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FEUERWERKE Die bunte Pracht am Nachthimmel
Lametta am Himmel
Feuerwerke und vor allem das Böllern zu Silvester waren in Deutschland und gerade auch in Hamburg lange Zeit eine Selbstverständlichkeit. Nach wie vor gibt es zahlreiche Befürworter, aber auch Kritiker. Umweltpolitiker und Polizisten befürworten Einschränkungen bis hin zum totalen Verbot. Ein Überblick.
VON TIM HOLZHÄUSER, SOPHIE RHINE UND MICHAEL WENDLAND
Es erscheint lange her, fast wie ein Alptraum, aber so waren die Rahmenbedingungen zum Jahreswechsel 2021/2022: In der Silvesternacht durften sich zwischen 19 Uhr und 7 Uhr nicht mehr als zehn Menschen treffen. Der Verkauf von Feuerwerk war untersagt und auch das Zünden von Restbeständen verboten. Die Pandemie hatte einem der aufwendigsten Feste im Norden die Lunte abgeschnitten.
Ein Jahr später zeigt sich die Lage normalisiert. Versammlungen sind bekanntlich wieder möglich, beim privaten Böllern herrschte hingegen bis zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe Unklarheit über Details. Eine endgültige Entscheidung wird Anfang Dezember erwartet. Das vollständige Verbot von Feuerwerk wie 2021 gilt als höchst unwahrscheinlich. Die Innenbehörde denkt aber über Beschränkungen nach, zum Beispiel in der Innenstadt, genauer auf dem Rathausmarkt und an der Binnenalster. Corona spielt bei diesen Überlegungen kaum noch eine Rolle. Schließlich finden Weihnachts märkte und andere Veranstaltungen auch wie gewohnt statt und der Winterdom lockt mit einem wöchentlichen Feuerwerk.
In der Bürgerschaft mehren sich seit Langem Stimmen, die den krawalligen, mit Schwarzpulver angetriebenen Jahreswechsel auf völlig andere Art begehen wollen, etwa mit einer Lichtshow.
Bevor wir uns nun die Position der Politik, des NABU und der Ordnungskräfte Polizei und Feuerwehr ansehen, ein Blick ins Ausland.
Drei der spektakulärsten Feuerwerke weltweit 1. „Yonshakudama“-Feuerwerk, Japan
Dieses pyrotechnische Kunstwerk findet jährlich anlässlich des „Katakai-Matsuri“Festivals in der Stadt Katakai statt. Seine zentrale Zündkugel wiegt mehr als 420 Kilogramm und hat sich so einen Platz im Die größten Explosionen haben Guinness-Buch der Rekorde gesichert. Das Feuerwerk dauert zwei bis drei Stunden. einen Durch- Die größten Explosionen hamesser von 800 Metern ... ben einen Durchmesser von 800 Metern und die Bewohner der Region finden das auch ganz richtig so. Das Feuerwerk finanziert sich nämlich aus Mitteln lokaler Spender.
2. New York, Macy’s 4th of July Fireworks
40.000 Raketen machen Macy’s Independence Day Feuerwerk jedes Jahr zu einem Highlight in der Stadt, die niemals schläft. Das berühmte Kaufhaus sponsert dieses Spektakel seit 1976 und hat es so zu einer essenziellen Tradition New York Citys gemacht. Den besten Blick hat man vom Brooklyn Bridge Park, Brooklyn Heights und South Street Seaport.
Auch in London wurde das große Feuerwerk zu Silvester ein Jahr lang ausgesetzt. Der Neustart soll umso schöner werden.
3. London, New Year's Eve fireworks
Auch an der Themse gab es langes Bibbern, ob das traditionelle Feuerwerk nach einem stillen Jahreswechsel 2020/2021 dieses Jahr würde stattfinden können. Mittlerweile ist die offizielle Bestätigung da; der Kartenverkauf für Zuschauerbereiche läuft.
Das Feuerwerk wird Punkt Mitternacht vor dem Big Ben gezündet. Die Macher wollen in diesem Jahr ein Zeichen setzen und versprechen eine besonders spektakuläre Version des Feuerwerks. Dementsprechend hoch ist die Kartennachfrage. Die Londoner gehören in dieser Sache nicht zu Bedenkenträgern.
Woher kommt das Feuerwerk als kulturelles Schauspiel?
Schauen wir einmal in die Geschichte, zu den Anfängen der Pyrotechnik. Die Herkunft der Feuerwerkskunst liegt in China. Anders als lange angenommen wurde, ging es aber nie darum, böse Geister zu vertreiben. Das ist nach neuestem Forschungsstand ein neuzeitlicher Mythos, der erst im 19. Jahrhundert aufkam. Wahr ist vielmehr, dass der Toten gedacht werden sollte, mit einer Art Signal ins Jenseits. Dazu wurden bereits vor über 1.000 Jahren beim chinesischen Neujahrsfest explodierende Bambusstäbe eingesetzt. Mit der späteren Tradition beeindruckender Farbspiele hatte das zu jener Zeit noch nichts zu tun. Auch das damalige Schwarzpulver-Rezept – unerlässlich fürs Feuerwerken – war noch ein anderes. Über den arabischen Kulturkreis fand das Feuerwerk schließlich seinen Weg nach Europa, wo man im Mittelalter selbst auf die Rezeptur des Schwarzpulvers kam. Los ging es vermutlich in Italien. Hier war das Funkenspektakel zu keinem Zeitpunkt mythisch aufgeladen, sondern war von Beginn an eine Art Showeinlage. Vorbehalten war die teure Kunst zunächst Königen, später auch vermögenden Bürgern, die das Feuerwerk gegen Eintritt zeigten.
Diese kommerzielle Nutzung fing im 18. Jahrhundert an. König Ludwig XV. soll Feuerwerke mit etwa 20.000 Raketen und weiteren Details in Auftrag gegeben haben, und dem Einsatz am Hof George II. verdan-
ken wir Händels Feuerwerksmusik, die den passenden Soundtrack für die Inszenierung bot. Die Verbindung von Musik und Feuerwerk war also schon vor gut 270 Jahren populär, so wie es auch heute der Fall bei großen Feuerwerken ist, etwa bei Sportwettkämpfen, Konzerten oder bestimmten Feierlichkeiten. Schon König Ludwig XV. verAber es geht natürlich auch eine Nummer kleiner: Dezente Pyrotechnik in Theatern und Böllerei sind die jüngsten Entwicklunanstaltete ein gen des Feuerwerks, mit dem simplen Sinn Hoffeuerwerk mit 20.000 Rakezu erfreuen, selbst wenn es für manche nur Krach und Qualm ist. ten und Musik. Privates Feuerwerk zu gefährlich? Zurück zu Silvester in Hamburg. Bei der aktuellen Debatte geht es schließlich vorrangig nicht um professionelle Feuerwerke, sondern um privates Feuerwerk vor der Haustür. Das Verbot rund um die Binnenalster wäre nicht neu: Schon vor der Pandemie, 2019, galt dort zwischen 18 und 1 Uhr ein Böllerverbot. Innensenator Grote und Polizeipräsident Ralf Martin Mayer hatten damals den Sicherheitsaspekt in den Vordergrund gestellt. Mit solch einem Verbot steht Hamburg nicht allein da: Viele Städte, darunter Berlin, München, Stuttgart, Köln und Düssel-
Bunter Regen über der Brooklyn Bridge anlässlich des Unabhängigkeitstages. Sponsor ist traditionell das Kaufhaus Macy’s.
dorf, verbieten Böller in Innenstadt, Altstadt und an besonders beliebten Orten. Die Begründung ist ebenfalls immer gleich: Sicherheitsbedenken, denn dort, wo viele Menschen zusammenkommen – dem Anlass entsprechend feiernd und zum Teil alkoholisiert, da gibt es auch immer Unfälle. „Unsachgemäßer Gebrauch von Feuerwerkskörpern“ nennen es Behörden, letztendlich heißt das nichts anderes, als dass Raketen mal aus Versehen, mal aus Spaß einfach in die Menge fliegen und Polenböller, die mit unfassbarer Lautstärke zehn Zentimeter neben einer Sektflasche explodieren.
Laut der Deutschen Gesellschaft für Handchirurgie, Orthopädie und Unfallchirurgie verletzen sich an keinem anderen Tag im Jahr so viele Menschen die Hände. In einem Großstatdkrankenhaus gibt es durchschnittlich über 50 schwere Handverletzungen in der Nacht. Dazu zählen abgetrennte Finger, Brüche oder Verbrennungen. Die Patienten – meist Männer zwischen 15 und 30 – tragen zum Teil bleibende Schäden davon.
Die Krankenkasse Barmer berichtete zum Jahreswechsel 2019/2020 von rund 6.200 Menschen, die bundesweit aufgrund von Unfällen mit Feuerwerkskörpern oder Alkoholmissbrauch stationär behandelt werden mussten. In der Pandemie mit den vielen Einschränkungen sank die Zahl um fast 50 Prozent.
Auch die Notaufnahmen in Hamburg sind an dem Tag erfahrungsgemäß voll, Feuerwehr und Rettungskräfte haben viel zu tun. 2019/2020 rückte die Feuerwehr zu 475 Bränden, 25 Technischen Hilfeleistungen und 744 Rettungsdiensteinsätzen aus – von 18 bis 6 Uhr. Das sind 104 Einsätze pro Stunde. Mit Corona-Beschränkungen waren es „nur“ 48 pro Stunde.
Wie stehen die Parteien dazu?
Für ein ortsgebundenes Böllerverbot sprechen sich alle Parteien im Hamburger Senat aus. Die Regierungsparteien favorisieren statt vieler kleiner privater Feuerwerke eine zentrale Lichtshow. Die Bürgerschaft unterstützt den Vorschlag, bisher wurde die Umsetzung allerdings noch nicht geprüft. Denn dafür bedürfe es eine Änderung im Sprengstoffgesetz – und das ist Aufgabe der Bundesregierung, nicht des Landes. Die Linke fordert auch eine Ausdehnung der Böller-Verbotszonen.
Von einem ganzheitlichen Verbot spricht aber keine Partei, CDU, FDP und AfD lehnen es explizit ab – es wäre schwer zu kontrollieren, unsinnig und der Staat solle Menschen nicht vorschreiben, wie sie den Jahreswechsel feiern wollen. Zumindest die FDP könnte sich aber auch mit zentralen Feuerwerken anfreunden: „Große Pyro-Shows an zentralen Plätzen der Stadt anzubieten, wäre in Hamburg eine gute Idee. Das wäre eine Alternative zum privaten Silvesterfeuerwerk, die sicher viele Menschen attraktiv fänden“, sagt Anna von TreuenfelsFrowein der FDP.
Und was ist mit der Umwelt?
Ein komplettes Böllerverbot fordern hingegen schon seit Längerem Umweltschützer. Der NABU Bundesverband hat dazu ein ausführliches Standpunktpapier veröffentlicht. Die abschließende Forderung lautet: Verbot privater Silvesterböllerei und Beschränkung auf zentral organisierte Feuerwerke – diese auch nicht in der Brutzeit von Vögeln zwischen März und August und mit ausreichendem Abstand zu Schlafplätzen
Kupferstich mit Feuerwerk auf dem Rhein vor Düsseldorf, anlässlich der Hochzeit Johann Wilhelms von Jülich-Kleve-Berg mit Jakobe von Baden-Baden im Jahr 1585, von Frans Hogenberg Das „Feuerwerk“ auf einem Aquarell von Ernst Oppler von 1911
von Gänsen und Schutzgebieten von Wild- meint, dann muss man irgendwann auch tieren. damit anfangen.“
Für die Forderung führt der Der NABU stützt seine ForNABU verschiedene Gründe derung auch auf den Wunsch an: An Silvester entsteht eine zwanzigmal höhere Fein- Laut Umfragen der Gesellschaft: Immer mehr Menschen seien für ein staubbelastung als die von sind 53 Prozent Verbot von privatem Feuerder Weltgesundheitsorganisation festgelegten 50 Mikrogramm. Zudem entstehen riesige Müllmengen. Wildtiere der Deutschen für ein Verbot von privatem werk. Das belegen auch Umfragen: In der repräsentativen Umfrage des Instituts Insa Consulere im Auftrag werden gestört und insbesondere Vögel reagieren stark Feuerwerk. der Verbraucherzentrale Brandenburg stimmten 53 auf das Spektakel, was zu ho- Prozent der Befragten aus hem physischen Stress und ganz Deutschland für ein Verhohem Energieverbrauch führt, der im bot, nur 39 Prozent waren dagegen. Winter lebensbedrohlich für die Tiere sein Dem entgegen steht die Wirtschaft: kann. Schon in den beiden Corona-Jahre waren
Der NABU Hamburg unterstützt die For- die Einbußen groß. 2019 wurden noch 122 derung des Bundesverbands und damit Millionen Euro Umsatz mit dem Verkauf auch den Vorschlag der zentrierten Licht- von Silvesterfeuerwerk gemacht. Der Trend show des Senats: „Die Erfahrung der letz- ging zuletzt leicht nach unten, 2017 waren ten beiden Jahre hat uns gezeigt, dass wir es noch 137 Millionen Euro. 2020 und 2021 den Jahreswechsel auch ohne private Sil- wurden lediglich 20 und 21 Millionen Euro vesterfeuerwerke feiern können“, sagt Mal- verdient. te Siegert, Vorsitzender des NABU Hamburg. „Wir schlagen vor, dass die Stadt ein Feuerwerk im Ausland zentrales Feuerwerk organisiert, vorzugs- Deutschland ist nicht das einzige Land, in weise eine Lichtshow. Die Konzentration dem über Verbote diskutiert wird. In Irland auf einen bestimmten Ort reduziert Müll sind nur Feuerwerke der Kategorie F1 erund Lärm – so kann das neue Jahr umwelt- laubt, sprich Wunderkerzen und Tischfeuund naturfreundlicher begrüßt werden. erwerk. In Paris gilt absolutes Böller-Verbot Und ganz nebenbei ist der Verzicht auf Feu- – es gibt aber eine Lichtershow und ein orerwerk auch ein ganz praktischer Beitrag ganisiertes Feuerwerk am Arc de Triomphe. zum Artenschutz. Wenn man es mit dem Ähnliches gilt für Küstenstädte wie Cannes Schutz der Biodiversität wirklich ernst und St. Tropez.
Schweden, Tschechien, Polen, Österreich und Großbritannien haben ähnliche Regelungen wie Deutschland: Feuerwerk darf ab 18 Jahre gekauft werden, solange es bestimmte Normen erfüllt. Geböllert werden darf am 31. Dezember und 1. Januar.
Auch in den Niederlanden sieht es ähnlich aus. Feuerwerk ist nicht wegzudenken, aber es werden immer mehr böllerfreie Zonen eingerichtet.
Die Dänen böllern vom 27. Dezember an, mit Begeisterung. Die Behörden raten zum Tragen von Schutzbrillen, was viele auch tun.
In Norwegen steht man Feuerwerk kritisch gegenüber: In Stadtteilen, wo besonders viele Holzhäuser stehen, ist es komplett verboten. In anderen Teilen darf geböllert werden – aber nur von 18 bis 2 Uhr und ohne Raketen.
In Griechenland und Lettland ist privates Feuerwerk schlicht nicht verbreitet, in Italien sogar verboten. In Russland darf hingegen an 365 Tagen im Jahr geböllert werden – aber nur bis 23 Uhr.
In Amerika ist es je nach Bundesstaat verschieden, aber zum Beispiel in New York ist privates Feuerwerk verboten. Ebenso in Dubai. Beide bieten aber spektakuläre, organisierte Pyroshows an.
Vielleicht gehört ja auch bald die Lichtershow am Hamburger Hafen zu den spektakulärsten der Welt.
Autoren: tim.holzhaeuser@kloenschnack.de sophie.rhine@kloenschnack.de michael.wendland@kloenschnack.de