Verlagspostamt 1150 WIEN – P.B.B. – GZ02Z031986M
03/2012
ZEITSCHRIFT VON KLIMABÜNDNIS ÖSTERREICH
Collage u. Fotos: Andreas Strasser
Bewegung am Land •
Bewegendes und Bewegtes
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Gewachsenes und Nachwachsendes
Jede Regionalbahn kann Erfolg haben Ein Spaziergang im Biodorf Seeham Rekord bei Mobilitätswoche
Nachhaltiges Leben Wenn die Saat aufgeht Teller, Trog, Tank – Zur Zukunft am Land
... S. 3 ... S. 7 ... S. 14
... S. 4 ... S. 6 ... S. 13
klimaintro Neu im Klimabündnis:
BODENSCHUTZ IST KLIMASCHUTZ Am 22. August war „Welterschöpfungstag“ (engl. Overshoot-day). An diesem Tag hat die Menschheit alles an Biokapazität verbraucht, was von der Natur an Ressourcen für ein Jahr bereitgestellt werden kann. Seit diesem Tag beanspruchen wir Ressourcen, die uns eigentlich gar nicht zustehen. Das dokumentiert die Plattform Footprint jedes Jahr.
Foto: Gudrun Stöger
Mit unserem Lebensstil verbrauchen wir derzeit so viele Ressourcen, als ob uns zwei bzw. im Falle von Österreich sogar drei bis vier Erden zur Verfügung stehen würden. Die heutige Gesellschaft hat scheinbar gelernt, in Defiziten zu leben. Unsere Generation hat das Erbe der Eltern aufgezehrt und unsere Jugend mit Hypotheken belastet, nur um unseren verschwenderischen Lebensstil beibehalten zu können. Wir nehmen dabei in Kauf, dass wir den zukünftigen Generationen weniger Ressourcen und Wahlmöglichkeiten übriglassen. Im Jahr 2000 wurde bei der Klimabündnis-Tagung in Bozen das „Bozner Manifest“ erstellt, das die Grundlage des Bodenbündnis darstellt. Das Bodenbündnis ist ein Zusammenschluss von Städten und Gemeinden in Europa, mit dem Ziel, sich aktiv für einen nachhaltigen Umgang mit Boden einzusetzen. Darunter fallen nicht nur die Steigerung der Bodenqualität, Eindämmung des Bodenverbrauchs, Ortskernbelebung und Hochwasserschutz sondern v.a. auch bodenschonende Raumplanung und Flächenwidmung. Da eine sinnvolle Raumplanung und Flächenwidmung sehr großen Einfluss auf das zukünftige Einkaufs-, Wohn- und Mobilitätsverhalten hat, bieten wir vom Klimabündnis jedes Jahr einen Lehrgang zum kommunalen Bodenschutzbeauftragten an, in dem wir hochrangigen GemeindepolitikerInnen von dem/der BürgermeisterIn abwärts Grundlagen und gute Beispiele aus der Praxis geben.
In Oberösterreich arbeiten seit Juni drei neue MitarbeiterInnen am Interreg-Projekt Bayern – Oberösterreich „Klimaschutz und Energiewende in Kommunen“: Renate Schoissengeier, Landschaftsplanerin, Ronald Wipplinger, Wirtschaftswissenschafter, und Michael Smogavetz, Politikwissenschafter (v.l.).
Die Leitung der Regionalstelle Oberösterreich haben mit Oktober Ulrike Singer und Robert Stögner übernommen. Vorgänger Norbert Rainer wechselt als Referent für Klimaschutz ins Büro von Landesrat Anschober. Thomas Kautnek (l.), Student der Sozial-Ökologie und Internationalen Entwicklung arbeitet seit Juli bei Klimabündnis Österreich an den Projekten KomKlimA und Repowermap.
Willkommen im Klimabündnis! Gemeinden:
• Niederösterreich: Kirchberg am Wagram. • Oberösterreich: Moosdorf. • Salzburg: Schleedorf. • Tirol: Sillian und Zirl. Kindergärten und Schulen:
• Niederösterreich: Kindergarten Pyhra, ASO Allentsteig sowie Privat-HS Gleiß. • Oberösterreich: Kindergarten Gilgenberg a. Weilhart, VS Gaflenz, VS Hargelsberg, VS Schwertberg, HS Haslach u. BRG Solarcity. • Steiermark: Kindergarten St. Marein u. VS Dr. Schärf Kapfenberg.
In den letzten 50 Jahren wurde in Österreich mehr Boden verbaut und versiegelt als in der gesamten Geschichte zuvor. Ein Satz ist mir von unserem BodenLehrgang besonders in Erinnerung geblieben: „Der Parkplatz eines Einkaufszentrums an der Westautobahn ist größer als der Petersplatz in Rom!“ Unser Lebensstil braucht zu viel Boden. Wir müssen unser Bewusstsein für sinnvolle Bodennutzung wieder stärken. Lernen wir also wieder mehr zu gehen, die Stadtund Ortskerne zu beleben und zurückzugewinnen, Humusaufbau, bewusste Ernährung zu fördern, natürliche Kreisläufe zu schließen, etc. Der Boden wird es uns mehrfach zurückgeben. Und: Beim Klimaschutz wird gerne auf andere gezeigt – doch beim Schutz des Bodens kann jede/r an Ort und Stelle etwas tun!
Betriebe:
• Oberösterreich: bellaflora Gartencenter GmbH (Filialen
Braunau, Regau und Wels), Bezirksalten- und Pflegeheim Eferding, Blumen Bergmoser (Frankenmarkt), Blumenhaus und Gartenbau Mayer (Lenzing), Bezirksabfallverband Gmunden (Ebensee), Eisenbeiss GmbH (Enns), Fritzmobile (Wenig im Innkreis), Gemeindeamt Wilhering, Katholische Hochschulgemeinde/Studentenheim Petrinum (Linz), Linzer Tiergarten, Look Salon Cupak (Hellmonsödt), Moviemento Gaststätten und Betriebs GmbH - Cafe Bar Stern (Linz), Musikschule Wilhering, NETs.werk Enns - Netzwerk für nachhaltiges Leben, Raiffeisenbank Hellmonsödt reg. Gen.m.b.H., Unternehmensgruppe Wozabal (Enns), Winklermarkt (Filialen Auhof, Altenberg bei Linz und GrammaSteiermark: AWV Umwelttechnik (Tauplitz), stetten). Klimaschutzgarten (Gosdorf) und ninsight (Graz).
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Viel Spaß beim Lesen! Ihr
PETER MOLNAR
Geschäftsführer Klimabündnis Österreich Medieninhaber, Herausgeber, Verleger: Klimabündnis Österreich, Hütteldorfer Straße 63-65 / Top 9-10, A-1150 Wien, T: 015815881, E: office@klimabuendnis.at • Redaktion: Emil Benesch, Brigitte Drabeck, Friedrich Hofer, Hannes Höller, Johann Kandler, Christian Salmhofer, Anna Schwerzler, Robert Stögner, Andreas Strasser, Sonja Wöhrenschimmel • Autorinnen: Christina Bruckner, Maria Hawle, Martina Nagl • Graphik & Layout: Andreas Strasser • Anzeigen: Elfriede Hecher • Druck: aPrint, Klagenfurt, mit Druckfarben auf Basis nachwachsender Rohstoffe • Papier: Recyclingpapier aus 100% Altpapier • Erscheinungsweise: viermal jährlich • Offenlegung laut §25 Mediengesetz: Die Zeitschrift klimabündnis dient der Information aller PartnerInnen, MitarbeiterInnen der beigetretenen Gebietskörperschaften, der tragenden Organisationen, der miteingebundenen Initiativen und Gruppen sowie allgemein an den Themen Klimaschutz, Umwelt- und Entwicklungspolitik Interessierter. © Wien 2012 für alle Beiträge bei Klimabündnis Österreich.
In Österreich haben sich alle Bundesländer, über 930 Städte und Gemeinden, über 700 Betriebe und rund 320 Schulen und Bildungseinrichtungen dem Klimabündnis angeschlossen.
Willkommen im Bodenbündnis! Gemeinden:
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Niederösterreich: Angern an der March, Mannersdorf am Leitagebirge.
Assoziierte Mitglieder:
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Niederösterreich: Energieund Umweltagentur, Initiative „Land schafft Wasser“, Komunitas OG, Kutech, GVA Tulln. Oberösterreich: Verein Lebensraum Donau-Ameisberg. Wien: Firma wpa.
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Dem Bodenbündnis haben sich in Österreich bisher 100 Gemeinden und zwei Bezirke in Wien angeschlossen.
Fotos: Privat, Klimabündnis Österreich
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verzichten und was heißt das für die Lebensqualität? Die höhere Lebensqualität ist es auch, die der unmittelbare Nutzen für die BürgerInnen ist. Das ist auch der Grund, warum es bei uns keine Beschwerden über Lärm gibt. Und das, obwohl wir trotz Güterverkehr keine Lärmschutzwände haben.
Heinz Högelsberger (vida), Peter Molnar (Klimabündnis) und Peter Haibach (probahn) überreichen die Regionalbahn-Resolution an Franz Hammerschmid (BMVIT), Christian Nagl (Land Salzburg) und Klaus Garstenauer (ÖBB, v.r.).
Was empfehlen Sie unseren Gemeinden? Das Erfolgsrezept der Salzburger Lokalbahn war und ist, dass alle Beteiligten
Jede Regionalbahn kann Erfolg haben
Wann und warum hat in Salzburg die Regionalbahn-Offensive begonnen? Den Impuls gab das Privatbahnunterstützungsgesetz in den 80er Jahren. Das war ganz in unserem Interesse und eröffnete die Möglichkeit, Förderungen in Anspruch zu nehmen.
Foto: NLK Johann Pfeiffer
Wie wirkten sich die Investitionen aus? Wir haben sukzessive das Angebot verbessert. Wir setzen auf SchaffnerInnen, haben den Taktfahrplan verdichtet – ab 5 Uhr früh fährt alle 30 Minuten ein Zug. Zusätzlich haben wir noch Expresszüge und einen Nachtexpress am Wochenende eingeführt. So ist es uns gelungen, die Fahrgastzahlen zu vervierfachen. Heute transportieren wir 13.000 Passagiere täglich und über 4,8 Millionen pro Jahr. Was sind die nächsten Schritte und Pläne? Jetzt müssen wir uns einmal auf hohem Niveau stabilisieren und das schnelle Wachstum verkraften. Der MitarbeiterInnenstand ist von 120 auf 700 gewachsen. Es war eine große Herausforderung, dort hinzukommen, wo wir jetzt stehen. Unser nächstes großes Ziel ist es, die Lokalbahn ins Zentrum von Salzburg zu führen. Das kostet nochmals 100 Millionen Euro. Aber ich bin guter Dinge, dass uns auch das gelingt. Es geht um 850 Meter, die unterirdisch geführt werden müssten.
Ist das Salzburger Modell auch auf andere Regionalbahnen bei uns umlegbar? Ein klares Ja. Allerdings hat jede Region den Regionalverkehr, den sie sich verdient. Es liegt einzig und allein an der Region selbst: Sie muss sich dafür entscheiden. Dann ist so ein Wachstum, wie wir es geschafft haben, in ganz Österreich möglich. Jede Region muss für sich überlegen, wo sie in 20 Jahren stehen will. Die Fragen lauteten auch bei uns zum Start: Wollen wir auf die Schiene
hinter der Regionalbahn stehen. Parteipolitik darf dabei keine Rolle spielen. Und es muss eine breite Basis mobilisiert werden – vom Bürgermeister bis zum Pfarrer. Wichtig ist auch, dass die Regionalbahn ein Gesicht bekommt. Vom Fahrplan bis zum Bebauungsplan, die Gemeinden wissen bei uns ganz genau bei jeder einzelnen Strecke, an wen sie sich wenden können. Sie haben immer einen, der sich um ihre Anliegen kümmert.
1. Tag der Regionalbahnen Das Klimabündnis rief heuer unterstützt vom Lebensministerium den 1. Österreichischen Regionalbahntag aus. Dieser bildete am 16. September den Startschuss zur Europäischen Mobilitätswoche, die bis zum Autofreien Tag (22.9.) dauerte. Am Regionalbahntag gab es Sonderfahrten, Lesungen in Zügen, Bahnhofsfeste, Ermäßigungen und Fahrgast-Dankesaktionen. In ganz Österreich wurden die Leistungen der Regionalbahnen von Gemeinden, Regionen und RegionalbahnbetreiberInnen in den Vordergrund gerückt. Bereits im Vorfeld des Regionalbahntages organisierte das Klimabündnis in Bürmoos in Salzburg eine Regionalbahn-Tagung. Präsentiert wurden Best-Practice-Beispiele der Attraktivierung von Regionalbahnen. Den VertreterInnen von BMVIT, ÖBB und Land wurde von Klimabündnis, Bundesarbeitskammer, Gewerkschaft vida, probahn, Institut für ökologische Stadtentwicklung, Zukunft statt Autobahn, VCÖ und IG Fahrrad eine Regionalbahnresolution überreicht. Bund, Länder und
RegionalbahnbetreiberInnen werden darin aufgefordert, die entsprechenden Finanzmittel zur Attraktivierung bereitzustellen. Peter Czermak vom Klimabündnis: „Bei der Verländerung der Bundesstraßen ist dies auch gelungen – bei den Regionalbahnen muss dies ebenso möglich sein. Was es braucht, ist Kooperation von Bus und Bahn statt Konkurrenz sowie flächendeckende ÖV-Angebots- und Servicestandards im Rahmen eines österreichweiten Taktverkehrssystems.
info!
www.regionalbahntag.at
Foto: ÖBB Infrastruktur Bau AG
Gunter Mackinger, Direktor der Salzburger Lokalbahn, im klimabündniss-Gespräch mit Hannes Höller.
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Klimabündnis-MitarbeiterInnen bei der Demonstration vor dem Parlament.
Foto: Archiv Klimabündnis
Für ein Mindestmaß an Verantwortung Million Euro weniger für Entwicklungszusammenarbeit bedeutet, dass 15.000 Menschen hungern müssen, oder 45.000 Kindern der Schulbesuch verwehrt bleibt. Die Bundesregierung plante lange weitere 7 Millionen im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit einzusparen. Dazu sagen 42 Organisationen, darunter auch das Klimabündnis: „Stop, keine weiteren Kürzungen!“ Der Auftakt der Kampagne erfolgte Mitte September vor dem Parlament. „Ziel ist es, die Regierung wachzurütteln und eine Trendumkehr einzuleiten“, formulierte Franz Küberl von der Caritas. Derzeit gehört Österreich in Sachen Entwicklungshilfe zu den Schlusslichtern in Europa, noch hinter Ländern wie Spanien und Portugal. Noch tiefer darf nicht sein. Weil es keine Option ist, auf Kosten der Ärmsten und bei der Katastrophenhilfe zu sparen. Als Partner im Klimabündnis wissen wir schon seit 20 Jahren: Wir sitzen alle im selben Boot und kommen nur gemeinsam ans Ziel. EMIL BENESCH
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www.mirwurscht.org
Auf einer Lichtung im Regenwald werden verschiedene Maniokarten gemeinsam angebaut und geerntet. Reife, nicht geerntete Wurzeln bleiben im Boden haltbar.
Nachhaltiges Leben Lebensweise und Wissen unserer PartnerInnen am Rio Negro sind ein wertvolles Kulturerbe und erhalten die Biodiversität.
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eit fast dreitausend Jahren besiedeln indigene Völker das Flussbecken des Rio Negro im Nordwesten Amazoniens. Mit ihrer Arbeits- und Lebensweise, ihren Tauschgeschäften, Kriegen und Hochzeitsregeln, wie auch durch ihr Wissen und die Vorstellungen über den Ursprung der Welt und die Beziehungen zwischen den Menschen und anderen Lebewesen der Flora und Fauna sowie der übernatürlichen Welt, haben sie die Entstehung und Erhaltung der reichen sozio-biologischen Vielfalt stark beeinflusst. Ökologische Studien haben gezeigt, dass ihre Felder und die darauf folgenden capoeiras (Sekundärwälder), die Jagd und die Gewinnung von Fasern, Holz, Früchten, Harzen usw. die Vegetation beeinflusst und damit zur Biodiversität beigetragen haben. Deshalb wurde die traditionelle Landwirtschaft vor einiger Zeit vom Brasili-
anischen Kulturministerium als Kulturerbe anerkannt.
Indigene fördern Biodiversität Dieses landwirtschaftliche System beruht auf der gegenseitigen Beeinflussung verschiedener Elemente, wie die hohe Vielfalt der Kulturpflanzen, vor allem der Maniokarten (Manihot esculenta), die verschiedenen Anbaumethoden, die kontinuierlichen Experimente mit Pflanzmethoden und neuen Sorten, die verwendeten Werkzeuge, die Verarbeitung der Feldfrüchte, dem Austausch von Wissen und Samen in sozialen Netzen zwischen den über 22 indigenen Völkern, die zwischen Manaus und Mitú in Kolumbien leben. Sie bestimmen auch die Ernährungssysteme, Normen und Rechte. Die roças (Felder) und casas de forno (Hütten, in denen die Maniokwurzeln verarbeitet werden) sind wichtige Orte
Gemeinsam schälen Frauen die frisch geernteten Maniokwurzeln. Nach weiteren Arbeitsgängen wird das Mehl geröstet und haltbar gemacht. Mit einem kunstvoll geflochtenen Kochgerät wird Beiju zubereitet, das auch am Markt in größeren Orten angeboten wird.
Fotos: Beto Ricardo / ISA
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der Wissensvermittlung (Legenden, Verarbeitung), der Definition sozialer Rollen (die Männer legen die Felder an, die Frauen pflanzen, ernten und verarbeiten die Produkte) und des gemeinschaftlichen Lebens. Auf ähnliche Weise sind auch mit dem Fischfang spezielles Wissen und unterschiedliche Praktiken verbunden, die zwischen den Generationen und teilweise mit den Verwandten ausgetauscht werden. Dabei gibt es aber auch einen Disput und Restriktionen zwischen Clans und ethnischen Gruppen, um sich Vorteile zu sichern. Der Erwerb des diesbezüglichen Wissens und der Fertigkeiten für die Durchführung sowie die Herstellung der dafür nötigen Instrumente bedarf ausreichender Zeit, ebenso das Erlernen der Geschichte der Pflanzen und Tiere, der Rituale, Tänze, Segnungen.
ist durch äußere und innere Entwicklungen gefährdet. Viele Familien ziehen aus entlegenen Gebieten in die größeren Orte, um Zugang zu Schulen, gesundheitlichen Einrichtungen, aber auch zu TV, Mobiltelefonen und modernen Konsumgütern zu bekommen. Für Landwirtschaft und Fischfang sowie für die damit verbundene Wissensweitergabe steht immer weniger Zeit und Raum zur Verfügung. Andererseits verstärkt die Wirtschaftspolitik der Regierung das Interesse von Bergbauunternehmen, Tourismusbetrieben und anderen an der Region. Daher bemühen sich die indigenen Organisationen um die Absicherung ihrer traditionellen Siedlungsgebiete und einen Nutzungsplan für die natürlichen Ressourcen, der unter anderem die Regeln für Fischereiunternehmen und Sportfischerei festlegt und für deren Überwachung sorgt.
Forderung nach Nutzungsregeln Die Fortführung dieses Modells der nachhaltigen Nutzungsweise, die für den Erhalt der Lebensgrundlagen und der Ökosysteme Voraussetzung sind,
JOHANN KANDLER
info!
www.vamos-actnow.eu/de www.klimabuendnis.at
Milliardengeschäft illegales Abholzen.
Illegale Abholzungen bholzungen von Regenwald UNEP und INTERPOL klagen an
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reen carbon nennen Klima- und Umweltschützer Regen-, Ur- und andere Waldgebiete. Sie sind nicht nur grüne Lungen, CO2Speicher und -Senken, ein Polster gegen Erosion, Bremse für Lawinen und Container der Artenvielfalt, sondern auch Lebensraum für Menschen. Green carbon ist aber v. a. eine Geldgrube für die organisierte Kriminalität und, wie eine neue Studie von UNEP (Umweltprogramm der Vereinten Nationen) und INTERPOL darstellt, in der Dimension mit dem Drogen- und Diamantenhandel vergleichbar. Die Methoden reichen von Betrug über Schmiergeldzahlung bis zur digitalen Manipulation von Einschlaggenehmigungen durch Hacker. Zwischen 30 und 100 Milliarden US-Dollar ergaunert die Holzmafia alljährlich. In den großen Waldregionen Brasiliens, Zentralafrikas und Südostasiens macht der illegale Einschlag schon bis zu 90% aus. Der 72-seitige Bericht schildert Methoden der Holzmafia, listet Maßnamen gegen sie auf und schildert die traurigen Schicksale der WaldbewohnerInnen. A.S. Download unter www.unep.org/newscentre
Fischerei und indigene Lebensweise am mittleren Rio Negro
Traditionell steht viel Fisch am Speiseplan. Eine Familie am Rio Negro isst drei Kilo Fisch am Tag. g.
Eine neue Publikation der Partnerorganisation ISA (Instituto Socioambiental) bringt Wissenswertes über Fische, Fischfang, Fischzucht und nachhaltige Lebensweise unserer PartnerInnen am Rio Negro. Download (englisch) unter www.vamos-actnow.eu/de
Foto: iStock Photo Joe Potato Photo aus Green Carbon Black Trade
Fotos: Aloisio Cabalzar / ISA • FOIRN
In den 500 Flüssen und 12.000 stehenden Gewässern der Region leben 450 Fischarten, davon sind 40 endemisch – d.h. sie kommen nur hier vor.
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AbsolventInnen des 4. Lehrgangs Lehr hrrga h gang ngss „KommunaleR ng KommunaleR BodenschutzbeauftragteR“ Bode in Seeham bei der halbtägigen Exkursion, durch die Bgm. Peter Altendorfer (links) führte.
Wenn die Saat aufgeht Das Bodenbündnis pflegt neues Bewusstsein für den Wert der endlichen, nicht erneuerbaren Ressource und Lebensgrundlage Boden.
Fotos: Klimabündnis Österreich
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ber 160 Mitglieder in bereits zehn europäischen Ländern umfasst das europäische Bodenbündnis – European Land and Soil Alliance/ELSA. Heuer konnte die jeweils erste Bodenbündnisgemeinde in Bulgarien (Silistra) und in Rumänien (Nufaru) aufgenommen werden. 2012 fand erstmals eine grenzüberschreitende ELSA-Jahrestagung in Niederösterreich (St. Pölten) und in der Slowakei (Záhorská Ves) statt.
Bodenbündnispartner Gemeinden und Regionen Zwei neue Bodenbündnismitglieder – Kirchberg an der Pielach (NÖ) und Seeham (Salzburg) – sind hier beispielgebend genannt, sie leiten durch weitreichende Maßnahmen eine Wende im fortschreitenden Bodenverbrauch ein. Im Steirischen Vulkanland sind derzeit alle BürgerInnen, Institutionen, Behörden und Ämter aufgerufen, an der Erarbeitung einer Bodencharta mitzuwirken, die noch heuer beschlossen werden soll. Ziel ist, dass sich alle in der Region mit der Bedeutung und Wichtigkeit des Themas Boden befassen und für sich selbst Maßnahmen festlegen. Krummnußbaum (NÖ) setzt auf Innenentwicklung vor Außenentwicklung. Den Beschluss verabschiedete der Gemeinderat im Frühjahr, nach Informationen und Diskussionen ist die Umsetzung derzeit bereits voll im Gange.
Lehrgang KommunaleR BodenschutzbeauftragteR
Besuch der Ausstellung „Biokreislauf – nachhaltige Landwirtschaft“ beim Holzstöckerlbauer Hans Greischberger, Hersteller von Holzspielzeug.
Schon zum vierten Mal wurde der Lehrgang 2012 durchgeführt, und er erfreut sich wachsender Beliebtheit. Insgesamt 58 kommunale Bodenschutzbeauftragte aus allen neun Bundesländern gibt
Lehrgangsabsolvent Ernst Nußbaumer mit der wissenschaftlichen Leiterin Gerlind Weber (links), Martina Nagl und Christian Steiner, Vorstandsvorsitzender des europäischen Bodenbündnis (ELSA). es bereits österreichweit, darunter zehn BürgermeisterInnen und VizebürgermeisterInnen. Die TeilnehmerInnen erhalten dabei in vier Tagen ein umfassendes, komprimiertes, wissenschaftlich fundiertes und praxisorientiertes Wissen. Zielgruppe sind EntscheidungsträgerInnen und AkteurInnen in der Gemeinde. Die Handlungsfelder umfassen dabei Zusammenhänge zwischen Verschuldung der Gemeinde und Bodenschutz, Ortskernbelebung versus Zersiedelung, intakte Nahversorgung und sparsamer Bodenverbrauch, Flächenwidmung und Klimawandel, Bodenqualität und Hochwasserschutz. Kirchberg an der Pielach (NÖ) und Seeham (Salzburg) waren heuer Veranstaltungsorte. Beide KlimabündnisGemeinden sind seit längerem auch Bodenbündnis-Gemeinden und haben eine Reihe von Bodenschutzmaßnahmen umgesetzt. Erfolgreich ist man bei der Herstellung und Vermarktung köstlicher Dirndl-Produkte – einer Frucht aus der Familie der Hartriegelgewächse. Seeham, erste Bodenbündnis-Gemeinde in Salzburg, zeichnet sich durch einen hohen Anteil an Biolandwirtschaft von 80 % aus. Dass dies auch für UrlauberInnen erlebbar ist, davon konnten sich die TeilnehmerInnen an der halbtägigen Exkursion, fixer Bestandteil des Lehrgangs, überzeugen. MARTINA NAGL
info!
www.bodenbuendnis.org Der nächste Lehrgang findet im Frühjahr 2013 statt.
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Foto: Georg Fink
Biotage 2009 Seeham schmeckt – auch Katerina Jacob (l.), der Kriminalkommissarin aus der Serie „Der Bulle von Tölz“.
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Ein Spaziergang im Biodorf Seeham Manche Klimabündnis-Gemeinde kann man richtig schmecken. Seeham im Salzburger Seenland ist der beste Beweis. chön aufgeschnitten liegt er da. Eine spezielle Duftnote ist in der Luft. Und wenn man ihn kostet, schmeckt man die frischen Almgräser und Wiesenkräuter: Der Heumilchkäse gehört zu jedem Salzburger Bio-Frühstück dazu. Wenn Sie als Gast den blauen Schmetterling entdecken, dann können Sie sicher sein, dass Sie geschmacklich richtig liegen. Die Idee zum Salzburger
Bio-Frühstück wurde in Seeham kreiert. In einer kleinen Gemeinde im Flachgau, die einen eigenen Kurs eingeschlagen hat – und damit gut fährt. Das bestätigt einer, der es wissen muss: Bürgermeister Peter Altendorfer. „ Wir waren immer schon eine finanzschwache Gemeinde. Wir hatten auch nie viele Arbeitsplätze. Und wir haben auch kein Gewerbegebiet.“
Zur Gemeinde
Seeham hat diese Herausforderungen angenommen und sich als Tourismusund Erholungsort positioniert – vor allem natürlich aus wirtschaftlichen Gründen. Das machen andere Gemeinden auch. Seeham setzt aber zudem konsequent auf die Bio-Schiene. „ Vor etwas mehr als 10 Jahren wurde die Idee vom 1. Biodorf in Österreich geboren. Es waren ein paar BürgerInnen, Betriebe und LandwirtInnen, die diese Vision prägten. Viele warteten zuerst noch ab. Wir haben dann einfach nach und nach Projekte umgesetzt und damit gezeigt, welche Vorteile daraus entstehen können. Über den Kindergarten und die Schule konnten wir besonders viele Personen von dieser neuen Lebensqualität überzeugen. Schritt für Schritt haben immer mehr mitgezogen“, so Altendorfer. Fortsetzung Seite 8
Name: Seeham Bundesland: Salzburg
Foto: Hans Ziller
Bezirk: Salzburg-Umgebung Lage: Seeham liegt in der voralpinen
Hügellandschaft am Westufer des Obertrumer Sees. EinwohnerInnen: 1.786 Klimabündnis-Gemeinde: seit 2004 Bürgermeister: Peter Altendorfer
Manager der Klimaund Energiemodellregion Salzburger Seenland zur Klimabündnisarbeit Foto: Regionalverband Salzburger Seenland
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Gerhard Pausch
Warum ist Seeham im Klimaschutz so erfolgreich? Es gibt hier ganz einfach viele engagierte Zugpferde. Wichtig ist natürlich auch die Rolle des Bürgermeisters. Wenn ein Bürgermeister mit Überzeugung hinter einer Idee steht, ziehen auch die BürgerInnen mehr mit. Seeham ist in unserer Modellregion eine der aktivsten Gemeinden. Wie fällt der Vergleich mit anderen Modellregionen aus? Wir hatten hier einen großen Startvorteil. Durch den Regionalverband waren die Strukturen bereits geschaffen. Außerdem gibt es unsere Region Salzburger Seenland schon seit Jahrhunderten. Wir mussten hier – wie das in anderen Modellregionen der Fall ist – nicht mühevoll erst ein gemeinsames Verständnis schaffen. Wie sehen Sie die Zukunft von Seeham? Die Naturbelassenheit und die dörfliche Struktur sehe ich ganz klar als Vorteil. So etwas gibt es in nicht mehr vielen Tourismusorten. Gerade der Besichtigungstourismus wird zunehmen. Zuletzt hatten wir sogar eine Delegation aus Estland bei uns zu Gast.
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Anna Schwerzler bei der Auszeichnung des Mobilitätsprojekts von Klimabündnis Tirol. Ismael Ndao, Senegal, mit Heumascherl von Hans Greischberger aus der Bio-Heu-Region.
klimatelegramm: News aus Ländern und Gemeinden Energiewende-Auftakt in OÖ • Welche Maßnahmen braucht es für ein besseres Klima? Auf diese grenzüberschreitende Frage will das Klimabündnis OÖ gemeinsam mit den drei deutschen Landkreisen Passau, Deggendorf und Rottal-Inn im Rahmen von „KEK“ die richtigen Antworten finden. In den nächsten zwei Jahren werden bewusstseinsbildende Maßnahmen entwickelt, die verstärkt mit Einbindung der Kommunen durchgeführt werden sollen. „Die VertreterInnen einer Gemeinde sind zum einen Vorbilder, zum anderen bilden sie für uns das Verbindungsglied zur Bevölkerung“, bekräftigt das neue Führungsduo des Klimabündnis OÖ, Ulrike Singer und Robert Stögner. Fährt der/die BürgermeisterIn elektrisch oder mit dem Rad, motiviert das zum Nachahmen. Und: Jede/r kann zu einem besseren Klima beitragen, lautet die Botschaft. Der offizielle Startschuss von KEK erfolgte am 18. September in Schärding und Neuhaus/Inn. S.W.
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Das Biodorf in Zahlen Die vielen Gespräche haben sich schlussendlich ausgezahlt. Aus dem Bürgermeister sprudeln die Fakten heraus: „ Der Bioanteil in der Landwirtschaft liegt mittlerweile bei 80 %. Das Tourismuskonzept haben wir auf Naturerlebnis und Urlaub am Biobauernhof ausgerichtet. Wir haben ein Biohotel, eine Biopension, acht Biobauernhöfe, den 1. bio-fairen Laden Österreichs, eine BioGetreidemühle, eine Bio-Käserei, eine Kräuterwelt mit Bio-Naturgarten, einen Bio-Großhandel und einen Weinhändler mit Biowein. Jährlich finden zudem noch die Seehamer Biotage mit 35 Veranstaltungen statt. Unseren Gästen gefällt das und die Zielgruppe, die darauf anspricht, wird auch immer größer.“
www.klimabuendnis.at/tirol • www.vcoe.at
RADLaktiv • Mit Alltagskilometern 14 mal die Welt umradelt haben knapp 1.300 KilometerRADLerInnen beim RADLand Wettbewerb von Klimabündnis Niederösterreich. 559.537 Kilometer wurden von April bis Juli gesammelt und so fast 93 Tonnen CO2 eingespart. Die kleinste Gemeinde im Bezirk Horn wurde mit einem Doppelsieg zur neuen Radhauptstadt: Röhrenbach entschied die Gemeindewertung für sich, Ortschef Gernot Hainzl holte sich die BürgermeisterInnen-Wertung. „KilometerRADLerin 2012“ wurde Regina Ronalter aus Tulln. Mit gutem Beispiel gehen die lokalen PolitikerInnen voran: Heuer haben bereits 284 GemeindepolitikerInnen beim KilometerRADLn teilgenommen. C.B.
Seeham ist Teil der größten Heumilchregion Europas – der Bio-Heu-Region. Jetzt soll der nächste große Wurf gelingen und Seeham zum 1. Biodorf in Österreich werden. Ein Prozess, der allerdings nicht ganz so leicht ist. „ Es gibt noch keine Richtlinien. Die müssen wir erst gemeinsam mit der Salzburger Landeskontrollstelle und Bio
www.kilometerradln.at
Ich tu‘s • Unter diesem Motto steht die Klimaschutz-Kampagne des Landes Steiermark. Dabei setzt man u.a. auch auf klimabewusstes Konsumverhalten. Klimabündnis Steiermark organisiert im Auftrag der Klimaschutzkoordinatorin des Landes die Seminare in den Bezirken. In Liezen, Weiz, Fürstenfeld und Leibnitz wurden bereits konkrete Maßnahmen erarbeitet: Umstellung von Schulbuffets, „Restlkochkurse“, klimabewusste Einkaufstipps in Gemeindezeitungen sowie Filmvorführungen in Gemeinden und Schulen. F.H. www.klimabuendnis.at/einkaufen
Petra Schön (Klimabündnis NÖ) und Umweltlandesrat Stephan Pernkopf gratulieren Bgm. Gernot Hainzl (Röhrenbach, m.).
Foto: NLK Johann Pfeiffer
Fotos: Klimabündnis Steiermark • Sonja Wöhrenschimmel • Land Tirol/Müller • NLK J. Burchhart
www.kek-bo.eu
VCÖ-Preis • Klimabündnis Tirol wurde für „Mobilität ohne Barrieren“ mit dem VCÖ-Mobilitätspreis prämiert. Das länderübergreifende Projekt baut Hemmschwellen gegenüber dem öffentlichen sowie dem Fuß- und Radverkehr ab und fördert gleiche Mobilitätschancen für alle. Das gemeinsam mit Gemeinden umgesetzte Projekt wendet sich v.a. an SeniorInnen, Frauen mit Kindern und betreuungsbedürftigen Angehörigen sowie Menschen mit Migrationshintergrund. Angeboten werden Fahrradkurse für SeniorInnen und MigrantInnen oder das ÖBBBeratungsprogramm „Senior mobil“. H.H.
Fotos: Archiv Klimabündnis
Energiewende geht durch den Magen: Auftakt zum Interreg-Projekt in Schärding.
Seeham wurde heuer mit dem Klimaschutz-Award Climate Star ausgezeichnet.
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Fotos: Klimabündnis Österreich
Bodenschutz-Lehrgang in Seeham – mit dabei auch Bürgermeister Altendorfer (8.v.r.), Vize-Bürgermeister Kaltenegger (5.v.r.) und Gemeinderat Fritz Hahn (6.v.l.). Austria erarbeiten. Es ist ganz in unserem Interesse, die Kriterien möglichst streng zu definieren“, so Altendorfer.
Wenn viele mitreden Die Idee vom Biodorf wird mittlerweile von der ganzen Gemeinde mitgetragen. Neben der Bevölkerung wurden auch die lokale Wirtschaft und die Landwirtschaft eingebunden. Zukunftsdialoge wurden abgehalten, um die BürgerInnen mit dem Thema zu konfrontieren und Wünsche und Anregungen einzuarbeiten. Die Ergebnisse wurden der Gemeindevertretung präsentiert. Im September 2011 hat sich die Gemeinde einstimmig für das Biodorf ausgespro-
chen. Die Eckpunkte des neuen Leitbildes wurden beim Dorffest vorgestellt und in Form einer Broschüre an alle Haushalte versandt. Altendorfer: „Wir haben uns auch Bereiche wie Wirtschaft und Soziales angeschaut. Regelmäßig finden in den einzelnen Arbeitsgruppen Treffen statt. Derzeit läuft gemeinsam mit dem Polytechnikum eine Umfrage zum Thema ‚Wie stellen Sie sich das Leben in Seeham 2020 vor?‘ “. Auffallend ist, dass viele Köche den Brei verbessern. Seeham ist KlimabündnisGemeinde, die 1. Bodenbündnis-Gemeinde in Salzburg, engagiert sich im
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europäischen Netzwerk „Città del Bio“ und ist Teil der Pilotregion „e5-regio“. In Seeham liegt der Sitz der Bio-Heu-Region, des Regionalverbandes und der Klima- und Energiemodellregion Salzburger Seenland. Nicht zufällig treffen sich am Obertrumer See regelmäßig ExpertInnen aus ganz Österreich. 80 ManagerInnen der Klima- und Energiemodellregionen bildeten sich im Mai fort und im Juni fand der Lehrgang „KommunaleR BodenschutzbeauftragteR“ statt. Unter den AbsolventInnen waren übrigens auch Bürgermeister Altendorfer und sein „Vize“, Bernhard Kaltenegger. Altendorfer: „Vernetzung ist vor allem für eine kleine Gemeinde wichtig. Ein Danke an dieser Stelle für die Zusammenarbeit mit Robert Pröll vom Klimabündnis Salzburg. Das funktioniert sehr gut und öffnet uns immer wieder neue Möglichkeiten“. HANNES HÖLLER
Info!
www.seeham.at
Klima-Porträt
Fotos: privat
Robert Pröll, Klimabündnis Salzburg Der Absolvent des HTL-Zweigs Maschinenbau bildete sich im Speziallehrgang Technischer Umweltschutz weiter. Danach abeitete der geborene Welser als Techniker in der Lebensmittelbranche und als Schallmesstechniker, bevor er 2003 beim Klimabündnis in Oberösterreich mit der Betreuung von Gemeinden, Schulen und Betrieben begann. Seit 2006 ist Robert Pröll Leiter der Regionalstelle in Salzburg.
Robert Pröll setzt bei Lebensmitteln auf die Marke „Eigenbau“.
Du bist als Praktiker im Umweltschutz zum Klimabündnis gekommen. Hast du dich in der NGO gleich wohl gefühlt? Das Schöne beim Eintritt ins Klimabündnis war, dass ich gleich als Praktiker weiterarbeiten konnte. Anfangs waren meine Hauptaufgaben die Aufnahme von neuen Klimabündnisbetrieben. Ich sah mich beim Klimabündnis von Beginn an immer als Dienstleister für unsere Partner. Insofern war es für mich kaum eine Umstellung.
Gibt’s auch Erfolge bei deiner Arbeit? Bei messbaren Ergebnissen im Klimaschutz ist niemand zufrieden. Dennoch gibt es Erfolge. In den Salzburger Gemeinden wird aktiv gearbeitet – Seeham erhielt heuer den Climate Star. Toll ist auch der Einsatz der Klimabündnis-Betriebe. Alle fünf Jahre wird geprüft, inwieweit Klimaschutz-Maßnahmen umgesetzt wurden – hier finden wir regelmäßig erstaunlich hohe Durchführungsraten.
Wie sieht dein persönlicher Beitrag zum Klimaschutz aus? Ich versuche meinen Konsum möglichst klimaschonend zu organisieren. Bei Lebensmitteln setze ich auf selbst Angebautes. Was es nicht aus dem eigenen Garten gibt, kaufe ich fast ausschließlich in Bioqualität, mein Kaffee ist fair gehandelt. Bei allen anderen Waren achte ich auf Langlebigkeit. Schade, dass es nur noch wenig Produkte ohne „eingebautes Ablaufdatum“ gibt! Wenn es nicht anders als mit dem PKW geht, nutze ich ein Erdgasfahrzeug. Mobilität ist bei meinem ökologischen Fußabdruck dennoch ein Schwachpunkt.
Was ist dir für die künftige Arbeit im Bündnis besonders wichtig? Wir brauchen eine andere Ethik des Wirtschaftens. Solange es sich rechnet, für Müllhalden zu produzieren, oder Wettbewerb so definiert wird, dass gewinnt, wer Umwelt und Menschen, besonders in den Ländern des Südens, am stärksten ausbeutet, bleibt unsere Arbeit ein „Steinrollen auf Berge“. Doch Zeichen für eine Änderung sind am Horizont sichtbar – das gibt mir Zuversicht. A.S.
kontakt! salzburg@klimabuendnis.at
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Ehrung für 10 Jahre Klimaschutz. SchülerInnen der LFS Schlierbach mit Josef Preundler, LR Anschober, Stadträtin Schobesberger, Norbert Rainer (v.r.) und Direktor Pilz (2.v.l.).
Landwirtschaft mit Weitblick Foto: Klimabündnis Oberösterreich
Bio und regional sind an der LFS Schlierbach selbstverständlich. Ein Unterrichtsfach heißt Bio-Landwirtschaft. J ahre Klimabündnis-Schule. Eine Abordnung von Lehrern und SchülerInnen reiste im Mai nach Linz, um für ihr Engagement geehrt zu werden. In Lederhose und Dirndl nahmen sie ihre Urkunde aus den Händen von Landesrat Rudi Anschober entgegen. Vor knapp 90 Jahren, im Jahr 1920, wurde die Schule im Kloster Schlierbach gegründet. Ihr damaliges Ziel war es, der Bevölkerung am Land fachspezifische Bildung zu ermöglichen. Die Jahrzehnte, die dazwischen liegen, haben die Schule über die Region hinaus bekannt gemacht. Heute steht sie für ökologisches und regionales Handeln.
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Josef Preundler, Klimabündnis-Koordinator der Schule, erklärt: „Klima- und Umweltbewusstsein sind für uns ebenso ein Unterrichtsprinzip wie Regionalität und Nachhaltigkeit. In vielen Fächern werden diese Themen behandelt und in konkrete Aktivitäten umgesetzt. Seit Jahren gibt es das Unterrichtsfach ‚Erneuerbare Energie‘ im Bereich schulautonomer Stunden.“ Den jungen Menschen werden Werte vermittelt, die sie auf ihrem Lebensweg gut brauchen können, sei es der hohe Wert, den „Lebens-Mittel“ in sich tragen, oder der sorgsame Umgang mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen für die Gewinnung von Energie.
Neben den 200 SchülerInnen im Tagesbetrieb wird eine Abendschulklasse für die Ausbildung zum Landwirtschaftlichen Facharbeiter geführt sowie eine Klasse zum Biomasse-Facharbeiter. Biolandwirtschaft ist ebenfalls Teil des Lehrplanes und ist ein eigenes Unterrichtsfach. Auch außerhalb des Unterrichts ist bio und regional selbstverständlich geworden: Die Schulküche wird zu 95% mit Biolebensmitteln bestückt. Die Angebote für SchülerInnen sind vielfältig und reichen von Besuchen bewusstseinsbildender Veranstaltungen bis zur Teilnahme an Spritsparmeisterschaften – eine solche wurde 2011 in Freistadt mit dem Sieg gekrönt. Solches Engagement freut auch offizielle Stellen wie das Land OÖ, das der Schule und seinem engagierten Lehrpersonal schon vier Mal den Landesumweltpreis verliehen hat. SONJA WÖHRENSCHIMMEL
Info!
www.klimabuendnis.at/schulen
Landwirtschaftliche Fachschule Schlierbach Klosterstraße 11, A-4553 Schlierbach • Mitglied seit: 2002 Klimabündnis-Koordinator: Josef Preundler www.landwirtschaftsschule.at
Peter Molnar (Klimabündnis), Vize-Bgm. Hans-Peter Werderitsch, Minister Niki Berlakovich und Ewald Koller (ÖBB-Postbus, v.l.) gratulierten Kindergartenleiterin Emmi Fleischacker und ihren Kindern zum Sommersieg bei der Kindermeilen-Kampagne.
Zwischen März und November sammeln Kinder mit klimafreundlich zurückgelegten Wegen sogenannte Klimameilen. Bis zum 12. November können sich weitere Bildungseinrichtungen beteiligen. Österreichweiter Sommersieger ist der Kindergarten Großpetersdorf (Burgenland). Die ÖBBPostbus GmbH sorgte für die klimafreundliche Anreise zur Auszeichnung. Überzeugt hatten sie durch die hohe Anzahl der gesammelten Klimameilen, aber auch mit zusätzlichen Aktivitäten rund um Klimaschutz und Mobilität. „Nachhaltigkeit“ ist Emma Fleischacker, der Leiterin des Kindergartens und des Team sehr wichtig. Deshalb wurde circa 300 m entfernt von Kindergarten/Kinderkrippe eine Elternhaltestelle eingerichtet, die das ganze Jahr über genützt werden kann. Die Elternhaltestelle wird regelmäßig zu Beginn des neuen Arbeitsjahrs im Zuge eines Elternabends mit den ElternvertreterInnen präsentiert. MARIA HAWLE
INFO! www.klimabuendnis.at/kindermeilen
Foto: Hannes Höller
Kindermeilen Sommersieger
klimabetriebe
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Zum Betrieb
Almut Knaller – früher das kleine „k“ in der Hofküche am See, die Bruder Michael inzwischen leitet – sorgt jetzt auf der Alm für höchste kulinarische Genüsse.
Der Fisch kommt auf die Alm Fotos: Andreas Strasser • Familie Knaller
Die Knallers am Weissensee verwöhnen mit bio und fair und zeigen nicht nur kulinarisch, wo’s lang geht.
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er bei der Familie Knaller am Gralhof am Nordufer des Weissensees oder vis-à-vis, hoch darüber auf der Naggleralm, die Seele baumeln lässt, ist gut und in besten Händen gelandet. Der Gralhof, urkundlich vor etwa 500 Jahren erstmals erwähnt und einer der ersten Biobauernhöfe Kärntens, ist seit 2003 Klimabündnis-Betrieb und seit 2007 Biohotel. Den Biohof am See mit Freilaufstall für die Mutterkühe, mit Sauna und allerlei sanft-natürlichen Angeboten für‘s seelische und leibliche Wohl der Gäste führt Michael Knaller. In der kalten Jahreszeit, wenn SchifahrerInnen und
EisläuferInnen Badegäste ablösen, sorgt eine Hackschnitzelheizung für wohlige Wärme. Die Böden sind biologisch geölt bzw. gewachst und aus den Steckdosen fließt Ökostrom vom Klimabündnis-Betrieb Alpe Adria Energie in Kötschach. Bekannt ist der Hof auch für kulturelle Aktivitäten: Jazz unterm Birnbaum und Kabarett am See mit Ko+mödiantInnen vom Schloss Porcia sind ein Begriff. Almut Knaller verwöhnt ihre Gäste auf der auf über 1.300 Metern Seehöhe gelegenen Naggleralm mit verschiedensten, sorgsam ausgewählten Lebensmitteln bekannter BiobauerInnen, BiowinzerInnen oder anderer SpezialistInnen im Bereich Bio – so
Ein Tierpark zum Essen ...
Foto: zotter Schokoladen Manufaktur GmbH
Seit kurzem Klimabündnis-Betrieb: Die zotter Schokoladen Manufaktur Bisher hat die Firma Zotter mit Schokolade auf sich aufmerksam gemacht. Die ausgefallenen Schokoladekreationen sind wegen ihrer fair gehandelten und biologischen Zutaten bekannt und beliebt. Seit kurzem bietet Josef Zotter auf seinem Klimabündnis-Betrieb eine weiter Attraktion: Im „Essbaren Tiergarten“ können BesucherInnen unter dem Motto „Leben und leben lassen“ alte Nutztierrassen kennen lernen, die
N Name :G Gralhof lh f | N Naggleralm l l Inhaber: M. Knaller | A. Knaller Bundesland: Kärnten Standort: Neusach/Naggl/Weissensee Gründung: vor ca. 500 Jahren Klimabündnis-Betrieb: seit 2003.
sorgt eine kleine Grazer Rösterei für den Nachschub an fairem Kaffee. Ein kulturelles Angebot gibt’s hoch oben natürlich auch. Dass aber der Fisch aus dem Weissensee – in der regionalen Gastronomie nicht selbstverständlich – sogar auf die Alm kommt, ist etwas besonderes: Denn wer hat schon ein 4gängiges Kulinarium vom Fisch in dieser Seehöhe genießen können? Das tägliche Brot, das es auch zur Jause gibt, wird immer noch am Gralhof gebacken – und wie gut! ANDREAS STRASSER
info! www.naggleralmut.at | www.gralhof.at
artgerecht gehalten werden. „Hier leben die Tiere, die unsere Besucher später in unserem Restaurant zu essen bekommen. Wir wollen damit das Spiel umkehren, dass man einerseits nicht wissen will, wie das Tier aus dem Supermarktfleischpackerl gelebt hat und dass man andererseits Tiere, die man streichelt und denen es gut geht, nicht verspeisen möchte,“ so Josef Zotter über den „Essbaren Tiergarten“.
... und Schokolade, die satt macht. Josef Zotter engagiert sich auch sozial: Mit dem Projekt Schokolade macht satt sammelt er Geld für burmesische Flüchtlingskinder. Pro verkaufter „Schokolade macht satt“-Tafel erhält ein burmesisches Flüchtlingskind ein Schulessen. 48.117 Schulessen konnten durch die Aktion schon zubereitet werden. FRIEDRICH HOFER
INFO! www.zotter.at
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klimanews
Rekordschmelze in der Arktis
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as Meereis der Arktis ist in diesem Jahr so stark geschrumpft wie nie zuvor seit Beginn der Satellitenmessungen im Jahr 1973. In den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts pendelte das arktische Sommereis zwischen 7 und 8 Millionen Quadratkilometern. Eine Fläche 90 mal so groß wie Österreich. 2012 ist es auf 3,37 Mio. km2 Fläche geschrumpft, gleichzeitig nimmt auch die Dicke der Eisschicht ab. Dieser extreme Eisrückgang kann in seiner ganzen Aus-
Die Fläche des arktischen Meereises am 16. September 2012. Die gelbe Linie zeigt die durchschnittliche Ausdehnung des Sommereises in den Jahren von 1979 bis 2000.
prägung nur durch den menschengemachten Klimawandel erklärt werden. Das arktische Meereis ist ein Frühwarnsignal und gilt als Kippfaktor des Erdsystems. Helles Eis strahlt das Sonnenlicht ins All zurück. 2012 haben wir eine Fläche 50 mal größer als Österreich in dunkelblaues Ozeanwasser umgewandelt. Anders als Eis nimmt das Ozeanwasser die Wärme der Sonnenstrahlung auf – das treibt die globale Erwärmung voran.
Wie in der Arktis, so auch in den Alpen: Obwohl viele Gletscher mit einer drei bis vier Meter dicken Schneeschicht aus dem Winter gingen, schmolz das Gletschereis durch die sehr warmen und sonnigen Frühlings- und Sommermonate. Ähnlich den Rekordjahren 2003 und 2011 verlor die Pasterze am Großglockner heuer im Bereich der Gletscherzunge neun Meter an Eisdicke. CHRISTIAN SALMHOFER
info! earthobservatory.nasa.gov
klima & wetter • News aus den Archiven Sommer-Bilanz 2012 • national: Der Sommer 2012 – in der Klima-
USA: Extreme Dürre in den Sommermonaten.
Abb.: earthobservatory.nasa.gov/IOTD
Temperatur-Rekorde • Im Juni wurden in den USA 3.215 Temperaturrekorde gebrochen bzw. eingestellt. Der August war der 330. Monat in Folge, in dem die Erdtemperatur über dem Durchschnitt des letzten Jahrhunderts lag. Der Frühling war in Amerika der wärmste seit Beginn der Temperaturaufzeichnungen – er gilt als „größte Abweichung vom bislang gemessenen Temperaturdurchschnitt einer Jahreszeit“. Gleichzeitig wurde aus Saudi-Arabien Regen in Mekka bei 42,8 ° Celsius gemeldet – der wärmste Wolkenbruch der Geschichte. www.spektrum.de/alias/klimawandel/
Rekordausstoß von CO2 • Der globale Ausstoß an klimaschädlichem Kohlendioxid war im Vorjahr auf einen neuen Rekordwert geklettert: 34 Milliarden Tonnen CO2 gelangten in die Atmosphäre – 3 % mehr als im bisherigen Rekordjahr 2010. Aktuellen Daten zufolge sanken die Emissionen in den USA und in Europa deutlich. Ein warmer Winter, weniger Benzinverbrauch und weniger Verbrennung von Kohle führten in den USA zum niedrigsten CO2-Ausstoß seit 20 Jahren. In Europa war laut Analysen der Europäischen Umweltagentur EEA neben dem warmen Winter v.a. der Ausbau erneuerbarer Energien für die Reduktion verantwortlich. In Summe liegen die Emissionen der 27 EU-Staaten damit bereits um 17,5 % unter dem Stand von 1990. Das EU-Ziel von minus 20 % bis 2020 ist also bereits fast erreicht. Dem aktuellen Bericht „Trends in Global CO2 Emissions“ zufolge machen die Emissionen der OECDLänder nur noch ein Drittel der globalen Emissionen aus – derselbe Anteil wie der von China und Indien, wo die Emissionen 2011 allerdings um 9 bzw. 6 % anstiegen. http://edgar.jrc.ec.europa.eu/CO2REPORT2012
tologie die Monate von Juni bis August – war mit knapp 1,9 ° C über dem Klimamittel von 1971 bis 2000 der drittwärmste der 246-jährigen Messgeschichte Österreichs. Wärmer waren nur noch der Rekordsommer 2003 mit einer Abweichung von 3,4 ° C und der Sommer 1992 mit einer Abweichung von 2,0 ° C. Österreichweit herausragend war der 20. August: An diesem Tag wurde an 139 der 266 Wetterstationen der ZAMG die höchste Temperatur des Sommers erreicht. Die 30Grad-Marke wurde an diesem Tag an nur 50 Wetterstationen nicht überschritten, diese liegen alle über 850 m Seehöhe. www.zamg.ac.at
• global: Nach Auswertungen der NASADatensätze war der Sommer 2012 über die Kontinente hinweg der bisher heißeste. Der Mittelwert aller Temperaturaufzeichungen zwischen Juni und August lag 2012 um 1,03 Grad über dem Schnitt des 20. Jahrhunderts. Unter Einbeziehunge der Meeresoberfläche war es nur um 0,56 ° Celsius wärmer. www.ncdc.noaa.gov/sotc/global/2012/8 CHRISTIAN SALMHOFER | ANDREAS STRASSER
Abb.: http://svs.gsfc.nasa.gov/vis
Die dramatischen Verluste der Eisflächen im Norden bedeuten zugleich ein weiteres Aufheizen des Treibhauses Erde.
klimapolitik
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Die Landwirtschaft am Scheideweg: Produzentin qualitativ hochwertiger Lebensmittel, erneuerbarer Energie oder nur noch bloßer Rohstofflieferant?
Teller, Trog, Tank – Zur Zukunft am Land Austrocknende Flächen, kleine ProduzentInnen mit immer geringeren Chancen, steigende Preise für Grundnahrungsmittel – Was läuft falsch in der Landwirtschaft? Da gibt es viele Ursachen. Eine, zu der die Landwirtschaft selbst beiträgt, ist der Klimawandel. Dazu kommen der Hunger nach Fleisch und der nach Energie – denn die industrielle Produktion von Futtermitteln und Agrotreibstoffen im großen Stil besetzt große Flächen. Die Spekulation auf Lebensmittel trägt das ihre dazu bei.
Foto: © TU Graz Leodolter
Agrotreibstoffe werden trotz Kritik als „die“ Klimaschutzmaßnahme gepriesen. Es kommt darauf an, welche Pflanzenarten mit welchen Technologien verarbeitet werden. Bei Mais, Weizen oder Raps ist der Ökovorteil zu gering. Agrosprit bedeutet im besten Fall, d.h. wenn nachhaltig produziert wird, 30 % weniger an ökologischem Druck. Das sind bei einer Beimischung zu herkömmlichen Kraftstoffen von 10%, wie es zur Debatte stand,
Zur Person Michael Narodoslawsky, ist Professor an der TU Graz. Die Schwerpunkte seiner Forschungstätigkeit liegen in den Bereichen nachhaltige (regionale) Entwicklung, ökologische Bewertung von Produkten und technischen Prozessen sowie nachhaltige Energiesysteme. Er lehrt u.a. an der Karl-Franzens-Universität Graz, der FH Joanneum, der Universität für Bodenkultur Wien und der FH Wiener Neustadt. Unter seinen zahlreichen Veröffentlichungen: Inseln der Nachhaltigkeit. Logbuch für ein neues Weltbild (mit Heinz P. Wallner, NP-Verlag St. Pölten 2002). www.tugraz.at
maximal 3 % Reduktion. Das steht in keinem Verhältnis dazu, was an Folgen verursacht wird – ökologisch, ökonomisch, sozial. Konventionell erzeugte Agrotreibstoffe sind besonders ineffizient. Damit lassen sich Bilanzen kaum verbessern. Durch biologischen Anbau zur Lebensmittelbereitstellung können bessere Resultate erzielt werden. Biolandbau ist um einen Faktor 2 bis 3, in bestimmten Bereichen bis zu einem Faktor 6 umwelt- und klimafreundlicher als konventioneller. Und es macht natürlich keinen Sinn, aus Lebensmitteln „Bio-Bio-Treibstoffe“ zu erzeugen.
Wie setzen wir die Wende in Gang? Wir sollten nicht nur Produkte, Technologien fördern, sondern auch die Kommunikation aller am System Landwirtschaft Beteiligten. Geht der Informationsfluss mit dem Produktionsfluss einher, können wir Feedback geben, Wünsche äußern – und wachsen: vom consumer zum prosumer. International sind wir Vorreiter in der Direktvermarktung qualitativ hochwertiger Lebensmittel. Dabei ist die Verbindung zwischen Produzent und Konsument entscheidend – ein wichtiges Prinzip für eine nachhaltige Gesellschaft.
Lassen sich „falsche“ Lösungen bremsen? Ja, wenn wir den Umgang mit Ressourcen sorgsam prüfen. Etwa, was die Umwandlung von Grasland in Ackerflächen zur Produktion von Agrosprit bedeutet. Boden ist eine knapp werdende Ressource. Treibstoffe der nächsten Generation, z.B. Bioethanol auf Zellulose-Basis, bilanzieren besser, aber auf kurze Sicht ist auch hier kein Durchbruch zu erwarten. Werden Kraftstoffe aus Reststoffen der Landwirtschaft, aus Tierfetten oder AltSpeiseöl gewonnen, ist die Bilanz eine andere – da gibt es deutliche ökologische Vorteile. Das gilt auch für die Biogas-Produktion, sofern man Reststoffe und landwirtschaftliche Nebenprodukte nutzt. Kleine, dezentrale, mit erneuerbaren Energien betriebene Anlagen, die regional unterschiedliche nachwachsende Rohstoffe nutzen und zugleich Strom, Dünger u.a. herstellen, können als Bio-Raffinerien, die größeren Einheiten zuarbeiten, große Vorteile bringen. Das wären Meilensteine auf dem Weg zur ökologischen Wende.
Wie weit sind wir auf diesem Weg? Es gibt eine innovative Landwirtschaft und Erfolge – zumindest in Regionen. Das steirische Vulkanland1) zeigt, was unter breiter BürgerInnenbeteiligung machbar ist, ob es nun um Lebensmittel, Energie oder eine Vielzahl anderer Produkte geht. Kann die Landwirtschaft die Energieversorgung ganzer Regionen sicherstellen? Eine multifunktionale Land- und Forstwirtschaft sollte in der Lage sein, einen großen Anteil am Energiebedarf bereitzustellen und durch speicherbare Energie Schwankungen bei Erneuerbaren auszugleichen – je geringer der Bedarf, umso größer der Erfolg. Lösungen müssen in den Problembereichen gelingen. Im Verkehr müssen wir zu einem anderen Mobilitätsverhalten kommen – dem Sprit ein „Bio“-Produkt beizumengen, macht wenig Sinn.
Info!
www.fussabdrucksrechner.at 1) www.vulkanland.at
Collage: a.strasser • Fotos: Johann Kandler, Andreas Strasser
klimabündniss-Gespräch mit Andreas Strasser Michael Narodoslawsky im klimabündni
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Foto: Vass Gergely (reflex)
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Fotos: Klimabündnis Österreich • Erwin Wieser, Graz
Neuer Rekord bei der Mobilitätswoche 2012 Mehr als 1.000 Aktionen zu sanfter Mobilität fanden in den 552 teilnehmenden österreichischen Gemeinden statt: Literatur-Lesung am Regionalbahntag am 16.9. in der Bahn Vorchdorf-Gmunden, Brückenpicknick in Linz auf der Nibelungenbrücke, Autofreies Straßenfest in Salzburg-Maxglan, Autos verpacken in Vorarlberg, Straßenmalen beim Wettbewerb Blühende Straßen und vieles mehr. (s. Heftrückseite!) „Immer mehr Gemeinden erkennen die Notwendigkeit und die Vorzüge sanfter Mobilität. Und wenn die Bedingungen dafür vorhanden sind, dann steigen auch immer mehr BürgerInnen vom Auto aus und um. Sehr gut angekommen ist auch das Mobilitätswochen-Bonusheft mit den Probeangeboten für sanfte Mobilität“, so Peter Czermak, der Mobilitätswochen-Koordinator von Klimabündnis Österreich. Die Mobilitätswoche wurde in Österreich zum 13. Mal vom Klimabündnis mit Unterstützung des Lebensministeriums koordiniert. Czermak: „Bei der Mobilitätswoche geht es nicht um Aktionismus. Wir wollen die Weichen für die Zukunft stellen, u.a. mit Tagungen zu Regionalbahnen (Bürmoos) und Elektromobilität (Schärding). Gleichzeitig werden auch konkrete Verbesserungen geschaffen, durch neue Radwege (z.B. in Gaweinstal, NÖ) oder neue Haltestellen (z.B. bei Salzburger Lokalbahn). Schnupper- und Probeangebote (Öffi-Tickets, Radverleih, Carsharing) erleichtern das Umsteigen vom Auto zu sanfter Mobilität.“ HANNES HÖLLER www.mobilitaetswoche.at
Der 1. Klimaschutz-Lehrgang in Ungarn wurde von Krisztina Szabó (l.) von der Organisation Reflex, der Koordinierungstelle des Klimabündnis Ungarn, geleitet.
Neue Klimaschutz-Lehrgänge Im November startet Lehrgang für Städte. Ausbildung jetzt auch in Ungarn und Tirol/Vorarlberg.
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er Klimaschutz-Lehrgang des Klimabündnis ist ein Erfolgsmodell. 129 GemeindevertreterInnen und Interessierte auf lokaler Ebene wurden vom Klimabündnis bisher ausgebildet. Aufgrund der guten Erfahrungen und der hohen Nachfrage weitet das Klimabündnis den Lehrgang aus. Zum einen regional auf drei Nachbarländer sowie den Westen Österreichs, zum anderen inhaltlich auf die speziellen Bedürfnisse in Städten. „Mit dem 1. Urbanen Klimaschutzlehrgang bieten wir erstmals ein maßgeschneidertes Angebot für Städte. Der Lehrgang richtet sich in erster Linie an Bezirks-/ StadträtInnen, BezirksvorsteherInnen und -vertreterInnen, MitarbeiterInnen und ehrenamtlich Engagierte der Lokalen Agenda 21 und von Organisationen bzw. Einrichtungen, die auf Bezirksebene und in städtischen Bereichen tätig sind. Der Lehrgang steht jedoch auch allen Interessierten offen“, so die Organisatorin des Lehrgangs, Michaela Hauer vom Klimabündnis. Der Lehrgang wird von Klimabündnis und BEAM21 organisiert und findet in Wien, Linz und Graz statt. Start ist im November.
Im Zuge des EU-Projektes Clipma „Climate protection managers in Central Europe“ finden bis Mai 2013 erstmals auch Klimaschutz-Lehrgänge in den jeweiligen Landessprachen in Ungarn, der Slowakei und Slowenien statt. Der Anfang ist gelungen. Im Mai startete der 1. Klimaschutz-Lehrgang in Ungarn – 20 Personen wurden ausgebildet. Hauer: „Der Lehrgang hat gezeigt, dass es Bedarf nach einer solchen Ausbildung in Ungarn gibt. Das Interesse war sehr groß und es gibt den klaren Wunsch nach einer Fortsetzung.“ Der nächste Lehrgang „KommunaleR KlimaschutzbeauftrageR“ in Österreich findet ab 16. Oktober erstmals im Westen in Tirol und Vorarlberg statt. Neu angeboten wird eine e-learning-Plattform zu klimaschutzrelevanten Themen mit e-learning-Aufgaben und -Angeboten zur Vernetzung. HANNES HÖLLER
INFO! clipma.eu www.klimabündnis.at ➜Lehrgänge/Fortbildungen
Urbaner Klimaschutz-Lehrgang Modul 1: Modul 2: Modul 3:
Kosten:
19. – 20. November 2012 Wien 25. – 26. Februar 2013 Linz 22. – 23. April 2013 Graz
900,- Euro (inkl. Ust., Materialien und Verpflegung)
Anmeldung & Information Natalie Weiß, Klimabündnis Österreich • natalie.weiss@klimabuendnis.at • Tel: 01/5815881 Nähere Infos und Programm unter: www.klimabündnis.at ➜ Lehrgänge/Fortbildungen
Anmeldeschluss:
31. Oktober 2012
klimatipps
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Klimaneutraler Kaffeeautomat Ein neues Konzept aus der Klimabündnis-Region Kaindorf ermöglicht fairen Automaten-Kaffee mit höchstem Genuss. 730 Millionen Plastikbecher werden allein in Österreich pro Jahr von Kaffeeautomaten ausgeworfen. Drücken Sie auf den Knopf des Kaffeeautomaten, so schlürfen Sie bei einer 200 ml Tasse konventionellen Kaffees nicht nur gegen die Müdigkeit, Sie schwemmen auch 300 Gramm Erdreich ab. Zusätzlich belasten Sie die Natur mit sieben Gramm Pestiziden und sieben Gramm Kunstdünger. Und nur 0,6 Prozent des Preises kommen bei den Bauern an. Nun gibt es aber eine Alternative: Die
Gofair-Automaten. Kaffee und Tee sind bio und fairtrade produziert, die Milch ist Biotrockenmilch. Es gibt keine Geschmacksverstärker und keine Aromastoffe. Auch die Becher sind kompostierbar. Endlich ein Automatensystem, bei dem alle Beteiligten fair behandelt werden: von den Bauern über die Lieferanten und Händler bis zu den Konsumenten. Entwickelt wurde das Konzept in der Öko- und Klimabündnis-Region Kaindorf. CHRISTIAN SALMHOFER
INFO!
www.gofair.at
klimathek
Benedikt Scheiber 1981 – 2012
Neben seinen Aufgaben in Administration und Buchhaltung hat Benedikt Gemeinden im Mobilitätsbereich betreut, zuletzt auch verstärkt Klimaschutzinitiativen mit SeniorInnen und Betrieben. Viele Projekte sind auf seine Initiative hin entstanden, viele waren nur durch und mit ihm möglich. Als Betriebsrat hat sich Benedikt nicht nur für seine KollegInnen eingesetzt, sondern war auch eine verlässliche Stütze für sie. Er war Garant für Spaß und gute Laune im Büro. Wir vermissen Benedikt sehr.
NINA OBERBUCHER | CHRISTIAN SALMHOFER | ANDREAS STRASSER
Benedikt kam 2008 zum Klimabündnis Tirol, das damals aus nur drei Mitarbeitern bestand. Benedikt war einer, der viele neue Ideen und neue Herangehensweisen einbrachte. Heute besteht das Klimabündnis in Tirol – auch dank seines Einsatzes – aus sieben Mitarbeitern. Ein Team, in dem Benedikt eine große Lücke hinterlässt, in dessen Mitte er fest verwurzelt war.
Schwindende Ressourcen
Der künstliche Hunger
Unsere Welt ist nicht nur durch die Folgen von Peak-Oil und Klimawandel bedroht. Ein ganzes Geflecht ungelöster Probleme – Peak-Everything – verschlingt unsere Lebensgrundlagen. Der Autor, einer der weltweit prominentesten Vertreter der unter Peak-Oil bekannten Bewegung, die ein „Los vom Öl“ propagiert, hilft auch auf seiner Website weiter: www.richardheinberg.com
Jean Ziegler verbindet seine Erfahrungen als UN-Sonderberichterstatter und seinen Kampf für eine friedliche, gerechte Welt mit dem Recht auf Nahrung. Er erinnert unermüdlich an die dramatisch ungleichgewichtige Verteilung der Güter, an die strukturelle Gewalt unserer Weltordnung und an „Milliarden-Zocker“, die durch ihre Spekulationen Nahrungsmittel monströs verteuern.
Richard Heinberg
Jean Ziegler
Jenseits des Scheitelpunkts
Wir lassen sie verhungern
Aufbruch in das Jahrhundert der Ressourcenerschöpfung
Die Massenvernichtung in der Dritten Welt
Edition Sonderwege, Waltrop und Leipzig 2012 228 Seiten • € 1980 • ISBN 978-3-937801-88-9
C. Bertelsmann Verlag, Gütersloh 2012 320 Seiten • € 19,99 • ISBN 978-3570101261
Kampf um Grund und Boden
Land nutzen
Land ist begehrt. Multinationale Konzerne, Privatanleger und Staaten wie China investieren in Grund und Boden. Anbauflächen von der Größe ganzer Provinzen wechseln in Afrika, Asien oder Südamerika die Besitzer. Dabei geht es um gewaltige Profite in der Nahrungsmittel- und Agrotreibstoffproduktion – eine Reportage, die zum Schutz der Ressource Land aufruft.
Für neue Siedlungs- und Verkehrsflächen gehen täglich viele Hektar Boden verloren – in Deutschland allein etwa 80. Neue Konzepte der Land- und Flächennutzung zeigen, wie weitere Verluste begrenzt werden können. Besonders wichtig dabei: die ökologische Orientierung der Agrar- und Forstwirtschaft und rasche Renaturierung geschädigter Flächen.
Fred Pearce
Dieter Apel
Land Grabbing:
Landschaft und Landnutzung
Der globale Kampf um Grund und Boden
Vom richtigen Umgang mit begrenzten Flächen
Verlag Antje Kunstmann, München 2012 320 Seiten • ISBN 978-3888977831
oekom Verlag, München 2012 • www.oekom.de 176 Seiten • € 19,95 • ISBN 978-3865813039
RETOUREN AN POSTFACH 555, 1080 WIEN
Fotos: VS Dietach, VS Pfaffstätten, VS Nappersdorf, VS Mürzzuschlag, VS Mäder,VS Lustenau.
Blühende Straßen Mobilitätswoche 2012