Informationsbrief April 2015

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Aus dem Inhalt

Neues aus Kirche und Welt Aus Lehre und Verkündigung Betrachtungen auf dem Weg zum Reformationsjubiläum 2017: Reformation in der Kirche 1517 und 2017 Lebensschutz und Tötungs­verbot am Anfang und Ende des Lebens Von der Kirchenmitgliedschaft zur lebendigen Christus-Beziehung Christentum und Islam Die Brüderpaare Ambrosius und Thomas Blarer und Johannes und Konrad Zwick Aus Kirche und Gesellschaft Aus der Bekenntnisbewegung Buchrezension

ISSN 1618-8306

April 2015 Nr. 291

Bekenntnisbewegung »Kein anderes Evangelium«


kurz+bündig Personen

Inhalt kurz+bündig Neues aus Kirche und Welt

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Aus Lehre und Verkündigung 5 Betrachtungen auf dem Weg zum Reformationsjubiläum 2017: Reformation in der Kirche 1517 und 2017

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Lebensschutz und Tötungs­ verbot am Anfang und Ende des Lebens 8 Von der Kirchenmitgliedschaft zur lebendigen Christus-­ Beziehung 14 Christentum und Islam Gegenüberstellung der theologischen Grundaussagen von Christentum und Islam in einzelnen Abschnitten Teil 5 von 9

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An der Bruchstelle zwischen Luthertum und reformiertem Glauben Über die beiden Brüderpaare Ambrosius und Thomas Blarer und Johannes und Nikolaus Zwick, die vornehmlich in Konstanz ­reformatorisch wirkten Teil 2 von 2 22 Aus Kirche und Gesellschaft 25 Aus der Bekenntnisbewegung Zum Gedenken

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Buchrezension Jürgen Diestelmann Luther oder Melanchthon? Der Bruch einer historischen Freundschaft und die Folgen für die heutige Ökumene und das Reformationsgedenken 2017 30

Konservativer Lutheraner Jürgen Diestelmann †

Im Alter von 86 Jahren ist bereits kurz vor Jahreswechsel der konservative lutherische Pfarrer Jürgen Diestelmann (Braunschweig) verstorben. In seinen Veröffentlichungen beschäftigte er sich viel mit dem Abendmahl. Als letztes erschien von ihm 2014 das Buch: »Luther oder Melanchthon – Der Bruch einer historischen Freundschaft und die Folgen für die heutige Ökumene und das Reformationsgedenken 2017« (siehe Besprechung in diesem Heft, S. 30). Von 1975 bis 1990 war Diestelmann Pfarrer an der stark liturgisch geprägten Kirche St. Ulrici Brüdern in Braunschweig. Der landeskirchliche Theologe war mit der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche eng verbunden.

CVJM-Mann und Erzähler Fritz Pawelzik †

Im Alter von 87 Jahren ist der Erzähler Fritz Pawelzik verstorben. Mit seinen Geschichten aus seiner Zeit während des Weltkrieges und seiner Friedensarbeit in Afrika begeisterte er Tausende von Kindern und Jugendlichen im CVJM. In Ghana, wo er den lokalen CVJM aufbaute, wurde er zum Häuptling ernannt.

Künstler Andreas Felger wurde 80

Der vor allem in christlichen Kreisen bekannte vielseitige evangelische Künstler Andreas

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Felger – Holzschnitte, Aquarelle, Ölbilder, Skulp­ turen, Glasmalerei und ­Webarbeiten, konnte am 1. Januar seinen 80. Geburts­ tag begehen. Felger, der aus Mössingen-Belsen (bei Tübingen) stammt und inzwischen wieder dort wohnt, war viele Jahre bei der JesusBruderschaft Gnadenthal (bei Limburg/Lahn), die er aber 2010 verließ. Der Künstler, der ökumenisch aufgeschlossen ist, denkt nicht daran, aufzuhören: »Solange ich sehen und ein Werkzeug führen kann, werde ich als Künstler arbeiten. Ich muss dem Schöpfer auf der Spur bleiben. Sein Wirken ist ja nicht fertig.«

Kees de Kort wurde 80

Der für seine KinderbibelIllustrationen bekannte Künstler Kees de Kort aus dem niederländischen Bergen wurde Anfang Dezember vergangenen Jahres 80. Die Deutsche Bibelgesellschaft würdigte ihn als »Pionier der modernen Illustrationen von Kinderbibeln«. Mit seinen Bildern hätten ganze Generationen biblische Geschichten kennen und lieben gelernt.

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schen punkten gibt es unter den Abertausenden Handschriften kaum Abweichungen.«

Kirche in Deutschland

kurz+bündig

Personen +++ Kirchen +++ Glauben +++ »Modernes Leben«

Badische Lutheraner haben neuen Superintendenten Direktor der Berliner Stadtmission, Hans-Georg Filker, ist 65

Der Direktor der berliner stadtmission, pfarrer HansGeorg filker, vollendete ende Dezember 2014 sein 65. lebensjahr. seit 1989 leitete er den Verband, der mit mehr als 600 hauptamtlichen mitarbeitern zu den größten christlichen Arbeitgebern in der bundeshauptstadt zählt und zum Gnadauer Verband gehört. nachfolger filkers, der am 31. märz 2015 seinen Dienst beendete, ist pfarrer Joachim lenz (53), der davor pfarrer beim Deutschen evangelischen Kirchentag war (vgl. dazu informationsbrief nr. 288, s. 4).

Bibel Das Neue Testament ist sehr gut überliefert

Die Überlieferung des neuen testaments ist nach erkenntnissen des führenden deutschen wissenschaftlichen bibelforschers, professor Holger strutwolf, seit 2004 leiter des international renommierten instituts für neutestamentliche textforschung in münster, insgesamt »sehr gut und sehr treu«. »in den theologi-

pfarrer Christian bereuther (57), seit 1991 pfarrer in Karlsruhe, wird neuer leiter der evangelisch-lutherischen Kirche in baden (insgesamt etwa 3000 mitglieder, 1850 gegründet) und folgt auf den im vergangenen sommer von einem wahrscheinlich geistesgestörten täter erstochenen Christof schorling (freiburg).

Meilenstein Neuausgabe der lutherischen Bekenntnisschriften erschienen

im Auftrag der eKD ist ende des Jahres 2014 eine dreibändige wissenschaftliche neuausgabe der lutherischen bekenntnisschriften erschienen. sie wird als meilenstein auf dem Weg zum reformationsjubiläum 2017 betrachtet. sie löst die Ausgabe der bekenntnisschriften von 1930 ab. sie basiert auf dem »Konkordienbuch« von 1580 und soll die erkenntnis fördern, »was evangelischer Glaube bedeutet«. Die neuausgabe ist zum preis von 59,99 euro im Verlag Vandenhoeck & ruprecht in Göttingen erschienen.


kurz+bündig Kirche weltweit

Westfalen: Synode beschließt öffentliche Homo-Segnung

Mit großer Mehrheit, bei vier Gegenstimmen und zwei Enthaltungen, hat die Landessynode beschlossen, künftig Homosexuelle, die in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft leben, öffentlich in einem Gottesdienst zu segnen, was bislang ausschließlich in einer nicht-öffentlichen Andacht möglich war. Die drei Kirchenkreise Bielefeld, Gelsenkirchen und Wattenscheid sowie Bochum fordern schon eine »Homo-Trauung«. Kritik an dem Beschluss der Synode übten der Vorsitzende des Westfälischen Gemeinschaftsverbandes, Dirk Scheuermann (Velbert) und der Präses des pietistischen Gemeinschaftsverbandes Siegerland-Wittgenstein, Manfred Gläser (Hilchenbach). Vor einer Belastung der ökumenischen Beziehungen warnte der Pressesprecher des (katholischen) Erzbistums Paderborn, Ägidius Engel. Fast zur gleichen Zeit hat die hannoversche Landeskirche eine »Handreichung für Gottesdienste zur Segnung eingetragener Lebenspartnerschaften« fertiggestellt. Landesbischof Meister sagte dazu: »Gottes Wort, Gebet und Segen sind darin, ausgerichtet an Martin Luthers Traubüchlein, unverzichtbare Elemente.«

Leiter des ejw: Fehlendes Wissen über Religion bringt Vorwurf der Intoleranz

Nach Einschätzung des Leiters des Evangelischen Jugendwerkes in Württemberg (ejw), Gottfried Heinzmann (Stutt4

Finnland: Kirchenaustritte wegen »Homo-Ehe«

gart), gibt es in der Gesellschaft zu wenig Wissen über Religion. Glauben und Religion müssten oft als Gegensatz von Toleranz und Akzeptanz herhalten. Für viele sei der Glaube an einen persönlichen Gott schon mit dem Gedanken verbunden, intolerant zu sein. Deshalb sei ein Bildungsprozess nötig, der in die Breite der Gesellschaft führe. Gut jeder dritte Deutsche »praktisch atheistisch«

Mehr als ein Drittel der rund 81 Millionen Einwohner Deutschlands versteht sich als »praktisch atheistisch«, so der an der Theologischen Hochschule der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) in Oberursel bei Frankfurt am Main lehrende Theologieprofessor Werner Klän. Für diese seien Gott, Religion und Kirche weithin »kein Thema«. Da in solchem Umfeld das Reden vom christlichen Glauben geübt sein wolle, gelte es, eine Sprache zu finden, die die Zeitgenossen verstehen, auch wenn sie kaum Kenntnisse vom christlichen Glauben haben.

In Finnland haben Pläne zur Einführung der fälschlicherweise so genannten »HomoEhe« zu einer Austrittswelle aus der lutherischen (Volks) Kirche geführt. Innerhalb weniger Tage traten etwa 13 000 Personen aus der lutherischen Kirche aus, der 76 Prozent der 5,4 Millionen Finnen angehören. Das Parlament in Helsinki hatte sich am 28. November mehrheitlich dafür ausgesprochen, die »Ehe« von Schwulen und Lesben per Gesetz einzuführen. Darüber zeigte sich der lutherischen Erzbischof Kari Mäkinen erfreut, weil Finnland damit in der gleichen Situation sei wie die skandinavischen Nachbarländer, die bereits die so genannte »Homo-Ehe« eingeführt haben.

Anglikanische Kirche erhielt erste Bischöfin

Nachdem im vergangenen Juli die Generalsynode der Anglikanischen Kirche die Vo­ raussetzungen für Bischöfinnen geschaffen hatte (vgl. Informationsbrief 288, Okto­ber 2014, S. 3) und wenig später auch das englische Parlament und die Königin dem zugestimmt hatten, wurde die bisherige Gemeindepfarrerin Libby Lane am 26. Januar als erste Bischöfin der Kirche von England eingesetzt. Die 48-jährige Mutter zweier Kinder aus Hale bei Manchester wurde 20 Jahre nach der ersten Priesterweihe von Frauen als Bischöfin von Stockport eingeführt.

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Aus Lehre und Verkündigung mm Menschen, die ihren Besitz und ihre Heimat um des [christlichen] Glaubens willen verlassen, gehören stets zu den wertvollsten Bürgern. Kurt Aland

mm Eine Kirche ohne lebendi­ ge Jugendarbeit beraubt sich eines wesentlichen Faktors der Erneuerung wie der Kon­ tinuität. Kurt Aland

mm Außerdem darf die Wirksamkeit eines Theologen nicht allein mit dem Maßstab seiner Bekanntheit unter den Fachkollegen gemessen werden. Erst wenn seine Arbeiten und er selbst (das gilt nicht nur für die Theologie, sondern für alle wissenschaftlichen Disziplinen) auch in den benachbarten Wissenschaftszweigen – national beziehungsweise international – be­ kanntgeworden sind und dort wirken, ist das eigentliche Ansehen erreicht. Ja, man kann es noch schärfer formulieren: Das gilt erst dann, wenn das noch 20 Jahre nach dem Tode des Betreffenden der Fall ist. Denn auch die wissenschaftliche Theologie – denken wir zum Beispiel an ihren systema­ tischen, aber auch ihren exegetischen Zweig – ist kurzlebig geworden: Was heute noch in höchstem Ansehen steht, kann morgen schon überholt und zu einem Stück Wissenschaftsgeschichte geworden sein. Kurt Aland

mm Die Schrift nicht kennen, m heißt Christus nicht kennen. Hieronymus

mm Wo das Reich Gottes wirklich im Menschen ist, und der Mensch es wirklich hat, da ist es nicht anders möglich, als dass der Besitzer es nicht bloß für sich hat und behält, sondern es auch andern und dahin bringen will, bei denen und wo es bis dahin nicht gewesen.

Johann Hinrich Wichern

mm Unerlässlich, weil von Gottes Wort geboten, ist die Zurechtweisung dort, wo der Bruder in offenbare Sünde fällt […] Nichts kann grausamer sein als jene Milde, die den Andern seiner Sünde überlässt. Nichts kann barmherziger sein als die harte Zurechtweisung, die den Bruder vom Weg der Sünde zurückruft. Es ist ein Dienst der Barmherzigkeit […] wenn wir allein Gottes Wort zwischen uns stehen lassen, richtend und hel­ fend. Nicht wir richten dann, Gott allein richtet. Dietrich Bonhoeffer

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mm Lass uns heute nicht vergebens Hörer deines Wortes sein; schreibe selbst das Wort des Lebens tief in unsre Herzen ein! Philipp Spitta

mm Sei treum Sei getreu bis an den Tod, so will ich dirm die Krone des Lebens geben.m Wer Ohren hat, der höre, was der Geist denm Gemeinden sagt! Wer überwindet, dem sollm kein Leid geschehen von dem ewigen Tod. Wort von Gott, Offenbarung 2, Verse 10 und 11

Durchhalten, auch dann,m wenn du durch Eiszeiten gehen musstm und die Kälte nach deinem Herzen greifen will.m Durchhalten, auch dann,m wenn du den Spott auf ihrem Gesicht m ertragen musst, der dich angreift und stört.m Durchhalten, auch dann,m wenn du wegen deines Glaubensm verspottet wirst, dass es weh tut.m Am Ende wartenm der Sieg und die Krone auf dich –m von Jesus überreicht. Hermann Traub († 2013)

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Reformation in der Kirche 1517 und 2017

Betrachtungen auf dem Weg zum Reformationsjubiläum 2017 Reinhard Slenczka

nes und des Heiligen Geistes«. Gott selbst ist hier gegenwärtig; er wirkt in seinem Wort der Heiligen Schrift und in den von Christus selbst »[…] und doch nicht mehr damit ausgerich- eingesetzten Sakramenten. Der Pfarrer ist dabei tet, als dass ich nur die liebe Taufe verloren, ja Werkzeug; er ist Diener, ja, wie sich der Apostel helfen verleugnen.«1 Das sagt Luther seiner Ge- Paulus selbst bezeichnet: »Sklave Christi Jesu« meinde über sein strenges Mönchsleben in einer und für die Gemeinde »nicht Herren über euPredigt. ren Glauben, sondern Gehilfen eurer Freude« Dies ist der Auftrag des auf(1.Korinther 1,24). Die Geerstandenen Herrn für seine mm Es geht also um das, was meinde aber ist durch die TauJünger, die er in alle Welt und Christen tun sollen, nicht fe mit dem Dreieinigen Gott zu allen Völkern aussendet: nicht nur nominell, sondern »Taufet sie auf den Namen aber um das, was Christus real verbunden. Daher heißt des Vaters und des Sohnes für uns getan hat. Damit es auch beim Zuspruch der und des Heiligen Geistes und Vergebung nach dem Sündenstehen wir heute vor genau bekenntnis: lehret sie halten alles, was ich »Wer glaubt und euch befohlen habe« (Matthä- demselben Fehler wie zur getauft wird, der wird selig us 28,19b.20a). Reformationszeit, dass der werden. (Markus 16,16) Das Dieser Auftrag hat zwei verleihe Gott uns allen«. DaInhalte: Taufen und lehren, Glaube durch Werke ersetzt mit wird also auch zur Taufe was Christus befohlen hat. wird und die Herzen in aufgerufen. Doch vollständig Das sind also nicht menschli- Angst um das Überleben sagt der Herr in seinem Einche Forderungen unter dem setzungswort für die Taufe: anmaßenden Anspruch: »Ich auf dieser Erde versetzt »[…] wer aber nicht glaubt, aber sage euch, die Wissen- werden. wird verdammt werden«. schaft hat gezeigt – der heutiSolche Drohung hört der alte Adam in uns nicht gerne, obwohl wir alle ge Mensch versteht das nicht mehr etc.« In der Taufe erscheint wieder der »Name des ohne Ausnahme unter diesem Urteil stehen: Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes«. »Denn der Sünde Sold ist der Tod; die Gabe Jeder rechte Gottesdienst beginnt nicht mit Gottes aber ist das ewige Leben in Christus Jeeiner gut gemeinten, jedoch falschen persön- sus, unserm Herrn« (Römer 6,28). lichen Begrüßung, sondern mit der feierlichen Nun weiß alle Welt, dass der Mönch Luther Erklärung: »Im Namen des Vaters, des Soh- von der Frage: »Wie finde ich einen gnädigen Gott?« zutiefst gequält wurde. Ebenso unentwegt wird dann behauptet, dass den heutigen Menschen andere Fragen bewegen wie z. B. »wer bejaht mich so, wie ich bin?«, »habe ich eine Daseinsberechtigung, auch wenn ich versage?«, »wie finde ich einen gnädigen Nächsten?«, »wie findet mein Leben einen Sinn?«, »wie können wir diese Welt vor ihrer Selbstzerstörung retten?«, »wie können wir den Krieg, die Ungerechtigkeit, die Zerstörung der Schöpfung verReinhard Slenczka hindern?« – kurz: »Wie können wir das Paradies Die Anschrift des Autors auf Erden wieder herstellen?« finden Sie auf Seite 30

Die falsche Frage nach dem ­gnädigen Gott

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in kirchenamtlichen erklärungen wird dann versucht, auf solche selbsterfundenen fragen eine Antwort zu geben, um interesse an der Kirchenorganisation zu wecken und dafür zu werben. es wird jedoch jedem auffallen, dass diese und ähnliche fragen sich alle nur um das Wohlbefinden des menschen und damit um eine Wohlstandsgesellschaft drehen, nicht aber um die ewige seligkeit. es geht also um das, was Christen tun sollen, nicht aber um das, was Christus für uns getan hat. Damit stehen wir heute vor genau demselben fehler wie zur reformationszeit, dass der Glaube durch Werke ersetzt wird und die Herzen in Angst um das Überleben auf dieser erde versetzt werden. Dazu luther: »Hier war auch kein Glaube an Christus …«2 Doch hören wir, was luther in einer predigt über die taufe Jesu seiner Gemeinde sagt: (matthäus 3,13–17): »o, wann willst du einmal fromm werden und genugtun, dass du einen gnädigen Gott kriegst? Und ich bin durch solche Gedanken zur möncherei getrieben und habe mich gemartert und geplagt mit fasten, frieren und strengem leben, und doch nicht mehr damit ausgerichtet, als dass ich nur die liebe taufe verloren, ja helfen verleugnen. Darum, auf dass wir nicht durch solche verführt werden, so lasst uns diese lehre rein halten, wie wir hier sehen und greifen, dass die taufe nicht unser Werk noch tun ist, und einen großen und weiten Unterschied behalten zwischen Gottes und unsern Werken […] denn nachdem wir sind durch die sünde gefallen und verdorben, nimmt er uns noch einmal in seine göttlichen Hände, gibt uns sein Wort und die taufe, wäscht und reinigt uns damit von sünden […] Diese Werke sollte man rühmen, wenn man will von göttlichen Werken reden. Denn er ist der rechte Werkmeister, der mit seinem finger kann die sünde tilgen, den tod erwürgen, den teufel schlagen, die Hölle zerstören […]«3 es geht also beim Glauben nicht um die fragen, die ein mensch hat oder nicht mehr hat und mit denen er sich vor dem Anspruch Gottes versteckt, wie das seit Adam und eva geschieht, sondern es geht um das, was Gott sagt und tut in Wort und sakrament, wo er uns sucht, nach uns fragt, sich mit uns verbindet. Die taufe begründet eine leibliche Gemeinschaft mit Gott in Jesus Christus: mit Christus sterben, um mit ihm zum ewigen leben auferstehen, wie paulus das römer 6 beschreibt. Durch die taufe werden wir real Kinder Gottes, und das zeigt sich daran, dass wir in der Kraft des Heiligen Geistes und nach Vorbild und Unterweisung Jesu Christi Gott als Vater anrufen dürfen und sollen. informAtionsbrief 291

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Durch die taufe geschieht aber nach dem Wort Gottes noch etwas, was leicht übersehen wird: in uns bricht der Gegensatz auf zwischen dem alten menschen im fleisch der sünde und dem neuen menschen im Geist Gottes (römer 7). Jeder merkt das, selbst wenn er nicht weiß, woher das kommt: Das ist die stimme des Gewissens in uns, die oft genug quälend sich melden kann, wenn Gottes guter Wille in seinen Geboten auf unseren eigenwillen in unseren trieben stößt. Doch bedenkt hier: ein schlechtes Gewissen ist ein gutes Gewissen, denn es funktioniert. prüfen wir unser leben aus der taufe: Unser tauftermin? Unser taufspruch? Was wir als eltern und paten für die uns anvertrauten Kinder versprochen haben, sie im Glauben zu erziehen, mit ihnen und für sie zu beten; regelmäßiges Gebet in der familie, bei tisch, morgens, abends (Anleitungen dazu finden sich in unseren Gesangbüchern); leben mit dem Wort Gottes aus der Heiligen schrift; die Gemeinschaft in Christus im rechten Gottesdienst. Wo das fehlt, stirbt der Glaube ab. man mag darüber viel diskutieren oder auch in der Kirche beklagen; doch das zerstört nur und baut nicht auf. Wir haben zu prüfen, wie es um unser persönliches leben und Verhalten steht, angefangen in der familie als Kern der christlichen Gemeinde. W 1) 2) 3)

WA 37, 661. so luther in den schmalkaldischen Artikeln § 20. WA 37, 661, 23ff.

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Lebensschutz und Tötungsverbot am Anfang und Ende des Lebens UlRich eiBach

Zum kulturellen Hintergrund der Diskussion über Lebensschutz in den westlichen industrienationen hat sich seit den 1968er Jahren eine zunehmende individualisierung und säkularisierung der lebens- und Wertvorstellungen vollzogen. Der mensch, der kein »Jenseits« dieses »Diesseits« mehr glaubt, sieht nicht mehr ein, warum er das leben bis zum bitteren ende erleiden soll. Und der mensch, der nicht mehr glaubt, dass er sein leben Gott verdankt, betrachtet sein leben als seinen besitz, über den er nach seinem belieben verfügen darf. Hinzu kommt der, nicht zuletzt durch die medizin genährte Anspruch, dass das leben nach menschlichen Wünschen planbar sein muss. im Zuge dieses Wertewandels wurde die Autonomie zum vorherrschenden mora-

Ulrich Eibach Die Anschrift des Autors finden sie auf seite 30

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lischen und rechtlichen leitbegriff, ja für viele zum allein maßgeblichen inhalt der Menschenwürde nach Artikel 1 des Grundgesetzes (GG). Daraus wird abgeleitet, dass der mensch ein mehr oder weniger uneingeschränktes Verfügungsrecht über sein leben hat und daher auch ein positives recht, den Zeitpunkt seines todes selbst zu bestimmen und dazu die Hilfe anderer in Anspruch zu nehmen. Und am Anfang des lebens impliziert dieses Verfügungsrecht, dass der mensch einem begonnenen leben das lebensrecht verweigern darf, weil man es, solange es im mutterleib ist, als »teil« der mutter betrachtet, und weil man dem vorgeburtlichen leben keine uneingeschränkte Würde und ein ihr entsprechendes lebensrecht zubilligt. maßstab dafür ist, ob das Kind erwünscht oder unerwünscht ist. Daran zeigt sich, dass nicht mehr der schutz des lebens (GG Artikel 2), sondern der schutz der Autonomie oberstes verfassungsrechtliches Gebot ist. Daraus folgt dann, dass der mensch entscheiden darf, ob ein heranwachsendes Kind leben darf, und dass man – wie es z. b. in Holland der fall ist – den menschen ermöglichen muss, selbst zu entscheiden, ob sie eines »natürlichen« todes oder durch menschenhand sterben wollen. Das bedeutet, dass es ein Recht auf Selbsttötung gibt. Der amerikanische ethiker Joseph Fletcher fasste diese forderung schon April 2015

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1967 in dem satz zusammen: »Die Kontrolle des sterbens [als der selbstbestimmte todeszeitpunkt] ist wie die Geburtenkontrolle eine Angelegenheit menschlicher Würde. ohne sie wird der mensch zur marionette der natur«, und das sei des menschen unwürdig. er folgte dabei Friedrich Nietzsche, der aus dem von ihm verkündigten tod Gottes und der behauptung, dass der mensch deshalb sein eigener schöpfer und Gott sein müsse, folgerte, dass man die »dumme physiologische tatsache« des naturbedingten todes zur tat der freiheit werden lassen solle: »ich lobe mir den freien Tod, der kommt, weil ich will«, und nicht, weil die »natur« oder »ein Gott« es will. Der naturbedingte tod und das entstehen eines menschen im mutterleib ohne bewusste bejahung des menschen, also als bloßes naturereignis, widerspreche letztlich der Würde des menschen.

Steht alles Menschenleben unter dem Schutz der Menschenwürde? Die christliche Sicht Keines der »Zehn Gebote« steht in allen Kulturen der Welt so hoch in Geltung, wie das Verbot: Du sollst Menschenleben nicht töten! Aus dem Verbot allein ergibt sich noch nicht, was wir unter menschenleben zu verstehen haben. Auch liefert das Verbot aus sich heraus keine poinformAtionsbrief 291

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sitive begründung dafür, warum wir menschen nicht töten dürfen. Johannes Calvin schrieb dazu, dass das tötungsverbot durch zwei »rechtsursachen begründet« ist, die von der biblischen Zeit bis heute in jeder begründung in gewandelter form auftauchen: »Der mensch ist einerseits Gottes ebenbild, andererseits unser fleisch und blut. soll also Gottes bild unverletzt bleiben, so muss uns der andere mensch heilig und unverletzlich bleiben; soll nicht alle menschlichkeit in uns zugrunde gehen, so müssen wir doch unser eigen fleisch und blut schützen und erhalten.« Auch die forderung, dass jeder mensch das gleiche recht auf leben hat, begründet Calvin damit, dass Gott der schöpfer und Herr aller menschen ist und daher »das menschengeschlecht gewissermaßen zu einer einheit verbunden hat, und deshalb muss jedem einzelnen die erhaltung und das Wohlergehen aller angelegen sein.« entscheidend ist, dass der mensch Gottes Ebenbild ist und er deshalb als Glied der menschlichen Gemeinschaft nicht getötet werden darf (1.mose 9,6). Das bedeutet, dass dem menschen eine Würde zukommt, die sein leben unter den schutz Gottes stellt und es menschlicher totalverfügung entzieht. es bleibt aber die frage, welchem menschenleben diese Würde zukommt. nach christlicher sicht gründet die Würde des menschen und sein personsein nicht in 9


empirisch aufweisbaren Qualitäten (Geistigkeit, zu müssen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn Sprachfähigkeit, Freiheit usw.), auch nicht da­ man den Sinn des Lebens primär oder gar ausrin, dass der Mensch über dem Tier steht, son- schließlich von den innerweltlichen Fähigkeiten dern darin, dass Gott ihn zu seinem Partner und Leistungen des geistig normalen erwachseerwählt, geschaffen und mit der Bestimmung nen Menschen her versteht. ausgezeichnet hat, für sein und anderer Leben Nach dieser christlichen Sicht kommt Würde und die Schöpfung als ganze Verantwortung dem ganzen individuellen Leben (Leiblichkeit) zu tragen, und nicht zuletzt darin, dass er zu zu. Daher steht das ganze biologische Leben ewiger Gemeinschaft mit Gott vom Beginn bis zu seinem Ende bestimmt ist. Diese irdische Be- mm Nach dieser christ­ unter dem Schutz der Menstimmung und ewige Verhei- lichen Sicht kommt schenwürde. Sie kann aufgrund ßung bleiben auch dann bestevon Krankheit, Behinderung, Altern nicht verloren gehen, so hen, wenn der Mensch ihnen Würde dem ganzen nicht entspricht oder aufgrund individuellen Leben dass es kein »untermenschliches« von Krankheit, Behinderung lebensunwertes Leben gibt. (Leiblichkeit) zu. Daher undEbenso usw. nie oder nicht mehr entgibt es am Anfang sprechen kann. Auch dann geht steht das ganze bio­ des Lebens kein Menschenleben, das nur vormenschliches dieses Leben der Vollendung sei- logische Leben vom ner Bestimmung in Gottes »ewibiologisches Leben ist und das gem Leben« entgegen. Hier erst Beginn bis zu seinem nicht unter dem Schutz der wird es zur Bestimmung seines Ende unter dem Schutz Menschenwürde steht. Es gibt Daseins, zur Gottebenbildlichkeit der Menschenwürde. in der Embryonalentwicklung keine Entwicklung zum Menvollendet. Alles Menschenleben bleibt hinsichtlich der selbsttäti- Sie kann aufgrund schen, sondern nur eine Entgen Entsprechung zu seiner Be- von Krankheit, Behin­ wicklung als Mensch, also nie rufung zur »Gottebenbildlich- derung, Altern nicht ein bloß biologisch-menschliches keit« in diesem irdischen Leben »Etwas«. Es gibt kein »würdemehr oder weniger »Fragment«. verloren gehen, so dass loses« Menschenleben. Alle BeSie ist und bleibt letztlich sowohl es kein »untermensch­ gründungen der Tötung mit hinsichtlich ihrer Konstitution dem Argument, es handele sich liches« und lebens­ wie auch ihrer Vollendung eine nur um biologisch-menschliches Leben, dem die spezifischen allein in Gottes Handeln grün- unwertes Leben gibt. Eigenschaften fehlen, die das dende und im »ewigen Leben« durch Gott vollendete Größe, die allerdings ge- Mensch- und Personsein ausmachen sollen, rade als solche zugesagte Teilhabe an der voll- haben nach dieser christlichen Sicht der Würendeten Gottebenbildlichkeit diesem irdischen de auszuscheiden. Das Tötungsverbot verbietet Leben schon jetzt von Gott zugesprochen und als implizit auch Lebensunwerturteile, die fast im»transzendentes« Prädikat zugeeignet ist. Sie ist mer zur Rechtfertigung der Tötung am Anfang also deshalb »unverlierbar«, weil das von Gott wie am Ende des Lebens ins Feld geführt wergeschaffene Menschenleben auf die Erfüllung den. Die Achtung der Menschenwürde wird dieser verheißenen Gottebenbildlichkeit im ewi- nach dieser christlichen Sicht in erster Linie und grundlegend in der Achtung des Tötungsvergen Leben Gottes unterwegs ist. Zu Recht hat der bedeutende Arzt Victor v. bots für das ganze leibliche Leben konkret. Weizsäcker in seiner Auseinandersetzung mit den Verbrechen der Medizin unter der NS- Empiristisches Verständnis von Herrschaft darauf verwiesen, dass es ohne die Menschenwürde und Lebensschutz Vollendung auch allen behinderten MenschenDas Verständnis von der Würde des Menlebens zur Gottebenbildlichkeit in Gottes Ewig- schen im deutschen Grundgesetz (GG Artikel 1) keit in der Tat »lebensunwertes« Leben gibt, ist maßgeblich mitbestimmt durch die jüdischdas man zu experimentellen Zwecken ge- und christliche Lehre von der Gottebenbildlichkeit verbrauchen und auch vernichten darf. Ohne des Menschen. Diese inhaltliche Füllung des »ewiges« wird auch irdisches Leben »relativ«, Begriffs Menschenwürde wird heute in Frage hat keinen einmaligen und »ewigen Wert«. Wer gestellt, hauptsächlich mit dem Argument, dass die Dimension des »ewigen Lebens« verliert, sie den Glauben an Gott voraussetze, dass diegerät unter den Zwang, die Würde nach weltim- ser jedoch von einem immer größer werdenden manenten Wertmaßstäben rechtfertigen und sie Teil der Bevölkerung nicht mehr geteilt werde zuletzt bei unheilbar krankem Leben preisgeben und daher auch in einem zu weltanschaulicher 10

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Neutralität verpflichteten Staat nicht mehr zur higkeiten, als selbstbewusstes und freies Wesen Grundlage der Interpretation des Grundgesetzes zu leben, von Geburt an fehlen (hirnorganisch werden dürfe. geschädigte Menschen). Es gibt dann einen abDemgegenüber behauptet man, dass der gestuften Lebensschutz, der in dem Maß zuInhalt der Würde in bestimmten geistigen Le- nimmt, in dem die Wahrscheinlichkeit für die bensqualitäten bestehe, vor allem in der vom Geburt eines hirnorganisch gesunden Kindes Selbstbewusstsein abhängigen und empirisch wächst, und der in dem Maße abnimmt, wie die feststellbaren Fähigkeit zur Selbstbestimmung Lebensqualitäten, die die Würde des Menschen (Autonomie) und der Fähigkeit, ausmachen sollen (vor allem das Selbstbewusstsein) durch Krankeigene Interessen geltend zu mm Wenn Würde nur machen. Damit fällt der Schutz dem »normalen« und heiten und Altern in Verlust geder Autonomie mit dem Schutz raten. bewusster Interessen zusammen, gesunden Leben zu­ Dem Aufbau der Lebensquaund der Schutz der Würde wird kommt, dann impliziert litäten am Anfang des Lebens nicht mehr primär im Schutz des entspricht am Ende des Lebens das notwendig, dass ganzen Lebens konkret, sondern oft deren Abbau. Diese Theonur im Schutz dieser Interessen. es durch Krankheiten rie von der abgestuften SchutzWo die Lebensqualitäten, die be- im Laufe des Lebens würdigkeit schafft Freiraum für wusste Interessen ermöglichen, eine verbrauchende Forschung noch nicht (Embryonen, Feten) zum Verlust der Wür­ an Embryonen, die nicht zur oder nie (hirnorganisch schwer de kommen kann. Geburt bestimmt sind, und Freigeschädigte Säuglinge) oder Eine dahin gehende raum, menschliches Leben nach nicht mehr vorhanden sind (z. B. vorgeburtlicher Diagnostik vorhirnorganisch unheilbar schwer Interpretation des GG geburtlich oder auch noch nach erkrankte Menschen), habe das hätte weitreichende der Geburt zu töten, wenn es Leben wenigstens keine vollwer- Folgen, nicht nur für körperlich und vor allem geistig tige Würde und keine entsprebehindert ist. Die Tötung solchenden Rechte, auch kein Le- den Schutz vorgeburtli­ chen »Lebens« wäre dann keine bensrecht mehr. Solches Leben chen, sondern auch für Tötung von Menschen mit Würdürfe dann gegen die Interessen also von Personen. den des geborenen und de,Wenn anderer Menschen und der GeWürde nur dem »norsellschaft als ganzer nach seinem des endenden Lebens. malen« und gesunden Leben zuNutzen bzw. Schaden abgewokommt, dann impliziert das notgen und – als lebensunwertes, weil schädliches wendig, dass es durch Krankheiten im Laufe des Leben – auch getötet werden. Lebens zum Verlust der Würde kommen kann. Die Würde wird also zu einem nach empi- Eine dahin gehende Interpretation des GG hätte rischen Kriterien abstufbaren und verrechen- weitreichende Folgen, nicht nur für den Schutz baren Wert. Demnach wäre der Schutz des Le- vorgeburtlichen, sondern auch für den des gebens nach Artikel 2 GG von der Achtung der borenen und des endenden Lebens. EntscheiMenschenwürde nach Artikel 1 – verstanden im dend ist dabei die Abkoppelung der Achtung Sinne der Achtung der Autonomie und bewuss- der Würde vom Schutz des Lebens, wie sie notter Interessen – abzukoppeln, wäre der Ach- wendig aus einem empiristischen Verständnis tung der Autonomie eindeutig unterzuordnen der Würde als Vorhandensein von körperlichen und stünde mit anderen Grund- und Persön- und psychisch-geistigen Lebensqualitäten folgt. lichkeitsrechten, wie z. B. dem Recht auf For- Ein schleichender Zerfall der Rechtssicherheit schungsfreiheit, auf einer Stufe. hinsichtlich der grundlegenden Schutzrechte Daraus folgt, dass es biologisch menschliches für das Leben ist dann kaum noch vermeidbar. Leben geben soll, das nicht unter dem ungeteilDabei ist nicht zuletzt an die zunehmende ten Schutz der Menschenwürde stehe, wenig­ Zahl schwerstpflegebedürftiger alter, insbesonstens dann, wenn es keine Chance hat, zu einem dere dementer Menschen zu denken, die für die Menschen zu wachsen und zu reifen, der sich Gesellschaft zu einer stetig wachsenden »Last« seiner Autonomie bedienen kann, sei es, weil werden. Ist erst einmal der Gedanke des »würdees aufgrund menschlichen Entscheidens über- losen« und »lebensunwerten« Lebens theorehaupt nicht dazu bestimmt ist, geboren zu wer- tisch gefasst und wird er allgemein akzeptiert, den (Abtreibung ungewollten Lebens, überzäh- so stellt er eine reale Gefährdung des Rechts auf lige Embryonen nach künstlicher Befruchtung, menschenwürdige Behandlung und Pflege der u. a.), sei es, weil ihm die psychophysischen Fä- unheilbaren Menschen dar: Informationsbrief 291

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Es macht aus ethischer Sicht keinen grundsätzlichen Unterschied aus, ob man Menschen ein tödliches Mittel besorgt und alle Vorbereitungen für einen erfolgreichen Suizid trifft (z. B. Infusionen) oder ob man die tödlichen Medikamente auch noch verabreicht.

Recht auf Selbsttötung und Tötung auf Verlangen? nach der neuen interpretation des Artikel 1 des GG ist der schutz der Autonomie und des Willens des menschen oberstes verfassungsrechtliches Gebot. Daraus wird ein Recht auf Selbsttötung abgeleitet, dem folgerichtig auch das recht auf Beihilfe zur Selbsttötung und zur Tötung auf Verlangen entsprechen müsste, sofern diejenigen, die darum gebeten werden, diesem Wunsch in freiheit entsprechen. Unstrittig ist, dass der mensch seinem leben selbst ein ende setzen kann. Umstritten ist, ob er ein moralisches Recht dazu hat. Dies ist in der christlichen tradition einhellig bestritten worden, hauptsächlich mit dem Argument, dass der mensch sich das leben nicht selbst gegeben, er es von Gott empfangen hat, es deshalb aber noch nicht zum besitz des menschen wird, über den er nach belieben verfügen darf. fast alle befürworter eines rechts auf selbsttötung rechtfertigen dieses recht damit, dass Umstände eintreten können, aufgrund derer das eigene leben nicht mehr zumutbar und nicht mehr wert ist, gelebt zu werden, also mit einem Lebensunwerturteil. ein solches Urteil stellt eine geistige totalverfügung des menschen über sein eigenes leben dar. Das eigentliche pro12

blem eines rechts auf selbsttötung liegt also in der Anerkennung dessen, dass der mensch sein leben letztgültig als menschenunwürdig einzustufen das recht haben soll, dass es mithin »lebensunwertes leben« gibt. Wenn es dies nach subjektivem ermessen gibt, dann muss man auch anerkennen, dass es objektiv gesehen »lebensunwertes« leben gibt, das man töten darf. Die Anerkennung eines rechts auf selbsttötung öffnet zugleich die tore zur tötung auf Verlangen. Zwischen beiden steht die beihilfe zur selbsttötung, die in Deutschland – im Gegensatz zu anderen ländern (Österreich, england u. a.) – nicht strafbar ist, da die endhandlung, der suizid, nicht strafbar ist, weil die, die einen suizid überleben, schon genügend bestraft sind. es macht aber aus ethischer sicht keinen grundsätzlichen Unterschied aus, ob man menschen ein tödliches mittel besorgt und alle Vorbereitungen für einen erfolgreichen suizid trifft (z. b. infusionen) oder ob man die tödlichen medikamente auch noch verabreicht. entscheidend ist doch, dass man die entscheidung des menschen billigt und man ihm dabei hilft, die selbsttötung selbst durchzuführen. es sind gerade die menschen, die sehr selbstbestimmt gelebt haben und die sich keine Abhängigkeit von der Hilfe anderer menschen April 2015

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vorstellen wollen und können, die dazu neigen, ihrem Leben ein Ende zu setzen, bevor sie sich und anderen »zur Last« fallen. Den Hintergrund bildet ein individualistisches Menschenbild, in der die Autonomie als der höchste Wert und das Angewiesensein auf andere als Unwert ausgegeben wird. Gegen dieses idealistische Menschenbild (Kant, Fichte, Nietzsche), nach dem der Mensch aus sich selbst und durch sich selbst lebt, hat schon Sören Kierkegaard betont, dass »Gottes – und wir sollten hinzufügen ›und des Menschen‹ – zu bedürfen des Menschen höchste Vollkommenheit« und kein Mangel oder gar Unwert ist. Das Angewiesensein auf andere und nicht die Autonomie ist das ganze Leben hindurch die entscheidende Grunddimension des Menschseins. Leben gründet in der aller selbsttätigen Lebensgestaltung als Bedingung der Möglichkeit vorausgehenden liebenden und Leben und Würde schenkenden Fürsorge Gottes und anderer Menschen. Der Mensch wird in erster Linie in solchen Beziehungen der Liebe in seiner ihm von Gott geschenkten Würde geachtet. Der autonome Mensch, der auch in schweren Krisensituationen aus und durch sich selbst leben kann, ist weitgehend eine Fiktion. Er vergisst oft, dass er sein Leben immer primär anderen verdankt und dass er deshalb den anderen gegenüber immer Verpflichtungen hat und für sie Verantwortung trägt. Er sollte sich daher immer bewusst bleiben, was er anderen Menschen mit einem Suizid antut, welche seelische Last, nicht zuletzt Schuldgefühle, er ihnen auferlegt. Aus diesem Grunde sollten Angehörige erst überhaupt nicht als diejenigen in Betracht kommen, die Beihilfe zur Selbsttötung leisten. Das sensible Verhältnis von Angehörigen einerseits und schwer kranker Menschen andererseits sollte nicht noch durch eine solche Zumutung weiter verunsichert werden. Fast jeder Suizid, auch der nur somatisch kranker Menschen ist ein Schrei nach Zuwendung und Hilfe, ja letztlich nach dem grundlegenden »Lebensmittel«, von dem und aus dem alle Menschen leben, den von der Liebe bestimmten mitmenschlichen Beziehungen. Die Aufgabe der Mitmenschen gegenüber den Kranken besteht primär darin, ihnen die Mittel zum Leben anzubieten, die sie brauchen und suchen. Dazu gehört zunächst die Achtung der Würde des Menschen. Das geschieht in erster Linie darin, dass dem Menschen Hilfen angeboten werden, durch die er sein Leben auch im Sterben bestehen kann. Und dazu gehört neben einer guten palliativmedizinischen und pflegerischen Betreuung und mitmenschlichen Beziehungen nicht zuletzt eine Glaubenshilfe, die sich Informationsbrief 291

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als Lebenshilfe in der Zeit schwerer Krankheit und des Sterbens bewährt. Wenn ein Mensch suizidale Absichten äußert, so besteht die Aufgabe der Mitmenschen nicht darin, dieses Urteil eines meist verzweifelten und von Ängsten (z. B. seine Würde zu verlieren, Ängste vor dem Tod als Vernichtung u. a.) und Ohnmacht umgetriebenen Menschen als eigene Handlungsrichtlinie zu übernehmen. Vielmehr sind sie herausgefordert, diesem Urteil als Anwalt des Lebens zu begegnen, nicht primär dadurch, dass man das Urteil mit möglichst rationalen Mitteln widerlegt, sondern dadurch, dass man dem Menschen das anbietet, was ihm fehlt, um das Leben auch in schweren Krisen bestehen zu können. Mehr können Menschen nicht tun. Es kann also kein moralisches Recht auf Selbsttötung geben, das von anderen Menschen zu respektieren wäre oder an deren Ausführung sie sogar mitwirken dürfen oder sollen. Es kann aber auch keine Pflicht geben, den Menschen dauerhaft zum Leben zu zwingen, wenn ihm nicht wirklich zum Leben geholfen werden kann. Der Suizid ist und bleibt eine ethisch nicht zu billigende menschliche Möglichkeit und Wirklichkeit, aber auch eine »Tragödie«, die immer zu verhindern die Grenzen menschlicher Möglichkeiten übersteigt und deren letzte Beurteilung dem Menschen entzogen bleiben, die allein Gott zu überlassen ist. Es gibt kein Recht auf Selbsttötung, Beihilfe zur Selbsttötung und Tötung auf Verlangen, das von anderen zu bejahen ist, keine Selbsttötung, an der andere zu beteiligen sind, sondern nur eine Pflicht, die Selbsttötung möglichst zu verhindern, aber auch nur mit Mitteln, die nicht mehr schaden als helfen, also mit Mitteln, die zu einem Ja zum Leben auch im Sterben ermöglichen. Dies kann das Recht nicht leisten. Dennoch sollte eine Gesetzgebung nicht den Weg zu einem Recht auf Selbsttötung, zur Beihilfe zur Selbsttötung und einer Tötung auf Verlangen eröffnen, sondern die Hilfen zum Leben im Sterben bestärken. Menschenwürdig ist nicht ein Sterben, in dem der Mensch sich selbst den Tod gibt oder geben lässt, sondern ein »getröstetes Sterben«, in dem der Mensch sein Leben in die Hand seines Schöpfers loslassen, ja fallenlassen kann, die sein W Leben auch im Tod umfängt. Literatur des Verfassers zur Thematik: Sterbehilfe – Tötung aus Mitleid? Euthanasie und »lebensunwertes« Leben (R. Brockhaus) Wuppertal 1998 Gentechnik und Embryonenforschung. Leben als Schöpfung aus Menschenhand? (R. Brockhaus) Wuppertal 2. Auflage 2005 13


Von der Kirchenmitgliedschaft zur lebendigen Christus-Beziehung G Ü N T E R R . S CH M ID T

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oziologisch gesehen, ähnelt Kirchenmitglied­ wendet werden. Schließlich braucht die Kirche schaft der Mitgliedschaft in einem Verein zur Aufrechterhaltung des Betriebs auch Geld.« wie beispielsweise dem Bund Naturschutz. Ein Viele Kirchenmitglieder wissen nicht einmal, Vereinsmitglied billigt im allgemeinen die Zie- wie »ihr« Pfarrer heißt und kommen außer zu le des Vereins, wenn auch nicht alle einzelnen Taufen und Beerdigungen kaum zu einem GotMaßnahmen, und unterstützt ihn durch einen tesdienst. Natürlich wissen sie auch, dass die finanziellen Beitrag. Das ist das Minimum von Kirche nicht nur eine lokale Angelegenheit ist, Vereinsmitgliedschaft. Normalerweise wird der sondern auch eine regionale und darüber hinaus Verein auch Aktivitäten wie Teilnahme an Zu- eine globale. Auf vage Weise fühlen sie sich auch sammenkünften, propagandistider Weltchristenheit zugehörig. Solche »lose verbundenen« schen Einsatz für die Vereinszie- mm … viele Kirchenmit­ le und Anwerbung weiterer glieder begnügen sich Kirchenmitglieder werden von Mitglieder erwarten. Viele Mit»enger verbundenen« oft als glieder setzen aber ihre Prioritä- mit einer Art passiver bloße »Karteileichen« diffaten anders und bringen für den Mitgliedschaft.m miert. Einer meiner inzwischen verVerein kaum Zeit und Kraft auf. Sie bejahen die Existenz storbenen Sie begnügen sich mit einer Art Bekannten, eine Kader Kirche – »Kirche passiver Mitgliedschaft. pazität auf seinem naturwissenAuch viele Kirchenmitglieder muss es schon geben« –,m schaftlichen Fachgebiet, äußerte begnügen sich mit einer Art pasöfter, dass er nicht an Gott glauzahlen ­Kirchensteuern, be. Es gehe auf der Welt einfach siver Mitgliedschaft. Sie bejahen die Existenz der geben etwas bei zu schrecklich zu. Er habe ein Kirche – »Kirche muss es schon Sammlungen, nehmen gutes Einkommen. Deshalb bezahle er auch viel Kirchensteuer. geben« –, zahlen Kirchensteuern, Er bezahle sie bewusst und wilgeben etwas bei Sammlungen, aber sonst die ­Dienste nehmen aber sonst die Dienste der Kirche nicht in lig. Denn die Kirche tue auf kader Kirche nicht in Anspruch. ­Anspruch. ritativem Gebiet viel Gutes, sie Auf entsprechende Fragen antfördere ein gewisses ethisches worten sie: »Ich bin evangelisch«, können aber Bewusstsein, erhalte bedeutende Kunstwerke, kaum erklären, was das eigentlich heißt, evan- sie sei im Guten und im Bösen mit der eurogelisch sein. »Die Pfarrer werden es schon wis- päischen Geschichte verbunden. Er fühle sich sen, sie haben es ja schließlich studiert – also der Kirche zugehörig und würde von sich aus brauche ich es nicht zu wissen.« Allenfalls sa- niemals aus ihr austreten. Es sei gut, dass es sie gen sie: »Nein, ich bin nicht katholisch. Ich bin gebe, und deshalb wolle er sie auch fördern. Mit evangelisch. Ich zahle meine Kirchensteuern, Religion habe er zwar »nichts am Hut«, wohl und die werden schon irgendwie sinnvoll ver- aber mit Ethik. Hier berief er sich, ohne viel Ahnung von ihm zu haben, gerne auf Kant. Wo er sich verantwortlich fühlte, nahm er auch Unpopularität in Kauf. Soweit ihm seine berufliche Beanspruchung und seine Familie Zeit ließen, beschäftigte er sich gerne mit Kunst und schöner Literatur. Wäre es angemessen gewesen, ihn als bloße kirchliche Karteileiche zu beschimpfen und wegen seiner fehlenden Kenntnisse und ArgumenGünther R. Schmidt tationsfähigkeit in religiösen und ethischen FraDie Anschrift des Autors gen als »Fachidioten«? Ich tat es nicht nur aus finden Sie auf Seite 30

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Höflichkeit nicht. er war nicht nur ein politisch interessierter und demokratisch verantwortlicher Zeitgenosse, sondern auch ein höchst angenehmer mitmensch. Wegen seiner atheistischen Überzeugungen, die er nur gelegentlich und nie militant äußerte, aus der Kirche auszutreten, hätte er für »unanständig« gehalten. es gibt gar manches Kirchenmitglied, das nur vage einzelne merkmale und lebensäußerungen der Kirche hinnimmt, aber sie finanziell mitträgt. ohne diese »lockeren« mitglieder hätte sie weniger Wirkungsmöglichkeit. Auch sind lockere mitglieder leichter auf Glaubensfragen ansprechbar als aggressiv distanzierte Zeitgenossen.

Christsein –– theologisch theologisch, d. h. auf der Grundlage christlichen Glaubens verstanden, ist die Gemeinde mehr als ein bloßer Verein und Christsein mehr als bloße Vereinsmitgliedschaft. Wer ist Christ? Hier gibt es breitere und engere Verständnisse: breit verstanden ist Christ jeder, für den Christus die wichtigste bezugsgröße bei der beantwortung der frage nach dem sinn seines lebens und der ihn im leben leitenden Werte ist. enger verstanden ist ein Christ ein Getaufter, der sich Christus verbunden weiß und im leben und im sterben auf ihn seine Hoffnung setzt. er lässt sich durch sein Wort in der bibel informAtionsbrief 291

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von ihm anreden und antwortet ihm im Gebet. seine beziehung zu ihm ist persönlich: er bezieht das biblische Wort auf sich ganz persönlich und lässt sich sagen: »Du bist gemeint!« Und er spricht Christus im Gebet an: »Du«. Christsein ist die ich-Du-beziehung zu Christus. Das klingt nach Gleichheit. in der tat macht sich Christus zum freund, zum bruder des Christen. Andererseits bleibt er sein Herr. Christus lässt sich zu ihm herab. Aber er wird nicht zu seinem Kumpanen. Der Christ vertraut nicht nur darauf, dass Christus ihm wohlgesonnen ist, sondern sucht ihm auch zu gehorchen. Das Gesagte klingt so, als wäre die Christusbeziehung, der Glaube, etwas rein innerliches. im Gegenteil: Der Glaube will sich auch äußerlich ausdrücken, und der äußere Ausdruck wirkt stärkend auf seine innerlichkeit zurück. Der Christ drückt seinen Glauben nicht nur als einzelner, sondern zusammen mit anderen Christen aus. Wer durch taufe und Glauben mit Christus verbunden ist, ist damit gleichzeitig mit anderen Glaubenden und Getauften verbunden. er betet nicht nur im »stillen Kämmerlein«, sondern auch öffentlich. Christsein heißt in der Glaubensgemeinschaft (Koinonía) sein.

Kirche –– theologisch theologisch betrachtet, d. h. von den Grundlagen her, auf die sie sich beruft, von schrift und 15


Bekenntnis her, ist die Kirche mehr als eine bloße Vereinigung neben anderen, mehr als eine Religionsgesellschaft. Ihre Versammlungen, die Gottesdienste, sind die Orte, wo Gottes Heil durch Schrift und Bekenntnis in diese Welt einbricht und den Versammelten wirksam mitgeteilt wird. Die Kirche ist »die Versammlung der Gläubigen, in der das Evangelium rein gelehrt und die Sakramente einsetzungsgemäß verwaltet werden« (Augsburger Bekenntnis, Artikel VII). So wie die lokale Versammlung sind auch regionale und globale Zusammenschlüsse von Ortsgemeinden Kirche, sofern auf Versammlungen ihrer Repräsentanten die Merkmale rechter Lehre und Sakramentsverwaltung ebenfalls zutreffen. »Kirche« ist aber nicht nur während solcher Versammlungen um Wort und Sakrament da, sondern auch zwischen ihnen. Denn die Taufe verleiht den Täuflingen ein »untilgbares Prägemal« (character indelebilis), eine Art »Stempel«, der nie entfernt werden kann. Sie sind auch außerhalb des Gottesdienstes Christen und damit in ihrer Gesamtheit Kirche, selbst wenn sie durch antichristliche Kräfte daran gehindert werden, sich zu versammeln. Die Kirche ist »Haus Gottes«, »Tempel Gottes«, »Volk Gottes«. Durch den Empfang des Leibes Christi im Abendmahl werden die Kommunikanten selbst zu Gliedern am »Leib Christi«, der Kirche. Von außen gesehen, sind die Gemeinden

Die Taufe verleiht den Täuflingen ein »untilgbares Prägemal« (character indelebilis), eine Art »Stempel«, der nie entfernt werden kann. Sie sind auch außerhalb des Gottesdienstes Christen und damit in ihrer Gesamtheit Kirche, selbst wenn sie durch antichristliche Kräfte daran gehindert werden, sich zu versammeln. 16

bloße religiöse Vereine und ihre Verbände bloße Religionsgesellschaften, von innen gesehen Orte, wo durch Wort und Sakrament Heil bewirkt und erfahren wird. Das nizänisch-konstantinopolitanische Glaubensbekenntnis von 381 nennt die »eine, heilige, katholische und apostolische Kirche«. Sie ist »eine«, weil sie den einen im Bekenntnis entfalteten Glauben bekennt, »heilig«, geheiligt durch Wort und Sakrament, »katholisch«, weil sie überall verbreitet ist und »apostolisch«, weil sich ihre Lehre und ihre Gottesdienste auf die (im Neuen Testament zusammengestellte) apostolische Tradition gründen. Inwieweit diese Merkmale von Kirche gegenwärtig in angemessener Deutlichkeit hervortreten, kann hier nicht erörtert werden. Als lebender Organismus weist die Kirche bestimmte Lebensäußerungen auf, die herkömmlich unter »Liturgía«, »Martyría«, »Diaconía« und »Koinonía« gefasst werden. Unter Liturgía fallen alle Handlungen, durch die Christen die Zuwendung Gottes erfahren und betend darauf antworten. Sie reichen vom Gebet des Einzelnen im stillen Kämmerlein, seinem Stoßgebet im Alltag, seiner Lektüre der Tageslosung über die Gebetsgemeinschaft und Bibellektüre in kleinen Gruppen bis zur (feierlichen) (Hoch)Messe. Kennzeichnend sind die Offenheit für die Zuwendung Gottes und die Bereitschaft, sich ihm zuzuwenden. Martyría ist das Glaubenszeugnis in Wort, Tat und Leiden. In Worten wird der Glaube der Kirche dargestellt und eingeladen, ihn zu bedenken und anzunehmen. Martyría setzt »Theología« voraus. Theología gibt es auf verschiedenen Stufen: Sie reicht von der einfachen Rechenschaft über die Inhalte des Glaubens, die der einfache Gläubige sich selbst und anderen gibt, bis hin zur akademischen Lehre. Martyría und Theología hängen vielfältig zusammen. So weiß beispielsweise der Märtyrer, warum er um des Glaubens willen Leiden auf sich nimmt: Theología. Rechte Lehre und Sakramentsverwaltung erfordern, um von Verfälschungen frei zu bleiben, ständige geistige Arbeit über den Quellen des Glaubens, d. h. der Bibel und ihrer Auslegungs­ tradition, den Schriften bedeutender Theologen, Bekenntnissen und dogmatischen Formulierungen. Zielt die Kirche mit ihrer Martyría auf das ewige Heil der Menschen; so mit ihrer Diaconía auf ihr zeitliches Wohl. Diaconía reicht von den durch den Glauben motivierten Hilfeleistungen Einzelner bis hin zur organisierten Wohltätigkeit. Die drei Lebensäußerungen Liturgía, Marty­ ría/Theología und Diaconía können nicht vonApril 2015

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Bibel in einer geistlichen Atmoeinander getrennt gesehen wer- mm Als lebender Orga­ den. Liturgía kann nicht ohne nismus weist die Kirche sphäre. Dafür, wie Christen ihre Aufmerksamkeit für Gott auf mindestens elementares Verstesolche einzelnen Möglichkeiten hen bleiben, Theología ist selbst bestimmte Lebens­ verteilen, gibt es keine Vorschrifeine Art intellektueller Andacht, äußerungen auf, die ten, wohl aber Anregungen. Wo Diaconía bezieht ihre Kraft aus herkömmlich unter Glaube aber nicht irgendeine der Liturgía. Form von Liturgia einschließt, In ihren Lebensäußerungen »Liturgía«, »Martyría«, droht er zu verkümmern. Hier tritt die Kirche als Gemein- »Diaconía« und »Koi­ schulden Christen einander »geschaft in Erscheinung. Koinonía durch­zieht somit als weitere Le- nonía« gefasst werden. schwisterliche Ermahnung«. In der Liturgía drückt sich nicht eine Ideobensäußerungen die drei Erstgenannten. Gemeinschaft muss ständig bewusst und im Gebet logie aus, sondern eine Beziehung. Christlicher gesucht und gewahrt werden. Liturgía ist von Glaube ist nicht einfach die Bejahung eines Schisma (Spaltung) bedroht, Martyría/Theo- Gedankensystems, sondern persönliche Bezielogía von Häresie (Irrlehre) und Diaconía von hung zu Christus. Christus redet den Christen in seinem Wort an, und der Christ antwortet Verweltlichung. ihm betend. Christus gewährt ihm eine Ich-duBeziehung. »Ich, Christus, meine dich als eine Christsein –– Kirche von allen anderen unterschiedene Person in der Christ sein heißt in der Kirche sein. Wesens- Gemeinschaft derer, die ich ebenfalls als jeweils notwendig ist Glaube ebenso sozial wie indi- eigene Person meine, dich als besonderen Chrisviduell. Der einzelne Christ hat am Leben der ten in der Kirche.« Christus lässt den Christen Kirche, d. h. ihren Lebensäußerungen teil. Von erfahren, dass er ihn liebt. Der Christ antwortet außen gesehen ist er ein bloßes Vereinsmitglied, ihm in Gegenliebe und Liebe zu seinen Mitvon innen »Glied am Leib Christi« und Erbe christen. Er liebt Christus und die Kirche. des ewigen Lebens. Eine Person ist ein denkendes, fühlendes, Als Glied am Leib Christi trägt er die Le- wollendes und handelndes Wesen. Die Teilhabe bensäußerungen der Kirche mit. Er besucht den des Einzelnen an der Liturgía kann sich nicht Gottesdienst, er betet allein und mit anderen, er auf Fühlen, Wollen und Handeln beschränliest die Bibel oder christliche Andachtsliteratur ken. Er kommt nicht darum herum, sich auch für sich oder mit anderen, er erörtert mit an- den Fragen zu stellen, die aus seinem Inneren deren Christen Themen des Glaubens und des aufsteigen oder ihm von anderen gestellt werchristlichen Lebens über der aufgeschlagenen den: »Sitze ich nicht Täuschungen und SelbstInformationsbrief 291

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täuschungen auf?« »Bin ich denn überhaupt Christ?« »Ist die christliche Botschaft wahr?« »Ist Christus ein wirkliches Gegenüber oder nur ein eingebildetes?« »Wird die christliche Botschaft in meiner Kirche richtig verstanden?« »Ist die Geltung des Christentums nicht durch die bloße Existenz nichtchristlicher Religionen eingeschränkt?« usw. Das sind »Anfechtungen«, die auch denkend bewältigt werden müssen. Folglich braucht jeder Christ nach dem Maß seiner Vorbildung Theología, Martyría gegenüber sich selbst und anderen. Anfechtungen können ehrlicherweise nicht einfach willentlich unterdrückt werden. So bleiben nur das eigene Nachdenken und das Gespräch mit anderen Christen – Theología. Die Dankbarkeit für die im Glauben erfahrene Zuwendung Gottes, schließt den Wunsch ein, der Glaube möge auch in anderen geweckt und gestärkt werden. Dadurch ergibt sich beim Christen ein Antrieb, den eigenen Glauben zu bezeugen und mit anderen immer wieder über Themen des Glaubens zu sprechen. Dazu gehört ein geistliches Fingerspitzengefühl, das Zudringlichkeit ebenso vermeiden lässt wie verschämtes Verschweigen der eigenen Glaubenshaltung. Äußere Nöte von Mitmenschen fallen oft leichter auf als innere. Die Hilfen, zu denen sich ein Christ dadurch herausgefordert fühlt, gehören ebenso unter den Begriff der Diaconía wie seine Unterstützung von Hilfsorganisationen durch Mitarbeit und Spenden. Mit seiner eigenen Liturgía, Martyría und Diaconía beteiligt sich der Christ am Leben der Christenheit. Auch wo er allein handelt, vollzieht er kirchliche Akte. Er hat den Glauben und seine Äußerungsweisen in der Glaubensgemeinschaft gelernt und bleibt ihr darin verbunden. Nun sind aber die Äußerungsweisen der Christenheit sehr vielfältig. Es gibt unterschiedliche Stile der Liturgía von protestantisch nüchtern, fast nur auf das Ohr zielend bis prachtvoll (katholisch und östlich orthodox), ritenfreudig auch auf das Auge gerichtet. Theologisches Denken gibt es in unterschiedlichen Ausfaltungen. Das kirchliche Leben ist nicht nur am Ort vielgestaltig, sondern auch die Weltchristenheit gliedert sich in unterschiedliche Konfessionen auf. Viele Christen vermögen in der Liturgía und der Theología anderer christlicher Gruppen kaum noch mögliche Ausdrucksformen des eigenen Glaubens zu erkennen. Nicht nur die Gesellschaft, welche die Gemeinde umgibt, ist plural von gegensätzlichen Orientierungen bestimmt, sondern auch die Christenheit selbst ist am Ort und erst recht auf der Welt in sich 18

plural. Normalerweise wird ein Christ in die Äußerungsformen seiner Gemeinde und ihrer Konfession hineinwachsen. Bei der heutigen Mobilität gibt es aber zunehmend auch den Fall, dass ihm Äußerungsformen einer anderen Gemeinde oder Konfession mehr entsprechen als die der eigenen. Hier kommt dem Christen die Freiheit zu, in Dankbarkeit für alles, was er in seinem bisherigen christlichen Milieu empfangen hat, die Gemeinde oder die Konfession zu wechseln, insoweit diese nicht der Heiligen Schrift widersprechen. Der rechte Vollzug und Mitvollzug kirchlicher Lebensäußerungen ist darauf angewiesen, dass möglichst viele Christen nach dem Maß ihrer Möglichkeiten kritisch mitdenken. Es wäre abwegig, das Bild von den Hirten und den Schafen so zu verstehen als müssten Laien immer alles billigen, was sich Theologen ausdenken und Entscheidungsträger und -gremien beschließen. Immerhin leitet sich »Laie« von »laikós«, zum »Volk« (Gottes) gehörig, ab. Meinungsverschiedenheiten bis hin zu harten Streitigkeiten lassen sich in der Kirche nicht vermeiden. Dabei kommt alles darauf an, dass es den Beteiligten wirklich um die Sache geht, nicht um Rechthaberei oder Wahrung des eigenen Profils und beide Seiten dies bei der jeweils anderen erkennen können. Auf diese Weise bleiben Auseinandersetzungen »liebender Streit«, und die sachlichen Gegensätze werden nicht zu persönlichen. Wer Christus liebt, liebt auch seine Mitchristen, die Kirche, und wird zum Frieden in ihr beitragen und ihre Einheit wahren wollen. Im Extremfall können aber Christen trotz redlicher Bemühung in den Äußerungen anderer, oft kirchenleitender Personen oder Gremien, keinen legitimen Ausdruck des gemeinsamen Glaubens mehr erkennen. Dann kommt es zu schmerzlichen Trennungen. Wer dann aus einer Kirche im soziologisch-körperschaftsrechtlichen Sinne austritt, tritt nicht aus der »heiligen christlichen Kirche« des Glaubensbekenntnisses aus.

»Von der Kirchenmitgliedschaft zur lebendigen Christus-Beziehung« lautet die Überschrift dieses Beitrags. Gemeint ist darin natürlich eine bloß traditionell und konventionell begründete Mitgliedschaft, aus der sich der Christ heraus- auf eine »lebendige Christus-Beziehung« zu bewegen soll. Eine lebendige Christus-Beziehung schließt aber immer eine lebendige Beziehung zu anderen Christen, zu einer Gemeinde innerhalb der regionalen bis hin zur globalen Christenheit ein. Christ sein heißt in der Kirche sein. W April 2015

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Christentum und Islam Gegenüberstellung der theologischen Grundaussagen von Christentum und Islam in einzelnen Abschnitten –– Teil 5 von 9 Hanns Leiner Christliche und islamische ­Individualethik Ethik beantwortet die Frage: Was sollen wir tun? Dabei ist die Antwort abhängig von dem Glauben oder der Religion, in der der Mensch lebt und handelt. Beide Religionen, Christentum und Islam, geben zwar die Antwort, dass der Mensch den Willen Gottes zu erfüllen hat. Doch worin besteht dieser Wille eigentlich, wie der Mensch das tun kann und warum er das tun soll (Frage nach der Motivation)? Darauf geben sie ganz verschiedene Antworten.

Christlich Maßgeblich für die christliche Ethik ist die Haltung und Lehre Jesu Christi: Im Mittelpunkt seiner Lehre steht aber nicht das oder ein Gesetz, sondern die Liebe und Barmherzigkeit Gottes, seine Nähe und sein Kommen. Davon wird das Handeln seiner Jünger und Nachfolger bestimmt. Jesus Christus wollte das Leben der Menschen nicht durch einzelne gesetzliche Vorschriften regeln, also keine christliche Gesellschaftsordnung aufstellen. Die Radikalität seiner Forderungen entzieht sich jeder gesetzlichen Kodifizierung. Jesus war darum kein zweiter Mose, also kein neuer Gesetzgeber. Er hat den Willen Gottes zusammengefasst im Doppelgebot der Liebe: »Du sollst lieben Gott […] und deinen Nächsten wie dich selbst!« (Matthäus 22,39) Damit hat er den Willen Gottes nur scheinbar vereinfacht und erleichtert, in Wahrheit ungeheuer erschwert. Er hat ihn nämlich konzentriert, radikalisiert, vertieft und verinnerlicht. Damit hat er ihn für

Hanns Leiner †

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Sünder sogar unerfüllbar schwer gemacht (Man denke nur an die Antithesen in der Bergpredigt, Matthäus 5,20ff.). Er zeigt uns: Aus eigener Kraft vermögen wir das nicht zu erfüllen, was Gott will. Denn in einer Gesetzesethik kann man mit Einzelvorschriften wohl fertig werden, mit der Liebe aber nicht. Für sie gilt das, was Paul Tillich dazu geschrieben hat: »Der Mensch in seiner existentiellen Entfremdung (Sünde) ist zur Liebe (zu dieser selbstlosen Liebe, Agape) nicht fähig.« Das war ja auch die niederschmetternde Erfahrung, die Luther beim Versuch der Gesetzeserfüllung im Kloster machen musste. Damit ist nach christlicher Erkenntnis jede Form von Gesetzesgerechtigkeit (Werkgerechtigkeit) unmöglich. Denn »durch das Gesetz kommt« [nicht die Gerechtigkeit, sondern] »die Erkenntnis der Sünde« (Römer 3,20). Denn Gott verlangt nicht nur die äußere, wörtliche Erfüllung der Tat, sondern den Gehorsam des ganzen Menschen, des Herzens und des Willens, und das ohne Einschränkung, ohne Berechtigung auf Lohn und ohne Angst vor Strafe. Dazu ist der Sünder Mensch von sich aus wirklich nicht in der Lage. Er vermag sich dazu auch nicht durch Übung zu erziehen. Dazu bedarf es eines neuen Menschen. Den vermag nur Gott durch Christus zu schaffen. Darum hat Gott in Christus einen anderen Weg mit uns eingeschlagen: Er fängt mit der Liebe an, er erweist uns Sündern seine Barmherzigkeit, und erst dann können wir anfangen zu handeln: »Hat uns Gott so geliebt, so sollen wir uns auch untereinander lieben!« (1.Johannes 4,11) oder: »Lasset uns lieben, denn er hat uns zuerst geliebt!« (1.Johannes 4,19) Christliche Ethik beginnt also nicht mit dem Gesetz und seiner Erfüllung, sondern mit der Gnade und Liebe Gottes und unserem Glauben. Erst daraus ergeben sich die Weisungen für den christlichen Glauben und die Kraft, sie zu tun. So verwandelt Gott im Glauben an Christus den Menschen, schenkt ihm gewissermaßen ein neues Herz; und damit die Kraft, den Willen und die Einsicht, das Liebesgebot zu erfüllen: Das heißt, »in Christus gilt […] der Glaube, der in der Liebe tätig ist« (Galater 5,6). Damit ist 19


unser Tun nichts anderes als die Weitergabe des- ten. Das hat Paul Speratus schon in der Resen, was Christus uns getan hat. formationszeit in seinem Lied »Es ist das Heil Umgekehrt bedeutet das, Sünde ist nicht die uns kommen her« sehr klar besungen: »Es ist Übertretung einzelner Vorschriften, sondern gerecht vor Gott allein, wer diesen Glauben fasdie Verweigerung der Weitergabe des göttlichen set; der Glaub gibt einen hellen Schein, wenn Erbarmens: Das wirft Gott dem Schalksknecht er die Werk nicht lasset; mit Gott der Glaub vor: »Hättest du dich nicht auch erbarmen sol- ist wohl daran, dem Nächsten wird die Lieb len über deinen Mitknecht, wie ich mich über Guts tun, bist du aus Gott geboren. Die Werk, dich erbarmt habe?« (Matthäus 18,33) die kommen g’wisslich her aus einem rechten Aus dieser Einsicht entsprang Glauben; denn das nicht rechdie lutherische Reformation. Wir mm Jesus hat den Willen ter Glaube wär, wolltst ihn der nennen das die Glaubensgerech- Gottes zusammen­ Werk berauben. Doch macht tigkeit. Oder mit einem Bild aus allein der Glaub gerecht; die der Bergpredigt: Nur ein guter gefasst im Doppelgebot Werk, die sind des Nächsten Baum vermag gute Früchte zu der Liebe: »Du sollst Knecht, dran wir den Glauben bringen. Darum muss zuerst der merken« (Evangelisches Gesang­ lieben Gott […] und Baum geheilt werden, dann verbuch 342,6f.). Martin Luther hat das bildlich mag er gute Früchte zu tragen deinen Nächsten wie (Matthäus 7,17–19). Wir wer- dich selbst!« Damit hat anschaulich so beschrieben: »Ein den zuerst von Christus umsonst Christenmensch lebt nicht in begnadigt und angenommen er den Willen Gottes ihm selber, sondern in Christus und gerechtfertigt. Dann dürfen nur scheinbar verein­ und seinem Nächsten: In Chrisund können wir uns aus Dank- facht und erleichtert, in tus durch den Glauben und im Nächsten durch die Liebe; durch barkeit und Liebe ans Werk machen. Damit geht es nicht um die Wahrheit ungeheuer den Glauben fährt er über sich in möglichst genaue Erfüllung von erschwert. Gott und aus Gott fährt er wieeinzelnen Vorschriften, sondern der unter sich durch die Liebe um die eigenverantwortliche Verwirklichung der und bleibt doch so immer in Gott und göttlicher Liebe Christi: »Denn was da gesagt ist: ›Du sollst Liebe […] Siehe, das ist die rechte, geistliche nicht ehebrechen; du sollst nicht töten; du sollst christliche Freiheit, die das Herz frei macht von nicht stehlen; du sollst nicht begehren‹, und was allen Sünden, Gesetzen und Geboten, welche da sonst an Geboten ist, das wird in diesem Wort alle Freiheit übertrifft, wie der Himmel die Erde« zusammengefasst: ›Du sollst deinen Nächsten (Von der Freiheit eines Christenmenschen). Das lieben wie dich selbst.‹ […] So ist nun die Liebe ist evangelische Ethik und deren Motivation. des Gesetzes Erfüllung« (Römer 13,9f.). Paulus geht sogar noch einen Schritt weiter, indem er Islamisch schreibt, dass wir selbst den Willen Gottes finden sollen: »[…] damit ihr prüfen könnt, was Gottes Der Islam stellt demgegenüber einen totalen Wille ist, nämlich das Gute und Wohlgefällige Rückfall in eine kasuistische Gesetzesethik dar und Vollkommene« (Römer 12,2). mit einer Vielzahl von einzelnen Geboten, die Außerdem handeln wir als Christen nicht möglichst alle Fälle des Lebens regeln sollen. dazu, um uns den Himmel zu verdienen und im Dabei zeigt sich eine deutliche Annäherung an Gericht vor Gott bestehen zu können, sondern das Judentum, z. B. beim Schächten und Verbot weil uns das Heil durch Christus schon umsonst des Blutgenusses, beim Verbot von Schweinegeschenkt ist und wir nun dankbar, gerne und fleisch usw. freiwillig und ohne jeden Hintergedanken uns Der Mensch steht völlig unter dem Gesetz, ans Werk machen. Unsere Werke sind nach ei- es gibt dabei keine »Freiheit eines Christenmennem wahren Wort Luthers »freie Werke« in ei- schen«. Er hat die Pflicht, die einzelnen, genau nem doppelten Sinn: Sie sind befreit von der beschriebenen Vorschriften des Gesetzes gehorichsüchtigen Absicht, bei Gott damit gut dazu- sam zu erfüllen. Dabei kommt es auf die Tat an. stehen und sie sind frei, weil wir nicht auf Befehl Die innere Beteiligung oder Bejahung des Geund nach Vorschriften handeln, sondern selber forderten ist nebensächlich. Es wird dabei vorherausfinden sollen und können, was unser ausgesetzt, dass der Mensch bei entsprechender Nächster braucht. Bemühung dazu in der Lage ist, das Geforderte Unser christliches Tun dient also nicht uns zu leisten. Das scheint deshalb möglich zu sein, selbst, sondern ganz und gar unserem Nächs- weil der Mensch nicht als »Gefallener« gesehen 20

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wird und weil es nur auf den Gehorsam der Tat kunft aller Muslime an der Ursprungsstätte und nicht den des Herzens ankommt. des Islam. Der fromme Moslem soll genau das Außerdem sind die Vorschriften zwar de- wiederholen, was ihm einst Mohammed vorgetailliert, aber insgesamt insofern erleichtert, als macht hat. eben nur einzelne Handlungen, aber nicht die Was schließlich das viel zitierte und kritisierte Grundhaltung der Liebe verlangt wird. Der Religionsgesetz der Scharia betrifft, so ist dabei Wille Allahs besteht aus einer Ansammlung zu beachten, dass es sich dabei nicht nur um revon formalen Vorschriften. Manche lassen sich ligiöse Vorschriften, sondern auch um allgemein mit den Zehn Geboten der Bibel vergleichen, rechtliche Gebote handelt, da der Islam den jedoch kennt der Islam nicht Unterschied zwischen Religion die kurze, apodiktische Zusam- mm Im Islam sind die und Recht/Politik nicht kennt bzw. nicht gelten lässt. menfassung der Gebote. Das Vorschriften zwar de­ Insgesamt dreht sich in der lässt sich etwa am fünften Gebot deutlich zeigen: Es lautet im tailliert, aber insgesamt islamischen Ethik alles um den Islam nicht einfach: »Du sollst insofern erleichtert, Gehorsam des Menschen: So nicht töten!«, sondern »Ihr sollt wie er sich im Gebet vor Gott als eben nur einzelne […] niemand töten, den [zu töniederwirft und damit ihm unten] Gott verboten hat, außer Handlungen, aber nicht terwirft, so soll er auch in seiwenn ihr dazu berechtigt seid« die Grundhaltung der nem ganzen Leben sich unter (Sure 6,151). den Willen Allahs stellen, nicht Das Wesen der islamischen Liebe verlangt wird. Der nach dem Sinn des Gebotenen Ethik wird besonders klar sicht- Wille Allahs besteht aus fragen, sondern tun, was ihm bar an der Zusammenfassung einer Ansammlung von aufgetragen ist. der islamischen Gesetze in den Das Motiv für sein Tun und seinen Gehorsam ist dabei natürfünf so genannten Säulen: Beim formalen Vorschriften. Glaubensbekenntnis (wie wir sagen) handelt es lich einerseits die Angst vor Strafe bei Ungehorsich um ein Nachsprechen der Formel, besten- sam, andererseits die Hoffnung auf Belohnung, falls um ein Fürwahrhalten, nicht jedoch um wenn er gehorcht. Deswegen spielt in der musdas, was wir unter Glauben (Vertrauen und Ge- limischen Ethik die Drohung mit der Höllenwissheit des Herzens) verstehen. Beim Ritualge- strafe für die Sünder und die Lockung mit dem bet sagt schon der Name, dass es sich um eine ri- paradiesischen Glück im »Garten« Eden für den tuelle, formale Verpflichtung handelt, bei deren Gehorsamen als Peitsche und Zuckerbrot eine Erfüllung auf die genaue Einhaltung der einzel- so große Rolle. Ganz ungeniert und ungebronen Vorschriften zu achten ist: auf die richtigen chen wird hier mit dem eigenen Interesse des Waschungen und Reinheit, die Haltungen, die Frommen gearbeitet. Der Hauptgrund dafür, richtige Wiederholung der Anrufungen und de- das Gesetz zu tun, liegt also darin, im Gericht ren genauen Wortlaut und die Niederwerfungen vor Allah zu bestehen und ins Paradies einzugeusw. Von einer inneren Andacht des Herzens, hen, bzw. die Hölle zu vermeiden, nicht darin, von persönlicher Bitte oder Zuversicht gegen- einem anderen zu helfen. Darum wird beides, über Allah, überhaupt von einem persönlichen, Strafe und Lohn, im Koran sehr oft und sehr detailliert beschrieben. eigenen Gebet ist nicht die Rede. Bei dieser Form der Ethik handelt es sich um Ähnlich verhält es sich beim Fasten: Es muss auf die richtige Art und Weise durchgeführt so genannten Eudämonismus, d. h. das Streben werden, sonst ist es wertlos. Auch hier erfüllt der nach der eigenen Glückseligkeit. Der Mensch Moslem zwar gewissenhaft, aber rein äußerlich will dabei vor allem für sich selbst etwas haben. formal, gehorsam eine vorgeschriebene Pflicht. Streng genommen muss man diese Haltung Das Fasten hat keine befreiende Bedeutung eine Art religiösen Egoismus nennen. Denn oder Wirkung auf ihn selbst. Die Armensteuer der Mensch gehorcht letzten Endes im eigeist eine Pflichtabgabe (Steuer!) und hat nichts nen Interesse, um sein Heil zu verdienen. Eine mit Almosen, Mitleid oder Liebe zum armen wirklich selbstlose Ethik ist dies allerdings nicht. Mitmenschen zu tun. Sie ist so sachlich objektiv Darum hat Kant diese Ethik abge­lehnt und mit wie es eben bei einer Steuer oder Zwangsabgabe Recht darauf hingewiesen, dass man das Gute auch sonst der Fall ist. Auch bei der Wallfahrt um seiner selbst willen tun muss. Das ist auch nach Mekka geht es vor allem um die richtige, christlich gedacht. Zudem kann diese Selbstervorgeschriebene Durchführung und Abfolge lösung aus den oben schon genannten Gründen W der einzelnen Bestandteile dieser Zusammen- nicht gelingen. Informationsbrief 291

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Oberdeutsche Reformation

An der Bruchstelle zwischen Luthertum und reformiertem Glauben Über die beiden Brüderpaare Ambrosius und Thomas Blarer und Johannes und Konrad Zwick, die vornehmlich in Konstanz ­reformatorisch wirkten Teil 2 von 2 –– Johannes und Konrad Zwick Walter Rominger Johannes Zwick –– »ein Stückchen Seligkeit« So bezeugt es der Arzt, der den todkranken Johannes Zwick pflegte. Kaum weniger als Ambrosius Blarer trug denn auch dessen Vetter Johannes Zwick zur Reformation in Konstanz bei. Wie seine beiden Vettern Ambrosius und Thomas Blarer wurde auch Johannes Zwick in einer angesehenen Konstanzer Patrizierfamilie geboren, welche ursprünglich aus dem schweizerischen St. Gallen einwanderte. Ist auch sein genaues Sterbedatum bekannt (23. Oktober 1542), so das seiner Geburt nicht; doch dürfte Johannes Zwick um 1496 geboren worden sein. Bereits als Kind war er zum Priester bestimmt und erwarb sich die Pfründe von Riedlingen an der Donau (in der Nähe der Freien Reichsstadt Ulm). Dennoch studierte er nach dem Besuch der Schulen in Konstanz und Basel Rechtswissenschaft (wie auch sein Vetter Thomas Blarer) in Basel, Freiburg im Breisgau und in den folgenden Jahren in Bologna, wo er Julius von Pflug zum Freund gewinnen konnte, darauf in Avignon und Siena. In Siena wurde der 1520 zum Dr. juris utriusque promoviert. Anschlie-

Walter Rominger Die Anschrift des Autors finden Sie auf Seite 30

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ßend lehrte er in Freiburg (im Breisgau) und in Basel, wo er mit Ulrich Zwingli und Erasmus von Rotterdam (1467–1557) in Verbindung kam. Die große Wende in Johannes Zwicks Leben trat 1521 ein. Zu der Zeit war nämlich sein Bruder Konrad Zwick (etwa 1500–1557) nach Wittenberg gezogen. So kann davon ausgegangen werden, dass Johannes Zwick auf diese Art und Weise mit Gedanken Martin Luthers und auch Philipp Melanchthons (der ab 1518 in Wittenberg war) vertraut wurde und daraufhin auch die bereits erwähnte Verbindung zu Ulrich Zwingli aufnahm. Der 1522 (oder bereits 1518) zum Priester geweihte Johannes Zwick (hier gehen die Angaben auseinander; RGG³, Bd. 6, Sp. 1950: 1522; EKG von 1953, S. 51 im Anhang zum Evangelischen Kirchengesangbuch, Ausgabe für Württemberg: 1518) trat die ihm zugesagte Pfarrstelle in Riedlingen an der Donau (1522) an und war damals offensichtlich bereits verheiratet (vgl. RGG³, Bd. 6, Sp. 1950). 1523 nahm er an der Züricher Disputation teil, womit die Grundlage der Züricher Reformation gelegt wurde. Dreieinhalb Jahre währte sein Kampf mit dem altgläubigen Klerus im österreichischen Donaustädtchen Riedlingen, wobei diese Aus­ einandersetzung ihn in seiner evangelischen Haltung nur noch bestärkte, aber auch die Ursache dafür war, dass er als Pfarrer abgesetzt und vertrieben wurde (1525/1526). In seinen Riedlinger Jahren hielt er Briefverbindung mit Ulrich Zwingli. Johannes Zwick übernahm darauf ein Predigtamt in seiner Vaterstadt Konstanz, das er, wie auch sein Vetter Ambrosius Blarer, zwölf Jahre lang, von 1526 bis 1538, ohne Bezahlung, April 2015

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Julius von Pflug

Ulrich Zwingli

also rein ehrenamtlich, wahrnahm. In Konstanz war Johannes Zwick denn auch wahrlich mehr »vom Glück verfolgt« und ungleich »erfolgreicher« als in Riedlingen; denn aufgrund seiner und seines Vetters Ambrosius Blarers Predigten verließen Bischof und Kapitel die Freie Reichsstadt am Bodensee; wie stark Gottes Wort doch zu wirken vermag, wenn Gott Gnade und Vollmacht gibt; dann ist es wahrlich »wie ein Hammer, der Felsen zerschmeißt« (Jeremia 23,29). Außer mit seinem Vetter Ambrosius Blarer arbeitete Johannes Zwick denn genauso mit dessen Bruder Thomas und seinem eigenen Bruder Konrad an der Durchführung der Reformation. Johannes Zwick war denn aber, so zumindest Fritz Hauss, »als Prediger an St. Stephan der eigentliche Führer des kirchlichen und politischen Lebens in Konstanz« (RGG³, Bd. 6, Sp. 1950), was sich so meines Erachtens nicht mit dieser Sicherheit aussagen lässt, zumal damit leicht die Verdienste der Brüder Ambrosius und Thomas Blarer in unzulässiger Weise geschmälert werden. Da die Konstanzer Reformatoren eine Disputation im Jahre 1527 zu ihren Gunsten führen konnten, hörte die katholische Predigt in der Freien Reichsstadt am Bodensee auf. Johannes Zwick hielt 1533 auch noch Kontakt zu Martin Bucer (1491–1551), dem Straßburger Reformator, als sich die Konstanzer Freunde von diesem bereits zurückzogen. Johannes Zwick nahm 1536 an den Verhandlungen über die Wittenberger Konkordie teil, ohne diese dann zu unterschreiben. Weiterhin trat er für den Zusammenschluss der evangelischen Gemeinden ein. Besonders der Kinder und Jugendlichen hat sich Johannes Zwick in Konstanz angenommen. Er, der selbst kinderlos blieb, verfasste für die Informationsbrief 291

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Erasmus von Rotterdam

Heranwachsenden mehrere Katechismen, die katechetisch geschickt aufgebaut sind. Freilich, nicht allein für die junge Generation trat er ein, sondern genauso brachte er für die Armen, Kranken und Verstoßenen viel Verständnis und Hilfe auf. In zahlreichen Traktaten und Glaubensauslegungen trat er für das Evangelium ein. Nicht vergessen werden dürfen seine eigenen Erbauungsschriften, seine Katechismen, die gut seelsorgerlich ausgerichtet sind und seine Dichtungen, auf die sogleich eingegangen werden soll. Allgemein kann man sagen, dass er sehr für »seine« Konstanzer Gemeinden eintrat. Seine Gesangbücher erlangten große Bedeutung. Außer dass er selbst 36 Lieder (so viele sind noch bekannt) verfasste, brachte er fünf Jahre nach Zwinglis Tod (1531) im Jahre 1536 als Mitherausgeber zusammen mit Ambrosius Blarer das erste Gesangbuch für reformierte Gemeinden heraus. Es enthält 150 Lieder, wobei die meisten von Martin Luther, Hans Sachs (1494–1576), Ulrich Zwingli und Leo Judae/ Jud (1482–1542) stammen. Bereits zuvor, 1533/1534, gab er das erste Konstanzer Gesangbuch heraus, das in Zürich gedruckt wurde, das für das reformierte Kirchenlied Bedeutung gewinnen sollte. Mit dem »Neu Gesangbüchle« (Nüw gesangbüchle) von 1536 (2. Auflage 1540), das 1540 in Zürich mit der »köstlichen Vorrede« (Fritz Hauss) Johannes Zwicks erschien, wurde er zum Bahnbrecher des Kirchengesangs im oberdeutschen-schweizerischen Raum. Dieses enthielt 17 Lieder Johannes Zwicks. Diese Lieder Zwicks, so Fritz Hauss, »gehören zum besten Liedgut der Reformation überhaupt« (RGG³, Bd. 6, Sp. 1950). Und was auch noch der Erwähnung bedarf, worauf 23


»All Morgen ist ganz frisch und neu« ist das wohl bekannteste Lied Johannes Zwicks und wurde denn auch ins Evangelische Gesangbuch übernommen (EG 440). fritz Hauss wiederum hinweist und womit ein weiteres mal die liebe zu den Kindern und Jugendlichen seiner Vaterstadt zum Ausdruck kommt: »Der ›präzeptor des reformatorischen Konstanz‹ zeigt sich besonders liebenswert und innerlich in seinem auf das evangelische leben der Gemeinde und ihrer Kinder drängenden formschönen und strahlenden liedern« (ebd.). Wenn die einschätzung fritz Hauss’ richtig ist, die lieder Johannes Zwicks »gehören zum besten liedgut der reformation überhaupt«, dann erscheint es recht bedauerlich, dass von fünf liedern, die das evangelische Kirchengesangbuch (eKG von 1953) enthielt, das diesem folgende evangelische Gesangbuch (eG von 1996) nur noch drei enthält. im evangelischen Kirchengesangbuch (eKG) stehen das eher unbekannte lied zur Jahreswende »nun solle Gott, dass unser sang […]« (eKG 23, 17 strophen), das im evangelischen Gesangbuch (eG) fehlt; das lied zur Himmelfahrt »Auf diesem tag bedenken wir, […]« (eKG 91, fünf strophen), das auch zu den unbekannten liedern zählt und im evangelischen Gesangbuch nicht mehr im stammteil, sondern nur noch in regionalteilen zu stehen kommt (in der württembergischen Ausgabe des eG nr. 552); sodann das nur einstrophige tauflied, das ebenfalls zu den unbekannten zählt »o Gott und Vater gnadenvoll, jetzt tauf du uns und reinige […]« (eKG 147), das im evangelischen Gesangbuch nicht mehr abgedruckt ist. Am meisten verbinden sich mit Johannes Zwick die beiden morgenlieder »All morgen ist ganz frisch und neu […]« (eKG 336, vier strophen) und 24

»Du höchstes licht, ewiger schein, […]« (eKG 337, acht strophen), die beide auf dieselbe, von Johann Walter (1496–1570), dem musikalischen mitarbeiter luthers, wiederum auf eine nach einer Vorlage geschaffenen melodie (von 1541) zu singen sind. Diese beiden morgenlieder wurden denn auch ins evangelische Gesangbuch übernommen: eG 440 und 441. im pestjahr 1542 war Johannes Zwick in bischofszell im thurgau, weil der dortige pfarrer an dieser damaligen Geisel der menschheit verstorben war, als dessen nachfolger tätig. mit großer Hingabe widmete er sich den besuchen der Kranken und sterbenden, die er auch pflegte. in manchen Wochen hatte er zehn bis zwölf erwachsene und ebenso viele Kinder christlich zu bestatten. schließlich infizierte sich dieser wackere streiter für die Wahrheit des evangeliums bei seinen zahlreichen Krankenbesuchen selbst mit dem erreger des »schwarzen todes«. Die letzten stunden vor seinem Heimgang verbrachte er im Gebet; freunden sagte er mahnund trostworte zu. Der Arzt, der Johannes Zwick behandelte, war von diesem so sehr beeindruckt, dass das Zeugnis über seine lippen kam: »Hier hat mich der Herr ein stückchen seligkeit sehen lassen.« Am 23. oktober 1542 verstarb Johannes Zwick in bischofszell. betrauert wurde er von ganz Konstanz, bei weitem nicht allein von seinen ihm besonders nahestehenden. Das ist nachvollziehbar, da Johannes Zwick, verstärkt noch durch das gute Verständnis und miteinander mit Ambrosius blarer, für Konstanz ein einmaliger »Glücksfall« war. April 2015

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Konrad Zwick –– nicht bis zu seinem Ende reformatorische gesonnen Wie bei Johannes Zwick ist auch bei dessen jüngerem Bruder Konrad das genaue Geburtsdatum unbekannt; nicht einmal das Jahr weiß man. Er ist um 1500 geboren. Auch er studierte, wie sein Bruder, zu Bologna, anschließend in Wittenberg. Es ist anzunehmen, dass er dort auch mit Martin Luther und dessen Lehre bekannt wurde. Zusammen mit seinem Vetter Thomas Blarer war er seit 1522 Ratsmitglied in Konstanz. So manches Mal war er Vertreter bei Gesandtschaften, z. B. beim Reichstag zu Speyer 1529. Fast im Geiste des alttestamentlichen Gesetzes waren seine Berichte vor dem Konstanzer Rat. Es ging ihm bei seinem eindringlichen Ruf zu Buße und Besserung des Lebens darum, die Zukunft der Stadt zu sichern (wobei zu erwähnen bleibt, dass die Reformation mit einem eindringlichen Ruf zur Buße durch Martin Luther begann, wie seine einleitende erste der 95 Thesen zum Ablass vom 31. Oktober 1517 belegt: »Unser Herr und Meister Jesus Christus wollte mit seinem Wort:

›Tut Buße‹ usw. [Matthäus 4,17], dass das ganze Leben der Gläubigen Buße sei.«). Kündigt sich in der allem Anschein nach gesetzlich-moralisch ausgerichteten Frömmigkeit Konrad Zwicks bereits dessen gegen Ende seines Lebens vollzogene glaubensmäßige Neuorientierung an? Freilich: Die gegenwärtige Christenheit, zumindest in der westlichen Welt, steht kaum in der Gefahr einer zu großen Gesetzlichkeit und überzogenen Moral; viel eher treffen für diese Gesetzlosigkeit, Libertinismus und Unmoral zu. An der an sich segensreichen Zuchtordnung der Stadt Konstanz von 1531 (andere Datierung 1527) arbeitete Konrad Zwick mit. Wie auch seine beiden Vettern Ambrosius und Thomas Blarer musste er, nachdem die römischkatholischen Österreicher 1548 Konstanz erobert und dem Augsburger Interim unterworfen hatten und keine Religionsfreiheit gelten ließen, aus seiner Vaterstadt weichen. Konrad Zwick fand Zuflucht in der Schweiz: im Thorgau und in Zürich. Gegen Ende seines Lebens fiel er vom reformatorischen Glauben ab und endete W bei den Wiedertäufern. Er verstarb 1557.

Aus Kirche und Gesellschaft Papst Franziskus rechnet damit, in zehn Jahren nicht mehr Papst zu sein

Während einer Messe für Athleten und Sportfunktionäre hat das derzeitige Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche, Papst Franziskus gesagt: »Ich wünsche euch alles Gute für die Bewerbung Roms um die Olympischen Spiele 2024« und dem auch angefügt: »Ich werde nicht dabei sein«. Bereits im August 2014 hatte er sich zu seinem Tod geäußert und einen Rücktritt aufgrund gesundheitlicher Beschwerden nicht ausgeschlossen.

(Quelle der Nachricht: Südwestpresse vom 20. Dezember 2014, S. 2, Politik, Notizen)

Getrenntes Abendmahl

Papst Franziskus hat sich gegen ein gemeinsames Abendmahl von Katholiken und Protestanten ausgesprochen. Gläubige jeder Konfession müssten ihren Glauben leben können, »ohne die Unterschiede auf Kosten der Wahrheit wegzuretuschieren«.

(Quelle der Nachricht: Südwestpresse vom 2. Dezember 2014, S. 2, Politik, Notizen)

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Dr. Josef Schuster Wechsel beim Zentralrat der Juden: Schuster folgt ­Graumann

Der Würzburger Arzt Josef Schuster (60), der in Israel geboren wurde und bislang Vizepräsident des Zentralrats der Juden war (zum Zentralrat gehören 108 Gemeinden mit mehr als 100 000 Mitgliedern), folgt als Präsident Dieter Graumann, der nach vierjähriger Amtszeit nicht mehr kandidierte. Zu Vizepräsidenten gewählt wurden Mark Dainow (Offenbach) und Abraham Lehrer (Köln).

Dekan Axel Ebert Baden: Wechsel beim Amt für Missionarische Dienste

Dekan Axel Ebert, bisher im Kirchenbezirk Pforzheim-Land tätig, wird neuer Leiter der Abteilung für Missionarische Dienste im Evangelischen Oberkirchenrat der badischen Landeskirche in Karlsruhe. Der 50-Jährige tritt die Nachfolge von Kirchenrat Hans-Martin Steffe an, der nach 14 Jahren Leitung der Missionarischen Dienste in den Ruhestand geht.

(Quelle der Nachricht: Südwestpresse vom 1. Dezember 2014, S. 2, Politik, Notizen)

(Quelle der Nachricht: ideaSpektrum 48/2014 vom 26. November 2014, S. 31, Südwest)

Wechsel beim Missionswerk »Navigatoren«

Direktorenwechsel bei ­Diakonissen in Bad Gandersheim

Der Physiker Daniel Ackers (50) trat in der Leitung des deutschen Zweiges der »Navigatoren« (Bonn) die Nachfolge von Wolf Christian Jaeschke (62) an, der 15 Jahre an der Spitze dieser internationalen evangelikalen Organisation stand, die seit 1957 in Deutschland besteht und zurzeit 26 Mitarbeiter beschäftigt. Jaeschke will weiter in der europäischen Navigatoren-Leitung tätig sein und sich theologischen Buchprojekten widmen. Der Vorstandsvorsitzende, Professor Frank Schlichtenbrede (Mannheim) würdigte es als wegweisend, dass Jaeschke die Arbeit auf die Bereiche Schüler, Studenten sowie Beruf und Familie konzentriert habe. Ackers war bisher innerhalb der »Navigatoren« für die Arbeit unter Studenten verantwortlich.

(Quelle der Nachricht: ideaSpektrum 47/2014 vom 19. November 2014, S. 14, Von Personen)

An der Spitze des Diakonissen-Mutterhauses Salem in Bad Gandersheim (Harz), das zum pietistischen Bund Deutscher Gemeinschafts-Diakonissen-Mutterhäuser innerhalb des Evangelischen Gnadauer Gemeinschaftsverbandes gehört, hat es einen Wechsel gegeben. Auf Pfarrer Manfred Schultzki (62), der 22 Jahre Direktor war und in den Ruhestand trat, folgt der langjährige Rektor des Sächsischen Gemeinschaftsdiakonissenhauses Zion in Aue, Lutz Behrens (59), der Ende September auf dem Hintergrund struktureller Veränderungen zurückgetreten war.

(Quelle der Nachricht: ideaSpektrum 49/2014 vom 3. Dezember 2014, S. 35, Nord)

LVH hat neuen Besitzer

Das in wirtschaftliche Schwierigkeiten geratene 1947 gegründete traditionsreiche Lutherische Verlagshaus (LVH, Hannover) wurde zum 1. Januar 2015 vom Evangelischen Presseverband in Norddeutschland (epn) mit Sitz in Kiel übernommen. Im LVH verblieben der Buchverlag, der ­Internet-Shop und die Evangelische Zeitung (EZ) Hannover/Oldenburg. Der epn will im LVH die Buchverlagsaktivitäten bündeln und künftig wieder wirtschaftlich arbeiten, so epn-Geschäftsführer Professor Matthias Gülzow. Wie der juristische Vizepräsident im Landeskirchenamt der hannoverschen Landeskirche, Rolf Krämer, sagte, können auf diesem Wege die meisten der etwa 40 Arbeitsplätze im LVH erhalten werden.

(Quelle der Nachricht: ideaSpektrum 50/2014 vom 10. Dezember 2014, S. 29, Nord)

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Evangelische Gesellschaft: Direktor Klotz verlässt den Verband

Der Direktor des Gemeindeund Gemeinschaftsverbandes »Evangelische Gesellschaft für Deutschland« (EGfD), Andreas Klotz (53), seit 2007 dessen Direktor, wird sein Amt zum 30. September niederlegen. Der Verband verliere »einen herausragenden Theologen, Leiter und Kenner der EGfD«. Dem Verband gehören über 5000 Mitglieder und regelmäßige Besucher an.

(Quelle der Nachricht: ideaSpektrum 49/2014 vom 3. Dezember 2014, S. 41, West)

Fürstentum Liechtenstein liberalisiert ­Abtreibungsrecht

Frauen, die ihr Kind abtreiben ließen, mussten bisher im Fürstentum mit einer Haftstrafe bis zu einem Jahr rechnen. Das Parlament hat nun eine Änderung auf den Weg gebracht, nach der Abtreibungen nicht mehr bestraft werden, wenn der Eingriff von einem Arzt vorgenommen wird. Das Fürstenhaus hatte sich bisher stets gegen eine Fristenlösung ausgesprochen.

(Quelle der Nachricht: ideaSpektrum 50/2014 vom 10. Dezember 2014, S. 10, Zahlen)

Bruder des ISIS-Anführers wurde Christ

ISIS-Anführer Abu Bakr hat eine Todes-Fatwa über seinen Bruder Mohammed verhängt, der in den USA Christ geworden ist. Dessen Familie muss ständig vor Anschlägen geschützt werden.

(Quelle der Nachricht: Kurier der Christlichen Mitte 12/2014 vom Dezember 2014, S. 1)

50 Moscheen in Hamburg

Deutschlands zweitgrößte Stadt (1,77 Millionen Einwohner) zählt 50 Moscheen und Moschee-Kapellen. In jeder Gemeinde, so berichten Allah-Anhänger, nehmen durchschnittlich 291 Beter teil. Mehr hätten die Jesus-Anbeter auch nicht.

(Quelle der Nachricht: Kurier der Christlichen Mitte 12/2014 vom Dezember 2014, S. 4)

Affen widerlegen Gender

Bei Versuchen der Uni Cambridge erhielten Rhesusaffen Spielzeug, Autos, Puppen, Bücher. Männliche Affen bevorzugten Autos, weibliche umsorgten Puppen. Das ist doch beachtlich. Aber Gender-Ideologen werden dem keine Beachtung schenken, nicht einmal nachdenklich werden.

(Quelle der Nachricht: Kurier der Christlichen Mitte 1/2015, Januar 2015, S. 1)

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Keine Sonderstellung homosexueller Lebensgemeinschaften! Es kann eine kirchliche Sonderstellung für Homosexuelle nicht geben. Deren Lebensgemeinschaften unterscheiden sich (nach außen) nicht von anderen Lebensgemeinschaften. So leben alternde, unverheiratete oder verwitwete Geschwister oder Freunde und Freundinnen in engster Eintracht zur besseren Bewältigung der Lebensumstände zusammen. Der einzige Unterschied zu diesen ist somit der außergewöhnliche Geschlechtsverkehr, nämlich der unter Gleichgeschlechtlichen. Für einen entsprechenden Sonderstatus für Homosexuelle, der evangelische Gemeinschaften spaltet und überfordert, gibt es weder eine kirchenrechtliche, noch eine staatliche Legitimation. Wenn das doch endlich erkannt würde, hätte dies heilsame, segensreiche Wirkungen zur Folge: Vor allem für innerkirchliche Beziehungen und unterschiedliche Glaubensrichtungen würde Trennendes beseitigt, und zwar nicht nur für evangelische Christen, sondern auch zur römisch-katholischen Kirche und zum weltweiten Christentum. Wieviel an Aktivitäten würde durch den Fortfall von unerquicklichen »Glaubenskriegen« frei für die drängenden, echten Aufgaben der Kirchen, wie den Mitglieder- und Glaubensschwund und die Ausgestaltung des Reformationsfestes im Jahre 2017! Es darf sich allerdings nichts daran ändern, dass Homosexuelle nicht ausgegrenzt werden dürfen. Wenn sie gleichgeschlechtlichen Geschlechtsverkehr ausüben wollen, so soll man sie es tun lassen – aber ohne offizielle kirchliche oder staatliche Legitimation einer Ehe! [Auch wenn praktizierte Homosexualität nicht zu verhindern ist, so können Christen dennoch keine Bejahung dafür finden, da sie sich nicht vom Faktischen, sondern von Gottes Gebot und Willen leiten lassen. Wo immer in der Heiligen Schrift Homosexualität auftaucht, wird sie abgelehnt und als Sünde gebrandmarkt. Im so genannten Heiligkeitsgesetz wird für praktizierte Homosexualität die Todesstrafe gefordert (3.Mose 18,22; 20,13), und kein Geringerer als der Apostel Paulus schreibt, ein solches Verhalten schließe vom Reich Gottes aus (1.Korinther 6,9f.; Galater 5,19–21; 1.Timotheus 1,9–11). W. R.]. Dr. Ulrich Firnhaber, Präsident des Landgerichts a. D. 27


Bislang wohl einmalig in der ­evangelikalen Szene:

Totale Verharmlosung von ­Halloween und Bagatellisierung des von Gott gestifteten heiligen Stands der Ehe Zum diesjährigen Grusel-Ereignis Halloween schrieb der Vorsitzende der Deutschen Evangelischen Allianz (DEA), Pfarrer Dr. Michael Diener (Kassel) auf seiner Facebook-Seite: »Ich bin so etwas von dankbar für Halloween! Wer hat sich eigentlich vor zehn, 15 Jahren für den Reformationstag interessiert? Niemand. Und nun kommt so ein gruselheidnischer Kinderbrauch, und alle entdecken ihre Liebe für den Reformationstag. Klasse – endlich! Aber können wir dann Reformation bitte feiern, ohne die anzuklagen, die einen entleerten Feiertag einfach nur anders gefüllt haben.« Eine solche Verharmlosung von Halloween, die für sich spricht und deshalb an sich kaum einer weiteren Kommentierung bedarf, ist bis jetzt in der evangelikalen Welt Deutschlands beispiellos. Zugunsten Dieners ist einmal anzunehmen und deshalb so zu deuten, dass er über die Hintergründe des »Kinderbrauchs« zu wenig weiß. Am 31. Oktober haben sowohl Satanisten als auch Hexen einen »hohen« Feiertag, was durch Fachliteratur mannigfaltig belegt ist. Diese okkulte Praxis schöpft aus denselben Quellen wie einst die Kelten, von denen dieses »Fest« ursprünglich stammt. Es geht hierbei nicht um einen »Kinderbrauch«, sondern um eine Huldigung der Finsternis, so wie die Bibel diesen Bereich bezeichnet. Zum ersten Mal in der Geschichte haben Archäologen in Irland jetzt damit begonnen, den Schleier um Halloween zu lüften. Sie haben die Orte entdeckt, an denen die Kelten Halloween feierten. Bisher sind sie bei ihren Grabungen auf zahlreiche Tierknochen und Babyskelette gestoßen. Inwieweit sie Opfergaben für den »Gott des Todes« waren, muss noch geklärt werden.

Pfarrer Dr. Michael Diener verharmlost auf seiner FacebookSeite Halloween. 28

Martin Dreyer beteiligt sich als Sat 1-Experte an einer beispiellosen öffentlichen Entwertung der Ehe. Eine andere, kaum zu glaubende Bagatellisierung stammt von dem Schöpfer der gotteslästerlichen Volx-Bibel, dem Jesus-Freak Martin Dreyer. Er ist einer von vier »Experten«, die im privaten Fernsehsender Sat 1 ein in Deutschland bisher einmaliges Sozial-Experiment durchführen. In der Sat 1-Reihe »Hochzeit auf den ersten Blick« werden von den vier »Experten« Kandidaten ausgesucht, die sich zum ersten Mal auf dem Standesamt sehen und dort sofort offiziell heiraten. Sie ehelichen dort einen ihnen bis dahin völlig unbekannten Partner und fahren mit ihm direkt in die Flitterwochen. Sechs Wochen lang werden diese »Ehepaare« mit der Kamera begleitet. Nach den sechs Wochen können sie sich wieder scheiden lassen wenn sie wollen. Bei einem ähnlichen Sozial-Experiment im dänischen Fernsehen haben sich fast alle Paare nach den sechs Wochen wieder getrennt. Diese beispiellose öffentliche Entwertung der Ehe kommentierte der Sat 1-»Experte für Eheangelegenheiten und Eheanbahnungen« Dreyer in einem Interview mit dem christlichen Medienmagazin Pro so: »Gott liebt die Ehe, weil er es liebt, wenn Menschen füreinander Liebe empfinden. Aber es geht ihm nicht um die Institution. Deshalb glaube ich, dass man damit experimentieren darf.« Auch das spricht für sich und bedarf kaum eines weiteren Kommentars. Es bleibt indes zu hoffen, dass derartiges nicht als wegweisend angepriesen wird und Schule macht, sondern einmalig bleibt. (Quelle der Nachricht: TOPIC 12/2014 vom Dezember 2014)

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Aus der Bekenntnisbewegung

Wilhelm Hesemann

Gottfried Meskemper

Hanns Leiner

Zum Gedenken Innerhalb weniger Tage sind zwei langjährige Vorstandsmitglieder der Bekenntnisbewegung »Kein anderes Evangelium« verstorben. Wir trauern um Wilhelm Hesemann und Gottfried Meskemper. Wilhelm Hesemann begleitete von Ende des Jahres 2000 bis 2005 das Amt des 2. Vorsitzenden. Er verstarb nach einer kurzen Krankheitszeit, in der er an Demenz litt, am 28. Januar 2015 im Altenpflegeheim in Borgholzhausen, seinem Heimatort. Gottfried Meskemper gehörte dem Geschäftsführenden Ausschuss (Vorstand) viele Jahre an und hatte das Amt bis kurz vor seinem Tod inne. Seit etwa einem halben Jahr hatte ihn der Krebs angefallen. Es konnte ihm nicht mehr geholfen werden, so dass er nach einem schnellen Verlauf der Krankheit am 21. Januar 2015 im Krankenhaus in Bremen verstarb. Beide Brüder bekannten sich zeit ihres Lebens in Wort und Tat zu Jesus Christus als ihrem Herrn, der sie gerufen und in seinen Dienst gestellt hatte. Die innerkirchlichen Auseinandersetzungen um die unverbrüchliche Wahrheit des Evangeliums und die Geltung des reformatorischen Bekenntnisses hatte sie schon in jungen Jahren veranlasst, sich an der Arbeit der Bekenntnisbewegung und ihrem Kampf um die Reinheit des Wortes Gottes zu beteiligen. Der Verlust beider Männer wiegt für die Bekenntnisbewegung schwer. Ihr vorbehaltloser Einsatz für die angefochtene Gemeinde Jesu Christi zeichnet sie aus. Mit Dank schauen wir auf ihren Weg zurück. Informationsbrief 291

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Wir stellen das Gedenken um Wilhelm Hese­ mann und Gottfried Meskemper unter das Wort: »Gedenkt an eure Lehrer, die euch das Wort Gottes gesagt haben; ihr Ende schaut an und folgt ihrem Glauben nach« (Hebräer 13,7). Hansfrieder Hellenschmidt

Hanns Leiner † Wenige Tage vor dem Christfest ist unser eifrigster Autor, Hanns Leiner, im Alter von 84 Jahren verstorben und in seiner Heimatstadt Augsburg zur letzten irdischen Ruhe gebracht worden. Studiendirektor Pfarrer Hanns Leiner war nach einigen Jahren Pfarrdienst in bayerischen Gemeinden viele Jahre Schulpfarrer an einem Augsburger Gymnasium. Für den Informationsbrief der Bekenntnisbewegung »Kein anderes Evangelium« hat er über Jahre hinweg viele beachtete Beiträge verfasst, zudem eine beträchtliche Anzahl von InfoSpezial. Er wusste sich der Heiligen Schrift und dem lutherischen Bekenntnis verpflichtet. Von daher ist es nicht verwunderlich, dass sein Hauptaugenmerk auf Luther und der lutherischen Theologie und Kirche lag und er ökumenische Bestrebungen mit Skepsis betrachtete. Zudem hat er sich ausführlich mit dem Islam beschäftigt. Es wird nahezu unmöglich sein, für ihn Ersatz zu finden. Doch wir wollen nicht in erster Linie darüber jammern, dass wir ihn verloren haben, sondern dankbar dafür sein, dass wir ihn gehabt haben. Walter Rominger 29


Buchrezension Ein Buch, das »aus dem Rahmen fällt« Auf dem Weg zum Reformationsgedenken 2017 legt Jürgen Diestelmann eine Arbeit vor, die im Vergleich mit zahlreichen weiteren Veröffentlichungen zum Thema wirklich »aus dem Rahmen fällt«. Auf 75 Textseiten, mit zahlreichen Anmerkungen (S. I–XXI) und informativen Illustrationen, beschreibt das Buch mit dem provokativen Titel einen Sachverhalt, der in der gegenwärtigen theologischen Aufarbeitung des Reformationsgeschehens kaum Beachtung findet und sich nur schwer einfügen lässt in die theologischen und kirchenpolitischen Unionsbemühungen unserer Tage. Kenntnisreich, auf jahrzehntelangen Forschungen basierend, dokumentiert der Verfasser, dass die langjährige theologische Weggemeinschaft der beiden Wittenberger Reformatoren schließlich so brüchig geworden war, dass »beide – jeder für sich – bereit waren, Wittenberg zu verlassen, um dem anderen aus dem Wege zu gehen« (S. 44). An Fragen der Abendmahlspraxis, die letztlich die Abendmahlstheologie berühren, war die Freundschaft beider zerbrochen. Ab 1531 kann man von einem wirklichen Dissens beider Reformatoren sprechen. Es ist spannend zu verfolgen, wie die anfängliche Übereinstimmung zwischen Luther und Melanchthon in vielen kleinen Schritten, von Luther weitgehend unbeachtet, zum folgenschweren Dissens führte. Melanchthon vertritt Positionen Zwinglis und der Oberdeutschen, die in vielen Auseinandersetzungen zum Tragen kommen. Diestelmann benennt die beiden »verschiedenen Zielvor-

stellungen« und bezieht sich auf das Reformationsgedenken 2017. Er regt im Rückgriff auf Luthers Positionen an, das Reformationsgedenken unter das Thema zu stellen: Reformation der einen Kirche durch Wort und Sakrament. Dem Verfasser ist zuzustimmen, dass in der EKD »Melanchthons Reformation den Sieg davongetragen hat« (S. 72). Angeführte Beispiele belegen dies und könnten vermehrt werden. So ergibt sich zwangsläufig die widersinnige Situation, dass zum Reformationsgedenken 2017 an einen Martin Luther erinnert wird, dem man Melanchthons unionistische Abendmahlstheologie aufgenötigt hat. Jürgen Diestelmann ist für ein Buch zu danken, dem man Verbreitung in allen theologischen Lagern wünscht. Die zusammengetragenen Fakten sind nicht zu widerlegen und den Folgerungen wird sicher heftig widersprochen werden. Deshalb ist es ein mutiges und wahrhaftiges Buch. Wolfgang Schillhahn (stark gekürzt) Jürgen Diestelmann Luther oder Melanchthon? Der Bruch einer historischen Freundschaft und die Folgen für die heutige Ökumene und das Reformationsgedenken 2017 Pro BUSINESS Berlin 1. Auflage 2014, 15,– Euro ISBN 978-3-86386-690-7

Mitarbeiter an diesem Heft: Professor Dr. Ulrich Eibach Auf dem Heidgen 40 53127 Bonn Telefon (0228) 282128 E-Mail: eibach@uni-bonn.de Präsident des Landgerichts a. D. Dr. jur. Ulrich Firnhaber Bussardweg 4 40670 Meerbusch Telefon (02159) 7302 Pfarrer Hansfrieder Hellenschmidt Rötlenstraße 26 70794 Filderstadt Telefon (07158) 69569 Fax (07158) 9157495 E-Mail: hans.hellenschmidt@gmx.de

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Studiendirektor Pfarrer Hanns Leiner †

Professor Dr. Günter Rudolf Schmidt Schinnerer Straße 11 91065 Erlangen Telefon und Fax (09131) 41793 E-Mail: guersch@t-online.de

Walter Rominger Mehlbaumstraße 148 72458 Albstadt Telefon und Fax (07431) 74485 E-Mail: w.rominger@t-online.de Superintendent em. Wolfgang Schillhahn Neuhausstraße 4 61440 Oberursel (Taunus) Telefon (06171) 6984858 E-Mail: wolfgang@schillhahn.de

Professor Dr. Reinhard Slenczka, D. D. Spardorfer Straße 47 91054 Erlangen Telefon und Fax (09131) 24139 E-Mail: Grslenczka@aol.com

April 2015

Informationsbrief 291


Weitere Exemplare des Informationsbriefes für Juli 2013, Heft 279 und für Juli 2014, Heft 286 sowie das Traktat »Falsche Propheten sind unter uns« können –– auch in größerer Stückzahl –– bei der Geschäftsstelle bestellt werden. Geschäftsführender Ausschuss Stellvertretender Vorsitzender Pfarrer Johannes Frey Ofener Weg 3 28816 Stuhr Telefon (04 21) 5 22 89 10 E-Mail: johannes.frey@kabelmail.de Schriftführer Walter Rominger Mehlbaumstraße 148 72458 Albstadt Telefon und Fax (0 74 31) 7 44 85 E-Mail: w.rominger@t-online.de

Weitere Mitglieder des Geschäftsführenden Ausschusses Gabriele Reimer Beurhausstraße 31 44137 Dortmund Telefon (02 31) 5 84 46 96 Fax (02 31) 5 89 36 37 E-Mail: Gabriele.Reimer@gmx.de Martin Schunn Hölderlinstraße 9 75334 Straubenhardt Telefon (0 70 82) 2 02 75 E-Mail: m.schunn@kvst-nb.de

Bekenntnisbewegung »Kein anderes Evangelium« e. V. Geschäftsstelle: Walter Rominger Mehlbaumstraße 148 72458 Albstadt Telefon und Fax (07431) 74485 E-Mail: w.rominger@t-online.de www.keinanderesevangelium.de

Kassenwart Hans Lauffer Osterstraße 25 70794 Filderstadt Telefon (0 71 58) 48 31 Fax (0 71 58) 94 78 73 E-Mail: hans.lauffer@t-online.de

Mit Fragen bezüglich der Spendenbescheinigungen wenden Sie sich bitte an unseren ­Kassenwart Hans Lauffer. Sie erreichen ihn telefonisch unter (0 71 58) 48 31, per Fax 94 78 73 oder per E-Mail hans.lauffer@t-online.de. Bankkonten Volksbank Filder e. G., (BLZ 611 616 96) Konto-Nr. 65 500 016 IBAN DE34 6116 1696 0065 5000 16 BIC (SWIFT)-Code: GENO DE S1 NHB Postgirokonto Schweiz: Postgiroamt Bern Nr. 30-195 56-2 IBAN CH21 0900 0000 3001 9556 2 BIC POFICHBEXXX

Nachsendeanträge bei der Post kommen bei der Bekenntnisbewegung nicht als Adressänderung an. Deshalb auch bei Umzügen die Adressänderung durch untenstehenden Abschnitt an die Geschäftsstelle weitergeben. Für Neubestellung, Adressänderung und Abbestellung ausschneiden und einsenden an: Bekenntnisbewegung »Kein anderes Evangelium« Geschäftsstelle: Mehlbaumstraße 148, 72458 Albstadt

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Informationsbrief 291

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April 2015

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Postvertriebsstück

E 11299

Informationsbrief BasseDruck GmbH Leimstraße 54–58 58135 Hagen Entgelt bezahlt 2/ 2015 DPAG

All Morgen ist ganz frisch und neu des Herren Gnad und große Treu; sie hat kein End den langen Tag, drauf jeder sich verlassen mag. O Gott, du schöner Morgenstern, gib uns, was wir von dir begehrn: Zünd deine Lichter in uns an, lass uns an Gnad kein Mangel han. Treib aus, o Licht, all Finsternis, behüt uns, Herr, vor Ärgernis, vor Blindheit und vor aller Schand und reich uns Tag und Nacht dein Hand, zu wandeln als am lichten Tag, damit, was immer sich zutrag, wir stehn im Glauben bis ans End und bleiben von dir ungetrennt. Choral von Johannes Zwick Evangelisches Gesangbuch 440, Strophen 1 bis 4


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