königin ihre formale Zustimmung. Verheerende Wirkung der »Pille danach«

97 Prozent der Abtreibungen finden nach einer Beratung statt, was die Frage nach dem Sinn der Beratungsregelung und deren Qualität aufwirft. In der Abtreibungsstatistik wird zudem der Einsatz der »Pille danach« nicht berücksichtigt. 2011 wurde sie insgesamt 370 000 Mal verkauft – Tendenz steigend. Die Frage nach einer zurückgehenden Zahl offizieller Schwangerschaftsabbrüche und dem Anstieg der »Pille danach« stellt sich.

Boykott der Olympischen Spiele wegen russischer Homosexuellen-Gesetzen

Indirekt hat Bundesjustizministerin LeutheusserSchnarrenberger Sportler zum Boykott der Olympischen Winterspiele aufgerufen. Gründe sind jedoch nicht fehlende Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechtsverletzungen oder mangelnde Demokratie. Die FDP-Politikerin versteht den Boykott als Protest gegen das Anti-Homosexuellen-Gesetz in Russland: »Niemand ist zur Teilnahme gezwungen«, sagte sie dem »Spiegel«. Und: »Jeder Politiker sollte sich überlegen, wie er sich inhaltlich gegen diese Ausgrenzungspolitik gegenüber Minderheiten positioniert.«

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Aus Lehre und Verkündigung

mm Dein Wille geschehe wie im Himmel also auch auf Erden. Dieser Satz ist nicht aus der Resignation und aus dem Verzicht geboren. Er kann nicht von jemandem gesprochen werden, der kapituliert vor dem herrschenden Gottesspruch über seinem Leben, gegen den kein Kraut gewachsen ist. Sondern etwas Strahlendes haftet ihm an. Dieses Gebetswort: Dein Wille geschehe, ist ja zu niemandem anders als zum Vater gesprochen. Und ich darf es wissen: Wenn ich dessen Willen geschehen lasse, und wenn ich mich ganz in diesem Willen verberge und verkrieche, so kann das nur den Frieden und die Erfüllung meines Lebens ­bedeuten. Denn es ist ja der Wille dessen, der hier in Jesus Christus vor mir steht und der mir verheißen hat, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen müssen, und dass alles zu einem guten Ende kommen muss, wo sein Wille regiert. Helmut Thielicke (in: Das Gebet, das die Welt umspannt, S. 74–78 mit Auslassungen)

mm Wir werden den praktischen Fragen, die uns durch die neue Entwicklung auf dem Gebiet der Kirchen­ einung gestellt werden, nur dann gewachsen sein, wenn wir ihre dogmatischen Implikationen zuvor ­hinreichend geklärt haben. Peter Brunner

mm Der jetzige Weltzustand, in dem Gott gering geachtet wird, ist nicht das Letzte. Wenn Jesus in der Offenbarung des Johannes der helle Morgenstern heißt, der am Nachthimmel dieser Welt aufgegan­ gen ist, dann weist dieses Selbstzeugnis hin auf den Anbruch eines Tages, da Gott alles in allem sein wird. Es kommt eine Zeit, da Gott aus seiner Verborgenheit heraustritt und seine Königswürde sich unverhüllt vor aller Welt entfalten wird. Wenn Christus in Herrlich­ keit erscheint, dann werden seine Feinde erkennen müssen, dass er der Allmächtige und nicht der Ohn­ mächtige ist.

mm Dies ist die Zornesweise des göttlichen Wortes. Gerade weil dies Wort des Gesetzes so göttlich, so wahr und gerecht ist, gerade darum hat es eine solche richtende, tötende, verdammende Kraft und Gewalt. Wenn Menschen uns richten oder gar töten, so hat das doch keine letzte, ewige Kraft und Gel­ tung. Über unsere Seele können sie nicht verfügen. Im Gewissen können sie uns nicht verdammen oder freisprechen. Aber das Gesetz hat Vollmacht vom lebendigen, heiligen Gott und trifft dich und mich, einen jeden einzeln in das Herz, in das innerste Zentrum.

mm An dieser Stelle zeigt sich, wie von der EKD die Unterscheidung und Scheidung von wahrer und fal­ scher Lehre am Maßstab von Schrift und Bekenntnis aufgegeben wurde. Stattdessen wird nun die Gesell­ schaftsverantwortung als primäre, wenn nicht sogar exklusive Aufgabe kirchlichen Handelns proklamiert.

mm Das Gesetz Gottes ist universal (übrigens also nicht nur global, auf die Erdkugel bezogen). Es gilt allen Menschen und wirkt bei allen Menschen im Gewissen. Es ist auch der unveränderliche Maßstab für das Gericht nach den Werken über Lebende und Tote.

Adolf Köberle (in: Als Christ denken, S. 18)

Reinhard Slenczka (in: Usus politicus legis) Informationsbrief 281

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Heinrich Vogel ( in: Eiserne Ration eines Christen, S. 26)

Reinhard Slenczka (in: Usus politicus legis)

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Der Hirte und die Herde Johannes 10,27––30 Markus Sigloch

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ange Zeit galt das biblische Bild vom Hirten und der Herde als Paradigma (Beispiel) für die Struktur einer Kirchengemeinde. Lange Zeit konnte eine Kirchengemeinde daraus einen Anspruch auf eine eigene Pfarrstelle erheben, und in guten Zeiten konnte die Kirchenleitung diesem Anspruch genügen. Seit sich die Kirche jedoch ab den 90er Jahren verstärkt mit dem Problem der Haushaltskonsolidierung befasst, wird das Bild vom Hirten und der Herde mehr und mehr als Hindernis für notwendige Strukturanpassungen gesehen. Die Streichung vieler Pfarrstellen macht ein neues Selbstverständnis der Kirchengemeinden nötig. Und das soll dadurch entstehen, dass Gemeindehirten erübrigt werden und das Hirtenbild als veraltete Vorstellung abgeschafft und durch ein neues Bild ersetzt wird. Nur so könne man den Bedürfnissen einer modernen Kirchengemeinde genügen. Weil Gemeinden schon aus finanziellen Gründen zusammengelegt und die Pfarrstellen reduziert werden müssen, wurde anstelle des Bildes vom Hirten und der Herde ein neues Leitbild für die Gemeinde entworfen, das Bild der Gemeinde als Leib Christi, das von der alten Pfarrerzent­ riertheit wegführen soll. Es braucht nicht be-

Markus Sigloch Die Anschrift des Autors finden Sie auf Seite 30

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tont zu werden, dass dieser Paradigmenwechsel für die Kirchenleitungen sehr kostengünstig ist. Denn Christus als Haupt des Leibes arbeitet im Gegensatz zum Gemeindehirten zum Nulltarif. Inzwischen ist dieser Paradigmenwechsel als Einspar-Ideologie entlarvt. Die Gemeinden ohne eigenen Pfarrer fallen mehr und mehr in die Bedeutungslosigkeit zurück. Und wo dann mangels professioneller Zuwendung das Interesse der Laien am kirchlichen Leben erlischt, kann der Rotstift noch weiter angesetzt werden. Die Kirche spart sich zu Tode, ist ein geflügeltes Wort unter den Gemeindemitgliedern geworden. Der neu entworfene »Leib Christi« torkelt kopflos durch die Zeit, und es stellt sich die Frage, ob dieser Torso wirklich den Vorstellungen des Apostels Paulus vom Leib Christi entspricht, oder ob der Leib Christi nicht doch eines sichtbaren Hauptes bedarf, wie es beim Bild vom Hirten (Pastor) und der Herde (Gemeinde) bislang auch in der evangelischen Kirche selbstverständlich war. Jedenfalls können die Worte Jesu nicht ungestraft über Bord geworfen oder als unzeitgemäß abgetan werden. Schließlich sagte Jesus über seine eigenen Worte: »Himmel und Erde werden vergehen; meine Worte aber werden nicht vergehen« (Markus 13,31). Damit ist auch das Bild vom Hirten und der Herde kein austauschbares Paradigma, sondern eine für die Gemeinde Jesu konstitutive Gleichnisrede. An ihr wird deutlich, welch ein Gebilde eine Kirchenge­ meinde ist, und unter welchen Bedingungen das Gemeindeleben funktioniert. Unstrittig ist es, die Gemeinde weiterhin als Herde zu bezeichnen, deren guter Hirte Jesus selber ist. Im Gegensatz zur katholischen KirOktober 2013

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che braucht die evangelische Gemeinde keinen Stellvertreter Christi, weil sie in Wort und Sakrament Christus selbst in ihrer Mitte weiß. Fatal jedoch ist es zu denken, dass man deshalb auf einen sichtbaren Hirten in der Gemeinde ganz verzichten könne. Denn dabei müsste sichergestellt sein, dass die ganze Gemeinde eine Schar ernsthafter Gläubiger sei, die allein vom Wort und Sakrament lebt. Doch diese Schar, »die mit Ernst Christen sein wollen« (Luther), ist in reiner Form nicht zu haben. Viele Gemeindemitglieder, besonders in einer Volkskirche, sind seit ihrer einstigen Taufe als Kind bislang noch nicht zu einem eigenen, lebendigen Glauben gekommen. Sie leben von dem, was sie sehen, nicht von dem, was sie glauben. Wenn z. B. in einer Gemeinde von 2 500 Gemeindegliedern 100 Gemeindeglieder regelmäßig in den Gottesdienst kommen, ist das schon ein guter Gottesdienstbesuch, zeigt aber, dass mehr als 2 000 Mitglieder dieser Gemeinde auch weiterhin ohne Wort und Sakrament leben. Kommt ein Bischof in ihre Kirche, sind sie jedoch alle plötzlich da. Sie leben eben im Schauen und nicht im Glauben. Um dem Rechnung zu tragen, kann auch eine evangelische Kirchengemeinde auf einen sichtbaren Hirten nicht verzichten. Sie braucht – im andern Bild vom Leib gesagt – ein sichtbares Haupt. Es bedarf einer Person, die sich um die Leute kümmert und die die Hirtenfunktion übernimmt. Diese Person sollte vor Ort leben, wie ein Hirte unter seinen Schafen lebt. Sie muss ansprechbar sein und in der Herde akzeptiert sein. Schafe erkennen ihren Hirten an der Stimme, das heißt, die geistliche Übereinstimmung mit Jesu Worten und Taten muss erkennbar sein. So lehren die Pastoralbriefe des Neuen Testaments nicht umsonst, welche Kriterien für einen Gemeindehirten gelten (vgl. z. B. Titus 1,7–9; das Wort »Bischof« bedeutete damals Gemeindehirte). Fehlt diese Person, wird die Kirchengemeinde von 2 500 Gemeindegliedern früher oder später auf die 100 ernsthaften Gläubigen zurückgehen. Denn nur diese wenigen ernsthaften Gläubigen haben eine persönliche Christusbeziehung und leben von Wort und Sakrament. Die restlichen suchen sich andere Hirten, Gurus oder Päpste. Jedenfalls halten sie die geistlichen Durststrecken nicht durch, schon gar nicht den Gang »durchs finstre Tal« (Psalm 23,4). Und doch ist ein Gemeindehirte kein Stellvertreter Christi. Er wird höchstens von den Außenstehenden dafür angesehen. Es ist die Erfahrung im Gemeindepfarramt, dass je weiter die Menschen weg sind vom Glauben, desto Informationsbrief 281

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höher ihre Erwartungen an den Hirten sind, bis dahin, dass sie in ihm eine Inkarnation von Jesus Christus suchen. Aus diesem Extrem wird einmal die antichristliche Kirche entstehen. Dagegen gibt es durchaus Menschen, die schon viele ungläubige Pfarrerinnen und Pfarrer überdauert haben, ohne dabei die Kirche zu verlassen. Sie sind gegründet im Wort und Sakrament und können einen guten Hirten von einem Mietling unterscheiden. Nicht so verhält es sich bei der Mehrheit der Kirchenmitglieder, die weniger verbunden und gegründet sind in Wort und Sakrament. Sie haben kaum Geduld mit den Schwächen eines Hirten und kehren ihrer Kirche schnell den Rücken zu, wenn sie enttäuscht werden. So ist eine Kirchenleitung immer versucht, das Wohlwollen der Mehrheit ihrer Mitglieder über das Interesse der kleinen, gläubigen Schar zu stellen. Auch kann eine kleine, gläubige Schar finanziell keine Volkskirche tragen. Und so konnte es z. B. auch geschehen, dass die EKD durch ihre so genannte Orientierungshilfe »Zwischen Autonomie und Angewiesenheit« (Juni 2013) ohne Rücksicht auf die kleine, gläubige Schar in den Gemeinden, das biblische Familienbild ganz im Sinne der gesellschaftlichen Mehrheitsmeinung fallen ließ und so dem Zeitgeist preisgab. Den Aufschrei der kleinen, gläubigen Schar nahm die EKD dabei billigend in Kauf, ebenso das Bekenntnis der weltweiten Christenheit. Die EKD setzt dadurch ihren Weg ins Abseits fort und ist jedenfalls nicht mehr weit davon entfernt, zu einer Sekte zu werden. Dieses Vorgehen zeigt, dass es sich für eine Kirchenleitung zwar vordergründig lohnen kann, die Stimme der kleinen, gläubigen Schar zu überhören, ebenso die Stimme der andern Kirchen. Sie kann sogar großen Applaus von der Mehrheitsgesellschaft für sich verbuchen. Aber sie täuscht sich, wenn sie glaubt, in dieser applaudierenden Mehrheit auch den Rückhalt zu bekommen, den sie als Kirche Jesu Christi braucht, um langfristig bestehen zu können. Sie macht nicht die Rechnung mit der Untreue der Menschen, die schon Jesus damals mit dem Begriff »ehebrecherisches Geschlecht« (Matthäus 16,4) gekennzeichnet hatte. Sie macht auch nicht die Rechnung mit dem guten Hirten Jesus Christus, der seine Herde von den abgegrasten Auen und Wiesen wegführen und zu neuen Wasserquellen führen kann. Dieser Weg führt meistens erst einmal »durchs finstre Tal« (Psalm 23,4). Einen solchen Vorgang hat die Christenheit in der Reformation erlebt. Es ist kein Wunder, dass man sich heute vom Weg der Reformation auch in evangelischen Kreisen mehr 7


und mehr distanziert, anstatt darin den heilsgeschichtlichen Weg des Herrn mit den Seinen zu sehen. Und selbst in der letzten Drangsalszeit wird der Herr seine Herde nicht im geistlichen Ödland des Antichristen zurücklassen und der Zerstörung preisgeben, sondern sie der Welt entnehmen und zu sich entrücken, damit sie seien, wo auch er ist (vgl. Johannes 12,32). Damit ist angedeutet, dass der Herr auch heute in dieser angeblich so modernen Zeit auf sein Wort besteht. Die Schafe hören auch heute auf die Stimme des guten Hirten. Aber auf die Stimmen der Mietlinge, die nur ihr eigenes Wohl im Blick haben, hören sie nicht. Eine Kirchenleitung täuscht sich, wenn sie meint, aufs

biblische Wort nicht mehr achten zu müssen oder es nach eigenen Wünschen und Zielen umzudeuten. Die Schafe durchschauen die geistigen Klimmzüge der Mietlinge und erkennen die Absicht dieser Manipulation. Schafe gehören zwar nicht zu den Starken in der Tierwelt, aber sie überleben durch ihr feines Gehör. Und unzerstörbar ist die Herde in ihrem Bestand, wenn sie den guten Hirten bei sich hat. Wie der Weg der Kirche sein wird – Gott weiß es! Eines aber ist gewiss: Der Herr kennt die Seinen, und auch heute gilt: »Es lasse ab von Ungerechtigkeit, wer den Namen des Herrn nennt« (2.Timotheus 2,19). W

Spannungen zwischen christlicher und profaner Sexualethik Günter R. Schmidt

Gesellschaftliche Orientierungen In den gegenwärtigen westlichen Gesellschaften gibt es eine Vielzahl sexueller Verhaltensweisen und Leitvorstellungen. Auf den ersten Blick hat man den Eindruck, es herrsche völlige Beliebigkeit. Dieser Anschein trügt aber. Unter Nachdenklichen gibt es vielmehr auch eine breite Übereinstimmung über Werte, an denen sich Sexualverhalten orientieren sollte, über Kriterien der Billigung oder Missbilligung. Diese gesellschaftlichen Leitvorstellungen reichen zwar nicht so weit wie christliche, sind aber theologisch nicht durchweg negativ zu beurteilen. Bevor solche säkularen Leitvorstellungen

Günther R. Schmidt Die Anschrift des Autors finden Sie auf Seite 30

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aufgezählt werden, ist noch an eine wichtige Unterscheidung zu erinnern: Leitvorstellung heißt nicht, dass sich ihr Inhaber in seiner Praxis durchweg danach richtet, wohl aber, dass er meint, er solle sich danach richten und in vielen Fällen ein schlechtes Gewissen hat, wenn er dagegen verstößt. Häufig ist jedoch auch der Fall, dass man Abweichungen von seinen verbal vertretenen Werten bei sich und anderen »augenzwinkernd« durchgehen lässt. Die Auseinandersetzung in diesem Aufsatz zielt ausdrücklich auf nachdenkliche Mitmenschen, die sich über die rechte Lebensführung Gedanken machen, nicht solche, die sich einfach treiben lassen, ja es sogar für richtig halten, in Sachen Sexualität, ohne Folgen zu bedenken, den Anreizen des Augenblicks nachzugeben. Wertvorstellungen, in denen nachdenkliche säkular orientierte Zeitgenossen weithin übereinstimmen, sind etwa folgende: WW Gewaltfreiheit: Niemand darf durch physischen oder psychischen Druck zu einem sexuellen Verhalten genötigt werden. Die Einwilligung muss frei sein. WW Aufrichtigkeit: Die Einwilligung des anderen darf nicht durch Vorspiegelung falscher TatOktober 2013

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sachen herbeigeführt werden, etwa durch ein Grundzüge christlicher SexualEheversprechen, In-Aussicht-Stellung von ethik: Ehe als Ziel und Kriterium Dauer oder Verschweigen einer bereits besteChristliches Denken und Handeln orientiert henden Bindung. Sie soll auch nicht durch materielle Vorteile erkauft oder für solche ge- sich an der Heiligen Schrift und ihrer Auslegungstradition in der Christenheit. Hier fällt währt werden. WW Wertrelativismus: Man sieht Werte, Kriterien schon auf einen Blick auf, dass es gerade in der Billigung oder Missbilligung, als »zeit- sexualethischen Fragen im Gegensatz zu herrund ortsgebunden« an. Solche Relativität schenden Meinungen und Praktiken steht. Die gelte besonders auch für das Sexualverhalten. Sexualmoral der Mehrheitsgesellschaft war im WW Toleranz und Nicht-Einmischung: Aus einer ersten christlichen Jahrhundert äußerst freizürelativistischen Auffassung ergibt sich logisch gig, besonders was den Verhaltensspielraum des die Forderung nach Zurückhaltung beim Be- Mannes anlangte. Er konnte sich sowohl ohne werten, d. h. von Toleranz. Insgesamt gesteht große Mühe von seiner Frau trennen und eine man anderen einen größeren Spielraum zu, neue Ehe eingehen, als auch mit Sklavinnen als man für sich selbst in Anspruch nimmt. und Prostituierten verkehren. Auch homosexuelles Verhalten war verbreitet und Intolerant ist man lediglich gegenüber Intoleranz. Als solche mm Die Leiber getaufter wurde weithin akzeptiert. Paulus wird oft schon der bloße Hin- Christen sind »Tempel besteht in seinen Briefen darauf, dass sich Christen gerade auch weis darauf eingestuft, dass auf christlicher Grundlage anders des Heiligen Geistes«, in ihrem Sexualverhalten von Heiden unterscheiden müssen. zu urteilen ist. nicht nur Mittel zum sind an Leib und Seele WW Serielle Monogamie bzw. PolyLustgewinn. Die bloße Christen durch die Annahme des Evangamie: Man verweist auf die in der Gegenwart besseren Benutzung des Leibes geliums in Glaube und Taufe geheiligt. Dadurch ist ein WeiterVerhütungsmöglichkeiten und eines anderen wider­ leben wie gehabt ausgeschlossen. hält es für sinnvoll, wenn einer »Ist jemand in Christus, so ist er eher dauerhaften Bindung, streitet beider Perso­ eine neue Kreatur« (2.Korinther Beziehungen begrenzter Dau- nenwürde und erst er vorausgehen (»Erfahrungen recht beider Christen­ 5,17). Die Bekehrung zu Christus bedeutet den entscheidenden sammeln«), neigt aber zur Einschnitt im Leben. Ablehnung gleichzeitiger Be- würde. »Oder wisst ihr nicht: wer ziehungen mit mehreren Partnern (Polyamorie). Man kann sich trennen sich an die Hure hängt, der ist ›ein‹ Leib mit und eine neue Beziehung eingehen. Punk- ihr? Denn die Schrift sagt: ›Die zwei werden tuelle Begegnungen (»one-night-stands«, ›ein‹ Fleisch sein‹ [1.Mose 2,24]. Wer aber Promiskuität) hält man für geringerwertig dem Herrn anhängt, der ist ›ein‹ Geist mit ihm. als länger währende Beziehungen begrenzter Flieht die Hurerei! Alle Sünden, die der Mensch Dauer. Prostitution lehnt man zwar für sich tut, bleiben außerhalb des Leibes; wer aber Huselber ab, ist aber diesem gesellschaftlichen rerei treibt, der sündigt am eigenen Leibe. Oder Phänomen gegenüber tolerant. Es fällt auf, wisst ihr nicht, dass euer Leib ein Tempel des wie sehr Toleranz bei vielen unbedacht an Heiligen Geistes ist, der in euch ist und den ihr die Spitze ihrer Wertpyramide zu rücken ten- von Gott habt, und dass ihr nicht euch selbst gediert. Es wird weniger gefragt, was toleriert hört? Denn ihr seid teuer erkauft; darum preist Gott mit eurem Leibe« (1.Korinther 6,16–20). wird, wenn einer nur überhaupt tolerant ist. Die Leiber getaufter Christen sind »Tempel WW Verlangen nach und andererseits Scheu vor Verbindlichkeit: Zur Ehe und eigenen Kin- des Heiligen Geistes«, nicht nur Mittel zum dern hat man zwar eine positive Einstellung Lustgewinn. Die bloße Benutzung des Leibes und wünscht sie auch für sich selbst, steht aber eines anderen widerstreitet beider Personenunter dem Eindruck der hohen Scheidungsra- würde und erst recht beider Christenwürde. Der grundlegendste Gedankengang findet te und fürchtet, sich festzulegen. Im Scheitern sich bei Jesus selbst. In Markus 10,2–9 antworvon Ehen sieht man fast den Normalfall. WW Gleichwertigkeit von Beziehungsformen: Man tet er auf die Einzelfrage nach der Erlaubtheit schätzt zwar die Ehe, lehnt es aber ab, andere der Ehescheidung, indem er unter Bezugnahme Beziehungsformen von ihr her abzuwerten. auf die Schöpfungserzählungen (1.Mose 1,27 Nichteheliche Sexualität gilt als selbstver- und 2,24) die Grundstruktur des Geschlechterverhältnisses aufzeigt: ständlich. Informationsbrief 281

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»Die Pharisäer traten zu ihm und fragten: Ehe ist die dauerhafte und ausschließliche, lie›Ist es einem Mann erlaubt, sich von seiner Frau bende und für Kinder offene Verbindung eines zu trennen?‹ Er antwortete ihnen mit einer Ge- Mannes mit einer Frau. genfrage: ›Was hat euch Mose geboten?‹ Sie Diese Definition enthält Maßstäbe (Kriterierwiderten: ›Mose hat erlaubt, ihr eine Schei- en) für das Sexualverhalten, die etwas zu erläudungsurkunde auszustellen und sie dann weg- tern sind: zuschicken.‹ Jesus sagte zu ihnen: ›Wegen eurer WW Dauerhafte Verbindung: Von der konkreten Hartherzigkeit hat euch Mose Frage nach der Erlaubtheit der dieses Gebot aufgeschrieben. mm Wo Liebe im Spiel Ehescheidung geht Jesus auf Vom Ursprung der Schöpfung ist, stellt sich nur selten das Wesen der ehelichen Verbinher schuf Gott den männlichen dung zurück. Sie gründet sich und den weiblichen Menschen. die Frage, wer sich bei nicht nur auf die Entschlüsse Deshalb wird ein Mann seinen Meinungsverschieden­ der beiden Eheleute, sondern Vater und seine Mutter verlaswird von Gott gestiftet. Der heiten durchsetzt. Liebe sie sen und seiner Frau anhaften. Wille Gottes kann von MenDie beiden werden zu einem schließt die Achtung schen nicht einfach widerrufen Fleisch werden. So sind sie nicht des Anderen als gleich­ werden. Die Jünger verweisen mehr zwei Wesen aus Fleisch Jesus darauf, dass der Wille zur und Blut, sondern eines. Was wertiger Person ein und Dauer nicht von allen Ehepaaren also Gott zusammen gefügt hat, Rangstreitigkeiten aus. leicht durchzuhalten ist. »Wenn soll der Mensch nicht trennen.‹« Christen können sich es so um Mann und Frau steht, Aus diesen wenigen Worten dann ist es wohl besser, nicht zu Jesu ergibt sich alles, was christ- in der Ehe über unter­ heiraten« (Matthäus 19,10). Jelich zu sexualethischen Themen schiedliche Aufgaben sus nennt daraufhin als einzige zu sagen ist. Die Argumentati- einigen. Alternative die Ehelosigkeit, die, on Jesu kann nicht nur wegen wenn sie um des Himmelreiches seiner einzigartigen Autorität Verbindlichkeit willen gewählt wird, sogar den Vorzug verbeanspruchen, sondern sie leuchtet auch ein. dient. Die oben genannte »serielle MonogaMoralische Leitvorstellungen unterscheiden mie« (bzw. »Polygamie«) steht zu dem Krisich zwar in verschiedenen Kulturen und wanterium der Dauer ebenso im Gegensatz wie deln sich im Laufe der Geschichte, es gibt aber punktuelle Begegnungen und Prostitution. auch unwandelbare Strukturen des Menschseins. WW Ausschließliche Verbindung: Dieses Kriterium Dazu gehört das Gegenüber der Geschlechter, schließt nicht nur Ehebruch, sondern auch ihre wechselseitige Anziehung und ihre leibliche Vereinbarungen über eine »offene Ehe« aus. Vereinigung. An diesem offensichtlichen SachZur Ehe gehört Treue mit Leib und Seele. verhalt gibt es nichts zu deuteln. Er ist gleichSie bildet einen Intimraum, aus dem Dritte sam ideologieunabhängig. Jesus liest daran aber auszuschließen sind. auch ethische Folgerungen ab: Mann und Frau, WW Liebende Verbindung: Mann und Frau heidie ehelich zusammenkommen, bilden eine neue raten, weil sie sich mit Leib und Seele zuei­ Lebenseinheit, die den Vorrang vor allen andenander hingezogen fühlen (Eros). Die beiden ren Bindungen hat, auch vor der an die Eltern. Personen wollen sich ganzheitlich nahe sein. Diese neue Lebenseinheit ist jeder menschlichen Diese Anziehung ist so stark, dass sie sogar Verfügung entzogen und nicht mehr rückgängig die Verbundenheit mit den Eltern lockert. zu machen. Wer diese neue, auf Dauer angelegWo Liebe im Spiel ist, stellt sich nur selten te Lebenseinheit zerstören will, widersetzt sich die Frage, wer sich bei Meinungsverschiedendem Willen des Schöpfers. Sie ist so wenig trennheiten durchsetzt. Liebe schließt die Achtung bar, wie daraus hervorgehende neue Wesen. In des Anderen als gleichwertiger Person ein dem Textzusammenhang, dem Jesus seine Zitaund Rangstreitigkeiten aus. Christen können te entnimmt, ist ja auch von Nachkommen die sich in der Ehe über unterschiedliche AufgaRede. So wie ein Mensch nicht zerteilt werden ben einigen. kann, so kann es auch das Paar nicht, dem er entDass Prostitution dem Kriterium »liebende stammt. Die neue Lebenseinheit entsteht zwar Verbindung« am deutlichsten widerspricht, durch den Willen des Paares, ist ihm dann aber ist offensichtlich. Der Freier liebt die Hure verbindlich vorgegeben. Jesus gebraucht zwar nicht, sondern will nur ihren Leib zwecks an dieser Stelle das Wort »Ehe« nicht, setzt aber Lustgewinns benutzen, die Hure liebt ihn einen Ehebegriff voraus. Zu seinen Worten passt nicht, sondern vermietet ihren Leib für mateetwa folgende Begriffsbestimmung: rielle Vorteile. Von »Liebe« kann aber auch in 10

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einer Verbindung nur eingeschränkt die Rede sein, in der mit einer beschränkten Dauer und der Ablösung durch eine weitere gerechnet wird. WW Für Kinder offene Verbindung: Ganz offensichtlich ist der biologische Sinn der Sexualität die Zeugung von Nachkommen. Sie dient der Erhaltung der Art. Es ist deshalb widersinnig, wenn ein Paar außer aus schwerwiegenden Gründen auf Kinder verzichtet. Wie schwer die Gründe wiegen, ist eine Frage für die persönliche Gewissensentscheidung. Der Mensch ist aber nicht nur ein biologisches, sondern ein denkendes, fühlendes und wollendes Wesen, eine Person. Die Sexualität gehört in den Rahmen der liebenden Kommunikation der Eheleute, die ihre Verbundenheit ausdrücken und einander Lust und Freude an ihrer Leiblichkeit schenken wollen. Es muss deshalb nicht jede Begegnung mit einer Zeugungsabsicht verbunden, wohl aber die Ehe als Ganze für Nachwuchs offen sein. Es geht nicht einfach nur biologisch um Fortpflanzung, sondern um verantwortliche Elternschaft. Dem Kriterium der Offenheit für Kinder widersprechen alle nichtehelichen Beziehungen. Es gibt zwar den Fall, dass eine Frau für sich ein Kind, aber keinen Mann als dauerhaften Partner will; doch ist die Beziehung zwischen Vater und Kind ebenso im Wesen der Dinge, der Natur, der Schöpfung begründet, wie die Beziehung zwischen Mutter und Kind. Ein Kind braucht und hat ein Recht auf beide Eltern. WW Verbindung eines Mannes mit einer Frau: Das in der Schöpfung angelegte Gegenüber der Geschlechter zielt auf die Vereinigung von Mann und Frau in der Ehe. Sie hat den Vorrang vor allen anderen Beziehungen wie Verwandtschaft, Freundschaft oder Arbeitsgemeinschaft. Wer den anderen – im Sinne erotischer Liebe – liebt, will ihn für sich allein haben. Das ist der positive Sinn von Eifersucht. Bekanntlich wird solche im Alten Testament auch Gott zugeschrieben. Er will sein Volk für sich allein haben. Deshalb schließt gleich das erste Gebot die Verehrung anderer Götter aus. Die Beziehung zwischen Christus und der Gemeinde wird im Neuen Testament mit einer Ehe verglichen (Epheser 5,22–33). Für Christen gilt Solus Christus – Christus allein! Negativ ist Eifersucht zu bewerten, wenn sie Misstrauen ausdrückt. Misstrauen und Liebe passen kaum zusammen. Dem Kriterium »Verbindung eines Mannes mit einer Frau« widerstreitet am meisten homosexuelles Verhalten. Es ist offensichtlich, dass der Informationsbrief 281

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Schoß der Frau darauf angelegt ist, das männliche Glied aufzunehmen. Ein ähnliches Zuei­ nander von Organen zweier verschiedener Menschen gibt es sonst nicht, weder bei zwei Frauen noch bei zwei Männern. Es kann zwar eine tiefgehende und erfüllende Freundschaft zwischen Menschen gleichen Geschlechtes geben, sie kann sich aber nicht in ähnlicher Weise leiblich ausdrücken wie zwischen Mann und Frau. Wo es versucht wird, geschieht es nach Paulus parà phýsin, an der Natur vorbei, contra naturam. Inzwischen hat sich aber die irrige Meinung verbreitet, eine homosexuelle Veranlagung sei nicht frei gewählt, sondern schicksalhaft mitgegeben. Deshalb sei es selbstverständlich, dass so Veranlagte in ihrer Menschenwürde genauso geachtet werden wie andere. Es entspreche einer demokratischen Gesellschaft auf Repressalien jeglicher Art gegen Homo-Orientierte zu verzichten, es sei denn ihr Verhalten beträfe Minderjährige oder sonstige nicht Einwilligungsfähige. Kirche und Gesellschaft sind aber nicht deckungsgleich. Was in der Gesellschaft, beispielsweise für weltliche Arbeitgeber gilt, muss nicht auch in der Kirche gelten. Homo-Orientierte, die ihre Neigung praktizieren wollen, zu ordinieren und im Pfarrhaus zusammenwohnen zu lassen, kann einer Kirchenleitung, welche Schrift und Bekenntnis als verbindlich ansieht und darauf ordiniert, unmöglich erlaubt sein. Der Unterschied zwischen Kirche und Gesellschaft muss klar sein. Die Ehe, deren Grunddaten Jesus in dem zitierten Markus-Text hervorhebt, ist der Maßstab für die Bewertung aller sexueller Verhaltensweisen. Je weiter sie von ihr entfernt liegen, desto negativer sind sie zu bewerten. Gegen das Kriterium »dauerhafte Lebenseinheit« verstößt am eklatantesten die Prostitution, gegen das Kriterium »Gegenüber der Geschlechter« das homosexuelle Verhalten. Es gibt deshalb keine theologischen Argumente, mit denen solche Verhaltensweisen aufgewertet werden könnten. Prostitution und homosexuelle Praxis stellen die negativen Endpunkte von Skalen dar, an deren positivem Endpunkt die Ehe im dargestellten Verständnis steht. Man muss sich aber bei der Besinnung auf ethische Fragen vor einem Entweder-Oder-Denken hüten. Theologisch ist darauf zu bestehen, dass die sexuelle Beziehung ausschließlich in eine Verbindung gehört, deren Verbindlichkeit auch nach außen geklärt ist, d. h. eben in die Ehe. An dieser Lehre festzuhalten, mag vielen Zeitgenossen als hart erscheinen. Christen haben aber nicht die Vollmacht, vor dem Zeitgeist zurückzuweichen. 11


Aufgaben christlicher ­Verkündigung lasse sich – so ein Dekan mündlich – in dieser

Hinsicht »nicht zurückdrehen«. Es obliegt jedem bewussten und theologisch Der dogmatische und erst recht der ethische mitdenkenden Christen, die christliche Leit- Relativismus des Zeitgeistes hat weithin auch auf vorstellung zur Ehe so deutlich zu vertreten kirchliche Amtsträger übergegriffen. Etliche falwie andere Inhalte christlichen Glaubens. Den len für die Aufgabe, den Christen und darüber Glauben bekennen heißt allerhinaus auch den Nichtchristen dings nicht andere bedrängen, mm Es geht keineswegs religiös-ethische Orientierung sondern sie zum Glauben einla- an, dass ein Geistlicher zu liefern, nicht nur aus, sonden. Sexualethisch geht es nicht äußern öffentlich Auffasfür erlaubt erklärt, worin dern darum, dass Menschen, besonsungen, die, wenn nicht alle, ders junge, ihre Sexualität ver- er selbst gefehlt hat. Das dann doch viele Spatzen von drängen, sondern dass sie sich Gesetz Gottes ruft auch den meisten Dächern, auch Kirso mit dem Leitbild der Ehe chendächern, pfeifen. erfüllen, dass es ihnen lohnend ihn zur Buße. Glaubwür­ Hohe Kirchenvertreter solerscheint, auf sie hin zu leben digkeit gewinnt er da­ len auf dem letzten Kirchentag und eine Lebensphase sexueller durch, dass er sich dazu geäußert haben – ich formuliere Enthaltsamkeit durchzustehen. bewusst so und nenne keine NaIn der Gegenwart ist es sehr rufen lässt, nicht da­ men, weil ich es für schier unschwer, christlich zu denken durch, dass er christliche glaublich halte – zur Buntheit und zu leben. Hier darf die Kriterien als Wegwei­ der Schöpfung gehörten auch Gewalt des Zeitgeistes nicht vielfältige Formen von »Liebe«, unterschätzt werden. Dies be- ser im und zum Leben wie Polyamorie (gleichzeitige trifft besonders auch das Thema einfach als »zeitbedingt« Beziehungen zu mehreren ohne Sexualität. Massenmedien und Heimlichtuerei), Homosexubeiseiteschiebt. Wenn Werbung bombardieren uns fast alität oder Bisexualität. Demunablässig mit sexuellen Reizen etwas »zeitbedingt« ist, gegenüber ist hervorzuheben, und Informationen über das Se- dann ist es gerade der dass ein ordinierter Amtsträger xualverhalten der Zeitgenossen. mit solchen Äußerungen gegen Gar manche Jugendliche quält willkürliche Umgang mit seine Verpflichtung auf Schrift sich mit der Frage, ob sie mit 18 der überlieferten »ge­ und Bekenntnis verstößt. Die bis 20 Jahren als Jungfrau noch sunden Lehre«. christliche Auffassung von der normal sei. Ehe als allein gültigem Rahmen Bezeichnend ist der Bedeusexuellen Lebens und als Beurtungswandel, den das Wort »Freund« in den teilungsmaßstab für sexuelle Verhaltensweisen letzten Jahrzehnten durchgemacht hat. Es steht gehört zum Grundbestand christlicher Lehre, hauptsächlich für »Sexualpartner« und führt, in wie er sie öffentlich zu vertreten hat. Wenn er der früheren, von sexuellen Assoziationen frei- das nicht kann oder nicht will, sollte er sein Amt en Bedeutung verwendet, leicht zu oft peinli- aufgeben oder daraus entfernt werden. Vor alchen Missverständnissen. Es gilt als fast schon lem darf er nicht seine eigenen Defizite zum unmöglich, in manchen Lebensabschnitten ent- Maßstab seiner Verkündigung machen. Auch haltsam zu leben. Im gesellschaftlichen Raum der Geschiedene hat bei einer Trauung die agenund in den weltlichen Medien ist das Christen- darische Formel »… bis der Tod euch scheidet« tum nicht nur weithin abwesend, sondern auch zu verwenden. Es geht keineswegs an, dass ein teils versteckten, teils unverblümt offenen An- Geistlicher für erlaubt erklärt, worin er selbst gegriffen ausgesetzt. fehlt hat. Das Gesetz Gottes ruft auch ihn zur Der gegenwärtig verbreitete Wertrelativis- Buße. Glaubwürdigkeit gewinnt er dadurch, dass mus hat, besonders was sexualethische Fragen er sich dazu rufen lässt, nicht dadurch, dass er anlangt, auch die Kirche überschwemmt. Weit- christliche Kriterien als Wegweiser im und zum hin sehen auch bewusst christliche Eltern kein Leben einfach als »zeitbedingt« beiseiteschiebt. Problem mehr darin, dass der »Freund« in ihrer Wenn etwas »zeitbedingt« ist, dann ist es geraWohnung bei ihrer Tochter übernachtet. Soweit de der willkürliche Umgang mit der überlieferauf die Bibel und ihre Auslegungstradition ge- ten »gesunden Lehre« (1.Timotheus 1,11), die stützte christliche Positionen überhaupt noch er unversehrt zu bewahren (1.Timotheus 6,20) bekannt sind, werden sie mit einem legeren und nicht etwa aus Eigeninteresse oder um bei Hinweis auf ihre »Zeitbedingtheit« beiseitege- Zeitgenossen nicht anzuecken, zu verdünnen W schoben. Man müsse »modern« sein, die Zeit hat. 12

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Was feiern wir eigentlich 2017? Gedanken zum Lutherjahr Bernhard Bonkhoff

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ubiläen in der evangelischen Kirche haben ein doppeltes Gesicht. Sie waren und sie sind Vergegenwärtigung der großen Taten Gottes in seiner Kirche auf ihrem Weg durch die Zeit. So ist Martin Luthers Thesenanschlag auch 1617, 1717, 1817 und 1917 gefeiert worden. In gedruckten Predigten und wissenschaftlichen Abhandlungen wurde für die damalige Gegenwart Luthers mutige Tat nachvollziehbar gemacht und vertieft. Es wurden Münzen und Medaillen geprägt und Stiftungen vorgenommen, etwa neue Altarbibeln, Orgeln und Glocken, neues Abendmahlsgeschirr, Gemälde und sogar neue Kirchenbauten. Man feierte nicht nur die Vergangenheit, sondern diese Feiern trugen auch Früchte für die eigene Gegenwart: »Schaut den Fels an, aus dem ihr gehauen seid und des Brunnens Schacht, aus dem ihr gegraben seid« (Jesaja 51,1). Das war, ganz anders als heute, keine Public Relations kirchenleitender Organe oder bezahltes Produkt kommerzieller Werbeagenturen auf Hochglanzpapier. Das waren sichtbare Zeichen des pulsierenden geistlichen Lebens in den Kirchengemeinden. Seitdem aber die evangelische Kirche in der Epoche der Hochindustrialisierung große Teile ihres Kirchenvolkes verlor und ihr als Staatskirche Finanzmittel zuwuchsen, die nicht als Almosen, Kollekte, Vermächtnis oder Stiftung an sie gelangte, besaß sie einen Reichtum, der ihr selten guttat. Es wurden Prachtbauten errichtet und Denkmäler gesetzt, die zum tatsächlichen Leben in den Kirchengemeinden in einem Missverhältnis standen und deren Unterhaltung die heutigen Gemeinden nicht selten überfordert. Es begann die Zeit der Jubiläen. Das offizielle kaiserliche Deutschland kam aus dem Fei-

Bernhard Bonkhoff Die Anschrift des Autors finden Sie auf Seite 30 Informationsbrief 281

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ern kaum noch heraus: 1863 das Lutherdenkmal in Worms, Luthers 400. Geburtstag 1883, Zwinglis Geburtstag 1884, die Einweihung der Gedächtniskirche zu Speyer 1904, Calvins 400. Geburtstag 1909, die ständigen Jahresfeste des »Evangelischen Bundes zur Wahrung der deutsch-protestantischen Interessen«, der Inneren und der Äußeren Mission, des GustavAdolf-Vereins und weitere Jubiläen, die bald als »Protestanten-Kirchweih« apostrophiert wurden. Und gleichzeitig verlor diese feiernde Kirche die eigene Gegenwart und ihr eigenes Volk. Aber auch nachdem der Hochglanz-Lack des kaiserlichen Deutschlands mit dem Ausgang des Ersten Weltkrieges von der Kirche abgeplatzt war, ging diese Feier(un)kultur nach 1918 weiter: Es begann 1921 der Kirchentag; 1929 wurde die Wiederkehr der Speyrer Protestation als Großveranstaltung begangen, 1930 dann das Augsburger Bekenntnis und 1934 Luthers Bibelübersetzung von 1534. Aber nun war Kirchenkampf angesagt: Die Gegenwart hatte die ihre Vergangenheit feiernde evangelische Kirche eingeholt. Im Blick auf die 500. Wiederkehr des Thesenanschlags 2017 muss sich unsere Kirche fragen lassen: Sind wir eine feiernde oder eine kämpfende Kirche? Schaffen wir uns »unseren« Luther, der so recht in diese Zeit passt und kirchlich alles abnickt, was innerhalb der evangelischen Kirche in den letzten Jahren als »neue Lehre«, also als Neologie, Einzug gehalten hat? Ihm würde die Zornesröte ins Gesicht steigen angesichts des Büchleins in gerechter Sprache, das an etlichen Orten bereits an die Stelle von Luthers Deutscher Bibel tritt. Er würde nach dem von ihm begründeten evangelischen Pfarrhaus fragen, das derzeit in allerhand Lösungsmitteln aufgeweicht und aufgelöst wird. Vielleicht würde Luther neue 95 Thesen anschlagen und es würde zu einer Sammlung der Gutwilligen kommen, die mit Ernst Christen sein wollen. Luther heute! Er würde danach fragen, wo sich die evangelische Kirche um die reine Lehre kümmert und wo nicht. Aber vielleicht käme es gar nicht so weit, denn mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit würde er die Einstellungsgespräche, die Examina und die Zeit im Predigerseminar mit seiner 13


Einstellung nicht bestehen können: Martin Luther in der evangelischen Kirche außen vor? Wir sollten uns schämen für die Lutherfiguren aus Plastik, für das Lutherbonbon und das Lutherbier, den Lutherschmaus und die Luther-Theaterstücke, die größeren und kleineren touristischen Events und Plattitüden der kirchlichen und außerkirchlichen Geschäftemacher und Selbstdarsteller. Alles Jubilieren, das nicht zur Lektüre und zu einer erneuten Beherzigung von Luthers Schriften, voran seines Katechismus, führen wird, sollte uns angesichts der kirchengemeindlichen Wirklichkeit gründlich vergehen. Luther machte nicht die mittlere Ebene stark, sondern die Gemeinde vor Ort. Luther redete ein deutliches, allgemein verständliches Deutsch, das von hoch und niedrig verstanden wurde. Seine Reformation war nicht nur im Bildungsbürgertum gehört worden. Luther hat die Kirche zu ihren biblischen Wurzeln zurück-

geführt, reformiert. Eine Kirche, die nur noch ihren Dienern dient, ist nicht mehr Luthers Kirche. Vielleicht wird das Lutherjahr 2017 ähnlich wie das Lutherjahr 1917 auch ein Jahr des Aufbruchs im deutschen Protestantismus, als mitten in einer verweltlichten, aufgeklärten Kirchenlandschaft die großenteils von Laien getragene Erweckungsbewegung sich Bahn brach, die sich schnell zu einer Wiederentdeckung des reformatorischen Bekenntnisses weiterentwickelte. Der große Lutherforscher Karl Holl sagte beim Lutherjubiläum 1917: Einen Größeren als ihn hat der deutsche Protestantismus nicht mehr hervorgebracht. Unsere Kirche aber wird das Wort des erhöhten Christus bei diesem anstehende Jubiläum hören müssen: »So denke nun daran, wovon du abgefallen bist, und tue Buße« (Offenbarung 2,5). W

Jesus oder Isa Hanns Leiner

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esus kommt im Koran unter dem verkürzten Namen Isa eine ganze Reihe von Malen vor. Von daher kennen die Muslime seinen Namen. Dass sie überhaupt Kenntnis von Jesus haben, ist auch nicht weiter verwunderlich, wenn man die Geschichte betrachtet: Im 4. Jahrhundert wurde der christliche Glaube zur Staatsreligion des römischen Reiches, d. h. alle Länder rings um das Mittelmeer (und teilweise darüber hi­ naus) wurden christlich oder es gab dort wenigstens einzelne christliche Gemeinden. Das galt auch für den ganzen Vorderen Orient, speziell auch für Arabien, die Heimat Mohammeds (ca. 570–632). Deshalb kannte er auch Chris-

ten; möglicherweise war sogar ein Schwager von ihm ein christlicher Priester. Zudem begegnete Mohammed auf seinen Handelsreisen Christen und Juden und erfuhr von ihnen manches über die biblische Religion, besonders auch über Jesus. Es bedurfte dazu gar nicht erst einer göttlichen Offenbarung. Diese Kenntnisse haben auch Eingang gefunden in eine Reihe von Suren des Koran. Das zu wissen ist für uns auf jeden Fall von großer Bedeutung, wenn wir in ein Gespräch über den Glauben mit Muslimen eintreten wollen. Dazu ist es notwendig, dass wir das Bild kennen, das sie von Jesus/Isa haben.

Islamische Aussagen über Isa im Koran

Hanns Leiner Die Anschrift des Autors finden Sie auf Seite 30

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Geburt und Kindheit Es gibt in Sure 19 so etwas wie eine eigenartige Parallele zur Vorgeschichte des Lukasevangeliums: Es heißt dort: »Und gedenke auch im Buche der Maria […] Da sandten wir unseren Geist zu ihr, und er erschien ihr als ein vollkommener Mann […] Der sprach: ›Ich bin ein Gesandter von deinem Herrn, um dir einen reinen Oktober 2013

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Salih Ucar / pixelio.de

Jesus kommt im Koran unter dem verkürzten Namen Isa eine ganze Reihe von Malen vor. Von daher kennen die Muslime seinen Namen. Knaben zu bescheren.‹ Sie sprach: ›Woher soll mir ein Knabe werden, wenn mich kein Mann berührt hat und ich keine Dirne bin?‹ Er sprach: ›Gesprochen hat dein Herr: ›Es ist mir ein Leichtes‹; und wir [Allah] wollen ihn zu einem Zeichen für die Menschen machen und einer Barmherzigkeit von uns‹ […] Und so empfing sie ihn und zog sich mit ihm an einen entlegenen Ort zurück.« Sie gebar das Kind unter einer Palme, ist verzweifelt und wird wunderbar gespeist und getränkt. »Dann brachte sie ihn zu ihrem Volk, ihn tragend. Sie sprachen: ›O Maria, fürwahr du hast ein sonderbares Ding getan!‹ […] Da deutete sie auf ihn. Sie sprachen: ›Wie sollen wir mit ihm, einem Kind in der Wiege, reden?‹ Er [Isa] sprach: ›Siehe, ich bin Allahs Diener. Gegeben hat er mir das Buch [das Evangelium] und machte mich zum Propheten […]‹ Dies ist Isa, der Sohn der Maria – und das Wort der Wahrheit, das sie bezweifeln« (Sure 19,16–35 in Auszügen). Der Koran kennt also die Jungfrauengeburt und vertritt sie. Allerdings hat das für ihn nichts mit dem Wesen des Kindes zu tun und begründet keineswegs ein besonderes Verhältnis zwischen Isa und Allah. Es handelt sich lediglich um den Ausdruck der völlig überlegenen, absoluten Allmacht Allahs. »Allah schafft, was er will; wenn er etwas beschlossen hat, spricht er zu ihm: ›Sei!‹ und es ist« (Sure 3,42). Jesus verteidigt hier als Säugling selbst seine Mutter gegen die Vorwürfe der Familie. Dieser miraInformationsbrief 281

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kelhafte Zug der Geschichte widerspricht der wahren Menschheit des Menschgeborenen. Die Geschichte enthält völlig unrealistische, legendäre Züge wie eben einen sprechenden Säugling. Das, was er sagt, entspricht übrigens genau der islamischen Sicht Isas: Er ist zum Propheten berufen und er besitzt ein Offenbarungsbuch, gemeint ist das Evangelium. Das ist natürlich ganz ungeschichtlich, da die Evangelien erst nach dem Leben Jesu entstanden sind und rückblickend sein Leben und Wirken aufgezeichnet haben. Die koranische Nachricht über die Geburt Isas geht übrigens auf das apokryphe Thomasevangelium der Kindheit Jesu zurück. Außerdem findet sich im Koran aus derselben Quelle noch so eine übertrieben wunderhafte Geschichte aus der Kindheit Isas: Als Knabe spricht er: »Seht, ich bin zu euch mit einem Zeichen von eurem Herrn gekommen. Seht, ich erschaffe für euch aus Ton die Gestalt eines Vogels und wenn ich in sie hauche, so soll sie mit Allahs Erlaubnis ein [lebendiger] Vogel werden« (Sure 3,43). Was sollen die Menschen von dieser seltsamen, unglaubwürdigen Geschichte haben? Isa –– der Prophet Der erwachsene Isa wird im Koran häufig – wie es hier schon der Säugling Isa sagt – Prophet oder Gesandter Allahs genannt. Auch andere Ehren- und Würdenamen finden sich hier für ihn: »Ein gesegneter Allahs«, »vom heiligen Geist gestärkt«, »ein Bestätiger der Tora«, »der 15


von Allah Erhöhte«, »einer der Allah Nahen« oder wiederholt auch der »Messias«, ohne dass irgendwo deutlich oder erklärt würde, was das heißt. Immer bleibt es jedoch im Koran dabei, dass Isa in erster Linie ein treuer Diener oder Knecht Allahs war und sich nur als solcher bezeichnet, nicht als Sohn Allahs. Deswegen wird von Anfang an und durchgehend im Koran bestritten, dass er »Allahs Sohn« sei (Sure 4,171f.; 9,30f.; 19,35 u. ö.). Das liegt einmal an dem strengen, überzogenen Monotheismus des Islam und auch daran, dass Mohammed die »Sohnschaft« sich zu biologisch-menschlich vorstellt, ähnlich wie bei den Göttinnen in Mekka oder den Göttersöhnen in anderen Religionen, die Mohammed bekämpfte. Diese falsche Vorstellung zu kritisieren und zu verneinen, darin muss man Mohammed sogar zustimmen. Leider hat er jedoch nicht erkannt, dass der christliche Glaube es eben nicht so meint. In diesem Zusammenhang wird öfter eine lange Reihe von Propheten genannt, die aus dem Alten Testament stammen. Sie alle hätten im Wesentlichen nur eine Botschaft verkündet: Die Predigt von der Einzigkeit Allahs und dessen Willen. Dabei werden sie alle recht pauschal »Propheten« genannt, obwohl es sich nach biblischem Verständnis um ganz verschiedene Gestalten handelte: Patriarchen, Könige, Psalmbeter und dann auch echte Propheten. Man merkt hier deutlich, wie oberflächlich die Kenntnisse Mohammeds vom Alten Testament sind. Unter diese Gestalten der Vergangenheit wird nun auch Jesus eingereiht. Im Bezug zu Mohammed selbst wird Isa als dessen letzter Vorläufer angesehen. Der Gesetzesprediger Als Prophet legt Isa auch den Willen Allahs aus, wie das Judentum vor ihm. Er kommt deshalb als »Bestätiger der Tora, die vor ihm war« (Sure 3,44). Mohammed sieht ihn also als einen Gesetzeslehrer und Bußprediger, wie er selber einer war, in Kontinuität mit dem Alten Testament. Interessant ist dabei, dass zugleich von Isa gesagt wird, er sei auch gekommen, um »euch einen Teil dessen zu erlauben, was euch verboten war« (Sure 3,44), was nicht zum Bestätiger der Tora passen will. Leider wird das nicht näher ausgeführt. Anscheinend hatte Mohammed eine Nachricht darüber, dass Jesus in Bezug auf die Ritual- und Reinheitsgesetze überraschend großzügig war. Für den biblischen Jesus nicht zutreffend und befremdend ist dagegen folgender Satz: »Ich verkündige euch, was ihr esset und was ihr in euren Häusern speichert« (Sure 3,43). 16

Dass Jesus Jünger um sich versammelt, kommt auch vor, allerdings ohne Namen und sehr pauschal: »Wer ist mein Helfer [auf dem Weg] zu Allah? Die Jünger sagten: ›Wir sind Allahs Helfer; wir glauben an Allah und du sollst bezeugen, dass wir [ihm] ergeben sind‹« (Sure 3,45). Isa selbst als ihr Vorbild und Meister, dem sie nachfolgen sollen, spielt hier aber keine Rolle. Von ihrem Versagen oder Nichtverstehen hört man hier allerdings auch nichts. Als grundlegend für seine Botschaft wird immer wieder im Koran das »Evangelium« genannt. Mohammed versteht das so: Jeder der drei letzten großen Propheten, Mose, Isa und er selber, hat von Gott ein Buch mit dem Inhalt der Botschaft bekommen. Mose die Tora, Isa das Evangelium und er den Koran. Der Inhalt der drei sei derselbe, nämlich Allahs Gesetz oder Willen, den es zu verkündigen und zu erfüllen gilt. »Und Er [Allah] wird ihn [Isa] das Buch lehren und die Tora und das Evangelium« (Sure 3,43). Diese Charakterisierung der Predigt Jesu zeigt, wie wenig Mohammed von ihm weiß und dass er ihn nicht verstanden hat. Einmal war Jesus nicht abhängig von einem Buch, sondern predigte »mit Vollmacht«, und vor allem enthält das Evangelium, das von ihm selbst zeugt, keineswegs ausschließlich Gesetz, sondern vor allem wirklich Evangelium (frohe Botschaft) von dem Erlösungshandeln Gottes durch ihn. Aber diese wahre Wortbedeutung blieb Mohammed offenbar verborgen. Er missversteht es als Gesetzbuch wie die Tora und den Koran. Der Wundertäter Immerhin weiß Mohammed auch von Wundertaten Isas etwas. Schon der Knabe Isa bezeugt seltsamerweise: »Ich heile den Blindgeborenen und den Aussätzigen und mache die Toten mit Allahs Erlaubnis lebendig« (Sure 3,43; 5,109). Allerdings geschieht das nur »mit der Erlaubnis Allahs« und Mohammed versteht diese Wunder fast immer als so genannte »deutliche Zeichen«, d. h. als zeichenhafte Hinweise auf seine ihm von Gott verliehene Autorität und Macht. Die Wunder sind gewissermaßen Wunderbeweise, die ihn legitimieren sollen: »Wahrlich, darin ist ein Zeichen für euch, wenn ihr gläubig seid« (Sure 3,43). Doch nicht einmal das hilft immer: »Als du zu ihnen mit deutlichen Zeichen kamst und die Ungläubigen unter ihnen aber sagten: ›Das ist nichts als offenkundige Zauberei‹« (Sure 5,109). Immer wieder heißt es: »Wir [Allah] gaben Isa, dem Sohn der Maria, die klaren Beweise« (Sure 2,81). Oder: »Wir gaben Isa […] die deutlichen Zeichen und stärkten ihn mit dem heiligen Geist« (Sure 2,254). Oktober 2013

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Diese Wiederholungen machen klar, wie wichtig dieser Gedanke Mohammed war. Der mächtige Allah muss durch diese Wunderbeweise Isas sichtbar werden und seine Gegner überzeugen und überwinden. Allah muss siegen und verleiht auch seinem Boten den Sieg. Dazu gibt er ihm die Wunderkraft.

persönlichen Züge. Wir finden keine Namen (außer Maria), weder von den übrigen Angehörigen, noch von den Jüngern, noch von Orten, an denen Isa lebte und wirkte, noch von den Gruppen des Judentums, mit denen er es zu tun hatte; es gibt keine Lehr- oder Streitgespräche, wir erfahren nichts von dem eigentlichen Inhalt seiner Predigt; alles Ohne Kreuz bleibt blass und leblos und Das wirkt sich dann besonstereotyp. Der Koran bietet ders stark am Ende der Wirk­ uns von Isa kaum mehr als ein samkeit Isas aus: Er darf auch dürres Gerippe, ihm fehlt jede da nicht besiegt werden, d. h. echte Lebendigkeit, übrigens er darf nicht am Kreuz sterauch jede Anteilnahme oder ben. Konsequenterweise beZuwendung Isas zu den Menstreitet der Koran den Kreuschen. zestod Isas: »Sie [die Juden] Wenn wir uns für einen sagen: ›Wir haben den Messias Moment vorstellen würden, Isa, den Sohn der Maria, und dass wir nur diese islamische den Gesandten Allahs getöÜberlieferung von Isa besätet‹; aber sie haben ihn [in ßen, müsste man sagen: Wir Wirklichkeit] nicht getötet würden ihn überhaupt nicht und auch nicht gekreuzigt. richtig kennen, das WesentliVielmehr erschien [ein ande- Das Kreuz ist für ­Mohammed che würde fehlen, nämlich die rer] ihm ähnlich, so dass sie nur das Zeichen des Scheiterns Liebe und Barmherzigkeit, mit ihn verwechselten und töte- und der Schwachheit. Deswegen der er den Verlorenen nachten [...] Und sie haben ihn ertragen Muslime dieses zentrale, gegangen ist. Umso mehr genicht mit Gewissheit getötet. christliche Zeichen nicht und ver- winnen die neutestamentlichen Nein, Allah hat ihn zu sich [in bieten es zu zeigen, wo sie über die Geschichten und Erzählungen den Himmel] erhoben. Allah Macht dazu verfügen. an Wert und Bedeutung, die ist mächtig und weise« (Sure wir in der Bibel von Jesus ha4,156). ben, weil sie uns eben all das bieten, was wir am Diese Bestreitung der Kreuzigung Isas kann koranischen Bild Isas vermissen müssen. nicht aufgrund von zuverlässigen historischen Nachrichten erfolgt sein, da Mohammed nach Das christliche Jesusbild 600 Jahren in großer Entfernung von dem Geder Evangelien schehen, über solche nicht verfügen konnte. Dahinter steht vielmehr die theologi­sche Über- Plastische Erzählungen Die Evangelien erzählen uns lebendige Gezeugung, dass Allah seine Boten nicht scheitern lässt, dass also »nicht sein kann, was nicht sein schichten von Jesus, von seiner Geburt, von darf«. Es handelt sich hier um religiöses Wunsch- seiner Heimatstadt Nazareth, von seiner Wirkdenken. Das Kreuz ist für Mohammed nur das samkeit in Galiläa rund um den See Genezareth, Zeichen des Scheiterns und der Schwachheit. von seiner Familie, von der Berufung seiner Deswegen ertragen Muslime dieses zentrale, Jünger, von seiner Predigt und seinen Wunderchristliche Zeichen nicht und verbieten es zu taten und von seinem Leiden und Sterben. Das alles verbindet sich für uns zu einem eindruckszeigen, wo sie über die Macht dazu verfügen. vollen, anschaulichen Bild, wenn wir die Evangelien lesen. Isa –– der »reduzierte« Jesus Dies sind die wesentlichen Aussagen, die sich im Koran über Isa finden. Der Gesamteindruck Jesu Predigt und barmherziges Wirken Vor allem begegnen wir hier der wirklichen ist dürftig. Hier fehlt vieles, ja Wesentliches. Das hat der Islam weggelassen oder gestrichen, weil Predigt Jesu, die sich um das Reich Gottes und es ihm unwichtig oder unpassend erschien. Ab- sein Kommen dreht. Doch das bedeutet für die gesehen von den Legenden um die Geburt und Menschen nichts Bedrohliches. Jesus versteht Kindheit erzählt der Koran keine Geschichten sich nicht in erster Linie als einen Warner und über Isa. Es fehlen jegliche Konkretion und alle Drohprediger wie Mohammed, sondern er ver-

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kündigt Heil, Rettung, Erfüllung, ein großes zen nämlich eine ganz andere Bedeutung als Fest, an dem alle teilnehmen dürfen, die der Mohammed meinte. Jesus hat die ZeichenforEinladung dazu folgen. Das Wesen Gottes und derung der Menschen immer als sündig abgeseines Reiches veranschaulicht Jesus in seinen lehnt und abgewiesen und den Wunderbeweis Gleichnissen, wobei er besonderen Wert da­ für sich selbst eben nie geliefert. Seine Wunder rauf legt, dass Gott sich voll Barmherzigkeit der dienen nicht ihm, sondern den Notleidenden. Menschen annimmt und den Sie sind also in diesem Sinn Verlorenen Rettung anbietet mm Sie [die Wunder Jesu] keine »deutlichen Zeichen« (Verlorener Sohn). Das ent- besitzen nämlich eine ganz für ihn und dienen nicht scheidende Wort dabei lautet: seiner Legitimation. Sie »Es jammerte ihn seiner«; das andere Bedeutung als Mo­ sind vielmehr Zeichen der wird sowohl von Gott als auch hammed meinte: Jesus hat Hilfe und Zuwendung zu von Jesus gesagt beim Anblick die Zeichenforderung der den Kranken und Leidender Verlorenen. Das heißt, es den. Wenn man sie unbeschmerzte ihn zutiefst, sehen Menschen immer als sündig dingt Zeichen nennen will, zu müssen, dass Menschen abgelehnt und abgewiesen könnte man sagen: Sie sind scheitern und untergehen. So Zeichen des Heils und der und den Wunderbeweis für wie es Martin Luther dichtet: Heilung für die Menschen, »Da jammert Gott in Ewig- sich selbst eben nie geliefert. die sie brauchen. Mit ihnen keit mein Elend übermaßen. Seine Wunder dienen nicht hilft Jesus als Heiland liebeEr dacht an sein Barmherzigvoll leidenden Menschen. keit, er wollt mir helfen lassen, ihm, sondern den Notleiden­ Sie sind so gesehen Zeichen er wandt zu mir das Vater- den. Sie sind also in diesem des kommenden Reiches herz, es war bei ihm fürwahr Sinn keine »deutlichen Gottes und Vorschein der kein Scherz, er ließ sein Bestes Heilszeit, in der alles Leiden kosten« (Evangelisches Ge- Zeichen« für ihn und dienen überwunden sein wird. Übsangbuch 341,4). So verkün- nicht seiner Legitimation. Sie rigens wirken diese Wunder det Jesus die Nähe Gottes, der sind vielmehr Zeichen der auch nicht einfach autoin ihm herabkommt und sein matisch wie eine Zauberei, Volk besucht. Gottes Zuwen- Hilfe und Zuwendung zu den sondern nur für die, die sie dung gilt dabei in Jesus vor al- Kranken und Leidenden. glaubend von Jesus erbitten lem den Kleinen, Schwachen, und annehmen. Ihnen sagt Kranken, Armen, Verirrten, Sündern – eben den er darum immer wieder: »Dein Glaube hat dir verlorenen Menschen. Dazu ist Jesus gekom- geholfen!« men: Er versteht sich als Arzt der Kranken, um sie zu heilen. »Des Menschen Sohn ist gekom- Jesu Gesetzesauslegung men zu suchen und zu retten, was verloren ist« Jesus hat tatsächlich in seiner Predigt das Ge(Lukas 19,10). Dafür ist Jesus im Dienst Gottes setz Gottes ausgelegt, allerdings völlig anders, in der Welt unterwegs. Er lebt das Suchen Got- als Mohammed das dachte. Erleichtert hat er tes nach den Verlorenen, um sie heimzuholen. nur das Ritual- und Reinheitsgesetz des JuDas zeigt er als der »gute Hirte«, der sein Leben dentums, sofern es dem Liebesgebot im Wege lässt für die Schafe. Dabei verbindet ihn ein in- stand. Ansonsten hat er den Willen Gottes sehr niges Vertrauensverhältnis mit Gott, den er als ernst genommen, zusammengefasst im Doppel»seinen himmlischen Vater« anruft und ihn so- gebot der Liebe (was keine Erleichterung dargar vertraulich »Abba« (Väterchen) nennt. stellt!) und anhand von Beispielen in der BergOhne das selbst zunächst in einem Hoheits- predigt radikalisiert, verinnerlicht und vertieft, titel auszudrücken, weiß er sich von Gott er- weit über den bloßen Wortlaut des Gesetzes mächtigt, in dessen Namen zu handeln und zu hinaus. Er setzt damit die alttestamentlich-prowirken. Das spürten die Menschen, die ihm be- phetische Linie fort, die darauf hinausläuft, dass gegneten und sagten: »Er redet mit Vollmacht Gott nicht nur den Gehorsam der Tat verlangt, und nicht wie die Schriftgelehrten« (Matthäus sondern den des Herzens und des Willens, also 7,29). Und sie fragen sich: Wer ist dieser? Wo- die innerliche Zustimmung des Menschen zu her hat er das? (Lukas 4) seinem Willen. Von alledem ist der Islam himmelweit entJesu Wunder und ihr Sinn fernt: Er hat weder die Barmherzigkeit Jesu Diese liebende Fürsorge Jesu findet auch noch seinen tiefen Ernst erfasst. Sein Gesetzesihren Ausdruck in seinen Wundern. Sie besit- verständnis stellt vielmehr einen Rückfall hinter 18

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Jesus, ja sogar noch hinter das Alte Testament in eine sehr einfache und äußerliche Gesetzesreligion dar: Der Mensch hat gegenüber bestimmten Vorschriften aus Angst vor Strafe bzw. aus Verlangen nach Lohn zu gehorchen. Dabei genügt das Tun.

Aus Liebe zu uns hat er gelitten. So sagt es auch der Apostel Paulus: Ich lebe im Glauben an den »Sohn Gottes, der mich geliebt hat und sich selbst für mich dahingegeben« (Galater 2,20). Sein Leiden und Sterben ist der Beweis für die Größe und Tiefe seiner Liebe zu uns. Aber Leiden aus Liebe kennt Mohammm Mit der Bestrei­ Das Leiden und med nicht, und sein Isa auch Sterben Jesu tung des Kreuzestodes nicht. Damit hat er Jesus nicht Die biblischen Evangelien nur insgesamt oberflächlich und bezeugen, dass Jesus bei seiner raubt Mohammed dem blass wiedergegeben, sondern er Wirksamkeit nicht nur Zustim- christlichen Glauben hat ihn und sein inner­stes Wesen mung fand, sondern auch auf das Zen­trum. Dies stellt bis zu Unkenntlichkeit entstellt: Ablehnung, Widerstand und Er hat ihm – bildlich gesprochen Feindschaft stieß. Das bedeu- den Gipfel des religi­ – das lie­ bende Herz herausgetete für ihn Enttäuschung und ösen Kahlschlags dar, rissen. Isa wird von Allah vor Leiden. Dass er gelitten hat, wie dem Kreuz bewahrt und entden der Islam in vieler das Glaubensbekenntnis sagt, rückt. Mit dieser Bestreitung des trifft darum nicht nur für das Hin­sicht am Christen­ Kreuzestodes raubt Mohammed Ende seines Lebens zu, sondern tum vornimmt. dem christlichen Glauben das kann als Motto über seinem Zen­trum. Dies stellt den Gipfel ganzen Lebensweg stehen: Er war arm, heimat- des religiösen Kahlschlags dar, den der Islam los, obdachlos, blieb oft unverstanden, wurde in vieler Hin­ sicht am Christentum vornimmt. verlassen, verstoßen, verleugnet, verraten, aus- Wenn es so wäre, wie der Islam behauptet, hätte geliefert und schließlich grausam getötet. Dies Jesus für uns keine Bedeutung als Helfer, RetLeiden zieht sich wie ein roter Faden durch sein ter, Erlöser, Stellvertreter, Heiland und sich aus ganzes öffentliches Leben und gipfelt schließ- Liebe Opfernder. Und genau so sieht das Molich in der Anklage und Verurteilung durch den hammed: Isa besitzt keinerlei Bedeutung für das Hohen Rat und Pontius Pilatus und seiner Hin- Heil der Menschen, außer der eines warnenden richtung am Kreuz. und mahnenden Propheten, wie es alle früheren Dies einhellige Zeugnis lesen wir so oft und auch waren. Sonst muss sich der Mensch selbst es ist so fest im Neuen Testament verankert, dass helfen und durch sein Tun des Gerechten sich es nicht nachträglich erfunden und hinzugefügt im Gericht Allahs bewahren. Ja, die islamische worden sein kann. Übrigens schon deswegen Überlieferung geht noch einen Schritt weiter: nicht, weil die Jünger dies Ende Jesu zunächst Ein Hadith besagt, dass Isa am Ende der Welt nicht verstanden, daran fast verzweifelten und wiederkommen wird auf die Erde, alle Kreuze nie auf den Gedanken gekommen wären, ih- zerbrechen, die Kirchen zerstören und den Islam rem Meister dies »anzudichten«, wenn es nicht – als einzige richtige Religion – bezeugen wird. wirklich geschehen wäre. Mohammed konnte darüber nichts Genaueres wissen und besaß kei- Islamische Umdeutung Jesu nerlei Beweise für seine Leugnung des Kreuzes. Das macht endgültig klar, dass Mohammed Es handelt sich bei ihm um »ne­gatives religiöses durch diese radikale Umdeutung der Gestalt Wunschdenken«. Jesu ihn den Kirchen wegnehmen und als Isa für den Islam reklamieren will. Er stutzt ihn zu Warum hat Jesus gelitten? diesem Zweck nach seinem eigenen Modell zuDas Leiden und Sterben Jesu gehört für den recht, prägt ihn nach seinem eigenen Bild um christlichen Glauben untrennbar zum Leben und degradiert ihn zudem noch zu seinem eiund Wirken Jesu hinzu. Er ließ es zu, nahm es genen Vorläufer. Dazu gehört dann natürlich auf sich und ertrug es. Denn es war die Kehr- auch, dass er ihn nicht als »Gottes Sohn« anerseite seiner Liebe zu uns: Nur wer leidet, kann kennt und nicht als Gottes endgülti­ge Offenbaauch lieben – und umgekehrt. Und er bezeugte rung an alle Menschen ansieht. Darauf läuft die es selbst: »Niemand hat größere Liebe als die, islamische Umdeutung Jesu hinaus und spitzt dass er sein Leben lässt für seine Freunde« (Jo- sich auf diese Bestreitung der universalen Behannes 15,13). Zu Beginn seiner Leidensge- deutung Jesu zu. Dies ist aber ein so umfangreischichte lesen wir: »Wie er die Seinen geliebt ches Thema, dass es ausführlich und gründlich hatte, die in der Welt waren, so liebte er sie bis behandelt werden muss. Dazu bedarf es eines W ans Ende« (Johannes 13,1). Das bedeutet eben: neuen Aufsatzes. Informationsbrief 281

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» … die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen.« Gedanken zu Wesen, Krise und Zukunft der Kirche im Spiegel des Augsburgischen Bekenntnisses Gert Kelter

Kirche in der Krise

Wann ist die Kirche noch Kirche?

»Sind wir noch Kirche Jesu Christi?« Zunehmend stellen evangelische Christen sich selbst und ihrer Kirche diese Frage. Die Auslöser sind vielfältig. Ob hochrangige Kirchenvertreter den stellvertretenden Sühnetod Jesu am Kreuz bestreiten, ob die Kirche sich in Denkschriften und Einzeläußerungen einseitig parteinehmend in tagespolitische Aktualitäten einmischt, ob sie sich positiv zu ethisch fragwürdigen Definitionen des Beginns und Endes des menschlichen Lebens äußert aber zugleich zu tausendfachen Abtreibungen schweigt, ob Theologen die Verbindlichkeit und Geltung der Heiligen Schrift als Wort Gottes in Frage stellen oder praktizierte Homosexualität und homosexuelle Partnerschaften in evangelischen Pfarrhäusern für legitim erklären: Anlässe, das Kirchesein der evangelischen Kirche in Frage zu stellen, scheint es in Hülle und Fülle zu geben. Kaum ein Bereich der Theologie und Ethik, zu dem es nicht offiziöse oder offizielle Wortmeldungen protestantischer Kirchenführer und -lehrer gibt, die im diametralen Widerspruch zu dem stehen, was Schrift und Bekenntnis dazu bezeugen und zu der Schlussfolgerung Anlass bieten: Die(se) Kirche hat aufgehört, Kirche Jesu Christi zu sein.

Interessanterweise sind es aber nicht nur konservative evangelische Christen, die das Kirchesein ihrer Kirche gefährdet sehen, sogar bereits bezweifeln oder doch wenigstens das Kirchesein mit der Befürwortung oder Ablehnung ganz bestimmter theologisch-ethischer Positionen in einen unauflöslichen Zusammenhang bringen. Das gibt es nämlich durchaus auch von »links«. So heißt es beispielsweise in der Gerechtigkeitsdenkschrift des Rates der EKD (»Gerechte Teilhabe – Befähigung zu Eigenverantwortung und Solidarität«, 2006): »Kirche, die auf das Einfordern von Gerechtigkeit verzichtet, […] ist […] nicht die Kirche Jesu Christi.« Ähnliches wurde zur Frage der Apartheid, des Bundeswehreinsatzes im Ausland, der Atomenergie, der Frauenordinationen und anderer Themen gesagt und geschrieben. Die Koppelung bestimmter theologischer oder ethischer Positionen mit dem Kirchesein oder Nicht-Kirchesein findet sich auch im Blick auf die Ökumene. Herausragend ist hierbei die Einschätzung reformatorischer Kirchen als »kirchliche Gemeinschaften« (im Unterschied zu »Kirchen«) durch die römische Kirche. Gebetsmühlenartig bitten, erwarten, erhoffen, wünschen und fordern protestantische Kirchenvertreter und -vertreterinnen, »der Papst« möge doch endlich die reformatorischen Kirchen als Kirchen und nicht nur als kirchliche Gemeinschaften anerkennen. Seltsam, dass vor allem liberale protestantische Kirchenführer offenbar ihr kirchliches Selbstbewusstsein von der Anerkennung durch den Papst abhängig machen. Hinter all dem stehen ganz unterschiedliche Vorstellungen über das Wesen der Kirche, ganz unterschiedliche Antworten auf die Frage, was die Kirche zur Kirche mache, beziehungsweise was geschehen oder nicht geschehen, gelten oder nicht gelten müsse, so dass die Kirche aufhört, Kirche zu sein.

Gert Kelter Die Anschrift des Autors finden Sie auf Seite 30

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Was ist die Kirche? -– Theologische Unterscheidung tut Not!

Diese Una Sancta ist übrigens nicht »unsichtbar«, wie immer wieder zu hören und zu lesen ist. Auch hier ist zu differenzieren: Die Kirche ist Plakative Äußerungen und Behauptungen nicht unsichtbar, sondern allenfalls verborgen. mögen sicherlich manchmal hilfreich und nötig Denn die wahren Gläubigen sind unseren irdisein, um Aufmerksamkeit zu erregen und ein schen Augen verborgen. Wir können sie nicht Nach- und Umdenken einzuleiten. Aber seriöse eindeutig identifizieren, weil es – wie Artikel Theologie kommt ohne Unterscheidung, ohne 8 des Augsburgischen Bekenntnisses bezeugt Differenzierung nicht aus. – »in diesem Leben […] unter den Frommen Wenn wir von »Kirche« reden, meinen wir viele falsche Christen, Heuchler und auch ofoft nur die verfassten Kirchenkörperschaften fenkundige Sünder« gibt, die dennoch allesamt »öffentlichen Rechtes«. Diese aber sind, ganz zur sichtbaren Kirche Jesu und zu verfassten gleich, ob wir hier die EKD, eine bestimm- Kirchenkörperschaften gehören. Zur sichtbaren te Landes- oder Freikirche oder die römisch- Kirche Christi, gegebenenfalls aber auch als abkatholische im Blick haben, gestorbene, als tote, als gelähmkeineswegs und nie identisch mm Die Kirche Jesu Christi te, als kranke Glieder des Leibes mit der Kirche Jesu Christi, ist nicht das Produkt der Christi. Ganz zutreffend warnt der einen, heiligen, katholidas Bekenntnis uns davor, an Auffassungen, Lehren, schen (auch mit »allgemein« der scheinbaren Frömmigkeit oder »christlich« übersetzt) Meinungen oder des einzelner Getaufter ablesen zu und apostolischen Kirche (der Glaubens der Mitglieder wollen, ob sie wirklich zur wah»Una Sancta«) des Nicänischen ren Kirche gehören oder nicht, Glaubensbekenntnisses, die wir verfasster Kirchenkörper­ indem es sagt, dass es falsche über alle Konfessionsgrenzen schaften. Diese können, Christen und Heuchler unter hinweg bekennen. »den Frommen« gebe. und da beginnt das Dif­ Wer also die Identität seiner Sind die wahren Gläubigen, Kirchenkörperschaft, und auch ferenzieren, falsche oder die die wahre Kirche bilden, nicht (staats)rechtlich organi- wahre Kirche sein. also unseren Augen verborgen sierte freie oder Hausgemein(wiewohl sie ja deshalb nicht den sind solche Kirchenkörperschaften, mit der »unsichtbar«, sondern nur nicht menschlich Una Sancta meint identifizieren zu können, er- identifizierbar sind!), ist die rechtgläubige Kirweist sich automatisch als Sektierer. che Jesu Christi dennoch alles andere als »unDie Kirche Jesu Christi ist nicht das Produkt sichtbar«. Artikel 7 der CA sagt: »Sie ist die der Auffassungen, Lehren, Meinungen oder des Versammlung aller Gläubigen, bei denen das Glaubens der Mitglieder verfasster Kirchenkör- Evangelium rein gepredigt und die heiligen Saperschaften. Diese können, und da beginnt das kramente dem Evangelium gemäß gereicht werDifferenzieren, falsche oder wahre Kirche sein. den.« Und dies, so die CA, genüge zur wahren Aber auch falsche (irrgläubige) Kirchenkörper- Einheit der Kirche. schaften sind – sofern bestimmte, durch die Rechtgläubige Kirche Jesu Christi ist also Heilige Schrift geforderte Grundkriterien erfüllt sichtbar und identifizierbar dort, wo diese Krisind – doch noch Kirche Jesu Christi. terien, diese Kennzeichen des Kircheseins – reine Evangeliumspredigt und einsetzungsgemäße Sakramentsverwaltung – zu finden sind. Dies ist Die Kirche Jesu Christi bleibt jedoch unbeschadet ungläubiger Kirchenführer Irdische Kirchenkörperschaften können zu- und Gemeindeleiter, unbeschadet schrift- und grunde gehen und durch sich selbst zugrun- bekenntniswidriger Lehren und Lehrer, unde gerichtet werden. Der von ihrem Herrn beschadet irr- und ungläubiger theologischer selbst gestifteten Kirche Jesus Christi aber gilt Lehrer, Bischöfe, Pfarrer und Gemeindeglieder die Verheißung ihres Herrn: »Die Pforten der möglich; in der EKD genauso wie übrigens auch Hölle sollen sie nicht überwältigen« (Matthäus in der römisch-katholischen Kirche und selbst 16,18). in Sekten. Eine verfasste Kirchenkörperschaft Der siebte Artikel des lutherischen Grundbe- kann also durchaus aufhören, rechtgläubige kenntnisses, des Augsburgischen Bekenntnisses Kirche zu sein, ohne dass deshalb in ihrer Mitte (Confessio Augustana, CA) von 1530, nimmt die Kirche Jesu Christi selbst aufgehört haben diese Verheißung Jesu auf, wenn er bezeugt: »Es müsste zu existieren. Ohne dass man deshalb an wird auch gelehrt, dass allezeit die eine, heilige, der Verheißung Jesu grundsätzlich zweifeln und christliche Kirche sein und bleiben muss.« annehmen müsste, dass die Pforten der Hölle Informationsbrief 281

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diese, von ihm gestiftete (»wahre«) Kirche als Versammlung aller Gläubigen, bei denen das Evangelium rein gepredigt und die heiligen Sakramente dem Evangelium gemäß gereicht werden, überwunden hätten.

Die Kirche gründet auf dem Bekenntnis zu Christus Jesus hat seine Kirche auf das Bekenntnis des Apostels Petrus gegründet. Dieses erste und Urbekenntnis der Christenheit, nicht von Menschen, sondern dem Apostel vom Vater im Himmel offenbart, ist das Christusbekenntnis: »Du bist Christus, des lebendigen Gottes Sohn!« Alle weiteren Bekenntnisformulierungen, die wir im Neuen Testament und alle rechtgläubigen, d. h. schriftgemäßen Bekenntnisse, die wir in der späteren Tradition der Kirche finden, vom Apostolischen, dem Nicänischen, dem Athanasianischen Bekenntnis bis hin zu den lutherischen Bekenntnissen des 16. Jahrhunderts sind nichts weiter als Entfaltungen dieses ersten und Urbekenntnisses. Wo dieses Christusbekenntnis laut wird, ist auch die wahre Kirche Jesu Christi identifizierbar, sichtbar, auffindbar. Und da sind auch wahre Christen, da Gottes Wort wirkt und Glauben schafft durch den Heiligen Geist, der sich an dieses Gotteswort bindet, wo und wann er will, wie es Artikel 5 des Augsburgischen Bekenntnisses zutreffend sagt.

Rechtgläubige und irrgläubige ­Kirche Es bleibt aber auch bei der Notwendigkeit der Unterscheidung zwischen rechtgläubiger und irrgläubiger Kirche. Natürlich ist es nicht gleichgültig, ob ich als Christ zu einer von mir als rechtgläubig oder als irrgläubig identifizierten verfassten Kirchenkörperschaft gehöre. Wenn die Una Sancta, die rechtgläubige, die wahre Kirche als die um die reine Evangeliumspredigt und einsetzungsgemäße Sakramentsverwaltung Versammlung der Gläubigen beschrieben und definiert wird, muss ich abwägen: Kämpfe ich den guten Kampf des Glaubens und Bekenntnisses in einer von mir als irrgläubig identifizierten Kirchenkörperschaft, nicht zuletzt vielleicht auch aus geistlicher Mitverantwortung für meine Mitchristen? Oder schließe ich mich einer von mir als rechtgläubig erkannten Kirchenkörperschaft an und verlasse die irrgläubige? Das ist letztlich eine Gewissensentscheidung, die sorgfältig erwogen und im Gebet vor Gott getragen werden muss und die jeder für sich zu treffen hat. 22

Ich muss mich dabei aber selbst ernsthaft fragen und eine Antwort auf diese Frage finden, ob meine jeweilige verfasste Kirchenkörperschaft nach menschlichem Ermessen noch die Kraft zur Reformation, zur Umkehr und Abkehr von schriftwidriger Lehre und Praxis besitzt. Ich muss auch zu einer Gewissheit darüber gelangen, ob ich selbst die Kraft habe, dauerhaft einen Bekenntniskampf gegen meine eigene Kirchenkörperschaft, gegen »ein anderes Evangelium« zu führen, ohne menschlich und letztlich auch geistlich daran zu zerbrechen.

Christus bleibt der Herr der Kirche Die Existenz der Kirche Jesu Christi aber, das sei uns in jedem Fall und ganz grundsätzlich von Christus selbst gesagt, hängt von einer solchen Entscheidung – Gott sei Dank! – nicht ab. Die Pforten der Hölle sollen sie in dieser Zeit und Welt und bis zur Wiederkunft Christi zum Gericht nicht überwinden. Die wahre Kirche, die rechtgläubige Kirche, die Versammlung der Gläubigen um die reine Evangeliumspredigt und die einsetzungsgemäß verwalteten Sakramente wird allezeit sein und bleiben! Der Reformator der Kirche, Dr. Martin Luther, schreibt ernst aber tröstend (in: »Wider die Antinomer«, 1539, Walch², Bd. XX, Sp. 1621ff.): »Er kann nicht lügen, der da sagt: ›Ich bin bei euch bis an der Welt Ende‹ und ›der Höllen Pforten sollen die Kirche nicht überwältigen […]‹, nur dass uns gleichwohl befohlen ist zu wachen und das Licht [des Wortes Gottes] so viel an uns ist, zu wahren. […] Gott helfe uns, wie er unseren Vorfahren geholfen und unseren Nachkommen auch helfen wird, zu Lob und Ehr seinem göttlichen Namen in Ewigkeit. Denn wir sind es nicht, die da könnten die Kirche erhalten; unsere Vorfahren sind es auch nicht gewesen; unsere Nachkommen werden’s auch nicht sein. Sondern der ist’s gewesen, ist’s auch noch, wird’s sein, der da spricht: ›Ich bin bei euch bis an der Welt Ende‹, ›Jesus Christus gestern und heute und in Ewigkeit‹ (Hebräer 13,8) […] Denn du und ich sind vor tausend Jahren nicht gewesen, da dennoch die Kirche ohne uns ist erhalten worden. […] So sind wir’s jetzt auch nicht bei unserm Leben; denn die Kirche wird durch uns nicht erhalten […] und unserthalben müssten die Kirche vor unseren Augen und wir mit ihr zu Grunde gehen [wie wir täglich erfahren], wo nicht ein anderer Mann wäre, der beide, die Kirche und uns, augenscheinlich erhielte […]. Unser Herr Christus sei und bleibe unser lieber Herr Christus, gelobet in Ewigkeit. Amen.« W Oktober 2013

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Elias Schrenk begnadeter ­Evangelist und ­unermüdlicher Rufer zu Christus (1831––1913) Walter Rominger

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as evangelische Gemeindehaus im überschaubaren württembergischen Dorf Hausen ob Verena, in der Nähe der Kreisstadt Tuttlingen gelegen, welche sich am Oberlauf der Donau befindet, trägt seinen Namen. Die Rede ist von Elias Schrenk, des wohl bedeutendsten Sohnes des Örtchens ganz allgemein und in jeglicher Hinsicht, unter theologischem Blickwinkel betrachtet auf jeden Fall. Hier, zwischen Schwäbischer Alb und Schwarzwald, der so genannten Bar, wurde dieser vor inzwischen mehr als 180 Jahren geboren. Heuer werden es 100 Jahre, dass er, der freilich die überwiegende Zeit seines Lebens fern seines Geburtsortes verbrachte, im westfälischen Bethel verstarb. Seine Bedeutung für innere und äußere Mission, für Gemeinschaft und für die Gemeinde Jesu Christi kann und darf keineswegs unterschätzt werden, weshalb in diesem freilich gerafften Lebensbild an ihn, einen der Bahnbrecher für Mission und Evangelisation und Mitbegründer der Gemeinschaftsbewegung erinnert werden soll, eingedenk des anlässlich von Gedenktagen der Lehrer und Väter in Christus des Öfteren

Walter Rominger Die Anschrift des Autors finden Sie auf Seite 30 Informationsbrief 281

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zitierten bekannten Wortes des Hebräerbriefes: »Gedenkt an eure Lehrer, die euch das Wort Gottes gesagt haben; ihr Ende schaut an und folgt ihrem Glauben nach« (13,7).

Jahre des »Reifens« Ausbildung zum Kaufmann, Heils­ gewissheit, Vorbereitung zum Missionar (Basler Missionshaus, 1831––1859) Am 19. September 1831 erblickte Elias Schrenk im erwähnten Hausen ob Verena das Licht der Welt. Ab 1847 erlernte er in der nicht allzu fernen Stadt Tuttlingen/Donau den Beruf des Kaufmanns. In den Jahren 1853/54 war er als solcher in der Firma Carl Mez, die bis heute Bedeutung hat (Mez-Garne) in Freiburg im Breisgau tätig. Der damalige Großindustrielle, der fromme Carl Mez (1808–1877) galt als führender Vertreter eines »christlichen Sozialismus«, der seinen Arbeitern gegenüber sehr sozial eingestellt war, zudem ohne Weiteres dem damaligen badischen Pietismus zugerechnet werden darf und als einflussreiches Mitglied der badischen Generalsynode anzusehen ist; 1868 gründete er, der pietistisch-fromme Unternehmer und Mann der badischen Kirche die »Evangelische Konferenz der bibelgläubigen Pfarrer und Laien« in Baden. Im Jahre 1854 trat Elias Schrenk ins Seminar der Basler Mission ein. Theologisch prägte ihn in diesen Ausbildungsjahren vor allem Wolfgang Friedrich Geß. Durch den Bibelabschnitt Offenbarung 7,13–17 wurde Elias Schrenk sich seiner Berufung gewiss. Elias Schrenk, der also Heils23


gewissheit hatte, suchte 1858 Dorothea Trudel im schweizerischen Männedorf wegen seiner Krankheiten auf und fand bei dieser begnadeten Seelsorgerin Hilfe, um an Leib und Seele zu genesen. Fortan, bis zu seinem Tode, bildete der Männedorfer Gebetskreis für Elias Schrenk den geistlichen Rückhalt.

In der Fremde: der Afrikamissionar (1859––1872) Der gelernte Kaufmann und von Christus berufene Missionar reiste 1859 als Generalkassierer ins Missionsgebiet Goldküste in Westafrika. Einem Urlaubsjahr 1864/65 folgte Elias Schrenks zweiter Aufenthalt in Afrika, zu dem er auch seine angetraute Ehefrau Berta geb. Tappolet mitnahm. Die drei ersten Kinder wurden den Eheleuten auf westafrikanischem Boden geboren. Als Westafrika-Missionar erbrachte Elias Schrenk fruchtbare Missionsarbeit. Der gewissenhafte Kaufmann führte eine genaue Rechnungsführung ein. Des Weiteren wirkte er auch durch Handlungen tätiger Liebe, insofern er neue, ertragreiche landwirtschaftliche Kulturen einführte und ebenso die (Haus)Tierzucht im Missionsgebiet neu ausrichtete. Pietistisch geprägte Mission hat denn auch nie die helfende Tat vernachlässigt, wie die Missionsarbeit Elias Schrenks beispielhaft zeigt. Bei ihm ging es so weit, dass er gar im fernen England Geld für Straßenbau in Afrika sammelte. Zudem arbeitete er in der Sklavenemanzipationsbewegung mit, wobei durchaus auch erwähnenswert erscheint, dass es im weiteren Sinne pietistisch eingestellte Persönlichkeiten waren, die sich – letztlich erfolgreich – gegen den Sklavenhandel wandten (Wilberforce). Freilich, ein großes Anliegen des Missionars Schrenk war es, übrigens auch in späteren Jahren, die er wieder in Deutschland verbrachte, Gefahren von der Gemeinde Jesu fernzuhalten, wozu er auch auf biblisch begründete Gemeindezucht zurückgriff. Doch nach einem gut zehnjährigen Missionsdienst musste Elias Schrenk krankheitsbedingt Afrika verlassen und kehrte nach Deutschland zurück.

Lange Jahre der geistliche Ernte: gesegnete Früchte (Innere Mission) (1872––1913) Es sind indes gut 40 Jahre geworden, die Elias Schrenk im Segen vor allem in Deutschland wirken durfte. Seines besonderen Evangelisationsauftrages wurde sich Elias Schrenk aufgrund mehrerer Anregungen mehr und 24

mehr bei Aufenthalten in England gewiss, etwa durch Moody, von dem er 1874/75 entscheidende Anstöße empfing, aber auch durch Spurgeon und Boardman sowie durch die Heilsarmee, die Pennefathers Mildmaykonferenz, die Brighton-Konferenz der Heiligungsbewegung 1875, vor allem aber durch den Bonner praktischen Theologen Professor Theodor Christlieb (1833–1889, Gründer des Johanneums); selbst von katholischen Volksmissionswochen ließ er sich anregen. In den Jahren 1875 bis 1879 hatte Elias Schrenk die Stelle eines Reisepredigers der Basler Mission in Frankfurt/Main inne und besaß großes Vertrauen der hessischen Gemeinschaftsleute. 1879 erhielt er den Ruf der Evangelischen Gesellschaft in Bern, als deren Prediger er bis 1886 wirkte. In seiner Berner Zeit entwickelte er denn auch eine spezielle Evangelisationspraxis, die bis heute nicht überholt ist, sondern in ihren Grundzügen unverändert gilt. So soll eine Evangelisation mindestens 14 Tage dauern. Elias Schrenk war sich auch der Wichtigkeit intensiver Nacharbeit bewusst und rief deshalb zu Nachversammlungen und zur anschließenden Sammlung der Glaubenden in christlichen Vereinen auf, was durchaus zur Gründung solcher nach seinen Evangelisationen führte und selbst zum Bau von Vereinsheimen. Schrenk schloss unter Berufung auf die Krankensalbung nach Jakobus 5 Glaubensheilungen keinesfalls aus, wobei er dabei starken Widerständen bis hin zu lebensbedrohlichen Angriffen ausgesetzt war. 1884 war Elias Schrenk neben Theodor Christlieb an der Gründung des Deutschen Evangelisationsvereins in Bonn beteiligt, dem er nach Christliebs Heimgang (1889) wesentliche Anregungen gab und zur tragenden Person des Vereins wurde. Es war Theodor Christlieb, der Elias Schrenk aus der Schweiz nach Deutschland berief, wo dieser dann zum Bahnbrecher kirchlicher Evangelisation wurde. Als freier Evangelist, zu dem Schrenk nach Einsätzen in Bremen und Frankfurt wurde, war er, wenigstens wiederum für einige Jahre in Marburg/Lahn ansässig. Während seiner langen Wirksamkeit im Dienste innerer Mission wurde Elias Schrenk zum »Bahnbrecher«, »Vater« und »Altmeister« der Evangelisation. Als begnadeter Evangelist predigte er nicht allein in Kirchen, sondern auch in Zirkuszelten und Theatern, in Scheunen und Wirtshäusern, und selbst an Fürstenhöfen. Seine Arbeit trug Frucht, füllten sich doch unter seinen Predigten große Kirchen und auch von Männerversammlungen mit drei- bis viertausend Männern wird berichtet. Da stellt sich gegenwärtig schon die Frage: Wo sind diese Männer hin, wo Oktober 2013

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sind sie geblieben? Bibelstunden und intensive Seelsorge waren unabdingbare Begleiter seiner Evangelisationen; ebenso erfolgte Unterstützung durch reichlich verteiltes evangelistisches Schrifttum. Zu erwähnen sind hierzu: »Sucht in der Schrift« (1890) und die dreibändigen »Seelsorgerliche[n] Briefe für allerlei Leute« (1909–1911). Kaum durfte verwunderlich sein, dass Elias Schrenk, einer der Väter der Gemeinschafts- und Evangelisationsbewegung, im Jahr 1888 zusammen mit anderen Brüdern die erste Gnadauer Pfingstkonferenz vorbereitete und bei dieser auch ein Referat hielt. Seine tiefe Verbundenheit mit Theodor Christlieb war es denn auch aufgrund der er Bibelkurse im Johanneum hielt. Am 29. April 1890 zog er von Marburg nach Barmen. Elias Schrenk sprach, wiewohl das bereits deutlich geworden sein dürfte, nicht allein einfache Volksschichten und theologische »Laien« an, sondern es waren denn genauso führende Theologen und Evangelisten, die von Elias Schrenk für sie persönlich ganz entscheidende Impulse bekamen; vier seien gewissermaßen stellvertretend für weitere, von denen es auch nicht so bekannt geworden ist, genannt: Karl Heim (1893 in Frankfurt, 1874–1958), der spätere bedeutende Tübinger Theologieprofessor; der Evangelist Samuel Keller (1898 in Düsseldorf, 1856–1924); der eng mit dem Allianzort Bad Blankenburg in Verbindung stehende Ernst Modersohn (1893 in Siegen, 1870–1948) und ebenso der bekannte Ausleger, Professor Julius Schniewind (Halle, Greifswald, Königsberg, 1883–1948). Es waren denn auch eine ganze Reihe Konferenzen der Gemeinschaftsbewegung, die durch die Ansprachen Elias Schrenks ausgerichtet wurden, nämlich die in Gnadau, Bad Blankenburg (1909–1912), Kassel, Wernigerode/Harz, Wuppertal und die Philadelphia-Konferenz in Stuttgart. Doch auch die verfasste Kirche nahm Elias Schrenk wahr und ernst, konnte er doch aufgrund seiner bis dahin 18-jähigen Evangelisationstätigkeit für die Kirchliche Generalsynode 1897 Thesen zur Evangelisation verfassen. Elias Schrenk wirkte selbst auch über Deutschland hinaus. 1901 und 1907 bereiste er das russische St. Petersburg und das Baltikum. Auf diesen Reisen konnte er Traugott Hahn sen. (1848– 1939) und dessen Sohn Traugott Hahn jun. (1875–1919) für die Evangelisation gewinnen. Elias Schrenk wollte bereits in seinen Missionsjahren in West-Afrika Schaden von der Gemeinde Jesu, soviel an ihm lag, fernhalten. Diesem Anliegen ist er auch später treu geblieben Informationsbrief 281

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und sah sich deshalb veranlasst, wiederholt in damals virulente theologische Streitigkeiten einzugreifen. Begegnete er anfangs der Pfingstbewegung auch mit einer gewissen Zögerlichkeit, so fand er ab 1907 dann doch deutliche Worte, um diese abzuwehren und gehörte 1909 zu den Unterzeichnern der Berliner Erklärung, die dann leider etliche Jahrzehnte später von deren Enkeln und Urenkeln durch die Kassler Erklärung aufgehoben wurde, indem sie vollkommen zu Unrecht als von der Geschichte eingeholt und damit als überholt betrachtet wurde. Zur Theologischen Schule Bethel, die am Ende des 19. Jahrhunderts von Friedrich von Bodelschwingh d. Ä. (1831–1910) gegründet worden war, hatte Elias Schrenk gute Beziehungen; hier starb er dann auch am 21. Oktober 1913 und dort war sein Sohn Gottlob zu der Zeit Inspektor der Evangelischen Missionsgesellschaft und später Dozent für Neues Testament. Der Erwähnung wert ist, dass Elias Schrenk im Gegensatz zu manch anderem Pietisten die politische Verantwortung der Christen bejahte. Zudem vertrat er Enthaltsamkeit, vor allem vom Alkohol und unterstützte deshalb die Arbeit an Suchtkranken. Bereits 1913, also kurz vor seinem Heimgang, gab Elias Schrenk die Schrift »Notsignale für das deutsche Volk« heraus, in welcher er sich ganz entschieden gegen Abtreibungen aussprach; dies mutet doch als prophetisches Wort an angesichts dessen, dass Abtreibungen damals noch strafrechtlich verfolgt und daher im Vergleich zu heutiger Zeit mit hunderttausenden von Abtreibungen allein in Deutschland pro Jahr eher selten waren, heute jedoch die vielleicht größte Sünde ist, die unser Volk auf sich lädt und die sich bereits rächt in den viel zu wenig Geburten mit immer negativeren Folgen (Vergreisung). Über sein Leben hat Elias Schrenk in seiner 1905 erschienenen Autobiographie »Pilgerleben und Pilgerarbeit« Rechenschaft abgelegt. Bis wenige Tage vor seinem Heimgang (am 21. Oktober 1913) war Elisas Schrenk der unermüdliche Rufer zu Jesus Christus. Er wies mit nüchterner, an der Wirklichkeit orientierter Verkündigung zu Christus, in dem allein das Heil liegt. Mittelpunkt seiner Evangelisationspredigt war denn auch die Rechtfertigung allein durch den Glauben, in welche die Lehren der Gottessohnschaft Jesu Christi, der Verderbnis menschlicher Natur und der Versöhnung und freien Gnade Gottes eingeschlossen sind. Diese Ziele seiner Arbeit lassen sich so bestimmen: Stärkung der Gläubigen, Rettung von Sündern, Erhalt des klaren und rettenden Evangeliums in der 25


Kirche. Von daher bestand für Elias Schrenk die Hauptaufgabe des Evangelisten in der Rettung von Sündern. Daran hat sich bis heute nicht das Geringste geändert, wenn es sich denn um vom Herrn der Kirche berufene und beauftragte Evangelisten handelt.

»Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm«: Sohn Gottlob (1879––1965) Einer der Nachkommen Elias Schrenks, sein Sohn Gottlob, geboren am 10. Februar 1879 in Frankfurt/Main und verstorben am 13. April 1965 in südschweizerischen Arosa, war zunächst Pfarrer in Heiligenhaus bei Düsseldorf, ab 1911 Inspektor der Evangelischen Missionsgesellschaft in Bethel und ab 1913 Dozent für Neues Testament ebenda, bevor er als Ordentli-

cher Professor für Neues Testament an der Universität Zürich von 1923 bis 1949 wirkte. Ihm ging es darum, ohne konfessionelle oder dogmatische Einschränkungen den Reichtum der Heiligen Schrift lebendig zu halten. Der »Bibeltheologe« Gottlob Schrenk hat neben gewichtigen Beiträgen im weltweit anerkannten und verwandten Theologischen Wörterbuch zum Neuen Testament (erschienen 1933–1979) auch über den »göttliche[n] Sinn in Israels Geschick« (Buchtitel veröffentlicht 1943) publiziert, jenseits von Antijudaismus als auch eines unstatthaften Philosemitismus. Zudem hat er sich von der Schweiz aus in die geistesgeschichtlich-theologischen Auseinander­ setzungen des Nachkriegsdeutschlands (Entmythologisierung) eingeschaltet mit seiner Schrift »Der heutige Geisteskampf in der Frage der Heiligen Schrift« W (1952).

Die Sprachrohre Gottes Christoph Horwitz

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iebzehn Bücher des Alten Testaments machen einen großen Teil der Botschaft Gottes an seine Menschen aus, ein weites Feld, das sorgfältig durchgearbeitet werden möchte. Ein erster Hinweis: Viele der gesammelten Worte stehen unter dem Vorzeichen: »So spricht der Herr«. Damit wird unmissverständlich angezeigt, es geht um Rede des allmächtigen Gottes und nicht um letztlich unverbindliche Gedanken von Menschen – eine Schutzmauer gegen aufkommende Zweifel. Was erfahren wir über die Propheten insgesamt? Das Wort »prophezeien« bedeutet »vorhersagen«. Damit wird der Blick dieser Männer auf die Zukunft ausgerichtet. Das ist der gesteckte Rahmen für ihr Wirken. Ihre konkreten Aufgaben sind noch zu markieren.

Christoph Horwitz Die Anschrift des Autors finden Sie auf Seite 30

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Zunächst geht es um die Frage: Wie wird einer Prophet? Es hat Prophetenschulen gegeben, in denen junge Männer angeleitet wurden zum Dienst eines Propheten. Diese Lehre ist, soweit ersichtlich, in Wohngemeinschaften erfolgt. Auch begegnen uns im Land umherziehende Prophetenscharen für bestimmte Aufgaben (siehe u. a. 1.Samuel 10,9ff.; 19,20ff.). Später kamen diese Schulen unter den Einfluss des Königs und mussten verkünden, was der jeweils hören wollte. 1.Könige 22,1ff. liefert dafür ein klares Beispiel. Es werden uns aber auch Berufungen einzelner durch Gott berichtet. Jesaja (745–701 vor Christi Geburt) wird anlässlich eines Gesichtes auf den Hofstaat Gottes im Tempel berufen. »Wen soll ich senden?« fragt Gott. Und erst nach erfolgter Reinigung von aller Schuld kommt die Antwort Jesajas: »Sende mich!« (Jesaja 6,1ff.) Jeremia (626–587 vor Christi Geburt) erhält seinen Auftrag als Prophet verordnet und wehrt sich zunächst heftig. Gott aber beharrt auf seinem Ruf und gibt die Anweisung: Sage Königreichen und Völkern Gottes Gericht und Gnade an. Ich werde mit dir sein und dich erretten (Jeremia 1,4ff.) wenn Verfolgung auf dich zukommt. Oktober 2013

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Elia bekommt den Auftrag von Gott, Elisa durch Salbung zu seinem Nachfolger einzusetzen (1.Könige 19,15f.). Die Aufgabe der Propheten kann so beschrieben werden: Israel soll von seinem eingefleischten Götzendienst ablassen. Denen, die diesem Ruf folgen, soll Gottes umfassendes Heil angeboten werden. Immer wieder tritt die Frage auf: Wer ist ein Prophet Gottes und wer maßt sich nur an, im Namen Gottes zu sprechen? In Jeremia 28 wird uns eine Auseinandersetzung zwischen Jeremia und Hananja geschildert. Beide erklären, von Gott geschickt zu sein. Sie sagen jedoch ei­ nander ausschließende Botschaften an. Was gilt? Jeremia kündigt an, Israel werde gefangen nach Babel geführt. Hananja vermeldet eine weitere Zukunft im eigenen Lande. Zunächst fällt keine Entscheidung. Erst als Hananja nach der Ansage Jeremias nach etlicher Zeit stirbt, wird klar, auf wessen Seite Gott steht. Grundsätzlich gilt der Maßstab: Der rechte Prophet erweist sich durch das Eintreffen seiner Ansage (siehe Jeremia 23,25ff.; 29,8). Schließlich ist noch auf die Propheten der Tat und die Schriftpropheten einzugehen. Während wir von den Schriftpropheten umfangreiche Auszeichnungen besitzen, wird von den Propheten der Tat aufsehenerregendes Handeln, unterstützt von mündlich beigefügtem Wort mitgeteilt. Ein besonders eindrückliches Beispiel dafür ist die Auseinandersetzung Elias mit den Baalspriestern auf dem Karmel. Er legt Israel die Frage vor: Ist der Herr des Himmels und der Erde euer Gott oder Baal? (siehe 1.Könige 18,21ff.) Aber auch von Elisa, seinem Nachfolger, werden wunderbare Eingriffe in das Leben von Menschen überliefert (siehe 2.Könige Kapitel 2ff.). Im weiteren Verlauf versuchen wir, wesentliche Aussagen einzelner Propheten vorzustellen, die uns ein Bild von dieser Offensive Gottes für die Rettung seines Volkes machen sollen. Gott selbst hat es Jesaja und Jeremia geboten, ihre empfangenen Worte aufzuschreiben, damit sie den folgenden Generationen überliefert werden (siehe Jesaja 8,16; Jeremia 30,2). Jesaja beginnt seine Prophetie mit einer schonungslosen Bestandsaufnahme des tief verwurzelten Götzendienstes in Israel. Hartes Gottesgericht wird er zur Folge haben. Äußerlich laufen die Gottesdienste zwar korrekt ab, aber das Herz der Menschen ist unbeteiligt. Daher ziehen sich scharfe Strafankündigungen durch Jesajas Predigt (siehe unter anderem die Kapitel 2, 13, 24). Auch im sozialen Bereich zeigen sich schlimme Auswirkungen. Im Verlauf des Informationsbrief 281

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angesagten Gerichts ergeben sich kleine Lichtsignale, die auf den geringen Rest solcher Leute verweisen, die am Gott Israels festhalten (siehe unter anderem Kapitel 10,20ff.). Jesaja wird gern der Evangelist des Alten Testaments genannt. Neben der Gerichtspredigt wird verheißend der gesamte Heilsweg Gottes mit seinen Menschen erkennbar (siehe dazu die Kapitel 7, 9, 11). Wir erfahren von der Jungfrauengeburt des angesagten Retters, seiner umfassenden Ausrüstung mit Gottes Geist und seine Abkunft aus dem Geschlecht Davids. Kapitel 2 berichtet vom Zulauf aller Völker zum Berge Zion und dem dazugehörigen Friedensreich. Entscheidend ist der Hinweis auf den Knecht Gottes, der die Sünde aller Menschen auf sich nimmt, um sie zu sühnen (siehe die Kapitel 49– 53). Dieser Rettungsweg für die Menschen wird weiter ausgeleuchtet bis zur Aufrichtung des neuen Himmels und der neuen Erde nach vollzogenem Weltgericht (siehe Kapitel 65f.), aber Israel will nicht hören (sieh Kapitel 30,8ff.). So muss der Prophet die Katastrophe für Israel erleben: Die zehn Stämme des Nordreiches werden in die Gefangenschaft nach Assur geführt. Dieser Teil des auserwählten Gottesvolkes hat sein Heil verwirkt, während Jesaja den verbliebenen Stämmen Juda und Benjamin Rückkehr aus der späteren babylonischen Gefangenschaft als Hilfe und Trost ankündigen durfte (siehe unter anderem Kapitel 40). Sowohl Jesaja als auch Jeremia wurden zu bedingungslosem Einsatz für die Sache Gottes gefordert. Jesaja muss seinen Sohn RaubebaldEilebeute nennen und so im Alltag ständig an Gottes Botschaft erinnern. Jeremia durfte keine Familie gründen. Die Propheten mussten wiederholt sinnbildliche Handlungen vollziehen. Jesaja wurde unter anderem angewiesen, drei Jahre lang nackt und barfuß öffentlich aufzutreten, um Gottes Botschaft sichtbar zu machen (siehe Kapitel 20,1ff.). Von dem Propheten Hosea verlangte Gott sogar, eine Hure zu heiraten, um Israels Fehlverhalten gegenüber seinem Herrn zu verdeutlichen (siehe Hosea Kapitel 1–3). Jeremia schlägt in seiner Gerichtsansage äußerst scharfe Töne an. Auf einen Höhepunkt treffen wir in Kapitel 7. Da heißt es von Gottesdienstbesuchern: »… Ihr seid Diebe, Mörder, Ehebrecher und Meineidige und opfert dem Baal und lauft fremden Göttern nach …« In Kapitel 25,3 zieht der Prophet die erschütternde Bilanz: 23 Jahre habe ich euch gepredigt, aber ihr habt nicht gehört. Jeremia wurde auf Grund seiner Predigt unablässig verfolgt und konnte nur um Haaresbreite der Vollstreckung 27


eines ausgesprochenen Todesurteils entgehen (siehe Kapitel 26). Der ständig auf ihm lastende Druck führte ihn zu hitziger Auseinandersetzung mit seinem Gott. Er verfluchte den Tag seiner Geburt und war entschlossen, sein Amt niederzulegen. Aber das Wort Gottes brannte, was ihm große Not machte. Dennoch brach am Ende das Lob Gottes aus ihm heraus (siehe Kapitel 20,7ff.). Auch bei ihm flammt der zur Gnade gewillte Gott gegenüber Israel auf. Kapitel 21,31ff. wird der von Gott geplante neue Bund vorgestellt, die Rettung aus dem Gericht über den Abfall für die, die sich zur Umkehr rufen lassen. Der Prophet Hesekiel (etwa 592–507 vor Christi Geburt) hat Israel während der Gefangenschaft in Babel begleitet. Ihm fiel die Aufgabe zu, Gottes Volk zu erklären, dass sein Herr trotz des zerstörten Tempels noch sein Gott sei. Zwei wichtige Themen bestimmen seine Arbeit. In Kapitel 18 macht er klar: Jeder hat für seine eigene Schuld vor Gott einzutreten, er kann sie keinem anderen zuschieben. Daneben steht die eindeutige Aussage. Ich will nicht den Tod des Sünders, sondern dass er sich bekehre und lebe. So soll dieser Plan Gestalt gewinnen. Das steinerne Herz des Menschen soll durch ein fleischernes ersetzt werden (Kapitel 36). Der Prophet erlebt das unerhörte Ereignis: Gott kann ein Feld, übersät mit Knochen Toter, zu neuem Leben erwecken (Kapitel 37). Diese Botschaft weist zunächst für Israel den Weg aus der babylonischen Gefangenschaft, ist aber zugleich ein kräftiges Signal im Blick auf Got-

tes Neuschaffen nach dem Untergang unserer Erde. Einblick in die Welt Gottes vermittelt Hesekiel in den Kapiteln 40ff. Die Offenbarung des Johannes fasst diese Ansagen des Propheten in dem Satz zusammen: »Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen!« (Offenbarung 21,3) Jeder der Propheten hat ein besonderes Kennzeichen. Jona hat seine Botschaft im Ausland unter Heiden auszurichten. Amos hat seinen Dienst unter Jerobeam II. bei wirtschaftlich und politisch günstigen Bedingungen zu tun, schärfstes Gericht als Bürger des abgetrennten Südreichs gegen die Einwohner des Nordreiches anzusagen. Er wird mit Schimpf und Schande des Landes verwiesen. Daniel stellt den Ablauf der Weltgeschichte vor Augen. Mit Maleachi endet die Prophetenkette. Erst nach vierhundert Jahren knüpft Johannes der Täufer an ihre Ansagen wieder an. Matthäus stellt es in seinem Evangelium Kapitel 12,15ff. mit besonderem Nachdruck heraus: Jesus ist die Erfüllung prophetischer Rede (siehe auch Kapitel 1,22f.; 2,15; 21,4). Für die eigene Lektüre der Propheten sei empfohlen, sich genau über die geschichtlichen Verhältnisse zu orientieren, die ihr Umfeld prägten. Warum aber beschäftigen wir uns noch heute mit diesen Schriften? Wer mit offenen Augen durch unsere Welt, durch unsere Gemeinden geht, erkennt, der Bußruf, die Gerichtsansage der Propheten, ist für uns ebenso nötig wie für Israel, damit wir unser Heil nicht verspielen. W

Aus Kirche und Gesellschaft Zwei Homosexuelle schreiben ­Kirchengeschichte Erstmals wurden in Deutschland zwei homosexuelle Partner in einer evangelischen Kirche offiziell getraut. Bislang gab es »nur« Segnungen gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften. Die kirchlich beurkundete Trauung von Christoph und Rüdiger Zimmermann in Seligenstadt, die seit zehn Jahren als Paar zusammen sind, ist dadurch möglich geworden, weil die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau im Juni ihre 50 Jahre alte »Lebensordnung« neu regelte. Bei dieser Neuregelung wird die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare der klassischen Trauung gleichgesetzt. Vonseiten der EKD hieß es, sie strebe keine bundesweit ein28

heitliche Regelung an. Sie verweist das Vorgehen in die Verantwortung der 20 evangelischen (Landes)Kirchen, von denen 14 bisher Regelungen zur Segnung gleichgeschlechtlicher Paare verabschiedet haben. Der Leiter der Öffentlichkeitsarbeit der hessisch-nassauischen Kirche, Oberkirchenrat Stephan Krebs (Darmstadt), begrüßte diese neue Regelung: »Jeder Schritt in Richtung Normalität ist für Homosexuelle ein richtiger Schritt.« Dem Wortlaut der Heiligen Schrift – damit aber auch deren Geist – will Krebs ausdrücklich nicht folgen. Er gibt zu, die Bibel spreche an manchen Stellen gegen Homosexualität (übrigens an allen, in denen dieses inzwischen so leidige Thema Erwähnung findet). Aber weil »das Wort Gottes … sich in Texte aus bestimmter Zeit« Oktober 2013

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»kleidet«, gelte es nicht mehr uneingeschränkt. Damit wird dem Subjektivismus freilich Tür und Tor geöffnet. Woher Krebs dann weiß, dass sich Jesus heute für gleichgeschlechtliche Paare einsetzen würde, die »Verantwortung übernehmen und auf Dauer beieinander sein wollen« – da­ rauf bleibt er die Antwort dann doch schuldig. Der Aufbau seiner Argumentation setzt voraus, er habe über die Heilige Schrift hinausgehende Offenbarungen, was auf den klassischen Schwärmer hindeutet; biblisch-reformatorische Überzeugung ist hingegen, dass Offenbarungen über die Bibel hinaus, die zudem dieser widersprechen, nicht möglich sind. Krebs versucht die kirchliche Trauung dieses homosexuellen Paares dadurch zu rechtfertigen, indem er da­ rauf verweist, Jesus habe auch immer wieder für ausgegrenzte Minderheiten Position ergriffen. Laut Krebs hat die Trauung in Seligenstadt keine hohen Wellen geschlagen. Ihm zufolge hängt das damit zusammen, dass sich die Partner nicht bewusst gewesen seien, sie schrieben Kirchengeschichte. Ein Glanzpunkt evangelischer Kirchengeschichte ist dies indes nicht und man denkt geradezu wehmütig an die Zeiten zurück, in denen diese Kirche mit besseren Schlagzeilen aufwarten konnte, da in ihr das Evangelium von Jesus Christus und dessen Gnade für den bußfertigen Sünder auf dem Leuchter stand. Diese hat es immer wieder gegeben. Doch es scheint recht lange her zu sein, dass es das letzte Mal der Fall war. Gegenteiliger Auffassung als Oberkirchenrat Stephan Krebs ist der hessische Synodale und Verbandspfarrer des Evangelischen Gemeinschaftsverbandes Herborn, Eberhard Hoppe, der zutreffend feststellte: »Wir haben beim Schriftverständnis nicht mehr dieselbe Basis.« Klipp und klare Aussage der Bibel sei: »Die Ehe ist die für einen Mann und eine Frau bestimmte Lebensform.« In seiner Einschätzung, dass es wegen der kirchlichen Homo-Trauung zu keinem Aufstand an der kirchlichen Basis kommt, hat Eberhard Hoppe leider allzu Recht. Kirchenleitende Gremien gehen ihren Irrweg ohne Rücksichtnahme – und müssen dies auch nicht, da bislang an der Kirchenbasis nie ernsthafte Konsequenzen gezogen worden sind (allenfalls einige – meist leise von statten gehende – Austritte), und so steht zu befürchten, auch in Zukunft nicht werden, womit kirchenleitende Gremien ja rechnen, gleichgültig, welche Entscheidungen sie auch treffen, und sprechen diese noch so sehr Schrift und Bekenntnis, gesundem Menschenverstand und hergebrachter Moralvorstellungen Hohn. (Quelle der Kommentars: ideaSpektrum 33/2013 vom 14. August 2013, S. 33, Hessen)

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Russisch-Orthodoxe Kirche: Fortschreitende Verweltlichung, aber auch schleichende »Diktatur« im Westen Deutliche Kritik am Westen haben hohe Repräsentanten der Russisch-Orthodoxen Kirche geübt. Sie erblicken eine fortschreitende Verweltlichung und den Niedergang moralischer Autoritäten und schließlich den Weg in einen Überwachungsstaat. Die »Trauung« gleichgeschlechtlicher Partner in evangelischen Kirchen sei ein »apokalyptisches Symptom«. Für den höchsten russisch-orthodoxen Geistlichen, Patriarch Kyrill I., ist Homosexualität »Sünde«. Er werde alles dafür tun, dass in Russland diese niemals durch staatliche Gesetze sanktioniert werde. Der Außenamtsleiter des Moskauer Patriarchats, Metropolit Hilarion, sieht westliche Staaten auf dem Weg in eine politische »Diktatur«, die sich über die Volksmeinung hinwegsetze und führt dazu die Legalisierung der »Homo-Ehe« in Großbritannien und Frankreich an, die der Staat einfach durchgesetzt habe, obwohl »Millionen« aufgebrachter Bürger dagegen auf die Straße gegangen seien. Metropolit Hilarion vertritt zudem die Ansicht, im Westen werde unbewusst Bestrebungen zur Einführung einer Diktatur Vorschub geleistet, die völlige Kon­ trolle über jeden ausüben wolle. Fingerabdrücke seien in Pässen eingeführt und an fast jeder Straßenecke seien Überwachungskameras installiert, was dazu dienen könne, den Weg in eine neue »Weltherrschaft« zu ebnen. Wie Metropolit Hilarion weiter mitteilt, will die Russisch-Orthodoxe Kirche ihre Beziehungen zu jenen lutherischen Kirchen einstellen, die die »Homo-Ehe« eingeführt haben, etwa zur schwedischen Volkskirche. Hilarion erwähnt die EKD nicht, obwohl sie homosexuelle Partnerschaften erlaubt. (Quelle der Nachricht: ideaSpektrum 31/32/2013 vom 8. August 2013, S. 11)

Ratsvorsitzender der EKD: Keine Änderung an der Orientierungshilfe zur Familie Trotz zahlreicher und ebenso heftiger Kritik an der Orientierungshilfe zur Familie (Zwischen Autonomie und Angewiesenheit. Familie als verlässliche Gemeinschaft stärken) der EKD (vgl. Informationsbrief der Bekenntnisbewegung »Kein anderes Evangelium« Nr. 279, Juli 2013, mit Beiträgen dazu von den Professoren Rainer Mayer und Reinhard Slenczka; dieses Heft ist bei der Geschäftsstelle der Bekenntnisbewegung »Kein anderes Evangelium« er29


hältlich und Informationsbrief Nr. 280, August 2013, S. 23-25) hält deren Ratsvorsitzender, Nikolaus Schneider, an den Aussagen der EKD zur Familie fest. Der vormalige Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, lehnt Änderungen an dieser umstrittenen Orientierungshilfe ab, der zufolge alle Familienformen (»Familien haben alle«, so Bischof Wolfgang Huber 2004) gleichermaßen wie die Ehe zwischen Mann und Frau zu unterstützen sind. Nun ist zu vernehmen, die EKD plane auch ein Papier zur Sexualität (vgl. ideaSpektrum 28/2013 vom 10. Juli

2013, S. 8). Nach diesem Papier zur Familie ist dann aber, so steht zu befürchten, mit dem Schlimmsten zu rechnen. Als bisher einzige Freikirche hat die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche (SELK) das Familienpapier der EKD kritisiert. Deren Bischof Hans-Jörg Voigt (Hannover) hat sich dazu in einem Hirtenwort ablehnend geäußert. (Quellen der Nachricht: Evangelisches Gemeindeblatt für Württemberg 28/2013 vom 14. Juli 2013, S. 3, nach epd; ideaSpektrum 28/2013 vom 10. Juli 2013, S. 8f.)

Sonderdrucke Alle Sonderdrucke sind bei der Geschäftsstelle auf Spendenbasis erhältlich und können natürlich auch über unsere Internetseite bestellt werden: www.kein­anderesevangelium.de n Biblische Anthropologie und das Gender-Mainstreaming-Programm (Professor Dr. Dr. Rainer Mayer) n Abfall von den Grundlagen christlicher Gemeinschaft im Protestantismus (Professor Dr. Reinhard Slenczka, D. D.)

n Gleichgeschlechtliche Beziehungen im evangelischen Pfarrhaus? n Reformation gegen Deformation in der Kirche (Professor Dr. Reinhard Slenczka, D. D.) n Wer mit der Zeit geht – geht mit der Zeit (Hans Lachenmann)

Korrektur einer Quellenangabe Im Beitrag »Vorwort zur Situation« (Informationsbrief Nr. 279, Juli 2013, S. 4) muss es statt Internetmagazin »Investigativ« richtig lauten: Online-Ausgabe des Magazins »eigentümlich frei« (ef-magazin) vom 28.6.2013.

Weitere Exemplare des Informationsbriefes für Juli 2013 –– Heft 279 sowie August 2013 –– Heft 280 können bestellt werden bei: Bekenntnisbewegung »Kein anderes Evangelium« e. V.

Geschäftsstelle: Walter Rominger, Mehlbaumstraße 148, 72458 Albstadt Telefon und Fax (07431) 74485, E-Mail: w.rominger@t-online.de, www.keinanderesevangelium.de

Mitarbeiter an diesem Heft: Pfarrer Dr. Bernhard Bonkhoff Kirchstraße 3 66501 Großbundenbach Telefon (06337) 314 Fax (06337) 8821

Studiendirektor Pfarrer Hanns Leiner Mittenwalder Straße 34 86163 Augsburg Telefon (0821) 63731 E-Mail: Hanns.Leiner@arcor.de

Professor Dr. Günter Rudolf Schmidt Schinnerer Straße 11 91065 Erlangen Telefon und Fax (09131) 41793 E-Mail: guersch@t-online.de

Propst i. R. Christoph Horwitz Am Schlatthorn 57 21435 Stelle

Walter Rominger Mehlbaumstraße 148 72458 Albstadt Telefon und Fax (07431) 74485 E-Mail: w.rominger@t-online.de

Pfarrer Markus Sigloch Marbacher Straße 23 71563 Affalterbach Telefon (07144) 37014 Fax (07144) 881084 E-Mail: markussigloch@web.de

Propst Gert Kelter Carl-von-Ossietzky-Straße 31 02826 Görlitz

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Geschäftsführender Ausschuss Vorsitzender der Bekenntnisbewegung »Kein anderes Evangelium« e. V. Pfarrer Hansfrieder Hellenschmidt Rötlenstraße 26 70794 Filderstadt Telefon (07158) 6 95 69 Fax (0 71 58) 9 15 74 95 E-Mail: hans.hellenschmidt@gmx.de Stellvertretender Vorsitzender Hans Lauffer Osterstraße 25 70794 Filderstadt Telefon (0 71 58) 48 31 Fax (0 71 58) 94 78 73 E-Mail: hans.lauffer@t-online.de

Weitere Mitglieder des Geschäftsführenden Ausschusses Pfarrer Johannes Frey Ofener Straße 3 28816 Stuhr Telefon (04 21) 5 22 89 10 E-Mail: johannes.frey@nord-com.net Gottfried Meskemper Voltastraße 26 28357 Bremen Telefon (04 21) 25 60 40 Fax (04 21) 2 05 34 56 E-Mail: Gottfried.meskemper@t-online.de

Bekenntnisbewegung »Kein anderes Evangelium« e. V. Geschäftsstelle: Walter Rominger Mehlbaumstraße 148 72458 Albstadt Telefon und Fax (07431) 74485 E-Mail: w.rominger@t-online.de www.keinanderesevangelium.de

Schriftführer Walter Rominger Mehlbaumstraße 148 72458 Albstadt Telefon und Fax (0 74 31) 7 44 85 E-Mail: w.rominger@t-online.de Kassenwart Gabriele Reimer Beurhausstraße 31 44137 Dortmund Telefon (0231) 5 84 46 96 Handy (0177) 2 99 77 76 Fax (0231) 5 89 36 37 E-Mail: Gabriele.Reimer@gmx.de

Mit Fragen bezüglich der Spendenbescheinigungen wenden Sie sich bitte an unseren ­Kassenwart Gabriele Reimer. Sie erreichen sie telefonisch unter (02 31) 5 84 46 96 am besten samstags. Ansonsten sprechen Sie bitte auf den Anrufbeantworter der angege­benen Rufnummer. Bankkonten Volksbank Filder e. G., (BLZ 611 616 96) Konto-Nr. 65 500 016 IBAN DE34 6116 1696 0065 5000 16 BIC (SWIFT)-Code: GENO DE S1 NHB Postgirokonto Schweiz: Postgiroamt Bern Nr. 30-195 56-2 IBAN CH21 0900 0000 3001 9556 2 BIC POFICHBEXXX

Impressum: Herausgeber und Verlag: Bekenntnisbewegung »Kein anderes Evangelium« e. V. – zweimonatlich, kostenlos – Redaktion: Pfarrer Hansfrieder Hellenschmidt Satz und Layout: Grafisches Atelier Arnold, Dettingen an der Erms Druck: BasseDruck, Hagen ISSN 1618-8306 Fotos/Abb. auf Seite: 2: idea/Thomas Kretschel 6: Albrecht Arnold 15: Salih Ucar/pixelio.de 23: Archiv des Evangelischen Gnadauer Gemeinschaftsverbandes restliche privat.

Nachsendeanträge bei der Post kommen bei der Bekenntnisbewegung nicht als Adressänderung an. Deshalb auch bei Umzügen die Adressänderung durch untenstehenden Abschnitt an die Geschäftsstelle weitergeben.

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Aufgabe und Vollmacht der wahren Kirche aber ­bestehen darin, die frohe Botschaft von der Rettung aus dem Gericht durch den Glauben an Jesus Christus zu verkündigen. Reinhard Slenczka


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