Informationsbrief Juni 2015

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Aus dem Inhalt

Neues aus Kirche und Welt Aus Lehre und Verkündigung Andacht zu 2.Mose 23,20 und Hebräer 1,14–2,1 Betrachtungen auf dem Weg zum Reformationsjubiläum 2017 Ist Gott interreligiös? Gewissen und Gewissensschutz Diakonie – Lebensäußerung der K ­ irche?! Christentum und Islam Lucas Cranach der Ältere – Maler der Reformation Aus Kirche und Gesellschaft Aus den Bekennenden Bewegungen

ISSN 1618-8306

Juni 2015 Nr. 292

Bekenntnisbewegung »Kein anderes Evangelium«


kurz+bündig Personen

Altbischof Weber †

Nur wenige Monate nach Eintritt in den Ruhestand ist der frühere Bischof der Evangelisch-lutherischen Kirche in Braunschweig (2002–2014), Friedrich Weber im Alter von 65 Jahren an Lymphdrüsenkrebs verstorben. Der gebürtige Hesse war von 2007 bis 2013 Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) und von 2005 bis 2014 Catholica-Beauftragter der Vereinigten EvangelischLutherischen Kirche Deutschlands (VELKD). Zudem war er geschäftsführender Präsident der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa. Außer zur römisch-katholischen Kirche hatte Bischof Weber auch gute Kontakte zu den Evangelikalen.

Freikirchen-Präsident Günter Hitzemann †

Günter Hitzemann, der frühere Präsident des Bundes Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden (Baptisten- und Brüdergemeinden) verstarb im Alter von 85 Jahren in Hamburg. Der Theologe und Diakoniefachmann nahm zahlreiche Ehrenämter wahr. Von 1973 bis 1975 und von 1981

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bis 1989 war er Präsident der Freikirche. Er gehörte 20 Jahre zur Bundesleitung dieser Kirche und war von 1982 bis 1984 Präsident der Vereinigung Evangelischer Freikirchen (VEF). Für sein vielfältiges Wirken erhielt er 1990 das Bundesverdienstkreuz am Bande und 1989 das Kronenkreuz in Gold der Diakonie. Bayern: Martin Pflaumer wurde 70

Rektor i. R. Martin Pflaumer (Pommelsbrunn bei Nürnberg), einer der führenden Evangelikalen in Bayern, konnte bereits im März seinen 70. Geburtstag begehen. Von 1990 bis 2014 gehörte er der Landessynode an. 1989 war er Gründungsmitglied und bis 2010 Vorsitzender des Arbeitskreises Bekennender Christen in Bayern (ABC), in dem rund 20 theologisch konservative Gruppierungen zusammengeschlossen sind. Hauptberuflich war Pflaumer im Schuldienst. Von 1995 bis zum Eintritt in den Ruhestand leitete er eine Hauptschule in Hersbruck bei Nürnberg. Einige Zeit gehörte er auch zum Bundesarbeitskreis der Bekenntnisbewegung »Kein anderes Evangelium«.

Alt-Präses Peter Strauch erhält Neviandt-Preis

Der langjährige Präses des Bundes Freier evangelischer Gemeinden und frühere Vorsitzende der

Deutschen Evangelischen Allianz (2000–2006), Peter Strauch (72, Witten) erhält für sein theologisches und musikalisches Wirken einen Historiker-Preis. Stifter des »Neviandt-Preises«, benannt nach dem Mitbegründer des Bundes Freier evangelischer Gemeinden, Friedrich Heinrich Neviandt (1827–1901) sind die evangelische Freikirche und der SCM-Bundesverlag (Witten).

Roland Werner verlässt CVJM

Auf eigenen Wusch ist zum 31. März der CVJM-Generalsekretär Roland Werner (57, Marburg) nach vier Jahren aus diesem Amt ausgeschieden. Er wolle sich »noch stärker auf inhaltliche, schriftstellerische und verkündigende Arbeit konzentrieren«, bleibt aber auch in Zukunft dem CVJM verbunden. ProChristVorsitzender wird er weiterhin bleiben.

Bibel Jahreslosungen der ­kommenden Jahre

Die Ökumenische Arbeitsgemeinschaft für Bibellesen hat als Jahreslosung für 2018

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ausgewählt: »Gott spricht: Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst« (Offenbarung 21,6b). Die Jahreslosung für 2017 heißt: »Gott spricht: Ich schenke euch ein neues Herz und lege einen neuen Geist in euch« (Hesekiel 36,26) und für 2016: »Gott spricht: Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet« (Jesaja 66,13).

Kirche in Deutschland Rheinische Kirche hat bald mehr Pfarrerinnen als Pfarrer

Betrug 1985 der Frauenanteil unter den Pfarrern der rheinischen Kirche noch 6,5 Prozent, so liegt er gegenwärtig bei 36 Prozent (2005 bei 27 Prozent) und steigt weiter an, was daraus hervorgeht, dass von den 117 Theologiestudenten 67 Frauen sind. Von den Vikaren sind 63 weiblich. Sieben der 38 Superintendenten sind weiblich.

Baden: »Netzwerk evangelischer Christen« gegründet

Weil sie über den geistlichen Kurs ihrer badischen Landeskirche besorgt sind und wollen, »dass die biblische Botschaft Gehör findet und zur Geltung kommt«, haben Mitglieder dieser Kirche ein »Netzwerk evangelischer Christen« gegründet. »Wir lieben unsere Kirche. Gerade deshalb sehen wir mit Sorge, dass in verschiedenen Bereichen auch der badischen Landeskirche Wege einge-

schlagen werden, die sich von den biblisch-reformatorischen Grundlagen entfernen und dem Zeitgeist folgen.« Allerdings sei die Gründung eines Vereins nicht geplant. Das Leitungsteam bilden die drei badischen Pfarrer: Gerrit Hohage (Hemsbach bei Weinheim), Lothar Mößner (Schriesheim bei Heidelberg, Mößner ist auch Vorsitzender der ChristusBewegung Baden, früher Evangelische Vereinigung für Bibel und Bekenntnis) und Günther Wacker (Keltern bei Pforzheim, Wacker steht dem badischen Pfarrerinnen- und Pfarrer-Gebetsbund vor).

kurz+bündig

Personen +++ Kirchen +++ Glauben +++ »Modernes Leben«

AfeM benennt sich um

Nach einem Beschluss der Mitgliederversammlung benennt sich der zur Deutschen Evangelischen Allianz gehö-

Weltverfolgungsindex Christenverfolgung 2014 noch schlimmer

2014 haben sowohl die Schärfe als auch die geographische Ausbreitung der Christenverfolgung zugenommen. In einem Weltverfolgungsindex werden 50 Länder aufgelistet, in denen Christen am stärksten benachteiligt sind. Rund 100 Millionen Menschen seien betroffen. Damit seien die Christen die am stärksten verfolgte Glaubensgemeinschaft. Am schlimmsten ist ihre Verfolgung im kommunistischen Nordkorea, das seit 2002 ununterbrochen diese unrühmliche Spitze einnimmt. Die folgenden sieben Plätze nehmen Staaten ein, in denen der islamische Extremismus als Hauptquelle für die systematische Verfolgung von Christen gilt: Somalia, Irak, Syrien, Afghanistan, Sudan, Iran und Pakistan. Erstmals unter den ersten zehn ist Nigeria (Rang 10). Die Türkei kehrte nach dreijähriger Abwesenheit unter die ersten 50 Länder des Index zurück (Rang 41).


kurz+bündig rende Verein »Arbeitskreis für evangelikale Missiologie« (AfeM) um und heißt künftig »Evangelischer Arbeitskreis für Mission, Kultur und Religion«.

Kirche weltweit

WEA hat neuen General­ sekretär: den philippinischen Bischof Efraim Tendero

Neuer Generalsekretär der Weltweiten Evangelischen Allianz (WEA, repräsentiert nach eigenen Angaben mehr als 600 Millionen evangelikaler Christen in sieben regionalen und 129 nationalen Allianzen) ist der philippinische Bischof Efraim Tendero (Manila). Er tritt die Nachfolge des Kanadiers Geoff Tunicliffe (Vancouver) an, der seine zehnjährige Tätigkeit als Generalsekretär zum 31. Dezember beendete. Tendero ist seit 1993 Direktor des Philippinischen Rates Evangelikaler Kirchen, der (nationalen) evangelischen Allianz, die rund 30 000 Gemeinden repräsentiert.

Pietismus Ulrich Scheffbuch neuer Leiter der Hülbener Konferenz

Der württembergische Pfarrer Ulrich Scheffbuch (50) ist neuer Leiter der Hülbener Konferenz und folgt auf Siegfried Kullen, der diese (altpietistische) Konferenz 35 4

Jahre lang geleitet hatte. Zwei bedeutende pietistische Konferenzen finden in Hülben (bei Reutlingen) statt: am Kirchweihmontag im Oktober und an Silvester.

ihre Würdenträger nicht fallen, wie der Vorgang um den ehemaligen Limburger Bischof Tebartz-van Elst zeigt. Als Bischof war er wegen einer rund 31 Millionen Euro teuren Bischofsresidenz in die Schlagzeilen geraten und dann zurückgetreten. Nun erhält er 15 Monate nach seinem Rücktritt einen Posten als Sekretär im Vatikan und zwar im »Rat für die Förderung der Neuevangelisation«.

Hannoverscher Gemeinschaftsverband mit neuem Inspektor

Gerhard Stolz ist der neue Inspektor des Hannoverschen Landeskirchlichen Gemeinschaftsverbandes (Sitz in Celle, 22 hauptamtliche Mitarbeiter, mehr als 5000 Mitglieder und regelmäßige Besucher der Veranstaltungen an 150 Orten Norddeutschlands). Der 52-jährige Stolz folgt auf Jürgen Pasche, der 23 Jahre lang amtierte und seit dem 1. Januar 2015 Direktor des Theologisch-pädagogischen Seminars Malche (Porta ­Westfalica) ist.

Kardinal Marx möchte wiederverheirateten Geschiedenen Eucharistie ermöglichen

In der Frage um den Kommunionsempfang für wiederverheiratete Geschiedene fordert der Vorsitzende der (katholischen) Deutschen Bischofskonferenz, der Münchner Kardinal Reinhard Marx, mehr Anstrengungen der Bischöfe in der Problemlösung. Mit Blick auf die Weltbischofssynode strebt Marx einen Konsens in dieser Frage an.

175 Jahre St. Chrischona

Im Frühjahr feierte das aus dem Pietismus erwachsene Werk »Chrischona International« seinen 175. Geburtstag. Auf dem großen Campus von St. Chrischona in Bettingen bei Basel wurde das Jubiläum mit Gottesdiensten und anderen Veranstaltungen begangen.

Ethik

Römisch-katholische Kirche Tebartz-van Elst bekommt Posten im Vatikan

So ganz lässt auch die römisch-katholische Kirche

EU-Abtreibungsbeschluss zutiefst gottlos

Scharfe Kritik hat die Entschließung des Europaparlaments für ein Recht auf Abtreibung ausgelöst. Die Konferenz Bekennender Gemeinschaften bezeichnet diesen Beschluss als »zutiefst gottlos«.

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Aus Lehre und Verkündigung mm Aus einem Brief Martin Luthers an Hieronymus Weller: »In dieser Art Anfechtung und des Kampfes ist die Verachtung die beste und leichteste Weise, den Teu­ fel zu besiegen. Verlache den Widersacher und suche jemanden, mit dem du vertraulich plaudern kannst. Die Einsamkeit musst du auf jede Weise fliehen, denn so fängt er dich am sichersten und stellt dir nach, wenn du allein bist. Durch Spott und Verachtung wird dieser Teufel überwunden, nicht durch Widerstand und Disputieren. Daher sollst du mit deiner Frau und den andern scherzen und spielen, damit du diese teuflischen Gedanken zu Fall bringst, und sei darauf bedacht, dass du guten Mutes bist, lieber Hieronymus […] Und sooft dich der Teufel mit diesen Gedanken pla­ get, suche sofort die Unterredung mit Menschen oder trinke etwas reichlicher oder treibe Scherze und Possen oder tue irgendetwas anderes Heiteres.« Martin Luther

mm Meine Hoffnungm Mir ist es bisherm wegen angeborener Bosheit und Schwachheit m unmöglich gewesenm den Forderungen Gottes zu genügen.m Wenn ich nicht glauben darf,m dass Gott mir um Christi willenm dies täglich beweinte Zurückbleiben vergebe,m so ist’s aus mit mir.m Ich muss verzweifeln. m Aber das lass ich bleiben.m Wie Judas an den Baum mich hängen, m das tu‘ ich nicht.m Ich hänge mich an den Hals oder Fuß Christim wie die Sünderin.m Ob ich auch noch schlechter bin als diese,m ich halte meinen Herrn fest.m Dann spricht er zum Vater:m Dieses Anhängsel muss auch durch.m Es hat zwar nichts gehaltenm und alle deine Gebote übertreten.m Vater, aber er hängt sich an mich.m Was will’s! Ich starb auch für ihn.m Lass ihn durchschlupfen.m Das soll mein Glaube sein. Martin Luther

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mm Nur der Weg zurück zum Ganzen der Bot­ schaft der Bibel – und zwar nicht nur als Lehr­ aussage, sondern gleichzeitig auch als gelebte Verwirklichung – kann die Kräfte der Christen­ heit voll freimachen zur Erneuerung ihrer selbst, zur Erneuerung der Menschen, zur Erneuerung der Welt, in Erfüllung des Auftrags, der ihr von ihrem Herrn gegeben ist. Kurt Aland

mm Aber so ist das eben: vom Konfirmanden bis zum Bischof, vom Pfarrer bis zum Theologiepro­ fessor, vom Kirchenvorstand bis zum Welt­ kirchenrat hat jeder irgendwo irgendwelche Bedenken gegen irgendetwas, was in der Bibel steht, weil es seiner Erfahrung, seinen wissen­ schaftlichen Erkenntnissen, seiner Vernunft oder was weiß ich widerspricht. Paulus war einer der größten Geister der Menschheit, dem das ganze Heer der modernen Meckerer und Meckerinnen nicht das Wasser reichen kann. Dieser Geistes­ riese war sich nicht zu schade, vor seinen welt­ lichen und geistlichen Richtern den geradezu kindlichen Satz zu sagen: »Ich glaube allem, was im Gesetz und in den Propheten geschrieben steht« [Apostelgeschichte 24,14]. Theo Lehmann

mm Jesus hat nicht Programme zur Abschaf­ fung des Unheils in der Welt ausgerufen. Er hat immer Menschen in ihren Nöten angesprochen und ihnen das Heil angeboten. Winrich Scheffbuch

mm Bisher ist kein Mensch durch Druck Christ geworden. Das hat in der Mission nie funktio­ niert. Ein Mensch kann nur durch die Predigt des Evangeliums Christ werden. Missionare haben keine irdische Macht, sie haben nur das Zeugnis von Jesus. Winrich Scheffbuch

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Durch ihn ist das Erreichen des Zieles gewiss Andacht zu 2.Mose 23,20 und Hebräer 1,14––2,1 Johannes Frey Siehe, ich sende meinen Engel vor dir her, der dich behüte auf dem Wege und dich bringe an den Ort, den ich bestimmt habe. 2.Mose 23,20 Sind die Engel nicht allesamt dienstbare Geister, ausgesandt zum Dienst um derer willen, die das Heil ererben sollen? Darum sollen wir desto mehr achten auf das Wort, das wir hören, damit wir nicht am Ziel vorbeitreiben. Hebräer 1,14–2,1 Das Volk Gottes ist auf dem Weg durch die Wüste. Es ist nicht ein Weg des Erfolgs. Es ist ein Weg der Entbehrung. Und des Mangels. Feinde verstellen dem Volk Gottes den Weg in das gelobte Land. Feinde, die viel größer und mächtiger sind. Mit Vernunft betrachtet besteht keine Aussicht, das Ziel zu erreichen. Vernünftig wäre, das unmögliche Unternehmen zu beenden und zurückzukehren zu den Fleischtöpfen Ägyptens – lieber als Sklave zu darben, als in Freiheit zugrunde zu gehen. Es gibt keinen vernünftigen Grund, weiterzugehen.

Johannes Frey Die Anschrift des Autors finden Sie auf Seite 30

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Und doch gibt es einen Grund. Für die Vernunft ist es kein Grund. Aber es ist ein Grund für den Glauben. Der Grund ist das Wort des lebendigen Gottes: »Siehe, ich sende meinen Engel vor dir her, der dich behüte auf dem Wege und dich bringe an den Ort, den ich bestimmt habe.« Durch ihn ist das Ziel erreichbar. Ja, noch viel mehr: Durch ihn ist das Erreichen des Zieles gewiss. Im Vertrauen auf diese Zusage Gottes kann das Volk Gottes seinen Weg fortsetzen. Ohne solches Vertrauen kann es nur verzagen. Und aufgeben. Aber es ist ja der lebendige Gott, der da spricht. Darum geben wir nicht auf. Denn Er bringt uns an das Ziel. An eine Bedingung hat Gott seine Verheißung allerdings geknüpft. Wir lesen im folgenden Vers: »Hüte dich vor ihm und gehorche seiner Stimme.« Der Glaube erweist sich im Gehorsam. Denn wenn wir nicht auf Gottes Wort hörten, würden wir beweisen, dass wir ihm eben nicht glauben. Dietrich Bonhoeffer hat es in seinem berühmten Diktum auf den Punkt gebracht: »Nur der Gehorsame glaubt. Und nur der Glaubende ist gehorsam.« Aber im gehorsamen Glauben und im glaubenden Gehorsam wird Gottes Volk sein Ziel erreichen. Und wir wissen ja: Es hat das Ziel schließlich erreicht. Der Hebräerbrief ist der Brief Gottes an das wandernde Gottesvolk des Neuen Bundes in Jesus Christus. Auch wir sind von Wüste umgeben – auch wenn sie in materieller Hinsicht nicht als Wüste erscheint. Unsere Mägen sind satt. Unsere Hirne sind übersättigt von Information und Juni 2015

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Zerstreuung, die uns aus allen Kanälen der der Volkskirche. Die Frage stellt sich auch für die medialen Welt überschwemmen. Aber unsere evangelikale Bewegung und für den Pietismus. Herzen hungern und dürsten nach der klaren Und auch für die Bekenntnisbewegung ist Wegweisung aus dem Gesetz schon gefragt worden, ob es unseres Gottes. Sie hungern mm Aber auf solche Fragen nicht Zeit sei, ein Ende zu und dürsten nach dem Zu- der Resignation kann es machen, weil in der christlispruch der göttlichen Gnade chen Spaßgesellschaft für ein aus dem Evangelium unseres nach meiner Überzeugung solches Unternehmen einfach Herrn Jesus Christus. nur ein klares »Nein!« geben.m kein Bedarf mehr besteht. Wir halten sehnsüchtig Aber auf solche Fragen der Nicht ein trotziges Nein. m Ausschau – nicht nach Brot Resignation kann es nach meiund Wasser wie einst das Volk Und nicht ein verbissenes. ner Überzeugung nur ein klaIsrael, aber nach Brüdern und Unser »Nein!« zur Resigna­ res »Nein!« geben. Nicht ein Schwestern, die die Mühen trotziges Nein. Und nicht ein und Lasten des Weges mit uns tion ist ein fröhliches und verbissenes. Unser »Nein!« teilen. Und nach Vätern, die ein getrostes. Denn es m zur Resignation ist ein fröhliuns vorangehen, die uns das erwächst aus dem »Ja!« m ches und ein getrostes. Denn Wort sagen und uns den Weg es erwächst aus dem »Ja!« der weisen. Als ich jung war, gab der Verheißung Gottes. Verheißung Gottes. es sie noch – hier und da. Doch sie sind geganWir haben eine größere Verheißung als die, gen. Und wir Nachgeborenen sind nicht zu Vä- die Israel damals durch die Wüste an das irditern im Glauben herangewachsen. Es gibt keine sche Ziel gebracht hat. Der auferstandene Herr Hirten mehr – nur noch Schafe. hat versprochen: »Siehe, ich bin bei euch alle Tage Mir scheint das ein Kennzeichen dieser Zeit bis zum Ende der Welt.« »In der Welt habt ihr zu sein, dass wir nicht mehr abtun, was kindisch Angst. Aber seid getrost. Ich habe die Welt überwar – wie Paulus in 1.Korinther 13 schreibt. wunden.« Und von seiner Kirche sagt er: »Die Die Haare werden wohl noch grau mit der Zeit. Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen.« Aber geistlich scheinen wir nicht mehr aus den Er ist das Wort, das von Anfang war. Ihn dürWindeln zu kommen. Die Frömmigkeit präsen- fen wir hören. Dann werden wir nicht auf dem tiert sich zunehmend als unverbindliches Spiel. Wege zugrunde gehen. Und dann werden wir Christliche Versammlungen gleichen mehr und das Ziel nicht verfehlen. Wir werden ihn einst mehr überdimensionalen Kindergeburtstagen. preisen an dem Ort, den er uns bereitet hat. Sie dienen mehr der Belustigung als der geist- Aber bis dahin lasst uns Zeugen sein für dielichen Auferbauung. Die Vernunft fragt da mit sen Herrn. In fröhlichem Trotz lasst uns allen Recht, ob die Kirche noch eine Zukunft habe Mächten der Verführung und der Verzagtheit W – und das nicht nur im Blick auf die Strukturen entgegenhalten: »Jesus lebt. Jesus siegt.« Informationsbrief 292

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Reformation in der Kirche 1517 und 2017

Betrachtungen auf dem Weg zum Reformationsjubiläum 2017 rEinhard slEncZKa »Ich kann nicht anders, hier stehe ich. Gott helfe mir. Amen.«1 Dieser offenbar in deutscher sprache in seiner lateinischen Verteidigungsrede vor dem reichstag zu Worms am 18. april 1521 gesprochene satz fasst für viele seit Jahrhunderten Luthers öffentliches auftreten als reformator zusammen. meistens beschränkt das sich in Zitaten und inschriften auf die geradezu sprichwörtliche Wendung: »Hier stehe ich, ich kann nicht anders« – ein beispiel von mut, beharrlichkeit, vielleicht auch Dickköpfigkeit, zumal wenn das stoßgebet »Gott helfe mir. Amen« ausgelassen und unbeachtet bleibt. Doch gerade darin zeigt sich, wie Luther keineswegs nur vor der weltlichen macht von Kaiser und reich steht, sondern vor dem allmächtigen Gott, dem richter und retter. ausdrücklich verweist Luther in seiner rede2 auf die aussendungsrede Jesu für seine Jünger,

Reinhard Slenczka Die anschrift des autors finden sie auf seite 30

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wobei zwei Dinge zu beachten sind: Zum einen das Wort Jesu vom bekennen und Verleugnen: »Wer nun mich bekennt vor den menschen, den will ich auch bekennen vor meinem himmlischen Vater. Wer mich aber verleugnet vor den menschen, den will ich auch verleugnen vor meinem himmlischen Vater« (matthäus 10,32f.; markus 8,38; Lukas 9,26: 2.timotheus 2,12) Zum anderen verweist er auf die trennende Wirkung des Wortes Gottes: »man muss sehen, dass um das Wort Gottes eifer und Zwiespalt ausgelöst wird. Das nämlich ist der Lauf, fall und ausgang des Wortes Gottes, wie der Herr selbst sagt: ›ihr sollt nicht meinen, dass ich gekommen bin, frieden zu bringen auf die erde. ich bin nicht gekommen, frieden zu bringen, sondern das schwert. Denn ich bin gekommen, den menschen zu entzweien mit seinem Vater […]‹« (matthäus 10,34f.). Das Wort Gottes der Heiligen schrift ist eben nicht ein text aus alten Zeiten, sondern Gott handelt darin, in Gesetz und evangelium, richtend und rettend, in Verstehen und Verstockung (vgl. Hebräer 4,12f.). Das ist etwas völlig anderes als die auslegung von texten auf dem Hintergrund einer vermuteten entwicklung menschlicher Geistesgeschichte und Verstehensvoraussetzungen. nicht nur diese scheinbar heldenhafte situation vor der höchsten instanz des reiches, sondern die ganze reformation kann nur von dieser situation her als geistliches ereignis durch die Wirkung des Wortes Gottes verstanden werden, Juni 2015

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wie nun Luthers bekenntnis in seiner Verteidigung zeigt, indem er die aufforderung zum Widerruf seiner schriften ablehnt: »Wenn euer majestät und Herrschaften eine einfache antwort wünschen, dann will ich sie ohne Hörner und Zähne geben: Wenn ich nicht überzeugt werde durch schriftzeugnisse oder vernünftige einsicht (denn ich glaube weder dem Papst noch den Konzilen allein, zumal feststeht, dass die oft genug geirrt und einander widersprochen haben), so bin ich überwunden durch die von mir angeführten schriftstellen und gefangen im Gewissen durch Gottes Wort, so kann und will ich nicht irgendetwas widerrufen, zumal gegen das Gewissen zu handeln weder gefahrlos noch unschädlich ist. ich kann nicht anders, hier stehe ich, Gott helfe mir, amen.«3 mit einem sehr kurzen Hinweis machen wir uns klar, wie es zur kirchlichen und politischen Verurteilung Luthers kam: Die 95 thesen gegen den ablass vom 31. oktober 1517 hatten die römische Kirchenverwaltung vor allem deshalb beunruhigt, weil es dabei um kirchliche einkünfte u. a. für den bau des Petersdoms in rom sowie um die finanzierung von ausnahmegenehmigungen für kirchliche Würdenträger zum erwerb einträglicher Ämter ging. bereits im november wurde Luther in rom angeklagt und zum Widerruf aufgefordert. inhaltlich betrafen die thesen gegen den ablass die Praxis der seelsorge, zumal die vom Herrn gegebene Vollmacht zu binden und zu lösen (Johannes 20,21–23pp.). Kern der Kont-

roverse war dabei die frage, ob die Vergebung der sünde an psychologischen und rechtlichen regeln und forderungen zur Gewissenserforschung hängt oder allein an dem Wort des Herrn, an das sich der Glaube hält: »Dir sind deine Sünden vergeben.« auch hier treffen wir auf den entscheidungspunkt: menschliche regeln und forderungen oder Wirkung des Wortes, von dem der Glaube gehalten wird. Papst Leo X. hatte in seiner bulle »Exsurge Domine« (»steh’ auf Herr, in deinem Zorn«, Psalm 7,7) vom 15. Juni 1520 insgesamt 41 sätze aus Luthers schriften verurteilt und deren Widerruf gefordert. Luther hat diese bulle am 10. Dezember zusammen mit kirchenrechtlichen schriften vor dem elstertor in Wittenberg öffentlich verbrannt und einen Widerruf abgelehnt. Daraufhin wurde er am 3. Januar 1521 durch die bulle »Decet Romanum Pontificem« (»es geziemt dem römischen bischof«) exkommuniziert, also aus der Kirche und von deren Gnadenmitteln ausgeschlossen. Der kirchlichen Verurteilung hatte die staatliche Verurteilung zu folgen, und das geschah durch den reichstag zu Worms, der vom 27. Januar bis 26. mai 1521 tagte mit dem ergebnis, dass Luther in die reichsacht getan und damit für vogelfrei erklärt wurde. Jeder konnte ihn straflos töten. im geschichtlichen rückblick erscheint die Verbindung von kirchlicher und staatlicher Verurteilung unverständlich, wenn wir die oberflächliche these einer trennung von staat und Kirche vor augen haben. Doch am beispiel der

Luther verbrennt die Bannandrohungsbulle – Gemälde von Paul Thumann 1872/73. informationsbrief 292

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Reformation zeigt sich, wie KirIn dem ursprünglichen Zusamchengemeinschaft und politische menhang von Römer 14 handelt Gemeinschaft untrennbar – auch es sich jedoch bei der Gewisheute – zusammenhängen: Mit sensbindung des Glaubens um der Kirchengemeinschaft zerdie Gewissheit, im Gericht vor bricht auch die politische GeGott durch Jesus Christus zu meinschaft. Das römische Weltbestehen. Der konkrete Anlass, reich zerfällt in Nationalstaaten vom Opferfleisch aus dem heidund Landeskirchen. nischen Kultbereich zu essen, In unserer Zeit bekommt stürzt die so genannten »Schwaman das durchaus zu spüren, chen« in der Gemeinde in den wenn angesichts eines kulturelZweifel, dass sie dann das Heil len und religiösen Pluralismus in Christus verlieren und ihren die Frage aufbricht, worauf die Herrn verleugnen. Gemeinschaft in der Gesellschaft Damit kommen wir zu dem eines Volkes oder auch in einer höchst aktuellen reformatoriVölkergemeinschaft beruht und schen Problem: Wenn heute wovon sie getragen wird. Wenn durch kirchenleitende Instanzen wir heute die Konflikte in un- mm »Ich erhebe nicht Erklärungen abgegeben und Beseren Kirchen und Gemeinden den Anspruch, gelehr­ schlüsse gefasst werden, die geerleben, so ist eigentlich nicht gen das geschriebene Wort Gotzu übersehen, dass die kirchen- ter als alle anderen zu tes sind – ganz gleich welcher politischen Auseinandersetzun- sein, sondern ich will, Art –, dann drehen sich die Ausgen in einer Wechselbeziehung dass alleine die Schrift einandersetzungen genau um zu den gesellschaftspolitischen die an Gottes Wort gebundenen Konflikten stehen, zumal auf regiert. Ich will auch Gewissen. Aus dem Interesse an dem Gebiet der Ethik. Ganz nicht nach meinem gesellschaftspolitischer Gemeinabgesehen von den inhaltlichen schaft kommt es dann auch heuGeist oder nach dem Themen entstehen Zwänge date innerhalb der Kirche nicht nur durch, dass in den Kirchenver- Geist irgendwelcher zu verdeckten Verdrängungen, waltungen versucht wird, den Menschen die Schrift sondern zu offenen VerurteilunKonsens von Kirche und Gegen und Exkommunikationen. sellschaft nicht nur festzuhalten, auslegen, sondern ich In seiner Schrift »Grund und sondern administrativ und not- will sie durch sich selbst Ursach aller Artikel Doktor falls mit Zwang durchzusetzen. und durch ihren Geist Martin Luthers, so durch die Wenn man das recht betrachrömische Bulle zu Unrecht vertet und bedenkt, unterscheidet verstehen.« dammt sind« von 15214 wird in sich das in keiner Weise von der einer ausführlichen Einleitung Situation zur Zeit der Reformation, indem Kir- als entscheidende Grundlage für die Auseinanchenverwaltung und staatliche Obrigkeit das dersetzung in der Kirche die Autorität und WirInteresse verbindet, die Übereinstimmung von kung von Gottes Wort in der Heiligen Schrift, Kirche und Gesellschaft zu verteidigen. Dieses also das »sola scriptura« – »die Schrift allein« Bestreben durchzieht die gesamte Kirchenge- entfaltet. Das geschriebene Wort Gottes ist vom schichte, auch in der Auseinandersetzung mit Heiligen Geist inspiriert, und dieser Heilige vielen anderen Gruppierungen. Geist wirkt auch durch dieses Wort Gottes, und Luther beruft sich auf sein an das Wort Got- damit ist das Wort Gottes von jedem menschlites gebundene Gewissen. Darin liegt ein Rechts- chen Wort zu unterscheiden. Diese Unterscheianspruch, der sich auf Römer 14,23 stützt: dung aber vollzieht sich in der Kirche und da­ »Was aber nicht aus dem Glauben kommt, das rüber hinaus in der Welt, ob wir das wollen oder ist Sünde.« Das ist die Grundlage von dem, was nicht. Denn das Wort Gottes ist nicht müßig, wir heute als Grundrecht der »Glaubens- und wie der Prophet Jeremia schreibt: »Ein Prophet, Bekenntnisfreiheit« im Grundgesetz Art. 4 ha- der Träume hat, der erzähle Träume; wer aber ben: »Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens mein Wort hat, der predige mein Wort recht. und die Freiheit des religiösen und weltanschauli- Wie reimen sich Stroh und Weizen zusammen? chen Bekenntnisses sind unverletzlich.« Nun wird spricht der Herr. Ist mein Wort nicht wie ein dieses Grundrecht meistens als eine Beliebigkeit Feuer, spricht der Herr, und wie ein Hammer, von Einzelnen, also individualistisch, aufgefasst. der Felsen zerschmeißt? Darum siehe, ich will 10

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an die Propheten, spricht der Herr, die mein Wort stehlen einer vom andern. Siehe, ich will an die Propheten, spricht der Herr, die ihr eigenes Wort führen und sprechen: ›Er hat’s gesagt.‹ Siehe, ich will an die Propheten, spricht der Herr, die falsche Träume erzählen und verführen mein Volk mit ihren Lügen und losem Geschwätz, obgleich ich sie nicht gesandt und ihnen nichts befohlen habe und sie auch diesem Volk nichts nütze sind, spricht der Herr« (Jeremia 23,28–32). Und Luther schreibt: »Ich erhebe nicht den Anspruch, gelehrter als alle anderen zu sein, sondern ich will, dass alleine die Schrift regiert. Ich will auch nicht nach meinem Geist oder nach dem Geist irgendwelcher Menschen die Schrift auslegen, sondern ich will sie durch sich selbst und durch ihren Geist verstehen.«5 Damals wie heute ist das der entscheidende Punkt unserer kirchlichen, theologischen und kirchenpoliti-

schen Kontroversen, die eben durch das Wort Gottes der Heiligen Schrift ausgelöst werden. Wenn nun heute in der EKD kirchenamtlich dekretiert wird: »Das sola scriptura [die Schrift allein] lässt sich heute nicht mehr in der gleichen Weise verstehen wie zur Reformationszeit«,6 dann zeigt sich darin nur, dass wiederum die kirchliche Autorität über die Autorität der Heiligen Schrift gestellt wird. Das ist genau das, wogegen sich Luther gewendet hat und wofür er bestraft und verfolgt wurde. W

1) WA 7, 838, 9. 2) WA 7, 835, 2ff.; deutsch: 874, 6ff. 3) WA 7, 838, 2–9; deutsch: 877, 2–6. 4) WA 7, lat.; deutsch: 308–457.94–151. 5) WA 7, 98, 40–99, 2. 6) Rechtfertigung und Freiheit. 500 Jahre Reformation, 2014, 2.5.4.1.

Ist Gott interreligiös? Das erste Gebot und die Religionen Hansfrieder Hellenschmidt »Ich bin der Herr, dein Gott, der Ich dich aus Ägyptenland, aus der Knechtschaft, geführt habe. Du sollst keine anderen Götter haben neben mir.« 2.Mose 20,2f. Begleitet von mächtigen Zeichen der Natur tönte es vom Sinai herab: »Ich bin der Herr, dein Gott!« Unauslöschlich, wie in Stein gemeißelt, steht nun für alle Zeit der Anspruch des lebendigen Gottes in der Geschichte. Eine

Hansfrieder Hellenschmidt Die Anschrift des Autors finden Sie auf Seite 30 Informationsbrief 292

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gewaltige Kundgabe aus der Höhe. In einem heiligen Erschrecken hatten die, die Gott zu seinem Eigentum erwählt hatte, Ja gesagt und in seinen Bund eingewilligt. Keiner konnte und wollte den Anspruch der himmlischen Majestät in den Wind schlagen. Jahrhunderte später hat der Prophet Jeremia Gleiches erfahren. Auch er konnte sich dem Zugriff Gottes nicht entziehen, denn er bekennt vor ihm: »Du bist mir zu stark gewesen und hast gewonnen« (Jeremia 20,7). Mit diesem kraftvoll in die Welt gestellten Ich hatte Gott der Gemeinde seine Ausschließlichkeit kundgetan und sie wissen lassen: »Sehet nun, dass ich’s allein bin und ist kein Gott neben mir! Ich kann töten und lebendig machen, ich kann schlagen und kann heilen, und niemand ist da, der aus meiner Hand errettet« (5.Mose 32,39). Nachdrücklich war dem Wort: »Ich bin der Herr, dein Gott«, auch das andere beigesellt: »Du sollst keine anderen Götter haben neben mir«. 11


Begleitet von mächtigen Zeichen der Natur tönte es vom Sinai herab: »Ich bin der Herr, dein Gott!« Unauslöschlich, wie in Stein gemeißelt, steht nun für alle Zeit der Anspruch des lebendigen Gottes in der Geschichte. Das Gemälde zeigt Mose mit den Gesetzestafeln – Rembrandt 1659. Eine klare Weisung, die nicht in den Wind geschlagen werden darf. Gott will das Volk mit keinem Götzen teilen. Mit ungeteiltem Herzen soll es ihm anhangen und ihm alleine dienen. Der Raum, den Gott dem Volk gewährt, darf nicht zum Tummelplatz der Götzen oder zum Spielplatz religiöser Maskeraden werden. Unzweideutig und nicht mehr zu hinterfragen ist darum Gottes Nein gegen allen falschen Gottesdienst. Es muss dabei bleiben: »Du sollst keine anderen Götter haben neben mir. Bete sie nicht an und diene ihnen nicht! Denn ich, der Herr, dein Gott, bin ein eifernder Gott« (2.Mose 20,3.5). Diese Worte sollen der Gemeinde aller Zeiten vor Augen stehen. Gott hat seinen Anspruch nie relativiert oder gar zurückgenommen. Auch für Jesus ist Gottes Selbstzeugnis: »Ich bin der Herr, dein Gott!« nicht hinfällig geworden. Vielmehr hat sich das majestätische Ich Gottes in Jesu Ich: »Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben« (Johannes 14,6), in seiner ganzen Ausschließlichkeit noch einmal ausgelegt. Nie ist der dreieinige Gott auf dem Markt religiöser Möglichkeiten erschienen, um sich den Menschen neben anderen Göttern als eine Alternative anzubieten. Wer aber doch Gottes 12

und Jesu Anspruch relativiert, hat das Zeugnis der Bibel gegen sich. Denn durchgehend legt sie Zeugnis von der Ausschließlichkeit Gottes ab. Sie kennt keinen anderen Helfer und Heiland. Auch der Apostels Paulus steht für diese Heilstatsache mit den Worten ein: »Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit sich selber und rechnete ihnen ihre Sünden nicht zu und hat unter uns aufgerichtet das Wort von der Versöhnung« (2.Korinther 5,19). Das ist die alles entscheidende christliche Botschaft: Gott selbst ist den Menschen zum Heil in der Welt erschienen. In der niederen Gestalt Jesu hat sich die Ewigkeit in die Zeit eingezeugt. Gott ist in Jesus Christus dorthin gekommen, wo die Menschen in Sünden gefangen sind, keine Vergebung haben und an einem geschlagenen Gewissen leiden und ohne Vergebung seelisch zugrunde gehen. Der Christus soll der Heiland aller sein. Allen soll er das Wort von Gottes Verzeihen künden und die Menschen zu ihm zurückführen. Mit der Selbstkundgabe Gottes am Sinai und durch Jesu Selbstzeugnis, dass er der Weg, die Wahrheit und das Leben ist, sind andere Heilsbotschaften verworfen. Die Götter und Götzen sind vor Gott Nichtse (Jeremia 10,3). Sie haJuni 2015

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ben kein Heil und lassen die Menschen in ihren Walzer mal rechts, mal links und bleibt allezeit Sünden. Nur Christus, der mit dem Heiligen unverbindlich. Inmitten dieses Treibens steht die Gemeinde Geist getauft ist (Matthäus 3,16), hat die Vollmacht, die gottfeindlichen Mächte der Finster- und wartet vergeblich auf Weisung. Eine große nis niederzuringen und die Menschen aus der Mehrheit der Hirten in der Kirche schweigt. AlGefangenschaft der Sünde zu befreien. Dass das lein gelassen stehen viele Christen im Wirrwarr so geschehen ist, ist das Zeugnis des Apostels und Durcheinander der Stimmen und MeinunPaulus an die Gemeinde, denn Christus hat »die gen. Sie ringen um ihre christliche Existenz und Mächte und Gewalten ihrer Macht entkleidet den Bestand des angestammten Bekenntnisses. und sie öffentlich zur Schau gestellt und hat Hilflos und angefochten stehen sie im Wind der einen Triumph aus ihnen gemacht« (Kolosser Zeit. Die Kirche aber schweigt. Von ihr gehen keine Weisungen aus, die das Be2,15). »Darum«, so verkündigt kenntnis stützen und die Irrlehren der Apostel an anderer Stelle, mm Ein öffentliches abwehren. Ein unseliger Dog»hat ihn auch Gott erhöht und Zeugnis, dass Chris­ menstreit, der nun schon Genehat ihm den Namen gegeben, der rationen währt, hat ihre Kraft verüber alle Namen ist« (Philipper tus allein der Retter 2,9). ist, findet aber kaum schlissen. Sie scheint nicht mehr in der Lage zu sein, das erste Gebot Durch alle Jahrhunderte der noch statt. Der Auf­ unter der Weisung des biblischen Kirchengeschichte ist es um dieses exklusiven Zeugnisses willen trag, das Evangelium Wortes auszulegen. Substanzlos geworden, lässt die Kirche in ihren immer wieder zu Zusammenstö- von Jesus Christus eigenen Reihen den Versuch zu, ßen mit Religionen und Ideologien gekommen. Empört und auch den Religionen sich den Religionen positiv zu nähern und eine allen Religionen geverletzt haben sich ideologisch in unserem Land zu meinsame Wahrheit zu entwickeln. besetzte und religiös gebundene bezeugen, ist anstö­ Glaubende, Nichtglaubende und Menschen gegen die Ausschließlichkeit des christlichen Bekennt- ßig geworden. Statt­ auch Andersglaubende haben sich nisses: Jesus allein! gestellt. Auch dessen ist man bereit, ans Werk gemacht, das religiös Gemeinsame zu entdecken. Damit es heute ist der Konflikt nicht zu die verschiedenen gelingen kann, werden christliche vermeiden. Schon die Apostel Dogmen und Bekenntnisse, die der Anfangszeit konnten dem Är- religiösen Wahrhei­ gernis, das an dem Namen Jesus ten zu tolerieren und das Verhältnis zu den Religionen könnten, unter Verschluss haftet, nicht ausweichen. Aber sie rechtfertigt dies mit belasten gehalten oder auch ausgeschiewaren standhaft und haben trotz aller Anfeindung und Verfolgung dem fadenscheinigen den. Gottes »Ich bin der Herr, dein Gott!« wird ebenso wie Jesu von Christus gezeugt: »[…] in Gerede: »Niemand Selbstzeugnis: »Ich bin der Weg keinem andern ist das Heil, auch ist kein andrer Name unter dem hat die Wahrheit ge­ und die Wahrheit und das Leben«, als störend empfunden – stehen Himmel den Menschen gegeben, pachtet.« die Worte doch im Widerspruch durch den wir sollen selig werzu der neuen Einsicht: »Wir glauben alle an den den« (Apostelgeschichte 4,12). Die heutige Christenheit ist zu gleichem einen gleichen Gott.« Das »Alle-Miteinander« soll nun über die Bekenntnis gerufen. Ein öffentliches Zeugnis, dass Christus allein der Retter ist, findet aber interreligiösen Foren und Gottesdienste hinaus kaum noch statt. Der Auftrag, das Evangelium auch sichtbar in einem Haus, an dem Christen, von Jesus Christus auch den Religionen in un- Juden und Muslime gemeinsam Anteil haben, serem Land zu bezeugen, ist anstößig gewor- dokumentiert werden. Das Gebäude, das in den. Stattdessen ist man bereit, die verschie- Berlin auf dem Platz einer evangelischen Kirdenen religiösen Wahrheiten zu tolerieren und chengemeinde errichtet werden soll, soll werechtfertigt dies mit dem fadenscheinigen Ge- der Kirche noch Synagoge noch Moschee sein. rede: »Niemand hat die Wahrheit gepachtet.« Neutral wird die Stätte »The House of One« geDer Aufklärung gleich will man den Weg zur nannt. Was hier vor sich geht, ist weder neutral Wahrheit schon als das entscheidende religiöse noch zufällig. Weltweit operierende Kräfte sind Handeln verstehen1 und ist der Überzeugung, da am Werk – und schon phosphoreszieren am die Toleranz ist das Gebot der Stunde. Unter Stamm der Kirche in dunklem Glanz die Zeidieser Maxime wird das religiöse Leben zu ei- chen der neu zu gewinnenden Religiosität, die nem willkürlichen Spiel. Man dreht sich wie im sinnstiftend in die Menschheit eintreten soll. Informationsbrief 292

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Wie ist nun das Bemühen den Gehorsam zum dreieium die Einheit der drei so nigen Gott unterläuft, unter genannten monotheistischen das Wort: »Die Treue, die die Religionen zu bewerten? Was Christenheit ihrem Herrn ist zu der viel beschworenen schuldet, verlangt von ihr, »Abrahamitischen Religion« dass sie ihren Unterschied zu sagen, die das Christenvon allen anderen religiösen tum, das Judentum und den Versuchen mit offenem BeIslam gleichberechtigt nekenntnis sichtbar macht. Sie beneinander stellt und einen entfernt sich aber von Chrisneuen Gottesdienst etablietus […] wenn sie sein königren will? Dürfen wir diesen liches Recht verhüllt.« Weg mitgehen? Die Antwort Allen synkretistischen Ankann nur Nein heißen. Das wandlungen in der Kirche, Nein entspringt aber nicht ist darum zu widerstehen. einer feindlichen Gesinnung Sie führen die Gemeinde in gegen Andersgläubige. Dieden Abfall vom lebendigen ses Nein zu den Göttern, Gott und seinem Christus. Götzen und Ideologien reHirten der Gemeinde, die sultiert aus Gottes Selbsthier wanken und weichen, kundgabe und dem gehorirritieren und ziehen Schuld samen Hören auf sein Wort: auf sich. Denn der Herr der »Ich bin der Herr, dein Gott mm Adolf Schlatter: »Die Treue, Kirche sieht darauf, ob die […] Du sollst keine anderen die die Christenheit ihrem Diener der Kirche auf GotGötter haben neben mir.« tes Wort achten und wie sie Auch Jesus stellt sich mit Herrn schuldet, verlangt von mit dem Gebot: »Ich bin der seinem Selbstzeugnis, der ihr, dass sie ihren Unterschied Herr, dein Gott […]. Du Weg, die Wahrheit und das von allen anderen religiösen sollst keine anderen Götter Leben zu sein, nicht in die haben neben mir« umgehen. Einheit mit den Religionen. Versuchen mit offenem Be­ Bei allem, was sich auf dem Er steht ihnen als der Ver- kenntnis sichtbar macht. Sie Feld der Religionen tut, darf kündiger des Reiches GotKirche, die den Namen entfernt sich aber von Chris­ die tes gegenüber. Sein Ruf zur Christi trägt, nie zulassen, Umkehr gilt auch den Reli- tus […] wenn sie sein königli­ dass der Gott der Bibel und gionen. Darum darf ihn die ches Recht verhüllt.« sein Christus wie Gestalten Christenheit nicht als einen behandelt werden, die den Religionsstifter unter andeMythen grauer Vorzeit entren mit den Religionen vereinen wollen. Jesus sprungen sind und heute unter dem Diktat der Christus ist kein Produkt menschlicher Religi- neuen Religiosität nach Belieben und Gutdünosität. Er ist der von Gott Erwählte, dass durch ken vermarktet werden können. Der dreieiniihn das Heil zu den Völkern und ihren Men- ge Gott, der sich in seinem ewigen Sohn Jesus schen komme und er ihnen den Zugang zu Christus offenbart hat, ist Person und Wille und Gottes ewigem Reich öffne. in seinem Wesen nicht interreligiös. W An dem Christus Gottes muss sich das Verhältnis der Kirche zu den Religionen entscheiden. Es geht um nicht weniger als um ein Entweder-Oder. Denn Gott hat die Götter und 1) »Wenn Gott in seiner Rechten alle Wahrheit, und in seiner LinGötzen, die die Menschen binden und sie nicht ken den einzigen immer regen Trieb nach Wahrheit, obschon mit dem Zusatze, mich immer und ewig zu irren, verschlossen für Jesus freigeben, verworfen. Der bekannhielte, und spräche zu mir: Wähle! Ich fiele ihm mit Demut in te Theologe Adolf Schlatter stellt das, was da seine Linke und sagte: Vater gib! Die reine Wahrheit ist ja doch nur für dich allein!« (Lessing) heute in der Kirche möglich geworden ist und Dieser Beitrag des langjährigen Vorsitzenden der Bekenntnisbewegung »Kein anderes Evangelium«, Pfarrer Hansfrieder Hellenschmidt, ist auch als Traktat erschienen. Dieses kann, auch in größerer Stückzahl, von der Geschäftsstelle bezogen werden.

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Gewissen und Gewissensschutz thomas ZimmErmanns

Einleitung mir geht es mit diesem aufsatz vor allem darum, darzustellen, dass das Gewissen nicht nur Gegenstand theologischer und philosophischer forschungen und erkenntnisse ist, sondern dass es ein wesentliches element des menschseins ausmacht und sein schutz deshalb unter dem aspekt des schutzes der menschenwürde auch Gegenstand der rechtsordnung sein muss. als ergebnis wird dabei festgestellt werden müssen, dass dieser ethisch gebotene und auch rechtlich (etwa in art. 4 abs. 1 GG und in art. 9 abs. 1 emrK1) verankerte Gewissensschutz sowohl in Deutschland als auch in vielen anderen eu-staaten zunehmend ausgehöhlt wird und Christen unter androhung und anwendung schärfster rechtlicher sanktionen auf immer

mehr rechtsgebieten gezwungen werden, Dinge zu tun und zu akzeptieren, die sie mit ihrem Gewissen nicht vereinbaren können und diese sanktionen auf sich nehmen müssen, wenn sie sich weigern. Zugleich wird dabei deutlich gemacht, dass sowohl die obersten deutschen Gerichte als auch der eGmr (europäischer Gerichtshof für menschenrechte) diesen schutz nicht gewähren und dass es in Deutschland wie auch in vielen anderen eu-staaten sehr gefährliche bestrebungen gibt, die darauf abzielen, insbesondere das an die bibel und an christliche ethik gebundene Gewissen ihrer staatsbürger nicht zu respektieren, sondern es durch strafen und sanktionen zu beugen und auch – vor allem in unterricht und erziehung – im sinne der heutigen ethik umzuprägen.

Das Gewissen

Thomas Zimmermanns Die anschrift des autors finden sie auf seite 30 informationsbrief 292

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»Das Gewissen ist das einfachste und eindeutigste Zeichen für die besondere Würde des menschen. in ihm haben wir das zu sehen, was den menschen eigentlich erst zum menschen macht. mit der frage nach dem Gewissen rühren wir sozusagen an das Geheimnis des menschseins überhaupt.«2 nach biblischer Lehre ist das Gewissen eine in jedem menschen vorhandene instanz, durch die Gott zu dem menschen spricht und ihm sei15


ne Maßstäbe von Gut und Böse vermittelt. Die Die Notwendigkeit des Bibel sagt in Römer 2,14–16, dass Gott seine Gewissensschutzes durch Maßstäbe sogar denjenigen Menschen durch ihr Gewissen vermittelt, die die Bibel nicht kennen, die Rechtsordnung in der diese Maßstäbe enthalten sind, auch wenn Das menschliche Gewissen ist aber nicht anzunehmen ist, dass es sich bei den nur durch nur Gegenstand von Theologie und Seelsorge, das Gewissen vermittelten Normen nur um ei- sondern auch von Bedeutung für die Rechtsnige grundlegende Gebote Gottes handelt, und ordnung. Es geht hierbei um den rechtlichen nicht um sämtliche Gebote des Alten und Neu- Schutz des Gewissens, genauer gesagt desjenien Testaments. Gott spricht gen Menschen, der sich für ein durch das Gewissen zu je- mm »Das Gewissen ist das Verhalten, das im Widerspruch dem Menschen besonders einfachste und eindeutigste zu einer Norm des staatlichen vor Handlungen von ethiRechts steht, auf sein Gewisscher Relevanz und warnt Zeichen für die besondere sen beruft. Als erstes soll hier ihn vor der Begehung von Würde des Menschen. In ihm dargelegt werden, warum eine bösen Taten und rät ihm in haben wir das zu sehen, was solche Gewissensentscheidung solchen Entscheidungssituvon der Rechtsordnung grundationen, das Gute zu wäh- den Menschen eigentlich erst sätzlich toleriert und gelen und zu tun. schützt werden muss. zum Menschen macht. Mit Auch nach einer solchen Gegen sein Gewissen hander Frage nach dem Gewissen deln Handlung meldet sich Gott zu müssen und damit durch das Gewissen, indem rühren wir sozusagen an das (zumindest nach seiner gewisdieses Zustimmung oder Geheimnis des Menschseins sensmäßigen Überzeugung) Verurteilung der Tat kundBöses zu tun oder Gutes zu gibt. Man spricht von einem überhaupt.« unterlassen bedeutet für je»guten« und von einem »schlechten« Gewissen, den Menschen einen schwerwiegenden inneren von »Gewissensbissen«, ja sogar von »Gewis- Konflikt, da die hieraus entstehenden Gewissensqualen«, wenn das Gewissen die böse Tat ei- sensbisse oder sogar Gewissensqualen in gleines Menschen verurteilt hat und sich anklagend cher Intensität in seine Existenz eingreifen wie und verurteilend zu Wort meldet. Wir können Hunger, Durst, heftige Schmerzen oder Freidies etwa aus Psalm 16,7; 73,21 und Johannes heitsentzug, möglicherweise sogar noch tiefer, 8,9 entnehmen. da das Gewissen – jedenfalls das an eine Religion Umgekehrt erklärt Paulus in 1.Korinther gebundene Gewissen – eine metaphysische Di4,4, dass er bei seinem Dienst in der Gemein- mension hat und dem Menschen, der bewusst de in Korinth ein gutes Gewissen hatte und in gegen sein Gewissen handelt, den Zorn und die Apostelgeschichte 24,16 sagt er dem römischen bevorstehende ewige Strafe Gottes bzw. des oder Statthalter Felix, dass er sich übe, allezeit ein der in den nichtchristlichen Religionen als Gott unverletztes Gewissen vor Gott und den Men- oder Götter angesehenen Wesen(s) vermittelt. schen zu haben. Hinzu kommt, dass ein Mensch, der gezwunDas Gewissen ist aber nicht Gottes Stimme im gen wird, gegen sein Gewissen zu handeln, sich Menschen; wäre dies so, dann wären die Urtei- als verantwortlich handelndes ethisches Subjekt le des Gewissens immer zutreffend und würden nicht ernst genommen sieht und sich als bloßes immer den biblischen Maßstäben entsprechen. Objekt staatlicher oder sonstiger Macht und deDies ist jedoch nicht der Fall, denn aufgrund ren Zwangsmittel empfindet. Gott gebietet den eines beständigen Handelns gegen die Stimme Gläubigen in Apostelgeschichte 5,29: »Man des Gewissens, aber auch durch eine Erziehung muss Gott mehr gehorchen als den Menschen«, und ein Leben in einer Kultur, deren Wertmaß- d. h. menschliche und auch staatliche und gestäbe denen christlicher Ethik widersprechen, setzlich verankerte Gebote, die Gottes Geboten kann das Urteil des Gewissens den biblischen widersprechen, darf ein Christ nicht befolgen, Maßstäben unter Umständen sogar völlig wi- weil Gottes Gebote einen höheren Rang haben dersprechen und etwa Handlungen gebieten als mit ihnen kollidierende staatliche Normen. und loben, die diesen völlig widersprechen und Denn nicht der Staat, sondern Gott ist für die umgekehrt Handlungen verurteilen und miss- Gläubigen der oberste Herr und Gesetzgeber. billigen, die durchaus erlaubt oder sogar gebo- Das Gewissen und das Recht, ihm gemäß zu ten sind. Man spricht deshalb in solchen Fällen handeln, ist aber nicht nur für die Christen, sonzu Recht von einem »abgestumpften« oder so- dern für alle Menschen wesentliches Element gar von einem »pervertierten« Gewissen. des Menschen in seiner Eigenschaft als Geschöpf 16

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Die erste Ausgabe des Bundesgesetzblatts I mit dem Text des Grundgesetzes wurde am 23. Mai 1949 veröffentlicht. Inzwischen ist aber festzustellen, dass der ethisch gebotene und im Grundgesetz in Artikel 4 Absatz 1 rechtlich verankerte Gewissensschutz sowohl in Deutschland als auch in vielen anderen EU-Staaten zunehmend ausgehöhlt wird. Gottes und berührt daher die menschenwürde, deren schutz gemäß art. 1 GG oberstes Prinzip des staates ist. Die frage des Gewissensschutzes stellt sich allerdings nur dann, wenn es Gesetze gibt, die im Widerspruch zum Gewissen des betreffenden bürgers stehen. befindet sich die Gewissensentscheidung des bürgers im einklang mit der rechtsordnung, so bedarf es keines besonderen Gewissensschutzes. Hier liegt seit einiger Zeit ein immer größer werdendes Problem, denn in den Ländern des christlichen abendlandes sollte es eigentlich nicht so sein, dass Gesetze existieren, deren befolgung einem christlichen Gewissen widerspricht oder die meinungsäußerungen und tätigkeiten verbieten, die für einen Christen nach Gottes Willen geboten sind. Dass es sich dennoch so verhält und dass solche Gesetze immer mehr zunehmen, ist eines der am meisten bedrängenden Probleme unserer Zeit. Hierzu werde ich auf der folgenden seite bei der informationsbrief 292

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»auslegung der rechtsprechung« eine reihe von beispielen nennen. aufgrund des zuvor Gesagten gebietet es der schutz der menschenwürde und der Grundsatz der Gerechtigkeit auch, dass nicht nur das christliche, d. h. an biblischen normen und Überzeugungen gebundene Gewissen geschützt ist, sondern auch das von anderen religionen und Weltanschauungen geprägte Gewissen. Denn auch für nichtchristen bedeutet der Zwang, gegen ihr Gewissen handeln zu müssen und anderenfalls staatlichen sanktionen ausgesetzt zu sein, in gleicher Weise wie bei Christen einen tiefen eingriff in ihre Persönlichkeit. andererseits kann und darf der staat nicht jede Gewissensentscheidung schützen. so kann der rechtsstaat es nicht tolerieren, wenn jemand unter berufung auf sein Gewissen andere menschen töten will (etwa bei der blutrache oder den so genannten ehrenmorden) oder wenn jemand unter berufung auf sein Gewissen eine lebensrettende bluttransfusion für sein Kind verweigert. Zwar verdient grundsätzlich auch das irrende Gewissen rechtlichen schutz, da die Gewissensnot auch bei einem irrenden Gewissen bei dem ansinnen entsteht, gegen sein Gewissen zu handeln, jedoch ist der Gewissensschutz kein absoluter Wert, der Vorrang vor allen anderen rechtsgütern hätte und in den genannten fällen hat der schutz des menschlichen Lebens Vorrang gegenüber der Pflicht zur respektierung der Gewissensentscheidung. nur eine Handlung oder unterlassung, die durch das Gewissen geboten ist, kann Gewissensschutz beanspruchen und nicht schon eine Handlung oder unterlassung, die das Gewissen des betreffenden lediglich erlaubt. Denn wenn das Gewissen eine bestimmte Handlung, die der rechtsordnung widerspricht, lediglich erlaubt, kann keine Gewissensnot entstehen, wenn er sie unterlässt. Hingegen wird der Gewissensschutz nicht in jedem fall dadurch ausgeschlossen, dass der betreffende bei begründung seines arbeits- oder dienstrechtlichen Verhältnisses weiß oder damit rechnen muss, dass er tätigkeiten verrichten muss, die im Widerspruch zu seinem Gewissen stehen werden. Denn dies würde bedeuten, dass etwa Christen auf eine bewerbung und anstellung als frauenarzt in einem Krankenhaus immer dann verzichten müssen, wenn sie damit rechnen müssen, dass von ihnen im rahmen ihrer tätigkeit auch die mitwirkung an abtreibungen verlangt wird. Dies würde praktisch einen Verzicht für Christen auf bestimmte berufe bedeuten3 und in all diesen fällen würde der schutz des Gewissens von vornherein umgangen. 17


Der Schutz des Gewissens im ­bundesdeutschen Grundgesetz und in der EMRK Im bundesdeutschen Grundgesetz heißt es in Art. 4 Abs. 1: »Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.« Und in Art. 4 Abs. 3 GG war zurzeit der Geltung der allgemeinen Wehrpflicht ein praktisch wichtiger Fall des Gewissensschutzes geregelt und anerkannt, nämlich die Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen. Das Recht von Ärzten, Krankenschwestern und anderen Hilfskräften, jede Mitwirkung an einer Abtreibung aus Gewissensgründen zu verweigern, ist in § 12 Abs. 1 SchKG (Schwangerschaftskonfliktgesetz) verankert.4 Die Rechtsprechung der obersten deutschen Gerichte und vor allem des BVerfG (Bundesverfassungsgericht) versteht unter einer Gewissensentscheidung »jede ernstliche sittliche, d. h. an den Kategorien von ›Gut‹ und ›Böse‹ orientierte Entscheidung, die der Einzelne in einer bestimmten Lage als für sich bindend und unbedingt verpflichtend erfährt, sodass er gegen sie nicht ohne ernste Gewissensnot handeln könnte«.5 Das Recht zur Verweigerung des – seinerzeit gesetzlich vorgeschriebenen – Kriegsdienstes mit der Waffe gem. Art. 4 Abs. 3 GG setzte voraus, dass der Betroffene aufgrund einer zwingenden Gewissensentscheidung im Hinblick auf den mit dem Kriegsdienst verbundenen Zwang zum Töten nur unter schwerer seelischer Not imstande ist, am Kriegsdienst mit der Waffe teilzunehmen.6 Diese Entscheidung musste nach herrschender Auffassung schlechthin und nicht nur für bestimmte Kriege, Situationen oder Waffen gelten.7 Auch in Art. 9 Abs. 1 EMRK wird neben der Gedanken- und der Religionsfreiheit auch die Gewissensfreiheit geschützt. Die Gewissensfreiheit umfasst das Recht auf Ausbildung und Betätigung des Gewissens.8

Insgesamt lässt sich feststellen, dass die gesetzlichen Regelungen des Schutzes der Gewissensfreiheit weitgehend ausreichen, um einen effektiven Gewissensschutz zu gewährleisten. Der Gewissensschutz müsste dann ferner dazu führen, dass juristische Sanktionen gegen Menschen, die entsprechend ihrem Gewissen handeln wie z. B. Kündigung, Geld- oder Freiheitsstrafen oder der Entzug des Sorgerechts ausgeschlossen sind.

Die Auslegung von Art. 4 Abs. 1 GG und von Art. 9 Abs. 1 EMRK durch die bundesdeutsche und die EU-Rechtsprechung Der in § 12 Abs. 1 SchKG verankerte Gewissensschutz hinsichtlich der Weigerung der Mitwirkung an Abtreibungen wird auch in der Praxis anerkannt.9 Allerdings ist zu befürchten, dass es indirekte Zwänge gibt, welche christlicher Ethik verpflichtete Ärzte diskriminieren und auch ihre Berufschancen begrenzen.10 In diesem Zusammenhang ist auch von Bedeutung, dass es innerhalb der EU starke Bestrebungen gibt, diesen Gewissensschutz hinsichtlich der Teilnahme an Abtreibungen wie auch an aktiver Sterbehilfe und Beihilfe zum Selbstmord zu beseitigen. Im Oktober 2010 wurde ein entsprechender Vorstoß einer Politikerin der britischen sozialistischen Labour-Partei vom Europarat mit knapper Mehrheit abgelehnt.11 Aber es ist anzunehmen, dass die Kräfte, die den Gewissensschutz beseitigen wollen, mit der Durchsetzung ihrer Ziele nicht ruhen werden und diese im Zuge der derzeitigen europaweiten politischen und ethischen Entwicklung in nicht allzu ferner Zukunft auch durchsetzen.

Das Recht von Ärzten, Krankenschwestern und anderen Hilfskräften, jede Mitwirkung an einer Abtreibung aus Gewissensgründen zu verweigern, ist in § 12 Abs. 1 des Schwangerschaftskonflikt­ gesetzes verankert. 18

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Der Gewissensschutz von Eltern, die ihre Kinder wegen der oben geschilderten Unterrichtsinhalte nicht mehr am schulischen Unterricht teilnehmen lassen oder sie sogar nur vom Sexualkundeunterricht (oder dort auch nur von einzelnen Unterrichtsstunden) oder von Unterrichtsstunden, in denen okkulte Praktiken propagiert und/oder praktiziert wurden, abmeldeten, wird auch jetzt schon seit Langem nicht mehr anerkannt. Ein Elternpaar aus Hessen, das seine Kinder aus christlich motivierten Gewissensgründen vom Sexualkundeunterricht abmeldete, wurde wegen Verstoßes gegen das Schulpflichtgesetz angeklagt und verurteilt. Das BVerfG nahm ihre Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an. Die Zulassung von Hausunterricht in solchen Fällen würde die gesellschaftspolitisch unerwünschte Entstehung von Parallelgesellschaften begünstigen. Es sei nicht vom Grundrecht der Gewissensfreiheit gedeckt, wenn Eltern unter Berufung auf ihr Gewissen ihre Kinder dem in der Schule herrschenden Pluralismus entziehen wollten. Schließlich ist auch der EGMR nicht gewillt, den Gewissensschutz von Eltern zu gewährleisten, die ihre Kinder vom Sexualkundeunterricht fernhalten wollen. So hat er im Jahr 2011 in einem Urteil für mehrere Fälle gleichzeitig entschieden, dass Kinder auch dann den Sexualkundeunterricht und andere schulische Veranstaltungen besuchen müssen, wenn ihre Eltern dies aus Gewissensgründen ablehnen. Auch Gefängnisstrafen, die im Weigerungsfall verhängt werden, seien rechtmäßig.

den Gewissensschutz betroffener Eltern und Schüler einsetzen. Dennoch dürfen, ja müssen gläubige Christen auch dort, wo ihre Gewissensentscheidung vom Staat nicht anerkannt wird, nach ihrem an Gottes Wort gebundenen Gewissen handeln, denn es gilt hier: »Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen« (Apostelgeschichte 5,29) und »Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist und Gott, was Gottes ist« (Matthäus 22,21), auch wenn dies mit schweren Nachteilen, staatlichen Zwangsmaßnahmen und Repressionen für sie verbunden ist. Millionen verfolgter Christen v. a. in islamischen und kommunistischen Staaten sind seit vielen Jahrzehnten bereit, Geld und Gut, Ehre, Ansehen und Freiheit, ja selbst ihr Leben für ihr Bekenntnis zu Jesus Christus und sein Wort aufs Spiel zu setzen. Auch die Christen in Europa müssen bereit sein, um ihres Herrn willen das zu tragen, was Gott ihnen in der Zeit, in der wir jetzt stehen, auferlegt hat. Darüber hinaus bleibt es Aufgabe christlicher Publizistik, auf die zunehmende Abkehr von Gesetzgebung und Rechtsprechung von den Geboten und Ordnungen Gottes und die daraus resultierende Diskriminierung und Bedrängnis gläubiger Christen in der deutschen, europäischen und weltweiten Öffentlichkeit hinzuweisen, um diese Vorgänge und die von ihnen Betroffenen dem Mantel des Schweigens zu entreißen und um dadurch rechtlichen Beistand und Fürbitte zu ermöglichen. Hierzu will ich mit dieser kurzen Darstellung einen kleinen W Beitrag leisten.

Zusammenfassung und Ausblick Als Ergebnis dieser Untersuchung wäre als Erstes festzustellen, dass sich die für Staat und Gesellschaft, Rechtsordnung, Unterricht und Erziehung geltenden Normen und Werte in Deutschland und zahlreichen anderen Staaten der EU schon weit von den Zehn Geboten und vom christlichen Sittengesetz entfernt haben und noch immer weiter entfernen. Zugleich wird die Berufung von Christen auf das Grundrecht der Gewissensfreiheit immer mehr erschwert. Diese Tendenzen werden auch durch die EU-Institutionen, insbesondere auch durch den EGMR, nicht abgeschwächt, im Gegenteil, man wird sagen müssen, dass die Anerkennung der Homosexualität und der Durchsetzung des Gender Mainstreaming zur Staatsideologie der EU gehört, die EU-weit durchgesetzt werden soll, und zwar nicht zuletzt auch im schulischen Unterricht. Auch der EGMR wird sich nicht für Informationsbrief 292

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1) Europäische Menschenrechtskonvention. 2) So äußerte sich sehr treffend der norwegische Theologe Ole Hallesby (in: Vom Gewissen, Brockhaus-Verlag, Wuppertal, 2. Taschenbuchaufl. 1988, S. 7). 3) So wird tatsächlich in Deutschland und in anderen Staaten von einflussreichen politischen Kräften erwartet, dass Abtreibungsgegner auf den Beruf des Frauenarztes verzichten; vgl. z. B. Büchner in: Bernward Büchner/Claudia Kaminski/Mechthild Löhr (Hg.), Abtreibung als Menschenrecht?, SINUS Verlag GmbH, Krefeld 2012, S. 73; Vladimir Palko, Die Löwen kommen, fe-Medienverlags GmbH, Kißlegg 2014, S. 469. 4) § 12 Abs. 1 SchKG: »Niemand ist verpflichtet, an einem Schwangerschaftsabbruch mitzuwirken.« 5) BVerfGE 12, 45ff., 55; 48, 127ff., 173; BVerwGE 127, 302ff., 325ff.; BAGE 62, 59ff., 68. 6) BVerwG NVwZ 1987, 695. 7) Vgl. z.B. BVerfGE 69, 1ff., 23; BVerwGE 83, 358ff., 371. 8) Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention, C. H. Beck Verlag, München, 2005, § 22, Rechte der Person, Rn 86 mN. 9) Vgl. Büchner in Bernward Büchner/Claudia Kaminski/ Mechthild Löhr (Hg.) a.a.O., S. 60. 10) Büchner a.a.O., S. 60 f., der mit dieser Aussage einen früheren Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe zitiert. 11) ideaSpektrum 41/2010, S. 11 (»Christen atmen auf: Europarat schützt die Gewissensfreiheit«).

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Diakonie –– Lebensäußerung der ­Kirche?! Karl-Hermann Kandler

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or der Welt scheint die Diakonie, die Sor- gab es schon vorher vielerlei Äußerungen dieser ge um das Wohl der Menschen, allein zu Art. Aber durch die Industrialisierung zu Beginn rechtfertigen, dass es Kirche gibt. Sie ist ihr Aus- des 19. Jahrhunderts war eine neue Situation hängeschild. Doch auch dies wird bestritten, ist entstanden. Viele Menschen entfremdeten sich doch das Diakonische Werk längst auf staatliche der Kirche, viele gerieten in wirtschaftliche und Subventionen angewiesen. Es ist, wie die Caritas soziale Not. Wichern sah übrigens in der Reauf römisch-katholischer Seite, heute einer der volution von 1848 einen atheistischen Aufstand größten Arbeitgeber in Deutschland. aus der Tiefe. Er rief aus: »Es tut eines not, dass Was aber ist Diakonie? Das Wort kommt im die evangelische Kirche in ihrer Gesamtheit erNeuen Testament oft vor, nämlich 28 Mal. Es kenne: Die Arbeit der Inneren Mission ist mein! meint sowohl die Tat, das Dienen und Hel- Dass sie ein großes Siegel auf die Summe diefen, als auch das Amt. Seit ser Arbeit setze: Die Liebe ge1956 nahmen im Westteil von mm Christen hat es in ers­ hört mir wie der Glaube.« Ihm Deutschland das nach dem ter Linie um das Heil der ging es darum, dass »Christus letzten Weltkrieg begründete eine Gestalt in seinem Volk« geHilfswerk und die Innere Missi- Menschen und dann um winne. Es seien die Gottestaten on bei ihrer Vereinigung diesen ihr Wohl zu gehen. Doch zu predigen, »und die höchste, Namen an. Im östlichen Teil beides gehört unlöslich reinste, kirchlichste dieser Taten Deutschlands blieb der Name ist die rettende Liebe«. Wichern Innere Mission bis zu ihrer Ein- zusammen. […] Diakonie ging es dabei um beides, um die gliederung in das Diakonische ist voraussetzungslose Wiedergewinnung des Volkes Werk nach der Friedlichen ReChristus und um die helfenHingabe an die Mitmen­ für volution in der DDR erhalten. de Tat der Liebe. Dafür stand Es war Johann Hinrich Wi- schen, so wie Christus der Name Innere Mission. chern, der durch seine Steg- voraussetzungslos für Wichern hat mit seiner reifrede auf dem Wittenberger berühmten Rede wirklich Kirchentag 1848 zur Inneren uns ans Kreuz ging. die Christen, die Kirchen in Mission aufrief. Er wollte die Deutschland aufgerüttelt. Mit vielfältigen Bestrebungen der christlichen Lie- der Inneren Mission entstand bis zum Ersten bestätigkeit in einem Werk konzen­trieren. 1836 Weltkrieg der größte konfessionelle Wohltätighatte Theodor Fliedner in Kaisers­ werth die keitsverband, der in vielen einzelnen Vereinen weibliche Diakonie begründet, Wichern 1836 arbeitete. Wichern hat dem Sozialstaat, wie wir im Rauhen Haus bei Hamburg die männliche. ihn inzwischen haben, vorgearbeitet. Aber der In beiden Gründungen ging es vor allem um die Verband wollte unpolitisch bleiben und MenAusbildung geeigneter Kräfte für die Aufgabe, schen aller Stände dienen. So entstanden Verzu der sich die Kirche durch Christi Worte und eine für die Blinden-, für die Trinker-, für die Taten zur Nächstenliebe aufgerufen sah. Sicher Krüppelfürsorge, aber ebenso für die Jungmädchen- und Jungmänner-Arbeit und viele andere. In den Großstädten entstanden die Stadtmissionen. Herbergen zur Heimat sollten den wandernden Gesellen nicht nur eine Unterkunft geben, sondern eine Heimstätte. Dabei bildeten die soziale und die volksmissio­narische Arbeit immer eine untrennbare Einheit. Karl-Hermann Kandler Durch den Ersten Weltkrieg waren durch die kriegsbedingten Nöte die konfessionellen Die Anschrift des Autors finden Sie auf Seite 30 Werke total überfordert. Staatliche Instanzen

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Johann Hinrich Wichern (1808–1881) – von ihm stammt der Ausruf: »Es tut eines not, dass die evangelische Kirche in ihrer Gesamtheit erkenne: Die Arbeit der Inneren Mission ist mein! Dass sie ein großes Siegel auf die Summe dieser Arbeit setze: Die Liebe gehört mir wie der Glaube.« mussten eingreifen. So gewann der Staat einen großen Einfluss auf die Wohlfahrtspflege, wobei der Staat auf die Mitwirkung der kirchlichen Verbände angewiesen war. Verstärkt hat sich das Miteinander von staatlicher und kirchlicher Wohlfahrtspflege nach dem Zweiten Weltkrieg. Heute stehen Diakonisches Werk und Caritas in Konkurrenz mit anderen Wohlfahrtseinrichtungen, wie Arbeiterwohlfahrt oder Rotes Kreuz, Volkssolidarität und anderen. Sie alle sind angewiesen auf staatliche Fördermittel, ohne die sie nicht arbeiten können. Da stellt sich die Frage: Was ist das Besondere noch am Diakonischen Werk? Ist es noch Innere Mission? Ist es noch ein Werk der Kirche – oder? Wohl heißt es: Wo Kirche drauf steht, muss auch Kirche drinnen sein. Ist das der Fall? In den östlichen Bundesländern gehört ein Großteil der Mitarbeiter der Kirche nicht (mehr) an. Sie drängen auf Mitsprache in arbeitsrechtlichen Fragen, ja fordern das Streikrecht. Die kirchliche Arbeitsrechtsregelungen werden nicht nur in Frage gestellt, sie werden teilweise gerichtlich bestritten. Informationsbrief 292

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Das Besondere des Diakonischen Werkes, so wie es Wichern wollte, gehört längst der Vergangenheit an. Wo ist noch von den volksmissionarischen Aktivitäten des Werkes die Rede? Die Reformation der Kirche hatte sofort die Aufgabe der Gemeinden erkannt, Hilfe für Kranke und Arme, für Witwen und Waisen als Christenpflicht zu gewähren. Berühmt und grundlegend für das reformatorische Verständnis der sozialen Fürsorge wurde die »Leisniger Kastenordnung« von 1523, für die Luther ein Vorwort schrieb. Auch die grundlegende Bekenntnisschrift, das Augsburger Bekenntnis, sagt, dass der »Glaube gute Früchte und gute Werke hervorbringen soll und dass man gute Werke tun muss« (Artikel VI). Doch damit kann nicht begründet werden, dass die Diakonie als die Sorge um das Wohl der Menschen, die Existenz der Kirche rechtfertigt. Umgekehrt muss es sein. Christen hat es in erster Linie um das Heil der Menschen und dann um ihr Wohl zu gehen. Doch beides gehört unauflösbar zusammen. Wir haben denen zu helfen, die unsere Hilfe brauchen, auch ohne danach zu fragen, ob sie Christen sind oder werden wollen. Diakonie ist voraussetzungslose Hingabe an die Mitmenschen, so wie Christus voraussetzungslos für uns ans Kreuz ging. Unsere Fürsorge schließt ein, dass wir von uns weg auf den hinweisen, der sein Leben für das Heil der Menschen gab. Ist dies heute in der organisierten Diakonie noch immer die Regel? Ist Diakonie auch heute Lebensäußerung der Kirche ebenso wie die Mission, beide ineinander verschränkt? Es ist seit Wichern sicher viel erreicht worden. Der Sozialstaat ist eine Tatsache, die ohne das diakonische Wirken der Kirche wohl nicht erreicht worden wäre. Der Staat sorgt für die Grundsicherung eines jeden Bürgers, ja auch der zu uns kommenden Asylbewerber. Behinderte finden heute eine ganz andere Beachtung als früher, Barrieren werden abgebaut. Das ist gut so. Aber Diakonie muss mehr sein, sie muss den Willen haben, in der Nachfolge Jesu Christi zu stehen und im Mitmenschen, wer dieser auch sei, den Nächsten zu sehen, den Gott mir in den Weg stellt, der mich braucht. Zu DDR-Zeiten wurde berichtet, dass gerade SED-Funktionäre, wenn sie krank wurden, sich am liebsten in einem kirchlich geführten Krankenhaus pflegen ließen, weil sie meinten, dort würden sie am besten versorgt. Ist es heute so, dass sich die Einrichtungen des Diakonischen Werkes so von denen anderer Wohlfahrtsverbände unterscheiden? Können die Betreuten spüren, dass ihre Helfer und Pfleger von der Liebe W Christi geleitet werden? Darum geht es. 21


Christentum und Islam Gegenüberstellung der theologischen Grundaussagen von Christentum und Islam in einzelnen Abschnitten –– Teil 6 von 9 Hanns Leiner

so verstieß sie damit gegen seinen Willen. Dieser Wille Jesu fand darin seinen Niederschlag, dass im christlichen Abendland geistliche und Christlich weltliche Macht grundsätzlich immer auf zwei Unterscheidung von Religion und Politik verschiedene Ämter verteilt blieben: Patriarch/ »Mein Reich ist nicht von dieser Welt« (Jo- Papst und Kaiser. Trotz aller Versuche von beihannes 18,36), sagt Jesus. Damit macht er deut- den Seiten gelang es niemals ganz und auf Daulich, dass es sich bei Religion und Politik für ihn er, beide Ämter in einer Hand zu vereinigen; um zweierlei handelt. Das zeigte er auch, indem und das war ganz im Sinne Jesu. er bei der dritten Versuchung die Weltherrschaft Während die lateinische Kirche im Hochausschlug (Matthäus 4,8–11) und mittelalter der Versuchung zum im Garten Gethsemane seinen Jün- mm »Das Blut der »Papstkaiser« (Innozenz III.) zu gern verbot, mit dem Schwert für Märtyrer ist der erliegen drohte, hat die Reformatiihn zu kämpfen (Matthäus 26,51f.). on diese Unterscheidung Jesu zwiIn die gleiche Richtung weisen sein Same der Kirche.« m schen Religion und Politik wieder Einzug nach Jerusalem auf einem In der Nachfolge klar erkannt und anerkannt. Diese Esel (Matthäus 21,6f.) und der liegt ihrer Konzeption Christi darf es des­ Erkenntnis Weg ans Kreuz (Matthäus 16,21– von den beiden Regimenten Got23). Jesus, der gekreuzigte König halb keinen Glau­ tes zugrunde (Martin Luther: Von (Matthäus 26,31–37), wollte kein benskrieg geben. weltlicher Obrigkeit und wieweit irdischer König sein und keine poman ihr Gehorsam schuldig sei, litische Herrschaft aufrichten. Er unterscheidet 1523). Im Bild besagt sie, dass Gott die Welt in der Geschichte vom Zinsgroschen (Matthä- mit zwei Händen regiert: Mit der linken übt er us 22,15–22) sehr deutlich zwischen dem, was das weltliche Regiment aus (Politik), mit der Gottes ist und dem, was des Kaisers ist. Des- rechten das geistliche (Religion). Das weltliche wegen geschah die Ausbreitung des christlichen Regiment dient der Erhaltung, das geistliche Glaubens mindestens in den ersten drei Jahr- der Erlösung der Welt. Beide Regierungsweisen hunderten völlig gewaltlos, nur durch leidendes Gottes darf man weder auseinanderreißen, noch Zeugnis (christliche Märtyrer). »Das Blut der miteinander vermengen. Märtyrer ist der Same der Kirche« (Tertullian). Diese klärende Unterscheidung Luthers hat In der Nachfolge Christi darf es deshalb keinen auch Eingang gefunden in unsere BekenntnisGlaubenskrieg geben. schriften. »Unsere Kirche hält unbedingt fest Wenn später die Kirche dennoch nach welt- an der Unterscheidung der beiden Regimente, licher Macht strebte und sie teilweise ausübte, die Gott gegeben hat, des geistlichen und des weltlichen Regiments […] Beide Regimente stammen von Gott. Sie dürfen nicht mitei­ nander vermengt werden. Die geistliche Gewalt soll nicht in das Amt der weltlichen Gewalt, die weltliche soll nicht in das Amt der geistlichen Gewalt greifen« (Augsburgisches Bekenntnis, Artikel 28). Deshalb darf die Kirche sich keiner weltlichen Gewalt bedienen, in ihr soll alles geschehen nach dem Motto: »Non vi, sed verbo« (nicht mit Gewalt, sondern durch das Wort). Nur der Staat besitzt das Gewaltmonopol und Hanns Leiner † muss Rechtsbrecher strafen (Römer 13,4).

Sozialethik, politische Ethik -– Religion und Politik

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Bereits im Augsburgischen Bekenntnis wurde festgehalten: »Unsere Kirche hält unbedingt fest an der Unterscheidung der beiden Regimente, die Gott gegeben hat, des geistlichen und des weltlichen Regiments . […] Beide Regimente stammen von Gott. Sie dürfen nicht mitei­ nander vermengt werden. Die geistliche Gewalt soll nicht in das Amt der weltlichen Gewalt, die weltliche soll nicht in das Amt der geistlichen Gewalt greifen.«

Damit wurde durch die Reformation in der Neuzeit die Entstehung von religiös neutralen Staaten erst ermöglicht und gefördert. Diese Unterscheidung der beiden Regimente Gottes wirkte sich friedensstiftend und damit sehr positiv für beide Bereiche aus: Sie bewahrte die Kirche davor, sich durch Ausübung von Macht und Gewalt vom Weg Christi zu entfernen und so zu verweltlichen. Sie sollte den Staat davor bewahren, sich zur Ersatzkirche oder -religion aufzuwerfen und dadurch fanatisch und unmenschlich zu werden. Weder soll die Kirche den Staat bevormunden, noch darf der Staat der Kirche Glauben vorschreiben oder verbieten. Die einzelnen Christen sollen selbstverständlich aus ihrem Glauben heraus auch politische Verantwortung wahrnehmen, müssen sich dabei aber des Unterschieds zwischen Kirche und Staat bewusst bleiben: Sie sollen im weltlichen Regiment auch mit Nichtchristen zusammenarbeiten und sich mit vorläufigen, unvollkommenen Lösungen begnügen. Einen vollkommenen christlichen Staat oder gar das Reich Gottes, den Himmel auf Erden sollen und werden sie nicht schaffen. Erst in der Vollendung wird Gott selbst diesen spannungsvollen Zustand der Unterscheidung von Religion und Politik aufheben, im himmlischen Jerusalem (Offenbarung Johannes 21,22). Informationsbrief 292

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Islamisch Verschmelzung von Religion und Politik Der Islam lehnt genau diese Unterscheidung von Religion und Politik grundsätzlich und praktisch ab. »Der Islam war von Anfang an eine ausgesprochen politische Religion.« Er geht von einer »grundsätzlichen Untrennbarkeit von Religion und Staat aus« (Christen und Muslime, S. 58f.). Mohammed verstand sich als Prophet und weltlichen Herrscher, vereinigte also beide Bereiche in seiner Person, übrigens mit allen gefährlichen Konsequenzen: Ausübung von Gewalt, Kriegführung, Intrigen und Hinrichtungen im Namen Allahs, z. B. Vertreibung und Tötung der Juden in Medina, die ihn nicht als Propheten anerkannten. Auch die rasche Ausbreitung des Islam im Jahrhundert nach Mohammed geschah mit militärischer Gewalt. Seine Nachfolger, die Kalifen, verstanden sich ebenso wie er als höchste geistliche und weltliche Autorität in einer Person. Konsequenterweise lehnen islamische Staaten, insbesondere nach einer islamischen Revolution, die Unterscheidung von Religion und Politik ab, beanspruchen für sich sowohl weltliche als auch geistliche Macht. Sie nennen sich darum betont »islamische Republik«, verurteilen das so genannte laizistische Verständnis des Staates (wie es in der Türkei Kemal Atatürk einführte und das heute im Zuge der Re-Islamisierung wieder in Frage gestellt wird) 23


und bekämpfen die Vorstellung eines religiös zur Intoleranz, die den »Heiden« kein Daseinsneutralen Staates als widergöttlich: »Die islami- recht zugestand und auch Christen und Juden sche Regierung ist die Regierung des göttlichen in seinem Machtbereich nur als Bürger zweiRechts, und ihre Gesetze können weder gewech- ter Klasse (Dhimmis) mit sehr eingeschränkselt, noch geändert werden. […] Diesen Geset- ten Rechten bei sich leben ließ, ihnen also die zen müssen alle gehorchen. […] Die Errichtung Rechtsgleichheit verweigerte. Sie mussten meheiner (nur) weltlichen politischen Ordnung rere zusätzliche Steuern zahlen, durften keinen heißt, den Fortschritt der islamischen Ordnung Grundbesitz haben und keine Waffen tragen, zu verhindern. Jede (nur) weltliche Macht, in nicht Zeugen vor Gericht sein, überhaupt keiwelcher Form sie sich auch zeigt, ist unvermeid- ne öffentlichen Ämter bekleiden, keine neuen lich eine atheistische Macht, Kirchen bauen, mussten an ihrer Satanswerk« (Ayatollah Kho- mm Wegen dieser grund­ Kleidung kenntlich sein, konnmeini, Worte, S. 17–24). »Der sätzlichen Nichtunter­ ten keine Ehen mit Muslimen muslimische Libanese kann eingehen, wurden überhaupt prinzipiell nur einen islami- scheidung von Religion verspottet und gedemütigt und schen Staat zulassen. […] Diese und Politik neigt der durften sich nicht dagegen wehReligion [nämlich der Islam] ren (J. Laffin, Islam, die Macht Islam ständig zum wurde ihrem Propheten von des Glaubens, S. 103f.). Diese Allah geoffenbart, und zwar als Fanatismus und Totali­ Form der Diskriminierung war Religion und Staat[sordnung]. tarismus, […] und kann durchaus vergleichbar mit der […] Der Islam postuliert, dass Behandlung der Juden im christes für Muslime unmöglich ist, in religiöser Toleranz lichen Abendland. Es beruht auf ihren Glauben zu praktizieren, nur eine Schwäche […] Unkenntnis dieser Einzelheiten, ohne die politische Macht zu sehen […]. wenn heute oft die muslimische haben« (Hussein al-Kuwatli, Toleranz gepriesen wird. Wir Beiruter Zeitung, 18. August 1975). Das trifft müssen erkennen, »dass Muslime einen andenicht nur für den islamischen Fundamentalis- ren Toleranzbegriff haben, als wir ihn seit der mus zu, sondern für den Islam ganz allgemein. Aufklärung gewohnt sind« (Eberhard Troeger, Deswegen teilt der Islam die Welt in zwei Be- a.a.O., S. 13). Das wirkt sich bis zum heutigen reiche ein: den Dar al islam (Haus des Islam), Tag aus in der Unterdrückung von Christen in d. h. die Länder, in denen der Islam sich in der den meisten islamischen Ländern. Mehrheit befindet und das gesamte Leben öfHinter all diesen Erscheinungen steckt der Anfentlich und privat beherrscht, wo angeblich spruch, im Koran und den islamischen Gesetzen Frieden herrscht, und den Dar al harb (Haus die unmittelbare, ungebrochene, unüberbietbades Kampfes), die übrigen Länder. Diese Ge- re göttliche Offenbarung für alle Lebensbereibiete gelten als Missionsgebiet. Mit ihnen kann che zu besitzen und diese auf Erden ganz und es keinen wirklichen Frieden geben, höchstens überall zu verwirklichen. Wer dem widerspricht Waffenstillstand, bis sich eine Gelegenheit bie- oder gar sich widersetzt, der widerspricht mittet, sie dem Bereich des (herrschenden) Islam hin nicht menschlichen Gegnern, sondern Allah einzugliedern. Darum konnte der Islam von selbst und wird zum Feind Allahs. Die Feinde Anfang an guten Gewissens seine Mission mit Gottes aber darf und muss man bekämpfen, mit Gewalt und mit militärischer Macht durchfüh- ihnen darf man nicht als mit Gleichberechtigten ren. Dschihad heißt wörtlich »Anstrengung im diskutieren, sie muss man unterwerfen und zum Glauben«, wird aber im Koran auch im Sinne Schweigen bringen. »Die Lüge hat nicht das von »Heiligem Krieg« verwendet: »Der Heilige gleiche Recht wie die Wahrheit« (Syllabus ErroKrieg bedeutet die Eroberung der nicht-mo- rum, Pius IX.), hieß es früher in der römisch-kahammedanischen Territorien. Es ist Pflicht eines tholischen Kirche. So meint das der Islam noch jeden volljährigen und waffenfähigen Mannes, heute und lehnt folglich einen gleichberechtigfreiwillig in diesen Eroberungskrieg zu ziehen, ten Glaubensdialog mit uns Christen und andedessen Endziel es ist, das Gesetz des Koran von ren Religionsgemeinschaften ab. einem Ende der Welt bis zum anderen regieren Wegen dieser grundsätzlichen Nichtunterzu lassen« (Khomeini, Worte, S. 20). Darum scheidung von Religion und Politik neigt der Isstrebt der Islam in allen Ländern die Errich- lam ständig zu Fanatismus und Totalitarismus, tung moslemischer Staaten/Regierungen an kennt und gewährt in seinem Gebiet keine indiund meint, erst wenn dies Ziel erreicht ist, seine viduelle Religionsfreiheit, bestraft diejenigen, die Religion ungehindert praktizieren zu können. sich von ihm abwenden mit dem Tode, verbietet Hierin gründet ein prinzipieller Hang des Islam etwa in Saudi-Arabien christliche Symbole und 24

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Gottesdienste völlig und selbstverständlich auch christliche Mission, widersetzt sich dem Versuch der Aufklärung und der Säkularisierung und kann in religiöser Toleranz nur eine Schwäche oder eine vorläufige Taktik sehen, die er bei besserer Gelegenheit abwirft. Von daher ergibt sich, dass Muslime sich zu Christen ganz unterschiedlich verhalten, je nachdem, wer die Mehrheit in einem Lande stellt. Während die Muslime bei uns Religionsfreiheit in Anspruch nehmen und sogar fordern, weigern sie sich in ihren Ländern, den Christen und Angehörigen anderer Religionen das Gleiche zu gewähren. So wird religiöse Toleranz leider zur Einbahnstraße zu ihren Gunsten und zu Ungunsten von uns Christen. Wegen dieses Ansatzes einer politischen Religion (Totalitarismus) oder religiöser Politik (Theokratie) erscheint es auch sehr fraglich, ob man den Islam als grundgesetzkonform ansehen kann: Denn das Grundgesetz geht eben von einem religiös neutralen Staat aus. Als Christen bejahen wir diese Unterscheidung von Kirche und Staat, kämpfen gegen die Versuchung, beides miteinander zu vermengen, ganz gleich ob bei uns oder in anderen Religionen, wie z. B. im Islam. »Es ist offenkundig: Der unterschiedliche Ansatz im Christentum und im Islam führt auch bei der Frage nach Krieg, Gewalt und Friedensaufgabe« – überhaupt bei der Verhältnisbestimmung von Religion und Politik – »zu verschiedenen Antworten« (Christen und Muslime […], S. 65). Die dem Islam wegen seiner Vermengung von Religion und Politik immer innewohnende Versuchung zu Fanatismus und Totalitarismus ist in den letzten Jahrzehnten besonders krass zum Ausbruch gekommen in den verschiedenen Spielarten des Islamismus bzw. islamischen Fundamentalismus. Als Beispiele seien genannt: Das Regime der Wahhabiten in Saudi-Arabien, die islamische Revolution im Iran durch Ayatolla Khomeini und seinen islamischen Revolutionsgarden, die Moslembruderschaft in Ägypten, die Heilsfront (besonders ihr radikaler Flügel) in Algerien, das islamische Regime von Zia ul Haq in Pakistan, ähnlich im Sudan (mit dem Krieg gegen den christlichen Süden), Bestrebungen dazu, in Nord-Nigeria ein solches Regime einschließlich der Scharia einzuführen (Boko Haram), ferner das aus dem Bürgerkrieg in Afghanistan siegreich hervorgegangene totalitäre Regime der Taliban (das nicht besiegbar scheint), bürgerkriegsähnliche Zustände in Indonesien (besonders auf den Molukken) mit Tausenden von Toten unter der christlichen Bevölkerung durch islamische Revolutionsgarden, die Auseinandersetzung zwischen den Palästinensern und Israel im Nahen Osten einschließInformationsbrief 292

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lich der Selbstmordattentate von Kämpfern der Hisbollah und Hamas; bis hin zu dem islamischen Terrorismus durch das Netzwerk von Al Qaida des Osama bin Laden und seine verbrecherischen, massenmörderischen Anschläge in den USA (am 11. September 2001). Dies alles hat nicht in erster Linie wirtschaftliche Gründe (Armut, Unterentwicklung) oder politische Ursachen (z. B. bei Israel), sondern wird ausdrücklich religiös begründet. Im Unterschied zu der heute immer wieder zu hörenden Behauptung, der Islam sei eine im wesentlichen friedliche Religion und habe mit der jetzigen Bedrohung der westlichen Welt nichts zu tun, stellen wir – auch im Blick auf den Koran und die Geschichte des Islam – fest: Es kann kein Zufall sein, dass es zu all diesen gefährlichen Auseinandersetzungen immer dort kommt, wo wir es mit muslimischen Ländern zu tun haben, und dass der Islam sich dort, wo er sich in der Mehrheit befindet, häufig intolerant und aggressiv gegenüber anderen Religionen, besonders gegen Christen, verhält. Wir haben es dabei offenbar immer mit Religionskriegen zu tun. So sehen es und sagen es die Islamisten selbst; sie bezeichnen es nämlich als »Kampf gegen die Juden und Kreuzzügler« (Osama bin Laden). Mit den Kreuzzüglern sind wir Christen gemeint. Ich frage mich, ob nicht Samuel Huntington mit seiner These von dem »Zusammenstoß der – religiös geprägten – Kulturen« beim Islam doch mehr Recht hat als uns lieb ist! Gerade weil uns im säkularisierten Abendland das Verständnis für die vitale Kraft von Religion allgemein und für die gefährliche Verbindung von Religion und Politik im besonderen fehlt, gilt es auf der Hut zu sein und mit den alle anderen Religionen bedrohenden Konsequenzen des islamischen Fundamentalismus und Totalitarismus zu rechnen und sich dagegen zur Wehr zu setzen. Wir dürfen zwar auf diesen Dschihad nicht mit einem christlichen Kreuzzug antworten, vielmehr mit einer unserem Glauben entsprechenden Doppelstrategie: Der Staat hat die äußere Gefahr, die vom islamischen Terrorismus ausgeht, mit seinen Mitteln abzuwehren und seine Bevölkerung davor zu schützen, so gut es geht. Wir als Christen und Kirche haben vom Glauben an Jesus Christus her (wie ich es hier eingangs versucht habe) mit unserem friedlichen Zeugnis zu zeigen, worin der grundlegende Unterschied zwischen der Lehre Jesu und der des Mohammed besteht, vor allem wie befreiend Jesu Einladung zum Glauben ohne Zwang und Gewalt ist und dass sein Weg dem Frieden unter den Menschen dient, wenn wir uns daran W halten. 25


Lucas Cranach der Ältere –– Maler der Reformation Walter Rominger

Kurzer Lebenslauf Außer dass er 1472 im oberfränkischen Kronach geboren wurde (der genaue Tag scheint nicht einmal bekannt zu sein), wonach er sich dann Cranach nannte, sind seine Kinder- und Jugendjahre unbekannt. Aus dem Dunkel trat er erst, als er in Wien zu einem geachteten Meister bildender Kunst aufstieg, in Universitätskreisen porträtierte und in den Jahren 1500 bis 1504 eine besonders produktive Phase hatte. 1504 berief ihn der kunstsinnige Kurfürst Friedrich der Weise (1463–1525) nach Wittenberg als Hofmaler, wohin Lucas Cranach im darauffol-

Walter Rominger Die Anschrift des Autors finden Sie auf Seite 30

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genden Jahr (1505) auch übersiedelte und es rasch zu Ansehen brachte. Wittenberg wurde für Cranach genauso wie für Luther zu »seiner« Stadt. Bald war er Wittenbergs vermögendster Bürger. Denn: Er verstand nicht allein viel von bildender Kunst, sondern, wie man heute sagte, er verstand es auch trefflich, diese zu vermarkten und in der (lokal)politischen Szene Fuß zu fassen. Sein Atelier baute er zügig zu einer weithin berühmten Kunstwerkstatt aus, betrieb eine Druckerei, durch die reformatorische Schriften verbreitet wurden, war zudem Apotheker, entwickelte sich also zum Unternehmer und war darüber hinaus auch Ratsherr und viele Jahre Wittenbergs Bürgermeister. Von Anfang an war er Anhänger der Reformation und guter Freund Luthers. Dieser war 1520 Taufpate bei Cranachs ältester Tochter Anna; fünf Jahre später war Cranach Trauzeuge Luthers und später Taufpate bei dessen ältestem Sohn Hans. Der berühmt gewordene Maler und Holzschneider, der als der Maler der Reformation gilt, obwohl er auch später noch Heilige und Madonnen malte, starb im für damalige Verhältnisse hohen Alter von 81 Jahren am 16. Oktober 1553 in Weimar – und hat damit Luther um gut siebeneinhalb Jahre überlebt – nach einem arbeits- und auch erfolgreichen Leben. Juni 2015

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Der Maler der Reformation –– Lucas Cranach d. Ä. hatte ein überaus gutes Verhältnis zu Luther Nebst dem von Johannes Gutenberg (geboren um 1400, gestorben um 1468) entwickelten Buchdruck mit beweglichen Lettern, halfen auch Bilder und Holzschnitte Lucas Cranachs d. Ä. und seiner Kunstwerkstatt (aber auch Lucas Cranach d. J. führte diese mit derselben Intention fort), auf illustrierten Flugblättern und (reformatorischen) Propagandaschriften, die Reformation voranzubringen. In 26 Holzschnitten »Passional Christi und Antichrist« stellte Cranach d. Ä. dem Leben und Leiden Christi das weltliche und üppige Treiben des Papstes gegenüber. Cranach d. Ä. entwickelte die mit dem Buchdruck entstandene neue Holzschnitt-Kunst weiter und führte sie zu einer künstlerisch hohen Form. Luther schätzte die Arbeit seines Wittenberger Gevatters, wie er den Maler nannte, der sich von Anfang an dem Anliegen Luthers verbunden wusste. Dieser mochte die Bilder seiner Person von Lucas Cranach, etwa das Porträt, das Luther als Junker Jörg darstellt und das Doppelporträt mit Käthe Luther. Cranach d. Ä. hat im Übrigen reichhaltige Porträtmalerei betrieben; er malte Adlige und Bürgerliche; auch die andern Wittenberger Reformatoren porträtierte er, so dass dadurch für Spätere diese auch in ihrem Aussehen bekannt waren. Die prägnante Physiognomie und prachtvolle Ausstattung zeigen die Porträtierten vor dunklem Hintergrund oder in freier Landschaft. Bei der Porträtmalerei war Cranachs eleganter Stil beliebt und gefragt. Zudem repräsentierten Cranachs Stiche von 1519 Luthers »Mission« gut. Luther verstand es, Bilder zur Verbreitung seiner Botschaft einzusetzen, wofür die langjährige Freundschaft und vielfältige Zusammenarbeit mit Lucas Cranach d. Ä. vorteilhaft war. Diese fruchtbare Zusammenarbeit zeigte sich etwa bei den Wittenberger Bibeldrucken und nicht weniger bei den großen Altarbildern in Wittenberg, in der St. Wolfgangskirche in Schneeberg und in Weimar, die gemalte evangelische Theologie sind. Für den Reformationsaltar in der Wittenberger Stadtkirche, der zwar erst nach Luthers Tod (Februar 1546) geweiht wurde (April 1547), hatten Luther und Melanchthon bereits in den 30er Jahren das theologische Bildprogramm erarbeitet, das mit Taufe, Abendmahl, Predigt und Buße Eckpfeiler der lutherischen Kirche benennt. Informationsbrief 292

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Die Bilder Lucas Cranachs d. Ä. zeigen, dass er die reformatorische Botschaft verstanden hatte: Gottes Gnade steht über dem Gesetz, dem Verdienst und der Vergeltung. Das kann auch an den 20 Variationen zum Christus, der die Kinder segnet, abgelesen werden, ein Motiv übrigens, das auch die in Pastelltönen malende Nazarenerkunst des 19. Jahrhunderts gerne wählte, sowie an Cranachs Bild von der Ehebrecherin und dem Bild »Ruhe auf der Flucht«; wobei das Bild »Jesus segnet die Kinder« als Ausdruck der lutherischen Position gegen die Wiedertäufer zu werten ist. Lucas Cranach d. Ä. hat auf seinen Bild-Tafeln und unter seinen Holzschnitten Bibelzitate in deutscher Sprache angebracht und damit Luthers Forderung, der zufolge Bild und Bibel zu verbinden sind, aufgenommen. Neben Bildern zu neutestamentlichen Motiven traten genauso solche zum Alten Testament, sowie zu Mythologie und zu Allegorien. Auch an einer anderen künstlerischen Leistung hatte Lucas Cranach d. Ä. Anteil, an der reformatorischen Grafik, mit der in Deutschland die politische Karikatur entstand. Ideengeber für Spottbilder war manches Mal Luther selbst. Beispielhaft sei nur daran erinnert, dass während der Abfassung seiner polemischen Spätschrift »Wider das Papsttum zu Rom vom Teufel gestiftet« (1545) Luther eine darauf bezogene Bilderfolge mit zehn Spottbildern über das Papsttum entwarf. Diese Bilderfolge führte Lucas Cranach d. Ä. aus und die einzelnen Holzschnitte wurden mit von Luther verfassten lateinischen Überschriften und darunter stehenden deutschen Versen und seinem Namen versehen. Die Spottbilder waren zum Teil recht grob, wie Luthers Äußerungen über den Papst des Öfteren auch. Abgesehen von einem Bild, das die Geburt des Papstes darstellt, anlässlich dessen Luther seinen Wittenberger Gevatter Cranach als »groben Maler« kritisierte, und Änderungen dieses Holzschnittes wünschte, gaben die übrigen bissigen Holzschnitte Luthers Auffassung zum Papsttum wieder. Im August 1545 bekannte er sich ausdrücklich zu ihnen. Er war bereit, dafür die Verantwortung zu übernehmen. Sie enthielten die Vorstellungen, die er in der geplanten weiteren Schrift gegen den Papst ausführen wollte; in diesem Zusammenhang bezeichnete er die Bilder als Testament. Durch Cranachs enge Verbindung zu Luther und seinen Einsatz für die Reformation wandelte sich seine bildende Kunst ganz im Sinne des reformatorischen Verständnisses von Bibel und Kirche. Mit seiner Kunst hat Cranach denn auch Luthers Reformation gestärkt. 27


Lucas Cranach d. J. Ist auch über den Sohn Lucas Cranachs, der denselben Vornamen hatte, weniger bekannt als über dessen berühmten Vater und Maler der Reformation, so soll er dennoch nicht in Vergessenheit geraten. Denn der Sohn, der 1515 das Licht der Welt erblickte und 1586 die Augen schloss, führte ab 1550 die (Kunstmaler)Werkstatt im Sinne seines Vaters weiter, ebenfalls von dem Bemühen geleitet, durch Bild und Grafik die Gedanken der Reformation zu verbreiten. Lucas Cranach d. J. setzte also in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts das Werk des Vaters was Stil und Inhalt anlangt, in ungebrochener Tradition kongenial fort. Er war seit 1541 mit Barbara, der Tochter des thüringischen Kanzlers

Gregor Brück (1485–1557) verheiratet. 1549 wurde der in den Rat berufen und gehörte diesem bis 1568 an. Zudem war er, wie sein Vater, Bürgermeister von Wittenberg. – In diesem Jahr sind es 500 Jahre, dass Lucas Cranach d. J. geboren wurde; das sollte nicht einfach vergessen werden. W Anlässlich des 500. Geburtstages Lucas Cranachs des Jüngeren findet in der ­Lutherstadt Wittenberg, in Dessau und Wörlitz eine Ausstellung statt (6. Juni bis 1. November 2015). Näherer Informationen unter www.cranach2015.de

Aus Kirche und Gesellschaft Die Macht der Homo-Lobby, ­illustriert an einem kleinen Beispiel Doch nicht alle evangelischen Kirchen ­knicken vor dem Gender-Wahnsinn ein In der Zeitung für deutsche Reformhäuser, die in 1300 Geschäften ausliegt, also einem eher entlegenen Publikationsorgan, hatte sich ein Arzt zur Homosexualität kritisch geäußert (es sei anzunehmen, eine Gegenreaktion der Natur werde kommen). Aber selbst über solch eher kleine Publikationsorgane wacht anscheinend die unheimlich einflussreiche Homo-Lobby. Denn es genügten Boykott-Drohungen (man setzt beim Geld an), und Vorstand und Aufsichtsrat der Reformhaus e. G. ruderten sofort zurück und entschuldigten sich. Beschämend ist indes, dass darin, Homosexualität salonfähig zu machen, die EKD mit den Landeskirchen durch deren Kirchenleitungen und Synoden nicht gegengehalten haben, sondern entweder alles einfach laufen ließen oder gar – teils recht aktiv – unterstützten, wie sie ja auch den Genderismus, der ursächlich mit der Homo-Lobby in Verbindung steht, aktiv betreiben, etwa durch das Studienzentrum für Genderforschung in Kirche und Theologie, das 2014 in Hannover eröffnet wurde. Aber wie gut, dass es auch in evangelischen Kirchen in Deutschland noch anderes gibt und nicht alle dem Gender-Wahn erlegen sind, sondern an Schrift und Bekenntnis festhalten. In einem Brief an eine besorgte evangelische Christin 28

antwortete der Bischof der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK), Hans-Jörg Voigt, D. D. (Hannover) mit Zitation der für diese Kirche maßgeblichen Bestimmungen hinsichtlich der Frauenordination: »›Das eine, von Christus gestiftete Amt der Wortverkündigung und Sakramentsverwaltung kann nur ausüben, wer berufen und ordiniert ist. Dieses Amt kann nur Männern übertragen werden‹ (Grundordnung Art. 7,1 und 7,2)«; und »bezüglich der Frage nach der kirchlichen Trauung homosexueller Menschen hält die Kirchliche Lebensordnung der SELK fest: ›Trauungs- und Segenshandlung an homosexuellen Paaren sind nicht möglich‹ (Kirchliche Regelungen 3,4).« (Quellen der Nachricht: Kurier der christlichen Mitte 2/2015 vom Februar 2015, S. 4, nach abtreiber.com; Evangelisches Gemeindeblatt für Württemberg 7/2015 vom 15. Februar 2015; Brief von Bischof Hans-Jörg Voigt, D. D. [SELK] vom 15. Januar 2015)

Berlin-Brandenburg-Schlesien ist immer wieder für eine Überraschung gut: Innerhalb eines Jahres wurde drei Mal ein Kirchenleitungsmitglied nicht bestätigt Und noch eine weitere Überraschung: die neue zweithöchste Repräsentantin, die Präses der Synode der Evangelischen Kirche BerlinBrandenburg-schlesische Oberlausitz (114 Syno­ dale), Sigrun Neuwerth, lebt seit 2012 in einer eingetragenen (lesbischen) Partnerschaft. Die 58-jährige Agrarwissenschaftlerin aus Berlin ist Juni 2015

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als Referatsleiterin im Bundeslandwirtschaftsministerium zuständig für die Beziehungen zum Europäischen Parlament sowie anderen EUStaaten. Zuvor arbeitete sich als Wirtschaftsjournalistin in Brüssel und Hamburg. Neuwerth, die ihre Kandidatur erst kurz vor der Wahl bekanntgegeben hatte, folgt auf Andreas Böer, CDUBürgermeister im sächsischen Reichenbach, der ihr bei der Wahl knapp unterlegen war; Neuwerth erhielt 55 Stimmen, Böer, der das Amt seit 2006 innehatte, 53. Damit ist nach Konsistorialpräsident Ulrich Seelebach und Pröpstin Friederike von Kirchbach innerhalb eines Jahres das dritte Kirchenleitungsmitglied abgewählt worden. Konsistorialpräsident Ulrich Seelebach sollte allem Anschein nach mit seiner Abwahl im April 2014 ein Denkzettel für dessen als autoritär emp­ fundenen Führungsstil verpasst werden. Der 63-jährige erhält Aufgaben in der EKD. Die 59-jährige Pröpstin Friederike von Kirchbach hatte sich bei ihrer Vorstellung zur (Wieder) Wahl im vergangenen November vor der Synode, die Synodalen zufolge zurzeit als »völlig unberechenbar« eingeschätzt wird, als schwach präsentiert, woraus eine fehlende Vision für die Zukunft der Kirche abgeleitet wurde. An ihrer Stelle wurde der Studiendirektor des Predigerseminars der hannoverschen Landeskirche im Kloster Loccum, Christian Stäblein (47) gewählt, von dem erwartet wird, Schwung von außen zu bringen. Bekanntlich stirbt die Hoffnung zuletzt und kann nahezu allem etwas Positives abgewonnen werden: Und deshalb wird mit den drei Neuen in der Kirchenleitung die Hoffnung verbunden, der Führungsstil könnte freundlicher werden. (Quelle der Nachricht: ideaSpektrum 5/2015 vom 28. Januar 2015, S. 28, Ost)

Christa Meves wurde 90 Die bekannte Kinder- und Jugendpsychotherapeutin Christa Meves konnte ihren 90. Geburtstag begehen. Die Stiftungspreisträgerin der Stiftung Ja zum Leben aus dem Jahr 2007 kann auf ein Lebenswerk zurückblicken, mit dem sie unzähligen Menschen Hilfe und Orientierung gegeben hat. Und noch heute stellt sie ihr Leben ganz in den Dienst an der Familie. Schon früh stemmte sich Christa Meves gegen die Neufassung des Paragraphen 218, durch die die Abtreibung faktisch freigegeben wurde und setzte sich entschlossen für einen besseren Schutz der ungeborenen Kinder im Mutterleib ein. Seit Beginn der 60er Jahre, nach ihrem Studium der Philosophie, Geographie, Pädagogik Informationsbrief 292

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und Psychologie und ihrer Zusatzausbildung zur Kinder- und Jugendpsychotherapeutin hat sie vielen Kindern und Jugendlichen in ihren seelischen Nöten und Verletzungen geholfen. Gleichzeitig deckte sie die Ursachen für deren Leiden auf: Frühkindliche negative Erfahrungen, vor allem die zu frühe Trennung von Mutter und Kind, die den kindlichen Bedürfnissen widerspricht und es in seiner Entwicklung nachhaltig beeinträchtigt. Angespornt durch ihre Erkenntnisse, bestätigt durch die neuere Hirnforschung und »herausgefordert vom Zeitgeist«, wie sie selbst in ihrem Buch »Mein Leben« schreibt, ging sie mit zahllosen Vorträgen, Publikationen und Veranstaltungen in die Öffentlichkeit. Seitdem wird sie nicht müde, mahnend ihre Stimme zu erheben gegen gesellschaftliche Fehlentwicklungen, die sich schädlich auf unsere nachwachsende Generation auswirken, etwa die derzeitige einseitige Krippenpolitik und die geplante Neuordnung des Sexualkundeunterrichts im Geist der Gender-Ideologie. (Quelle der Nachricht: Stiftungsbrief der Stiftung Ja zum Leben Nr. 51 vom März 2015, S. 3)

Streit um sexuelle Vielfalt im ­Lehrplan neu entflammt Widerspruch von Christen findet ein Aktionsplan, mit dem die grün-rote Landesregierung in Baden-Württemberg sexuelle Minderheiten fördern möchte. In öffentlichen Gremien soll es künftig eine Quote für LSBTTI-Gruppen (Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender etc.) geben. Noch vor der Sommerpause soll ein Maßnahmenkatalog beschlossen werden. Darin wird angekündigt, dass Institutionen (auch Hochschulen), die diese neue Sicht »diskriminieren«, die Förderung versagt wird. Personalausweise sollen auch LSBTTI-Geschlechtsangaben bekommen. Außerdem wünscht sich der Ministerpräsident eine LSBTTI-Quote im Rundfunkrat. Für den Aktionsplan sollen 2015 und 2016 jeweils 500 000 Euro ausgegeben werden. Die Schriftstellerin Birgit Kelle, eine bekannte Genderkritikerin, sprach bei einer Demonstra­ tion in Stuttgart mit 2400 Teilnehmern von einem staatlichen Umerziehungsprogramm, das Schulen und Kindergärten sowie viele soziale Einrichtungen betreffe. Schulbücher sollen überarbeitet, Lehrer dafür geschult werden. Der Kultusminister will trotz starker Kritik das Konzept der sexuellen Vielfalt an den Schulen durchsetzen. (Quelle der Nachricht: hoffen + handeln 4/2015 vom April 2015, S. 13, mk)

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Weltkirchenrat und Evangelische Allianz wollen kooperieren

Gab es noch vor rund einem Jahrzehnt nur wenige Kontakte zwischen dem Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK) und den Evangelikalen, so soll nun eine Änderung eintreten; denn jetzt wollen der Weltkirchenrat (der Dachverband von 345 evangelischen, orthodoxen und anglikanischen Kirchen mit mehr als 500 Millionen Mitgliedern) und die Weltweite Evangelische Allianz (WEA, sie umfasst 129 nationale Alli-

anzen und repräsentiert rund 600 Millionen Evangelikale und ist damit der größte evangelikale Dachverband) angesichts der globalen Herausforderungen enger zusammenarbeiten. Angesichts zunehmenden Terrors sei es notwendig, dass Christen möglichst mit einer Stimme sprächen. Konkrete Ergebnisse, auf welchen Gebieten diese Kooperation verstärkt werden soll, gibt es noch nicht. (Quelle der Nachricht: ideaSpektrum 5/2015 vom 28. Januar 2015, S. 12)

Aus den Bekennenden Gemeinschaften Der Kieler Pastor Dr. Dieter Müller wurde 80 Einer der profiliertesten konservativen Theologen Norddeutschlands, der Kieler Pastor Dr. Dieter Müller, ist im Frühjahr 80 geworden. Müller hat eine geistliche Wende vollzogen. Denn zunächst war er ein »typischer 68er« und Verfechter einer liberalen Theologie. Er hat jedoch zu einer »intensiven Frömmigkeit« und zu einer an die Bibel gebundenen Lehre gefunden. Müller war wissenschaftlicher Assistent an den Universitäten von Kiel und Bochum. Mit einer Dissertation über die Auferstehungstradition bei Paulus wurde er zum Dr. der Theologie promoviert. Er ist Schriftleiter der Kirchlichen Sammlung um Bibel und Bekenntnis in der »Nordkirche« und auch in der Redaktion der von der Konferenz Bekennender Gemeinschaften verantworteten Vierteljahresschrift »Diakrisis«. (Quelle der Nachricht: ideaSpektrum 13/2015 vom 25. März 2015, S. 28, Nord)

Mitarbeiter an diesem Heft: Pfarrer Johannes Frey Ofener Weg 3 28816 Stuhr Telefon (0421) 5228910 E-Mail: johannes.frey@kabelmail.de Pfarrer Hansfrieder Hellenschmidt Rötlenstraße 26 70794 Filderstadt Telefon (07158) 69569 Fax (07158) 9157495 E-Mail: hans.hellenschmidt@gmx.de

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Kirchenrat, Professor Dr. Karl-Hermann Kandler Enge Gasse 26 09599 Freiberg Telefon (03731) 23545 Fax (03731) 218150 Walter Rominger Mehlbaumstraße 148 72458 Albstadt Telefon und Fax (07431) 74485 E-Mail: w.rominger@t-online.de

Professor Dr. Reinhard Slenczka, D. D. Spardorfer Straße 47 91054 Erlangen Telefon und Fax (09131) 24139 E-Mail: Grslenczka@aol.com Thomas Zimmermanns Ägidiusstraße 1 50937 Köln Telefon und Fax (0221) 4206611 E-Mail: zimmermanns.koeln@freenet.de Studiendirektor, Pfarrer Hanns Leiner †

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Weitere Exemplare des Informationsbriefes für Juli 2013, Heft 279 und für Juli 2014, Heft 286 sowie die Traktate »Falsche Propheten sind unter uns« und »Ist Gott interreligiös?« können –– auch in größerer Stückzahl –– bei der Geschäftsstelle bestellt werden. Geschäftsführender Ausschuss Stellvertretender Vorsitzender Pfarrer Johannes Frey Ofener Weg 3 28816 Stuhr Telefon (04 21) 5 22 89 10 E-Mail: johannes.frey@kabelmail.de Schriftführer Walter Rominger Mehlbaumstraße 148 72458 Albstadt Telefon und Fax (0 74 31) 7 44 85 E-Mail: w.rominger@t-online.de

Weitere Mitglieder des Geschäftsführenden Ausschusses Gabriele Reimer Beurhausstraße 31 44137 Dortmund Telefon (02 31) 5 84 46 96 Fax (02 31) 5 89 36 37 E-Mail: Gabriele.Reimer@gmx.de Martin Schunn Hölderlinstraße 9 75334 Straubenhardt Telefon (0 70 82) 2 02 75 E-Mail: m.schunn@kvst-nb.de

Kassenwart Hans Lauffer Osterstraße 25 70794 Filderstadt Telefon (0 71 58) 48 31 Fax (0 71 58) 94 78 73 E-Mail: hans.lauffer@t-online.de

Bekenntnisbewegung »Kein anderes Evangelium« e. V. Geschäftsstelle: Walter Rominger Mehlbaumstraße 148 72458 Albstadt Telefon und Fax (07431) 74485 E-Mail: w.rominger@t-online.de www.keinanderesevangelium.de

Impressum: Herausgeber und Verlag: Bekenntnisbewegung »Kein anderes Evangelium« e. V. – zweimonatlich, kostenlos – Redaktion: Walter Rominger Satz und Layout: Grafisches Atelier Arnold, Dettingen an der Erms Druck: BasseDruck, Hagen ISSN 1618-8306

Mit Fragen bezüglich der Spendenbescheinigungen wenden Sie sich bitte an unseren ­Kassenwart Hans Lauffer. Sie erreichen ihn telefonisch unter (0 71 58) 48 31, per Fax 94 78 73 oder per E-Mail hans.lauffer@t-online.de Bankkonten Volksbank Filder e. G., (BLZ 611 616 96) Konto-Nr. 65 500 016 IBAN DE34 6116 1696 0065 5000 16 BIC (SWIFT)-Code: GENO DE S1 NHB Postgirokonto Schweiz: Postgiroamt Bern Nr. 30-195 56-2 IBAN CH21 0900 0000 3001 9556 2 BIC POFICHBEXXX

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Glaube ist wesenhaft Gehorsam. Professor Ulrich Wilckens, Bischof i. R.


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