Informationsbrief August 2014

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Aus dem Inhalt

Neues aus Kirche und Welt Aus Lehre und Verkündigung Die alles Begreifen übersteigende Liebe Gottes Das Unverständnis von Rechtfertigung in der Kirche der Reformation Christentum und Islam Jede Zeit hat ihren eigenen Luther Ich habe mich bekehrt Reife Ähren neigen sich 150. Todestag von Albert Knapp Buchempfehlung: Gibt es einen neuen Kirchenkampf? Aus Kirche und Gesellschaft

ISSN 1618-8306

August 2014 Nr.  287

Bekenntnisbewegung »Kein anderes Evangelium«


kurz+bündig Personen

Lippischer Gemeinschafts­ verband wurde 90 SELK-­Bischof wurde ­Ehrendoktor

Der Bischof der Selbständig Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK, 175 Gemeinden), Hans-Jörg Voigt erhielt Ende Mai die Ehrendoktorwürde des lutherischen Concordia-Seminars in Edmonton (Kanada) vor allem für seinen Einsatz für Ehe und Familie. Der Bischof hatte im vergangenen Jahr mit einem Hirtenwort auf die sehr umstrittene Orientierungshilfe des Rates der EKD zur Familie reagiert (vgl. zur Orientierungshilfe der EKD auch den Informationsbrief Nr. 279).

Kirche in Deutschland Wechsel im Vorsitz des ­Christusbundes

Matthias Köhler (46), Prediger seit 1996 und auch ­In­spektor des Christusbundes (bis 2011 Brüderbund) ist dessen neuer Vorsitzender und folgt Prediger Thomas Richter (48), der Studienleiter des Bibel-Seminars Königsfeld in Ostfildern wurde. Der Christusbund wendet sich vor allem an Menschen, die der Kirche fernstehen und erreicht eigenen Angaben zufolge 4000 Menschen an 50 Orten in Württemberg. Köhler zufolge will der Christusbund mit seinen Angeboten Lebens- und Ewigkeitshilfe geben.

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1924 war der Lippische Gemeinschaftsverband mit dem Ziel gegründet worden, dass »innerhalb unserer evangelischen Kirche wahres geistliches Leben geweckt und gepflegt werde«. Dazu steht der Lippische Gemeinschaftsverband bis heute. Zu schaffen macht dem Verband, der zum Gnadauer Gemeinschaftsverband gehört, dass die mittlere Generation wegbricht und der Altersdurchschnitt steigt. Waren es 1990 noch 425 Mitglieder und 2000 noch 310, so sind des zurzeit gut 220 in elf Gemeinschaften und 14 Bibelkreisen. Etwa 500 werden mit dem Evangelium erreicht.

Pfalz: Kirchengremien werden »geschlechter­ gerecht« besetzt

Bei ihrer Sitzung Ende Mai hat die Pfälzer Synode beschlossen, künftig alle Gremien geschlechtergerecht zu besetzen. Plätze werden demnach abwechselnd an Männer und Frauen im »Reißverschlussverfahren« vergeben. Bei Wahlen sollen darum ebenso viele Frauen wie Männer kandidieren. Die Besetzung von Presbyterien (Kirchenvorständen, Kirchengemeinderäten), Bezirkssynoden und die Landessynode fallen aber nicht unter dieses Kirchengesetz.

Neuer EKD-Pressesprecher

Carsten Splitt (43) ist seit dem 1. Juli der neue Pressesprecher der EKD. Er löst

Reinhard Mawick ab, der seit dem 1. Juni Chefredakteur der evangelischen Monatszeitschrift »zeitzeichen« ist. Zuvor war Splitt, der Diplomtheologe ist, seit 2010 Chefredakteur der Evangelischen Zeitung in Hamburg.

Kirche weltweit Erster homosexueller USBischof lässt sich scheiden

Der schwule anglikanische US-Bischof Gene Robinson (66, Concord, seit 2013 im Ruhestand) lässt sich von seinem langjährigen Partner Mark Andrew scheiden. Von 1972 bis zu seiner Scheidung 1986 war Robinson verheiratet und hat aus dieser Ehe zwei Töchter. Seit 1989 lebte er mit Andrew zusammen. 2008 ließen sie ihre Homopartnerschaft registrieren und gingen 2010 eine »Homo-Ehe« ein, als diese im New Hampshire legalisiert wurde. 2003 war er als erster offen in einer homosexuellen Partnerschaft lebender Bischof der Episkopalkirche geweiht worden, was zu einer Austrittswelle theologisch konservativer Kirchenmitglieder führte.

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Bibel USA: Bibel weit verbreitet, aber kaum gelesen

Wie die Amerikanische Bibelgesellschaft, ein weltweit tätiger Missionsverband mitteilte, stehen in jedem US-Haushalt fast fünf (4,7) Bibeln. Allerdings lesen 46 Prozent der Menschen in den USA höchstens einmal im Jahr in der Bibel. 15 Prozent lesen täglich und 13 Prozent mehrmals in der Woche. In zwölf Prozent der Haushalte finde sich keine Bibel. 30 Prozent der Befragten sind der Ansicht, die Bibel sei von Gott inspiriert und ohne Fehler. 23 Prozent sagten, sie nehmen die Bibel wörtlich. Nach der Ansicht von 18 Prozent ist die Bibel das Werk menschlicher Autoren.

Freiheit), Gaby Wentland (56). Der Hauptvorstand der DEA umfasst damit 60 Personen, 50 Männer und zehn Frauen. Sie kommen aus 13 verschiedenen Denominationen. 31 Personen gehören zu einer Landeskirche.

kurz+bündig

Personen +++ Kirchen +++ Glauben +++ »Modernes Leben«

Katholische Kirche Neuer Bischof in Passau

Der Salesianerpater Stefan Oster (48) ist Ende Mai zum neuen Bischof von Passau geweiht worden. Oster ist der jüngste Diözesanbischof in Deutschland.

Evangelische Allianz DEA beruft zwei Frauen und einen Mann in Hauptvorstand

Die Deutsche Evangelische Allianz (DEA) hat zwei Frauen und einen Mann neu in ihren Hauptvorstand berufen: die Hamburger Pastorin Regina Gaßmann (49) vom Mühlheimer Verband FreikirchlichEvangelischer Gemeinden (Pfingstkirche), den Generalsekretär der größten deutschen Freikirche, des Bundes Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden (Baptisten- und Brüdergemeinden), Pastor Christoph Stiba (46) und die Leiterin des Hilfswerks »Mission Freedom« (Mission

Neuer Bischof Gothard Magaard ­neuer Bischof des Sprengels ­Schleswig

Neuer Bischof des mit einer Million Mitgliedern größten Sprengels der Nordkirche, Schleswig, ist der 58-jährige Gothard Magaard. 88 Synodale stimmten für ihn, 54 für seine Mitbewerberin, die aus der braunschweigischen Landeskirche kommenden Pröpstin Elfriede Knotte. Magaard will sich für einen spirituellen Glauben einsetzen, der zum politischen Handeln verpflichtet. Zudem nannte er als gesellschaftspolitische Herausforderungen die Armutsentwicklung sowie die Bewahrung der Schöpfung.


kurz+bündig Neuer Freiburger Erzbischof

Stephan Burger (52) heißt der neue Freiburger Erzbischof. Der Nachfolger von Robert Zollitsch (75), der altersbedingt in den Ruhestand trat, ist Domkapitular und Kirchenrechtler. Der aus Löffingen im Südschwarzwald stammende Burger, Sohn eines Schmieds, gilt als volksnah und weltoffen und folgt damit dem von Papst Franziskus vorgegebenen Weg. Seit 2007 leitet er als »Offizial« die Gerichtsbarkeit der Erzdiözese Freiburg, die nach Köln die größte in Deutschland ist. Er hatte es in dieser Funktion mit der Wiederverheiratung Geschiedener zu tun. Burger ist der jüngste Erzbischof in Deutschland. Sein Bruder Tutilo ist Benediktiner und seit 2011 Erzabt der Erzabtei Beuron im oberen Donautal.

Ökumene Bischof Fischer: Reformationsjubiläum ökumenisch begehen

Kurz vor Antritt seines Ruhestandes hat sich der langjährige badische Landesbischof Ulrich Fischer deutlich für eine ökumenische Feier des Reformationsjubiläums ausgesprochen. »Dieses große Ereignis können wir nur ökumenisch begehen, ist doch die Reformation nicht nur der Anfang einer großen Freiheitsgeschichte, sondern zugleich auch Beginn des Zerbrechens der Einheit des abendländischen Christentums.« Weiter betonte er: »Ich hoffe, dass 4

es bei allen ökumenischen Belastungen gelingen wird, gemeinsam einen Weg hin zum Reformationsjubiläum 2017 zu gehen.« Untrennbar zusammen gehörten in diesem Reformationsjubiläum die »Freude über die durch Christus geschenkte Freiheit« und das Bekenntnis aneinander schuldig geworden zu sein.

sche Fakultät alle zwei Jahre vergibt. Zur Begründung heißt es, Schäfer habe mit seinem wissenschaftlichen Werk zum Verstehen der Völker und Kulturen beigetragen. Er habe wesentlich zur Erforschung der Geschichte, der Literatur und der Theologie des antiken und frühmittelalterlichen Judentums beigetragen.

Hohe Auszeichnung für »Miteinander für Europa«

Mission

Landkreis und Stadt Dillingen an der Donau haben die ökumenische Initiative »Miteinander für Europa« mit dem nach Bischof Ulrich von Augsburg (890–973) benannten St.-Ulrichs-Preis ausgezeichnet. Mit dem mit 10 000  Euro dotierten Preis werden Bemühungen um die Einheit Europas gefördert. »Mitei­ nander für Europa« verbindet rund 300 christliche Bewegungen mit Gemeinschaften über konfessionelle Grenzen hinweg. Zur Preisverleihung heißt es: Mit dem Netzwerk sei eine »Bewegung der Hoffnung entstanden, die vom Geist des Evangeliums inspiriert ist und in ganz Europa Menschen zum Einsatz für unsere Gesellschaft motiviert«.

Ökumene der Religionen Auszeichnung für Verstehen der Völker

Der Judaist Peter Schäfer erhält den mit 50 000 Euro dotierten diesjährigen Leopold-Lucas-Preis der Universität Tübingen, den die dortige evangelisch-theologi-

HMK mit neuem ­Vorsitzenden

Ernest Ahlfeld ist zum 1. Vorsitzenden der Hilfs­ aktion Märtyrerkirche gewählt worden. Der Pfarrer der oberschwäbischen Brüdergemeinde Wilhelmsdorf übernahm das Amt von Kirchenrat Dr. Rolf Sauerzapf, der es nach zehn Jahren ehrenamtlichem Engagement abgab. Vor seiner Tätigkeit in Wilhelmsdorf war Ahlfeld zwölf Jahre Pfarrer in Wimsheim bei Leonberg.

Gesellschaft Schulz gegen Kreuze

EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD), der auch Spitzenkandidat bei den Europawahlen war, will Kreuze und andere religiöse Symbole aus dem öffentlichen Raum verbannen. Jeder solle zwar persönlich seinen Glauben zeigen können, der öffentliche Ort müsse aber »neutral« sein, da dort jeder ein Recht habe, zu sein. Sowohl die CSU als auch Kirchenvertreter reagierten empört.

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Aus Lehre und Verkündigung mm Allein der Heilige Geist ist es, der in der Gewissheit des Glaubens an Christus ohne allen Zweifel einhergeht. Die Anhänger der Sekten reden immer etliche Worte, aus denen man wahrnimmt, dass ihr Herz im Zweifel ist: Ich hoffe, ich sei fromm, ich sei gerecht. Ein Christ aber: Ich tue, was ich kann. Was ich nicht tue, das zahlt das Leiden Christi für mich. Ich bin selig in Christus, diese Zuversicht soll mir niemand neh­ men. Jesus ist mein Heiland, und es gibt nichts anderes, wodurch unser Gott und unser Gewis­ sen beruhigt werden. Diejenigen aber, welche auf ihre Gerechtigkeit, nicht auf Christus vertrauen, vertrauen natürlich ihrer Gerechtigkeit und sind darum immer im Zweifel. Martin Luther m

mm Wo der einfache Gehorsam grundsätzlich um­ gangen und ausgeschaltet wird, dort herrscht ein unevangelisches Schriftverständnis. Dietrich Bonhoeffer m

mm Es ist nötig, dass wir erkennen, wenn die Welt so verwirrt ist, dass es einen geheimen Zügel von oben gibt, dass die Dinge niemals so konfus sind, dass sie nicht Gott doch von oben anordnet, wie es ihm gut scheint.

mm Wofür die Väter standenm vor Fürsten ungebeugt,m was sie in Blut und Bandenm als Gottes Wort bezeugt,m dies Wort woll’n sie zum Raube, m dein Kreuz, Herr Christ, dazu.m Hier ist Geduld und Glaube,m und hier, Herr Christ, bist du.m m Herr, lass es nicht geschehen, m Herr Gott, verwirf uns nicht. m Noch einmal lass uns stehenm gerettet im Gericht.m Dem Helfer Christ erlaube,m dass er sein Wunder tu.m Hier ist Geduld und Glaube,m und hier, Herr Christ, bist du.m m Uns aber hilf bekennen,m hilf leiden ohne Scheu. m Mach, die nach dir sich nennen, m bis in den Tod getreu. m Einst führst du aus dem Staube m dein Volk zu sel‘ger Ruh.m Hier ist Geduld und Glaube,m und hier, Herr Christ, bist du.

(aus einem Lied von Otto Dibelius von 1934, zuerst m abgedruckt in »Wehr und Waffen«. Lieder der ­kämpfenden Kirche, 1934)

Johannes Calvin m

mm Das Gesangbuch ist eine Art Antwort auf die Bibel, ein Echo und eine Fortsetzung. Aus der Bi­ bel sieht man, wie Gott mit den Menschen redet, und aus dem Gesangbuch, wie die Menschen mit Gott reden. Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf m Informationsbrief 287

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mm Denn der Glaube verspricht nicht etwa ein langes irdisches Leben. Er gibt keine Garantie für Ehre und Macht. Solche Dinge hat uns der Herr nämlich nicht zusagen wollen. Er begnügt sich vielmehr mit der Zusage, dass uns zwar vieles fehlen mag, was uns in diesem Leben helfen könnte, dass uns aber Gott nie fehlen wird. Johannes Calvin (aus: Institutio III, 2,28)

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Die alles Begreifen übersteigende Liebe Gottes Friedemann Schwarz

Denn Christus ist schon zu der Zeit, als wir noch schwach waren, für uns Gottlose gestorben. Nun stirbt kaum jemand um eines Gerechten willen; um des Guten willen wagt er vielleicht sein Leben. Gott aber erweist seine Liebe zu uns darin, dass Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren. Römer 5,6–8 Paulus bezeugt hier das Evangelium von der unbegreiflichen Gnade Gottes, die alle einschließt und für alle da ist. »Darin besteht die Liebe, nicht dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt hat …« Vor Paulus muss in solchen Augenblicken seine schreckliche Vergangenheit gestanden haben. Seine Mordlust an den ersten Christen im Namen der Gerechtig­ keit Gottes, wie er meinte. Sein »Unfall« vor Damaskus, als der »Nazarener« seine Pläne durchkreuzte. In mancher Lebensgeschichte muss Gott massiv in den Weg treten. Luther konnte drastisch sagen: »Er hat mich geschlagen wie einen blinden Gaul.« In einem christlichen Lied heißt es: »Hättst du dich nicht an mich gehangen, ich wäre dich nicht suchen gangen.« Gottes Liebe ist der erste entscheidende Schritt. Darüber staunen wir ein Leben lang. Das verwehrt uns, uns über andere zu erheben. Dass Gott uns begegnet ist, ist das Wunder unseres Lebens. Es demütigt uns, dass seine Liebe uns so lange suchen musste. Dass Gott ihn suchen musste, hat den jungen Augustinus erschüttert, und bedauernd bekannte er Gott: Ich habe dich spät geliebt. Unerhört ist diese Botschaft der Liebe Gottes: Als ich noch schwach war, ist er für

Friedemann Schwarz Die Anschrift des Autors finden Sie auf Seite 30

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mich gestorben. Als ich ein Gottloser war, ist er für mich gestorben. Er ist für mich gestorben, als ich noch Sünder war, als ich noch ohne ihn leben wollte, als ich ihm den Rücken zugekehrt hatte. Das ist das Wesen der Liebe Gottes, dass sie so anders ist als unsere Liebe, dass sie so machtvoll ist, weil sie immer uns sucht und nicht sich selbst, dass ich dieser Liebe zuletzt nicht ausweichen kann und mich ihr ergeben muss. »Liebe, die du mich zum Bilde deiner Gottheit hast gemacht, Liebe, die du mich so milde nach dem Fall hast wiederbracht, Liebe, dir ergeb ich mich, dein zu bleiben ewiglich« (Johann Scheffler, Evangelisches Gesangbuch Nr. 401, Strophe 1). Und doch erzählt das Evangelium vom Widerstand gegen diese Liebe. Alle, ohne Ausnahme, suchte Jesus. Wenige ließen sich finden. Kaum einer ging den schmalen Weg, der zum Leben führt. Kaum einer wollte den Weg gehen, der so schmal ist, dass man an Jesus nicht vorbei kommt. Zweimal hören wir in den Evangelien die Klage Jesu über die Stadt Jerusalem (Matthäus 23,37 und Lukas 13,34): »Jerusalem, Jerusalem, die du tötest die Propheten und steinigst, die zu dir gesandt werden – wie oft habe ich deine Kinder versammeln wollen wie eine Henne ihre Küken unter ihre Flügel und ihr habt nicht gewollt.« Alle suchte Jesus, als er weinte über der Stadt Jerusalem. Alle, bis zuletzt. Die Zöllner und Sünder, die Terroristen und Dirnen, die Schriftgelehrten und Pharisäer, die Römer und Ausländer, die klagenden Frauen an seinem Weg zum Kreuz, auch die Jünger in der schweren, kommenden Stunde in Gethsemane. »Kommt her zu mir alle«, hatte er gesagt. Bis zuletzt suchte Jesus sie alle. Auch den Mitgekreuzigten, der in seinem Todeskampf sich an ihn klammerte. Und dann hören wir seine herrlichste Bitte für alle die Gerufenen, die sich nicht rufen ließen, in seiner Todesstunde: »Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.« August 2014

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Und doch ist das möglich dieser Liebe zu widerstehen? »Ihr habt nicht gewollt« – eines der erschütterndsten Worte aus dem Munde Jesu. Ja, Jesus achtet unsere Würde, unser »Nein«. Er bricht nicht in unsere Tür herein. Unser »Nein« ist für ihn eine heilige Grenze, die er nicht überschreiten kann und darf. Erst hier verstehen wir, was es heißt: »Schrecklich ist es, in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen« (Hebräer 10,31). Was bleibt dann, wenn ich die Gnade Gottes wegstoße? Friedrich Nietzsche drückte es erschütternd aus: »Wer das verlor, was ich verlor, macht nirgends halt, ich bin zur Wüstenwanderschaft verflucht, dem Vogel gleich, der stets nach kälteren Himmeln sucht. Weh dem, der keine Heimat hat!« Wie anders, wenn Gottes Liebe einen Menschen erreicht. Dann erhält sein Leben eine Strahlkraft, die nicht genetisch erklärbar ist. Der dritte Teil des Oratoriums »Der Messias« von Georg Friedrich Händel beginnt mit der Arie für Sopran: »Ich weiß, dass mein Erlöser lebt, und dass er erscheint am letzten Tag dieser Erd.« Das ganze Werk von Händel ist von dieser Freude erfüllt. Deshalb wurde er auch in London auf einem Denkmal so dargestellt, dass er den Notensatz dieser Arie in Händen hält, mit den dabeistehenden Worten: »Ich weiß, dass mein Erlöser lebt!« Bei einer Probe zum »Messias« war der Meister mit der Leistung seiner Sängerin nicht zufrieden. Nachdem sie vorgetragen hatte: »Ich weiß, dass mein Erlöser lebt«, unterbrach Händel: »Weiß sie das wirklich?« Die Sängerin flüsterte verlegen ganz leise »Ja«. Darauf Händel etwas barsch: »Dann singen sie es auch so!« Können wir das von Herzen sprechen? »Ich weiß, dass mein Erlöser lebt.« Dann hat Gottes Liebe uns gefunden. Der englische Erweckungsprediger Spur­ geon war auf seiner letzten Reise im Jahre 1891 schwer krank. Auf dieser letzten Reise sagte er einem Besucher: »Meine Theologie ist einfach geworden. Es sind vier Worte: Jesus starb für mich. Es mag nicht genügen zum Predigen, aber es genügt zum Sterben.« Man spürt, da ist einer »heim«gekommen in der Liebe Gottes. Gottes Liebe ist ein einziger Ruf »nach Hause«. Diesen Ruf lässt Gott sich alles kosten. Zuletzt eine kleine Geschichte, die uns das vor Augen führt. Bei Husum soll es geschehen sein. Es war im Winter. Eisfest war auf dem gefrorenen Meer an einem schönen Wintertag. Alt und Jung, alles tummelte sich auf der spiegelglatten Eisfläche. Immer weiter hinaus wagten sich einige und dann immer mehr Leute. Aber niemand ach­tete auf die Zeichen eines bevorstehenden Informationsbrief 287

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Friedrich Nietzsche beantwortete für sich die Frage »Was bleibt dann, wenn ich die Gnade Gottes wegstoße?« folgendermaßen: »Wer das ­verlor, was ich verlor, macht nirgends halt, ich bin zur Wüstenwanderschaft verflucht, dem Vogel gleich, der stets nach kälteren Himmeln sucht. Weh dem, der keine Heimat hat!« Wetterumschwungs. Die Witwe eines Seemanns war krank und musste zuhause das Bett hüten. Durchs Fenster sah sie hinaus bis an den Horizont. Plötzlich erkannte sie dort kleine Wolken und dann bald Zeichen eines herannahenden Sturms, vielleicht einer Sturmflut. Aber die Dorfbewohner vergnügte sich draußen auf dem Eis und achteten nicht auf die Gefahr, geschweige denn gedachten sie an Heimkehr. Was konnte sie tun? Sie kroch aus dem Bett, riss einen Feuerbrand aus dem Ofen, rettete sich mit letzter Kraft zur Tür und warf den Brand in ihr eigenes kleines Häuschen, das bald lichterloh brannte. Alle auf dem Eis sahen das Feuerzeichen und eilten an den Strand und zum Dorf um das Feuer zu löschen. Und dann waren sie selbst alle gerettet. So hat Gott in seiner Liebe sein eigenes Haus »angezündet«. »So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren gehen, sondern das ewige Leben haben« (Johannes 3,16). Wir können nur einstimmen mit Gerhard Teerstegen in die Anbetung Gottes: »Ich bete an die Macht der Liebe, die sich in Jesus offenbart. Ich geb mich hin dem freien Triebe, mit dem ich Wurm geliebet ward. Ich will, anstatt an mich zu denken, ins Meer der Liebe mich versenken« (Evangelisches Gesangbuch Nr. 641, Strophe 1, W württembergischer Regionalteil). 7


Das Unverständnis von ­Rechtfertigung in der Kirche der Reformation Dogmatische Bemerkungen zu dem »Grundlagentext des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland«: »Rechtfertigung und Freiheit« vom Mai 2014 Reinhard Slenczka

Zum Thema Zu wiederholten Malen ist in Kirchen der Reformation der Versuch gescheitert, Erklärungen zu dem reformatorischen Zentralthema Rechtfertigung zu verfassen und in kirchlichen Gremien zu verabschieden. Im Jahr 1963 scheiterte die Vierte Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes in Helsinki bei der Verabschiedung ihrer Vorlage »Christus heute«. Eine Theologische Kommission erhielt den Auftrag, das Dokument zu bearbeiten, ohne es jedoch zu ändern. Es erschien dann unter dem Titel »Rechtfertigung heute« mit dem einleitenden Satz: »Das reformatorische Zeugnis von der Rechtfertigung aus Glauben allein war die Antwort auf die existenzielle Frage: ›Wie finde ich einen gnädigen Gott?‹ In der Welt, in der wir heute leben, ist diese Frage fast verstummt. Geblieben ist die Frage: ›Wie bekommt mein Leben einen Sinn?‹« Damit sollte versucht werden, das Thema Rechtfertigung aus einer geschichtlich überholten Situation in die Welt von heute zu vermitteln. Antwort auf Fragen gehört als Bedarfsforschung mit den Mitteln von Demoskopie und Statistik in den Bereich der Werbung, um auf diese Weise Absatzmöglichkeiten

Reinhard Slenczka Die Anschrift des Autors finden Sie auf Seite 30

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zu ermitteln. Das hat mit Theologie und Kirche überhaupt nichts zu tun, wo es doch einzig und allein um den göttlichen Auftrag geht, verlorene Menschen aus dem Gericht über Lebende und Tote zu retten. In gleicher Weise wurde in dem »Evangelischen Erwachsenenkatechismus« von 1975 Rechtfertigung aus einem vermuteten veränderten Frage- und Erfahrungshorizont interpretiert: »Wer bejaht mich so, wie ich bin? – Habe ich eine Daseinsberechtigung, auch wenn ich versage oder muss ich erst beweisen wie viel ich wert bin?« Es wird gefragt »Wieso macht Jesus frei?«, wo es doch wohl richtig heißen müsste: »Wovon macht Jesus frei?« – nämlich von der Sünde. Zugleich werden die konfessionellen Gegensätze einfach als »Scheingegensätze« deklariert. Schließlich, ohne noch auf einige andere kontroverse Texte einzugehen, wurde am 31. Oktober 1999 zum Reformationsgedenktag eine »Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre« feierlich in Augsburg von der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) und dem päpstlichen Einheitssekre­ tariat unterzeichnet. Dies geschah trotz des wiederholten öffentlichen Protests im Jahr 1998 von 150 und im folgenden Jahr noch einmal von 243 theologischen Hochschullehrern mit der Forderung, den Text in der vorliegenden Form abzulehnen. Die Begründung sei hier zitiert: »Die unterzeichnenden theologischen Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer erklären in Wahrnehmung ihrer Verantwortung für Theologie und Kirche: I. Die Rechtfertigung des Sünders allein durch den Glauben ist nach evangelischer Lehre die grundlegende Wirklichkeit des Lebens der Christen wie der Kirche. Von ihr aus sind Lehre, Ordnung und Praxis der Kirche zu bestimmen und August 2014

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Trotz des wiederholten Protests hunderter theologischer Hochschullehrer wurde am 31. Oktober 1999 in der St.-Anna-Kirche in Augsburg die »Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre« von VELKD und päpstlichem Einheits­ sekretariat unterzeichnet. zu beurteilen. In der ›Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre‹ (GE) kann es folglich nicht um einen Einzelaspekt der Theologie gehen, vielmehr geht es um das Grundlegende und Ganze, um den Artikel, von dem man ›nichts weichen oder nachgeben kann‹ (Luther, Schmalkaldische Artikel), mit dem die Kirche steht und fällt. Ein Konsens in der Rechtfertigungslehre muss daher 1. die Wahrheit der Rechtfertigung allein durch den Glauben unverkürzt zur Geltung bringen und 2. sich unmittelbar im Verhältnis der konsentierenden Kirchen zueinander, in ihrer gegenseitigen Anerkennung als Kirche Jesu Christi und in der Anerkennung ihres die Rechtfertigung öffentlich verkündenden Amtes.« Dass diese noch nicht so lange zurückliegenden und mit einer umfangreichen Diskussion verbundenen Vorgänge offenbar überhaupt nicht zur Kenntnis genommen wurden, führt dazu, dass in dem vorgelegten Text des Rates sämtliche Grundfehler wiederholt werden, die davon ausgehen, dass man Rechtfertigung für eine zeitbedingte Erfindung von Theologen hält, die den veränderten Gesellschaftsverhältnissen anzupassen ist. So lautet die Leitfrage in diesem neuen Versuch, Rechtfertigung verständlich zu machen: »Wie kann Kirche so geInformationsbrief 287

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staltet werden, dass in ihr tatsächlich von Jesus Christus geredet wird, also als dem, in dessen Person, Wort und Werk Gott wie sonst nirgends gegenwärtig ist?« (S. 57) In diesem Satz ist schon der Grundfehler erkennbar: Jesus Christus ist nicht Subjekt und Herr der Kirche, die sein Leib ist, sondern er ist Gegenstand der Vermittlung durch Theologie und Kirchenleitung. Man muss ihn also »annehmbar«, attraktiv, machen. Das geschieht mit den Mitteln von Anpassung und Werbung, nicht aber durch das Handeln Gottes in Erwählung und Verwerfung. Wieder einmal stehen wir vor der Tatsache, dass der Rat der EKD dekretiert, wie heute und vom heutigen Menschen zu glauben, zu lehren und zu leben ist. Das ist das genaue Gegenteil von dem, was in der Reformation geschah. In dieser Situation sollen daher die Grund­ entscheidungen nicht nur zum Verständnis, sondern zum Geschehen der Rechtfertigung in Erinnerung gebracht werden. Dabei gilt für alles Weitere, dass »Lehre« in der Nachfolge des »Lehrers«/»Rabbi« Jesus Christus für die Gemeinschaft seiner Jünger/Schüler Vollzug der Lebensgemeinschaft mit Jesus Christus ist. In diesem Sinne ist auch für Luther wie für alle rechten Theologen »doctrina« nicht eine theoretische Lehrbildung, sondern Vollzug der Verkündigung, Unterweisung und Seelsorge. Dass sich Theologie zu theoretischer Systembildung verselbständigt, ist eine Zerfallserscheinung in der Zeit der Scholastik ebenso wie in den Systembildungen seit dem 19. Jahrhundert. Die Aufgabe von Theologie und Kirche besteht nicht darin, dass Antworten auf die Fragen der Zeit gegeben werden, indem man sich Vorstellungen der Zeit und Forderungen der Gesellschaft anpasst. Aufgabe rechter Theologie ist vielmehr die immer von neuem notwendige Unterscheidung von wahrer und falscher Lehre, von Gehorsam und Ungehorsam gegen Gottes Gebote mit dem Ziel, dass die Kirche in der Wahrheit bleibt und dass in der Sünde gefangene Menschen zum Heil, zur Rettung aus dem Endgericht, durch die Gnadenmittel von Wort und Sakrament durch Umkehr und Erneuerung geführt werden. Das ist Wesen und Auftrag der Kirche von ihrem Herrn; auf diese Weise wird das vor der Erschaffung der Welt (Epheser 1,4) erwählte Volk Gottes aus der Welt herausgerufen. Wenn das nicht gesehen und beachtet wird, verfallen Theologie und Kirche in gesellschaftspolitische Ideologiebildung. Sie wird zur Zivilreligion und zur Staatskirche mit gesellschaftspolitischen Aufgaben und Interessen. Sie mag den Namen und Anschein haben, dass sie lebt, aber sie ist tot (Offenbarung 3,1). 9


Luthers falsche Frage nach dem gnädigen Gott Die vielzitierte Frage Luthers nach dem gnädigen Gott, in der man den Ansatzpunkt für seine so genannte Rechtfertigungslehre vermutet, war in Wirklichkeit die falsche Frage. Das hat Luther in einer Predigt über die Taufe Jesu (Matthäus 3,13–17) folgendermaßen erklärt, wie er sich gefragt hat: »O, wann willst du einmal fromm werden und genugtun, dass du einen gnädigen Gott kriegst? Und ich bin durch solche Gedanken zur Möncherei getrieben und habe mich gemartert und geplagt mit Fasten, Frieren und strengem Leben, und doch nicht mehr damit ausgerichtet, als dass ich nur die liebe Taufe verloren, ja helfen verleugnen. Darum, auf dass wir nicht durch solche verführt werden, so lasst uns diese Lehre rein halten, wie wir hier sehen und greifen, und einen großen und weiten Unterschied behalten zwischen Gottes und unsern Werken … denn nachdem wir sind durch die Sünde gefallen und verdorben, nimmt er uns noch einmal in seine göttlichen Hände, gibt uns sein Wort und die Taufe, wäscht und reinigt uns damit von Sünden … Diese Werke soll man rühmen, wenn man will von göttlichen Werken reden. Denn er ist der rechte Werkmeister, der mit seinem Finger kann die Sünde tilgen, den Tod erwürgen, den Teufel schlagen, die Hölle zerstören …«1 Zwar wird in dem Grundlagentext die Taufe zweimal erwähnt (34,90). Doch ihre grundlegende Bedeutung und Wirkung für das Geschehen der Rechtfertigung wird nicht verstanden. Zugleich müssen wir uns fragen: Wie steht es bei uns heute mit der Verwaltung der Taufe und mit dem Leben aus der Taufe? Wie steht es mit der Tauferinnerung und mit der Verpflichtung von Eltern, Paten und Gemeinde für die christliche Erziehung und Unterweisung der Jugend? Wo wird noch der Katechismus gelehrt und dazu, wie Luther in seiner Vorrede zum Kleinen Katechismus betont, auswendig gelernt, d. h. ins Herz aufgenommen? Oder füllt man die für Konfirmanden- und Religionsunterricht reichlich zur Verfügung stehende Zeit lediglich mit inhaltsleeren Fragen und Diskussionen aus?

Reformation wendet sich gegen Deformation in der Kirche »Wenn unser Herr Jesus Christus sagt, ›tut Buße‹ (Matthäus 4,17), hat er gewollt, dass das ganze Leben der Gläubigen Buße sei.« Der Ablasshandel, mit dem Gelder für den gewaltigen Bau des Petersdoms in Rom und außerdem für die kostspielige Finanzierung von 10

Ausnahmegenehmigungen für Kirchenfürsten bei der Übernahme von einträglichen Pfründen gesammelt wurden, war der Auslöser für die Reformation. Die theologische Kritik zielte jedoch noch weiter auf die Verwaltung des Bußsakraments und die Seelsorge. Nach dem kanonischen Recht der römischen Kirche besteht die Buße aus drei Stücken: Bekenntnis der Sünde (confessio peccati), Zuspruch der Vergebung (remissio) und Bußleistung (satisfactio). Die beiden ersten Teile beziehen sich auf das Verhältnis von Gott und Mensch, und das ist begründet in der vom Herrn gegebenen Vollmacht, Sünden in der Zeit zu vergeben oder zu behalten für die Ewigkeit. Dies ist begründet in der Einsetzung durch den Herrn, der hier spricht und handelt (Johannes 20,19–23; Matthäus 16,19; 18,18). Die kurzen Erwähnungen des Ablasses auf den Seiten 14, 16, 54ff. und 64 bagatellisieren nicht nur die historischen Sachverhalte, sondern beziehen die Rechtfertigung ohne Werke auf die Kritik an einer so genannten Leistungsgesellschaft: »Ein Mensch ist mit dem, was er geleistet oder nicht geleistet hat, nicht identisch …« (S. 68). Genaugenommen geht es doch darum, wie und wodurch ein Sünder im Gericht vor Gott bestehen kann. Dass jedoch nach dem Zeugnis der Schrift und bitterer Erfahrung auch heute im menschlichen Leben Gott die Übertretung seiner Gebote und Ordnungen richtet und straft, wird lästernd verspottet als »Bild« von Gott als »Gerichtsherr über das Leben von Menschen … , der wie ein absolutistischer Monarch unumschränkt herrscht …« (S. 24, 26). Wenn heute von einem »Kuschelgott« die Rede ist, dann ist hier ein Beispiel dafür. Allerdings muss man sehen, dass damit zugleich die erfahrene Wirklichkeit des Lebens und des Weltgeschehens abgeblendet wird. Es wird ein Menschen- und Weltbild einer universalen Wohlfühlgesellschaft in selbstgewählter Freiheit/Emanzipation von allen Bindungen vorgegaukelt. Gegenstand der Kritik ist die »satisfactio«, wenn sie verstanden wird als Leistung zur Tilgung zeitlicher Sündenstrafen oder auch als Bedingung für die Wirkung der Sündenvergebung. Dieses dritte Stück ist gemeint, wenn im Zusammenhang der Rechtfertigung von »Werken« die Rede ist (CA XI und XII). Denn die Rechtfertigung in der Vergebung der Sünde und zur Rettung aus dem Endgericht geschieht allein durch das Wort Christi: »Dir sind deine Sunden vergeben.« An dieses Wort des Herrn soll sich der Glaube halten. Der Anlass der reformatorischen Kritik beschränkt sich allerdings nicht auf »das damalige Ablasswesen« (S. 64), sonAugust 2014

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dern er trifft heute geltendes Kirchenrecht und Was ist und wie geschieht Frömmigkeitspraxis, wie im Codex Juris Cano- ­Rechtfertigung? nici von 1983 Can 992–997 nachzulesen ist. »Justificatio impii sola fide per Christum« – In diesem Zusammenhang steht der drohende Satz: »Die Kirche darf aber nicht meinen, das »Gerechtmachung des Gottlosen allein durch den Heilswerk Christi verwalten und beaufsichtigen Glauben durch Jesus Christus«. Christus, der gezu können …« (S. 54). Genau das aber geschieht kreuzigte und auferstandene Herr, dessen Wiedurch die reine Verkündigung des Evangeli- derkunft zum Gericht über Lebende und Tote ums und die rechte Verwaltung der Sakramen- wir erwarten und auf die wir uns im Leben und te. Andernfalls ist die Kirche eine Einrichtung Sterben vorzubereiten haben, ist das Subjekt zur Begleitung der Wechselfälle des Lebens, der Rechtfertigung. Gerecht gemacht wird der Mensch, der menschheitlich seit zur Befriedigung sentimentadem Sündenfall (1.Mose 3) unter ler Bedürfnisse und spiritueller mm Glaube an Jesus der Herrschaft von Sünde, Teufel Unterhaltung – was leider an Christus ist nicht nur und Tod steht. Das Wissen um manchen Gottesdiensten zu eine Erkenntnis oder Gut und Böse ist ebenso wie der bemerken ist. Das Hauptbekenntnis der Anerkennung von oder Tod Folge des Falls. Glaube an Jesus Christus ist nicht nur eine ErReformation, das Augsburger Zustimmung zu For­ kenntnis oder Anerkennung von Bekenntnis von 1530, zeigt in oder Zustimmung zu Formeln, die seinen 28 Artikeln, was Refor- meln, die zu interpre­ zu interpretieren wären. Rechter mation zur Beseitigung von tieren wären. Rechter Glaube ist vielmehr Gemeinschaft Deformationen in der Kirmit Christus, der durch den Glauche ist. In den Grundartikeln Glaube ist vielmehr ben in unseren Herzen wohnt 1 bis 21, den »articuli fidei Gemeinschaft mit praecipui«, steht der »magnus Christus, der durch den (Epheser 3,17) oder, wie es Luther ausdrückt: »In ipsa fide Chrisconsensus«, wie in den reformatus adest« – »im Glauben selbst ist torischen Kirchen »einträchtig- Glauben in unseren Christus gegenwärtig«.2 lich« gelehrt wird, und zwar in Herzen wohnt. Glaube aber ist Gabe des HeiliÜbereinstimmung mit der gesamten katholischen Kirche seit ihren Anfängen. gen Geistes, und daher besteht in Luthers KleiDamit wird vor Kaiser und Reich der Nachweis nem Katechismus die Erklärung des Dritten Arerbracht: Wir sind katholisch, keine neue Kir- tikels in dem Bekenntnis: »Ich glaube, dass ich che und daher auch keine von Kirche und Reich nicht aus eigener Vernunft und Kraft an Jesus zu verurteilenden Häretiker. Die Artikel 22 bis Christus, meinen Herrn, glauben oder zu ihm 28 enthalten die strittigen Artikel mit den Miss- kommen kann, sondern der Heilige Geist hat bräuchen, die geändert sind (articuli in quibus mich durch das Evangelium berufen …« Also: recensentur abusus mutati). Dazu gehören Din- Ich glaube, dass ich nicht glauben kann. Und ich ge wie der Kelchentzug beim Abendmahl, die kann auch keinen Glauben bei anderen machen. Was in dem Dokument vom Glauben »sola Ehelosigkeit (Zölibat) der Priester und Mönche, der Gottesdienst in lateinischer Sprache mit fide« als »theologischer Grundgedanke – kein den Kaufmessen, die Forderung zusätzlicher Marionettentheater« gesagt wird (S. 87f.), kann Bußleistungen (satisfactiones), die Forderung, man nur als albern bezeichnen.3 Faktisch wird dass von Menschen eingeführte Fastenregeln der Glaube hier nicht als Gabe, sondern als Werk und Zeremonien heilsnotwendig seien, die Hö- verstanden: »Glauben ist eine neue existenzielle herbewertung der Mönchsgelübde über die von Haltung Gott und sich selbst gegenüber. Im GlauGott eingesetzte Ehe und schließlich die Ver- ben lässt der Mensch seine Rechtfertigung durch mischung von kirchlicher/geistlicher und welt- Gott zu und versteht sich von ihr her. Glauben licher Gewalt im Bischofsamt (Fürstbischöfe); heißt Ja sagen dazu, dass man selbst nichts dazu denn geistliche Gewalt wird »sine vi humana sed beitragen kann, dass Gott gnädig ist. Im Glauben verbo« – »ohne menschliche Gewalt, sondern allein nimmt der Mensch seinerseits an, dass Gott ihn trotz allem angenommen hat. durch Gottes Wort« ausgeübt. Allein durch Glauben heißt eben ›nicht durch Grundtext der Reformation ist Römer 12,2: »Und stellt euch nicht dieser Welt gleich, sondern Werke‹. Der Mensch muss sich Gottes Gnade gefaländert [lateinisch: reformamini] euch durch Er- len lassen, er muss aushalten, dass er selbst nichts neuerung eures Sinnes, damit ihr prüfen könnt, zu seiner Rechtfertigung beitragen kann.« Damit wird eine menschliche Einstellung was Gottes Wille ist, nämlich das Gute und Wohlund Verhaltensweise beschrieben, ja sogar begefällige und Vollkommene.« Informationsbrief 287

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fohlen, wo eigentlich von Gabe und Empfang durch den Heiligen Geist zu reden wäre. Hier liegt wiederum eine Grundentscheidung, ob wir Theologie in Lehre und Verkündigung als Ermöglichung von Glauben betreiben oder ob wir im Auftrag Jesu Christi die vor Erschaffung der Welt erwählte Schar (Epheser 1,4) aus der Welt herausrufen. Dazu gehört freilich, dass wir die Mittel kennen und anwenden, durch die der Heilige Geist gegeben wird, »welcher den Glauben wo und wann er will, in denen so das Evangelium hören, wirket, welches da lehrt, dass wir durch Christus Verdienst, nicht durch unser Verdienst, einen gnädigen Gott haben, so wir solches glauben« (CA V). Die Predigt vom Reich Gottes ist Saat, die ausgestreut wird und die auf unterschiedlichen Boden fällt und daher auch in unterschiedlicher Weise Frucht bringt (Markus 4,3–20pp.) Es gibt nach dem Wort des Herrn dabei nicht nur Frucht, sondern auch Unkraut; es gibt nicht nur Verstehen, sondern auch Verstockung. Entscheidend aber sind die Mittel, durch die der Heilige Geist wirkt, nämlich Wort und Sakrament – Taufe, Abendmahl, Buße. Sie sind von Gott eingesetzt und von der geistlichen Vollmacht sie zu verwalten, getragen.

Das Wort Gottes und die vom Herrn eingesetzten Sakramente Der Fundamentaldissens damals und heute »Die Heilige Schrift ist Gottes Wort«4 – »das göttliche Wort ist Gott selbst«5 – »Gott ist in allen seinen Worten, ja Syllaben, wahrhaftig; wer eins nicht glaubt, der glaubt keins. Es muss alles geglaubt sein, wie Christus sagt Matthäus 5,18«.6 »Wer einen Gott hat ohne sein Wort, der hat keinen Gott; denn der rechte Gott hat unser Leben, Wesen, Stand, Amt, Reden, Tun, Lassen, Leiden und alles in sein Wort gefasst und uns vorgebildet, dass wir außerhalb seines Wortes nichts suchen noch wissen dürfen noch sollen, und auch Gott selbst nicht; denn er will von uns außerhalb seines Wortes mit unserem Dichten, Nachdenken unbegriffen, ungesucht, ungefunden sein«7 – »… und es sind doch ja nicht Lesewort, wie sie meinen, sondern eitel Lebewort drinnen, die nicht zum Spekulieren und hoch zu dichten, sondern zum Leben und Tun dargesetzt sind …«8 – »… die heiligen Schriften können nur durch den Geist verstanden werden, von dem sie geschrieben sind. Dieser Geist ist nirgend gegenwärtiger und lebendiger zu finden als in den Buchstaben, die er selbst geschrieben hat«9 – »… daher täuschen sie 12

sich, wenn sie das Wort nicht nach dem redenden Gott, sondern nach dem empfangenden Menschen definieren …«10 Die Zahl der Belege, die zeigen wie falsch die Behauptung: »Die Reformatoren nannten die Bibel ›Wort Gottes‹« (S. 79), ist ließe sich leicht vermehren. Nein, theologisch und historisch haben sie vertreten: Die Bibel ist Gottes Wort! Genau diese unauflösliche und heilsnotwendige Verbindung von Heiliger Schrift und Wort Gottes, genauer: von Heiliger Schrift Alten und Neuen Testaments und dem hier redenden und handelnden Dreieinigen Gott, ist der Punkt, an dem sich auch in der Vorbereitung auf das Luther-Jubiläum 2017 der radikale Gegensatz und Widerspruch nicht nur zu dem Reformator, sondern zum Zeugnis der Heiligen Schrift und den rechtgläubigen Kirchenlehrern aller Zeiten zeigt. Emotional tritt dieser Widerspruch mit dem als Verurteilung verstandenen Begriff »Fundamentalismus« auf. Man hat dazu bemerkt, dass Luther heute auf keinen Lehrstuhl in Deutschland berufen und von vielen Gemeinden auch nicht als Pfarrer gewählt, sondern mit Empörung abgelehnt würde. Bei diesem Gegensatz geht es jedoch um grundlegende geistliche Sachverhalte in Theologie und Kirche: Für Predigt, Unterweisung und Seelsorge nach Schrift und Praxis der wahren Kirche gilt, dass der Dreieinige Gott in seinem Wort spricht und wirkt. Das geschieht in dem unveränderlichen und geschriebenen Gesetz, mit dem nach Gottes Willen und Gebot in der gefallenen Welt die Sünde im politischen Leben zurückgehalten wird und mit dem in der Kirche Sünde erkannt, bekannt und vergeben werden soll. Gott spricht und wirkt durch das Evangelium, die frohe Botschaft von der Rettung aus dem Endgericht über Lebende und Tote durch Tod und Auferstehung des Sohnes Gottes Jesus Christus. In den Gottesdienstordnungen wohl der meisten christlichen Kirchen wird die Gegenwart des Dreieinigen Gottes in seinem Wort anerkannt in den Akklamationen/Anrufungen bei den Schriftlesungen: Bei der Lesung von Altem Testament und Episteln »Halleluja« – »Lobet Gott«, beim Evangelium: »Ehre sei dir, Herre« – »Lob sei dir, Christus« oder »Wort des lebendigen Gottes« u. a. Der Glaube wird durch dieses Wort Gottes der Heiligen Schrift geweckt und getragen. Doch dabei geht es nach dem durchgehenden Zeugnis der Heiligen Schrift nicht nur um Verstehen und Zustimmung, sondern um Gericht und Gnade, um Verstehen und Verstockung. Es geht um Heilshandeln Gottes; es geht um ewiges Leben und ewigen Tod. August 2014

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An diesem Wort Gottes hängt die Heilsgewissheit im Blick auf Verkündigung, Unterweisung und Seelsorge. Darin liegen der Grund und die Grenze für die Vollmacht der Diener der Gemeinde, die nicht sich selbst und ihre Gefühle und Erfahrungen zu verkündigen haben, sondern sie stehen – als Sklaven (douloi) – »an Christi Statt« (2.Korinther 4,5; 5,20). Der Glaube hält sich daran, dass Christus selbst im Wort von Taufe, Abendmahl und Buße gegenwärtig ist, spricht und handelt, wie mit dem Kleinen Katechismus zu lernen ist. Und schließlich betont Luther: »Wir wollen uns keinesfalls auf diese metaphysische Unterscheidung einlassen: Ein Mensch einerseits handelt, andrerseits der Geist; der Pfarrer tauft, absolviert, Gott aber reinigt und vergibt. Keinesfalls! Sondern wir schließen: Gott predigt, tauft, absolviert. Nicht ihr seid, die das reden etc. (Matthäus 10,20; Lukas 10,16)… Hier darf man nicht den Menschen und Gott auf metaphysische Weise (zwei Ebenen) voneinander trennen, sondern es ist einfach zu sagen: Hier ist ein Mensch, sei es ein Prophet, ein Apostel, ein Prediger , doch der in Wahrheit Redende ist die Stimme Gottes. Daher sollen auch die Zuhörer schließen: Hier höre ich nicht Petrus, Paulus etc. oder irgendeinen Menschen, sondern Gott, der redet, tauft und absolviert. Guter Gott, welchen Trost kann ein schwaches Gewissen von einem Prediger empfangen, wenn er nicht glauben (sich darauf verlassen) darf, dass diese Worte der Trost Gottes ist, das Wort Gottes, der Sinn Gottes …«11 In dem Dokument finden sich auf den Seiten 76 bis 83 einige durchaus gute Hinweise auf diese Lehre Luthers bis hin zu einem treffenden Zitat aus den Schmalkaldischen Artikeln, wo Luther betont, dass man seit alters her in Schwärmerei gerät, wenn man Gott ohne das äußere Wort meint finden zu können. Das gilt auch für das Dokument zur Rechtfertigung, in dem kaum Schrifthinweise zu finden sind. Doch dieser gute Hinweis wird völlig aufgehoben, wenn es weiter heißt: »Das sola scriptura lässt sich heute nicht mehr in der gleichen Weise verstehen wie in der Reformationszeit. Anders als die Reformatoren ist man sich heute dessen bewusst, dass das Entstehen der einzelnen biblischen Texte und des biblischen Kanons selber ein Traditionsvorgang ist. Die alte Entgegensetzung von ›die Schrift allein‹ und ›Schrift und Tradition‹, die noch die Reformation und Gegenreformation bestimmte, funktioniert heute nicht mehr so wie im sechzehnten Jahrhundert … Seit dem siebzehnten Jahrhundert werden die biblischen Texte historisch-kritisch erforscht. Deshalb können sie nicht mehr so wie zur Zeit der Reformatoren als Informationsbrief 287

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›Wort Gottes‹ verstanden werden. Die Reformatoren waren ja grundsätzlich davon ausgegangen, dass die biblischen Texte wirklich von Gott selbst gegeben waren. Angesichts von unterschiedlichen Versionen eines Textabschnitts oder der Entdeckung verschiedener Textschichten lässt sich diese Vorstellung so nicht mehr halten … Damit ergibt sich die Frage, ob, wie und warum sola scriptura heute gelten kann« (S. 83f.). Hier treffen wir auf eine Grundsatzfrage, die inzwischen kaum noch zu diskutieren ist, weil sich an ihr die Geister scheiden – wie auch schon in der Reformationszeit. Doch wenn es allenthalben heißt, das sola scriptura sei heute nicht mehr vertretbar, dann ist das keineswegs eine Entwicklung menschlicher Geistes- und Theologiegeschichte, sondern es handelt sich um einen Autoritätenkonflikt zwischen Gottes Wort und Menschenwort: Der Mensch, sei es nun ein Theologe, sei es eine kirchenamtliche Institution wie Synode, Kirchenleiter oder auch der Papst, entscheidet dann darüber, was Gottes Wort ist, was noch gilt oder was nicht mehr gilt. In diesem Sinne erleben und erleiden wir seit Jahren kirchenamtliche Entscheidungen, die eindeutig gegen das Wort Gottes der Heiligen Schrift sind. Genau das war jedoch der Konflikt, der zur Reformation und zu der Beseitigung der durch Menschenlehre eingeführten und durchgesetzten Forderungen führte. Daher ist auch zu prüfen, welche Autorität eigentlich hinter dem (höchst fragwürdigen) geschichtlichen Ereignis steht, mit dem nun plötzlich theologisch und kirchenamtlich der »magnus consensus« in Geltung und Gebrauch des Wortes Gottes der Heiligen Schrift aufgehoben werden soll? Wieso kann man eigentlich eine Auslegungsmethode, von denen es in der Kirchengeschichte sehr viele gibt, mit dem Anspruch der Unfehlbarkeit kanonisieren und Widersprüche dagegen als »unwissenschaftlich«, »biblizistisch« und »fundamentalistisch« diffamieren? Das Kriterium jeder wissenschaftlichen Methode ist die Sachgemäßheit. Wenn jedoch mit einer Methode der Anspruch erhoben wird, der Gegenstand, die Heilige Schrift als Wort Gottes, habe sich geändert, dann ist das im strengen Sinne unwissenschaftlich. Und wenn die im Text behandelten Ausschließungen »allein Christus«, »allein aus Gnade«, »allein im Wort«, »allein aufgrund der Schrift«, »allein durch den Glauben« (S. 59–92) als »theologische Grundgedanken« und zeitbedingte »Formeln« aufgefasst werden, dann zeigt sich, dass der darin liegende Autoritätenkonflikt überhaupt nicht verstanden ist, und zwar des13


halb, weil ein Subjektwechsel vorliegt, mit dem der Theologe oder die Theologie nicht unter dem Wort Gottes steht, sondern ihre Aufgabe darin sieht, über das Wort Gottes der Heiligen Schrift zu richten und zu entscheiden (vgl. Jakobus 4,11f.). Das reformatorische »Allein« richtet sich auf den Gegensatz von Menschenlehre und Handeln Gottes in seinem Wort! Das ist keine wandelbare theologische Begriffsbildung, sondern die seins- und wesensmäßige Unterscheidung von Gott und Mensch.

Freiheitsgeschichte der Menschen oder Heilsgeschichte Gottes? Die Aufgabe der Schriftgrundlage zur Anpassung an die herrschende Gesellschaftspolitik Der rote Faden, beginnend mit dem Titel dieses Dokuments, liegt schließlich in der Behauptung, die Reformation sei ein »Teil der neuzeitlichen Freiheitsgeschichte« (S. 37). Damit wird das frühere EKD-Thema »Kirche der Freiheit« fortgeführt, zu dem schon damals von einem Bischof (Knuth) bemerkt wurde, seine Kirche sei nicht eine Kirche der Freiheit, sondern die Kirche Jesu Christi. Ein Beispiel für dieses Eingehen der Kirche in die neuzeitliche Freiheitsgeschichte ist bezeichnenderweise die »Transformation des reformatorischen Schriftprinzips« (S. 37). Im Klartext besagt das: Es ist nicht mehr der Dreieinige Gott, der in seinem Wort spricht und handelt, sondern eine Vielfalt von Auslegungsmethoden, mit denen Theologen und Kirchenleitungen sich den Forderungen und Bewegungen der heutigen Gesellschaft anpassen. Das hat seit langem dazu geführt, dass fortlaufend kirchenamtliche Erklärungen abgegeben werden, bei denen die Übereinstimmung mit der Schrift und dem »magnus consensus« der katholischen (nicht nur römischen) Kirche nicht nur fehlt, sondern offensichtlich gebrochen wird. Damit wird die Gemeinschaft nicht nur innerhalb der Kirche, sondern auch unter den Kirchen mit neuen kirchentrennenden Entscheidungen zerstört. Die Tatsache, dass es seit Jahren in reformatorischen Kirchen immer wieder Fälle von kirchlichen und sogar staatlichen Sanktionen für Gegner und Kritiker solcher kirchenamtlicher Dekrete gibt, soll wenigsten am Rande, doch keineswegs als Nebensache erwähnt werden. Es wiederholt sich das, was in der unberechtigten kirchlichen Exkommunikation (Ausschluss von den Gnadenmitteln) und staatlichen Verurteilung (vogelfrei – jeder konnte ihn straflos umbringen) bei Luther geschehen ist. 14

Wenn das die Absicht des Dokuments ist, dann wird damit, alles zusammenfassend, der vollzogene Subjektwechsel deutlich: Der Mensch tritt an die Stelle Gottes; alles, was von Gott zu hören, zu befolgen, zu lernen und zu verkündigen ist, sind demnach menschliche Gedanken, Hoffnungen, Wünsche und, wie es heute oft in Theologie und Kirche zu hören ist, zeitbedingte Gottesbilder. Rechtfertigung aber bedeutet nach Ziel und Absicht dieses »Grundlagentextes«: Die Schriftgrundlage wird explizit aufgegeben, um auf diese Weise alle kirchenamtlichen Fehlentscheidungen gegen Schrift und Bekenntnis zu rechtfertigen und Publikum zu gewinnen, indem Forderungen der Gesellschaft erfüllt und religiöse Bedürfnisse befriedigt werden. In Kürze zusammengefasst: Wenn Reformation Umkehr und Erneuerung der Kirche bewirken soll, so geht es in dieser Erinnerung an die Reformation um Fortschritt und Anpassung an die Welt. Doch wir sollten uns nicht an die Reformation erinnern, um uns damit selbst mit unseren Fehlern vor der Welt zu rechtfertigen, sondern wir sollten die Reformation vollziehen gegenüber den vielfältigen Deformationen in Theologie, Kirche und Gesellschaft. Martin Luthers Thesen 92 bis 95: 92 »Fort deshalb mit allen Propheten, die dem Volk Christi sagen ›Friede, Friede‹ (Freiheit R. S.) und ist kein Friede (Jeremia 6,14). 93 Heil allen Propheten, die dem Volk Gottes sagen: ›Kreuz, Kreuz‹, auch wenn vom Kreuz nichts zu spüren ist. 94 Man muss die Christen ermahnen, dass sie Christus, ihrem Haupt, durch Leiden, Tode, und Höllen nachzufolgen trachten 95 und umso mehr darauf vertrauen, durch viel Trübsal in den Himmel einzugehen, als durch die Sicherheit eines Scheinfriedens.« W

1) WA 37, 661,23ff. Vgl. dazu die theologisch und historisch völlig unpassenden Bemerkungen S. 24.   2) WA 40, I, 228,18ff.; vgl. WA 17, I, 436,1ff.   3) Leider finden sich mehrere solcher spöttischen Bemerkungen im Text, mit denen ernste und wichtige Sachverhalte, von denen man annimmt, dass sie dem Publikum nicht gefallen, überspielt werden sollen.   4) WA 48, 31,1–25.   5) WA 8, 49,23.   6) WA TR 2, 287,21–28.   7) WA 30, III, 213,34–39.   8) WA 31, I, 67.   9) WA 7, 96, 97,1ff. 10) WA TR 3, 670,17f. 11) WA TR 3, 671,1–26. August 2014

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Christentum und Islam Versuch einer theologischen Auseinandersetzung Teil 1 von 9 Hanns Leiner

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it dem Zeitalter der Globalisierung hat sich auch die Begegnung von Menschen verschiedener Religionen intensiviert. Das trifft besonders für unsere Begegnung mit dem Islam zu, dessen Anhänger in großer Zahl bei uns eingewandert sind. Deswegen versuche ich, in einer Reihe von Artikeln, einen kritischen Dialog zwischen dem christlichen Glauben und dieser Religion zu führen. Ich muss dabei eine Vorbemerkung machen: Ich schreibe hier als Christ und evangelischer Theologe. Damit denke ich von dieser Voraussetzung her, doch ich halte mich deswegen nicht für befangen oder voreingenommen in diesem Gespräch, sondern gerade dazu berufen. Denn über Religion kann man nur sinnvoll spre­chen, wenn man selbst eine, nämlich seine Religion hat. Wer selbst keine Religion besitzt, der redet hier wie der Blinde von der Farbe. Es gibt hier keinen übergeordneten, neutralen Standpunkt. Außerdem gilt eine Grundregel für dies interreligiöse Gespräch: Man kann sinnvollerweise jeweils nur eine Religion im Vergleich mit einer anderen behandeln, sonst werden es zu viele

Hanns Leiner Die Anschrift des Autors finden Sie auf Seite 30 Informationsbrief 287

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Gesichtspunkte und Fronten auf einmal. Darum beschränken wir uns hier auf Chri­stentum und Islam. Den Einwand, dass es den Islam so wenig gebe wie das Christentum, beantworte ich so: Das ist nur teilweise richtig, denn trotz aller Verschiedenheiten innerhalb jeder Religion besitzt doch jede jeweils eine charakteristische Grundstruktur, die sich deutlich von der anderen unterscheidet, die man aus ihren Offenbarungsquellen erheben und miteinander sehr wohl vergleichen kann. Ich halte mich deshalb hier an die Bibel und den Koran als Quellen für die Behandlung der beiden Religionen. Das Verhältnis zum Islam wird noch dadurch erschwert und belastet, dass in allen Ländern, in denen er die Mehrheit besitzt, Christen einen schweren Stand haben bis dahin, dass sie unterdrückt, vertrieben, schikaniert, angeklagt, eingesperrt, ihre wenigen Kirchen angezündet und zerstört und sie selbst sogar mit dem Tod bedroht werden. Auf diesem Hintergrund fällt es uns nicht leicht, ihnen Religionsfreiheit bei uns zu gewähren. Dennoch dürfen wir als Christen nicht Gleiches mit Gleichem vergelten. Der Grund für das Thema Islam liegt also in jeder Hinsicht nahe: Durch die sehr große Zahl von Zuwanderern aus islamischen Ländern ist er uns nahegerückt, in Deutschland angekommen (obwohl er von der Geschichte und vom Wesen her nicht zu Deutschland gehört – ganz im Gegenteil!) und fordert uns heraus, verursacht auch bei uns eine Vielzahl von Fragen und Problemen. Deshalb müssen wir ihn zur Kenntnis nehmen, ihn kennen lernen und zwar eben als Religion. Wir sind durch ihn gefragt, sogar in Fra15


ge gestellt und fragen unsererseits zurück. Wir von dem einen Gott, von der Schöpfung, von müssen das Gespräch mit ihm aufnehmen, und Gottes Weltregierung, Erhaltung, der Gesetzes wird nicht so schiedlich-friedlich dabei zuge- gebung und den Geboten Gottes, dem Menhen können wie in Lessings Ringparabel: Dort schenbild in der Verantwortung vor Gott, von werden die drei Religionen Judentum, Chris- der Verpflichtung der Menschen zum Gehorsam tentum und Islam mit drei Ringen verglichen, gegen Gott und von ihrem Ungehorsam, von die einander so sehr gleichen, dass man sie fast den Propheten und Engeln und schließlich von nicht unterscheiden kann. Doch das entspricht Gottes Gericht und Himmel und Hölle. Alle in keiner Weise der Wirklichkeit. diese scheinbaren Überein­ stimmungen oder Dabei geht es uns hier ausschließlich um Ähnlichkeiten zwischen Islam und Christentum ein theologisches Sach- und Streitgespräch, um erklären sich aus der Begegnung Mohammeds die Fragen des Glaubens und nicht um die Be­ mit dem biblischen Zeugnis der Vorgängerregegnung mit den Muslimen als Menschen. Da- ligionen ganz zwanglos und einleuchtend. Sie bei beschränke ich mich hier stammen aus biblischen Wurbewusst auf die theologische mm Jede der beiden Religi­ zeln. Deshalb hat man sich von Auseinandersetzung. onen ist ein Gesamtsys­ Anfang gefragt, ob es sich beim Bei der Beschäftigung mit Islam überhaupt um eine neue dem Islam macht man als tem, durch das alle ein­ Religion handle und nicht vielChrist eine widersprüchliche zelnen Aussagen ihren mehr um eine Art Ableger des Erfahrung: Nämlich die der und des Christenbesonderen Stellenwert Judentums Nähe und Ähnlichkeit mit dem tums (Häresie). Christentum einerseits und zu- besitzen und von daher Und woher kommen dann gleich die der Ferne und des erst ihren Sinn erhalten. die Unterschiede? Mohammed Gegensatzes andererseits. Woübernahm nicht alles, er hatte her kommt dieser Widerspruch, wie lässt er sich auch einiges besonders am Christentum auszuerklären? Was überwiegt dabei? Haben wir es setzen. Er behauptete, Juden und Christen hätmit »geschwisterlichen Religionen« zu tun, die ten die Offenbarungen Gottes verändert und ihre gemeinsame Wurzel bei Abraham haben, in verfälscht. Das wollte er durch den Koran kordenen derselbe Gott ver­ehrt wird mit ein paar rigieren, verbessern und so die richtige Religion kleinen Besonderheiten, oder handelt es sich wieder herstellen. Von daher stammt das stolze beim Islam um eine nachchristliche, sogar an- Überlegenheitsgefühl des Islam, die einzig wahtichristliche Sekte, die das Ziel ihrer Weltherr- re und endgültige Religion zu sein, das er sehr schaft mit Fanatismus anstrebt und erkämpft selbstbewusst vertritt. Dabei ging es ihm vor al­ und von daher uns Christen als Ungläubige an- lem auch um die Rolle Mohammeds und seinen sieht und bezeichnet, die sie entweder bekehren Anspruch, der letzte und endgültige Prophet zu oder unterdrücken will? sein, der Jesus überbieten will und ihn höchs­ Das Verhältnis beider Religionen lässt sich tens als seinen Vorläufer gelten lässt. vor allem aus der Geschichte verständlich maDie Gegensätze zwischen Islam und Chrischen: Denn es gilt, sich zunächst die wichtigste tentum entstehen also alle durch den Islam, der Tatsache in diesem Zusammenhang bewusst zu 600 Jahre nach Christus christliche Glaubensmachen: Der Islam ist eine nachchristliche Reli- aussagen verändert und bestreitet und ihnen gion (etwa 600 Jahre nach Christus entstanden), teilweise energisch widerspricht. Dabei lässt sich übrigens die einzige nachchristliche Religion, im Urteil Mohammeds über das Christentum die sich zu einer Weltreligion entwickelt hat. eine Entwicklung feststellen: An­fangs erkennt er Nachchristlich bedeutet, Mohammed, der beide anderen Religionen als Buchreligionen an Stifter dieser Religion, fand das Christentum und achtet sie hoch und hofft, von ihnen selbst vor, er kannte Juden und Christen und erfuhr als Prophet anerkannt zu werden, dann wird er von ihnen vieles über deren Glauben. Das heißt, im Laufe seiner Wirksamkeit und seines wachdas musste ihm nicht offenbart werden, das lern- senden Erfolgs im­mer negativer und kritischer te er durch seine Begegnungen mit Juden und und bezeich­net Juden und Christen schließlich Christen. Er erfuhr es wohl aus Erzählungen, sogar als Un­gläubige. Für solche Veränderundenn die Bibel selbst kannte er wahrscheinlich gen und Spannungen in den Offenbarungen des nicht; dazu sind seine Kenntnisse zu ungenau, Islam gilt übrigens die islamische Auslegungsrelückenhaft und teilweise falsch. gel, dass die spätere Offenbarung im Koran die Aus dieser Berührung mit dem Judentum und frühere aufhebt. Christentum stammt vieles, was der Islam offenChristen werden demnach in islamischen sichtlich übernommen hat: Die Überzeugung Gebieten zwar noch als Unterworfene (so ge16

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nannte dhimmis) geduldet, wenn sie die Herrschaft des Islam anerkennen und Sondersteuern zahlen. Die Ausbreitung des Islam in christliche Gebiete brachte jedoch langfristig schwere Verluste für die christliche Kirche mit sich. So kam es z. B. zum »Niedergang des orientalischen Christentums durch den Islam« (Buchtitel von Bat Ye'or). Bei den eroberten und verlorenen christlichen Ländern handelt es sich um Palästina, Syrien, Irak, Ägypten und die ganze nordafrikanische Küste, lange Zeit sogar Spanien, sowie die heutige Türkei und Griechenland, das ehemalige oströmische Reich sowie Teile des Balkans. Mit den theologischen Unterschieden und Gegensätzen zwischen Christentum und Islam werde ich mich jetzt im Folgenden einzel­n beschäftigen. Dabei hat man es mit einer grundsätzlichen Schwierigkeit zu tun: Jede der beiden Religionen ist ein Gesamtsystem, durch das alle einzelnen Aussagen ihren besonderen Stellenwert besitzen und von daher erst ihren Sinn

erhalten. Aber man kann das Gan­ze nicht auf einmal aussagen. Deshalb ist man gezwungen, doch zunächst die Einzelheiten zu behandeln und daraus sich ein Gesamtbild zu entwerfen. Wegen der Fülle des Stoffes und der Vielzahl der Fragen vermag ich sie hier nur sehr knapp darzustellen und muss gewissermaßen holzschnittartig argumentieren. Denn eigentlich handelt es sich um ein Thema, das für ein ganzes Buch oder eine Vorlesungsreihe hinreichend wäre. Ich darf mir aber diese Verknappung erlauben, weil ich auf acht Faltblätter zum Gespräch mit dem Islam1 hinweisen kann. Beginnen möchte ich mit dem für uns Christen nächstliegenden und wichtigsten Thema, nämlich mit der Gestalt Jesu Christi; das liegt auch deshalb nahe, weil er unter dem Namen Isa im W Islam ebenfalls vorkommt. 1) Informationen zum Gespräch mit Muslimen Gesellschaft für Innere und Äußere Mission, Missionsstraße 3 91564 Neuendettelsau, Telefon (09874) 689 340

Jede Zeit hat ihren eigenen Luther Gedanken zum so genannten Reformationsjubiläum der EKD 2017 Christian Tegtmeier

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er nachstehende Beitrag versteht sich als Ergänzung zum Aufsatz »Was feiern wir eigentlich 2017?« von Bernhard Bonkhoff im Informationsbrief Nr. 281 vom Oktober 2013, Seite 13f. Es bedarf noch einiger weiterer Anmerkungen zum Beitrag von Bernhard Bonkhoff, die den Bericht über das Reformationsjubiläum 2017 ergänzen sollen.

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Die Frage nach dem Zweck und Sinn des Jubiläums ließe sich im Rahmen der EKD auch damit umschreiben, dass die EKD nun wieder einen Anlass gefunden hat, sich mit erheblichem Aufwand selbst zu feiern, wobei ihr Luther und die Reformation als Alibi sehr gelegen kommen. Wäre sie genau und wollte sie glaubwürdig bleiben, suchte sie die Quellen, beschritte sie den Weg ad fontes. Doch dazu fehlt es oft 17


Die Zeit nach den Befreiungskriegen und genug am Willen und dem Mut, sich selbst im Spiegel des Evangeliums zu sehen und zu beur- der napoleonischen Fremdherrschaft ruft andeteilen. Nichts anderes hatten Luther und seine re Motive hervor. 1817 wird ein Staatsakt im Mitstreiter im Sinn. Ihr Interesse lag und liegt Lande Braunschweig angeordnet. Man feiert bis heute an der einzigen Quelle zum Heil, an die Reformation als Quelle eigenen SelbstbeJesus Christus. Doch in Zeiten eifriger Betrieb- wusstseins und findet in Luther nicht nur einen samkeit und Selbsterlösung darf und kann solch nationalen Helden, sondern den Vorkämpfer eine Quelle des Glaubens keine wichtige Rolle für Rede-, Glaubens- und Gewissensfreiheit. Was Luther an Emanzipation begann, wurde spielen. Blickt man auf die Jubiläen der Reformation durch die Aufklärung fortgeführt und findet nun, 1817, ihren krönenden zum Beispiel im Bereich der Abschluss. In den gedruckten Evangelisch-lutherischen Lan- mm Wo Jesus Christus und erhaltenen Predigten der deskirche in Braunschweig in fehlt, lässt sich alles und ersten Geistlichen des Herden vergangenen Jahrhunderzogtums wird die Rede von ten zurück, so lassen sich in al- jeder zu dem umbiegen, Jesus Christus zur Marginalie. ler Kürze folgende Leitmotive was den eigenen, zeitbe­ Luther wird stilisiert zu einem erkennen und beschreiben. zogenen Zielen willkom­ Menschen, »der sich selbst im 1617 – wenige Monate vor Griff hatte«. Erschreckend sind dem Ausbruch des Dreißig- men ist. Wundert es uns jährigen Krieges (1618–1648) da, wenn die EKD in treuer die Beschwörungen von Abt Bartels in seiner Festansprache, beschränkte sich die öffentliche mit denen er den Feuereifer Feier auf wenige Reden und Nachfolge ihrer eigenen und Schwung der Reformation Anlässe. Es gab keine offiziel- geschichtlich belegbaren herbeizurufen sehnt. Eine ödele Feier. Der 20. Sonntag nach Spuren 2017 wieder dem re, so schrecklich leere Predigt Trinitatis sollte dem Anliegen wie diese habe ich selten geleder Reformation Rechnung Zeitgeist treu zu Füßen tragen. Neben dem Dank für liegt und verwundert auf­ sen. Was dann mitten im Ersten die Reformation wurde die Bit- schreckt, wenn von Jesus Weltkrieg folgt, lässt sich darin te geäußert, auch künftig treu zusammenfassen, dass die Beund wahrhaftig am Evangeli- Christus die Rede ist? dingungen des Krieges und die um zu bleiben, Jesus Christus als die Mitte der Heiligen Schrift und des Heils alltäglichen Probleme immer wieder nach neuen zu bezeugen. Aus den erhaltenen Predigten »at- Leitfiguren des Durchhaltens und Überlebens met« ein frischer Geist einer lebendigen Chris- suchen, hier nun nach Luther, den man in einem durch das ganze Jahr hindurch verordnetusbeziehung. Hundert Jahre später, 1717, hat sich bei ten »Propagandaplan« den Gemeinden wie den allem barocken Rahmen und einer nun ausge- Christen vertraut, bekannt und »zu Herzen brinprägt festlicheren Form am Inhalt des Jubiläums gen«, verständlich machen möchte. Im Vergleich nichts geändert. Man erinnert sich zwar der zur Nachbarkirche Hannover treten die nationaGeschichte, kann in Luther gelegentlich einen len überraschend zurück. Es gilt den Glauben zu »neuen Christus« sehen, doch bleibt das star- wecken, notfalls mit markanten Aussprüchen Luke Interesse an Jesus Christus deutlich spürbar. thers. Sie alle haben ihr Ziel in der Stärkung des In einer Predigt kann dies so gesagt werden: Einzelnen und seines Willens zum Durchhalten. Wo Jesus Christus fehlt, lässt sich alles und Nicht Luther habe die vier sola (allein) (sola gratia, sola fide, sola scriptura, solus Christus; jeder zu dem umbiegen, was den eigenen, zeitallein aus Gnade, allein der Glaube, allein die bezogenen Zielen willkommen ist. Wundert es Schrift, allein Christus) geschaffen, sondern er uns da, wenn die EKD in treuer Nachfolge ihrer verweise auf Christus, wie einst der Täufer Jo- eigenen geschichtlich belegbaren Spuren 2017 hannes. Wo jetzt das Jubiläum der Reformati- wieder dem Zeitgeist treu zu Füßen liegt und on gefeiert werde, vergewissere sich die Kirche verwundert aufschreckt, wenn von Jesus Christus wie die Gemeinde dieses einzigen Grundes und die Rede ist? Bisher habe ich eine Stellungnahme schütze sich so (hoffentlich!) vor den Irrtümern wie diese vergebens gesucht, welche lautet: und Schwärmereien der Gegenwart. Ziel blei- »Der Grund, da ich mich gründe, ist Christus be die Botschaft, wie sie im Liede »Lass mich und sein Blut; das machet, dass ich finde, das dein sein und bleiben« (von Nikolaus Selnecker, ewge wahre Gut« (von Paul Gerhardt, EvangeW Evangelisches Gesangbuch Nr. 157) zur Spra- lisches Gesangbuch Nr. 351, Strophe 3). che komme. 18

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Ich habe mich bekehrt Thomas Hilsberg

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ch habe mich bekehrt – mit einem solchen Bekenntnis beginnt für viele das Leben als Christ. Und das ist zunächst auch richtig so: Wer sich nicht bekehrt, lebt verkehrt! Ich habe mich bekehrt – eines fällt dabei allerdings auf: Zweimal ist in dieser Aussage von mir die Rede. Aber kein Wort davon, was der Herr in meinem Leben getan hat. Wo ist das Problem? werden jetzt viele Christen fragen. Natürlich ist es Jesus Christus, der alles für uns getan hat. Er ist für mich Mensch geworden, gestorben und auferstanden. Er hat mich so geführt, dass ich sein Wort gehört habe. Aber jetzt muss ich mich von der Sünde ab- und ihm zuwenden. Jetzt muss ich mich für Jesus entscheiden. Jetzt muss sich ihn in mein Leben hereinlassen. Das ist der kleine, aber entscheidende Teil an meiner Erlösung, den Gott mir selbst überlässt. So zumindest sehen es viele evangelikale Christen. Und sie übersehen damit die Tatsache, dass in der deutschen Bibel das Wort Entscheidung im Zusammenhang mit unserer Erlösung an keiner Stelle vorkommt. Im Gegenteil: Es ist Gottes Werk, wenn ein Sünder zu Christus findet. »Weißt du nicht, dass dich Gottes Güte zur Buße leitet?«, fragt Paulus in Römer 2,4. Noch deutlicher wird er im 9. Kapitel Vers 16: »So liegt es nun nicht an jemandes Wollen oder Laufen, sondern an Gottes Erbarmen.« Gerettet werden wir also nicht aufgrund unserer Willensentscheidung und auch nicht deshalb, weil wir bei der Evangelisation nach vorn gelaufen sind. Dass ich zum rettenden Glauben finde, liegt allein an Gottes

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Erbarmen. »Die Tür ist offen, ich habe sie aufgemacht. Jesus, du lebst in mir mit all deiner Macht.« Lieder wie dieses haben wir einst im Jugendkreis gesungen. Viel später erst fiel mir auf, dass die Bibel den Sachverhalt genau anders herum schildert: Nicht die Lydia öffnete ihr Herz für Jesus, sondern der Herr tat ihr das Herz auf (Apostelgeschichte 16,14). Wenn ich Mitchristen darauf hinweise, dass der Begriff der Entscheidung in der Bibel gar nicht vorkommt, dann wird oft eingewendet: Der Begriff vielleicht nicht, aber die Sache. Und in der Tat schildert die Bibel immer wieder, dass Menschen in der Entscheidungssituation stehen: Wollt ihr zu Gott gehören oder nicht? Beim Landtag zu Sichem stellte Josua die Israeliten vor die Entscheidung: »Gefällt es euch nicht, dem Herrn zu dienen, so wählt euch heute, wem ihr dienen wollt: Den Göttern, denen eure Väter gedient haben oder den Göttern der Amoriter!« (Josua 24,16) Und als sich viele Nachfolger Jesu von ihm abgewendet hatten, stellte er auch den zwölf Jüngern die Entscheidungsfrage: »Wollt ihr auch weggehen?« Beachten wir aber: Die Israeliten hatte Gott längst aus der Sklaverei in Ägypten befreit, er hatte mit ihnen am Sinai einen Bund geschlossen und sie zu seinem Volk gemacht. Und die zwölf Jünger hatte der Herr Jesus zuvor einzeln erwählt und berufen. Die Entscheidungsfrage lautet also nicht: Wills du zu Gott gehören? Sie lautet vielmehr: Willst du ihm treu bleiben? Und diese Frage stellt sich auch uns jeden Tag. Bei Evangelisationen wird oft aus Offenbarung Kapitel 3 Vers 20 zitiert, wo der Herr sagt: »Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wenn jemand meine Stimme hören wird und die Tür auftun, zu dem werde ich hineingehen und das Abendmahl mit ihm halten und er mit mir.« Der Herr, so wird das oft ausgelegt, steht bei unbekehrten Menschen vor verschlossenen Türen. Erst wenn wir uns entschließen, unsere Türen bzw. Herzen zu öffnen, kann Christus in unser Leben kommen. Doch das Gegenteil ist richtig. Erst wenn der Herr uns, wie damals der Lydia, das Herz auftut, können wir Christus 19


annehmen. Denn die Worte in Offenbarung 3 Wesentliche am christlichen Glauben, sondern richten sich gar nicht an Ungläubige. Der Herr die Treue bis zum Ende. spricht gläubige Christen an, die aber lau geManche Seelsorger lassen Menschen, die zu worden sind, träge im Glauben und obendrein Jesus Christus kommen, diese ihre Glaubensziemlich selbstgerecht. Die sollen jetzt Buße entscheidung mit Datum und Unterschrift betun, nur dann wird Christus zu ihnen kommen siegeln. Im Fall einer Glaubenskrise sollen sie und mit ihnen das Mahl der Vergebung feiern. dann auf ihre Unterschrift sehen und neu zur Schon das Alte Testament wusste: Es ist Gewissheit kommen: Ich habe mich tatsächlich nicht unsere Entscheidung, wenn wir zu Gott bekehrt. Aber so baut man gerade auf Sand. kommen. Es ist seine Liebe, dass er uns zu sich Denn die meisten Krisen hängen ja gerade mit zieht (Jeremia 31,3). Ja, nur wenn Gott uns be- unseren Zweifeln zusammen. Deshalb müssen kehrt, können wir uns selbst bekehren (Jeremia wir es lernen, gerade nicht auf uns selbst zu 31,18). Nicht unser Wille ist sehen, sondern auf Chrisheilsentscheidend, sondern mm Deshalb müssen wir es tus. Unsere Gewissheit darf Gottes Wille. Martin Luther lernen, gerade nicht auf uns nicht an unseren so genannhat eines seiner wichtigsten selbst zu sehen, sondern auf ten Entscheidungen hängen. Bücher »Vom unfreien WilSie muss auf Gottes Zusagen len«, darüber geschrieben. Christus. Unsere Gewissheit beruhen. Und dieser GlauEngagiert erklärt er darin darf nicht an unseren so be wird uns durch den Zuseinen damaligen humanisder Verheißungen aus genannten Entscheidungen spruch tischen Widersachern: Unser Gottes Wort, durch das Wort Wille ist von der Sünde so hängen. Sie muss auf Gottes der Vergebung in der Beichte verdorben, dass er sich gar Zusagen beruhen. Und dieser und im Heiligen Abendmahl nicht mehr für Gott und das gestärkt. Gute entscheiden kann. Und Glaube wird uns durch den Für viele Christen sind nur Gott allein kann uns be- Zuspruch der Verheißungen das heute ungewohnte Gefreien. danken. Sie sehen in der Beaus Gottes Wort, durch das Wenn dem so ist, warum kehrung nicht so sehr Gottes ist dann aber die Bibel voll Wort der Vergebung in der Wirken, sondern die eigene mit Aufforderungen, sich zu Beichte und im Heiligen Entscheidung. Doch das ist bekehren? Und warum ru- Abendmahl gestärkt. weder biblisch noch reformafen wir in der Predigt dann torisch. Vielmehr will hier der auch heute noch zu Umkehr und Bekehrung alte Mensch ein bisschen Autonomie gegenüber auf? Ganz einfach deshalb, weil Gott durch Gott behalten. Entsprechend meint man, den genau diese Predigt Bekehrung, Umkehr und Menschen Gottes Wort entweder mit allen MitGlauben wirkt. Aber eines müssen wir dabei im- teln schmackhaft machen zu müssen oder setzt mer bedenken: Eine Predigt, die zur Bekehrung sie mit drängender, gesetzlicher Verkündigung aufruft, richtet sich nicht an den menschlichen unter Druck, um sie zu einer GlaubensentscheiWillen und schon gar nicht an das Gefühl. Die dung zu bringen. Natürlich wird beides auf Bekehrungspredigt richtet sich an das mensch- Dauer keine guten Früchte bringen. liche Gewissen. Sie konfrontiert den Menschen Wenn ich dagegen darauf vertraue, dass Gotmit Gottes Gesetz und zeigt ihm seine Sünde tes Wort Umkehr und Glauben wirkt, dann auf. Und sie malt ihm, um mit Paulus zu spre- kann ich es zuversichtlich verkündigen. Und chen, Jesus Christus als den Gekreuzigten vor ich kann auch vertrauensvoll darum beten, dass Augen. Als den, der unsere Schuld getragen und Menschen zum lebendigen Glauben kommen. die Versöhnung mit Gott erwirkt hat. So schafft Denn dort, wo man meint, dass Christus nur Gott durch die Verkündigung von Gesetz und dann in ein Menschenleben kommt, wenn sich Evangelium Glauben und Umkehr. Immer wie- ein Mensch willentlich dafür öffnet, da hat das der dürfen wir es erleben, dass Menschen durch Gebet für die Bekehrung eines Menschen eidiese Predigt zum Glauben kommen, sich von gentlich keinen Sinn. Stattdessen ist hier die der Sünde abwenden und ein Leben unter der Gefahr groß, dass man versucht, Menschen zu Führung des Heiligen Geistes beginnen. Ein manipulieren oder unter Druck zu setzen. Und Leben, in dem man freilich bis zum letzten Tag manch eine gut gemeinte evangelistische Aktiimmer wieder aufs Neue auf Gottes Vergebung on ist dieser Gefahr schon erlegen. Vertrauen angewiesen ist, und in dem man immer wieder wir lieber darauf, dass es Gottes Wort ist, das von konkreter Schuld umkehren muss. Denn Menschen zur Bekehrung und zum lebendigen nicht der furiose Start in der Bekehrung ist das Glauben bringt. W 20

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Reife Ähren neigen sich Wenn Gott im Alter das Leben beschneidet Gerhard Naujokat

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ein Großvater war Landwirt. Zur damaligen Zeit standen Kleinbauern noch keine großräumigen landwirtschaftlichen Maschinen zur Verfügung. Die harte Arbeit musste per Hand und mit Pferden erledigt werden. Gelangen dann Saat und Ernte – oft wetterabhängig – waren Dank und Freude groß. An einem Spätsommertag ging Großvater mit seinem kleinen Enkel durch die Felder. Glücklich und in bescheidenem Stolz über den schönen Wuchs ließ Opa die Hand über die Ähren streifen und wies auf das reife Korn: »Siehst du«, sagte er, »reife Ähren neigen sich«. Ich verstand das erst viel später. In meinem Leben begegnete ich dann viele Male der Wahrheit dieses Wortes. Reife Ähren, die sich durch das gewachsene Gewicht beugen, sind ein Bild des betagten Lebens. Die Ansammlung und Anreicherung von Erfahrungen und Enttäuschungen, von Erlebnissen und Belastungen, von Versagen und Verzagen lassen ein Leben schwer werden. Die Neigung der Ähren durch das Gewicht des Inhaltes ist ein Symbol dafür, dass die Last des Lebens ihre Spuren hinterlässt. Erhobenen Hauptes und mit geschwollenem Kamm ging man vielleicht in dieses Leben hinein. Aber aus Leichtfüßigkeit und Lebensdrang wurden dann Würde und Bürde am Lebensabend. Die Fracht eines Schiffes drückt jedes Boot tiefer ins Element. Mühsal und Sorge ziehen Furchen in jedes Antlitz. Sonne und Regen des Lebens prägen, Schuld

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hinterlässt Narben, Verletzungen heilen nicht immer. Zwar macht Last innerlich reich, beschwert aber auch. Es gibt Schläge, denen nicht auszuweichen war, die hingenommen werden mussten, die den Nacken beugten, bescheiden und still machten. Aber solch ein Härtetest des Lebens macht letztlich nicht arm, sondern inhaltsreich wie reifes Korn. Leiden und Reifen sind Geschwister. Noch etwas Weiteres soll das Neigen der Ähren symbolisieren, wenn ich ihre Botschaft richtig verstehe, nämlich die Neigung, die Zuneigung zum andern. Gerade wer reif und voller Frucht ist, soll diese nicht für sich vereinnahmen und damit hoch hinaus wollen. Er wird sich bescheiden und zuvorkommend dem andern zuneigen: »Kommet einander mit Ehrerbietung zuvor«, sagt die Heilige Schrift (Römer 12,10). Gerade wer reif und erfahren, wer älter und überlegen ist, wird Selbstansprüche zurückstellen und dem andern das Ohr und das Herz leihen. Das junge Gras kann sich nach oben recken und hochschießen. Allerdings wird es auch schneller gemäht und leichter vom Winde zerzaust. Die reife Ähre genießt Achtung und Nachsicht, braucht nicht mehr zu kämpfen, um sich Lebensraum zu schaffen. Sie weiß ohnehin, dass sie zum Schnitt durch eine höhere Hand freigegeben ist und kann sich in der verbleibenden Zeit geduldig und demütig neigen. Aber wir wehren uns dennoch gegen harte Straßenwalzen, die das Alter mitunter niederdrücken, beiseite schieben oder gar überrollen möchten. Diesem gesellschaftlichen Prozess muss man entgegentreten, denn dafür ist das Korn zu wertvoll und zu wichtig, da die junge Generation es zur Nahrung dringend benötigt. Die Alten sind oftmals der Kern und die Edelsteine der Gesellschaft und der christlichen Gemeinde. Sie würden uns fehlen, wären sie nicht in unserer Mitte. 21


Was zu Frucht und Ernte heranreift, muss erst wurzeln und wachsen, braucht Wasser, Wind und Sonne. Die dann zur Erde geneigten Ähren stehen auf festem Boden, brauchen diesen ­Wurzelgrund, um selbstsicherer Überheblichkeit zu entgehen. Denn es wartet der Schnitter, die letzte Ernte und eine neue Daseinsform. »Opa, verfault das Weizenkorn dann?« »Nein, mein Junge, das Körnchen wird in der Erde keimen, sprießen und zur neuen Pflanze heran­ wachsen. Aus dem Vergehen entsteht neues Leben.« Dieses Wissen um den letzten Sinn des Daseins und den Wert des Alters drückt sich in der nach unten gebückten Ähre aus und teilt sich dem mit, der dafür ansprechbar ist. Dann führte Großvater mich weiter in seinen kleinen Garten mit mancherlei Bäumen und Sträuchern. Hier war im Sommer einiges tüchtig herangewachsen. »Schau mal, da wuchert manches zu viel. Für das nächste Jahr müssen wir ein paar Triebe und Äste zurückschneiden. Sonst tragen die keine Früchte.« Als ich erwachsen war und einen Garten pflegte, sagte mir ein Gärtner: »Fruchtholz kann nur durch Beschneidung entstehen. Schönes Blattwerk sieht zwar gut aus, ist aber nur äußere Fassade ohne Frucht.« Am Gleichnis Jesu vom »Weinstock« wird das am deutlichsten. Wenn die Reben nicht beschnitten werden, wuchern die Ranken recht wild, aber sie tragen keine Trauben. Und manch ein älter werdender Baum oder Strauch bekommt naturgemäß trockene Zweige und morsche Äste, die ausgelichtet werden müssen. Viele Gewächse muss man sogar jährlich an etlichen Stellen zurückschneiden. »Es tut mir immer leid«, sagte mein Opa, »wenn ich schön Gewachsenes beschneiden muss. Aber sonst verwildert alles im Garten.« Und er erklärte mir dann, dass vieles ein Sinnbild

Dank im Alter

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sei für das menschliche Leben und die Formung unseres Alltags. Weder das persönliche Verhalten noch das Glaubensleben eines Christen dürfe ausufern und undiszipliniert verlaufen. Das menschliche Ego in seiner Selbstbezogenheit besitze Wucherungstendenz. Darum würde Gott zur rechten Zeit und zur passenden Gelegenheit das Korrekturmesser ansetzen, um einiges in unserem Leben zu begrenzen und zu bereinigen. Ich verstand das alles noch nicht so richtig. Aber ich behielt seine Worte im Kopf und im Herzen. Das Korrekturmesser Gottes gehört zum Leben des Christen. Wenn Gott jedoch wirklich und spürbar bei uns zuschneidet, sind wir überrascht, erschrocken und verwirrt und verstehen den Weg Gottes nicht. Aber Gott ist im Grunde ständig am Werk, etwas an uns und in uns zu bereinigen und zu heiligen. Er nimmt weg, was ihm nicht gefällt oder was zu viel ist. Er setzt an, wo und wann er will, oft scharf und unbarmherzig. Das schmeckt uns dann nicht. Dennoch beschneidet er die Reben, die keine Frucht tragen. Manches im Leben kann nur durch einen Korrekturschnitt zum Ziel geführt werden und für die Ewigkeit reifen. Im Propheten Hesekiel 20,44 heißt es: »Ihr werdet erfahren, dass ich der Herr bin, wenn ich das mit euch tue, um meines Namens willen.« Hier gibt man ab, lässt los, kämpft nicht mehr, glaubt und vertraut, denn ein Höherer führt Regie. Der Großvater neigte sich dem Jungen zu. Es war ein schöner Tag im späten Sommer als er mir das goldene Kornfeld und die besonderen Gewächse zeigte und erklärte. Die Weisheit seiner Worte, die Botschaft der Ähren und des Zugriffs Gottes erfasste der Junge in ihrer Tiefe erst viel später in Jahrzehnten seines Lebens und Dienstes. Dies mitzuteilen wünscht er, dem die Jahre nun selbst den Rücken gebeugt haben. W

Dank denen, … … die mich bisher in meinem Leben begleitet haben. … die mir Wegweisung und Erkenntnisse gaben. … die sich mir anvertrauten und denen ein Rat weiterhalf. … die ehrlich waren und nicht zwei Gesichter zeigten. … die mir halfen, die Erinnerungen von früher barmherzig zu verkraften. … die nicht lächeln, wenn ich etwas zweimal berichte. … die ich lieben durfte und deren Abschied mir Schmerz bereitet. … die nun meinen unsicheren Fuß und meine schwache Hand führen. … die berücksichtigen, dass mein Ohr schwächer wird. … die Hilfe bieten, wenn sich die Augen trüben. … die für mich denken, wenn mein Gedächtnis um Ordnung ringt. … die mir jetzt Schutz, Achtung und Liebe entgegenbringen. … die mir Geborgenheit schenken und meine Tränen verstehen. … die mir die Tage erleichtern und notfalls nachts wachen. August 2014 287 … die mich nicht allein lassen auf dem Weg in die Informationsbrief Heimat.


Der »geistliche Klopstock des 19. Jahrhunderts« (Wilhelm Nelle) Über den schwäbischen Pfarrer, (Kirchen-)Liederdichter und ­Hymnologen Albert Knapp (1798––1864), der vor 150 Jahren verstarb Walter Rominger

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ie württembergische Landeskirche, doch nicht allein nur sie, hat in diesem Jahr besonderen Anlass, eines ihrer größten Dichter und Sammler geistlicher Lieder zu gedenken: an den pietistischen Pfarrer Albert Knapp, der von dem Hymnologen Wilhelm Nelle nicht zu Unrecht als der »geistliche Klopstock des 19. Jahrhunderts« bezeichnet wurde. Vor 150 Jahren verstarb Albert Knapp, der überaus begabte Poet in Stuttgart, wo er zuletzt für fast drei Jahrzehnte Pfarrer war. Als Dichter geistlicher Lieder und Hymnologe hat er weit über das Württemberger Land hinaus Beachtung gefunden und Bedeutung erlangt.

Kurzer Lebenslauf Als Sohn eines Oberamtmannes wird Albert Knapp am 2. Mai 1798 in Tübingen geboren. Da der Vater versetzt wird, wächst Albert Knapp in Alpirsbach, einem Städtchen im nördlichen Schwarzwald auf, dessen Prälat Johann Albrecht Bengel (1687–1752) gut 50 Jahre zuvor war. Von 1816 bis 1820 studiert Knapp evangelische Theologie in Tübingen. Anschließend ist er Pfarrer in Sulz am Oberlauf des Neckars gelegen und in Kirchheim unter der Teck, einer schwäbischen Kleinstadt am Fuße der Schwäbischen Alb. Von 1836 bis zu seinem Heimgang am 18. Juni 1864 wirkt er als Pfarrer in Stuttgart, an der Hospital-, Stifts- und Leonhardskirche, heutigen Innenstadtkirchen. Diese 30 Jahre sind die fruchtbarsten im Leben des Pfarrers und geistlichen Liederdichters Albert Knapp, entstehen

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in dieser Zeit doch sein umfangreicher »Evangelischer Liedschatz«, mit 3950 Liedern, auch vielen eigenen, womit dieser die umfangreichste Sammlung zur Erbauung ist. Damit nimmt er wesentlichen Einfluss auf das 1841/42 von der württembergischen Kirche herausgegebene, pietistisch geprägte Gesangbuch. Außerdem gründet er einen Tierschutzverein, was vielfach einfach übersehen wird; es ist meines Wissens der erste oder zweite, der im damaligen Deutschland überhaupt entstanden ist. Weltabgewandt, wie dies den Pietisten so manches Mal bereits vorgeworfen wurde, ist Albert Knapp jedenfalls nicht. Und eine solche Beurteilung ist denn auch eine derart pauschale, dass sie den Pietismus überhaupt nicht zu treffen vermag. Albert Knapp nimmt damit vielmehr den ersten Artikel des Glaubensbekenntnisses, den von der Schöpfung und das, was der Apostel Paulus im achten Kapitel des Römerbriefes schreibt, auf. Und daraus leitet er zu Recht ab, dass Tiere als Mitgeschöpfe des Schutzes und der Fürsorge durch den Menschen bedürfen und nicht gequält werden dürfen. Als Pfarrer zeichnet er sich durch schwäbische Originalität und Konzentration in Predigt und Seelsorge aus. Über sein Leben legt Albert Knapp in einem »Lebensbild. Eigene Aufzeichnungen, fortgeführt und beendet von seinem Sohn Joseph Knapp« (1891) Rechenschaft ab. Zur geistlichen Erbauung gibt Albert Knapp »Christoterpe, ein Jahres-Taschenbuch für christliche Leser« heraus. Albert Knapps Lebensmotto, vor allem seine Glaubenseinstellung, lässt sich durch wenige Zeilen aus einem seiner Lieder beschreiben: »Eines wünsch ich mir vor allem andern, … Ja, mein Jesus, lass mich nicht vergessen meine Schuld und deine Huld« (Evangelisches Gesangbuch [EG] Nr. 546, aus den Strophen 1 und 3), was gut reformatorisch und gut pietistisch ist. 23


Kern des Friedens für die lange Ewigkeit«, wie Albert Knapp sich ausdrückt. Es war ein Buch des römisch-katholischen Pfarrers Martin Boos Albert Knapp ist, einmal fertig, Pietist und hat (1762–1825), der der Allgäuer Erweckung zuals solcher lebendige Glaubensgewissheit. Aber zurechnen ist, und der reformatorisch predigt, bis er, der von der Erweckung und im Wesent- was ihm schwere Anfeindungen in der eigenen lichen von seinem gleichaltrigen Jugendfreund Kirche erdulden lässt, welches die entscheidende Ludwig Hofacker (1798–1830) beeinflusst ist, Wende in Albert Knapps Leben bewirkt. Dessen dahin gelangt, das dauert und kostet so manche Jugendfreund und Mitstudent, der später beÜberwindung, Entsagung und manchen Glau- kannte Erweckungsprediger Ludwig Hof­acker benskampf. (1798–1828), sein »Bruder Jonathan«, wie ihn Im Rückblick bekennt Albert Albert Knapp nennt, gibt ihm dieKnapp von sich: »Ich war wohl ses Buch von Martin Boos. Durch im allgemeinen kein gottverdessen Lektüre wird Albert Knapp lassenes, aber gewiss ein unbe»ein Blick sowohl in mein eigekehrtes, unerwecktes, christennes Verderben als auch in Christi loses Kind, kaum von einer Art Huld und Majestät geschenkt«. alttestamentlichen Schimmers Seinem Freund Ludwig Hofacker angeleuchtet. Was Bekehrung, verdankt Albert Knapp also seine Wiedergeburt, seliger Umgang Heilsgewissheit. mit dem himmlischen KinderSo erlangt Albert Knapp zwar freund heißt, davon habe ich in Heilsgewissheit, muss aber ermeiner Kindheit nie den entkennen, dass er noch immer ferntesten Eindruck empfan»unfertig« ist. In der Heiligung gen.« Es ist dann, vergleichbar hat er noch zu reifen, wie an eieinem der Väter des Pietismus, nem Vorkommnis deutlich wird. dem sächsischen Grafen NikoLiebgewonnenes und doch auch laus Ludwig von Zinzendorf Eitelkeiten hat der begabte Dich(1700–1760), das Bild des ge- Albert Knapps Lebensmotto, ter noch zu überwinden. Für den kreuzigten Christus, das den vor allem seine GlaubensDruck wählt er 130 gute Gedichjungen Albert Knapp zur Über- einstellung, lässt sich durch te aus. Doch gerade an dem Tage, gabe seines Lebens auffordert, wenige Zeilen aus einem als er sie dem Verleger zum Druck und 1814 seine Lebenswende seiner Lieder beschreiben: übergeben will, übergibt er sie einleitet. Der damals 16jährige »Eines wünsch ich mir vor dem Feuer. Albert Knapp erkennt, ist gerade als Schüler ins theo- allem andern, … Ja, mein als Jünger Jesu Christi dürfe er logische Seminar Maulbronn Jesus, lass mich nicht vergessolche Gedichte nicht veröffentliaufgenommen worden, da sen meine Schuld und deine chen, die nur »poetisch fromm«, nimmt ihn während einer An- Huld.« manchmal sogar gegen Gott gedacht in der alten Klosterkirche richtet seien. Zudem trennt er sich ein Fresko gefangen. Auf diesem sind Johannes von seinem Flügel, der ihm so viel bedeutet; und Maria zu sehen, wie sie zum gekreuzigten aber er hat die Erkenntnis gewonnen, zu sehr Christus aufblicken. Was der Meister dargestellt hänge sein Herz daran, obwohl er ihn zweckhat, macht auf den jugendlichen Albert Knapp mäßig gedachte einzusetzen; der Flügel sei geeinen tiefen Eindruck und beim Anblick der wissermaßen zu seinem Gott geworden. »Ich Martergestalt Jesu durchzuckt ihn mehr und habe lange mit ihm [dem Flügel] akkordieren mehr der Gedanke: »Du bist das ewige Leben; wollen, doch Gott wollte es mir nicht lassen. du bist meiner Seele Heil, wäre ich dein, so wär Ich wollte die Gedichte wohl verschließen und meiner Seele geholfen.« Zu Tränen betrübt und nicht mehr eitel darauf sein, aber siehe da, da gerührt ist der junge Albert Knapp. Voll Ehr- war Gott ganz von mir gewichen und überließ furcht berührt er Jesu Füße, sinkt seinem Herrn mich allein meinem Stolz. Nun, als ich den Heizu Füßen und bittet diesen darum, er möge ihm land wieder suchte, schlug mich das Gewissen doch bei aller seiner Sündhaftigkeit vor den Ver- bitterlich. Qualvolle Unruhe durchdrang mich, suchungen der Welt bewahren und ihn als sein und es hieß immer: Wer nicht allem absagt, Eigentum annehmen. der kann nicht mein Jünger sein [vgl. Lukas Doch Heilsgewissheit, die er sucht, hat er 14,26.27.33]. Da dachte ich denn, das ist doch noch nicht. Jahre später, inzwischen bereits Vi- nicht gegen ihn, wenn ich sie behalte, das ist kar, findet er diese dann. »Ich empfing … den doch zu viel, wenn ich sie verbrenne. Da hieß

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es in mir: Tun wir zu viel, so tun wir es Gott. von Johann Jakob Rambach, Strophen 5 und 6 So habe ich alles für Schaden und Kot geach- von Albert Knapp). Das bereits erwähnte Lied tet, dass ich ihn, Jesus, gewinne. Um drei Uhr »Eins wünsch ich mir vor allem andern« (EG nachmittags, als es immer innerlich hieß: Ver- 546, württembergische Ausgabe) hat eine bebrenne, opfere sie ihm auf! übergab ich sie Jesus achtenswerte Entstehungsgeschichte. Der aus und nahm die innere Stimme als seinen Willen Saalfeld stammende Schlossergeselle Friedrich an. Im Ofen loderten sie hell auf, und hin ist Gruner, arbeitet bei einem Meister in Stuttgart, nun der heidnische Dichterruhm. Es schmerzt dessen Tochter Konfirmandin Albert Knapps ist. mich immer noch ein wenig; aber getrost – ich Zu deren Konfirmation erbittet dieser Saalfelder muss alles hingeben, auf dass ich ihn gewinne.« Schlossergeselle von Albert Knapp ein Lied, das Es kommt vor, dass Jesus die vollständige Tren- die Überschrift »Mein Wunsch« tragen soll. Aus diesem Auftrag entsteht dann nung von allem vorigen eraus Seelenkämpfen heraus, da wartet, was einem wichtig ist, mm Albert Knapps Tun ist sich Albert Knapp gerade selbst wenn er in die Nachfolge ruft nicht »umsonst«. Was er in Ängsten befindet, das Lied und diesem Ruf Folge geleishingibt, erhält er vielfäl­ »Eins wünsch ich mir vor allem tet wird. tig wieder. Gott lässt sich andern«. Weil es aus Anfechgeboren ist, deshalb Der Dichter und nämlich nichts schenken. tungen kann es dann gewissermaßen Hymnologe Der begabte Dichter wird zur Glaubenseinstellung und Albert Knapps Tun ist nicht von Gottes Geist zu neuen zum Glaubenszeugnis Albert »umsonst«. Was er hingibt, Knapps werden (siehe »Kurzer erhält er vielfältig wieder. geistlichen Gedichten in­ Lebenslauf« Ende). Gott lässt sich nämlich nichts spiriert; mehr als 1200 soll­ Albert Knapp ist nicht alschenken. Der begabte Dich- ten es im Ganzen werden. lein Dichter, sondern genauso ter wird von Gottes Geist zu Sammler, Bearbeiter und Erneuen geistlichen Gedichten inspiriert; mehr als gänzer bereits bestehender Lieder. In späteren 1200 sollten es im Ganzen werden. Inzwischen, Ausgaben des »Evangelischen Liedschatzes« seit 1836 Stadtpfarrer in Stuttgart, gibt Albert versucht Albert Knapp die von ihm nach seinem Knapp 1837 seinen »Evangelischen Liedschatz Geschmack geänderten Liedtexte wieder deren für Kirche und Haus« mit 3950 Liedern he­ Originalfassung anzunähern. raus: die umfangreichste Sammlung geistlicher Lieder, wobei diese 350 eigene Lieder Albert Knapps Einfluss auf das württem­ Knapps bzw. Bearbeitungen von Vorlagen durch bergische Gesangbuch von 1841/42 den Dichter enthält. Von seinem Sohn Joseph Knapp herausgegeben erscheint dieser »EvangeZu seiner Zeit sind Albert Knapps theololische Liedschatz für Kirche, Schule und Haus« gischer und kirchlicher Einfluss nicht zu unin vierter Ausgabe 1891. In seinem »Evangeli- terschätzen, kann er doch als Hauptträger der schen Liedschatz« sammelt Albert Knapp, der Erneuerung des württembergischen Gesangsich gegen die Theologie von Aufklärung und buches von 1841/42 gelten, das bis 1911 weiRationalismus wendet, älteres Liedgut, etwa sol- tere Auflagen erfahren hat. Zudem haben seiches von den früheren Pietisten Gottfried Arnold ne Textänderungen die Gesangbücher des 19. (1666–1714) und Nikolaus Ludwig Graf von Jahrhunderts stark beeinflusst. Das württemberZinzendorf (1700–1760), bringt dieses wieder gische Gesangbuch von 1841/42 enthält 651 zu der ihm gebührende Ehre und gibt damit der Lieder ohne Noten. Der theologische RatioGemeinde wertvolle geistliche Schätze. nalismus wird darin nicht weiterverfolgt, wenn Albert Knapp wird denn als Dichter geistlicher auch 178 Lieder aus dem Rationalistischen GeLieder weit über Württemberg hinaus bekannt sangbuch übernommen werden. Doch im Vorund bedeutend. Beliebt werden von seinen gut dergrund steht eine pietistische Ausrichtung. 1200 Liedern die, die er für Missionsfeste der Aus dem Gesangbuch von 1741 werden 59 im Basler Mission verfasst. Sein vielleicht bekann- theologischen Rationalismus verdrängte Lieder testes, das aus einem solchen Anlass entsteht, ist aufgenommen. Lieder des Pietismus, etwa von »Einer ist’s, an dem wir hangen«. Weitere be- Gerhard Tersteegen (1697–1769), Nikolaus kannte »Missionslieder« sind: »Der du zum Heil Ludwig Graf von Zinzendorf (1700–1760) erschienen« und »Hier stehen wir von nah und und Philipp Friedrich Hiller (1699–1769) werfern«. Bekannt geworden ist auch »Der Herr ist den ebenso aufgenommen wie solche aus der gut, in dessen Dienst wir stehn« (EG 631,1–4 Zeit Albert Knapps. Außer von ihm selbst sind Informationsbrief 287

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es Lieder des Romantikers Novalis (eigentlich Friedrich von Hardenberg, 1772–1801), von Ernst Moritz Arndt (1769–1860), Friedrich Rückert (1788–1866), Philipp Spitta (1801– 1859) und anderen. Neben diesen erstmals ins Gesangbuch aufgenommenen Liedern finden auch Lieder der Erweckungs- und Missionsbewegung, von der Albert Knapp ja nicht unberührt bleibt, Aufnahme. Ältere Lieder erfahren in diesem Gesangbuch teils einleuchtende, teils zu weitreichende Bearbeitungen. Erstmals sind Kurzbiographien der Dichter und Dichterinnen beigegeben.

Albert Knapps bleibende ­Bedeutung Albert Knapps Bedeutung für die evangelische Kirche lässt sich zumindest ein Stück weit daraus ableiten, wie zahlreich er im gegenwärtig verwendeten Evangelischen Gesangbuch (EG, 1996) vertreten ist. Dabei ist jedoch zu beachten, dass er bei diesen Liedern in den meisten Fällen Bearbeiter einer älteren Vorlage ist. Im so genannten Stammteil stehen fünf Lieder, die mit Albert Knapp in Verbindung zu bringen sind; damit ist er sogar einmal mehr vertreten als er dies im Evangelischen Kirchengesangbuch (EKG, 1953) war: EG 220: Herr, du wollest uns bereiten, ursprünglich von Friedrich Gottlieb Klopstock, 1758, bearbeitet von Albert Knapp, erschienen 1837 im Evangelischen Liedschatz. EG 242: Wach auf du Geist der ersten Zeugen, ursprünglich von dem Pietisten Karl Heinrich von Bogatzky, 1750, Strophe 8 bearbeitet von Albert Knapp: Du wirst dein herrlich Werk vollenden (EKG 216,9). EG 251: Herz und Herz vereint zusammen, ursprünglich von Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf, 1723, bearbeitet von Christian Gregor 1778 und Albert Knapp für den 1837 erschienenen Evangelischen Liedschatz. EG 256: Einer ist’s, an dem wir hangen, 1822/1824 (EKG 221). EG 462: Wir danken dir, Herr Jesu Christ, erschienen 1837 im Evangelischen Liedschatz (EKG 372,3). Das von Albert Knapp bearbeitete so tiefgreifende Lied des schwäbischen Dekans Karl Friedrich Harttmann (1743–1815) »Endlich bricht der heiße Tiegel, und der Glaub empfängt sein Siegel« (EKG 305, elf Strophen, im Stammteil) wurde – leider – nicht mehr ins Evangelische Gesangbuch (EG) aufgenommen. Im württembergischen Teil des Gesangbuches (sowohl des EG, erschienen 1996 als auch des EKG, erschienen 1953) stehen verhältnismäßig 26

mehr Lieder Knapps als im Stammteil, was mit seiner Herkunft und Wirken im Zentrum des Schwabenlandes zu tun haben dürfte sowie der lange anhaltenden pietistischen Tradition dieser Landeskirche, die allerdings in den letzten Jahren rasch an Bedeutung zugunsten eines theologischen Liberalismus und eines unreflektierten Evangelikalismus abnimmt. Doch in diesem Fall sind die Verhältnisse umgekehrt: denn das EKG enthält ein Lied Knapps mehr als das EG. EG 544: Wie schön leuchtet der Morgenstern, Bearbeitung Albert Knapps von 1832 und für das Württembergische Gesangbuch von 1841/42 des Epiphaniasliedes von Philipp Nicolai, 1599, EG 70 (EKG 410). EG 546,1-4: Eins wünsch ich mir vor allem andern, 1823/1829 (EKG 421). EG 560: Jesu, Seelenfreund der Deinen, ursprünglich von dem pietistischen Laientheologen Johann Michael Hahn, 1822, bearbeitet von Albert Knapp für seinen Evangelischen Liedschatz von 1837 und das Württembergische Gesangbuch von 1841/42 (EKG 433). EG 631,5.6: Der Herr ist gut, in dessen Dienst wir stehn, Strophen 1 bis 4 von Johann Jakob Rambach, 1727, Strophen 5 und 6 von Albert Knapp für seinen Evangelischen Liedschatz von 1837 (EKG 496,7.8). EG 633: Gottes Sohn, du Licht und Leben, ursprünglich von Karl Heinrich von Bogatzky, 1725/1736, bearbeitet von Albert Knapp für seinen Evangelischen Liedschatz von 1837 und das Württembergische Gesangbuch von 1841/42. Zwei Lieder Albert Knapps sind im württembergischen Teil des Evangelischen Kirchengesangbuchs (EKG) enthalten, welche im württembergischen Teil des Evangelischen Gesangbuchs (EG) nicht mehr enthalten sind. Zum einen das Epiphaniaslied »Der du zum Heil erschienen der allerärmsten Welt« (EKG 412, acht Strophen) und eine Übersetzung der mittelalterlichen Sequenz »Dies irae, dies illa« aus dem 12. Jahrhundert zum Schluss des Kirchenjahres: »Jenen Tag, den Tag der Wehen, wird die Welt im Brand vergehen« (EKG 426, 18 Strophen). Das römisch-katholische Gesang-, Gottesdienst- und Andachtsbuch »Gotteslob« enthält sowohl in seiner alten Ausgabe von 1975 als auch in seiner neuen von 2013 kein Lied von Albert Knapp, wiewohl in beiden Ausgaben Lieder evangelischer Dichter und Bearbeiter enthalten sind. Albert Knapp hat also durchaus Bedeutung für den Gottesdienst und darüber hinaus, etwa für die häusliche Andacht, was seine Lieder anlangt. Leider wird im gottesdienstlichen Gesang W viel zu wenig davon Gebrauch gemacht. August 2014

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Aus Kirche und Gesellschaft

»Schöpfungs­ theologe« Professor Horst W. Beck † Im 81. Lebensjahr ist in Baiersbronn-Röt der Theologe und Naturwissenschaftler Professor Horst W. Beck am 29. Mai 2014 verstorben. Der aus Stuttgart stammende Pfarrersohn wurde 1964 zum Dr. Ing. promoviert und 1973 in Basel zum Dr. der Theologie. Beck wurde vor allem durch seine Forschungen im Grenzbereich von Theologie, Technik und Naturwissenschaft bekannt. Sein Anliegen war, plausibel zu machen, dass sich der christliche Glaube an einen Schöpfergott mit den Naturwissenschaften vereinbaren lässt. Von daher verstand er sich als »Schöpfungstheologe« und vertrat, im Anschluss an seinen Basler neutestamentlichen Lehrer Oscar Cullmann (1902– 1999), eine heilsgeschichtlich ausgerichtete Theo­logie. Er gehörte zu den Gründern der interdisziplinär ausgerichteten Karl-Heim-Gesellschaft mit Sitz in Marburg und später zu den Gründern der evangelikalen Studiengemeinschaft »Wort und Wissen«. Er lehrte am Pastoralkolleg der württembergischen Landeskirche in Freudenstadt, war Dozent an den Universitäten Basel und Karlsruhe und an der evangelikalen Hochschule Löwen (Belgien). Er war über eine Reihe von Jahren Vizepräsident des Theologischen Konvents Bekennender Gemeinschaften. Als Pfarrer der württembergischen Landeskirche war er ein geschätzter Prediger. Seine geistliche Heimat fand er bei den Altpietisten und der Pfarrer-Gebetsbruderschaft. Der Bekenntnisbewegung »Kein anderes Evangelium« stand er nahe. Vereinzelt hat er auch für deren Informationsbrief einen Beitrag verfasst. Seine letzte irdische Ruhestätte fand Horst W. Beck auf dem Friedhof in Freudenstadt.

»Lehrer des Glaubens« Oberkirchenrat Professor Karl Dienst ­verstorben Ende Mai verstarb im Alter von 84 Jahren in Darmstadt Oberkirchenrat Professor Karl Dienst. Fast ein Vierteljahrhundert war er als Oberkirchenrat in der Kirchenverwaltung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau tätig. Der vielseitig Gebildete galt als ein »Lehrer des Glaubens« und »Chronist der evangelischen Christenheit«. Bestechend war sein Detailwissen über Gemeinden, Personen der Zeitgeschichte und historische Zusammenhänge. 2010 hatte er ein 600 Seiten starkes Werk über die Geschichte der evangelischen Gemeinden in Oberhessen verfasst. Bis zuletzt war Dienst, der auch in Frankfurt lehrte, publizistisch äußerst produktiv. Eine Unzahl theologischer Aufsätze, Buchrezensionen usw. hat er in ganz unterschiedlichen Publikationsorganen verfasst, unter anderem im Deutschen Pfarrer­ blatt und im Informationsdienst der Evangelischen Allianz (idea). Der Theologe, Kirchenmann, Kirchenhistoriker und Religionspädagoge stand der Bekenntnisbewegung »Kein anderes Evangelium« nahe. Für deren Informationsbrief hat er in den vergangenen Jahren immer wieder einen Beitrag verfasst. Dienst war zunächst 13 Jahre lang Gemeindepfarrer. 1970 wurde er aufgrund seiner hohen Fachkompetenz in Religionspädagogik in die Kirchenverwaltung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau berufen. Dort leitete er bis 1994 das Referat für Bildungsfragen, Bildungspolitik und Berufliches Schulwesen. Zudem gehörte er 19 Jahre der EKD-Synode an, wo er dem Ausschuss für Schrift und Verkündigung vorstand. (Quelle: ideaSpektrum 23/2014 vom 4. Juni 2014, S. 33, Hessen)

(Quellen der Nachricht: ideaSpektrum 23/2014 vom 4. Juni 2014, S. 39, Südwest und Württembergisches Pfarrerverzeichnis)

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Baden-Württemberg: Taktische Verschiebung des umstrittenen B ­ ildungsplanes Der neue Bildungsplan für baden-württembergische Schulen soll erst im Sommer 2016 eingeführt werden. Um die Qualität des Papiers zu verbessern und die Lehrkräfte besser einbeziehen zu können, brauche man ein Jahr mehr Zeit, behauptet Kultusminister Andreas Stoch (SPD). Stoch gibt jedoch zu: Der Streit um die Akzeptanz sexueller Vielfalt, die im Bildungsplan verabschiedet werden soll, habe keine wichtige Rolle für die Verschiebung gespielt. Das heißt aber doch: Weg und Ziel, die sich die baden-württembergische Landesregierung vorgenommen hat, werden weiterverfolgt, trotz aller vernünftigen Gegenpositionen und berech-

tigter Proteste. Die CDU sah sich in einer ersten Reaktion in ihrer Kritik an dem Papier bestätigt. Stoch sieht nach eigenen Worten bei der Einführung des neuen Bildungsplanes im Blick auf die aktuelle Akzeptanz sexueller Vielfalt »nullkommanull Skandalisierungspotenzial«. Der Streit und die Demonstrationen gegen diesen Teil des Planes seien, so Stoch, eher auf Missverständnisse zurückzuführen sowie ein Zeichen dafür, dass das Thema gesamtgesellschaftlich noch nicht ausdiskutiert sei. Damit wird eine so manches Mal angewandte Methode gewählt, dadurch zu beruhigen und zum Stillhalten anzuhalten, indem auf Missverständnisse abgestellt wird. Doch die Presse durchschaute diese Stoch-PM, und die »Schwäbische Zeitung« titelte: »Stoch erkauft sich Zeit für Bildungsplan«. (Quelle der Nachricht: Wochenendmail aus Bretten vom 25. April 2014)

Buchrezension Hanns Leiner: Gibt es einen neuen Kirchenkampf? Das Ringen um die wahre Kirche Bereits zu Beginn des Jahres 1971 hat der damals höchste Repräsentant des bundesdeutschen landeskirchlichen Protestantismus, der Ratsvorsitzende der EKD und bayerische Landesbischof Hermann Dietzfelbinger (1908– 1984, Bischof 1955–1975, Ratsvorsitzender 1967–1973), wenn auch vorsichtig, so doch davon gesprochen, dass »wir heute in einem Glaubenskampf, einem Kirchenkampf« »stehen«, »gegenüber dem der Kirchenkampf des Dritten Reiches ein Vorhutgefecht war«, wenngleich Landesbischof Dietzfelbinger zugesteht, »dass dieser heutige Kampf vielfach kaum erkannt, zu allermeist verharmlost wird und unter Tarnworten wie Pluralismus voranschreitet«. Hanns Leiner (geb. 1930), lutherischer Pfarrer in Bayern und später für mehr als 30 Jahre hauptamtlicher Religionslehrer an einem Gymnasium in Augsburg, dazu Mitarbeiter verschiedener Zeitschriften (unter anderem seit Jahren beim Informationsbrief der Bekenntnisbewegung »Kein anderes Evangelium«) und Zeitungen, in der Erwachsenenbildung tätig und auch schon als Buchautor hervorgetreten, bejaht, was Landesbischof Dietzfelbinger seinerzeit vor der Synode der EKD als Frage aufgeworfen hat: Wir stehen 28

in einem zweiten Kirchenkampf. Dem profunden Theologen und aufmerksamen Beobachter Hanns Leiner sind selbstverständlich die kirchlichen Fehlentscheidungen und Fehlentwicklungen der letzten Jahrzehnte nicht entgangen und er benennt sie, die Theologie im engeren Sinne und daraus folgend die Ethik betreffen: etwa eine zu laxe Haltung bei ethischen Fragen, die nicht diese Spielräume zulassen, die ihnen die evangelische Kirche genehmigt, etwa beim Paragraphen 218 und bei Ehe und Familie (Familienpapier vom Sommer 2013), während andererseits bei Fragen, die Ermessensfragen und keine Heilsfragen sind, eine recht rigide Haltung der evangelischen Kirche entgegensteht und nur eine Meinung zugelassen wird, etwa bei Fragen, wie der Umweltschutz am besten gewährleistet wird, wie der Frieden am besten zu sichern ist usw. Da sich Hanns Leiner zu Recht als dezidiert lutherischer Theologe versteht – in seinem Einleitungskapitel begründet er seine Haltung – ist es nicht verwunderlich, dass ihn die zustimmende Haltung zur Gemeinsamen Erklärung (GE) zur Rechtfertigungslehre durch ihrem Bekenntnis nach lutherische Kirchen und die undifferenzierte und euphorische Haltung gegenüber der Ökumene besonders schmerzen. Doch Hanns Leiner bleibt nicht bei der Nennung und dem Beklagen all des Beklagenswerten und all dieser Fehlentwicklungen stehen, August 2014

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woran sich zeigt, dass er sich nicht mit oberflächlichen Zustandsbeschreibungen und Analysen zufriedengibt. Vielmehr fragt er nach, woran es denn liegt, dass es dazu gekommen ist. Grundlage solch einer Prüfung ist für ihn, worin sich wiederum seine lutherische Grundentscheidung zeigt, die Heilige Schrift (sola scriptura), vornehmlich das Neue Testament. Dabei stellt er fest, dass sich die Kirche in ihrer Entwicklung recht bald von dieser Grundlage mehr und mehr entfernt hat. Wenn auch die Reformation wieder zu den Anfängen zurückgelenkt habe, so sei dies in der Frage der Kirche nur unzulänglich geschehen, unter anderem weil das Leben Luthers (und auch anderer Reformatoren) zu kurz gewesen sei, um auch dies noch zufriedenstellend zu ordnen (Versuche dazu gab es im 19. Jahrhundert etwa durch Löhe, Vilmar, Kliefoth, Stahl). Leiner erkennt den Grundfehler, der den heutigen desolaten Zustand der Kirche(n) mit verursacht hat, in dem Versuch, ganze Völker zu christianisieren, teils sogar unter Zuhilfenahme von Gewalt (etwa Zwangstaufen). Die Angehörigen einer ganzen Volksgemeinschaft wurden einfach zu Christen erklärt. Dabei bleibe die Hinwendung zu Christus jedoch eine je individuelle Entscheidung, sei doch »der Glaube« auch »nicht jedermanns Ding« (2.Thessalonicher 3,2). Für Leiner ist von daher die so genannte Konstantinische Wende der Grundfehler, wobei er eingesteht, Fehlentwicklungen hätten bereits zuvor um sich gegriffen. Diese Entwicklung sei nicht allein ambivalent, sondern sogar ganz verfehlt und ein Pyrrhussieg, da sie die Staats- und Volkskirchen erst ermöglichte, die das Dilemma schufen, auch solche, die mit dem Glauben an Christus nichts am Hut haben, als Christen zu betrachten und zu vereinnahmen. Inzwischen gehören 95 Prozent der Mitglieder evangelischer Landeskirchen zu den »getauften Nichtchristen«, die sich am gemeindlichen Leben nicht beteiligen, abgesehen an den Knotenpunkten des Lebens, zu denen die Kirche dann die nötigen Passageriten zu liefern habe, bei denen der Pfarrer als Zeremonienmeister fungiere; lediglich fünf Prozent sind überhaupt noch am Leben der evangelischen Landeskirchen interessiert und nehmen daran teil. Die Schuld am desolaten Zustand tragen, dessen ist sich Leiner sicher, zu einem guten Teil die Kirchenoberen, die Fehlentscheidungen und Irrlehre in die Gemeinden hinein durchdrücken und ebenso ihre Pfarrer in Gewissenskonflikte stürzen können, gerade bei Kasualhandlungen (Leiner nennt z. B. die fragwürdige Taufpraxis). Wenn aus naheliegenden Gründen gerade Kirchenleitungen an der umstrittenen Kon­ Informationsbrief 287

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struktion Volkskirche festzuhalten suchen, diese rechtfertigen und mit allen Mitteln zu erhalten trachten, so ist Leiner davon überzeugt, dass diese Volkskirche so auf Dauer nicht zu halten sein wird. Er stellt dies nicht mit Schadenfreude fest, sondern eher mit Scham und Trauer, dass »seine« lutherische Kirche, in der er vor bald 60 Jahren seinen Verkündigungs- und Seelsorgedienst begann, dermaßen abgewirtschaftet hat. Aber er hat – zumindest bis jetzt – noch nicht vollständig resigniert. Er ist nämlich der Überzeugung, dass aus diesen Ruinen wieder neues Leben erwachsen kann. Ihm schwebt also vor, wenn diese Volkskirche, die geistlich im Sterben liege und nur noch eine Zeit lang durch Strukturen aufrecht erhalten werde, einmal allein aus Mangel an Volk, zerbrochen sein werde, dass sich dann eine Freiwilligkeitskirche aus den Trümmern heraus erheben werde, deren Glieder Jesus nachfolgen werden. Ist dem Autor in Bezug auf die zurzeit noch real existierende Kirche auch jeder Optimismus vergangen, so hat er dann doch Hoffnung für eine zukünftige Gemeinde, die aufgrund der Verheißung Jesu »die Pforten der Hölle nicht überwältigen« sollen (Matthäus 16,18). Ja, die Gemeinde des Herrn der Kirche wird nicht untergehen; aber Kirchtümern wie sie als gegenwärtige Organisationen und Institutionen bestehen, gilt diese Zusage nicht. Das gut lesbare Buch von Hanns Leiner ist nachdrücklich gerade auch Personen in den Kirchenleitungen zur Lektüre zu empfehlen. Doch die Hoffnung, dass diese das, was Hanns Leiner mit Nachdruck schreibt und empfiehlt, beherzigen, ist recht gering. Denn dann müssten sie mit liebgewonnenen Vorteilen, Annehmlichkeiten, sogar Lebenslügen und Berufs- und Zweckoptimismus brechen. Und wer tut dies schon gerne? Doch genauso lohnt sich die Lektüre für Pfarrer und interessierte »Laien«. Das Buch ist gut, flüssig und interessant geschrieben. Fachwissen erscheint für das Verständnis nicht nötig. Lediglich die Bereitschaft, sich auf Argumentation und Gedankengänge Hanns Leiners einzulassen und darauf zu hören (ob man diese sich in allem zu Eigen macht, bleibt eine ganz andere Frage), wird vorausgesetzt. Das neue Buch des vielfachen Autors beim Informationsbrief und den InfoSpezials der Bekenntnisbewegung »Kein anderes Evangelium« ist zu empfehlen. Seine Lektüre lohnt sich auf jeden Fall. Walter Rominger Das Buch ist erschienen im Verlag für Theologie und Religionswissenschaft (VTR), broschiert, 178 Seiten, ISBN 978-3-941750-77-7 29


(Mt 24/25)

Die Botschaft der Endzeitreden Jesu angesichts der Weltlage heute Herbstfreizeit mit Pfarrer Hansfrieder Hellenschmidt vom 8. bis 15. September 2014 im Christlichen Begegnungszentrum Aichenbach, Schorndorf Kirche und Gesellschaft sind in Turbulenzen geraten. Ein unruhiges Wesen hat die Menschen ergriffen. Geld und Sex suggerieren Erfüllung. Der entfesselte Leib feiert Urstände. Weggewischt und verworfen ist die Gottesfurcht. Der Suggestionskraft eines befreiten Lebens können sich nur wenige entziehen. Was ist hier im Gange? Apokalyptische Ängste greifen um sich. Wer kann das Geschehen in der Zeit deuten? Jesus spricht vom Ende. Täglich treten uns Zeichen, die dem Ende vorauslaufen, vor Augen. Sie rufen uns zur Wachsamkeit. Wir sollen nicht aufgeschreckt hin und her laufen und auf dieses oder jenes starren. Jesus hält uns an, unsere Häupter zu erheben und auf dem Weg ihm entgegen, unsere Sendung zu erfüllen. Es gilt mit den Pfunden zu wuchern. Endzeitliche Aufgeregtheit darf uns nicht aufhalten, hinzugehen und den Becher kalten Wassers zu reichen. Die

Angefochtenen gilt es zu trösten und die verachteten und geschlagenen Glieder am Leibe Christi aufzurichten. Auch im Ende, das mit Jesu Eintritt in die Welt begonnen hat, wartet Jesus auf Frucht. Dem, der im Gehorsam hingeht und nach der Weisung der Schrift handelt, wird Jesus lohnen: »… das habt ihr mir getan.« Diese Verheißung ist die Freude des Jüngers. Sie weckt seine Sinne zur Wachsamkeit und stärkt seinen Willen zum Gehorsam. Trotz aller Widerstände, die der unreine Geist unserer Zeit gegen ihn stellt, wird er hingehen, seine »Glieder« zu »Waffen der Gerechtigkeit« einsetzen, seinen Leib rein halten und Tempel des Heiligen Geistes sein lassen. Diesem und anderem aus den Endzeitreden unseres Herrn wollen wir in der Freizeit nachdenken.

Die Anmeldungen sind zu richten an: Christliches Begegnungszentrum Aichenbach 73614 Schorndorf Christian-Friedrich-Werner Straße 57 Telefon (07181) 5536 · Fax (07181) 61297 E-Mail: info@msoe-aichenbach.de

Anfragen und Auskunft: Hansfrieder Hellenschmidt Telefon (07158) 69569 Fax (07158) 9157494 E-Mail: hans.hellenschmidt@gmx.de

Mitarbeiter an diesem Heft: Pfarrer Thomas Hilsberg Provenceweg 17 78315 Radolfzell Tel. (07732) 8235879 E-Mail: thomasundmagdalena@web.de Studiendirektor Pfarrer Hanns Leiner Mittenwalder Straße 34 86163 Augsburg Telefon (0821) 63731 E-Mail: Hanns.Leiner@arcor.de

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Preise: Zimmer mit Dusche und WC: 39,– Euro

Pfarrer Gerhard Naujokat An den Rehwiesen 8 34128 Kassel Telefon (0561) 64003 Fax (0561) 6025162

Pfarrer Friedemann Schwarz Gartenstraße 21 72227 Egenhausen Telefon (07453) 9580164 E-Mail: friedemann.schwarz@gmail.com

Walter Rominger Mehlbaumstraße 148 72458 Albstadt Telefon und Fax (07431) 74485 E-Mail: w.rominger@t-online.de

Professor Dr. Reinhard Slenczka D. D. Spardorfer Straße 47 91054 Erlangen Telefon und Fax (09131) 24139 E-Mail: Grslenczka@aol.com Pfarrer Christian Tegtmeier 38723 Kirchberg

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Weitere Exemplare des Informationsbriefes für Juli 2013, Heft 279, für April 2014, Heft 284 und für Juli 2014, Heft 286 sowie des Traktats »Falsche Propheten sind unter uns« können –– auch in größerer Stückzahl –– bei der Geschäftsstelle bestellt werden. Geschäftsführender Ausschuss Vorsitzender der Bekenntnisbewegung »Kein anderes Evangelium« e. V. Pfarrer Friedemann Schwarz Gartenstraße 21 72227 Egenhausen Telefon (0 74 53) 9 58 01 64 E-Mail: friedemann.schwarz@gmail.com

Weitere Mitglieder des Geschäftsführenden Ausschusses Walter Keim Kiebitzstraße 14 45897 Gelsenkirchen Telefon (02 09) 15 55 98 22 Fax (02 09) 15 55 98 24 E-Mail: Walter@Keim.de

Stellvertretender Vorsitzender Pfarrer Johannes Frey Ofener Weg 3 28816 Stuhr Telefon (04 21) 5 22 89 10 E-Mail: johannes.frey@kabelmail.de

Gottfried Meskemper Voltastraße 26 28357 Bremen Telefon (04 21) 25 60 40 Fax (04 21) 2 05 34 56 E-Mail: Gottfried.meskemper@t-online.de

Schriftführer Walter Rominger Mehlbaumstraße 148 72458 Albstadt Telefon und Fax (0 74 31) 7 44 85 E-Mail: w.rominger@t-online.de

Gabriele Reimer Beurhausstraße 31 44137 Dortmund Telefon (02 31) 5 84 46 96 Fax (02 31) 5 89 36 37 E-Mail: Gabriele.Reimer@gmx.de

Kassenwart Hans Lauffer Osterstraße 25 70794 Filderstadt Telefon (0 71 58) 48 31 Fax (0 71 58) 94 78 73 E-Mail: hans.lauffer@t-online.de

Martin Schunn Hölderlinstraße 9 75334 Straubenhardt Telefon (0 70 82) 2 02 75 E-Mail: m.schunn@kvst-nb.de

Bekenntnisbewegung »Kein anderes Evangelium« e. V. Geschäftsstelle: Walter Rominger Mehlbaumstraße 148 72458 Albstadt Telefon und Fax (07431) 74485 E-Mail: w.rominger@t-online.de www.keinanderesevangelium.de

Mit Fragen bezüglich der Spendenbescheinigungen wenden Sie sich bitte an unseren ­Kassenwart Hans Lauffer. Sie erreichen ihn telefonisch unter (0 71 58) 48 31, per Fax 94 78 73 oder per E-Mail an hans.lauffer@t-online.de. Bankkonten Volksbank Filder e. G., (BLZ 611 616 96) Konto-Nr. 65 500 016 IBAN DE34 6116 1696 0065 5000 16 BIC (SWIFT)-Code: GENO DE S1 NHB Postgirokonto Schweiz: Postgiroamt Bern Nr. 30-195 56-2 IBAN CH21 0900 0000 3001 9556 2 BIC POFICHBEXXX

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Wenn ich am Morgen versäume, Zeit mit Gott zu verbringen, trägt der Teufel unter Tag viele Siege davon. Martin Luther


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