Informationsbrief Oktober 2014

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Aus dem Inhalt

Neues aus Kirche und Welt Aus Lehre und Verkündigung Das Vermächtnis Jesu an seine Jünger – die Sendung des Heiligen Geistes Glaubensgehorsam Antwort auf den Grundlagentext der EKD zu »500 Jahre Reformation 2017« Christentum und Islam Zum Gedenken an Propst Heinrich Grüber Den Verirrten zur Weisung – den Angefochtenen zum Trost »Johannes der Täufer« nach Reimen von Adolf Schlatter Buchempfehlung Georg Steinberger: In den Spuren Jesu

ISSN 1618-8306

Oktober 2014 Nr.  288

Bekenntnisbewegung »Kein anderes Evangelium«


kurz+bündig Personen

Inhalt kurz+bündig Neues aus Kirche und Welt

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Aus Lehre und Verkündigung 5 Das Vermächtnis Jesu an seine Jünger –– die Sendung des Heiligen Geistes Johannes 16,5–15 6 Glaubensgehorsam?! 11 Ist das noch die genuine lutherische Rechtfertigungslehre? Antwort auf »Rechtfertigung und Freiheit –– 500 Jahre Reformation 2017. Ein Grundlagentext der EKD«. Kritische Stellungnahme und ­Auseinandersetzung 13 Christentum und Islam Gegenüberstellung der theologischen Grundaussagen von Christentum und Islam in einzelnen Abschnitten Teil 2 von 9 22 Erinnerungen aus sieben Jahrzehnten Zum Gedenken an Propst Heinrich Grüber (1891––1975) 24 Den Verirrten zur Weisung –– den Angefochtenen zum Trost 26 »Johannes der Täufer« nach Reimen von Adolf Schlatter »Stimmen der Väter« 27 Buchrezension Georg Steinberger: In den Spuren Jesu Gesammelte Schriften, heraus­ gegeben und überarbeitet von Rudolf Kretzek

Im Alter von 73 Jahren verstarb der in Kirche und Wirtschaft gleichermaßen engagierte Finanzwissenschaftler Dietrich Bauer. Von 1993 bis 2000 war er Vorstandsmitglied der Evangelischen Kreditgenossenschaft in Kassel. Zuvor wirkte er 21 Jahre lang in der württembergischen Landeskirche, zunächst als Baureferent und ab 1979 als Oberkirchenrat für den Finanzbereich. Neben seinen kirchlichen Ämtern – als Bankdirektor betreute er schwerpunktmäßig kirchliche und diakonische Einrichtungen in den neuen Bundesländern – war er auch in zahlreichen evangelikalen Werken vertreten und behielt nach seinem Eintritt in den Ruhestand viele Ehrenämter bei. Er war Vizepräsident der Internationalen Studentenmission und Verwaltungsratsmitglied der Deutschen Bibelgesellschaft. Für sein vielseitiges Engagement erhielt er 1994 das Bundesverdienstkreuz. Er hat mehrere Bücher verfasst. Horst Marquardt wurde 85

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Aus der Bekenntnisbewegung 30

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Kirchlicher Finanzexperte Dietrich Bauer †

Ein Urgestein evangelischer Rundfunkarbeit und Publizistik konnte am 14. Juli seinen 85. Geburtstag begehen: Horst Marquardt. Der in Berlin geborene Methodistenpastor, der seit langem in Wetzlar lebt, erfreut sich stabiler Gesundheit und geis-

tiger Frische. Der langjährige Direktor des EvangeliumsRundfunks ist noch immer aktiv im Einsatz für Jesus, etwa als Radio-Moderator. Er ist weiterhin Vorsitzender der von ihm gegründeten idea-Nachrichtenagentur. Vor einigen Jahren erhielt Horst Marquardt von der Staats­ unabhängigen Theologischen Akademie Basel den theologischen Ehrendoktor, den vor ihm nur der vormalige Bischof der österreichischen Kirche Augsburgischen Bekenntnisses, Oskar Sakrausky (†), erhalten hatte.

Kirche in Deutschland CVJM-Jubiläen in Baden

In diesem Jahr konnte der CVJM Karlsruhe sein 175-jähriges Bestehen feiern. Er ist damit sogar einige Jahre älter als der erste CVJM, der von George Williams 1844 in London gegründet wurde. Möglich wurde dies, weil es in Karlsruhe seit 1839 einen so genannten »Jünglingsverein« gab, der später zum CVJM Karlsruhe wurde. Im eher katholisch geprägten Bruchsal gibt es seit 100 Jahren ebenfalls einen CVJM, der sich engagiert um junge Leute müht. Im Verbund des Jubiläums feierte der Bruchsaler CVJM-Posaunenchor sein 50-jähriges Bestehen.

Baden: Verkauf von Pfarrhäusern

Nach Aussage des für Gemeindefinanzen, Liegen-

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schaften und Bau zuständigen badischen Oberkirchenrats Stefan Werner werden sich Kirchengemeinden künftig von zahlreichen ihrer Immobilien verabschieden müssen. Aufgrund der sinkenden Mitgliederzahlen stünden vor allem Gemeinde- und Pfarrhäuser zur Disposition. Bis 2020 sollen in den kommenden Jahren 30 Prozent der Kosten eingespart werden. Grund für die drastischen Einsparmaßnahmen sei der demografische Faktor. Bis 2030/2040 rechnet man mit einer sinkenden Mitgliederzahl von derzeit rund 1,25 Millionen auf eine Million.

Kirche weltweit

150-jährige Bestehen seiner Mitgliederzeitschrift »Der Siegerländer«, der jeden Monat in einer Auflage von noch 1500 Exemplaren erscheint. Das Blatt, bei dem 1999 kurzzeitig überlegt wurde, es einzustellen, habe sich äußerlich in den vergangenen 150 Jahren sehr verändert, jedoch nicht in dem, was seinen Inhalt betreffe.

Ökumene Badischer Bischof für mehr Zusammenarbeit mit ­römisch-katholischer Kirche

Der badische Landesbischof Jochen Cornelius-Bundschuh will mit der römisch-katholischen Kirche stärker zusammenarbeiten. »Wenn wir öfter

Anglikanische Kirche: ja zu Bischöfinnen

In der anglikanischen Kirche von England können künftig Frauen zu Bischöfen ernannt werden. Das beschloss die Generalsynode mehrheitlich am 14. Juli in New York. Dem war ein jahrelanger Konflikt mit theologisch konservativen Anglikanern vorausgegangen. Ende 2012 hatten diese noch einen ähnlichen Gesetzentwurf verhindert.

Evangelische Pulizistik »Der Siegerländer« ist 150

Der Evangelische Gemeinschaftsverband Siegerland-Wittgenstein (75 Gemeinschaften mit etwa 3500 Mitgliedern) feiert das

Theologische Ausbildung Neuer Seminarleiter in Adelshofen

Neuer Seminarleiter des Theologischen Seminars Adelshofen (bei Heilbronn) ist Manfred Baumert. Baumert, der auf Oskar Föller folgt, welcher die Bibelschule von 1994 bis 2013 geleitet hat, unterrichtet Neues Testament und Praktische Theologie. Er wurde 2009 an der Universität von Südafrika mit einer Arbeit über die charismatische Bewegung in der badischen Landeskirche promoviert.

kurz+bündig

Personen +++ Kirchen +++ Glauben +++ »Modernes Leben«


kurz+bündig gemeinsam in der Öffentlichkeit auftreten, können wir mehr erreichen.« Von der katholischen Kirche wünsche er sich, dass konfessionsverschiedene Ehepaare auch dort gemeinsam am Abendmahl teilnehmen können. Das beschäftige viele Menschen.

Ökumene der Religionen Interreligiöses Gebets- und Begegnungshaus in Berlin

In Berlin wirbt der Verein »Bet- und Lehrhaus Petriplatz« für ein interreligiöses G ­ ebetsund Begegnungshaus für Christen, Juden und Muslime zur gemeinsamen Nutzung. Die Idee dazu kommt von der evangelischen Kirchengemeinde St. Petri/St. Marien. Deren Pfarrer, Gregor Hohberg, ist zugleich Vorsitzender des neuen Vereins. Auch wenn das Konzept mit drei Gebetsräumen schwammig ist, so wagt dennoch kaum jemand Kritik. Neben der örtlichen protestantischen und der jüdischen Gemeinde Berlins unterstützen Anhänger der umstrittenen islamischen Gülen-Bewegung »The House of One«.

auf Hans-Georg Filker, der die Berliner Stadtmission seit 1989 leitet und Ende März 2015 aus Altersgründen in den Ruhestand tritt. Lenz ist verheiratet und Vater von vier Kindern. Zur Berliner Stadtmission, die vom Hofprediger Adolf Stöcker gegründet wurde und zum Gnadauer Gemeinschaftsverband gehört, zählen 18 Gemeinden. Sie hat etwa 650 hauptamtliche Mitarbeiter.

Verfolgte Christen

Lutherbibel von 1984 wird überarbeitet

Zum 500-jährigen Reformationsjubiläum 2017 wird die Deutsche Bibelgesellschaft (Stuttgart) eine überarbeitete Fassung der Lutherbibel von 1984 auf den Markt bringen. Diese Ausgabe wird näher am ursprünglichen Luthertext sein als die vor 30 Jahren erschienene Version.

Gesellschaft

Noch nie so viele verfolgte Christen

Nach Angaben des Hilfsbundes »Open Doors« gab es noch nie so viele verfolgte Christen: 100 Millionen werden wegen ihres Glaubens verfolgt. Im letzten Jahr sei die Lage deutlich schlimmer geworden.

Islamischer Terror zerstört viele Kirchen

Im Irak sind Christen nicht erst seit dem Vormarsch der Terrorgruppe »Islamischer Staat« (IS) Anschlägen islamischer Extremisten ausgesetzt. In den vergangenen zehn Jahren wurden insgesamt 118 Kirchen angegriffen, zerstört Innere Mission oder beschädigt. Die Welle der Gewalt hat sich seit Anfang Neuer Vorstand der Juni erheblich verschärft, als die Islamisten mit ihrer Eroberung Berliner Stadtmission Pfarrer Joachim Lenz (54, von Teilen des Nordiraks beFulda), der neue »Theologische gannen. Bis zum 29. Juli wurVorstand« der Berliner Stadtden 45 Kirchen und christliche mission, den das Kuratorium Einrichtungen in Mossul (im einstimmig berief, kommt vom AT Ninive) zerstört, besetzt Kirchentag. Er ist einer von vier oder in Moscheen sowie ISKirchentagspfarrern und folgt Stützpunkte umfunktioniert. 4

Reformationsjubiläum

Bildungsplangegner ­benötigten Polizeischutz

Rund 700 Bürger, die Ende Juni in Stuttgart friedlich gegen den künftigen grün-roten Bildungsplan demonstrierten, mussten von mehr als 800 Polizisten geschützt werden. Etwa 100 schwarz gekleidete und teilweise vermummte Gegendemonstranten – laut Polizei »mutmaßliche Angehörige des linken Spektrums« – versuchten die Veranstaltung zu stören. Bei drei früheren Demonstrationen war es ebenfalls zu massiven Angriffen von Befürwortern des Bildungsplanes gekommen. Die katholische Publizistin Birgit Kelle sagte, nicht nur Homosexuelle erwarteten Akzeptanz, sondern etwa auch Menschen, die an Gott glauben. Professor Hubert Gindert sieht in den Protesten gegen den Bildungsplan einen »Kulturkampf«, der weit über die Grenzen BadenWürttembergs hinausreiche (vgl. auch Informationsbriefe Nr. 284 und 285).

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Aus Lehre und Verkündigung mm Gott Vater ist eine tiefe Wurzel. Der Sohn ist der Schössling, der in die Welt hereinbricht, und der Geist ist das, was Schönheit und Duft verbreitet. Tertullian (150–220), Schriftsteller und Kirchenvater m

mm Christus ist der, den wir in der Heiligen Schrift suchen sollen, um ihn wahrhaftig zu erkennen und mit ihm die unendlichen Reichtümer, die uns durch den Glauben zuteil werden. Wer sorgfältig die Schriften studiert, angefangen von dem Gesetz des Mose bis zu den Propheten, wird kein einziges Wort finden, das nicht auf ihn hinweist. Daher war es dem Apostel Paulus wichtig, nichts anderes zu wissen als nur Jesus Christus und zwar als Gekreuzigten. Johannes Calvin m

mm Nachfolge ist eines der Urworte des Evangeliums. Leuchtend wie der Stern, der die Weisen zum Stall in Bethlehem führte. Wer dem Ruf nachkommt, der weiß um ein festes Ziel: das Dasein dem Leben Christi gleichförmig zu machen.

mm Die größte Kraft des Lebens ist der Dank! Hermann Bezzel

mm Wir sollten uns auch von dem Irrtum befreien, als sei der notwendige Kampf um Menschenrechte schon Mission für den Glauben an Gott. Bischof Hans-Otto Wölber, m Hamburg, 1977

Walter Nigg

mm Wir müssen aufhören, uns des Reichtums zu schämen, der uns in Gestalt des [ganz normalen] Gottesdienstes anvertraut ist. Der Gottesdienstbesuch mag noch so gering sein. Wir sollten davon ausgehen, dass schon das Angebot eines Gottesdienstes ein in unserer Welt sich ganz und gar nicht von selbst verstehender Reichtum ist. Von diesem Reichtum und nicht von unserem selbst verschuldeten Defizit her sollten und dürfen wir uns verstehen. Und wenn wir es tun, wird dies unbestreitbar: Entscheidendes Ereignis kirchlicher Praxis ist und bleibt der christliche Gottesdienst. Von ihm her gewinnen alle anderen Aktionen und Passionen des christlichen Lebens ihre Funktion und Bedeutung, in denen dann wir Gott und Menschen zu dienen haben. Und das, so gut es nur geht.

Eberhard Jüngel, in: Anfechtung und Gewissheit des Glaubens oder wie die Kirche wieder zu ihrer Sache kommt, München 1976, S. 30f. Informationsbrief 288

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mm Immer wieder erschüttert es mich in Ostergottesdiensten, mit welcher Selbstverständlichkeit diese Nachricht aufgenommen wird, dass Christus auferstanden sei. Wer wirklich begriffen hätte, was das heißt, den würde es von den Sitzen lupfen. Und ich habe wenigstens gelegentlich auch die große Erschütterung bemerkt, die sich einstellte, wenn eine vollmächtige Predigt die Osterbotschaft wirklich begreifen ließ. Wenn sie uns aufgeht, dann sind wir plötzlich vom Leben umzingelt. Dann sieht das Leben plötzlich anders aus und man wird dann auch anders leben.

Helmut Thielicke, in: Leiden an der Kirche, Hamburg 1965, S. 59

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Johannes 16,5–-15 Friedemann sCHWarz

5 Jetzt aber gehe ich hin zu dem, der mich gesandt hat; und niemand von euch fragt mich: Wo gehst du hin? 6 Doch weil ich das zu euch geredet habe, ist euer Herz voll Trauer. 7 Aber ich sage euch die Wahrheit: Es ist gut für euch, dass ich weggehe. Denn wenn ich nicht weggehe, kommt der Tröster nicht zu euch. Wenn ich aber gehe, will ich ihn zu euch senden. 8 Und wenn er kommt, wird er der Welt die Augen auftun über die Sünde und über die Gerechtigkeit und über das Gericht;

9 über die Sünde: dass sie nicht an mich glauben; 10 über die Gerechtigkeit: dass ich zum Vater gehe und ihr mich hinfort nicht seht; 11 über das Gericht: dass der Fürst dieser Welt gerichtet ist. 12 Ich habe euch noch viel zu sagen; aber ihr könnt es jetzt nicht ertragen. 13 Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit, kommen wird, wird er euch in alle Wahrheit leiten. Denn er wird nicht aus sich selber reden; sondern was er hören wird, das wird er reden, und was zukünftig ist, wird er euch verkündigen. 14 Er wird mich verherrlichen; denn von dem Meinen wird er’s nehmen und euch verkündigen. 15 Alles, was der Vater hat, das ist mein. Darum habe ich gesagt: Er wird’s von dem Meinen nehmen und euch verkündigen.

Euer Herz ist voll Trauer Friedemann Schwarz Die anschrift des autors finden sie auf seite 30

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Jesus muss abschied nehmen von seinen Jüngern. nach ihrem gemeinsamen Weg wird er jetzt allein weitergehen. es ist ein Weg, den die OktOber 2014

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foto: Dnalor 01 / Wikimedia Commons / CC-bY-sa 3.0

Das Vermächtnis Jesu an seine Jünger –– die Sendung des Heiligen Geistes


Jünger nicht mitgehen können. ein Weg, den niemand mitgehen kann, und den keiner vor ihm ging. »Der menschensohn muss viel leiden und verworfen werden … und getötet werden und nach drei tagen auferstehen« (markus 8,31). all seinen Dienst an den menschen, seine Wundertaten, sein befreiendes und erlösendes Werk, das den menschen zuteil wurde, will Jesus jetzt in einem einzigartigen, letzten Dienst vollenden, die erlösung der ganzen Welt bewerkstelligen. »Dazu ist der menschensohn gekommen …, dass er diene und gebe sein Leben als Lösegeld für viele« (matthäus 20,28). Dieser Vollendung ging Jesus entschlossen entgegen. Die Jünger werden damals kaum begriffen haben, was jetzt geschehen wird. Jesus kündigte eine neue Welt Gottes an, die in ihm und mit ihm schon begonnen hatte, nun aber die ganze, in sünde und tod liegende Welt umfassen und »aus den angeln« heben sollte. In wenigen stunden wird es sich ereignen, in einem Winkel des römischen Weltreichs, vor den toren Jerusalems, im Leiden und sterben Jesu und in seiner auferstehung. Das Herz der Jünger war voll trauer. Jesus wird ihnen ja genommen. er war Inhalt ihres Lebens geworden. In seiner nähe spürten sie den Heiligen und Lebendigen, den »Gott der Väter«, der ihnen in Jesus begegnete. Und nun sagt Jesus: »Ich gehe hin zu dem, der mich gesandt hat.« er wird sie zurücklassen. Die Jünger waren so erstarrt, dass sie nicht einmal eine frage stellen konnten.

Der Tröster kommt In diesen schrecken und diese trauer der Jünger hinein sagte Jesus das Wort vom kommen des Heiligen Geistes, vom tröster. »Wenn ich aber gehe, will ich ihn zu euch senden« (Vers 7). Jesus sagte ihnen also: Ich bleibe bei euch. Ich bin da und bleibe da in der Gegenwart des Heiligen Geistes, den ich euch sende. es ist ein abschied in eine neue Zukunft mit Jesus. Diese Zukunft wird genau so real sein, wie ihre Gemeinschaft mit ihm zuvor war. sie werden die Zuverlässigkeit seines Wortes, seiner Leidensankündigung, erleben. sie werden in wenigen stunden sein leeres Grab sehen, ja, sie werden ihm selbst, dem auferstandenen, begegnen. Und sie werden schließlich die kraft des »trösters« erfahren, den Jesus ihnen versprochen hat. In einer ersten begegnung, als der auferstandene Herr sie »anhauchte« (Johannes 20,22), sollte es sich erfüllen und wenig später an Pfingsten, als der Heilige Geist »ausgegossen« wurde (apostelgeschichte 2). InfOrmatIOnsbrIef 288

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Leben und Sterben in der Kraft des Heiligen Geistes Das ist die Wirklichkeit der Gemeinde Jesu, in der sie nun seit Ostern lebt. Der Herr ist gegenwärtig, in einer unbeschreiblichen, anders gearteten Wirklichkeit. aber er ist doch da, ganz real, mitten im Leben. er schenkt seinen Jüngern kraft und frieden. kraft, auch den schwersten Weg mitzugehen, auch wenn ihr Zeugnis ein gewaltsames sterben zur folge hat. »Das blut der märtyrer ist der same der kirche« (tertullian), das galt nicht nur in der frühen kirchengeschichte. auch in unseren tagen leiden und sterben unsere brüder und schwestern in der kraft des Heiligen Geistes und vermögen in dieser kraft die feinde zu lieben und für sie zu bitten. Der Leidensweg der Gemeinde Jesu ist das Wunder des Heiligen Geistes. Die Jünger Jesu werden geplagt wie einst Hiob. aber mitten im Leiden sprechen sie: »Dennoch bleibe ich stets an dir …« (Psalm 73,23). Das böse erschöpft sich an den märtyrern. sie werden getröstet durch die Gegenwart des Heiligen Geistes. aus der frühen Zeit der Verfolgung ist der nachwelt überliefert, wie die Gegner über die todgeweihten Christen staunten und sagten: »seht, wie sie sich lieben!« nicht nur einander, wenn einer für den anderen eintrat. sie liebten auch die feinde. sie selbst wurden getragen von der macht der Liebe Gottes. Das ist das Wunder der Gegenwart Jesu im Heiligen Geist. es ist der Weg des knechtes, der seinem meister folgt. »Der Jünger steht nicht über dem meister und der knecht nicht über seinem Herrn« (matthäus 10,24). »Haben sie mich verfolgt, so werden sie euch auch verfolgen« (Johannes 15,20).

Warum können die Jünger Jesu diesen Weg gehen? Antwort: Weil Jesus sie in seine Nachfolge und seinen Dienst ruft und sie in der Kraft des Heiligen Geistes ihm nachfolgen können, auch auf den schwersten Wegen. Der Meister ging voran er ging voran, er ging zuerst einen viel schwereren und einzigartigen Weg. erfüllt vom Heiligen Geist wählte der »Gottesknecht« Jesus den Weg des Gehorsams seinem himmlischen Vater gegenüber. er führte ihn ins Leiden und in ein sterben, das keinen Vergleich kennt in der Geschichte der menschheit. Die Last der sünde der ganzen menschheit lag auf ihm. aber er endete am kreuz mit dem siegesschrei: »es ist 7


vollbracht.« Es war wohl ein kraftloser Schrei, storben, als wir noch Sünder waren« (Römer verröchelnd ausgestoßen, und doch hat man ihn 5,8). Der Apostel Paulus sagt: Nun sind wir gehört. Er verklang in der Nacht des Karfreitags »Botschafter an Christi statt, lasst euch versöhund wohl auch im Herzen der Jünger. Aber am nen mit Gott!« (2.Korinther 5,20) Als Bittende Ostermorgen verkündete der Engel den Frauen treten die Jünger vor die Menschen, ja, in ihrem am leeren Grab: »Er ist nicht hier, er ist aufer- Namen bittet Gott selbst: »Willst du dich verstanden!« (Matthäus 28,6) Da zerriss die läh- söhnen lassen? Willst du Anteil an der ›neuen‹ mende Stille und die Trauer begann der Freude Welt erhalten? Willst du selbst ›neu‹ werden und zu weichen. Nun ist alles vollbracht, das Heil wiedergeboren zu einem neuen Leben?« der ganzen Welt. Als Sieger ist er auferstanden. Zaghaft wurde die erlösende BotAlles kommt nun auf unser »Ja« schaft im Kreis der Jünger aufge- mm Vom Heiligen an, in der Stunde, in der Gott als nommen und begann dann ihren Geist reden heißt Bittender vor uns steht. Siegeszug durch alle Länder und Und deshalb klingt die BotVölker. Die neue Welt war gebo- von Jesus reden und schaft der Bibel in ihrem letzren, in einem keimhaften Anfang. von Jesus reden ten Buch mit der Einladung aus: Jetzt konnten Gottes Reich und »Komm! Und wer es hört, der heißt vom Heiligen Herrschaft errichtet werden, denn spreche: Komm!« (Offenbarung die Sünde, der Tod und der Satan Geist reden, weil in 22,17) Komm heim, in diese waren besiegt. In einer einzigen der Wirkmächtigkeit neue, herrliche Welt, die Gottes Stunde war alles vollbracht, »ein Gnade dir schenkt! »Sieh, darum für alle Mal«. Das Heilsgeschehen des Heiligen Geistes musste Christus leiden, damit du war nun nicht mehr rückgängig Jesus gegenwärtig könntest selig sein« (Christian zu machen. Es ist ewig gültig, ein ist. Fürchtegott Gellert, Evangeliunauslöschliches Datum in Zeit sches Gesangbuch 607,3, Regiound Ewigkeit. nalteil Württemberg). Wer immer dieser Einladung folgt, findet den Trost, den Jesus verheißt. Leben unter der Gnade Gottes Ein Trost, der wahr ist im Leben und im SterUnd dann erfuhren auch die geflohenen Jün- ben. Ein Trost, der uns nicht genommen werger das Wunder der Vergebung. Sie hatten ihren den kann, wohin unser Weg in der Nachfolge Herrn ja allesamt verleugnet und preisgegeben. auch führt. So verstehen wir, dass Paulus sagen Aber der Auferstandene suchte sie in ihrem Ver- konnte: »Wehe mir, wenn ich das Evangelium steck auf: »Friede sei mit euch!« (Lukas 24,36) nicht verkündigte« (1.Korinther 9,16). sagte er. Das war heilsam für ihre verletzten Gewissen. Sie fanden Frieden in seiner Vergebung. Wer ist der Heilige Geist? Und dann weihten sie erneut ihr Leben dem gekreuzigten und auferstandenen Herrn. Selbst Es besteht vielerorts Verwirrung über den begnadigt und getröstet nach der schwersten Heiligen Geist in unseren Tagen. In unserem Depression ihres Lebens, eilten sie nun, die Text beschreibt Jesus den Heiligen Geist in eiBotschaft von der Erlösung durch Jesus in al- ner untrennbaren Beziehung zu ihm selbst. Wir ler Welt zu verkündigen und seinen Auftrag zu dürfen sagen: Vom Heiligen Geist reden heißt erfüllen. Aber nun nicht mehr in eigener Kraft, von Jesus reden und von Jesus reden heißt vom sondern in der Kraft des Heiligen Geistes. Heiligen Geist reden, weil in der Wirkmächtigkeit des Heiligen Geistes Jesus gegenwärtig ist. Eine einzigartige Botschaft Jesus selbst stellt uns die Persönlichkeit des HeiEine ungeheuerliche Einladung musste hi- ligen Geistes vor in Johannes 16,13f. nausgetragen werden: Gott lädt seine Feinde ein, seine Gegner, die ihn geschmäht haben, Er ist der »Geist der Wahrheit«, der »in alle die mit schuldig waren am Tode Jesu. Bei der Wahrheit leitet«. Kreuzigung wurde ja offenbar: Die ganze Welt »Ich bin der Weg und die Wahrheit und das stand gegen Jesus, die ganze Welt wurde mit Leben« (Johannes 14,6). Erfüllt vom Heiligen schuldig am Sterben des Sohnes Gottes. Und Geist hat Jesus so geredet, und der Geist benun sind alle, alle ohne Ausnahme, eingeladen. zeugt und bestätigt den, der die Wahrheit ist. Gott will alle trösten, wie groß ihre Schuld auch Gleichzeitig ist er ein himmlischer Pädagoge, sei. »Nicht darin besteht die Liebe, dass wir ihn der »in alle Wahrheit leitet« und die Gemeinde geliebt haben, sondern dass er uns geliebt hat« Jesu durch alle Stürme der Zeit hindurch zum (1.Johannes 4,10). Ja, »Christus ist für uns ge- sicheren Hafen bringt. 8

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»Er wird nicht aus sich selber reden«, »was er hören wird, wird er reden«. Sein Wesen gleicht dem Wesen Jesu. »Ich bin sanftmütig und von Herzen demütig« (Matthäus 11,29), sagte Jesus. Zugleich ist er der große himmlische »Diener am Wort«: »Was er hören wird, wird er reden.« »Was zukünftig ist, wird er euch verkündigen.« Zum Trost, nicht zur Spekulation, zeigt der Heilige Geist der Gemeinde in ihrer Drangsal, die herrliche, bald gegenwärtige Zukunft der neuen Welt Gottes. Er legt der leidenden Gemeinde das Wort in den Mund, das auch den Grabstein Kierkegaards in Kopenhagen ziert: »Bald ist’s gewonnen, dann ist der ganze Streit in Nichts zerronnen, dann werd’ ich mich laben an Lebensbächen und ewig, ewig mit Jesus sprechen.« Der Tröster pflanzt in unsere Herzen das Wort von der Hoffnung, das prophetische Wort. »Er wird mich verherrlichen.« Das ist das Werk des Heiligen Geistes. Daran erkennen wir zuletzt seine göttliche Majestät. Er verherrlicht den gekreuzigten und auferstandenen Herrn. Er bringt ihn zum Vorschein und Aufschein. Er ist die Macht, die den Jüngern auf dem Berg der Verklärung schenkte, dass sie zuletzt niemand sahen, als »Jesus allein« (Matthäus 17,8). Er ist der Geist, der Paulus half, seinen Zuhörern »Jesus Christus vor Augen zu malen als den Gekreuzigten« (Galater 3,1). Er ist die himmlische Macht, die das Wunder schenken kann, dass unser armes Wort in der Verkündigung zu Gottes Wort werden kann. Wo der »Name über alle Namen« (Philipper 2,9) groß gemacht wird, da ist der Heilige Geist am Werk.

Was ist das Werk des Heiligen Geistes? Er »wird der Welt die Augen auftun über die Sünde und über die Gerechtigkeit und über das Gericht« (Vers 8), sagte Jesus: »Er wird der Welt die Augen auftun über die Sünde: dass sie nicht an mich glauben.« Wie beschreibt Jesus hier die Sünde? So fragen wir. Er nennt keinen »Lasterkatalog«, keine Aufzählung moralisch verwerflicher Taten. Nicht einmal die Zehn Gebote nennt er als den Maßstab für rechtes Handeln vor Gott und den Menschen. Jesus nennt nur dieses eine, »dass sie nicht an mich glauben«. Aber fragen wir: Wie war es im Anfang, als im Paradies die Sünde Raum bekam? War da nicht das Misstrauen der ersten Menschen gegenüber Informationsbrief 288

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Der Heilige Geist legt der leidenden Gemeinde das Wort in den Mund, das auch den Grabstein Kierkegaards in Kopenhagen ziert: »Bald ist’s gewonnen, dann ist der ganze Streit in Nichts zerronnen, dann werd ich mich laben an Lebensbächen und ewig, ewig mit Jesus sprechen.« Gott, als der Verführer den bösen Verdacht in ihre Herzen säte? Gott gab seine Ordnung und sein Gebot zum Wohl und Glück der Menschen. Aber sie hegten mit einem Mal den Verdacht, er könnte es vielleicht doch nicht so gut mit ihnen meinen. Das Misstrauen gegenüber Gott, die Ur-Sünde, war geboren. In zarter Fürsorge hatte Gott dem Menschen ins Herz gelegt: »Ich bin der Herr, dein Gott. Du sollst keine anderen Götter neben mir haben.« Aber der Mensch gab der diabolischen Verführung nach, er glaubte und vertraute Gott nicht mehr. So vollendete sich die Sünde, indem er das Gebot seines Schöpfers und Erhalters verwarf. Nun war aber der Schutzdeich um den Menschen geborsten, und eine Kaskade des Bösen in der Übertretung aller Gebote sollte folgen. In Jesus erging die ureigene, unverwechselbare Stimme Gottes, die Stimme des guten Hirten, wie einst in der Urzeit, im lichten Garten Eden. Aber sein Volk hatte sein Herz der anderen Stimme gegeben, verborgen in religiöser Fassade. In der Gegenwart Jesu wiederholte sich der Anfang. Das Wesen der Sünde zeigt sich in seiner Abgründigkeit: In der Person Jesu wurde die Treue und Liebe Gottes weggestoßen, und das Verwerflichste tat man ihm an. Er, der 9


einzige Sündlose, der Sohn Gottes, wurde ge- der »Fürst dieser Welt« (Johannes 16,11), der tötet. Jesus selbst erfuhr das Misstrauen gegen- Herr über die Heerschar derer, die Gottes Herrüber Gott auf Schritt und Tritt. Und er nennt schaft nicht wollen. Aber er strebte nach »Hödiese Sünde beim Namen. Das ist die Sünde, herem« und glaubte in der Begegnung mit Jesus »dass sie nicht an mich glauben«, dass sie mir in einem »Staatsstreich« sein ehrgeiziges Ziel zu nicht vertrauen, so wenig sie Gott vertrauen. erreichen: »Sein wie Gott!« Gott selbst hat sein Volk in Jesus heimgesucht. Aber dann geschah die alles entscheidende In ihm kam der himmlische Vater selbst zu den Krise in der Begegnung mit dem Sohne GotMenschen (»Ich und der Vater sind eins«, Jo- tes. In der Versuchungsgeschichte Jesu wagte hannes 10,30), um ihr Vertrauen wieder zu Satan das Äußerste. In einer dritten und letzten gewinnen. Aber er wird verkannt, beiseite ge- Stufe der Versuchung zeigte der Versucher Jestoßen, abgelehnt. Zuletzt weint Jesus über die sus »alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit« harten Herzens. »Wie oft habe (Matthäus 4,8). »Das alles will ich deine Kinder versammeln mm Der Heilige Geist wird ich dir geben, wenn du niewollen, wie eine Henne ihre der Welt zeigen, dass Jesus derfällst und mich anbetest« Küken versammelt unter ihre (Matthäus 4,9). So tritt der Flügel; und ihr habt nicht ge- der einzige Gerechte ist. Er Versucher ihm entgegen. Jewollt!« (Matthäus 23,37) Aber allein kann in die Gegensus aber antwortete: »Weg mit nun kündigt Jesus die Fortsetdir, Satan! Denn es steht gewart Gottes treten und zung seines Werkes an: »Wenn schrieben: ›Du sollst anbeten der Heilige Geist kommt, wird muss nicht rufen: »Wehe den Herrn, deinen Gott, und der der Welt die Augen auftun mir, ich vergehe!« (Jesaja ihm allein dienen‹« (Matthäus über die Sünde: dass sie nicht 4,10). Nach diesem Gesche6,5) Er ist der Einzige, an an mich glauben.« hen verfolgte Satan verborgen dem Satan seine Macht im Hintergrund das weitere »Er wird der Welt die Augen verloren hat. Leben Jesu. Immer wieder trat auftun über die Gerechtigkeit: er aus dem Hintergrund in den dass ich zum Vater gehe und ihr mich hinfort Vordergrund. Zu einem letzten Generalangriff nicht seht.« holte er am Karfreitag aus. Er hoffte auf einen Der Heilige Geist wird der Welt zeigen, dass einzigartigen Triumph: Wenn der »Erbe« tot Jesus der einzige Gerechte ist. Er allein kann in sein wird, wäre er bald am Ziel seiner Pläne. die Gegenwart Gottes treten und muss nicht Aber er machte »die Rechnung ohne den Wirt«. rufen: »Wehe mir, ich vergehe!« (Jesaja 6,5) Er Sein scheinbarer Triumph war sein Ende und ist der Einzige, an dem Satan seine Macht verlo- das Ende Jesu war ein herrlicher Triumph und ren hat. Hiob war es nicht. Jener musste zuletzt Anfang. Er glaubte nicht dem Worte Gottes: bekennen: »Ich weiß, dass mein Erlöser lebt, »Der Nachkomme [von Eva] soll dir den Kopf und als der letzte wird er über dem Staub sich zertreten, und du wirst ihn in die Ferse stechen« erheben« (Hiob 19,25). Jesus musste nicht um (1.Mose 3,15). seine eigene Erlösung ringen. Er rang um die Erlösung der ganzen Welt und hat dieses Werk Das Werk des H ­ eiligen Geistes ist vollbracht. Über ihm stiegen die Engel vom die ­Verherrlichung Jesu Himmel herab und hinauf, und er ist der einzige, der zum Himmel »hinaufsteigen« konnte. Er zeigt uns unseren Unglauben als unsere Er ist und bleibt die einzige Hoffnung der Welt. Sünde, dass wir den einzigen Retter, die einzige Hoffnung, den einzigen Ausweg, nicht anneh»Er wird der Welt die Augen auftun über das men. Gericht: dass der Fürst dieser Welt gerichtet ist.« Er zeigt uns den einzigen Gerechten, an den Der Urgrund des Bösen ist der Böse, der sich wir uns halten müssen im Leben und im Stermit tausend Namen verbirgt. Er ist darin ein ben, der uns heim zu Gott bringen kann. »Tausendkünstler«, die Menschen zu verführen. Er schenkt uns Hoffnung inmitten der AbEr ist »ein Mörder von Anfang an und steht nicht gründigkeit des Bösen, weil der Böse selbst bein der Wahrheit; denn die Wahrheit ist nicht in siegt ist. Noch wirkt der Böse in einer letzten ihm« (Johannes 8,44), so sprach Jesus von ihm. Agonie. Aber die Zukunft gehört Jesus ChrisLuther kennzeichnete ihn so: »Groß Macht und tus, dem Sieger, dem Todesüberwinder, dem viel List, sein grausam Rüstung ist, auf Erd’ ist Herrn aller Herren, erhöht zur Rechten des nicht seinsgleichen« (Ein feste Burg ist unser himmlischen Vaters, der wiederkommen wird Gott, Evangelisches Gesangbuch 362,1). Er ist nach seiner Zusage. W 10

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Glaubensgehorsam?! Karl-Hermann Kandler

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n der Satzung der Bekenntnisbewegung »Kein anderes Evangelium« heißt es: Die Mitglieder »wissen sich von Jesus Christus gerufen, als Einzelne und miteinander in ihren Kirchen um die schrift- und bekenntnisgebundene Verkündigung des Evangeliums zu beten und zu ringen, sich mit dem Evangelium zu ihrem Heiland und Herrn zu bekennen und nach ihren Möglichkeiten der Entstellung der Botschaft zu widerstehen. Die Wege zur Verwirklichung dieses Bemühens können nur unter der Leitung des Heiligen Geistes im Hören auf das Wort der Schrift gefunden werden.« Damit werden wir zum Glaubensgehorsam aufgerufen. Doch klingt das nicht nach Zwang oder Nötigung? Das Wort »Gehorsam« ist heute verpönt – und nicht nur das Wort, sondern auch das, was damit gemeint ist. Selbst in unseren Kirchen ist heute vieles beliebig geworden. Das betrifft vor allem die Sexualethik. Die so genannte Orientierungshilfe der EKD zu den Problemen von Ehe und Familie ist dafür ein Zeugnis. Was noch in den 1990er Jahren galt, wird heute beiseite geschoben, als ob sich Gottes Wort nach dem Zeitgeist richten und nach seinen Normen und Erwartungen auslegen ließe. Deshalb ist es geboten, wieder das Thema »Glaubensgehorsam« aufzugreifen. Schon 1983 sah sich die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche in der DDR genötigt, sich mit dem Thema zu befassen. Landesbischof Werner Leich (Thüringen) sprach davon, dass »uns als Aufgaben in Lehre und Leben unserer Kirche […] eine neue Besinnung auf den Zusammenhang von Hören auf das Wort Gottes und Gehorsam gegenüber dem Wort Gottes« aufgegeben ist. »[…] Die Unterscheidung von

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Gesetz und Evangelium, das Hauptstück der Theologie Luthers, ist hier besonders zu bedenken.« Er verwies dann auf den engen Zusammenhang von Hören – Horchen – Gehorchen: »Gehorsam bedeutet soviel wie unter dem Gehörten handeln.« Dabei erwartet unser Herr von uns keinen Gehorsam, der nicht durch seinen Gehorsam abgedeckt ist. Sein Gehorsam besteht darin, dass er nichts von sich tut, sondern das, was er den Vater tun sieht (Johannes 5,19). Auch Paulus spricht vom Gehorsam des Glaubens (Römer 1,5; 16,26). Hören auf das Wort Gottes und Gehorsam gegenüber dem Wort Gottes sind unauflöslich miteinander verbunden; denn das Hören auf Gottes Wort weckt den Glauben (Römer 10,17). Der Gehorsam des Christen ist Christusnachfolge. Gottes Wort ergeht an uns als Gottes Gesetz: »Du sollst«, »du sollst nicht«. Das ist seine unbedingt geltende Forderung. Sie geht alle Menschen an. Und Gottes Wort ergeht an uns als Evangelium. Auch dieses geht alle an. Es besagt, dass Christus das Gesetz erfüllt hat. Er schenkt diese Erfüllung allen, die an ihn glauben. Das Gesetz war zum Leben gegeben (5.Mose 5,33; Römer 7,10). Wir Menschen, Gottes Geschöpfe und Partner, haben das Gesetz übertreten und sind damit schuldig geworden. Das Gesetz, das zum Leben gegeben war, wurde uns Anlass zum Tod, zum ewigen Tod, fern von Gott. Doch in Christus hat sich Gott für den Menschen entschieden, der sich Gottes Liebe gefallen lässt, der den Kreuzestod Christi als Urteilsspruch Gottes über den Menschen erkennt. Das ist das Evangelium: Christus trug meine Schuld und bezahlte sie. Der Grund unseres Glaubens und seine Quelle ist also allein die väterliche Zuwendung Gottes. Dieser Glaube wird vermittelt durch Wort und Sakrament. Und er antwortet im Gebet und Lobgesang. Weil durch den Glauben der Heilige Geist gegeben wird, darum wird auch das Herz befähigt, gute Werke zu tun. Das Handeln des Glaubenden, der dem Willen Gottes zustimmt, unterscheidet sich vom Handeln des Ungläubigen dadurch, dass es direkt dem Liebeswillen Gottes entspricht. Nur der Glaubende handelt wirklich gehorsam, nur der gehorsam Handelnde glaubt wirklich. Hier sind 11


die ordinierten Amtsträger besonders gefordert. Sie dürfen nicht schweigen, wenn sie erkannt haben, dass bestimmte Maßnahmen und Zustände dem uns in der Heiligen Schrift aufgezeigten Willen Gottes widersprechen. Gleichzeitig ist aber darauf hinzuweisen, dass der Gehorsam Gottes Wort gegenüber auch in das Leiden führen kann. Kein Christ – und das unterscheidet uns fundamental von der römisch-katholischen Kirche – kann sich hinter Verlautbarungen der Kirche verstecken, sondern jeder ist auf seine eigene Verantwortung hin angesprochen. Wie nun? Spricht nicht Paulus von der »herrlichen Freiheit der Kinder Gottes« und davon, dass wir zur Freiheit durch Christus befreit sind (Römer 8,21; Galater 5,1)? Kommt nicht durch die Forderung nach dem Gehorsam des Glaubens durch die Hintertür wieder ein Zwang auf, die Knechtschaft des Gesetzes? Da kann man nur mit dem Apostel sagen: »Das sei ferne!« (Römer 6,2) Wohl gibt es unter Christen immer auch wieder einen Rückfall in eine Gesetzlichkeit. Paulus sagt uns zwar, dass uns alles erlaubt ist. Doch zugleich: »Aber es dient nicht alles zum Guten« (1.Korinther 6,12). Hier ist an das vierte Gnadenmittel zu erinnern, das Jesus Christus seiner Kirche eingestiftet hat, an Beichte und Absolution. Nur als entlasteter, als freigesprochener Christ bin ich in der Lage, im Glaubensgehorsam zu leben, bin ich frei zum Dienst für andere. Es gilt eben beides, wie es Luther in seiner herrlichen Schrift »Von der Freiheit eines Christenmenschen« schreibt: »Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemandem untertan. Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan.« Beides gehört zusammen. Weil ich durch das gehörte Wort Gottes zum Glauben gekommen bin, bin ich frei vom Gesetz, aber zugleich frei zum Dienst an anderen, frei zum Glaubensgehorsam. Der Getaufte ist ein neuer Mensch, »der in Gerechtigkeit und Reinheit vor Gott ewiglich lebe«, so sagt es Luthers Kleiner Katechismus. Jeder Christ ist dazu berufen, aus seiner Taufe heraus zu leben, d. h. an seinem Ort, in seinem Beruf, in seinem Stand sein Christsein täglich neu zu erweisen. Der Glaube macht nicht faul und bequem, sondern fleißig, er ist, wie Luther sagt, »ein mächtig, tätig Ding«. Dabei bin nicht mehr ich der Maßstab meines Handelns, sondern Christus. Er tritt mir oft in Mitmenschen in den Weg. Wie verhalte ich mich ihnen gegenüber? Gottes Wort wird uns da zum Kompass im Alltag. In den Briefen des Neuen Testaments stehen die so genannten Haustafeln. Sie sind keine Gebote, kein Gesetz 12

Die Bergpredigt weist uns Christen zum ­Handeln an, sie hat eminent e­ thische Bedeutung. Gemälde von Carl Heinrich Bloch (1834–1890) aus dem dänischen Nationalhistorischen ­Museum Schloss Frederiksborg. wie die Zehn Gebote, aber sie sind Leitlinien für ein Leben in der herrlichen Freiheit der Kinder Gottes. Sie führen dazu, dass unser Glaube Früchte trägt als Konsequenz des Evangeliums. So wenig Jesu Bergpredigt ein politisches Programm darstellt und so richtig es ist, dass man mit ihr nicht die Welt regieren kann, so weist sie uns Christen zum Handeln an; sie hat eminent ethische Bedeutung. Sie ist kein unerfüllbares Programm, doch nimmt mit ihr »Christus das Gesetz in seine Hände und legt es geistlich aus«, wie es die Konkordienformel, die letzte lutherische Bekenntnisschrift, sagt. Christus ist also kein neuer Gesetzgeber, wie das die mittelalterliche Theologie weithin behauptete. Wir dürfen das Evangelium nicht zum Gesetz machen. Das Evangelium befiehlt nicht, droht keine Strafen an, sondern befreit zum Dienst am Mitmenschen, zum Gehorsam des Glaubens. So können wir auch Botschafter der Versöhnung sein, wie wir es 1989/90 in der DDR waren. Ein älterer Kirchenvorsteher meiner früheren Freiberger Gemeinde sagte 1982 auf dem Gemeindeabend während der Tagung der Generalsynode – ausgehend vom Doppelgebot der Liebe: »Wenn ich […] nun an Stelle des ›du sollst‹ setze ›ich will‹ Gott über alle Dinge lieben von ganzem Herzen, von ganzem Herzen und ganzem Gemüt, dann ist das nichts anderes als die Antwort auf das erste Gebot, das ›Ich bin der Herr, dein Gott‹, mich beten lehrte: ›Dein Wille geschehe‹. Gott will, dass sein Wille durch mich geschieht, durch unser Christsein in dieser Welt – in Glaubensfreiheit und Glaubensgehorsam.« W Oktober 2014

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Reformationsjubiläum 2017

Ist das noch die genuine lutherische Rechtfertigungslehre? Antwort auf »Rechtfertigung und Freiheit –– 500 Jahre Reformation 2017. Ein Grundlagentext der EKD«. Kritische Stellungnahme und Auseinandersetzung Hanns leiner

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as bevorstehende Jubiläum 2017 zwingt uns zur besinnung darauf, was damals geschah und was das für uns heute bedeutet. Das geschieht schon laufend in der so genannten Lutherdekade, in der in den letzten zehn Jahren vor dem ereignis einige wichtige Gesichtspunkte und Grundzüge der reformation entfaltet werden. In diesem rahmen soll auch der vorliegende Grundlagentext der ekD gelesen und gesehen werden. er wurde von einer kommission unter der Leitung von Professor Dr. Christoph markschies (berlin) erarbeitet und will bewusst die theologischen Grundlagen der reformation in den mittelpunkt stellen. Das ist zu begrüßen und heute keineswegs selbstverständlich. Die rechtfertigung des sünders vor Gott gehört zweifellos zur mitte des reformatorischen aufbruchs. man muss allerdings beklagen, dass die rechtfertigung dem heutigen menschen nicht mehr so viel bedeutet wie zur Zeit Luthers und es also notwendig geworden ist, ihren sinn dem modernen menschen neu zu vermitteln. Das will dieser Grundlagentext der ekD ausdrücklich tun: »Der text erläutert wesentliche theologische einsichten der reformationszeit im aktuellen kontext« (s. 8).

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Zutreffend und erfreulich finde ich die feststellung: »Die reformation war wesentlich ein religiöses ereignis« (s. 11). es ist auch sehr zu begrüßen, dass sie gegen alle einwände als ein grundsätzlich positives ereignis angesehen wird, das wir nicht nur zu bedenken haben, sondern dankbar feiern dür fen: »500 Jahre reformation – es gibt viele gute Gründe, dies Datum zu feiern« (s. 11). Die reformation wird richtig als die entscheidende antwort auf das Problem dargestellt, wie der mensch wieder ins rechte Verhältnis zu Gott kommt, ob und wie der mensch dem entspricht, was Gott von ihm fordert (s. 12). Hier hätte deutlicher darauf hingewiesen werden müssen, dass es sich bei der reformation im Grunde um die situation des menschen als angeklagten vor dem forum (Gericht) Gottes handelt. richtig wird davon gesprochen, dass in der reformatorischen antwort das evangelium (als freudenbotschaft) von Jesus Christus neu zur sprache kam (s. 13) und dass in ihr das Zentrum evangelischer frömmigkeit liegt, die die menschen damals in ihrer Höllen- und fegefeuerangst zu trösten vermochte: »Die rechtfertigungslehre soll in diesem text als Herzstück evangelischer theologie und frömmigkeit entfaltet werden« (s. 14). allerdings wird das schon in der Einleitung eingeschränkt, indem man darauf hinweist, dass die damalige formulierung der rechtfertigungslehre unter ganz anderen gesellschaftlichen, kirchlichen und politischen Verhältnissen geschah als heute, deswegen eben der Übersetzung bedürfe. Die studie setzt ein mit einer ausführlichen Darstellung der historischen lutherischen Lehre, die allerdings von der heutigen theologischen Position her problematisiert wird. 13


Eine Kommission unter der Leitung von Professor Dr. Christoph ­Markschies erarbeitete den Grundlagentext.

Zunächst wird zutreffend »Gott als Gerichtsherr über das Leben von Menschen« beschrie­ ben, der »über das Leben von Menschen urteilt, Sünde und Schuld straft« (S. 24). Von da­her wird auch Luthers Fragestellung verständlich: »Wie kriege ich einen gnädigen Gott?« Das Bemühen darum habe die ganze religiöse Leistungsgesellschaft der damaligen Kirche in Gang gebracht und auch Luther im Kloster zutiefst bewegt. Diese Fragestellung wird aber kritisiert, weil sie von einem frag­würdigen Gottesbild ausgehe. Es heißt hier: »Das auch in der reformatorischen Bewe­gung meistens beibehaltene Bild von Gott als einem Gerichtsherrn, der wie ein absolutisti­ scher Monarch unum­schränkt herrscht, [sei] tief problematisch geworden« (S. 26). Man fragt sich: Kann man das so pauschal sagen? Trifft das zu? War das schon damals falsch oder wurde es das erst für uns heute? Und warum? Es heißt dann weiter: »Es [das Gottesbild] entspricht in seiner Einseitigkeit weder dem, was Jesus über seinen Vater lehrt, noch dem, was viele Passagen des Alten Testaments über den Gott Israels verkünden« (S. 26). Mir scheint das EKD-Papier von einer Einseitigkeit in eine andere zu stürzen: An die Stelle Gottes des Richters (von dessen Gerechtigkeit überhaupt nichts gesagt wird) tritt nun ein­fach der Gott der Liebe. Das ist ebenso wenig von der ganzen Bibel gedeckt wie das frü­here Gottesbild. Im Alten Testament gibt es in der prophetischen Predigt zentral den »Tag des Herrn« als Gerichtstag über die Sünde der Menschen; und 14

auch Jesus hat durchaus ernst vom Gericht Gottes gesprochen (etwa in seinen Gleichnissen). Will man das einfach leugnen? Es sieht so aus und wäre verständlich, weil die Rede vom Gericht Gottes dem heutigen Bewusstsein gar nicht mehr entspricht. Man meint in der EKD an­scheinend, die Rechtferti­ gungslehre heute leichter vermitteln zu können, wenn man nur von der Gnade Gottes und von seiner Liebe spricht. Dabei bedenkt man offenbar nicht, dass man auf diese Weise die Rechtfertigung um ihre Notwendigkeit und ihren eigentli­chen Sinn bringt. Denn so wird aus dem wunderbaren und unverdienten Freispruch der Schuldigen im Gericht eine Selbstverständlichkeit, das was Albert Camus spöttisch die »große Weißwäscherei« der Kirche genannt hat. Es fehlt dann nämlich die Predigt des Gesetzes, und zwar in seinem »geistlichen Gebrauch«, der den Menschen von seiner Sünde überführt; es fehlen dadurch das Sündenbewusstsein und das Wissen um den Ernst der Situation des Menschen vor Gott, von seiner Verlorenheit und drohenden Verurteilung, es fehlt das Erschrecken vor sich selbst und die Angst vor dem heiligen Gott (der hier im Text der EKD mit dem Aus­druck »absolutisti­scher Monarch« nur karikiert wird). Damit verschwindet der dunkle Hintergrund der Sündhaftigkeit des Menschen, die eine Rechtfertigung erst notwendig macht. Luther hat darum gewusst und es in schonungsloser, erschüttern­der Selbstkri­tik in seinem persönlich­sten Lied bekannt: »Dem Teufel ich gefangen lag, im Tod war ich verloOktober 2014

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ren, mein Sünd mich quälte Nacht und Tag, vor dem Forum Gottes. Das scheint der EKDdarin ich war geboren. Ich fiel auch immer tie- Studie sehr fern zu liegen. Aber es gibt vor allem fer drein, es war kein Gut’s am Leben mein, die in der großen Dich­tung prophetische Künder, Sünd hat mich be­sessen. Mein gu­ten Werk, die die uns daran erinnern. Sie wissen etwas davon, galten nicht, es war mit ihn’n verdorben; der frei was es für den Menschen bedeutet, unter dem Will hasste Gott’s Gericht, er war zum Gut’n Gesetz leben zu müssen, ohne es doch erfüllen er­storben, die Angst mich zu verzweifeln trieb, zu können: Ich denke besonders an die Werke dass nichts denn Sterben bei mir blieb, zur Höl- Fjodor Dostojewskis, wie »Schuld und Sühne«, len musst ich sinken« (Evangelisches Gesang- »Die Brüder Karamasow« oder »Die Dämobuch 341,2f.). Hier benennt Luther die drei nen«; die Erzählung Albert Camus’ »Der Fall«, Verderbensmächte Teufel, Sünde und Tod, mit in der einem selbstge­wissen Richter nach einem denen er vergeblich rang. Die Macht des Bö- schweren Versagen seine Selbstgerechtigkeit sen, die Gottes Gebot in Zweifel zieht: »Sollte zusammenbricht und er zum Bußrichter wird; Gott gesagt haben …?« (1.Mose oder Franz Kafkas Roman »Der 3,1) und die den Men­schen zum mm Weder wird die Prozess« oder seine KurzgeschichHochmut und zur Selbstvergot- Gnade Gottes in ihrer te »Vor dem Gesetz«. tung auffordert: »Ihr werdet sein Wir sind Angeklagte, wir werwie Gott« (1. Mose 3,5), die Sün- Unverdientheit theden von dem Gericht verfolgt, es de als Abfall von Gott und Selbst- matisiert, noch wird lässt uns nicht los, es bestimmt liebe und Ichbezo­ genheit und ganzes Leben, es müsste deutlich, dass es sich unser schließlich der Tod als Gericht so enden, wie es bei Kafka endet: und Strafe für den Sünder: »Der nicht um ein immer Mit der Hinrich­ tung des AngeTod ist der Sünde Sold« (Römer und überall von Gott klagten. Und darin eben besteht 6,23). Um deren Überwindung das Wunder, dass dies nicht am geht es in der Rechtfertigung in zu erwartendes Tun Ende unseres Prozesses vor Gott handelt […], noch wird steht. Doch daran, dass »Gnade erster Linie. Gilt das heute nicht mehr? deutlich, dass die vor Recht« ergehen kann, erinnert Kann man das den Menschen die Studie der EKD nur an einer heute nicht mehr zumuten? Darf Gnade Gottes an das Stelle, seltsamerweise nur bei dem man das jedoch bei einer ernst- Eintreten Jesu Christi politischen Vergleich, wo vom haften Behandlung der Rechtfer- für uns ge­bunden ist Begnadigungsrecht des Bundes­ tigungslehre einfach weglassen präsidenten die Rede ist (S. 27). und streichen? Dieser so genann- und Gott uns dessen Der dunkle, ernste, bedrohliche te Grundlagentext der EKD tut Gerechtigkeit schenkt, Hintergrund des Rechtfertigungsdas auf weite Strecken, üb­rigens vorgangs fällt so leider konsequent um unsere Unge­ schon beim historischen Zitat der unter den Tisch. Damit wird jeLehre und dann natürlich erst rechtigkeit zu be­ doch alles falsch: Weder wird die recht bei der Über­ tragung auf decken. Gnade Gottes in ihrer Unverdientuns heute. Damit gerät er leider heit thematisiert, noch wird deutsehr nahe an die Rechtfertigung der Sünde, lich, dass es sich nicht um ein immer und überohne Reue und Buße, ohne Beichtspiegel und all von Gott zu erwartendes Tun handelt (man Beichte, ohne Schärfung des Gewissens und das also nicht so davon reden darf wie der Spötter Selbstgericht des Menschen in seinem (schlech- Voltaire: »Dieu pardonnera, c’est son metier« – ten) Gewissen. Die ersten Thesen ge­gen den Gott wird schon verzeihen, das ist ja sein Beruf), Ablass: »Tut Buße … !« fallen heute leider unter noch wird deutlich, dass die Gnade Gottes an den Tisch und sind theologisch und religiös sehr das Eintreten Jesu Christi für uns gebunden ist fern. Deshalb spricht man heute auch nur noch und Gott uns dessen Gerechtigkeit schenkt, um selten von der Rechtfertigung des Sünders, son- unsere Unge­rechtigkeit zu bedecken. dern verallgemeinert es zur Rechtfertigung des Es ist auch nicht die Rede davon, wie und Menschen. warum das für uns zum Tragen kommt und wir Recht verstanden bedeutet jedoch Rechtfer- dessen teilhaftig werden: Nämlich nur dann, tigung die Aufhebung des Todesurteils in un- wenn wir es im Glauben uns aneignen und es serem Gerichtsverfahren vor Gott. Es ist der als unsere einzige Rettung erkennen und uns Erlass der an sich verdienten Strafe, die Begna­ glaubend daran klammern und darauf verlassen. digung von Schuldigen. Aber davon kann man Nochmals sei an Luther erinnert, der das so benur sprechen, wenn man sich klar macht, was singt: »Darum auf Gott will hoffen ich, auf mein dem vorausging: Unsere Anklage im Prozess Verdienst nicht bauen, auf ihn mein Herz soll Informationsbrief 288

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lassen sich und seiner Güte trauen …« (evangelisches Gesangbuch 299,3). Das nämlich bedeutet »glauben«. Das wird zwar für Luther selbst kurz und richtig beschrieben (s. 28), scheint aber für die menschen des 21. Jahrhunderts nicht mehr der fall zu sein. man will es deshalb übersetzen. Deswegen versucht die studie der ekD dafür vier Begriffe zu finden, die das Geschehen der rechtfertigung für unsere Gegenwart erläutern sollen. mit ihnen sucht man sich dem sinn der rechtfertigung anzunähern: Liebe, anerkennung und Würdigung, Vergebung und freiheit.

Liebe Gemeint ist hier die Liebe Gottes. Das wird jedoch nicht deutlich gesagt. Das wäre aber notwendig, denn die deutsche sprache ist bei der Liebe leider arm und kennt nur dies eine Wort »Liebe« für alle möglichen arten von Zuneigung oder Zuwendung, während etwa das Griechische zwischen »eros« und »agape«, ebenso wie das Lateinische (Caritas und amor) differenzieren kann. Vom neuen testament her ist hier natürlich agape gemeint, wenn von der Liebe Gottes die rede ist. bedauerlicherweise macht die studie auf diesen Unterschied nicht aufmerksam und spricht undifferenziert einfach von Liebe. Dabei kommen das besondere und das einmalige der Liebe Gottes nicht zum tragen. Im Übrigen ist nach dem Zeugnis des neuen testaments diese Liebe Gottes für uns nicht immer und überall zugänglich, sondern an Jesus Christus gebunden, für uns durch ihn vermittelt und erst so glaubhaft gemacht. es ist nämlich nichts anderes als »die Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn« (römer 8,39). Das trifft genauso auf die art und Weise zu, in der im 1. Johannesbrief die Liebe Gottes beschrieben wird. Im Zusammenhang mit der berühmten stelle »Gott ist die Liebe« heißt es dort: »Darin ist erschienen die Liebe Gottes unter uns, dass Gott seinen eingeborenen sohn gesandt hat in die Welt …« (1.Johannes 4,9f.). Das wird in der studie leider in gar keiner Weise thematisiert und darum bleibt »Liebe« hier ein allerweltswort. Was eigentlich mit der in Christus erschienenen Liebe Gottes gemeint ist, preist der apostel Paulus in seinem Hohen Lied der Liebe (1.korinther 13), das bezeichnenderweise hier auch nicht erwähnt wird. Das geschieht auch dort nicht, wo man in der entfaltung des sola gratia das tiefsinnige Lutherwort zitiert: »Die Liebe Gottes findet das für sie Liebenswerte nicht vor, sondern erschafft es« (s. 60). auch hier fehlt der bezug auf Chris16

Die Annahme des Sünders durch Gott ist eine durchaus widersprüchliche Aussage, wahrhaftig keine Selbstverständlichkeit. Dies brachte Paul Tillich in folgendem englischen Wortspiel zur Sprache: »To accept one’s being accepted in spite of one’s inacceptability« (annehmen, dass man angenommen ist, trotz seiner Unannehmbarkeit). tus. Die Liebe Gottes scheint für die ekD eine immer währende, geschichtslose und gleichbleibende Gegebenheit zu sein: »es bleibt die Liebe Gottes zu uns […] bestehen« (s. 29).

Anerkennung und Würdigung nämlich die anerkennung und Würdigung des menschen durch Gott. Hier wird es noch problematischer, denn die studie schreibt einfach sehr pauschal: »erfährt der mensch anerkennung durch Gott« (s. 30) und »Wenn Gott aber den menschen würdigt, ohne Vorbedingungen und unverdient, dann zeigt das Gottes Haltung zu seinem Geschöpf« (s. 31). Das kann von der schöpfung her als »schöpfungsgnade« für den menschen durchaus gesagt werden, doch keineswegs einfach über den sünder mensch. Denn den sünder kann Gott nicht so, wie er ist, anerkennen und würdigen, den muss er vielmehr verurteilen und verwerfen. Doch das wird hier konsequent übersprungen. mindestens müsste jedoch gesagt werden: auch da, wo Gott den sünder barmherzig annimmt und insofern anerkennt, ver wirft er doch dessen sünde. Die annahme des sünders durch Gott ist also eine durchaus widersprüchliche aussage, OktOber 2014

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wahrhaftig keine Selbstverständlichkeit. Diese tologisch. Dabei wird nicht entfaltet, was theolospannungsvolle Dialektik hat z. B. Paul Tillich in gisch »Freiheit« bedeutet, der Text kommt sofort klassischer Kürze zur Sprache gebracht in dem auf politische, gesellschaftliche und ökonomienglischen Wortspiel mit dem Wort »to accept«: sche Probleme und Befreiungen zu sprechen. Doch was hieß »christliche Freiheit« reforRechtfertigungsglaube bedeutet nach ihm: »To accept one’s being accep­ted in spite of one’s in- matorisch ursprünglich? Für Luther bedeutete acceptability« (annehmen, dass man angenom- es (siehe oben!) zunächst die Befreiung von men ist, trotz seiner Unannehmbarkeit). Ohne Sünde, Tod und Teufel durch den Glauben. diesen entscheidenden Zusatz »trotz meiner Dadurch wird der Mensch befreit und es kann Unannehmbarkeit« wird Rechtfertigungsglaube von dem Christen heißen: »Ein Christenmensch eine völlig verharmloste Geschichte nach dem ist ein freier Herr aller Dinge und niemandem untertan« – außer Gott, da­durch Motto von Voltaire. Dieser gefolgt dann auch die Be­freiung von fährlichen Verkürzung macht sich mm Darum darf die kirchlicher Bevormundung, der die EKD-Studie hier schuldig. christliche Freiheit Zugang für je­ den Christen nicht nur verstanden freie zu Gott durch den Glauben. Es Vergebung werden als »Freiheit stellte deshalb ein GrundmissverEs ist richtig und notwendig, von«, sondern muss ständnis der Bau­ern dar, dies didass wenigstens davon hier die rekt ins Politische zu ziehen und Rede ist: »Er [Gott] vergibt, in- immer zugleich ihre gesellschaftliche Befreiung zu dem er die, die ein Gefühl ihrer gesehen werden als for­dern. Zudem verstand Luther Schuld zur Sprache bringen, als »Freiheit zu«, nämlich Freiheit auch nicht im individuellgefallene Menschen doch liebt liberalen Sinn (das wird wenigsund in seiner Nähe haben will« zum Dienst, wie es tens S. 33 oben gesagt). (S. 32). So richtig und wichtig die zweite einleitende Freiheit ist theologisch dialekes ist, dass das hier vorkommt, so These der Freiheitstisch zu verstehen als die Freiheit klingt es doch immer noch recht der an Christus Gebunde­nen. Es konventionell und allgemein, schrift Luthers forhandelt sich also um die Freiheit, zeugt von wenig Betroffenheit muliert: »Ein Chrisdie dem Christen durch die Verund wird damit dem Ernst und bindung mit Christus geschenkt tenmensch ist ein der Schwere der Schuld nicht gewird. Deshalb gilt hier beides: recht. Außerdem geschieht diese dienstbarer Knecht »Unser keiner lebt sich selber, Vergebung anscheinend ohne und jedermann unter- unser keiner stirbt sich selber, ledie Vermittlung Jesu Christi, jeben wir, so leben wir dem Herrn, denfalls kommt er hier nicht vor, tan« – durch die Liebe. sterben wir, so sterben wir dem wird mit keiner Silbe erwähnt bei Herrn, darum wir leben oder sterder modernen »Umsetzung« der Vergebung ben, so sind wir des Herrn« (Römer 14,7–9); und Rechtfertigung. wir sind also Christi Eigentum, Diener oder In der späteren Durchführung wird diese Sklaven (Römer 1,1). Und zugleich und eben Kritik insofern bestätigt, als sogar ausdrücklich dadurch gilt: »Zur Freiheit hat uns Christus bebestritten wird, Christus habe durch sein Opfer freit …« (Galater 5,1). am Kreuz und seinen Kreuzestod Gott »umDarum darf die christliche Freiheit nicht nur gestimmt«. Es heißt dazu: »Gott selbst hat in verstanden werden als »Freiheit von«, sondern Christus am Kreuz gehandelt. […] Er hat die muss immer zugleich gesehen werden als »FreiMenschen vom Tod und von ihrer Schuld be- heit zu«, nämlich zum Dienst, wie es die zweite freit« (S. 62). Welche Rolle Christus dabei ge- einleitende These der Freiheitsschrift Luthers spielt haben könnte, bleibt offen und ungesagt. formuliert: »Ein Christenmensch ist ein dienstDie zugegeben schwierige Frage, wie der Tod barer Knecht und jedermann untertan« – durch Jesu Christi zu verstehen sei und was hier Opfer die Liebe. Christliche Freiheit ver­wirklicht sich bedeuten könnte, wird leider überhaupt nicht in der Offenheit und Hinwendung zum Nächsaufgegriffen. ten. Sie ist identisch mit dem »Glauben, der in der Liebe tätig ist« (Galater 5,6). Sie besteht in einer doppelten Bewegung: der Hinwendung Freiheit zu Gott, der befreit, und der Zuwendung zum »Weil Rechtfertigung Menschen befreit, kann Nächsten, der mich bindet durch die Liebe: Wie die Rechtfertigung mit dem Stichwort Freiheit es Luther am Schluss seiner Schrift großartig erläutert werden« (S. 32), heißt es seltsam tau- zusammenfasst: »Ein Christenmensch lebt nicht Informationsbrief 288

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Der Grundlagentext der EKD benützt den römisch-katholisch besetzten Kampfbegriff von der Kirchenspaltung unbefangen und unkommentiert und sogar unkorrigiert, so als ob die organisatorische Einheit der Kirche das Wichtigste wäre und nicht vielmehr die Einheit in der Wahrheit.

in sich selbst, sondern in Christus und seinem nächsten, in Christus durch den Glauben, im nächsten durch die Liebe. Durch den Glauben fähret er über sich in Gott, aus Gott fähret er wieder unter sich durch die Liebe, und bleibet doch immer in Gott und göttlicher Liebe, gleich wie Christus« (Von der freiheit eines Christenmenschen, Wa 7,38; vgl. dazu auch meine meditation über die freiheit). Von dieser Lebendigkeit und spannungsvollen bewegung der christlichen freiheit weiß der text der ekD offenkundig nichts. Verdient so etwas, ein »Grundlagentext« unserer kirche genannt zu werden? Die dann später als neben- und folgewirkungen der reformation sich ergebende Geschichte der bürgerlichen und politischen freiheit und freiheitsbewegungen sind dagegen als durchaus ambivalent zu betrachten: einerseits sind sie sicher entstanden als folgen des befreiungsimpulses der reformation und wären ohne diese undenkbar gewesen, andererseits verallgemeinert und verwässert die politische befreiungsgeschichte die »freiheit eines Christenmenschen« zur freiheit des menschen überhaupt. Was dabei herauskommt, ist nicht mehr die durch die rechtfertigung dem Christen vermittelte freiheit. es ist darum sehr die frage, ob dem menschen der sinn der christlichen freiheit auch »ohne christlichen Hintergrund verständlich gemacht werden« (s. 33) kann und ob sie so wie hier angenommen »unmittelbare gesellschaftliche, kulturelle und politische konsequenzen hat« (s. 33). 18

Die Reformation als »offene Lerngeschichte« Die reformation wird schließlich in der einleitung als »offene Lerngeschichte« (s. 34ff.) verstanden und beschrieben. man sieht sie also nicht als abgeschlossenes, gewissermaßen einmaliges geschichtliches ereignis, sondern als einen »Prozess der erneuerung, der sich fortsetzt« (s. 34). Dabei stellt sich mir die frage, ob das so stimmt: es ging ja der reformation nicht allgemein um »erneuerung«, sondern um Verbesserung, korrektur, buße und Umkehr und reinigung der kirche und zwar als rückbesinnung und rückkehr zu ihrem Ursprung und damit zu ihrem wahren Wesen. Der ausdruck »Prozess« für diesen Vorgang ist nicht zutreffend. Weil dieser zu pauschal und in keiner Weise inhaltlich gefüllt ist, drückt er nicht den geistigen und geistlichen kampf aus, der mit ihr verbunden war. er klingt auch so, als sei die reformation das Werk von menschen gewesen, die es in der Hand hatten, dieses Werk der erneuerung jeweils zu schaffen und fortzusetzen. Dagegen gilt es zunächst zu erkennen, dass die reformation des 16. Jahrhunderts ein Werk und Geschenk Gottes an die kirche war, eine einmalige, besondere stunde der kirchengeschichte, die Luther nicht in der Hand hatte und deswegen auch nicht einfach »machen« konnte und wir deshalb auch nicht beliebig fortsetzen können. so richtig es ist, dass die kirche »semper reformanda« (übrigens kein Lutherwort!) OktOber 2014

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ist, also immer der Reform be­darf, so wenig ha- lich behan­delt und somit falsch. Was da 1999 ben wir es in der Hand, eine Reformation zu in Augsburg unter­zeichnet wurde, war eine in »machen« und die Kirche zu erneuern. Wer so Rich­tung der römi­schen Lehre von Trient aufdenkt und spricht, vergisst den Herrn der Kir- geweichte Inter­ pretation der Rechtfertigung, che, der allein »seine Ge­meinde baut« (Matthä- ein fauler Kom­promiss und kein wirklicher Konus 16,19) und mit seinem Geist begabt, wie es sens. Diesen Weg dürfen wir um der Wahrheit Luther im Kleinen Kate­chismus formuliert hat: willen kei­neswegs weitergehen. »[…] sondern der Heilige Geist hat mich durch 2. Umgang mir der »Herausforderung« durch das Evangelium be­rufen […] gleichwie er die die »Entchristlichung« und den »Atheismus«. ganze Christenheit auf Erden Die Situation der »Säkularisieberuft, sammelt, erleuchtet, mm Die Rede von »Konfesrung« wird richtig beschrieheiligt und bei Jesus Chris- sionellen Spal­tungen« in ben, man fragt sich allerdings, tus erhält im rechten, einiwie und wieso sich gerade dazu gen Glauben […]« Das gilt diesem Text befremdet von der Rechtfertigung her es hier zu bedenken und von sehr. Der Grundlagentext eine Aufforderung oder Hilfe daher die hier aufgeführten ergeben soll. Die Studie wird der EKD benützt den rövier Beispiele aus der so­gedenn auch verständlicherweise nannten kirchlichen »Lern­ misch-katholisch besetzten bei den dazu gegeben­en Antgeschichte« zu beurteilen. worten sehr allgemein und einKampfbegriff von der Kir1. »Reformatorische Kirsilbig: Bereitschaft zu Innovatiche und Theologie haben chenspaltung unbefangen on, andere Struk­turen, nämlich gelernt, die Herausforderun- und unkommentiert und Geh- und nicht Komm-Strukgen der Konfessionsspaltun- so­gar unkorrigiert, so als ob tur seien gefordert, der Weg gen zu überwinden […]« (S. über Kindertages­ stätten und 38ff.). Die Rede von »kon- die organisatorische Einheit Schulen soll genutzt, auch die fessionellen Spal­tungen« der Kirche das Wichtigste Medien dafür eingesetzt werin diesem Text befremdet wäre und nicht vielmehr den. Wäre hierzu nicht noch sehr. Der Grundlagentext mehr und anderes, vor allem der EKD benützt den rö- die Einheit in der Wahrheit Inhaltliches zu sagen gewesen? misch-katholisch besetzten (Johannes 17,17.21). Nämlich die Verkün­digung des Kampfbegriff von der KirEvangeliums und der Rechtchenspaltung unbefangen und unkommentiert fertigungsbotschaft! Die römisch-katholische und so­gar unkorrigiert, so als ob die organisa- Kirche hat hier immerhin den Mut, von einer torische Einheit der Kirche das Wichtigste wäre notwendigen Neu-Evangelisation Europas zu und nicht vielmehr die Einheit in der Wahrheit sprechen. Auch wenn das Wort von der Mission (Johannes 17,17.21). Damit macht man sich noch so belastet ist, geht es auch für uns genau wohl unbewusst die römisch-katholische Sicht- darum. Es brauchte so etwas wie eine christliche weise zu Eigen, dass jede Trennung in der Kir- Ausstrahlung der Gemeinde, ein Be­ wusstsein che vom Übel sei. In Wirklichkeit verhält es sich dafür und davon, dass alle Christen Boten jedoch anders: Es gibt nicht nur schuldhafte Christi sein sollen, dass das persönliche ZeugSpaltun­ gen, die natürlich zu vermeiden sind, nis heute besonders gefragt und gefordert ist. sondern unumgängliche, geradezu notwendi­ Dafür müssten die Gemeindeglieder vorbereitet ge Tren­ nungen, wo es um unüberbrückbare und befähigt werden, denn die Weitergabe und Gegensätze in der Wahrheitserkenntnis geht. Ausbreitung des Evangeliums von Jesus ChrisWahre Einheit kann es nämlich nur dort in der tus wird heute in vielen Fällen nur durch überKirche geben, wo man im Glauben und in der zeugende persönliche Kon­takte gehen können. Wahrheit übereinstimmt. Es kann und darf also Bei der Geh-Struktur der Kirche wäre es nahe nicht das oberste Gebot und Ziel sein, »konfes- gelegen, davon zu sprechen. sionelle Spaltungen zu überwinden«, sondern Schließlich noch eine kleine, aber doch invielmehr zur Übereinstimmung im Glauben zu haltlich wichtige, sachliche Korrektur: Luthers finden und dadurch einig zu werden. Vergleich mit dem »fahrenden Platzregen« beVon einer »Einigung« mit der römisch-ka- zog sich nicht auf »den Geist«, sondern auf das tholischen Kirche in der Rechtfertigungsfrage Evangelium! (S. 41) durch die Ge­meinsame Erklärung zur Rechtfer3. Geradezu rätselhaft und höchst übertigung 1999 (S. 39) kann allerdings überhaupt flüssig erscheint die dritte Aufforderung zur nicht die Rede sein. Mit dieser Behauptung »Geschlechtergerechtigkeit als genuin evangewird die ganze Angele­genheit hier oberfläch- liumsgemäßem Wert« (S. 41). Stellt das wirkInformationsbrief 288

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lich heute noch eine dringliche Aufgabe in der das Zeugnis des christlichen Glaubens schuldig. evangelischen Kirche dar? Das ist doch schon Sollte denn das Leitmotiv des Römerbriefs des völlig geschehen: Mehr als die Hälfte der Theo- Apostels Paulus für uns heute nicht mehr gelten: logiestudierenden sind weiblich, ein Drittel der »Ich schäme mich des Evangeliums nicht; denn Pfarrerschaft setzt sich aus Frauen zusammen, es es ist eine Kraft Gottes, die da rettet alle, die gibt eine bedeutende Anzahl von De­kaninnen, daran glauben, die Juden zuerst und auch die Oberkirchenrätinnen und auch Bischöfinnen. Heiden« (Römer 1,16)? Das geht so weit, dass teilweise schon eine zu Das wird zwar heute von einigen deutschen starke Verweiblichung (Feminisierung) der Kir- Kirchenleitungen bestritten oder verschwiegen; che befürchtet und beklagt wird. Dazu kommt, hier im Text wird das Problem immerhin als dass die Mehrzahl der Gottesdienstbesucher Frage durch die Erwähnung des »solus Chrisseit jeher weiblich war und auch tus« angedeutet, aber nicht klar heute ist. Ich finde, hier haben mm Die Achtung der beantwortet. Im Übrigen verwir unsere Hausaufgaben schon Religionsfreiheit legt auf harmlost und schönt man unlängst gemacht und mehr als sere wirkliche Lage gegenüber »gut« erledigt. Eines sollten wir jeden Fall eine offene, Judentum und Islam: Nicht das in diesem Zusammenhang auf friedliche und gewaltJudentum ist die Wur­ zel des keinen Fall mitma­ chen: Den christlichen Glaubens, sondern freie Begegnung nahe. der Jude Jesus Christus und seimodischen, modernen GenderMainstream-Unfug in der Kir- Die religiöse Toleranz ne prophetische Auslegung des che einzu­führen, der den offen- darf aber keinesfalls zu Judentums. Allenfalls könnte bar gottgewollten Unterschied man sagen: Das Alte Testament der beiden Geschlechter aufhe- einer – heute je­doch als Botschaft Gottes an Israel ist weit verbreiteten – ben und eineb­nen will. eine wesentliche Voraussetzung Es bleibt schließlich schlei- ­Relativierung der Über- für das Christentum und das erhaft, wie sich die Forderung Juden­tum. Wobei das Judentum nach einer Geschlechtergerech- zeugungen führen. Wir die Botschaft des Alten Testatigkeit aus der Rechtfertigung sind allen Angehöri­gen ments einengt auf die Thora, der Sünder ergeben soll. Lu- der anderen Religionen, wäh­rend wir es auf Jesus Christherisch verstanden ist sie das tus hin und von ihm her lesen große Geschenk Gottes an alle auch Juden und Musund verstehen. Menschen, natürlich auch an limen, das Zeugnis des Darf man beim Islam – gedie Frauen, die dessen ebenso rade angesichts der gegenwärchristlichen Glaubens bedürfen wie wir Männer, aber tigen weltweiten Konflikte und doch keine Forderung eines Ge- schuldig. Verfolgungen durch ihn – verschlechtes an das andere! schweigen, dass es sich bei ihm 4. Schließlich gelte es, »den Dialog der Re- um eine nachchristliche und im Ansatz und in ligionen als genuine Aufgabe reformatorischer der Praxis antichristliche Religion handelt? DesTheologie zu entdecken« (S. 42). Als Beispiele halb sehe ich es als höchst unange­messen an, werden hier – durchaus naheliegend – Juden- wenn evangelische Bischöfe den Muslimen zum tum und Islam genannt. Doch was soll hier Di- Ramadan mit freundlichen Grußbotschaften alog heißen? Wie und mit welchem Ziel soll er gratulieren, während weltweit Christen unter geführt werden? Ist es schon genug, dass man dieser Religion leiden und sterben müssen. sich gegenseitig kennen lernt und ver­sucht, den Schließlich müsste gerade im ZusammenGlauben der anderen zu verstehen? Muss man hang mit der Rechtfertigungslehre der Dialog ihn sogar wertschätzen und aner­kennen? Wie mit diesen zwei Gesetzesreligionen sich mit sollen wir richtig auf die für uns teilweise neue dem eigentlichen Thema befassen, wie denn Situation des Nebeneinander und der Konkur- der Mensch vor Gott gerechtfertigt wird: Durch renz mehrerer Religionen in unserem Lande re- Gesetzeserfüllung, wie sowohl Judentum als agieren? auch Islam behaupten, oder durch die RechtDie Achtung der Religionsfreiheit legt auf je- fertigung, den Freispruch Gottes und die geden Fall eine offene, friedliche und gewaltfreie schenkte Gerechtigkeit Christi, wie wir es glau­ Begegnung nahe. Die religiöse Toleranz darf ben. Dabei würde dann allerdings auch deutlich aber keinesfalls zu einer – heute je­ doch weit werden, dass es sich um nicht zu über­brückende verbreiteten – Relativierung der Überzeugun- religiöse Gegensätze handelt, die heute genaugen führen. Wir sind allen Angehöri­gen der an- so bestehen wie zur Zeit der Re­formation. Der deren Religionen, auch Juden und Muslimen, Unterschied besteht nur darin, dass Luther und 20

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seine Zeit diese Unterschie­de gesehen und aus- reus ac perditus et deus iustifi­cans vel salvator, gesprochen haben, während sie heute vertuscht WA 40, II, 327, 11ff.). und verschleiert werden. Es trifft dar­um auch Wenn man die Stu­die »Rechtfertigung und keineswegs zu, dass Luther den Islam der Tür- Frei­heit« daran misst, muss man leider feststelken »kaum präzise wahrgenommen« (S. 42) len, dass sie die erste Hälfte des Doppelsatzes habe. Er hat den Koran gelesen und hat in ihm Luthers, die von der Verlorenheit des Menvöllig zu Recht die allgemeine menschliche schen handelt, weitgehend übergangen oder Werkgerechtigkeit ge­funden, unter der er selbst unterschla­gen hat und dass von daher zwangsals Mönch gelitten hatte und mit der auch Pau- läufig die zweite Hälfte, die von Gottes rettenlus in der Ausein­andersetzung mit dem Juden- dem Ein­greifen spricht, ihre Notwendigkeit und tum rang, die aber durch Christus überwunden Dringlichkeit verliert. Wenn dem Menschen so­ wurde. wieso keine Verurteilung durch Warum wird das nicht mehr mm Insgesamt sehe ich ein göttliches Gericht drohte, thematisiert in diesem so ge- in den hier angeschnitdann wür­ de eine Rechtferti­ nannten »Grundlagentext«? So gung vor Gott überflüssig und tenen Fragen und ihrer gegenstandslos. Wie schon Jewird hier end­ gültig die lutherische Pointe der Rechtferti- Behandlung keine Fortsus gesagt hatte: »Die Star­ ken gungslehre verspielt. Insgesamt setzung des Grundanbedürfen keines Arztes, sondern sehe ich in den hier angeschnitdie Kranken« (Markus 2,17). tenen Fragen und ihrer Behand- liegens der Reformation, Wir könnten dann das gan­ ze lung keine Fortsetzung des sondern eine VerwiThema als ein für alle Mal erGrundanliegens der Reformati- schung und Verdunkeledigt abhaken. Es wäre dann on, sondern eine Verwischung ehrlicher, sich von der Recht­ und Verdunkelung ihrer aller- lung ihrer allerdings die fertigung zu verabschieden und dings die Geister scheidend­ en Geister scheidend­en anderen Fragen zuzu­wenden. und ihrer manchmal schneiden- und ihrer manchmal Doch so verhält es sich ja nun den Klarheit und Schärfe. Wir keineswegs: Wir Menschen sind haben es also in die­ ser Studie schneidenden Klarheit heute wie zu Luthers Zeiten nicht mit den Folgerungen, die und Schärfe. nicht nur schwach und unvollsich aus der reformatorischen kommen, sondern egoistisch, Rechtfertigungs­lehre erge­ben, zu tun, nicht mit lieblos, grausam, und vor allem gott­ los, also einer Konzentration des christlichen Glau­bens Sünder. Unser Gewissen sagt uns, dass etwas auf Jesus Christus und sein be­freiendes Werk an Grundlegendes mit uns nicht stimmt, dass wir uns, und darum auch nicht mit den Folgerun- eben eines Freispruchs bedürfen, der uns einen gen daraus für uns und un­sere heutige Situation. Neuanfang gewährt, also genau dessen, was mit Da die zweite Hälfte der Studie mit ihrer der Rechtfertigung des Sünders eigentlich genäheren Entfaltung der geschichtlichen Recht- meint war. fertigungslehre an dem negativen Eindruck der Das aber müsste in einem kirchlichen Grundersten Hälfte nichts ändert und somit nichts ent- lagentext mutig und klar gesagt und gegen den scheidend Neues bringt, kann man hier mit der Trend der Zeit, die vom Guten im Menschen Behandlung der Studie abbrechen. Der Trend faselt, ausgesprochen werden. Dann würde die ist klar geworden. Rechtfertigungslehre wieder zu sprechen beEs gelingt dem so genannten Grundlagentext ginnen, wertvoll und teuer werden. Doch das der EKD leider nicht, die authentische luthe­ geschieht in dem Text der EKD leider nicht. rische Rechtfertigungslehre vollständig und Darum ist er als gescheitert zu betrach­ten. W korrekt wiederzugeben und zum Spre­chen zu bringen. Weder ihre Notwendigkeit, noch ihre Bedeutung als entscheidende Entlastung und Die EKD-Schrift »Rechtfertigung und Erneuerung des Menschen wird auch nur anFreiheit. 500 Jahre Reformation 2017« ist deutungsweise verständlich. Da man es nicht als Taschenbuch erschienen im Gütersloher wagt, von der Verlorenheit des Sünders Mensch Verlagshaus, Gütersloh 2014, 112 Seiten zu reden, bedarf dieser scheinbar auch keiner ISBN 978-3-579-05973-0, Preis 6,99 Euro Rechtfertigung vor dem Gericht Gottes und keiner Rettung. Martin Luther hat dagegen das Der Text steht auch auf der Homepage der eigentliche Thema der Theologie so definiert: EKD: www.ekd.de/download/ »Es ist der schuldige und verlorene Mensch und 2014_rechtfertigung_und_freiheit.pdf der rechtfertigende und rettende Gott« (homo Informationsbrief 288

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Christentum und Islam Gegenüberstellung der theologischen Grundaussagen von Christentum und Islam in einzelnen Abschnitten –– Teil 2 von 9 Hanns Leiner Jesus oder Isa Das christliche Jesusbild Dazu nur ein paar Bemerkungen, da ich das als weithin bekannt voraussetzen kann: Das Bild, das uns die Evangelien von Jesus zeichnen, ist anschaulich, lebendig, persönlich, wir erfahren viel von Namen der Personen und Orte seiner Wirksamkeit in Galiläa und eindrucksvolle Geschichten. Wir erleben ihn als einfühlsam, liebevoll, voll Zuwendung zu den Men­ schen, besonders zu den Kleinen, Armen, Kranken, Ausgestoßenen, schuldig Gewordenen und Verlorenen, sogar zu Heiden. Es ist ihm darum zu tun, ihnen zu helfen, sie zu heilen, zu speisen, ihnen ihre Schuld zu vergeben, sie anzunehmen und so zu retten: »Des Menschen Sohn ist gekommen zu suchen und zu retten, was verloren ist« (Lukas 19,10). Wir erfahren von seiner engen, vertraulichen Verbundenheit mit Gott, den er »seinen himmlischen Vater« nennt und dessen Nähe er verkündigt und verkörpert, dessen Kommen die Menschen zur Umkehr ruft, aber nicht als Gericht, sondern als Heimkehr. Gott zeichnet er als liebevollen, mitfühlenden und mitleidenden Vater, etwa im Gleichnis von der Heimkehr des verlorenen Sohnes; seine Herrschaft und ihr Kommen beschreibt Jesus als Freuden- und Hochzeitsmahl, zu dem alle geladen sind, gerade auch die Fernen. Sein Kommen kündigen Zeichen der Rettung und Heilung an (Jesu Wunder). Diese dienen allerdings nicht ihm selbst als Wunderzeichen und -beweise, sondern den Geheilten als Zeichen der göttlichen Liebe und Barmherzigkeit. In alledem kommen bei Jesus Gottes Barmherzigkeit mit den Menschen und

Hanns Leiner Die Anschrift des Autors finden Sie auf Seite 30

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seine eigene zum Ausdruck. Von Gott und Jesus wird das herrliche »es jammerte ihn seiner« ausgesagt: »Und als er das Volk sah, jammerte es ihn; denn sie waren verschmachtet und zerstreut, wie Schafe, die keinen Hirten haben« (Matthäus 9,36). Die Mission Jesu wird besonders im Johannesevangelium zusam­ mengefasst als göttliche Liebe: »Wie er die Seinen geliebt hatte, … so liebte er sie bis ans Ende« (13,1f.). Und: »Niemand hat größere Liebe als die, dass er sein Leben lässt für sei­ne Freunde« (15,13). Auch sein Gang ans Kreuz ist nichts anderes als die Konsequenz seiner liebenden Selbsthingabe und Solidarität mit den Menschen: »Christus lebt in mir … der mich geliebt hat und hat sich selbst für mich dahingegeben« (Galater 2,20). Darum ist die Nachricht von Jesus für uns insgesamt eine Heils- und Rettungsbotschaft, eine Freudenbotschaft und heißt deshalb im Neuen Testament Evangelium. Alles ist hier für uns auf den Ton der Freude gestimmt. Schon bei Jesu Geburt verkündet der Engel: »Siehe, ich verkün­ dige euch große Freude …«; und in seinem Le­ ben wie im Gleichnis: »Freut euch mit mir … So wird Freude im Himmel sein … und sie fingen an fröhlich zu sein … Du solltest aber fröhlich sein … , denn dein Bruder war verloren und ist wiedergef­unden worden!«(Lukas 15,6.9.24.32) Darum dichtet Luther mit vollem Recht in seinem persönlichsten Lied: »Nun freut euch, lieben Christen g’mein und lasst uns fröhlich sprin­ gen, dass wir getrost und all’ in ein mit Lust und Liebe singen, was Gott an uns gewendet hat und seine süße Wundertat, gar teu’r hat er’s erworben« (Evangelisches Gesangbuch 341,1).

Der islamische Isa Jesus kommt in einer Reihe von Stellen im Koran unter dem Namen Isa vor, aber von ihm werden keine Geschich­ten erzählt, keine Namen (außer dem seiner Mutter Maria), sein Leben und Wirken wird wenig anschaulich, man findet davon nur einen blassen Abglanz. Le­diglich die Geburts­ geschichte wird etwas ausgeführt und dabei sogar die Jungfrauengeburt erwähnt und be­jaht, die jedoch im Koran für das Wesen Oktober 2014

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des Jesuskindes nichts aus­ macht; sie ist lediglich Ausdruck für die absolute All­macht Allahs. Die Jungfrauengeburt begründet also im Islam nicht etwa die Gottes­sohnschaft Isas. Außerdem wird die Ge­ burtsgeschichte legendenhaft ausgeschmückt (nach dem apokryphen Kindheitsevangelium des Thomas): Der Säugling Jesus spricht schon in der Wiege und das Kind zaubert mit Tonvögeln, die es lebendig werden lässt. Außerdem sagt schon der Säugling Isa genau das, was Mohammed über ihn behauptet: Dass er nur ein Diener/Knecht Allahs sei (Sure 19,16–35; Sure 3,42f.). Beim erwachsenen Isa werden zwar seine Jünger erwähnt, jedoch ohne ihre Namen zu nennen. Jesus wird hauptsächlich als Prophet/ Gesandter Allahs verstanden, der im Evangelium (das Mohammed fälschlicherweise für ein Gesetzbuch hält) angeblich die gleiche Botschaft bringt wie Mohammed selbst. Als solcher Vorläufer wird Isa durchaus aner­kannt und geehrt. Er hat aber nichts Neues und Eigenes zu sagen, er verkündet nur, was alle Propheten vor ihm (nach dem Is­lam) schon gesagt haben: Gottes Einzigkeit und All­ macht und seinen Willen. Deswegen heißt er hier »ein Bestätiger der Tora«, der auch ein Gesetzbuch erhält wie Mose und Mo­hammed (Sure 3,43). Deswegen ermahnt der Koran die Christen: »O Volk der Schrift, überschreitet nicht euern Glauben und sprecht von Allah nur die Wahrheit. Der Messias Isa, der Sohn der Maria, ist der Gesandte [Prophet] Allahs und sein Wort, das er in Maria gelegt hat und Geist von ihm. So glaubt an Allah und an seinen Gesandten und sprecht nicht ›Drei‹. Stehet ab davon, gut ist’s euch. Allah ist nur ein einiger Gott … Nimmer ist der Messias zu stolz, ein Diener Allahs zu sein …« (Sure 4,169f.). Damit missversteht Mohammed die Bedeutung und den Sinn des Evan­geliums von Jesus Christus völlig. Ent­sprechend fällt im Islam bei Isa das eigentliche Evangelium als Freudenbotschaft unter den Tisch. Isa wird zum reinen Gesetzesprediger wie Mose und Mo­hammed. Pauschal werden wohl auch die Wunder Jesu erwähnt, aber entgegen ihrem biblischen Sinn als Wunderbeweise für Jesus umgedeutet. Sie heißen im Koran öfter »deutliche Zeichen« (Sure 2,81, 254). Ihre Bedeutung für die Geheilten fällt dabei weg, sie spielen nur eine Rolle für Jesus selber. Sie sollen ihn als Propheten Allahs bestätigen. Isa weigert sich nicht (wie der biblische Jesus), die Zeichenforderung der Menschen zu erfüllen. Der schwerstwiegende Unterschied zum biblischen Jesus ist jedoch die Bestreitung des KreuInformationsbrief 288

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zestodes Isas im Koran. »Und sie [die Juden] sprachen: ›Siehe, wir haben den Messias Isa, den Sohn der Maria, den Gesandten Allahs ermordet‹ – und doch ermordeten sie ihn nicht und kreuzigten ihn nicht, sondern einen ihm ähnlichen …« (Sure 4,156). Diese Leugnung des Kreuzes kann Mohammed nicht auf­ grund von zuverlässigen historischen Nachrichten ausgesprochen haben. Er kann im Abstand von 600 Jahren nach der Passion Jesu nicht über bessere Informationen als die Evangelien und das übri­ge Neue Testament verfügen, in dem der Kreuzestod Jesu mehr als sechzig Mal erwähnt wird. Hinter der Ab­lehnung des Kreuzes steht bei Mohammed vielmehr seine theologische Überzeugung, dass nämlich Allah seine Boten nicht scheitern lässt, dass also »nicht sein kann, was nicht sein darf« (Christian Morgenstern). Mohammed ertrug das Kreuz des Propheten Isa nicht, ärgerte sich daran und erwies sich dar­in als Feind des Kreuzes Christi, wie Paulus schreibt: »Denn viele leben so, dass ich euch oft von ihnen gesagt habe, nun aber sage ich’s unter Tränen: sie sind die Feinde des Kreuzes Christi« (Philipper 3,18; vgl. auch 1.Korinther 1,23). Mohammed behauptet sogar, dass Isa am Ende der Tage wieder­kommen und alle Kreuze zerstören und dann den Islam verkündigen werde. Dies sind die wesentlichen Aussagen, die sich im Koran über Isa finden. Der Gesamteindruck ist dürftig. Hier fehlt vieles, ja Wesentliches. Der Islam bietet uns von Jesus kaum mehr als ein dürres Gerippe, ihm fehlt hier jede Lebendigkeit, auch jede Anteilnahme oder Zuwendung zu den Menschen. Ihm fehlt insbesondere das Wesentliche: die Liebe und Barmherzigkeit, mit der Jesus den Verlorenen nachgegangen ist: »Des Menschen Sohn ist gekommen zu su­chen und zu retten, was verloren ist« (Lukas 19,10). In dem Zerrbild, das der Koran von Jesus zeichnet, ist der Jesus von Nazareth des Neu­en Testaments nicht wiederzuerkennen. Mohammed hat ihn verändert, verkürzt, verfälscht und nach seinem eigenen Vorbild und seiner Vorstellung von Propheten umgeformt. Er hat ihn in die lange Reihe der Propheten Allahs eingereiht und als seinen letzten Vorläufer zwar anerkannt, aber damit doch herabgestuft. Mohammed meint als »Siegel der Propheten« Jesus überbieten zu können. Dabei kann er ihm in Wahrheit nicht das Wasser reichen. Man denke nur an das Thema von Gewalt und Gewaltlosigkeit. Während Mohammed sich ungeniert der kriegerischen Gewalt bediente, ging Jesus den Weg der Gewaltlosigkeit und darum des Leidens. Er wollte lieber Unrecht leiden als Unrecht tun. W 23


Erinnerungen aus sieben Jahrzehnten Zum Gedenken an Propst Heinrich Grüber (1891––1975) WalTer rOminger

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m kommenden Jahr werden es 40 Jahre, seit mit Heinrich Grüber ein nicht so ganz unbedeutender Vertreter der deutschen evangelischen kirche verstarb, wiewohl leider auch unter interessierten und überzeugten evangelischen Christen sein name, geschweige denn sein Werk und Wirken kaum noch präsent oder gar bekannt sind. selbst theologische fachlexika (etwa rGG zumindest in seiner 3. auflage, das ekk, das estL, das Lthk) führen ihn nicht (ausnahme: esL, sp. 537), was diesen nicht zum ruhm gereicht. Deshalb sollen hier wenigstens kurz Leben und Werk des theologen und kirchenmannes Heinrich Grüber gewürdigt werden.

teilweise an der Universität zu Utrecht absolvierte. nach dem abschluss seines studiums wurde Heinrich Grüber ins Domkandidatenstift in berlin aufgenommen. Das zeigt an, dass er ein guter student gewesen sein muss mit recht beachtlichem examen, da nur die besten in dieses Domkandidatenstift in berlin aufnahme fanden. seine erste Pfarrstelle erhielt Heinrich Grüber 1920 in Pfarrer Heinrich Grüber Dortmund-brackel. sein dia(24.6.1891 – 29.11.1975), konischer Zug kommt daevangelischer Theologe, konn- durch zum ausdruck, dass te als Leiter des »Büros Pfar- er von 1926 bis 1933 im diarer Grüber« weit über taukonischen Dienst stand: Zusend so genannte Nichtarier nächst war er Pfarrer an den durch Auswanderung vor Düsselthaler anstalten, andem sicheren Tod bewahren. schließend dann Direktor des Frühe Jahre erziehungsheimes WaldhofDer 1891 in stolberg im rheinland gebo- templin, womit er auf einem der ältesten arrene Heinrich Grüber wusste sich von jungen beitsfelder der Inneren mission tätig war. WähJahren an dem diakonischen ethos, das in den rend der Wirtschaftskrise organisierte Heinrich Gemeinden am niederrhein, mitbedingt durch Grüber einen freiwilligen arbeitsdienst. theodor fliedner und dessen kaiserwerther Diakonissen, virulent war, verpflichtet. auf ihn, »Büro Pfarrer Grüber« der in unmittelbarer nähe zu den niederlanden aufwuchs und auch der holländischen sprache Pfarrer in berlin-karlshorst wurde Heinrich mächtig war, wirkte diese Geisteshaltung ein. Grüber 1934, also im Jahr nach der machtüberDeshalb ist es nicht einmal verwunderlich, dass nahme durch die nationalsozialisten, die ihm in er sein studium der evangelischen theologie den folgejahren sehr zu schaffen machen sollten. Denn 1936 übernahm er auch die betreuung der niederländischen kolonie, was mit sich brachte, dass eine wachsende anzahl evangelischer Christen jüdischer abstammung ihn um Hilfe für ihre auswanderung baten. Im Jahr 1939 verband sich der 1936 gegründete »Paulusbund«, eine Hilfsstelle für verfolgte (Voll)Juden mit den »büro Pfarrer Grüber«. (Der »Paulusbund« war ökumenisch ausgerichWalter Rominger tet. In ihm arbeitete Laura Livingstone mit, die Die anschrift des autors schwägerin des anglikanischen bischofs George finden sie auf seite 30 24

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Bell, einem engen Freund Dietrich Bonhoeffers und wie dieser ein ganz entschiedener Gegner des Nationalsozialismus.) Das 1938 eingerichtete »Büro Pfarrer Grüber« hatte zudem 20 Nebenstellen im Reich, wurde von der Bekennenden Kirche und deren Bruderräten unterstützt und stand in enger Verbindung zu diesen; zudem erhielt es Unterstützung durch einige intakte Landeskirchen, durch Teile der Inneren Mission und des Genfer Ökumenischen Flüchtlingsdienstes, der unter der Leitung von Adolf Freudenberg (1894–1977) stand. Vier Arbeitsbereiche hatte das »Büro Pfarrer Grüber«: Zum einen die Auswanderungshilfe, was sich am stärksten mit ihm verbindet, sodann Sozialhilfe, sowie Schulhilfe und schließlich Rechtsberatung und Seelsorge. Heinrich Grüber und seine Mitarbeiter hatten sich auf verfolgte Judenchristen konzentriert, welche in der Bekennenden Kirche zu wenig Beachtung fanden. Freilich musste das »Büro Pfarrer Grüber« unter erschwerten Bedingungen arbeiten, als es von 1939 an zahlreichen so genannten Auswanderern mit Hilfe seiner Kontakte zum Weltrat der Kirchen in Genf und dessen Flüchtlingsdienst die Ausreise nach Holland, England, Skandinavien und den USA ermöglichte. Anfangs verhielt sich die Gestapo großzügig gegenüber diesen kirchlichen Hilfsstellen, da der nationalsozialistische Staat an der Auswanderung so genannter Nichtarier interes-

siert war. Doch änderte sich diese Haltung mit Kriegsbeginn, waren doch ab da die Staaten, die jüdische und judenchristliche Auswanderer aufnahmen, Kriegsfeinde. Dennoch konnte das »Büro Pfarrer Grüber« weit über tausend so genannte Nichtarier durch Auswanderung vor dem sicheren Tod bewahren. Am 19. Dezember 1940 schloss die Gestapo das »Büro Pfarrer Grüber«. Heinrich Grüber selbst wurde wegen angeblicher »kommunistischer Umtriebe« – wiewohl dieser Vorwurf völlig haltlos war – bis Mitte Juni 1943 in verschiedene Konzentrationslager gesperrt. Er hatte allerdings das Glück, »Arier« zu sein, was für die meisten der 35 Berliner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht zutraf, die deshalb deportiert und bis Anfang 1945 umgebracht wurden. Der tatkräftige Stellvertreter Heinrich Grübers, der judenchristliche Pfarrer Werner Sylten (1893–1942) wurde im KZ Dachau ermordet.

Die Zeit nach dem Zweiten ­Weltkrieg: hohe Ämter für Heinrich Grüber Nach Ende des Zweiten Weltkrieges rief Heinrich Grüber die Evangelische Hilfsstelle für ehemals Rasseverfolgte ins Leben, womit er auch sachlich unmittelbar die Arbeit des »Büros Pfarrer Grüber« weiterführte. Dem standhaften

Theodor Fliedner (1800–1864) und seine ­Kaiserwerther Diakonissen waren mit ihrem diakonischen Ethos prägend für die Geisteshaltung des jungen Heinrich Grüber. Die Abbildung zeigt einen Stahlstich aus dem Stadtmuseum Düsseldorf. Informationsbrief 288

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Christen, Theologen und Kirchenmann Heinrich Grüber wurden mit als Anerkennung seines standhaften und lebensgefährlichen Einsatzes während der nationalsozialistischen Terrorherrschaft hohe Ämter zuteil. So wurde er Propst von Berlin, Bevollmächtigter für das Evangelische Hilfswerk sowie Mitglied im Flüchtlingsausschuss des Ökumenischen Rates. Für all diese Aufgaben erwies er sich als bestens geeig-

net, ebenso als Bevollmächtigter der EKD bei der Regierung der DDR, wo er sich von 1949 bis 1958 für ein loyales Miteinander von Staat und Kirche einsetzte, bis er dann nicht mehr auf DDR-Gebiet einreisen durfte. Über sein bewegtes Leben als Zeuge Christi und Freund der Menschen legte er in seiner 1968 erschienenen umfangreichen Autobiographie »Erinnerungen aus sieben Jahrzehnten« Zeugnis ab. W

Den Verirrten zur Weisung –– den Angefochtenen zum Trost Karl Heinz Jung

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n einer Zeit der Irrtümer bietet es sich an, einen Rückblick auf den Beginn der NS-Zeit zu werfen. Damals versuchte der Staat, eine Staatskirche zu etablieren. Pfarrer Lic. Flemming (Münster) hat dazu Pfingsten 1934 Stellung genommen: »Die ›Deutschen Christen (DC)‹ sind nicht eine Richtung in der Kirche, sondern eine andere Kirche, die nicht als evangelisch im reformatorischen Sinne anzusehen ist. Grundsatz der evangelischen Kirche ist das ›allein‹. Den aber haben die ›DC‹ aufgegeben. Sie haben als Grundsatz ›und auch‹. Ich will das näher ausführen. […] Sie haben wohl die Tatsachen evangelischen Glaubens aber sie haben daneben noch menschliche Tatsachen. Sie setzen neben die Bibel die politische Geschichte Deutschlands seit 1933; neben den dreifaltigen Gott große Politiker und das deutsche Volk. […] Darum stimmt es nicht, dass Ihr allein unter der Bibel steht, die das Zeugnis der Heilsgeschichte ist. Ihr hört eben außerdem noch auf

Karl Heinz Jung Die Anschrift des Autors finden Sie auf Seite 30

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die Geschichte der deutschen politischen Gegenwart als auf eine Offenbarung Gottes. Darum seid Ihr vom ersten reformatorischen Grundsatz ›allein die Bibel‹ abgewichen. […] Das wichtigste ist unsere und unseres Volkes Stellung zu Christus. Davon hängt alles ab. […] Deshalb: Nichts als Christus! Christliche Deutsche wollen wir gerne sein. Aber ›Deutsche Christen‹ – davor behüte uns, himmlischer Vater! […] Es handelt sich also wirklich nicht um die Gegenüberstellung ›alte Ordnung hier und neue kirchliche Ordnung dort‹, sondern um die Alternative: ›hier Evangelium und Bekenntnis‹, dort ›Unglaube und Heidentum‹« (In: »Gespräch zwischen einem ›Deutschen Christen‹ und einem ›christlichen Deutschen‹«, Pfarrer Lic. Flemming/Münster in Westfalen, Pfingsten 1934, In: »Wehr und Waffe«). Heute erleben wir eine ähnliche Entwicklung. Aber sie lässt sich schwieriger aufspüren als im so genannten Dritten Reich. Dort waren die Unterschiede zwischen »Deutschen Christen« und christlichen Deutschen klar zu erkennen. Die Scheidung zwischen Wahrheit und Lüge, Glaube und Unglaube konnte erfolgen. Heute bewegt sich alles in einem nebulösen, verwirrenden Durcheinander: Bibel ja, aber dem Zeitgeist angepasst. Mit dem Argument der »seelsorgerlich-geistlich begründeten Ausnahme« werden unveränderliche Gesetze und Weisungen Gottes aufgehoben (z. B. bei der Homosexualität). Dieser Irrlehre muss widerstanden werden. Denn Einzigartigkeit und Heilsuniversalität Jesu Christi können nicht zur W Disposition gestellt werden! Oktober 2014

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»Johannes der Täufer« nach Reimen von Adolf Schlatter Stimmen der Väter

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aum bekannt ist, dass Adolf Schlatter (1852–1938) auch geistliche G ­edichte verfasst hat. Sein Sohn Theodor (1885–1971), nach dem Zweiten Weltkrieg Prälat in Ludwigsburg, berichtet davon, dass er 1922 von seinem Vater eine druckfertige Gedichtsammlung erhielt, in der »er Gestalt und Werk Johannes des Täufers lebendig werden ließ«. Adolf Schlatter hat »eine Veröffentlichung für die Zeit seines Lebens verwehrt«. Theodor Schlatter machte

die Gedichte seines Vaters über Johannes den Täufer, für den dieser »eine starke Liebe« hatte, Freunden und Schülern im Jahr nach dessen Heimgang zugänglich. Damit verbinden Vater und Sohn Schlatter: »Johannes soll uns groß werden mit dem Jubel der Botschaft vom Reich, in dem unbeugsamen Ernst seines Kampfes gegen die Bosheit, in seinem Dienst für den Christus, in der Kraft seines gläubigen Wartens und gläubigen Leidens.«

Die Berufung Johannes des Täufers

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chweigen deckt die Wüste. Fortgezogen ist, was lebte, dass kein Laut erwacht. Einer nur sitzt dort, aufs Knie gebogen, aus der Welt entrückt, zu Gott gebracht. Geh zu meinem Volk! Was soll ich sagen? Sag ihm: meine Herrschaft zeigt sich jetzt. Herrlich ist die Botschaft. Darf ich’s wagen? Tu gehorsam, was dir ist gesetzt. Welcher Weg kann sie zu Dir noch bringen aufwärts bis in Deine Herrlichkeit? Kann es jetzt noch Israel gelingen? Irrten sie nicht weg von Dir zu weit? Gnädig bin ich. Das habt ihr erfahren von den Vätern her zu jeder Zeit. Fort die Bosheit! Euch zu offenbaren mein Vergeben bin ich jetzt bereit. Buße, Buße! O, sie haben’s nötig, sind in Sünden alle tief verstrickt. Aber sind zur Umkehr sie erbötig? Ob die Sünde nicht mein Wort erstickt?

Sieh! Hier bin ich. Ganz bin ich Dein eigen. Sei mir nah, wenn mir Dein Werk wird schwer, wenn des Volkes Sünde sich wird zeigen, wild empört, ein sturmbewegtes Meer. Er gehorcht, verlässt die stille Wüste, eilt davon und geht zu Israel, dass er es für seinen König rüste durch die Buße nach des Herrn Befehl.

N

icht selber, Herr, den Weg zu Dir wir finden. Nur Du kannst Dir die Boten zubereiten, die Du uns schickst, Dein Werk uns zu verkünden und uns auf Deinem Pfad zu Dir zu leiten. So brauch auch mich! Du kannst auch Schwache rüsten. Mach wach mein Ohr, Dein herrlich Wort zu hören, dass siegreich mich bezwing ein stark Gelüsten, die Herzen Deines Volks zu Dir zu kehren. Enthülle mir Deine Größe, dass ich fasse: sie sind Dein eigen, sind für Dich geboren, dass alles Zagen, alle Eigensucht ich lasse, Dir folge als zum Dienst von Dir erkoren.

Frage nicht nach dem, was dir befohlen. Geh! Sag ihnen: Bosheit euch verdirbt. Alle rufe! Sag es unverhohlen, dass die Gnade um ihr Leben wirbt.

Aus: Johannes der Täufer. Reime von Adolf Schlatter Calwer Verlag Stuttgart

Taufe sie, dass sie mit Augen sehen mein Vergeben. Rüst dem Volk das Bad. Und dann warte still. Es wird geschehen. Was mein Wort der Welt verheißen hat.

Dies ist das erste Gedicht aus der Sammlung ­»Johannes der Täufer«. Im folgenden Heft werden wir die Reihe mit »Der Anfang« fortsetzen.

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Buchrezension

Georg Steinberger: In den Spuren Jesu Gesammelte Schriften, herausgegeben und überarbeitet von Rudolf Kretzek Georg steinberger (1865–1904) lebte am ende des 19. Jahrhunderts und war ein bekannter und begnadeter schriftsteller und seelsorger. nach seiner ausbildung auf st. Chrischona (schweiz), war er zunächst als Prediger und evangelist tätig und folgte 1899 einem ruf in das erholungsheim rämismühle bei Zürich. Immer wieder war er in der schweiz und in Deutschland zu evangelisationen und bibelstunden unterwegs. In seinem kurzen Leben wurde er vielen menschen durch seine Verkündigung, seine seelsorge und seine schriften zum segen. Das vorliegende buch ist eine Zusammenstellung seiner bekanntesten bücher wie »Der Weg dem Lamme nach«, »kleine Lichter auf dem Weg der nachfolge« usw., sowie eine anzahl weiterer kleiner schriften, die nun nach Jahrzehnten in diesem band erstmals wieder erscheinen. sie wurden von rudolf kretzek überarbeitet und neu herausgegeben. eine kurze biografie über sein Leben zeugt von der Prägung der Heiligungsbewegung und von einem Lebensstil, dem er seit seiner bekehrung treu

geblieben ist: Glauben, Vertrauen, Gehorsam, selbstverleugnung und Leidensbereitschaft. themen wie »Die notwendigste Lebensfrage – was muss ich tun?«, »komm zum kreuz!«, »buße, ein himmlisches Geschenk« weisen suchende menschen auf Jesus hin. es folgen glaubensvertiefende themen wie »Das Geheimnis eines siegreichen Lebens« oder »Der Weg dem Lamme nach« oder »Gesegnetes bibellesen«. besonders empfehlen kann ich den abschnitt »Der Weg dem Lamme nach«. es gibt kaum eine auslegung über Offenbarung 14,4 im christlichen bereich wie diese, obwohl gerade diese bibelstelle für Christen eine ganz zentrale ist! entdecken auch sie den Herrn Jesus auf eine ganz neue und hilfreiche art! Martin Schunn selbstverlag, zu beziehen bei Christliche buchhandlung bühne GmbH eisenweg 2, 58540 meinerzhagen www.Leseplatz.de Isbn 978-3-941888-15-9 380 seiten, 12,90 euro

Nachtrag Das bereits im letzten Informationsbrief vorgestellte Buch von Hans Leiner »Gibt es einen neuen Kirchenkampf? Das Ringen um die wahre Kirche« ist erschienen im Verlag für Theologie und Religionswissenschaft (ISBN 978-3-941750-77-7) und zum Preis von 14,80 Euro im Buchhandel erhältlich.

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»Gottes Erwählen im Alten und Neuen Testament« Einladung zur Bibelfreizeit der Bekenntnisbewegung »Kein anderes Evangelium« mit Pfarrer Hansfrieder Hellenschmidt vom 21. bis 28. März 2015 im Christlichen Gästehaus Bergfrieden in Oberstdorf/Allgäu Mit Gottes Erwählen des einen Mannes aus Ur in Chaldäa hat die Geschichte Gottes zum Heil der Völker begonnen. Sie ist Ausdruck seines Liebeswillens und gilt Israel und den Völkern in gleicher Weise. Schon die prophetische Verkündigung im Alten Testament lehrt uns, Gott als den Herrn aller Völker zu erkennen. Menschen aus allen Völkern sollen Anteil an Gottes Königsherrschaft gewinnen und an ihrem Frieden und ihrer Gerechtigkeit teilhaben. Was mit dem Erwählen Abrahams begonnen hat und in der Geschichte Israels durch viele Brüche und Behinderungen gelaufen ist, kommt mit der Erwählung Jesu Christi dennoch zum Ziel. Denn Christus ist der von Gott erwählte Messias Israels und der Heiland der Welt. Ihn hat Gott gesandt, die Geschichte, die mit Abraham begonnen hat, der Vollendung zuzuführen. Als der Erwählte tritt Jesus durch seine Boten unter die Völker und ruft Menschen unter die Königsherrschaft Gottes. Gerade auch die Weisung, mit der Jesus seine Jünger bis heute in die Welt hinaussendet, macht noch einmal den universalen Charakter des göttlichen Heils offenbar. Denn Gott ist nicht nur der Gott der Juden, sondern auch der Heiden (Römer 3,29). Mit Jesu Werk hat

die Einheit der einen Gemeinde aus Juden und Heiden bereits begonnen (Epheser 2,15), denn der verheißene Segen Abrahams (1.Mose 12,3) ist in der endzeitlichen Gemeinde schon gegenwärtig. Angesichts dieser Tatsache erweist sich jeder ideologische oder religiöse Versuch, selbst das Heil der Welt zu schaffen, als ein Widersprechen gegen Gottes Willen und Plan mit den Völkern und ihren Menschen. Ein solch törichtes Unterfangen in der Kirche, mit der sogenannten abrahamitischen Religion Frieden und Gerechtigkeit zu schaffen, wird keinen Bestand haben und ist als ein religiöser Unsinn, der keiner theologischen Betrachtung standhält, abzuweisen. Dem Erwählen Gottes durch Jesus Christus nachzudenken und darüber froh und dankbar zu werden, soll die Freizeit dienen. Im Verlauf der Arbeit wird auch auf den christlichen Antijudaismus und Luthers Stellung zu den Juden seiner Zeit eingegangen. Es ist nötig, da, aus welchen Gründen auch immer, eigentlich nie oder nur sehr verhalten und selten auf Luthers positiven Aussagen zum Judentum und sein Ringen mit ihm eingegangen wird.

Die Anmeldungen sind zu richten an: Christliches Gästehaus Bergfrieden Oytalstraße 4, Oberstdorf www.bergfrieden-oberstdorf.de Telefon (08322) 95980

Preise: Die je einzelnen Zimmerpreise können bei der Anmeldung im Gästehaus in Oberstdorf erfragt werden.

Anfragen und Auskunft: Hansfrieder Hellenschmidt Telefon (07158) 69569 Fax (07158) 9157494 E-Mail: hans.hellenschmidt@gmx.de

Weitere Freizeittermine: 18. bis 25. Mai 2016 3. bis 10. Juni 2017

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Aus der Bekenntnisbewegung Pfarrer Hansfrieder Hellenschmidt konnte seinen 80. Geburtstag begehen Im diesjährigen Frühjahr gab Pfarrer Hansfrieder Hellenschmidt sein Amt als langjähriger Vorsitzender der Bekenntnisbewegung »Kein anderes Evangelium« auf. Dieses liegt seitdem bei dem württembergischen Ruhestandspfarrer Friedemann Schwarz (66, Egenhausen im Nordschwarzwald). Pfarrer Hansfrieder Hellenschmidt war 17 Jahre lang Vorsitzender der Bekenntnisbewegung »Kein anderes Evangelium« und damit so lange, wie vor ihm keiner der Vorsitzenden (vgl. Informationsbrief Nr. 285 vom Juni 2014, S. 16–18). Am 17. August konnte er nun bei guter Gesundheit seinen 80. Geburtstag an seinem Alterswohnsitz Filderstadt-Sielmingen bei Stuttgart begehen. Für die noch vor ihm liegende Zeit sind ihm geistige, seelische und körperliche Frische zu wünschen. Verbunden ist dies freilich mit der wohl berechtigten Hoffnung, dass er sich weiterhin – wenn auch in geringerem Umfang als bisher – bei der Bekenntnisbewegung »Kein anderes Evangelium« einbringt: mit beachteten Beiträgen in deren Informationsbrief und gut besuchten Bibelfreizeiten.

Gerhard Bergmann wäre 100 geworden Er war einer der bekanntesten deutschen Evangelisten der Nachkriegszeit und viele Jahre bei der Bekenntnisbewegung »Kein anderes Evangelium« engagiert: Pfarrer Dr. Gerhard Bergmann (1914–1981). Am 25. Juli wäre er

100 Jahre alt geworden. Der von 1920 an meist in Halver bei Lüdenscheid lebende Gerhard Bergmann war zunächst Industriekaufmann, bevor er die Bibelschule St. Chrischona in Bettingen bei Basel besuchte; anschließend studierte er Theologie, Psychologie und Philosophie, worin er auch zum Dr. phil. promoviert wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg war er zunächst Pfarrer der oldenburgischen Landeskirche. 1959 ging er zur Deutschen Zeltmission mit Sitz in Siegen. In deren 2200 Hörer fassendem Zelt predigte er in ganz Deutschland. Auslandsreisen führten ihn nach Afrika, Südamerika, Indien und Japan. Seine Veranstaltungen wurden von etwa zehn Millionen Menschen besucht. Er verfasste 31 Bücher, wobei »Alarm um die Bibel« und »Kirche am Scheideweg«, in welchen er sich u. a. kritisch mit der Kritik an der Heiligen Schrift beschäftigte, christliche Bestseller wurden. Der als der »deutsche Billy Graham« bezeichnete Gerhard Bergmann gehörte zum Vorstand der Deutschen Evangelischen Allianz und der Deutschen Zeltmission. Er war führend bei der Bekenntnisbewegung »Kein anderes Evangelium« und hat in deren Informationsbrief über Jahre hinweg wegweisende Beiträge verfasst. Gerhard Bergmann hat mit seinem Wirken und seiner Existenz bewiesen, dass erweckliche Predigt und Verteidigung des christlichen Glaubens ihrem Wesen nach zusammengehören, was in heutiger Zeit des Öfteren nicht mehr bewusst ist. In der Nacht zum 20. November 1981 ist Gerhard Bergmann während einer Evangelisationswoche in Esslingen am Neckar an Herzversagen verstorben. (Quelle der Nachricht u. a.: ideaSpektrum 31/2014 vom 30. Juli 2014, S. 14)

Mitarbeiter an diesem Heft: Pfarrer i. R. Karl Heinz Jung Am Hellenteich 69 59929 Brilon Kirchenrat Professor Dr. Karl-Hermann Kandler Enge Gasse 26 09599 Freiberg Telefon (03731) 23545 Fax (03731) 218150

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Studiendirektor Pfarrer Hanns Leiner Mittenwalder Straße 34 86163 Augsburg Telefon (0821) 63731 E-Mail: Hanns.Leiner@arcor.de

Martin Schunn Hölderlinstraße 9 75334 Straubenhardt Telefon (0 70 82) 2 02 75 E-Mail: m.schunn@kvst-nb.de

Walter Rominger Mehlbaumstraße 148 72458 Albstadt Telefon und Fax (07431) 74485 E-Mail: w.rominger@t-online.de

Pfarrer Friedemann Schwarz Gartenstraße 21 72227 Egenhausen Telefon (07453) 9580164 E-Mail: friedemann.schwarz@gmail.com

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Weitere Exemplare des Informationsbriefes für Juli 2013, Heft 279 und für Juli 2014, Heft 286 sowie das Traktat »Falsche Propheten sind unter uns« können –– auch in größerer Stückzahl –– bei der Geschäftsstelle bestellt werden. Geschäftsführender Ausschuss Vorsitzender der Bekenntnisbewegung »Kein anderes Evangelium« e. V. Pfarrer Friedemann Schwarz Gartenstraße 21 72227 Egenhausen Telefon (0 74 53) 9 58 01 64 E-Mail: friedemann.schwarz@gmail.com

Weitere Mitglieder des Geschäftsführenden Ausschusses Walter Keim Kiebitzstraße 14 45897 Gelsenkirchen Telefon (02 09) 15 55 98 22 Fax (02 09) 15 55 98 24 E-Mail: Walter@Keim.de

Stellvertretender Vorsitzender Pfarrer Johannes Frey Ofener Weg 3 28816 Stuhr Telefon (04 21) 5 22 89 10 E-Mail: johannes.frey@kabelmail.de

Gabriele Reimer Beurhausstraße 31 44137 Dortmund Telefon (02 31) 5 84 46 96 Fax (02 31) 5 89 36 37 E-Mail: Gabriele.Reimer@gmx.de

Schriftführer Walter Rominger Mehlbaumstraße 148 72458 Albstadt Telefon und Fax (0 74 31) 7 44 85 E-Mail: w.rominger@t-online.de

Martin Schunn Hölderlinstraße 9 75334 Straubenhardt Telefon (0 70 82) 2 02 75 E-Mail: m.schunn@kvst-nb.de

Bekenntnisbewegung »Kein anderes Evangelium« e. V. Geschäftsstelle: Walter Rominger Mehlbaumstraße 148 72458 Albstadt Telefon und Fax (07431) 74485 E-Mail: w.rominger@t-online.de www.keinanderesevangelium.de

Kassenwart Hans Lauffer Osterstraße 25 70794 Filderstadt Telefon (0 71 58) 48 31 Fax (0 71 58) 94 78 73 E-Mail: hans.lauffer@t-online.de Mit Fragen bezüglich der Spendenbescheinigungen wenden Sie sich bitte an unseren ­Kassenwart Hans Lauffer. Sie erreichen ihn telefonisch unter (0 71 58) 48 31, per Fax 94 78 73 oder per E-Mail hans.lauffer@t-online.de. Bankkonten Volksbank Filder e. G., (BLZ 611 616 96) Konto-Nr. 65 500 016 IBAN DE34 6116 1696 0065 5000 16 BIC (SWIFT)-Code: GENO DE S1 NHB Postgirokonto Schweiz: Postgiroamt Bern Nr. 30-195 56-2 IBAN CH21 0900 0000 3001 9556 2 BIC POFICHBEXXX

Nachsendeanträge bei der Post kommen bei der Bekenntnisbewegung nicht als Adressänderung an. Deshalb auch bei Umzügen die Adressänderung durch untenstehenden Abschnitt an die Geschäftsstelle weitergeben. Für Neubestellung, Adressänderung und Abbestellung ausschneiden und einsenden an: Bekenntnisbewegung »Kein anderes Evangelium« Geschäftsstelle: Mehlbaumstraße 148, 72458 Albstadt

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Das zu lernen, was Gott uns durch die Not lehren will, ist wichtiger, als aus ihr herauszukommen. James Hudson Taylor (1832–1905), englischer China-Missionar


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