WEHRMEDIZINISCHE MONATSSCHRIFT- Februar 2018

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Ergonomie, Physiologie, Sportmedizin Aus dem Institut für Präventivmedizin der Bundeswehr1, Andernach (Leiter: Oberstarzt Prof. Dr. Dr. Dieter Leyk) und dem Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr2, Koblenz (Befehlshaber und Inspekteur des Sanitätsdienstes der Bundeswehr: Generaloberstabsarzt Dr. M. Tempel)

Körperliche Anforderungen in militärischen Verwendungen: Votum für ein „Fitness-Register Ausbildung und Einsatz“ Dieter Leyk1, Ulrich Rohde1, Thomas Harbaum2, Stephan Schoeps2

Zusammenfassung Das aktuelle „Weißbuch zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr 2016“ stellt die Befähigung zum Kampf  als Wesensmerkmal  der  Streitkräfte  heraus  und  betont dabei den höchsten Anspruch an Mensch und Material.  Je nach militärischer Tätigkeit (z. B. Gefechtsausbildung, Marsch, Tragen und Heben von Lasten) kommt es zu völlig unterschiedlichen  Anforderungsmustern  hinsichtlich  Kraft,  Schnelligkeit,  Ausdauer  und  Koordination.  Der  Transport  von  Verwundeten,  zu  dem  im  Ernstfall  jeder  Soldat  in  der  Lage sein sollte, demonstriert beispielhaft die hohen körperlichen Belastungen und Ermüdungsprozesse. Das Herstellen und Aufrechterhalten einer angepassten körperlichen  Leistungsfähigkeit  ist  unstrittige  Voraussetzung  für die Einsatzbereitschaft operativ tätiger Streitkräfte. Daraus ergibt sich folgerichtig auch die Notwendigkeit, die körperliche  Leistungsfähigkeit  mit  validen Verfahren  zu  überprüfen und belastbare Daten zur Einsatzfähigkeit der Soldatinnen und Soldaten zu gewinnen. Aus diesem Grund  sollte zeitnah der Aufbau eines „Fitness-Registers für Ausbildung und Einsatz“ erfolgen. Damit würde nicht nur eine qualifi zierte  Beratung  militärischer  und  ziviler  Entscheidungsträger möglich: Das „Fitness-Register“ könnte darüber  hinaus wertvolle Daten und Erkenntnisse für die Gesundheits- und Fitnessförderung in der Bundeswehr liefern. Schlüsselwörter: Militär, Training, Fitness, Gesundheit, Prävention Keywords:  Military,  training,  fi tness,  performance,  health,  prevention

Hintergrund Die  geopolitischen Veränderungen  der  letzten  drei  Jahrzehnte  haben  den  Kernauftrag  der  Bundeswehr  grundlegend  gewandelt. Nicht mehr nur die Vorbereitung zur Landesverteidigung,  sondern reale Auslandseinsätze zur Konfl iktverhütung und Krisenbewältigung bestimmen den Alltag der Streitkräfte. Ein spezifi sches  Charakteristikum  des  Dienstes  in  den  Streitkräften  wird im aktuellen Weißbuch zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr 2016 [4], herausgestellt: „…bleibt die Befähigung zum Kampf Wesensmerkmal. Sie stellt den höchsten Anspruch an Mensch und Material.“ Dies hebt bildhaft die hohen Belastungen und Anforderungen  des Soldatenberufs hervor. Die berufstypischen Charakteristika  implizieren, dass Soldaten und Soldatinnen in der Ausbildung  eine entsprechend angepasste Belastbarkeit für die Einsätze entwickeln und dauerhaft erhalten müssen. Hiervon sind nicht

nur Kampftruppen, sondern grundsätzlich alle Truppenteile betroffen, die in Einsatzgebieten mit erhöhter Bedrohungslage eingesetzt sind. Die tatsächlichen Belastungen werden von zahlreichen Einfl ussfaktoren  bestimmt:  Auftrag  (Strecke,  Geschwindigkeit,  Dauer u. a.), Ausführungsbedingungen (Gefährdung, verfügbare  Zeit,  Ausrüstung  und  Lasten,  Schlafdeprivation  etc.)  und  Umwelteinfl üsse (Hitze, Kälte, Höhe, Nässe u. a.). Diese können je nach Situation stark variieren und zu einer erheblichen Mehrbelastung führen. Im Einsatz besitzt eine gute individuelle körperliche Leistungsfähigkeit (KLF) weiterhin eine herausragende Bedeutung [10, 13, 22, 29, 30]. Dabei ist die KLF nicht nur Voraussetzung für das erfolgreiche  Ausführen militärtypischer Tätigkeiten (Leistungsaspekt), sondern hat auch große präventive Bedeutung für den Erhalt der Gesundheit (Gesundheitsaspekt). Es liegt auf der Hand, dass eine gegebene physische Belastung bei geringer KLF eine größere individuelle Beanspruchung bedeutet. Dies führt schneller und häufi ger zu gesundheitlichen Gefährdungen, akuten Überbeanspruchungen und Verletzungen, chronischen Gesundheitsschäden und letztlich zu weiteren negativen Folgen wie Dienstpostenwechsel, Dienstunfähigkeit etc. [1, 2, 5, 11 - 16, 28]. Insofern ist das Herstellen und Aufrechterhalten einer angepassten KLF eines der wichtigsten Ausbildungsziele und wird künftig erheblich an Bedeutung gewinnen. Hierbei stellen sich zwei elementare Ausbildungsfragen:  1.) Was und wie hoch sind die körperlichen Mindestanforderungen mit Blick auf Auslandseinsätze?  und 2.) Wie kann – trotz der nachlassenden körperlichen Leistungsfähigkeit von jungen Erwachsenen [23] – die erforderliche KLF möglichst effi zient erreicht werden?

Körperliche Anforderungen in militärischen Verwendungen Erstaunlicherweise gibt es relativ wenige publizierte Studien und belastbare Daten zu körperlichen Anforderungen und Beanspruchungen  in Ausbildung  und  Einsatz,  in  denen  quantifi zierbare Angaben  zu  physischen  Belastungsprofi len  zu  fi nden  sind. Daher  waren  zahlreiche  eigene  Vor-Ort-Untersuchungen  notwendig, um einsatzrelevante Tätigkeiten verschiedener Truppengattungen zu quantifi zieren [6, 7, 25]. Um möglichst realitätsnahe Ausbildungsinhalte abbilden zu können, wurden mithilfe  der  Truppenschulen  typische  Belastungsprofi le  erstellt.

Wehrmedizinische Monatsschrift 62 (2018), 1-2/2018

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