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GASTKOLUMNE
Stellungnahme
Sind die Kirchen noch Orte des Lichts und der Hoffnung oder nur noch zum Austritt gut? Generalvikar Geißler bezieht Stellung.
PATER SASCHA-PHILIPP GEISSLER. Zuversicht Was mich hält …
Sie ist eine Frau, auf die die Kirche zählen und „stolz“ sein kann. Aber sie sagt neuerdings: „Es ist zum Fortlaufen!“ Auch an ihr nagen – wie bei vielen katholischen Frauen und Männern – Zweifel angesichts des Bildes, das ihre Kirche abgibt. Auch sie fragt sich: Bleiben oder gehen? Wird sich etwas zum Besseren ändern? Trete ich besser aus, weil ich mich nicht mehr identifizieren kann?
Ich kenne diese Fragen. Ich höre sie oft. Und ich spreche mit vielen Glaubenden, die sich ihres Katholischseins nicht mehr sicher sind. Viele sind gegangen, die meisten still. Manche treten in andere christliche Konfessionen ein. Viele aber gehen, wie ich kürzlich las, ins „religiöse Niemandsland“. Das macht mir große Sorgen. Denn ich bin überzeugt: Unsere Gesellschaft braucht die Sicht des gelebten Glaubens; sie lebt von Werten, die sie sich selbst nicht geben kann …
In einem Interview zu meinem Beginn als Generalvikar sagte ich: „Ja, auch ich möchte manchmal schreiend weglaufen vor manchen Zuständen.“ Denn auch ich bin unzufrieden mit unserer „Performance“ als Kirche. Und ich fügte hinzu: „Aber mache ich dadurch irgendetwas besser?“ Manche werden sagen: „Nach einem Kirchenaustritt geht es mir besser.“ Das akzeptiere ich und traue mich doch aus persönlicher Erfahrung dazuzulegen: Ich möchte auch darüber sprechen, was mich hält. Ich möchte nicht für mich allein glauben, irgendwie. Ich finde und habe erfahren: Christsein braucht auch Gemeinschaft und baut sie auf. Ich persönlich habe der Gemeinschaft der Kirche
unzählige gute und positiv prägende Bausteine meines Lebens zu verdanken, ja das Beste meines Lebens: Den Glauben an die Zusage, gewollt und geliebt zu sein von Gott; mitgetragen zu sein von der Gemeinschaft der Glaubenden; eine Zukunft zu haben, die über diese sichtbare Welt hinausweist und mich heute fordert, diese Welt bestmöglich mitzugestalten… Das hält mich. Ok, ich habe seit Kindertagen aktiv die Verbundenheit mit Gott und dieser Kirche und konkreten Glaubenden gepflegt, wie ich es mit engen Freunden auch tue. Ich habe Leben und Zeit mit anderen Glaubenden geteilt und das als großes Glück erleben dürfen. Das hat mir in meinen Glaubens- und Kirchenkrisen sehr geholfen, in der Kirche mehr zu sehen als eine schuldbeladene und unvollkommene, menschengeprägte und behäbige Institution oder einen in Schieflage geratenen Verein. Das hält mich. Wenn ich nicht glauben könnte, dass die Wirklichkeit hinter der Institution viel größer, ja heiliger und heilender ist, Gott selbst, dann wüsste ich auch nicht, ob ich noch katholisch oder überhaupt in ei„Es ist zum Fortlaufen!“, sagt eine langjährige Freundin. Sie ist ner Kirche wäre. verwurzelt und engagiert in ihrer Kirchengemeinde. Sie ist „sprachfähig“ über das, was ihr der christliche Glaube und ihr Dazugehören zur römisch-katholischen Kirche bedeuten. Ich bleibe, weil ich diese Kirche immer noch liebe, auch wenn sie von Menschenhand her dunkle Flecken hat. Das hält mich. Und weil es – meine ich – viel weniger um die Kirche als Institution, sondern um die „Message“, eben die „frohe und befreiende Botschaft“ gehen muss, dass Gott an seiner neuen Welt baut und Verbündete und Mitliebende sucht; das hält mich auch. Ja, es ist manchmal zum Fortlaufen. Ja, es muss sich einiges ändern und manches ist auf gutem Weg! Darum: Würde ich im Fortlaufen etwas verbessern, mehr, als dass FOTO: ERZBISTUM HAMBURG/KATHRIN ERBE es mir „besser“ geht? Ich will helfen, dass Kirche ihre „Mission“ besser lebt, dass in ihr erfahrbar ist: „Gott ist. Und es ist gut, dass Du bist. Du bist geliebt. Du hast Zukunft in Gott!“ Das hat mir noch kein Verein und keine Behörde gesagt. Ich habe Hochachtung vor denen, die für sich einen Schlussstrich gezogen haben. Ich werbe aber auch dafür, dass das Bleiben die Mühe lohnt. Und ich weiß um Pater Sascha-Philipp viele, denen es auch so geht: Kirche ist Geißler, Generalvikar im größer und mehr, als es den Anschein hat. Erzbistum Hamburg So wie Menschen, die ich liebe, an denen „Ich habe der Gemeinschaft der Kirche unzählige positiv prägende Bausteine meines Lebens zu verdanken.“ und mit denen ich mitunter auch leide. Das hält mich. Und trägt. Wie meine langjäh rige Freundin auch … Pater Sascha-Philipp Geißler