Informationsbrief Juni 2018

Page 1

E 11299

Aus dem Inhalt

Neues aus Kirche und Welt Aus Lehre und Verkündigung Dankbewegte Liebe: Der rechte Glaube Recht und Gerechtigkeit Das Leben – ein Geschenk Der Weg in und durch die Postmoderne – und die Antwort der christlichen Verkündigung Aus Kirche und Gesellschaft Aus den Bekennenden Gemeinschaften Bekenntnistag in Kassel Buchrezensionen

ISSN 1618-8306

Juni 2018 Nr. 310

Bekenntnisbewegung »Kein anderes Evangelium«


kurz+bündig Personen

Kirche in Deutschland

Tübingen besteht seit 200 Jahren. Zum Wintersemester 1817 zogen die Dozenten von einer Kleinakademie in Ellwangen (Ostalb) an eine echte Universität.

Pastor und Liederdichter Martin Gresing †

Der Pastor und Liederdichter Martin Gresing ist im Alter von 86 Jahren heimgegangen. Von 1966 bis 1975 war er Pfarrer an der Stadtkirche Großalmerode, von 1975 bis 1982 Vorsitzender des Hessisch-Nassauischen Gemeinschaftsverbandes und von 1982 bis zum Eintritt in den Ruhestand, den er in Großalmerode verbrachte, leitete er das Diakonissenmutterhaus SalemLichtenrade in Bad Gandersheim. Zu seinen bekanntesten Liedern gehören: »Herr, du hast uns gerufen, dein Ruf war laut und klar«, »Hört den großen starken Namen«.

Nähern sich katholische ­Kirche und Donum Vitae ­einander an?

Singles in Gemeinden mehr beachten

Christliche Gemeinden sollten Alleinstehende stärker beachten. Auf sie zugeschnittene Angebote bieten die Chancen, Kirchenferne zu erreichen und als Gemeinde zu wachsen, davon ist Birgit Broyer (Stuttgart) überzeugt. Zwar gebe es immer mehr Menschen, die allein l­eben, aber trotzdem ­hätten viele Gemeinden nur junge Familien im Blick.

Im Streit um die Schwangerenberatung der katholischen Kirche gibt es eine entscheidende Annäherung. Die Deutsche Bischofskonferenz hat erstmals offiziell gewürdigt, dass sich auch der Verein Donum Vitae für den Schutz des Lebens einsetze. Weil der Verein den Beratungsschein ausstellt, der für eine Abtreibung erforderlich ist, ist er kirchlich nicht anerkannt.

Kirche weltweit

Kritik am Jubiläumsjahr

Islamkenner Eberhard Troeger wurde 80

Eberhard Troeger, führender Islam- und Nahostexperte in Deutschland, wohnhaft in Wiehl bei Gummersbach, konnte Ende März seinen 80. Geburtstag begehen. Der gebürtige Berliner leitete von 1975 bis 1998 die Evangeliumsgemeinschaft Mittlerer Osten (EMO) mit Sitz in Wiesbaden. 2

Michael Inacker, Vorsitzender der Internationalen Martin Luther Stiftung, hat Kritik an der Evangelischen Kirche in Deutschland geübt. Sie habe bei den Feiern zum 500. Reformationsjubiläum versäumt, auf die wachsende Zahl der Nichtchristen einzugehen. Sie ist damit dem missionarischen Auftrag nicht nachgekommen.

Katholische Kirche Katholische Fakultät ­Tübingen seit 200 Jahren

Die Katholisch-Theologische Fakultät an der Universität

Bischöfin für London

London bekommt eine Bischöfin: Sarah Mullally (55) wird die Nummer drei der Kirche von England. Sie wurde zur Nachfolgerin von Richard Chartres (70) ernannt. Als 133. Bischof von London ist die frühere Krankenpflege-

JUNI 2018

INFORMATIONSBRIEF 310


rin die höchstrangige Frau in der Geschichte der anglikanischen Staatskirche.

Evangelikalismus

»Homosexuellen-Trauung« spaltet Anglikaner

Weil sie die Trauung für Homosexuelle erlauben will, haben die Anglikaner bei ihrem jüngsten Welttreffen die Kirche Schottlands aus ihrer Gemeinschaft ausgeschlossen. Für zunächst drei Jahre wurde die schottische Episkopalkirche aus Entscheidungen und Repräsentationsmaßnahmen suspendiert. Die Disziplinierungsmaßnahme kam durch einen Mehrheitsbeschluss zustande.

Ökumene der Religionen Neues »Haus der Religionen« für 1,2 Millionen Euro

Das interreligiöse Zentrum »Haus der Religionen« in Hannover will für 1,2 Millionen Euro die ehemalige Athanasiuskirche, die von 1962 bis 2013 als Kirche genutzt wurde, umbauen und zu ihrem Hauptsitz machen. Auf 800 Quadratmetern soll ein Saal für Diskussionen und Vorträge, eine Dauerausstellung, ein Gruppenraum für Kinder und ein weiterer für interreligiöse Gespräche entstehen. Der Umbau soll bis 2020 fertig sein. Mit 240 000 Euro trägt die hannoversche Landeskirche den größten Teil der Kosten. Je 200 000 Euro zahlen die Klosterkammer Hannover und der Kommunalverband »Region Hannover«.

kurz+bündig

Personen +++ Kirchen +++ Glauben +++ »Modernes Leben«

Neuer Leiter für ­ Evangelisches Allianzhaus

Neuer Leiter des Evangelischen Allianzhauses im thüringischen Bad Blankenburg wurde Heiko Schalling (Seiffen/ Erzgebirge). Der 51-Jährige hat seinen Dienst zum 1. April 2018 angetreten.

Pietismus »Aidlingen« hat neue Oberin

Das Diakonissenmutterhaus Aidlingen (bei Stuttgart) hat eine neue Oberin: Schwester Regine Mohr. Die 54-jährige bisherige stellvertretende Leiterin ist Nachfolgerin von Schwester Renate Kraus, die das Amt nach 13 Jahren abgab. Regine Mohr ist Religionspädagogin und Fachlehrerin für Wirtschaftslehre, Informatik, Technik und Bildende Kunst. Berufsbegleitend absolvierte sie ein Studium für Unternehmensführung im Wohlfahrtsbereich und arbeitete zuletzt in der Verwaltungsleitung. Neue stellvertretende Oberin ist die 48-jährige Schwester Birgit Oewermann.


kurz+bündig Medien

Verlagswesen

indem man dem Partner das Wort »Talaq« (arabisch Scheidung oder Verstoßung der Frau durch den Mann) ins Gesicht sagt. Behörde erlaubt Zweitfrau

Ein syrischer »Flüchtling« im Kreis Pinneberg (SchleswigDer frühere Leiter der Holstein) hat seine Zweitfrau beiden evangelischen Verlage im Interesse der gemeinsamen Gerth Medien und adeo (Aßlar Kinder nachholen dürfen. Der bei Wetzlar), Stefan Wiesner, Mann sei bereits mit einer anist zur Verlagsgruppe Droemer deren Frau in Deutschland geKnaur (München) gewechselt. wesen, mit der er ebenfalls vier Er ist dort für den Bereich Kinder habe. Es gehe, so war christliche Spiritualität zustänvom Sprecher des Landkreises dig. Unter seiner Leitung hat Pinneberg zu hören, nicht die Verlagsgruppe einen neuen darum, »mehrere Ehefrauen Verlag »bene!« (italienisch: gut) nach Deutschland zu holen, mit Sitz in Kloster Altenberg sondern es geht primär um das (Solms bei Wetzlar) gegründet. Wohl der Kinder«. Werden auf diese Weise Ehen mit mehreren Frauen nun auch möglich Islam – entgegen geltendem Recht? Neuer christlicher Verlag »bene!«

Lebenshilfe statt Gott

Aus der ARD-Reihe »Gott und die Welt« wird »Echtes Leben«. Der Name Gott »stößt leider eher ab«, erklärte Wolfgang Küpper vom Bayerischen Rundfunk. Man wolle auch für religiös Distanzierte einen »Impuls zur Offenheit« geben mit Lebensthemen. Der Medienbeauftragte der evangelischen Kirche, Markus Bräuer, bedauerte die Entscheidung. Er befürchtet eine Engführung auf soziale und lebenshilfliche Fragen.

»Die Tagespost« wurde zur Wochenzeitung

Die katholische Zeitung »Die Tagespost« (Würzburg, Auflage 9500 Exemplare) wurde ein Wochenblatt: Statt wie bis Ende 2017 dreimal pro Woche, erscheint sie seit Januar immer donnerstags. Eine neu eingerichtete Onlineredaktion soll das Angebot tagesaktuell auf der Internetseite ergänzen. Sie ist heute die einzige überregionale katholische Wochenzeitung im deutschsprachigen Raum. 4

Islamisierung Deutschlands

An der Universität Münster wird der Studiengang »Islamische Religionslehre« angeboten. Im vergangenen Wintersemester wurden 242 Koran-Gläubige zu Lehrern für alle Schulstufen ausgebilTürkei: det. Die ersten 15 Absolventen Scheidung per SMS oder Mail gingen im November 2017 ins Die Türkei erlaubt ScheiReferendariat in Nordrheindungen nun auch per SMS, westfalen. Jedes Jahr werden E-Mail, Brief, Telefon und Fax. etwa 60 neue Absolventen Die staatliche Religionsbehörde erwartet. Diyanet teilt mit, eine Scheidung sei nicht nur möglich, JUNI 2018

INFORMATIONSBRIEF 310


Aus Lehre und Verkündigung mm Allein den Betern kann es noch gelingenm Das Schwert ob unsern Häuptern aufzuhaltenm Und diese Welt den richtenden Gewaltenm Durch ein geheiligt Leben abzuringen. Denn Täter werden nie den Himmel zwingen:m Was sie vereinen, wird sich wieder spalten,m Was sie erneuern, über Nacht veralten,m Und was sie stiften, Not und Unheil bringen.

Jetzt ist die Zeit, da sich das Heil verbirgt,m Und Menschenhochmut auf dem Markte feiert,m Indes im Dom die Beter sich verhüllen,m Bis Gott aus unsern Opfern Segen wirktm Und in den Tiefen, die kein Aug’ entschleiert,m Die trockenen Brunnen sich mit Leben füllen.

mm Des Lebens abgestecktes Ziel mag kurz sein oder lang, so ist es an sich selbst nicht viel und nur ein Übergang. Wer aber jeden Lebenstag, solange es Heute heißt, dem Herrn der Tage opfern mag, der ist ein sel’ger Geist. Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf

Reinhold Schneider

mm Rufen musst du lernen und nicht auf der Bank liegen, den Kopf hängen lassen und dich mit deinen Gedanken beißen und fressen, sorgen und suchen, wie du es loswerdest. Sondern wohlauf, die Hände und Augen gen Himmel erhoben, einen Psalm vorgenommen und deine Not vor Gott dargelegt, ihm geklagt und ihn angerufen. Martin Luther

mm Jesus ist leiblich auferstanden – m und Ostern das zentrale Thema meines Lebens.

mm Wir werden die Welt nicht dadurch retten, dass wir Welt werden. Elias Schrenk

Bischof i. R. Ulrich Wilckens

mm Verführung ist für die Gemeinde gefährlicher als Verfolgung. Verfolgung eint die Gemeinde. Verführung spaltet sie. Verfolgung lässt das Echte hervortreten, Verführung das Unechte triumphieren. Landesbischof i. R. Gerhard Maier

mm Nicht die Christen haben einen Absolutheits­ anspruch, sondern Jesus Christus macht ein absolutes Angebot, mit dem sich ein Ausschließ­ lichkeitsanspruch verbindet. Ulrich Parzany

INFORMATIONSBRIEF 310

JUNI 2018

mm Wenn wieder etwas kommt, was dunkel scheint, dann harre ich, blicke rückwärts auf alle Hilfen Gottes und weiß es ganz gewiss: Es wird doch wieder eine Rettung daraus. Friedrich von Bodelschwingh

5


Dankbewegte Liebe: Der rechte Glaube Jesus im Lehrgespräch über den rechten Glauben (Eine Nacherzählung / Lukas 7,36––50) Eduard Haller

Z

ur Zeit Jesu wurde der rechte Glaube in Israel nicht nur am Sabbat in den Synagogen öffentlich gelehrt, sondern jeder »diplomierte« Lehrer des Glaubens, ein »Rabbi«, lud gelegentlich jemanden zu einem Gespräch über den rechten Glauben in sein Haus ein. Nach beendeter Diskussion ging die Einladung über in ein gemeinsames Mahl. Auch Jesus hat oft eine solche Einladung zu einem Glaubensgespräch angenommen. Nun war es damals Sitte, dass jedermann, der davon erfuhr und sich auch dafür interessierte, sich als Zuhörer einfinden konnte. Solche Mithörer stellten sich im Raum die Wand entlang auf. In den Dialog zwischen dem Rabbi und dem Gast durften sie nicht eingreifen, und

Eduard Haller Die Anschrift des Autors finden Sie auf Seite 30

6

wenn das Gespräch abgeschlossen wurde und das Mahl beginnen sollte, mussten sie das Haus wieder verlassen. Hier also ereignete sich jener Aufsehen erregende Vorfall (Lukas 7,36–50), der in frühesten Predigten der Urgemeinden nach Pfingsten nacherzählt wurde. Denn damals kam es zu einem einmaligen Skandal. Genau dieser aber sagt, worum es im rechten Glauben geht. Eine anonyme Frau (Lukas verschweigt zu ihrem Schutz den Namen) war in der Stadt bekannt und geächtet wegen ihrer zuchtlosen Lebensführung. Ihr schlechter Ruf hing ihr aber auch noch an, als sich ihr Leben entscheidend verändert hatte. Denn irgendwann irgendwo hatte sie Jesu Botschaft von der grenzenlosen Barmherzigkeit Gottes gehört und wurde innerlich davon überwältigt, so dass sie begann, ihre Lebensführung zu ändern. Was sie von Jesus hörte, was er von Gott, seinem Vater, sagte, war ganz anders als ein Lehrer zu sagen gewagt hatte (siehe Lukas 15,1). Ihr Herz war in der Tiefe aufgewühlt zu neuer Hoffnung. Nun hatte sie gerade erfahren: Dieser Jesus, den ich, mitten unter vielen andern, reden hörte, ist von jenem Rabbi in jenem Hause zu eiJUNI 2018

INFORMATIONSBRIEF 310


nem Glaubensgespräch eingeladen! Von ihrem Herzen getrieben, wollte sie ihm so nahe als möglich sein und fand sich unter anderen Zuhörern ein. Die Hoffnung, die sie überwältigt hatte, als sie einmal Jesus zuhörte, so dass sie ihre bisherige Lebensführung aufzugeben vermochte, dieser brennende Mut zu einem neuen Weg, trieb sie in das Haus jenes Rabbi. Ihr Herz hungerte nach dem, dem sie einmal so nah als möglich begegnen wollte. Und gerade hier kam es zum Skandal: Als sie Jesus sah, wie er vor ihr (auf seinem Liegestütz, halb sitzend, halb liegend) nah war, verlor sie alle Fassung und brach zusammen. Laut aufschluchzend warf sie sich ihm zu Füßen und küsste seine Füße und ihre Tränen vermischten sich mit ihrem Haar, ein widerwärtiger öffentlicher hysterischer Anfall. Fassungsloses Schweigen ringsum. Und der ebenfalls schweigende Rabbi wartete nur da­ rauf, dass Jesus diese haltlose Frau von sich weise. Aber genau das geschah nicht. Jesus ließ sie, die sich so an ihm vergriffen hatte, gewähren, und völlig ruhig und sicher im Gespräch des Glaubens fuhr er fort und sagte: »Simon, ich möchte dir etwas sagen.« Und er legte dem Rabbi wie üblich eine Beispielgeschichte vor, auf die der Rabbi nun zu antworten hatte, und dieser gab ihm die richtige Antwort (Verse 41– 43). Erst darauf wandte sich Jesus der Frau zu und gab nun seinerseits die den Glaubensdialog fortsetzende Antwort: Worum es im rechten Glauben geht und worauf es für den Rabbi und für uns alle ankommt: »Dieser Frau sind ihre vielen Sünden vergeben, denn gerade darum hat sie mir jetzt eine so große Liebe erzeigt.« Alle rabbinische Kenntnis und Lehre davon, was Gott denkt, wie er über uns denkt, wie er uns beurteilt, überschreitet Jesus, und aus unableitbarer Vollmacht und im Wissen von dem, was Gott in Wahrheit denkt und mit uns tut, spricht er ruhig und gewiss aus: »Dieser Frau sind ihre vielen Sünden vergeben! Gott hat sie schon vergeben! Ihre überwältigende Liebe ist nur das Zeichen dafür.« Und dann sprach er jener namenlosen Frau noch besonders die persönliche Versicherung gänzlicher Vergebung zu und entließ sie mit den Worten: »Deine Sünden sind dir vergeben. Dein Glaube hat dir geholfen. Geh hin in Frieden.« »Dein Glaube?« Von Glauben war kein Wörtlein aus dem Mund jener Frau zu hören. Nur wortlose Tränen konnten sagen, was sie glaubte. Jesus aber weiß, dass jener Frau in der brennenden Hoffnung auf Gottes Erbarmen nun wirklich die Befreiung zu einem neuen Leben gilt, zu einem Leben, das sich in diesem AugenINFORMATIONSBRIEF 310

JUNI 2018

blick nicht anders äußern konnte als im Zeichen dankbarer Liebe. Niemand kann Jesu Botschaft glauben ohne Liebe, zutiefst berührt, betroffen von seiner Liebe, und niemand kann Jesus lieben ohne die Erfahrung einer Befreiung aus dem Bann unlösbarer Schuld. So wird die Nacherzählung des Lukas bleibende Einladung an jeden von uns: eingereiht zu werden und zu bleiben in der Schar der »vielen Zöllner und Sünder, die zu Jesus kamen, um ihn zu hören. Denn er gibt sich mit Sündern ab und isst sogar mit ihnen« (Lukas 15,1f.). Wem viel vergeben ist, der liebt auch viel, »wem aber nur wenig vergeben wird, der zeigt auch nur wenig Liebe«. Es gilt: »Gott hat mit jedem von uns eine ganz persönliche verborgene Geschichte der Gnade« (Karl Hartenstein). Es ist nicht auszudenken, was um Jesu Christi willen jedem von uns an Vergebung und Befreiung zuteil geworden ist und stets wird. Wer kann dafür genug danken? Nur von Gottes Geist gewirkte Liebe, und am letzten End die wortlose Selbstüberlassung an den, der uns liebt und zu dem wir gerufen werden. Meins Herzens Kron, / mein Freudensonn, sollst du, Herr Jesu, bleiben; lass mich doch nicht / von deinem Licht durch Eitelkeit vertreiben; bleib du mein Preis, / dein Wort mich speis, bleib du mein Ehr, / dein Wort mich lehr, an dich stets fest zu glauben. (Georg Weissel, 1590–1635) Anmerkung: Das Motiv der Salbung Verse 37f. und Vers 46 gehört nicht zur ursprünglichen Gestalt (historisch wie kerygmatisch) zu dieser für Jesu galiläische Verkündigung vom Reich Gottes wesentlicher Begebenheit. Die Salbung ist ein typisches Wandermotiv und stört hier nur die Konkretion des entscheidenden Geschehens zwischen dem Rabbi, Jesus und der anonymen Frau. Historisch wie kerygmatisch hat das Motiv der Salbung seinen Ort im Haus der Maria in Bethanien (der Schwester der Martha und des Bruders Lazarus [Johannes 12,1– 8]): ein symbolträchtiges Präludium der heilsgeschichtlich entscheidenden, nun anbrechenden Passionswoche; es bezeichnet in ganzer Tiefe deren unmittelbaren Beginn. Matthäus 26,6–13 und Markus 14,3–9 wird aber dieses Geschehen einem anderen unbekannten Haus zugeschrieben. Lukas hat das (seinem Bezug zur Passion Jesu hier ganz verfremdete, verkürzte) Motiv aber bereits vorgefunden. W 7


Recht und Gerechtigkeit Markus Sigloch

R

echt und Gerechtigkeit spielen eine zentrale Rolle in der Bibel. Wer sich ein Kind Gottes nennen will und sein Taufversprechen ernst nimmt, und wer sich von Gott in besonderer Weise zum Zeugnis des Glaubens herausgerufen weiß, der kann gar nicht anders, als nach dem Willen Gottes zu fragen und auch zu versuchen, Gottes Willen im Alltag zu leben. Dass

Markus Sigloch Die Anschrift des Autors finden Sie auf Seite 30

8

das nicht immer gelingt, ist noch lange kein Grund, die Sünde klein zu reden. Denn wenn es um Gottes Gesetz und seine Satzungen geht, ist und bleibt das eine ernste Sache, und die Berufung auf eine »billige Gnade« (wie sie Bonhoeffer nannte) will hier ebenso wenig gelingen wie ein leichtfertiger Umgang mit dem Wortlaut der Bibel, auch wenn die biblischen Gebote alle mindestens 2000 Jahre alt sind und von vielen Menschen als überholt angesehen werden. So ist beim Umgang mit der Schrift zu fragen, welche Gebote aus damaliger Zeit denn auch heute noch gelten und für welche heute keine Geltung mehr beansprucht werden kann, ja es geradezu eine schwere Sünde wäre, sie ohne Rücksicht auf die Zeitumstände 1:1 umzusetzen. In letzter Zeit ist darüber viel Verwirrendes gesagt und veröffentlicht worden, was z. B. die JUNI 2018

INFORMATIONSBRIEF 310


Beurteilung der Homosexualität betrifft. Die Schrift selbst den entscheidenden Hinweis, den widerstreitenden Lager berufen sich jeweils auf man am besten an einem konkreten Beispiel Schrift und Bekenntnis, wobei schon hier gesagt verdeutlichen kann: Im 18. Kapitel des 3. Mowerden kann, dass man sich nur auf Stellen der sebuches sind sexuelle Verhaltensweisen aufgeHeiligen Schrift berufen kann, die dort auch führt, die nach Gottes Willen nicht sein sollen. geschrieben stehen. So ist es geradezu pein- Dieselben Fehlverhalten sind anschließend zwei lich, wenn der Vorsitzende der EKD in einem Kapitel später noch einmal aufgeführt, versehen Interview des Bayrischen Rundfunks bereits im jedoch mit einem Strafmaß (Todesstrafe). BeiJahre 2011 betonte, Jesus habe keine ablehnen- des Mal sind es dieselben Verfehlungen, Ehede Aussage zur Homosexualität gemacht; da- bruch, Geschwisterliebe, Homosexualität, Soher könne er sich eine kirchliche domie usw. Doch einmal ohne und Segnung vorstellen. Ist das der mm Ziel der Willens­ einmal mit Strafmaß. So mag man neue Kurs des Protestantismus, offenbarung Gottes fragen: Weshalb nennt Gott dem dass man sich auf Worte Jesu beMose die Vergehen zuerst ohne ruft, die er nie gesagt hat, also ist es also, das Leben konkrete Strafmaßnahmen, und auf Bibelstellen, die es gar nicht der Menschen zu er­ wenig später dann belegt er sie mit gibt? Kann man dann nicht alles halten. Dieser Wille, Strafe? Mögliche behaupten, und treten Hier treten zwei unterschiedlidabei nicht anstelle konkreter der dem Schöpfer­ che Kategorien des Gesetzes deutSchriftstellen (Luther: verba ex- willen Gottes ent­ lich vor Augen, die zu unterscheiterna) »christliche Bauchgefühle« sehr wichtig sind. Die erste spricht, gilt über alle den und Allgemeinsätze über Liebe Kategorie in Kapitel 18 offenbart und gesellschaftliche Akzeptanz Zeiten hinweg. den Willen des Schöpfers, die zweiin den Vordergrund? Man müsste den Weg, diesen Willen durchte dann allerdings auch erklären können, wes- zusetzen. Die generelle Absicht der Gebote wird halb sich Jesus ausdrücklich zu Mose bekannt zuerst genannt: »Ihr sollt meine Satzungen halhatte, als er seinen Gegnern vorhielt: »Wenn ihr ten und meine ­Rechte. Denn der Mensch, der Mose glaubtet, so glaubtet ihr auch mir; denn er sie tut, wird durch sie leben; ich bin der Herr« hat von mir geschrieben. Wenn ihr aber seinen (3.Mose 18,5). Ziel der Willensoffenbarung Schriften nicht glaubt, wie werdet ihr meinen Gottes ist es also, das Leben der Menschen zu Worten glauben?« (Johannes 5,46f.) Jesus sah erhalten. Dieser Wille, der dem Schöpferwillen sich nicht berufen, auch nur ein einziges Jota Gottes entspricht, gilt über alle Zeiten hinweg. des mosaischen Gesetzes oder der Schriften der Er gehört zur Kategorie des so genannten »apoPropheten abzuändern (Matthäus 5,17–20). diktischen Rechtes«, eine Art Grundgesetz GotWiewohl Jesus die Mosegebote nicht abgeän- tes, das beschreibt, wie das menschliche Leben dert hat, so hat er sie zum Teil doch verschärft in einer gefallenen Schöpfung erhalten werden (Antithesen der Bergpredigt) oder auch abge- kann. Diese Rechtsform geht allen einzelnen mildert (Reinheitsgebote). Es bleibt die Fra- und zeitbedingten Bestimmungen voraus, die ge, warum er das getan hat und wie man mit man als »kasuistisches Recht« bezeichnen kann. den verschiedenen Gesetzen und Geboten der Man kann grundsätzlich vom lebenserhaltenSchrift im Sinne Jesu umgehen soll und wie den Willen Gottes für alle Menschen sprechen, nicht. Denn selbst der bibeltreuste Ausleger und im 18. Kapitel wird aufgezählt, was das wird sich wohl kaum auf Elia berufen können, Leben im Einzelnen gefährdet. Auf konkrete um irgendwelche »Baalspriester« umzubringen. gesellschaftliche Maßnahmen, die das ÜberleAuch wird er seinen Sohn nicht töten wollen, ben des Volkes garantieren, wird vorerst noch wenn dieser ihm flucht (siehe 3.Mose 20,9). verzichtet. Erst im 20. Kapitel wird es konkreEntscheidet da nicht auch ein »Bauchgefühl«, tisiert. Dort geht es dann darum, was bei einer und müsste man deshalb nicht zwischen libe- Überschreitung des Gesetzes im Einzelnen zu ralen und evangelikalen Bauchgefühlen unter- tun ist. Wenn man es mit dem weltlichen Recht scheiden? vergleicht, wäre Kapitel 18 das Grundgesetz Wer nicht erkennt, dass die Gebote und Sat- Gottes, Kapitel 20 dagegen das Strafgesetz für zungen des Herrn in zwei verschiedene Katego- sein Gottesvolk während der Wüstenwanderien eingeteilt werden müssen, erleidet in dieser rung. Im 18. Kapitel wird Gottes Absicht geFrage Schiffbruch. Gesucht ist das Kriterium, nannt, das Leben des Volkes zu erhalten. Im 20. mit dem die ewig gültigen Gebote des Herrn Kapitel werden Gottes Verordnungen genannt, von seinen zeitgebundenen Satzungen unter- wie das Nomadenvolk mit Gesetzesbrechern schieden werden können. Dazu liefert uns die umgehen soll, wenn es in der Wüste überleben INFORMATIONSBRIEF 310

JUNI 2018

9


will. Die Gesetzesbrecher wurden damals ohne zu zögern aus dem Volkskörper entfernt, damit das ganze Volk keinen Schaden nahm. In der Wüste bedeutete dieser Ausschluss aus der Gemeinde (Exkommunikation) den sicheren Tod. Aber Zweck und Ziel des Ganzen war nicht das Töten oder irgendeine Vergeltung, sondern das Erhalten von Leben. Das kasuistische Recht (die einzelnen Strafbestimmungen) stand damit ganz im Dienst des apodiktischen Rechts (die lebenserhaltenden Verordnungen). Im Grunde genommen geschieht das auch heute. Spezielle Terroreinsatzkräfte sind geschult, Angreifer notfalls zu töten, um eine wehrlose Bevölkerung zu schützen. Auch hier ist die »Todesstrafe« letztes Mittel, um den Schutz der Vielen zu gewährleisten, sozusagen die ultima ratio, die für den Spezial­fall angeordnet ist. Um zusammenzufassen: Der Wille Gottes ist Mose offenbart worden, um das Leben des Volkes in einer gefallenen Schöpfung zu erhalten. Die konkreten Maßnahmen dazu waren am

Überleben des Volkes orientiert und konnten sich auch nachher im Lauf der Kultur- und Sittengeschichte Israels ändern. Nun kann man auch verstehen, weshalb Jesus als Gesetzeslehrer die Ehebrecherin in Johannes 8 nicht nach den Ausführungsbestimmungen von 3.Mose 20,10 zur Steinigung freigab, sondern vom Todesurteil freisprach. Dieser Freispruch in Johannes 8 ist zwar ein Freispruch vom Vollzug der Todesstrafe, leugnet jedoch nicht die todeswürdige Sünde des Ehebruchs. Der Ehebruch ist und bleibt auch weiterhin in Gottes Augen ein todeswürdiges Vergehen, weshalb Jesus dieser Frau auch sagte, sie solle hingehen und hinfort nicht mehr sündigen. Fortan konnte die Frau nicht mehr damit rechnen, dass er sie weitere Male schützen würde. Vom Vollzug der Strafe sprach Jesus sie dieses Mal frei und setzte damit die konkrete Strafbestimmung in 3.Mose 20,10 aus. Um allerdings dem ewig gültigen Gesetz Gottes Geltung zu verschaffen, das im Ehebruch ein todeswürdiges Vergehen sah, nahm Jesus die Todesstrafe

Christus und die Ehebrecherin, Pieter Bruegel d. Ä., nach 1564/65 10

JUNI 2018

INFORMATIONSBRIEF 310


auf sich, wie geschrieben steht: »Die Strafe liegt den und Sterben die Barmherzigkeit Gottes und auf ihm, auf dass wir Frieden hätten, und durch rief damit zur Umkehr. seine Wunden sind wir geheilt« (Jesaja 53,5). So sehen wir das Gottesrecht in seinem Durch seinen Tod am Kreuz bekundete Jesus Grundsatz unverändert gültig, das Strafmaß die Gültigkeit des Gesetzes. jedoch durch die Sitten- und Kulturgeschichte Unterscheidet man nicht zwischen Sünde Israels starken Veränderungen unterzogen. Unund Strafmaß, muss man Jesus hier als Geset- terscheiden kann man dabei das ewig gültige zesbrecher sehen, weil in 3.Mose Gottesgesetz von den veränder20,10 die Todesstrafe von Gott mm So sehen wir baren Strafbestimmungen. Man selbst angeordnet war und Je- das Gottesrecht in erkennt es dadurch, dass das ewig sus sie nicht ausführte. Bei ungültige Gottesgesetz in der Biveränderbarem Strafmaß gibt es seinem Grundsatz bel stets ohne Strafmaß genannt dann überhaupt keinen Raum für unverändert gültig, wird, das veränderbare jedoch mit Barmherzigkeit. Barmherzigkeit das Strafmaß jedoch konkreten Strafbestimmungen setzt nämlich grundsätzlich voder Zeit zusätzlich versehen ist. raus, dass eine Strafe ausgesetzt durch die Sitten- und So hatten auch die Apostel oder übertragen werden kann. Kulturgeschichte Jesu der heidnischen Welt die Jesus hat damit gezeigt, dass im Gesetze erlassen, weil Israels starken Verän­ jüdischen Gottesrecht die Barmherzigkeit in der heidnischen Welt die Voeine zentrale Stellung einnimmt. derungen unterzogen. raussetzungen gar nicht gegeben Wenn man das nicht sieht, kann Unterscheiden kann waren, die jüdischen Gesetze im man auch nicht erkennen, dass Einzelnen zu befolgen. Diese Ereine gerechte Todesstrafe wegen man dabei das ewig kenntnis wurde bereits von Jesus Ehebruchs zur Zeit Jesu nicht gültige Gottesgesetz seinen Jünger vermittelt, als er sie mehr möglich war. Denn nach von den veränderba­ aussandte und sagte: »Und wenn 3.Mose 20,10 müsste nicht nur ihr in eine Stadt kommt und sie die Ehebrecherin, sondern auch ren Strafbestimmun­ euch aufnehmen, dann esst, was der Ehebrecher sterben, der sich gen. Man erkennt es euch vorgesetzt wird« (Lukas beim frisch ertappten Ehebruch dadurch, dass das 10,8). Da waren wohl auch Speija auch nicht einfach in Luft aufsen gemeint, die nicht auf einer gelöst hat. Wäre es wirklich ge- ewig gültige Gottes­ »koscheren« Speisekarte zu finrecht, nur die Frau, nicht aber gesetz in der Bibel den waren; ebenso wie auch der auch den Mann zu töten? In dem Petrus befahl, sich da­ stets ohne Strafmaß Herr einer männerdominierten Gerauf vorzubereiten, unreine Speisellschaft, in der nur noch Frau- genannt wird, das se zu sich zu nehmen, bevor er en wegen Ehebruchs gesteinigt veränderbare jedoch zu den Heiden ging (Apostelgewurden, wäre die Umsetzung schichte 10,9ff.). Wäre das Gevon 3.Mose 20,10 geradezu ein mit konkreten Straf­ setz in seiner Einzelbestimmung himmelschreiendes Unrecht ge- bestimmungen der weiterhin gültig, wären sowohl wesen. Auch wird im Gesetz des Zeit zusätzlich verse­ Jesus als auch Petrus GesetzesMose angeordnet, dass nur solbrecher. che Männer steinigen dürfen, die hen ist. Konkret auf das Beispiel der sich selber eines ehebrecherischen Homosexualität zugespitzt beVergehens nicht schuldig gemacht haben. Doch deutet dies: Dem Herrn ist es nach wie vor ein dazu hatte Jesus die Ankläger vorher befragt Gräuel, wenn ein Mann beim Manne liegt. Da(»Wer von euch ohne Sünde ist, der werfe den bei geht es nicht um Liebe, sondern um den ersten Stein!«). Jesus sah sehr scharf den Scha- Beischlaf. Ein Mann kann einen Mann lieben, den seines Volkes, wenn er seine Zeitgenossen eine Frau auch eine Frau. Das schließt aber den ein »ehebrecherisches Geschlecht« nannte, das geschlechtlichen Umgang miteinander aus. insgesamt die Todesstrafe nach 3.Mose 20,10 Denn im Gebot ist das Leibliche angesprochen, verdiente. Hätte sie Jesus alle umbringen sollen? wie auch Paulus seiner Gemeinde ins Gewissen Verdient hätten sie es jedenfalls genauso wie die ruft: »Wisst ihr nicht, dass euer Leib ein TemFrau. Doch Jesus zeigte, was Barmherzigkeit ist pel des Heiligen Geistes ist, der in euch ist und und nahm die Schuld aller auf sich. Für ihn blieb den ihr von Gott habt, und dass ihr nicht euch die Schuld des Ehebruchs zwar grundsätzlich selbst gehört? Denn ihr seid teuer erkauft; da­ ein todeswürdiges Vergehen, was die Bibelstelle rum preist Gott mit eurem Leibe« (1.Korinther dokumentiert, doch bezeugte er durch sein Lei- 6,19f.). Diese Anweisung gab er hinsichtlich INFORMATIONSBRIEF 310

JUNI 2018

11


Die Strafe für Homosexualität wurde zwar nach dem Kriege nicht sofort abgesetzt (siehe § 175), doch dies wurde später nachgeholt. Praktizierte Homosexualität konnte das Volksganze nicht mehr ernsthaft gefährden, und die Bestimmung des § 175 wurden aus dem Strafgesetzbuch gestrichen.

unterschiedlicher sexueller Fehlverhalten in der korinthischen Gemeinde. Dabei war klar, dass man den Schöpfer mit seinem Leibe nur durch ein schöpfungsgemäßes Verhalten preisen konnte. Paulus als Apostel und Schüler Jesu hatte sich in derselben Weise wie Jesus zur leiblichen Vereinigung von Mann und Frau bekannt, wie auch Jesus davon sprach, dass nach Gottes Willen Mann und Frau »ein Fleisch« werden sollen (Matthäus 19,4–6). Hier sucht man vergeblich nach einem Hinweis, dass es Gott ebenfalls gefiele, wenn Mann und Mann oder Frau und Frau ein Fleisch würden. Und doch hatte sich der Strafvollzug bei homosexueller Betätigung im Lauf der Kulturund Sittengeschichte Israels nicht von ungefähr von der Todesstrafe bis zur völligen Straffreiheit entwickelt, was ein deutlicher Ruf zur Umkehr bedeutet, gemäß dem Pauluswort: »Weißt du nicht, dass dich Gottes Güte zur Buße leitet?« (Römer 2,4) Deutschland hatte durch die schrecklichen Übergriffe auf Homosexuelle im Nationalsozialismus erfahren, welche Folgen die Unbarmherzigkeit hat. Die Strafe für Homosexualität wurde zwar nach dem Kriege nicht 12

sofort abgesetzt (siehe § 175), doch dies wurde später nachgeholt. Praktizierte Homosexualität konnte das Volksganze nicht mehr ernsthaft gefährden, und die Bestimmung des § 175 wurden aus dem Strafgesetzbuch gestrichen. Dasselbe geschah mit der Schuldfrage bei Ehebruch sowie bei der Strafe für aufgelöste Verlobungen (»Kranzgeld«). Die Aufarbeitung dieser Zeit hatte gezeigt, dass durch das Festhalten an veralteten Strafmaßnahmen außer Leid und Tränen nur Unbarmherzigkeit und damit auch Ungerechtigkeit produziert wurde. Auch die Homosexualität hatte bereits schon sehr früh nicht mehr das Zeug gehabt, den Fortbestand des Volkes ernsthaft zu gefährden. Eine moderne Industriegesellschaft war vielmehr imstande, dieses Verhalten ohne Probleme zu integrieren und auch zu tolerieren. Was sich allerdings bei der »Ehe für alle« im Jahre 2017 ins Gegenteil verkehrt hat, war die staatstragende Behauptung, dass eine solche Form der Sexualität für die Allgemeinheit segensreich und darum in derselben Weise wie eine klassische Ehe zu fördern sei. Hier wandte sich das deutsche Volk bewusst gegen den ewig gültigen und zeitlosen JUNI 2018

INFORMATIONSBRIEF 310


Schöpferwillen Gottes und nahm in Kauf, sich sind die Folgen noch gar nicht absehbar. Jedenselbst zu schaden. Es steht nebenbei noch aus, falls ist das Ganze keine Privatangelegenheit, die das Grundgesetz zu dieser Sache zu befragen. nur die Betroffenen etwas anginge. Straffreiheit Um die Problematik abzuschließen: Ob- bedeutet bei aller Toleranz noch lange nicht, wohl die Bibel eindeutig bezeugt, dass Homo- dass ein bestimmtes Verhalten auch gesellschaftsexualität dem Herrn ein Gräuel ist und das lich förderlich ist. Leben gefährdet, ist inzwischen Straffreiheit Daher muss die Kirche umso deutlicher ihre eingetreten. Eine moderne Stimme erheben, wenn sie »Salz Industriegesellschaft kann sich mm Straffreiheit bedeutet der Erde und Licht der Welt« ­ diese sexuelle Spielart offen- bei aller Toleranz noch bleiben will. Nötig ist auch weisichtlich leisten. terhin ein eindeutiges BekenntSelbst ihre Privilegierung lange nicht, dass ein nis im Sinne der Reformation, im Sinne einer »Ehe« wird für bestimmtes Verhalten in unserem Beispiel, dass Hoeine dekadent gewordene Gemosexualität, auch wenn sie auch gesellschaftlich sellschaft kaum als Problem ergesellschaftlich voll akzeptiert kannt, nicht einmal dann, wenn förderlich ist.m und anerkannt ist, nicht dem die klassische Ehe aus dem Daher muss die Kirche Schöpferwillen Gottes entSchutz des Staates fällt und sich spricht und in letzter KonseEinschnitte für das Volkswohl umso deutlicher ihre quenz zum Tode führt. Tut sie oder Kindeswohl bei Adoptio- Stimme erheben, wenn das nicht und segnet sie solche nen einstellen. Der schleichende sie »Salz der Erde und Verbindungen, missbraucht sie Schaden ergibt sich vorerst im den Namen des heiligen Gottes, individuellen Bereich, wie auch Licht der Welt« bleiben der sich eindeutig in der Schrift Paulus vom »Lohn der Verir- will. Nötig ist auch wei­ dazu geäußert hat. Dabei ist es rung« (Römer 1,27) schreibt terhin ein eindeutiges kein Zeichen der Liebe zu hound dabei Krankheiten meint, mosexuellen Menschen, sie auf die seit der Antike vor allem bei Bekenntnis im Sinne ihrem verderblichen Weg durch praktizierter Homosexualität der Reformation, in Segenshandlungen zu bestäbekannt sind. Heute kommt tigen, sondern es bleibt vielunserem Beispiel, dass noch die Immunkrankheit Aids mehr zu warnen, diesen Weg dazu. Weit folgenreicher für Homosexualität, auch weiterzugehen. Jesus bestärkdie Gesellschaft wirken sich die wenn sie gesellschaft­ te jedenfalls seine Gemeinde jahrelang verstärkt anhaltenden durch seinen Apostel, sich nicht Abtreibungen im Mutterleib lich voll akzeptiert und irre machen zu lassen, sondern aus. Diese werden zwar weiter- anerkannt ist, nicht dem ernst zu nehmen, dass »die im hin als »Straftat« bezeichnet, ge- Schöpferwillen Gottes Männerbett liegen« (griechisch: hen aber straffrei aus. Dennoch arsenokoitai) das Reich Gottes ist der Schaden immens, wenn entspricht und in letzter nicht ererben werden (1.Koman nur den so genannten »de- Konsequenz zum Tode rinther 6,9). Das gilt heutzumografischen Wandel« ehrlich führt. tage ebenso wie damals, auch analysiert, was leider nicht gefür homosexuelle Pfarrer im schieht. Denn dann müsste in Pfarrhaus. Denn wie können die Untersuchungen einfließen, inwieweit die sie, solange Gott sie von der Erbschaft seines jährlichen Abtreibungen von durchschnittlich Reiches ausschließt, die Gemeinde Jesu leiten? 120 000 Kindern im Mutterleib seit Wegfall Die sich darum »Diener des Wortes« nennen des § 218 im Jahr 1992 den Altersdurchschnitt und ohne Not kirchliche Segenshandlungen nach oben getrieben haben. Das sind immerhin im Widerspruch zu Gottes offenbartem Wort weit mehr als drei Millionen Menschen unter 25 vollziehen, tragen nicht nur zum Schaden des Jahren, die heute fehlen, selbst wenn man die Volkes bei, sondern auch dazu, dass der Herr Dunkelziffer nicht mitrechnet. Die öffentliche eine solche Kirche nicht mehr brauchen kann. Diskussion jedoch hat diesen Zusammenhang Darüber hinaus ereilt sie selbst eine unheimlitabuisiert und beklagt die überalterte Gesell- che, nicht definierte Strafe Gottes, wie es der schaft, als sei sie eine Naturkatastrophe. Was die Herr im Anschluss ans zweite Gebot gesagt hat: inzwischen ebenfalls straffrei gewordenen Ehe- »Du sollst den Namen des Herrn, deines Gotscheidungen (jede dritte Ehe) angeht und die tes nicht missbrauchen; denn der Herr wird den Weigerungshaltung vieler junger Leute, Verant- nicht ungestraft lassen, der seinen Namen misswortung für den Nachwuchs zu übernehmen, braucht« (2.Mose 20,7). W INFORMATIONSBRIEF 310

JUNI 2018

13


Das Leben –– ein Geschenk Eine Besinnung auf Grundsätzliches G e r h a r d N a u j o k at

N

iemand ist irgendwie »einfach so« auf dieser Welt aus dem Nichts entstanden. Eine Schöpfungskraft stand dahinter. Gott hat das Leben gewollt, geformt und individuell werden lassen. Er gab jedem Wesen den Platz, den dessen Dasein benötigte und sich entwickeln und behaupten konnte.

Gerhard Naujokat † 14

Der Mensch erhielt die Möglichkeit, eine Vielfalt des Erlebens wahrzunehmen, die Kraft zur Gestaltung und zu verantwortlichem Handeln. Gott schenkte ihm Gaben und Begabungen, Freude am Leben und Menschen an seiner Seite. Zum Gelingen zeigte er Leitlinien und gab Wegweisung, beispielsweise in den Geboten, den Propheten und der Bergpredigt, nicht zuletzt in den Briefen der Apostel im Neuen Testament. Auch Grenzlinien wurden gegeben. Gott spricht selbst von »Ordnungen des Himmels und der Erde« (Jeremia 33,25). Diese bedeuten keine geistige Entmündigung oder geistliche Dressur, sondern ein Maßnehmen und Ausrichten an immer geltenden Werten. Eine Welt ohne Werte erhält durch Gott Qualität. Wir dürfen uns freuen und erfreuen an vielem Wunderbaren, welches Gott uns zugänglich macht. Es ist wertvoll und schön, was Gott uns schenkt. JUNI 2018

INFORMATIONSBRIEF 310


Aber das Leben und Geschehen in unserer in guten und schweren Tagen »bis der Tod sie Zeit läuft an vielen Ecken und Enden aus dem scheidet«. Ruder. Sind die wachsenden Probleme bis ins Der Hauptsinn der Ehe besteht zu allen Private hinein noch beherrschbar? Oder werden Zeiten in gegenseitiger Fürsorge, einschließwir überflutet von Anforderungen und Belas- lich möglicher Kinder, in tätiger Erfüllung der tungen, von Extremismus, Fanatismus, Natio- Lebenszeit in Arbeit und Besinnung, Fest und nalismus? Es brennt an vielen Stellen. Alltag. An der Ausformung einer Leitbild- und Die Herausforderungen begegnen uns in sehr Modellvorstellung von Ehe und Familie ist für persönlichen Lebenslagen. Das Miteinander der die kommende Generation neu zu arbeiten. Geschlechter und die personellen Das Festigen der christlichen Gestaltungsfreiheiten sind in- mm Ehe und Familie sind Grundhaltung ist dabei von zwischen grenzenlos geworden. und bleiben die kleinste, weitreichender kultureller und Das liegt an der zunehmenden geschichtsprägender BedeuOffenheit der verhaltensregulie- aber wichtigste soziale tung. Ehe und Familie sind renden Normen auf dem Gebiet Einheit, die Keimzelle, und bleiben die kleinste, aber der Liebe, Ehe und Elternschaft. wichtigste soziale Einheit, die der Grundstein der Werden wir von diesen wehrKeimzelle, der Grundstein der los überfahren? Oder finden wir Gesellschaft und zu­ Gesellschaft und zugleich ein die Kraft, an schöpfungsbeding- gleich ein Eckpfeiler der Eckpfeiler der christlichen Geten Vorgaben und menschlicher meinde. Sie sind trotz ihrer Normalität festzuhalten oder da- christlichen Gemeinde. Bedrohung von innen und auSie sind trotz ihrer Be­ hin zurückzukehren? ßen unersetzlich und bedürfen drohung von innen und der Stärkung und Stützung. Alternativen zu ihr bieten keiDie Zugehörigkeit von außen unersetzlich und nen überzeugenden Ersatz und Mann und Frau und bedürfen der Stärkung keinen entsprechenden GegenFamilie wurde von Gott und Stützung. Alternati­ wert. bestimmt Der Beruf ist das wichtigste So sind für die Ehe ohne ven zu ihr bieten keinen Tätigkeitsfeld, das vor jedem Zweifel ein Mann und eine anderen rangiert. Aber während überzeugenden Ersatz Frau geschaffen der Beruf nur einen längeren und keinen entspre­ »Gott schuf sie, einen Mann Teil der Lebenszeit ausfüllt, ist und eine Frau und segnete chenden Gegenwert. die Ehe ein »Ganzzeitunternehsie und sprach zu ihnen: Seid men«. Sie ist mehr als Freizeitfruchtbar […]« Der Auftrag zur Ehe und Fa- gestaltung, steht in voller Verantwortung, hat milie ist von der Schöpfung her gegeben und dennoch keine Glücksgarantie und ihr Gelingen sollte darum auch so gelehrt werden. Eine klare ist Geschenk und Gnade. Aber sie kann über Ansage möge besonders junge Paare stärken! Jahrzehnte bestehen, Freude und Erfüllung sein Die Ehe zwischen Mann und Frau ist gott- und besonders im Alter Stütze, Heimat, Geborgewollt. Sie gehört zu den Schöpfungsordnun- genheit und letzten Trost bedeuten. gen. Hier findet die menschliche Zuneigung ihre Formung und ihren Sinn, erfährt die Lie- Die voreheliche V ­ erfrühung be zwischen zwei Menschen den nötigen Halt und Schutz. Auch wenn Formen, Verständnis Gott hat Mann und Frau einander zugeordund Strukturen der Partnerschaft immer wieder net, sie für einander anziehend und interessant wechseln: Das »Urmodell Ehe« wird sich immer gemacht und will, dass sie sich suchen, finden wieder durchsetzen, denn es gibt keine andere und ergänzen. Dazu bedarf es einer seelischen menschliche Gemeinschaft von solcher Zartheit und körperlichen Reifezeit, die Gott jedem und solcher Kraft. Leben voranstellt. Gängig und üblich geworDie Ehe ist von ihrer Bestimmung her Einehe den sind inzwischen jedoch Frühbegegnungen und von ihrem Wesen her auf Lebenszeit ge- schon im jüngsten Entwicklungsalter. Eine verschlossen. Das heißt, die Partner gehören ganz frühte und unausgereifte Praktizierung der Seund ausschließlich zueinander. Zuneigung, xualität ist aber immer noch ein problematischer Hingabe und Treue stärken die Substanz der Eingriff in die sich noch entfaltende Gefühlswelt Zweierschaft. Ehe und Partnerschaft brauchen junger Menschen. Das Erlebnis der Liebe bleibt daher ungeteilte Aufmerksamkeit und ein En- auch heute noch etwas weit Größeres als die Begagement in Freude und Leid, ein Miteinander gegnung der Körper. INFORMATIONSBRIEF 310

JUNI 2018

15


Da Liebe sich überwiegend im Gefühl ausformt, ist sie Unsicherheiten und Schwankun­ gen ausgesetzt. Daher sind Liebe und das Warten auf die eheliche Verbindung kein Widerspruch, denn die Ehe soll der Liebesbeziehung Kontinuität und Stabilität verleihen. Dann finden beide ihren Halt und ihre Bestimmung. Dennoch ist die Ehe keine zwanghafte Verordnung. Ein »Ledigbleiben« kann ebenfalls eine Lebensform darstellen und manchmal sogar eine Berufung werden. Es gibt achtenswerte Gründe, aus denen heraus sich Menschen für die Ehelosigkeit entscheiden, um einem höheren Zweck dienen zu können. Auch das ist zu respektieren. Die Entscheidung für einen Partner oder eine Partnerin setzt gewissenhafte Besinnung und eingehende Prüfung voraus. Diese Wahl ist eine der schwersten und folgenreichsten Entscheidungen im Leben. Dennoch wird sie häufig zu leichtfertig getroffen und ist deshalb eine der Ursachen für die große Zahl der Scheidungen in unserer Zeit. Auch allzu große charakterliche Differenzen können sich später als Sprengstoff für die partnerschaftliche Beziehung erweisen. Jugend ist die Zeit des Suchens und Erkundens, des Herantastens und schließlich des Findens. Freundschaft, Partnerschaft und Liebe unter jungen Menschen haben ihren Wert und Sinn in sich selbst. Je intensiver zwischen ihnen die gefühlte Einheit wird, umso stärker rückt eine solche Beziehung in die Nähe der Ehe. Diese sollte nicht als Zwang drohen, aber in einer ehrlichen Beziehung stets zum Ziel werden. Junge Menschen dürfen darauf vertrauen, dass Gott ihnen zur Seite steht, sie reifen lässt, ihnen angemessene Wege und Lebensformen zeigt, auch Menschen, die sie verstehen. Zur rechten Zeit begegnet ihnen dann der passende und ergänzungsfähige Partner, den sie lieben dürfen und mit ihm und mit innerer Freude Ehe und Familie gründen. Alles sind Geschenke Gottes.

Das Altwerden ist kein Problem, da es zum Leben gehört. Hier rundet sich das Leben in Erfahrung, Erinnerung, Besinnung und Hoffnung. Das Alter ist die Krone der Lebensstufen. Es ist die hohe Zeit der Reife, der Ernte, des Einbringens von Lebensgewinn – Gott, dem Schöpfer zur Ehre und im Glauben an eine verheißene Zukunft. Im Rückblick des Alters zeigt sich die lebendig gebliebene Geschichte, eine menschlich-historische Datenbank, ein Speicher der Wandlungen und Tradi16

tionen eines Volkes, einer Gesellschaft und nicht zuletzt der eigenen Familie. Im Alter wird uns die Geschichtlichkeit unseres Daseins bewusst: im Rahmen des Brauchtums, der Glaubenserkenntnisse und der Erfahrungen des praktischen Christentums. Das Alter wird zunehmend als defizitärer Zustand beschrieben, da es auch Krankheit, Gebrechen, Einsamkeit und Hilflosigkeit mit sich bringen kann. Das stimmt. Dem ist aber entgegenzuarbeiten, soweit es irgend geht. Eine Umwertung, eine Aufwertung des Alters ist nötig, dann werden die Altersnöte zumindest humanere Formen annehmen. Dazu dienen weitere Sinnerfüllung, Kontakt und Erleben des Alltags, selbst bloßes Nichtstun und Ausruhen. Auch das Fernsehen mit seinem vielfältigen Programm überbrückt manchen zeitlichen Leerlauf und bringt oft unterhaltsame und wissenschaftliche Beiträge von hoher Qualität. Die Ausgrenzung in grauen Altenghettos jedweder Art wird dem Erfordernis des betagten Lebens nicht gerecht. Das Alter braucht noch einmal Licht, Sonne, Freiheit, Selbstbestimmung. Aber einmal endet auch eine sinnerfüllte, schöne Altersphase. Dann werden wir geführt, wohin wir bisher nicht wollten. Dann gibt es nur noch eine Hand, in die wir unser Herz und unsere Seele legen, denn »sein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit«.

Die Festigung des eigenen ­Gewissens Nicht schwankende und wechselnde Meinungen und Mehrheiten sind die Stützen unseres Lebens, sondern nur die Richtlinien und Vorgaben Gottes. Fundament dieses Ansatzes ist die Tatsache der Geschöpflichkeit und der Erlösungsbedürftigkeit des Menschen. Seine persönliche Verwirklichung und den Weg seines Gewissens kann er nur in seinem Bezogensein auf den Schöpfer und Erlöser gewinnen. Das Gewissen darf sich nie von wechselnden Zeiterscheinungen abhängig machen, sondern ist der Wegweisung und den Ordnungen Gottes unterstellt. Es lebt niemand, der nicht Verfehlungen und Versagen kennt. Bei Gott sind Neuanfang und Erneuerung, Gnade und Vergebung möglich. Christen sind Menschen, die die Vergebung Gottes durch Jesus Christus erfahren haben. Das möchten sie auch weitergeben. Die Welt braucht priesterliche Menschen, die nicht selbst im Mittelpunkt stehen, sondern dem andern das Herz voll Verständnis und Hingabe entgegenbringen. W JUNI 2018

INFORMATIONSBRIEF 310


Der Weg in und durch die Postmoderne –– und die Antwort der christlichen Verkündigung Vortrag für die Arbeitsgemeinschaft Bekennende Gemeinde Oktober 2017 –– der Vortragsstil wurde beibehalten –– Teil 2 von 2 Stefan Felber Der Weg der lauen oder ­abgefallenen Kirchen Seit Schleiermacher (1768–1834) bzw. in seinem Gefolge gilt die persönliche Erfahrung als Grundlage einer liberal geprägten Frömmigkeit: Mein persönliches Gefühl der schlechthinnigen Abhängigkeit! Im Blick auf die Kirchenmitgliedszahlen ging das auch einige Jahrzehnte leidlich gut, zumindest so lange, wie die Kirchen in einem freundlichen Umfeld unterwegs waren.25 Schon um 1800 waren nicht viele Menschen in den Gottesdiensten, aber an Kirchenaustritt dachte niemand, trotz der Säkularisierung der Kirchengüter (1806). Das ändert sich freilich seit mittlerweile rund 30 Jahren drastisch. In Kürze wird der Anteil der Bevölkerung, der noch Mitglied in irgendeiner registrierten Kirche ist, unter 50 Prozent fallen. In vielen großen Städten Europas ist dies bereits geschehen! Welche Maßnahmen nun trifft hier eine dekadente, satte Kirche, die seit ein paar Jahrzehnten zwar von Verfolgung verschont blieb, aber ihr Verführtwerden nicht wahrnimmt? Nur ein paar Beobachtungen aus den letzten Jahrzehnten. Zivilreligion: »Wir geben der Gesellschaft den Kitt, den sie sonst nicht hat.« In der skizzierten Lage versuchen viele Kirchenvertreter, die Relevanz ihrer Institution mit einem zivilreligiösen Ansatz zu vermitteln: »Wir geben der Gesellschaft den Kitt, den sie sonst nicht hat.«26 Einerseits sieht man, wie nötig der Kitt heute ist, und dass man den Individualismus in WahrStefan Felber Die Anschrift des Autors finden Sie auf Seite 30 INFORMATIONSBRIEF 310

JUNI 2018

heit (d. h. im Herzen) nur durch die Gemeinde bzw. durch Wort und Sakrament überwinden kann. Andererseits fehlt dem zivilreligiösen Ansatz aber gerade das wesentliche, was ins ewige Leben führen könnte: Der heilsame Ruf zur Buße und das Wort von der Vergebung, vom Mittler und seinem allein selig machenden Namen, Jesus Christus, damit das extra nos und das pro nobis, das uns herausführt aus unserer Selbstumkreisung und zu Kindern des himmlischen Vaters macht. Funktionalismus: Was (ohne komplizierte Theologie) funktioniert, ist gut – Tod der Theologie, Flut der Gesetze Wir beobachten, dass Kirchen- und Verbandsleitungen weithin ohne Rücksicht auf Theologie und Theologen durchregieren, Gesetze und Verordnungen machen, die immer mehr über den Kopf wachsen. Schon Luther sagte: Wo das Vertrauen fehlt, hört das Gesetzemachen nicht auf.27 In der Politik müssen immer neue Kontrollorgane und Planungsauflagen die gröbsten Torheiten verhindern, und bringen manchmal selbst welche hervor. Auch in den Landeskirchen gibt es eine Sintflut von Verordnungen, die nur noch Experten überblicken. Jeden Monat sind die Amtsblätter der Kirchen davon voll. Wenn ich beispielsweise wissen will, wie es um meine Beurlaubung, Wiederanstellung oder Pensionierung steht, brauche ich Beratung durch Kirchenjuristen. Trotz langem Theologiestudium habe ich Mühe, die zu beachtenden Regelungen zu überblicken. Eine Kirche, die keine Theologie mehr braucht, lässt die Theologie letztlich sterben. Daran leiden auch die historisch-kritischen Vertreter der Moderne, also viele der heutigen Lehrstuhlinhaber. Ich erinnere nur an die bissigen Auseinandersetzungen um die Art und Weise, wie das Reformationsjubiläum zu feiern war, 17


etwa zwischen dem Kirchenhistoriker Thomas Kaufmann und der Leitung der EKD über die Bewertung der Lutherfolklore-Veranstaltungen, und an das oft gespannte Verhältnis zwischen Landeskirchenämtern und theologischen Fakultäten. Den Leuten hinterherlaufen: Themen statt Texte, Person statt Wort, Beziehung statt Botschaft,28 Subjektivität statt Objektivität, »dem Volk aufs Maul schauen« (neue Bibelübersetzungen), das Bedürfnis nach Geborgenheit befriedigen, neue Musik Wir beobachten ferner, dass Kirchen- und Verbandsleitungen und ihre weithin im säkularen Denken und Sprechen gefangenen Kommunikationsabteilungen krampfhaft versuchen, die eigene Relevanz noch einmal deutlich zu machen. Die schon genannte Zivilreligion ist die inhaltliche Dimension. Den Leuten hinterherzulaufen, immer neue interessante Angebote jenseits des so genannten kirchlichen »Kerngeschäfts« zu machen, zeigt die grundsätzliche Seite, die Haltung, mit der liberale Kirchenvertreter das Erstgeburtsrecht des Gottesvolkes verschleudern. Häufig treten die Kirchen dann in Konkurrenz zu säkularen, und emotional effektiveren oder intensiveren Freizeitangeboten (z. B. Fußballstadien), können diese Attraktivität aber oft nur unter Ausverkauf des kirchlichen Propriums aufbauen. Nur wo das Proprium erkennbar bleibt, wo mit einem Freizeitangebot oder einem diakonischen Angebot erkennbar christliche Verkündigung verbunden wird, kann auch neuer Glaube entstehen. Wo aber der Werbeträger für den Glauben, z. B. eine Sportgruppe, eine angenehme Urlaubswoche o. ä. zum wichtigsten oder alleinigen Inhalt wird, haben solche Angebote ihre Daseinsberechtigung auf kurz oder lang verloren. Anschauliche Beispiele für die Bevorzugung eines personorientierten gegenüber einem wort­ orientierten Gemeindebauansatz bieten sich zuhauf. Dass eine wortorientierte christliche Arbeit durchaus als attraktiv und gemeindewachstumsfördernd erlebt werden kann, wird oft nicht gesehen. Die so genannte Bible Study Fellowship, ein internationales Bibelstudienprogramm, an dem meine Frau in Basel wöchentlich teilnimmt, hat sich in wenigen Jahren auf nunmehr über 200 Frauen und 45 Kinder in etwa verdoppelt. Speziell ist, dass hier gerade die Beziehungsdimension bewusst relativ schmal gehalten wird. Natürlich ist persönliche Entwicklung gewollt, zur Reflexion darüber wird auch angehalten. Die Gespräche verlaufen 18

aber strukturiert anhand vorgegebener Fragen zu biblischen Büchern, so dass sich das Beziehungsmäßige nicht in den Vordergrund drängen kann, sondern gegenüber der Zuwendung zur Schrift in der zweiten Reihe bleibt. Zum Gegensatz von Subjektivität und Objektivität füge ich noch ein Beispiel für einen postmodernen freikirchlichen Prediger an, den ich selbst gehört habe. Dieser erzählte, es reiche nicht mehr, mit der Bibel auf einer Linie zu sein, weil die Bibel ja mit sich selbst nicht auf einer Linie sei (Polygamie, Kriege, Folter [sic!]). Zum Glück biete die Bibel selbst einen Maßstab, an dem wir alles messen können: Jesus Christus. Das Problem: Dieser »Jesus« verkümmert zum Container, in den jeder reinfüllen kann, was er sich darunter vorstellt. Statt einem schriftgemäßen Jesus sucht man hier eine jesusgemäße Schrift. Die Reduktion der Bibel auf einen Kanon im Kanon, wie früher in der Bultmannschule, wird wieder salonfähig.

Die Antwort der christlichen Verkündigung Wie die Antwort (nicht) ausfallen sollte Wir haben die heutige geistesgeschichtliche Lage im Wesentlichen als Spätstadium einer Verlustgeschichte dargestellt und einige Antworten gesehen, die von den liberalen Kirchen gegeben werden. Unsere Antwort auf das postmoderne Lebensgefühl sollte nicht lauten, dass uns das alles nichts angeht, weil wir ja den rechten Glauben und eine gute Gemeinde besitzen. Vielmehr gehören auch wir mit unseren Zeitgenossen in diese Phase der Geschichte und sind selbst wie sie Adressaten des Wortes Gottes. Unsere Antwort sollte so ausfallen, dass wir nicht, weil abgeschottet, den Kontakt mit den Menschen um uns herum verlieren, sondern gesprächs- und hörfähig (»hörselig«29) bleiben, nicht uns selbst immunisieren. Denn gerade die Selbstimmunisierung und Selbstisolierung, das Ende des echten, von Interesse getragenen Dialogs aufgrund der Gleichgültigkeit aller ist das, was man aus christlicher Sicht einem radikal postmodernen Ansatz und Lebensgefühl vorhalten sollte. Gottes Suche nach dem Menschen, der nur sich selbst sucht, und unsere Nächstenliebe in Wort und Tat – das sollten die Mittel sein, durch die der postmoderne Nachbar zu gewinnen ist. Den Mitmenschen dort aufsuchen, wo er steht, ist ein guter Imperativ, der uns allzu leicht über die Lippen geht. Denn oft werden Christen in den Strudel mit hineingezogen, in dem sie den Nächsten aufsuchen wollen, JUNI 2018

INFORMATIONSBRIEF 310


weil sie die zeitgenössische Kultur unkritisch als neutrale, adaptierbare Ausdrucksform betrachten.30 Gegenüber den weltanschaulich-philosophischen Prägungen unserer Zeit sollten wir uns betend und durch gute Theologie und Schriftstudium wappnen (Epheser 6,10–17). Aus dem ersten Glaubensartikel Recht und Grenze des Staates als Erhaltungsordnung für eine gefallene Schöpfung Aufgrund von Römer 13 liegt es Christen fern, das grundsätzliche Recht staatlicher Autorität in Frage zu stellen, und zwar unabhängig von der Staatsform. Allerdings liegt es auf der Hand, dass eine demokratische Einhegung und Kontrolle der Macht angesichts der Sünde des Menschen weniger Missbrauchsmöglichkeiten in sich birgt als eine Diktatur (Schopenhauer: Gewaltenteilung nötig aufgrund der Einsicht in die Erbsünde31). Der Staat hat die Aufgabe, die Guten zu belohnen und die Bösen zu bestrafen, verliert aber seine Rechtmäßigkeit, wenn er Unrecht zu Recht erklärt und Kritiker einsperrt, statt hörfähig zu bleiben. Gott als Schöpfer gegen Vergötzung der Geschöpflichen Gott ist der Schöpfer; diese Ehre lässt er keinem anderen (Jesaja 42,8). Als Schöpfer will er auch verehrt werden. Wer das Geschöpfliche vergötzt, verfällt dem Dahingegebensein in vielerlei Irrtümer an Leib und Geist (Römer 1,18ff.). Christliche Verkündigung darf nicht müde werden, die für jeden gesunden Menschenverstand eigentlich einsehbare, aber immer neu auszubuchstabierende Wahrheit einzuschärfen: Du bist Mensch und nicht Gott und nicht Tier. Machst du dich aber zum Herrn über Leben und Tod, tastest du Gottes Ehre an. Erniedrigst du dich selbst zum Tier oder erhebst du das Tier auf deine Ebene, so verneinst du, was der Schöpfer dir zugedacht hat. »Irret euch nicht! Gott lässt sich nicht spotten. Denn was der Mensch sät, das wird er ernten. Wer auf sein Fleisch sät, der wird von dem Fleisch das Verderben ernten; wer aber auf den Geist sät, der wird von dem Geist das ewige Leben ernten. Lasst uns aber Gutes tun und nicht müde werden; denn zu seiner Zeit werden wir auch ernten, wenn wir nicht nachlassen. Darum, solange wir noch Zeit haben, lasst uns Gutes tun an jedermann, allermeist aber an des Glaubens Genossen!« (Galater 6,6–9) Gottes Gesetz gegen Antinomismus Der Schöpfer hat die Welt durch zehn Worte ins Dasein gerufen und ihr Gestalt gegeben INFORMATIONSBRIEF 310

JUNI 2018

(1.Mose 1). Ebenso hat er in zehn Worten des Bundes seinem Volk Israel und der ganzen Menschheit eine Grundordnung für ihre Beziehung zu sich und zueinander gegeben. Emanzipiert sich der Mensch, verfällt er dem Gericht. Das Auftreten eines prinzipiellen Widerspruchs gegen die Wahrheit und so gegen ein für alle gleichermaßen gültiges Gesetz in der Postmoderne ist ein starkes Zeichen für das Herannahen des göttlichen Gerichts, zumindest über Europa. Paulus bezeichnete den »Menschen der Gesetzlosigkeit« als Zeichen der Endzeit. Was von diesem in 2.Thessalonicher 2 gesagt wird, stimmt zu einem großen Teil (allerdings nicht völlig) überein mit dem heutigen mitteleuropäischen Einzelmenschen, der sich selbst Gesetz sein will, sich selbst in den Tempel Gottes setzt und vorgibt, er sei Gott, jedenfalls sein eigener Gott. Nicht übereinstimmt der Mensch der Bosheit in 2.Thessalonicher 2 insofern mit der individualistischen Befindlichkeit, als diese Schilderung eher eine wundertätige Einzelperson und nicht ein Kollektiv aus Individualisten skizziert. Gottes Wahrheit und Wirklichkeit gegen Gleichgültigkeit und Indifferenz Gott, der eine Schöpfer und Erhalter des ganzen Universums ist es, der die Einheit der Wirklichkeit und damit auch der Wahrheit verbürgt – und ebenso die fortbestehende Kraft der Sprache, mit der und in der wir um die Wahrheit ringen können. Daher aber sollen wir auch um die Wahrheit ringen! Tun wir es nicht mehr, haben wir unser Menschsein aufgegeben. Hier bedroht der prinzipielle Antifundamentalismus der Postmoderne, bedrohen die Antidiskriminierungsgesetze das Menschsein im Kern – nicht erst seit »Gender mainstreaming«! Die gleiche Bedrohung geht von einem Liberalismus aus, für den der Streit um Dogmen nur noch ein Sprachspiel ist, oder der hinsichtlich angeblich dahinterstehender Machtansprüche zu hinterfragen (zu »dekonstruieren«) ist. Im geistesgeschichtlichen Zusammenhang formuliert G. Ward sehr schön: »Wenn man Realismus als Bindung an eine Form von Korrespondenz zwischen Geist und Welt, Worten und Dingen betrachtet, dann ist die Postmoderne zum Nicht-Realismus als Ablehnung jeglicher Möglichkeit der Korrespondenz verpflichtet.«32 Gott schafft mit dem Menschen die ­Geschichtlichkeit Anders als bei den Tieren intendiert der Schöpfer beim Menschen, dass sich eine Geschichte entfaltet. Dieses Ja Gottes zur techni19


schen und kulturellen Entwicklung dürfen wir dankbar annehmen. Doch unser Ja zu Geschichte und Entwicklung muss nach dem Sündenfall immer auch ein Ruf zu Buße, Umkehr und Nachfolge bzw. Heiligung sein. Denken wir, neben Johannes 12,24–26, an die erste der 95 Thesen Luthers: »Da unser Herr und Meister Jesus Christus spricht: ›Tut Buße‹ usw. (Matthäus 4), hat er gewollt, dass das ganze Leben der Gläubigen Buße sein soll.« Christen sind nicht Feinde der Kultur, sondern ihre besten Innovatoren. Dies in Erinnerung gerufen zu haben, ist das große Verdienst einiger neuerer Bücher: Ich denke an die Autoren Francis Schaeffer, Vishal Mangalwadi, Hansjürg Stückelberger und Alvin Schmidt (Titel in Auswahl siehe Literaturverzeichnis). Aus dem zweiten Glaubensartikel Erlöser gegen Selbsterlösung, Stellvertretung gegen Autonomie Die christliche Antwort auf die selbstgewisse, selbstverklärende Haltung des postmodernen Menschen muss festhalten: Deine Sünde ist so groß, dass Christus sterben musste, um dich zu erlösen. »Nondum considerasti […]«, sagt Anselm: Du wirst nie ermessen, wie groß deine Sünde ist, dass Christus dafür sterben musste! »Von dort wird er kommen zu richten« gegen unbestimmte Zukunft Die Endzeitreden Jesu nennen einige Phänomene der letzten Zeit, die auf unsere Gegenwart zutreffen (aus Matthäus 24,3–15; dazu auch 2.Thessalonicher 2): WW Verführungen durch falsche Christusse WW Kriege und Kriegsgeschrei WW Verfolgung der Gemeinde WW Erkalten der Liebe in vielen WW Predigt vom Reich Gottes weltweit und für alle Völker WW Greuelbild der Verwüstung WW Abfall WW Offenbarung des Menschen der Gesetzlosigkeit WW Satanische Wunder Die ersten fünf der genannten Phänomene sind zweifellos immer wieder zu beobachten. Auch der weltweit gültige Missionsauftrag Jesu gelangt immer weiter an seine Vollendung. Völker ohne christliche Verkündigung und ohne Bibelübersetzung werden seltener; die WycliffBibelübersetzer haben sich gar zum Ziel gesetzt, in jedem Stamm, der noch keine Übersetzung irgendeines Bibelteils in der eigenen Sprache 20

besitzen, bis zum Jahr 2025 ein Übersetzungsprojekt zu beginnen. Ob dies zu ambitioniert ist, weiß Gott allein. Aber es zeigt: Der Weg zur Erfüllung dieses Auftrags ist absehbar, und wir dürfen mit guten Gründen hoffen, dies noch zu erleben! Der scheidende Christus mahnt seine Jünger, wachsam zu sein. Sind wir es gegenüber den Phänomenen unserer Zeit? Oder leben wir gleichgültig dahin? Dann aber hat uns bereits das postmoderne Lebensgefühl angekränkelt. Wenn wir aber die Endzeitreden Jesu und die Offenbarung des Johannes ernst nehmen, werden wir gerade um der Liebe willen dem postmodernen Zeitgenossen sagen müssen, worauf ein jeder zugehen wird: Nicht den immer größeren Wohlstand, die nächste schöne Reise, der nächste große Kick – sondern die Begegnung mit dem wiederkehrenden Christus. »Wer glaubt, wird dann bestehen bleiben. Glaubt ihr nicht, so bleibt ihr nicht!« ruft Jesaja einem König zu, der sich nach allen Seiten absichern wollte, aber den Heiligen Israels vergaß (Jesaja 7,9). Aus dem dritten Glaubensartikel Gemeinde gegen Vereinzelung Der postmoderne Mensch ist zutiefst einsam, was er aber gar nicht bedauert. Christliche Verkündigung wird ihm nicht nur die frohe Botschaft von der Sündenvergebung weitergeben, sondern damit zugleich klar machen: Gott will dich als Glied einer neuen Gemeinschaft haben, die du dir nicht ausgesucht hast, sondern in die hinein dich der heilige Gott, dein Schöpfer und Erhalter einpflanzen will, und die dir eine Fülle des Menschseins eröffnet, die du sonst nie geahnt hättest (vgl. Römer 12,1–8). Heiligung gegen Hedonismus Der postmoderne Mensch sucht Befriedigung in den Dingen dieser Welt; allem Jenseitigen gegenüber zeigt er sich gleichgültig, agnostisch oder atheistisch bzw. eventuell sogar feindselig eingestellt, was aber nur eine im Westen verbreitete Haltung ist.). Ein gesteigertes Reisebedürfnis bzw. eine hochentwickelte (Fähigkeit zur) Mobilität, um möglichst viel »mitzunehmen«, gehört dazu. Sich an den gleichen Ort oder Partner oder Arbeitgeber etc. über Jahrzehnte zu binden, erscheint ihm vorgestrig. Was bedeutet hier die Botschaft von der Furcht Gottes und von der Heiligung, ohne die niemand Gott sehen wird (Hebräer 12,14)? Zunächst sollen wir daran erinnern, dass wir die Dinge dieser Welt beherrschen sollen und nicht sie uns. Wer nach immer mehr, nach dem immer Neuen und nach dem noch intensiveren Kick33 JUNI 2018

INFORMATIONSBRIEF 310


jagt, ist nicht frei, auch wenn er es sich einbildet. Zu den Früchten des Geistes gehören da­ rum auch Bescheidenheit, Maßhalten, Demut, Geduld und Treue (Galater 5,22, vgl. Vers 19f. über die Werke des Fleisches), Genügsamkeit statt Geldgier, sowie eine Ausrichtung auf Glauben und Gerechtigkeit statt auf Reichtum und schändliche Begierden (1.Timotheus 6,3–16). Durch den gottgeschenkten Glauben wächst der Mensch über sich selbst hinaus! Offenbarung gegen Selbsterkennenwollen Dass es eine Heilige Schrift gibt (beginnend mit der Tora), widerspricht an sich der Autonomie des neuzeitlich oder postmodern geprägten Individuums. Und doch kann kein menschlicher Versuch, so intelligent er auch sein mag, sondern nur ein göttlicher Eingriff dem tief verunsicherten und immer vergeblich und am falschen Ort suchenden modernen und postmodernen Menschen Orientierung und Hilfe bieten. Liturgie und Kirchenjahr gegen Vereinerleiung der Zeiten Heilige und wiederkehrende Zeiten, Sabbat bzw. Sonntag, heilige Orte, die heilige Sprache einer bibelgesättigten Liturgie: Der Schatz, aus dem Christen sich und die Ihren nähren dürfen, ist unerschöpflich – aber auch unverzichtbar. Bestimmte Zeiten, Orte und Worte sind nötig, um uns Heimat für Zeit und Ewigkeit zu geben, um die ganze Gemeinde und jeden Gläubigen immer wieder mit der Heilsgeschichte, genauer: um uns jedes Jahr neu mit dem Weg Jesu Christi von der Krippe zum Kreuz zu verbinden. Auch dadurch soll Heiligung geschehen! Stellen Sie sich vor, Sie ziehen in ein fernes Land und finden dort niemanden, der schon einmal etwas von der Bibel oder Jesus Christus gehört hat.34 Sie fühlen sich nach kurzer Zeit im Innersten unverstanden. Ganz anders die Lage, wenn Sie eine Kirche vorfinden, in der man Gottes Wort liebt. Ich habe dies an verschiedenen Orten erleben dürfen: Hier entsteht unmittelbar der Eindruck der Vertrautheit, denn man trifft Menschen, die im Innersten dem gleichen Gott und Wert verpflichtet sind. Wie könnte besser Vertrauen gestiftet werden? Und wie könnte effektiver das zwischenmenschliche Vertrauen geschwächt werden, wenn ich nichts mehr darüber wissen darf, was den anderen im Herzen bindet? Werde ich dann weitreichende Verträge und Verpflichtungen mit ihm eingehen? Nein, ich werde zurückhaltend sein und abwarten. Der Soziologe Hartmut Rosa schreibt: »Die Idee einer ›Heiligen Schrift‹, die Konzeption INFORMATIONSBRIEF 310

JUNI 2018

eines Heilsgeschehens und einer Heils- oder Sakralzeit, ja der Verlauf eines Kirchenjahres: Sie alle erweisen sich als weitgehend resistent gegenüber den Imperativen der Innovation, der Beschleunigung oder der Steigerung. Daher scheinen mir die überlieferten Religionen, jedenfalls in ihrer jüdisch-christlichen oder auch islamischen Gestalt [sic!], zumindest auch – wenn nicht sogar primär – als (möglicherweise unverzichtbare) Gegenpole zur Steigerungsund Dynamisierungslogik der Moderne zu fungieren.«35

Fazit Sich der Frage nach Wahrheit gegenüber gleichgültig zu zeigen, steht in einem eklatanten Widerspruch dazu, dass und wie sich der dreieinige Gott in seinem Wort, in seinem Bund Gottes mit seinem Volk und in Jesus Christus gezeigt hat. In diesem Wort will er uns Klarheit, Gewissheit und Freude über die (bzw. an und in der) letzte(n) Wahrheit bzw. über die Person geben, die unser Leben von Sünde, Tod und Teufel rettet und ins ewige Leben führt. In dieser Freude trotz allem Leid, in dieser Wahrheit trotz allem Zweifel bewährt sich der Glaube als der gottgeschenkte Sieg, der die Welt überwindet, ja, wie der Apostel schrieb: schon überwunden hat (1.Johannes 5,4). Christen sollten bemüht sein, ihre Zeitgenossen (und nicht nur ihresgleichen) immer wieder aus der Apathie unserer Zeit herauszuführen. Denn ihre absoluten Werte, geschöpft und gemessen am Wort Gottes, sind ihnen größer und wichtiger als ihr eigenes Leben (Offenbarung 12,11); und gerade dieses Wort lässt sie das Leben und die Welt als Schöpfung und Gabe dankbar annehmen und bewusst gestalten (Ja zur Geschichte, s. o.). Würden aber auch für Christen privater Friede und Wohlstand zu Höchstwerten, so würden sie der Willkür der kommenden Machtelite nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich ausgeliefert. Christen sollten also diejenigen sein, die der »Preisgabe der Vernunft«, die letztlich dem Humanismus der Moderne und der Postmoderne innewohnt, widerstehen, und dankbar die Rationalität der Schöpfung, die Erkennbarkeit und Sagbarkeit der einen Wahrheit festhalten und bekennen.36 Wenn Christen über die Wahrheit mit Zeitgenossen diskutieren, sollten sie ihr Gegenüber nicht in eine Paradigma-Schublade stecken, d. h. wir sollten unser Gegenüber nicht anhand eines Rasters »Vormodern – Modern – Postmo21


dern« einordnen.37 Das würde die Vollmacht christlichen Zeugnisses von einer gehörigen Kenntnis an Philosophie und Soziologie abhängig machen, ohne die eine solche Einordnung nicht möglich wäre. Und sie bleibt ohnehin immer vorläufig. Vielmehr dürfen wir in der Freiheit, die aus der Wahrheit kommt, alles prüfen, das Gute aber behalten (1.Thessalonicher 5,21), und vor allem: Auf die Nennung des allein rettenden Namens nicht verzichten: Jesus Christus. Bei aller Sorge um die Kommunikation des Evangeliums beziehen Christen den Gehalt und die Kraft dieses Namens nicht aus dem gerade akzeptablen, verständlichen oder kommunizierbaren geistigen Setting ihrer Umgebung. Sie glauben und bezeugen unverdrossen das ganze Bibelwort als Quelle ihres Christuszeugnisses. »Wenn ihr bleiben werdet an meinem Wort, so seid ihr wahrhaftig meine Jünger und werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen« (Johannes 8,31f.). W Literatur Descartes, Réne: Discours de la méthode pour bien conduire sa raison et chercher la vérité dans les sciences, 1637. Dietz, Thorsten: Postmoderne, Konstruktivismus und Pluralismus. Herausforderungen für eine evangelikale Theologie im Pluralismus, in: Ichthys 21 (1995), 2–15. Folger, Janet L.: The Criminalization of Christianity. Read this before it becomes illegal, Sisters Or 2005. Gracia, Giuseppe: Innere Zensur. Wer hierzulande zur katholischen Lehre steht, zahlt hohen Preis, in: FOCUS online 1.11.2017, http://www.focus.de/politik/experten/gastbeitrag-wer-hierzulande-zur-katholischen-lehre-steht-zahlt-hohenpreis_id_7785815.html (5.11.2017). Graf, Friedrich Wilhelm: Art. Postmoderne I. Soziologisch und sozialgeschichtlich, in: RGG 4. Aufl., Band 6 N–Q, Tübingen 2003, Sp. 1514f. Groothuis, Douglas: Truth Decay. Defending Christianity Against the Challenges of Postmodernism, Downers Grove, I11, 2001, 303 S. (TSC-Bibl.: CJ 3.1 Groo). Hägglund, Bengt: Theologie und Philosophie bei Luther und in der ockhamistischen Tradition. Luthers Stellung zur Theorie von der doppelten Wahrheit, 1955. Hempelmann, Heinzpeter: Faktisch, postfaktisch, postmodern? Kommunikation von Wahrheit(sansprüchen) in pluralistischen Gesellschaften als Problem und Herausforderung, in: ThBeitr 48/1 (2017), 6–23. Hempelmann, Heinzpeter: Nach der Zeit des Christentums. Warum Kirche von der Postmoderne profitieren kann und Konkurrenz das Geschäft belebt, Gießen 2009. Hempelmann, Heinzpeter: Prämodern – modern – postmodern. Warum »ticken« Menschen so unterschiedlich? Unterschiedliche Basismentalitäten und ihre Bedeutung für Mission, Gemeindearbeit und Kirchenleitung, 2013. Kleina, Eberhard: Flüchtlingsströme nach Europa. Eine getarnte Masseneinwanderung?, Lübbecke 2015, 24 S. (als Manuskript gedruckt; Download möglich unter https://www.stefan-felber.ch/ downloads/kleina-eberhard-fluechtlingsstroeme-nach-europa-einegetarnte-masseneinwanderung-luebbecke-2015/download). Koschorke, Albrecht: »Säkularisierung« und »Wiederkehr der Religion«. Zu zwei Narrativen der europäischen Moderne, in: Basu, Helene u. a. (Hg.): Moderne und Religion. Kontroversen um Modernität und Säkularisierung. Sozialtheorie, Berlin, Bielefeld 2013, 237–260 (TSC-Bibl.: LA 4.1 Will). Kuby, Gabriele: Die globale sexuelle Revolution. Zerstörung der Freiheit im Namen der Freiheit, Kißlegg 2012, 453 S.

22

Mangalwadi, Vishal: The Book That Made Your World. How the Bible Created the Soul of Western Civilization, Nashville, Dallas 2011; deutsch: »Das Buch der Mitte«, Basel, fontis 2014, 606 S. Mangalwadi, Vishal: Wahrheit und Wandlung. Was Europa heute braucht, Basel, fontis 2016, 368 S. Marquard, Odo: Lob des Polytheismus. Über Monomythie und Polymythie, in: Marquard, Odo (Hg.): Abschied vom Prinzipiellen. Philosophische Studien, Stuttgart 1991, 91–116. Nestvogel, Wolfgang: Evangelisation in der Postmoderne. Wie Wahrheit den Pluralismus angreift …, Bielefeld, Christliche Literatur-Verbreitung 2004, 156 S. Palko, Vladimír: Die Löwen kommen. Warum Europa und Amerika auf eine neue Tyrannei zusteuern, Kißlegg 3. Aufl. 2015, 503 S. Parzany, Ulrich: Was nun, Kirche? Ein großes Schiff in Gefahr, Holzgerlingen 2017, 208 S. Rohrmoser, Günter: Emanzipation oder Freiheit. Das christliche Erbe der Neuzeit, Berlin Nachdr.1995, IV, 391 S. Rohrmoser, Günter: Kann die Moderne das Christentum überleben? Oder: Kann die Moderne ohne das Christentum überleben?, Religionsphilosophie Bd. 1, Ansbach 2013, 96 S. Rosa, Hartmut: Historischer Fortschritt oder leere Progression? Das Fortschreiten der Moderne als kulturelles Versprechen und als struktureller Zwang, in: a. a. O. (s. bei Koschorke) 117–141. Rothen, Paul Bernhard: Auf Sand gebaut. Warum die evangelischen Kirchen zerfallen, Münster 2. Aufl. 2015. Schaeffer, Francis A.: Preisgabe der Vernunft. Kurze Analyse der Ursprünge und Tendenzen des modernen Denkens, Wuppertal 5. Aufl. 1985, 96 S. Schaeffer, Francis A.: Wie können wir denn leben? Aufstieg und Niedergang der westlichen Kultur, Neuhausen 2. Aufl. 1985, 302 S. Schmidt, Alvin J.: Wie das Christentum die Welt veränderte. Menschen, Gesellschaft, Politik, Kunst, Gräfelfing 2009, 494 S. Seubert Harald, Replik zu Hempelmann (Prämodern – modern …, s. o.), ungedrucktes Manuskript. Seubert, Harald: Was Europa dem christlichen Glauben verdankt. Überlegungen zu den Fundamenten unserer Kultur, in: Theologische Beilage zur STH-Postille April 2014, 1–8. Sierszyn, Armin: Der europäische Säkularismus, die Sprachlosigkeit der Kirchen und die Gefährdung des Kontinents, Kleine Schriften Bd. 8, Bäretswil 2016, 50 S. Slenczka, Reinhard: Wort Gottes oder Stimme des Volkes und die neue Gnosis, in: Lutherische Beiträge 21/3 (2016), 184–200. Sparn, Walter: Doppelte Wahrheit? Erinnerungen zur theologischen Struktur des Problems der Einheit des Denkens, in: Track, Joachim; Mildenberger, Friedrich (Hg.): Zugang zur Theologie. Festschrift für Wilfried Joest, Göttingen 1979, 53–78. Stückelberger, Hansjürg: Europas Aufstieg und Verrat. Eine christliche Deutung der Geschichte, Aachen 2. Aufl. 2015, 432 S. Ward, Graham: Art. Postmoderne II. Religionsphilosophisch und fundamentaltheologisch, in: RGG 4. Aufl., Band 6 N–Q, Tübingen 2003, Sp. 1515f. Weisensee, Gerd J.: Wertezerstörung: Was kostet uns alle die Abtreibung?, in: Zukunft CH 2 (2014), 4–5. Der Text ist verfügbar unter www.stefan-felber.ch/downloads.

25) Vgl. Rothen, Auf Sand gebaut, 26; Parzany, Was nun, Kirche? 26) Schon Rousseau hatte das gefordert. Ein mir bekannter Kirchenleiter sprach vom Prinzip der »bedingungslosen Akzeptanz«, die man an der Taufe lernen könne. 27) Rothen, Auf Sand gebaut, 45. 28) Vgl. a. a. O., 27ff. 29) Ein Dank an Eckhard Hagedorn für den schönen, »redselig« entgegengesetzten Begriff! 30) Nestvogel, 20f. 31) Hierzu u. a. Rohrmoser, Kann die Moderne das Christentum überleben? Oder: Kann die Moderne ohne das Christentum überleben? 32) Ward, Art. Postmoderne II, Sp. 1516. 33) Erotik, Sport, die »geilste«, längste oder schnellste Achterbahn 34) Drei biblische Gestalten sind hier Modell: Josef in Ägypten, Daniel in Babylon, Esther in Susa. 35) A. a. O., 130. 36) Vgl. Schaeffer, Preisgabe der Vernunft, 55. 37) Mit Seubert gegen Hempelmann (s. Literaturverzeichnis). JUNI 2018

INFORMATIONSBRIEF 310


Aus Kirche und Gesellschaft Alarmierend: Großes Interesse an der »Ehe für alle«

»Ehe« für Homosexuelle nun auch in Österreich Der österreichische Verfassungsgerichtshof hat beschlossen, die so genannte »Ehe für alle« zu erlauben. Die Unterscheidung zwischen der Ehe und eingetragenen Partnerschaften gleichgeschlechtlicher Personen verletze das in der Verfassung grundgelegte Diskriminierungsverbot. Alle bisher bestehenden unterschiedlichen Regelungen für heterosexuelle und homosexuelle Paare müssen bis Ende 2018 aufgehoben werden. Das Gericht begründete seine Rechtsprechung entgegen seiner bisherigen Linie, bloß eingetragene Partnerschaften zwischen gleichgeschlechtlichen Paaren anzuerkennen, damit, dass diese sich faktisch immer weiter an eine Ehe angenähert hätten. Künftig steht es auch heterosexuellen Paaren offen, eine eingetragene Partnerschaft anstelle der Ehe einzugehen. Der Wiener Kardinal Christoph Schönborn beklagte die Rechtsentwicklung: »Es ist beunruhigend, dass sogar die Verfassungsrichter den Blick verloren haben für die besondere Natur der Ehe als Verbindung von Mann und Frau.« »Wenn der Verfassungsgerichtshof die Einzigartigkeit und damit die juristische Sonderstellung der Ehe verneint, die auf der Unterschiedlichkeit der Geschlechter aufbaut, verneint er die Wirklichkeit.« Das Gericht erweise damit der Gesellschaft keinen guten Dienst. (Quelle der Nachricht: Christ in der Gegenwart Nr. 50/2017 vom 10. Dezember 2017, S. 554)

INFORMATIONSBRIEF 310

JUNI 2018

In den ersten drei Monaten seit der Einführung der so genannten »Ehe für alle« »trauten« sich in Stuttgart 33 gleichgeschlechtliche Paare. Bis Jahresende 2017 ließen außerdem 135 Paare ihre eingetragene Partnerschaft in eine Ehe umwandeln. Besonders viele »Heiratswillige« gab es in Freiburg: 46 gleichgeschlechtliche Paare traten vor das Standesamt, 18 weitere haben einen Termin für dieses Jahr vormerken lassen. In Mannheim sagten bis Ende Februar 16 gleichgeschlechtliche Paare Ja zueinander, 119 entschieden sich für eine Umwandlung. Hier wollen sich bis August 23 weitere gleichgeschlechtliche Paare »trauen« lassen. (Quelle der Nachricht: Südwestpresse vom 26. Februar 2018, Südwestumschau, nach dpa)

Deutsche Bischofskonferenz: Vaterunserbitte bleibt unverändert Die katholische Deutsche Bischofskonferenz hält an der bisherigen Fassung des Vaterunsers fest. Dafür spreche auch die konfessions- und länderübergreifende Einheitlichkeit des Gebets. Der Papst hatte im vergangenen Dezember eine Debatte ausgelöst, indem er sich für eine Änderung des Vaterunsers ausgesprochen hatte. Er hatte dafür geworben, den Passus »Und führe uns nicht in Versuchung« zu ändern, weil Satan, nicht aber Gott, in Versuchung führe. In Bezug auf den Änderungsvorschlag erklärten 23


die deutschen Bischöfe: »Bei näherer Betrachtung ergibt sich jedoch, dass gewichtige Gründe dagegen sprechen, gleich ob man nun philologische, exegetische, liturgische oder auch ökumenische Gründe stärker gewichtet.« Was die Übersetzung betrifft, sei die gängige Fassung am griechischen Wortlaut des Gebets ausgerichtet, wie es das Matthäus- und das Lukasevangelium in ihren ältesten Fassungen überliefern. Auch aus theologischen Gründen ist die Bischofskonferenz gegen eine Änderung. (Quelle der Nachricht: Evangelisches Gemeindeblatt für Württemberg 6/2018 vom 11. Februar 2018, S. 2, nach epd)

Bachakademie: Neue Intendantin Die Musik- und Kulturwissenschaftlerin Katrin Zagrosek wird neue Geschäftsführende Intendantin der Internationalen Bachakademie in Stuttgart. Sie tritt im September die Nachfolge von Gernot Rehrl an, der seit 2013 die Intendanz der Bachakademie innehatte. (Quelle der Nachricht: Evangelisches Gemeindeblatt für Württemberg 51/2017 vom 17. Dezember 2017, S. 21)

Professor Peter Zimmerling: Religionskritische Professur in Leipzig ist »eine Taktlosigkeit« Nach Ansicht von Peter Zimmerling, Professor für Praktische Theologie an der Universität Leipzig, ist die Einrichtung einer Stiftungsprofessur für Religionswissenschaft und Religionskritik, gestiftet vom österreichischen Kirchenkritiker Adolf Holl (Wien), »eine Taktlosigkeit«. Die Stiftungsprofessur war zuvor von mehreren Universitäten abgelehnt worden und ist bis jetzt im deutschsprachigen Raum einzigartig. »In Ostdeutschland hat Religionskritik immer noch ein Geschmäckle, da sie zu DDRZeiten kein akademisches Element, sondern staatlich verordnet war.« Kirchenmitglieder litten unter dieser ideologischen Kritik, die sich auch in beruflichen und privaten Einschränkungen äußerte. Zimmerling wünschte sich deshalb für die Standortwahl der Stiftungsprofessur »etwas mehr Fingerspitzengefühl«. »Wir brauchen in einer Stadt, in der 84 Prozent der Einwohner keine Christen sind, eher eine Stärkung der Religion.« (Quelle der Nachricht: ideaSpektrum 7/2018 vom 14. Februar 2018, S. 30, Ost)

24

Burak Karartı

Mutig: In Pohlheim soll ein Mahnmal für den Völkermord an Christen durch Türken 1915 entstehen Trotz Kritik des türkischen Generalkonsuls in Frankfurt, Burak Karartı, hält nach Angaben des Bürgermeisters Udo Schöffmann, die mittelhessische Stadt Pohlheim (bei Wetzlar) da­ran fest, ein Mahnmal für die christlichen Opfer des Völkermordes im Osmanischen Reich zu errichten. Karartı sieht in der Gedenkstätte eine Beleidigung der türkischen Gemeinschaft. Schöffmann hingegen beharrt darauf, dass das Mahnmal ein Erinnerungsort sei, damit so ein Völkermord »nicht mehr stattfindet«. In Pohlheim, das rund 18 000 Einwohner hat, leben mehr als 1000 aramäische Familien. Von diesen ging die Initiative aus. Die osmanische Regierung hatte 1915 die Verfolgung der christlichen Armenier angeordnet. Den MasJUNI 2018

INFORMATIONSBRIEF 310


sakern fielen Tausende Menschen zum Opfer, darunter auch Angehörige der christlichen Minderheit der Aramäer und Assyrer. (Quelle der Nachricht: Christ in der Gegenwart 5/2018 vom 4. Februar 2018, S. 48)

Besorgniserregender Trend in den USA: Immer weniger Evangelikale In den USA ist laut einer Studie des Amerikanischen Instituts für Kultur und Glauben (Los Altos/Bundesstaat Kalifornien) die Zahl der evangelikalen Christen rückläufig. Demnach bezeichnen sich derzeit 31 Prozent als evangelikal. 2010 waren es noch 45 Prozent. Nach den Worten von Studienleiter George Barna besteht wenig Hoffnung, dass sich der Trend in naher Zukunft umkehrt. Denn je jünger die US-Amerikaner sind, desto weniger wahrscheinlich sind sie Evangelikale. Bezeichnen sich von den 50- bis 64-Jährigen 37 Prozent als evangelikal, so sind es bei unter

30-Jährigen nur 23 Prozent. Die Gründe für diese Entwicklung sieht Barna sowohl bei den Kirchengemeinden als auch bei den Familien. Immer weniger Gemeinden stellten die Bedeutung von Mission und Evangelisation heraus. Hinzu komme, dass es viele Eltern versäumten, ihren Kindern zentrale Inhalte des christlichen Glaubens zu vermitteln. (Quelle der Nachricht: ideaSpektrum 5/2018 vom 31. Januar 2018, S. 12)

Aus den Bekennenden Gemeinschaften

Missionsdirektor Lienhard Pflaum heimgegangen Der langjährige Direktor der Liebenzeller Mission, Pfarrer Lienhard Pflaum (Bad Liebenzell), ist im Alter von 91 Jahren heimgegangen. Er leitete das Missionswerk von 1966 bis zu seinem Ruhestand im Jahr 1992. Parallel dazu war er seit 1963 der Leiter des theologischen Seminars der Liebenzeller Mission. Auch als Pensionär wollte er nach seinen eigenen Worten »Jesus dienen, solange ich kann«. Pflaum war jahrzehntelang einer der bekanntesten Evangelikalen in Deutsch­ land. Viele Jahre gehörte er zum Haupt-

INFORMATIONSBRIEF 310

JUNI 2018

vorstand der Deutschen Evangelischen Allianz (DEA) und zum Vorstand der Arbeitsgemeinschaft Evangelikaler Missionen (AEM). Außerdem war er Mitglied der württembergischen Landessynode und Mitbegründer der Evangelischen Nachrichtenagentur idea. 1988 wurde ihm von der Biola Universität in Kalifornien die Ehrendoktorwürde verliehen. Im Ruhestand war Pflaum als Autor für verschiedene Zeitschriften tätig und hielt Gottesdienste. (Quelle der Nachricht: ideaSpektrum 10/2018 vom 7. März 2018, S. 33, Südwest)

25


Reisedienst der Bekenntnisbewegung Aufbruch: Reisedienst 1966 hat die Bekenntnisbewegung die Auseinandersetzung mit der rationalistischen Theologie Rudolf Bultmanns und seiner Schüler aufgenommen. Es blieb nicht beim öffentlichen Protest. Die Bekenntnisbewegung gab durch den Informationsbrief und auf den »Gemeindetagen unter dem Wort« Hilfestellung zur Klärung der Fragen, die durch diese Theologie und andere moderne Strömungen in den christlichen Kirchen aufgeworfen wurden. Der Informationsbrief wird noch von mehr als 20 000 Menschen gelesen. Wir haben aber den Eindruck, dass das gedruckte Wort dazu heute nicht mehr ausreicht. Immer wichtiger wird der persönliche Kontakt. Aus vielen Rückmeldungen wissen wir, dass viele unserer Leser einsam sind, weil sie keinen Gleichgesinnten in ihrer Nähe finden. Sie sehnen sich nach Gemeinschaft. Andere benötigen Hilfe, um die reformatorische Botschaft in ihrem Umfeld in Gemeinde oder Gemeinschaft zur Geltung zu bringen. Sie möchten vielleicht eine Veranstaltung zu Bekenntnisfragen durchführen. Oder ein Hauskreis benötigt theologischen Beistand bei der Gründung oder bei der Klärung von Glaubensfragen. Dazu braucht es einen Theologen, der für die Fragen und Bedürfnisse bekennender Christen persönlich zur Verfügung steht.

Pastor Johannes Frey Darum haben wir uns entschlossen, unseren Vorsitzenden, Pastor Johannes Frey, zu einem Reisedienst für Verkündigung, Seelsorge und Schulung in Teilzeit anzustellen. Folgende Dienste sind möglich: WW Vorträge und Seminare zu Fragen der Theologie, des Glaubens und christlichen Lebens WW Gottesdienste WW Bibelwochen WW Glaubenskurse – Pastor Frey hat ­einen Glaubenskurs auf der Grundlage reforma­torischer Theologie erarbeitet und schon an verschiedenen Stellen durchgeführt. WW Besuche bei Hauskreisen WW Unterstützung bei der Gründung von Hauskreisen oder theologischen Gesprächskreisen bzw. Leserkreisen

4 Ich schließe mich dem »Unterstützerkreis für den Reisedienst der Bekenntnisbewegung« an. Ich bekenne mich zu den Grundlagen und Zielen der Bekenntnisbewegung »Kein anderes Evangelium«. Ich bete regelmäßig für den Reisedienst der Bekenntnisbewegung. Ich unterstütze den Reisedienst der Bekenntnisbewegung monatlich mit W 5 Euro W 20 Euro 10 Euro ..................... Euro (anderer Betrag) W W 50 Euro durch Überweisung / Dauerauftrag mit dem Stichwort »Reisedienst«.

Name:

.....................................................................................................................

Anschrift:

.....................................................................................................................

Telefon:

.....................................................................................................................

E-Mail:

.....................................................................................................................

Unterschrift: .....................................................................................................................


Buchrezensionen WW Hilfe für einsame Christen (Besuch, Rat per Brief, Telefon, E-Mail) WW Seelsorge, Beichte, Feier des Heiligen Abendmahls für Kreise, Einsame, Kranke WW Herstellung von Kontakten zu Gleichgesinnten in der Nähe Für diesen neuen Zweig unserer Arbeit sind wir auf Ihre Unterstützung angewiesen: 1. Teilen Sie uns mit, welche Dienste Sie sich wünschen. 2. Machen Sie das Angebot in Ihrem Umfeld bekannt. 3. Helfen Sie uns, diese Arbeit zu finanzieren. Jede zusätzliche Spende hilft Verwendungszweck: »Reisedienst Pastor Frey« Schließen Sie sich dem Unterstützerkreis für den Reisedienst der Bekenntnisbewegung an.

Das heißt: WW Sie verpflichten sich, den Dienst der Bekenntnisbewegung durch treue Fürbitte vor Gott mitzutragen. WW Sie verpflichten sich, den Dienst der Bekenntnisbewegung monatlich mit dem Betrag, den der Herr Ihnen aufs Herz legt, zu unterstützen. Stichwort: »Reisedienst«. Konto: DE34 6116 1696 0065 5000 16 CH21 0900 0000 3001 9556 2 WW Außerdem erhalten Sie per E-Mail Informationen über unsere Arbeit. Bitte nutzen Sie dafür den unten stehenden Abschnitt. Die Grundlagen und Ziele der Bekenntnisbewegung können Sie auf unser Internetseite einsehen: www.bekenntnisbewegung.de/was/ geschichte.php Herzlichen Dank für Ihr Mittragen und Mithelfen bei dieser so wichtigen Aufgabe!

Der »Geschäftsführende Ausschuss« (Vorstand) der Bekenntnisbewegung

Einsichten Martin Luthers –– damals und jetzt Analyse und Kritik Gerhard Müller (geboren 1929) anerkannter Kirchenhistoriker (Erlangen 1967–1982), Landesbischof der Evangelisch-lutherischen Landeskirche in Braunschweig (1982–1994) und Leitender Bischof der Vereinigten EvangelischLutherischen Kirche Deutschlands (VELKD, 1990–1993), dazu Herausgeber der über einen langen Zeitraum entstandenen und Dutzende von Bänden umfassenden Theologischen Realenzyklopädie (TRE), legt im fortgeschrittenen Alter ein »Lutherbuch« vor, in dem er Einsichten langjähriger Forschung und Erfahrungen kirchenleitender Tätigkeit in kongenialer Weise miteinander verbindet. Entstanden ist dabei nicht eine weitere Lutherbiographie, deren es bereits gute und zahlreiche gibt. Vielmehr geht es dem Lutherkenner Gerhard Müller darum, ausgewählte Themen aus Luthers Theologie und Leben aufzugreifen und dessen Einsichten für gegenwärtige Theologie und Kirche fruchtbar zu machen. So ist denn auch ein deutlich zweigeteiltes Buch entstanden: Erster Teil: Martin Luthers Werk. Analyse und Darstellung (S. 21–190); Zweiter Teil: Unsere Aufgaben. Anstöße und Kritik (S. 193–343). Jeder Teil umfasst jeweils zehn Einzelkapitel. Im historisch orientierten ersten Teil wird der Wittenberger Reformator auf ausgewählten Gebieten dargestellt, in denen er tätig war. Dabei geht es Gerhard Müller um eine sachgerechte, möglichst objektive Darstellung. Luther hat tiefe Einsichten gehabt, aber er ist nicht frei von Fehlern. Von einer unzulässigen Idealisierung und Verklärung ist die Darstellung Gerhard Müllers ebenso frei wie von billiger und pauschaler Polemik; beides hat es gegeben und gibt es bis in unsere Zeit. Es wird aus den Einzelkapiteln deutlich, wie stark Luther doch Glaube, Denken und Leben durchdrungen hat. Im zweiten Teil geht es gewissermaßen um eine Aktualisierung und darum, Luther für die Gegenwart fruchtbar zu machen. Während im ersten Teil hauptsächlich der Kirchenhistoriker zu Wort kommt, durchdringen sich im zweiten Wissenschaftler und kirchenleitende Persönlichkeit in ungleich stärkerem Maße. Pointiert nimmt Gerhard Müller Stellung zu Themen, die der Kirche in den letzten Jahren aufgege27


ben waren, wobei ein Gutteil der zehn Kapitel bereits in anderen Publikationen erschienen ist (Deutsches Pfarrerblatt, Lutherische Kirche in der Welt, CA); da ist es gut, dass diese nun gesammelt vorliegen. Grundlegend zu seinen Beurteilungen sind Einsichten aus dem ersten Teil. Es sind Themen zur Ekklesiologie (etwa: Haben Lutheraner besondere Schwierigkeiten mit Kirche? Das Kirchenverständnis der lutherischen Reformation), zur Ethik (Ehe und Familie in der Sackgasse der Postmoderne?) und, in gewisser Weise zusammenhängend mit der Ekklesiologie, die Frage nach Reform(en) der Kirche, wobei sich der Autor zu Recht gegen Reformen wendet, die sich aus gesellschaftlichen (Mode) Trends herleiten (etwa: Reform der Kirche – eine menschliche Möglichkeit? Welche Reform benötigen wir?). Er rekurriert auf das, was in der Heiligen Schrift und den lutherischen Bekenntnissen normativ vorgegeben ist. Das »Lutherbuch« Gerhard Müllers ist flüssig geschrieben. Es wendet sich an eine breite Leserschaft. Für den »Laien« (den es nach reformatorischer Anschauung ja gar nicht gibt) ist es gut verständlich und auch der »Fachmann« zieht großen Gewinn aus dessen Lektüre. Walter Rominger Gerhard Müller Einsichten Martin Luthers –– damals und jetzt Analyse und Kritik Erlangen 2017 Martin-Luther-Verlag zweite, veränderte Auflage, 356 Seiten ISBN 978-3-87513-191-8 19 Euro

Die Wahrheit ist exklusiv Streitfragen des interreligiösen Dialogs Ein sehr umfangreiches Werk hat Werner Thiede in den letzten drei Jahrzehnten vorgelegt (siehe S. 283 im angezeigten Buch und www.werner-thiede.de). Als Pfarrer der bayerischen Landeskirche und in vielfältigen theologischen Funktionen war er tätig, so von 1991 bis 1996 als Referent an der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (EZW) und seit 2007 als außerplanmäßiger Professor für Systematische Theologie an der Universität Erlangen-Nürnberg. Doch nicht allein dieser Umfang besticht, sondern nicht weniger die Breite der Themen, die er behandelt. Die Auseinan28

dersetzung mit anderen Religionen und Weltanschauungen hat sein Gelehrtendasein bereits in der Zeit, als er bei der EZW tätig war, stark in Anspruch genommen und ihn seither immer wieder beschäftigt. Im vorliegenden Band, den der Brunnen Verlag dankenswerterweise he­ rausgebracht hat, sind Aufsätze, die er zwischen 2000 und 2014 verfasst und in verschiedenen Zeitschriften veröffentlicht hatte, in einer aktualisierten Fassung gesammelt. Wiewohl sich die einzelnen Aufsätze in ihrer speziellen Thematik unterscheiden, so ist doch das, was im Untertitel des Buches genannt ist, die Klammer, die sie zusammenhält: »Streitfragen des interreligiösen Dialogs«. Behandelt Thiede im ersten Hauptteil (I. bis VI.) Grundfragen des interreligiösen Dialogs, so im zweiten konkrete Probleme im Gespräch mit einzelnen Religionen (VII. bis XII.). Dabei verweigert er sich keineswegs dem interreligiösen Dialog. Vielmehr sucht er das interreligiöse Gespräch – sei es nun grundsätzlich (1. Hauptteil) oder im »Streit um die Wahrheit an Beispielen konkreter Religiosität« (2. Hauptteil), etwa mit dem Buddhismus, den Mormonen, Scientologen und Anthroposophen; selbst den Islamismus diskutiert er intensiv. In seiner Auseinandersetzung ist er weit von einfacher Gleichmacherei entfernt, die heutzutage so manches Mal zu beobachten ist – gerade so, als ob letztlich doch alle dasselbe glaubten und wollten. Thiede verfällt aber auch nicht einfach ins Gegenteil davon, das sich in ungeprüfter pauschaler Ablehnung ausdrückt. Vielmehr dringt er tief in das Denken seines jeweiligen Gegenübers ein und führt auf geistig hohem Niveau die Auseinandersetzung. Verunglimpfung liegt ihm fern, Achtung und daraus folgend das kritische Gespräch liegen ihm weitaus näher. Er wertet durchaus, wenn auch nie schnell und als gründlich arbeitender Wissenschaftler schon gar nicht undifferenziert. Er will sein Gegenüber zunächst einmal verstehen, sodann nicht abschrecken, sondern überzeugen und gewinnen. Ist es zu hoch gegriffen, wenn man seinen kritisch geführten interreligiösen Dialog als einen missionarischen bezeichnet? Jedenfalls betrachtet Werner Thiede die Wahrheit als exklusiv, wie dies schon sein Buchtitel zum Ausdruck bringt. Die Wahrheit ist eine Person, Jesus Christus, der Erlöser, in welchem das Heil, das Gott schenkt, in die Welt gekommen ist. Davon sind keine Abstriche zu machen. Ob man die Wahrheitsfrage postmodern relativieren darf? Thiede sagt: Das ist wiederum weiter auf Seite 30 JUNI 2018

INFORMATIONSBRIEF 310


Veranstaltung der Bekenntnisbewegung

Bekennende Kirche werden –– Die Bedeutung der Seelsorge für die Kirche der Zukunft Bekenntnistag am 13. und 14. Oktober 2018 in Kassel

»Die Kirche der Zukunft wird eine Kirche der Seelsorge sein – oder sie wird nicht sein!« Das schrieb Professor Rainer Mayer im ­Informationsbrief der Bekenntnisbewegung (Die Wurzeln der Reformation in der Seelsorge, Nr. 304, S. 11). Die mit Ernst Christ sein wollen, werden immer einsamer. Muss heute jeder sehen, wie er alleine zurecht kommt? Wo finde ich Beistand in der Not dieser Zeit und meines eigenen Lebens? Kann aus den verstreuten angefochtenen Christen eine bekennende Kirche werden, in der wir wieder eine geistliche Heimat finden können? Professor Mayer ist seit vielen Jahren Autor unseres Informationsbriefes. Er wird von den Erfahrungen der Bekennenden Kirche im »Dritten Reich« den Bogen schlagen zu den Glaubenskämpfen unserer Zeit und einen Weg zeigen für die Zukunft der kleinen Herde, die – nicht zuletzt in der Seelsorge – die Stimme des Guten Hirten hört. Diakonisse Schwester Heidi Butzkamm aus Aidlingen steht seit vielen Jahren ebenso im Dienst der Evangelisation und Seelsorge wie im Kampf um Lehre und Weg der Kirche. Sie wird aus der Verbindung jahrzehntelanger seelsorgerlicher Erfahrung mit fundierter biblisch-reformatorischer Theologie »Mut zur Seelsorge« machen und Hilfestellung geben, wie wir in unseren Kreisen und Gemeinschaften jeder an seinem Ort die »Kirche der Seelsorge« leben können.

Vorläufiges Programm Samstag, 13. Oktober Begrüßungskaffee Die Bedeutung der Seelsorge für die Kirche der Zukunft I (Professor Rainer Mayer) Mittagessen Die Bedeutung der Seelsorge für die Kirche der Zukunft II (Professor Rainer Mayer) Kaffee Mut zur Seelsorge! (Schwester Heidi Butzkamm) Sonntag, 14. Oktober Bekenntnisgottesdienst (Pastor Johannes Frey)

Wer eine Übernachtungsmöglichkeit vom 13. auf 14. Oktober 2018 in Kassel sucht, kann sich mit Dr. med. Holger Tubbesing, Kassel, Telefon (0561) 61929 in Verbindung setzen.

Das endgültige Tagungsprogramm und der Ort folgen im nächsten Informationsbrief. INFORMATIONSBRIEF 310

JUNI 2018

29


eine Wahrheitsfrage! Wenn Pluralismus die Exklusivität Jesu Christi kritisiert, dann muss das Pluralismus-Konzept hinterfragt werden. Die Christus-Botschaft ist laut Thiede inklusiv und »als solche sehr wohl dialogfähig« (S. 20) mit anderen Religionen und Weltanschauungen: »Wer sie vertritt, ist selbstverständlich dialogwillig« (S. 20), da »die Liebe, die aus Gott kommt, ›sich‹ ›an der Wahrheit‹ ›freut‹ (1.Korinther 13,6) und will, dass alle Menschen zur Erkenntnis der Wahrheit kommen (1.Timotheus 2,4)« (S. 20). »Gott will alle« (Theo Lehmann). Der Aufsatzband von Werner Thiede ist zwar nicht einfach, gewissermaßen im Vorbeigehen, zu lesen. Er fordert Gedankenarbeit und will

geradezu durchgearbeitet sein. Doch dafür wird man reichlich entlohnt. Der geistig-geistliche Gewinn ist immens. Man kann, in Anbetracht des inzwischen sehr günstigen Preises sowieso, einfach nur sagen: Nimm und lies! Walter Rominger Werner Thiede Die Wahrheit ist exklusiv Streitfragen des interreligiösen Dialogs Gießen 2014 Brunnen Verlag 290 Seiten, 5 Euro ISBN 978-3-7655-9110-5

Die Vorträge des Studientages 2017 von Pfarrer Thomas Hilsberg zum Thema »Einer für alle: Christus allein. Die reformatorischen ›allein‹« sind zum Nachhören und zum Weiter­geben auf Tonträger erhältlich (als Audio-CD oder MP3) bei: Helmut Schlee · Gartenstraße 15 a · 47506 Neukirchen-Vluyn Telefon (02845) 9490950 · E-Mail: HelmutSchlee@gmx.de PS: Auch von den Vorträgen des Studientages 2016 mit dem deutsch-amerikanischen ­Journalisten und Theologen Dr. Uwe Siemon-Netto sind noch Aufnahmen vorhanden und ­ebenfalls bei Helmut Schlee zu erhalten.

Weitere Exemplare des Informationsbriefes für Juli 2013, Heft 279 und für Juli 2014, Heft 286 sowie die Traktate »Falsche Propheten sind unter uns«, »Ist Gott interreligiös?«, »Christentum und Islam in Geschichte und Gegenwart« und »Der Islam im Licht des christlichen Glaubens« können –– auch in größerer Stückzahl –– bei der Geschäftsstelle bestellt werden.

Mitarbeiter an diesem Heft: Pfarrer Dr. Stefan Felber Chrischonarain 200 CH-4126 Bettingen Schweiz Pfarrer i. R. Eduard Haller Sömmerlistraße 45 Altersheim CH-9000 St. Gallen Schweiz

Pfarrer Gerhard Naujokat † Walter Rominger Mehlbaumstraße 148 72458 Albstadt Telefon und Fax (07431) 74485 E-Mail: w.rominger@t-online.de

Pfarrer Markus Sigloch Marbacher Straße 23 71563 Affalterbach Telefon (07144) 37014 Fax (07144) 881084 E-Mail: markussigloch@web.de

Für den Inhalt der Artikel sind die jeweiligen Verfasser verantwortlich. Die Meinung des Verfassers deckt sich nicht in allen Fällen mit der des Schriftleiters.

30

JUNI 2018

INFORMATIONSBRIEF 310


Geschäftsführender Ausschuss Vorsitzender Pastor Johannes Frey Ofener Weg 3 28816 Stuhr Telefon (04 21) 5 22 89 10 E-Mail: johannes.frey@kabelmail.de Schriftführer Walter Rominger Mehlbaumstraße 148 72458 Albstadt Telefon und Fax (0 74 31) 7 44 85 E-Mail: w.rominger@t-online.de

Weitere Mitglieder des Geschäftsführenden Ausschusses Martin Schunn Hölderlinstraße 9 75334 Straubenhardt Telefon (0 70 82) 2 02 75 E-Mail: cmschunn@gmail.com Helmut Schlee Gartenstraße 15 a 47506 Neukirchen-Vluyn Telefon (0 28 45) 9 49 09 50 E-Mail: HelmutSchlee@gmx.de

Bekenntnisbewegung »Kein anderes Evangelium« e. V. Geschäftsstelle: Walter Rominger Mehlbaumstraße 148 72458 Albstadt Telefon und Fax (07431) 74485 E-Mail: w.rominger@t-online.de www.keinanderesevangelium.de

Kassenwart Hans Lauffer Osterstraße 25 70794 Filderstadt Telefon (0 71 58) 48 31 Fax (0 71 58) 94 78 73 E-Mail: hans.lauffer@t-online.de Mit Fragen bezüglich der Spendenbescheinigungen wenden Sie sich bitte an unseren ­Kassenwart Hans Lauffer. Sie erreichen ihn telefonisch unter (0 71 58) 48 31, per Fax 94 78 73 oder per E-Mail hans.lauffer@t-online.de Bankkonten Volksbank Filder e. G., (BLZ 611 616 96) Konto-Nr. 65 500 016 IBAN DE34 6116 1696 0065 5000 16 BIC (SWIFT)-Code: GENO DE S1 NHB Postgirokonto Schweiz: Postgiroamt Bern Nr. 30-195 56-2 IBAN CH21 0900 0000 3001 9556 2 BIC POFICHBEXXX

Bitte nutzen Sie nur noch Einzahlungsscheine ab Heft April 2016.

Nachsendeanträge bei der Post kommen bei der Bekenntnisbewegung nicht als Adressänderung an. Deshalb auch bei Umzügen die Adressänderung durch untenstehenden Abschnitt an die Geschäftsstelle weitergeben.

Für Neubestellung, Adressänderung und Abbestellung ausschneiden und einsenden an: Bekenntnisbewegung »Kein anderes Evangelium« Geschäftsstelle: Mehlbaumstraße 148, 72458 Albstadt Bei Neubestellung des Informationsbriefes erhalten Sie von uns eine Einwilligungs-Erklärung, die Sie bitte ausfüllen und unterschrieben an die Bekenntnisbewegung zurück schicken. Personenbezogene Daten unserer Bezieher werden in einer sicheren Datenbank gespeichert. Die Daten sind vor fremdem Zugriff sicher geschützt. Die Daten werden ausschließlich zur eigenen Bestell-, Liefer-und Spendenabwicklung verwendet. Weitergehende Daten werden nicht gespeichert. Nicht mehr benötigte Daten werden turnusgemäß gelöscht (gemäß Datenschutzrecht).

q Neubestellung  q Adressänderung  q Abbestellung

(Zutreffendes bitte ankreuzen)

4

Adresse:

Name Vorname Straße/Haus-Nr.

PLZ Ort

Neue Adresse (nur bei Adressänderung): Name Vorname Straße/Haus-Nr.

INFORMATIONSBRIEF 310

PLZ Ort

JUNI 2018

31


Wir leben gegenwärtig in einer Zeit weitgehender Glaubensleere. Bischof i. R. Ulrich Wilckens


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.