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INTERVIEW

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LIFT OFF

LIFT OFF

So sieht Batterierecycling bei Volkswagen aus: Mittels Sieb können die wertvollen Zellmaterialien – das Schwarzpulver (Lithium, Nickel, Mangan, Kobalt) – von den anderen Rohstoffen getrennt werden.

Welche Innovationen stehen kurz vor dem Durchbruch?

Das IWKS entwickelt derzeit einen hydromechanischen Prozess, dessen Kernstück eine potenziell hohe Materialselektivität in den Zerkleinerungsschritten aufweist. Der Einsatz von Wasser im überwiegenden Teil des Verfahrens sorgt für hohe Sicherheit. Dieses Verfahren hat unter anderem auch den Vorteil, dass es relativ leicht möglich ist, die unterschiedlichen Fraktionen wie Polymere, Metalle und Schwarzmasse, voneinander zu trennen und dabei auch eine – im Vergleich zu den herkömmlichen Verfahren – hohe Reinheit der Fraktionen zu erreichen. Dadurch sind die darauffolgenden Recycling-Schritte deutlich zeit- und energieeffizienter und damit natürlich auch wirtschaftlicher. Hier fehlt allerdings bisher noch der Beweis der Upscale-Fähigkeit. In mehreren gemeinsamen Projekten mit starken nationalen und internationalen Partnern werden wir diesen Beweis in den kommenden drei Jahren erbringen.

Wo liegen grundsätzlich die größten Hindernisse beim Batterierecycling? Und was ist aus Ihrer Sicht regulatorisch optimierbar?

Die größten Hindernisse liegen zunächst beim industriellen Upscaling der Technologien, aber auch bei der Logistik des sicheren Transports von Batterien zum Recycling-Institut. Eine große Rolle kommt der Sammlung von Autobatterien am Ende ihres ersten Lebens zu. Speziell der letzte Aspekt muss von Bund und EU geregelt werden, sodass es verpflichtend wird, die Batterien zu recyclen. Ich würde sogar noch einen Schritt weitergehen und sagen, dass diese Materialien nachweisbar im Kreislauf zu führen sind. Um die Kreislaufwirtschaft möglichst effizient und effektiv zu gestalten, ist es unbedingt nötig, einen EU-weit verpflichtenden „Batterie-Passport“ einzuführen. Damit kann jeder Befugte schnell und eindeutig erkennen, um was für einen Zell-Typen es sich handelt. Im Idealfall lassen sich auch die Inhaltsstoffe bis zur Mine zurückverfolgen.

Welches ökologische Potenzial schreiben Sie dem Batterierecycling zu?

Die Mobilitätswende hin zu elektrischen Antrieben bewirkt naturgemäß einen enormen Anstieg des Bedarfs an Traktionsbatterien. Um diesen Bedarf zu decken und auf lange Sicht einen nachhaltigen Umgang mit den teils auf kritischen Rohstoffen basierenden Materialen zu gewährleisten, ist eine rentable und vollständige Rückgewinnung von entscheidender Bedeutung. Neben einer signifikanten Reduktion der effektiven Treibhausgasemissionen von Elektrofahrzeugen, bei der nicht nur die Nutzungsphase, sondern auch die Herstellung und Rohstoffgewinnung zu berücksichtigen sind, ermöglicht das Recycling der Lithium-Ionen-Akkus eine Reduzierung der global-wirtschaftlichen Versorgungsabhängigkeit von strategisch wichtigen Rohstoffen und bewirkt einen deutlichen Wettbewerbsvorteil aufgrund der verbesserten Außendarstellung beim Endkunden. Derzeit ist die Batterieproduktion der Haupttreiber in puncto CO2-Freisetzung

in der Elektromobilität und gefährdet dadurch die ökologischen Vorteile dieser Technologie. Daher sind die Verwendung von nachhaltigen Materialien und der Ausbau des Recyclings von Lithium-Ionen-Batterien von großer Wichtigkeit, um die CO2-Bilanz von Fahrzeugen mit Elektroantrieben zu verbessern.

Wie hoch ist denn der potenzielle RecyclingBeitrag?

Gegenüber der Primärproduktion von Kathodenmaterialien können so bis zu 90 % an CO2 eingespart werden. Gegenüber derzeitigen metallurgischen Aufbereitungsverfahren beträgt die mögliche Einsparung 20 bis 30 %. Außerdem ermöglichen die entwickelten Technologien eine gesteigerte Ressourceneffizienz durch die Kreislaufführung der Kathodenmaterialien. Lediglich geringe Mengen der sogenannten Lithium-Precursor und gegebenenfalls Nickel-, Kobalt- und Manganverbindungen müssen zugegeben werden. So lässt sich auch der Materialbedarf gegenüber der Primärproduktion um bis zu 80 % senken.

Inwieweit kann eine recyclinggerechte Konstruktion, das „Design forRecycling“,einvielversprechenderAnsatzfüreinenachhaltige Batteriewirtschaft sein?

Ich halte das für sehr wichtig und wertvoll. Auch wir entwickeln in einem BMBF-Projekt mit unseren Kollegen vom HelmholtzInstitut Freiberg für Ressourcentechnologie den Ansatz weiter, Designkonzepte direkt aus Simulationsergebnissen zur Batteriearchitektur und der zugehörigen Prozesstechnologie abzuleiten. Ziel ist eine Optimierung der Prozessparameter und -ketten, um die Eigenschaften des Schwarzmasse-Rezyklats für den Einsatz in einer Rezyklatbatterie zu qualifizieren. Die Designs bzw. Re-Designs der Batteriezellen basieren auf realen Material- und Exergieverlusten sowie Energie- und Materialflüssen. Auf Grundlage solcher Simulationen wird ein Konzept für recyclingoptimiertes Design auf Zellebene mit Anwendungsbezug erstellt.

Wie könnte eine komplette RecyclingInfrastruktur im Idealfall aussehen?

Die Komplettlösung hat sehr viele Facetten und ist sehr komplex. Wichtig wäre auf jeden Fall, neben jede Batteriefabrik direkt eine Batterierecycling-Fabrik zu stellen. So könnte man schon einmal den „Produktionsausschuss“ recyceln und ihn mit relativ geringem Aufwand der Produktion wieder zur Verfügung stellen. Für End-of-Life-Batterien braucht es dann eine einfache und schnelle Diagnostik, um beurteilen zu können, ob sich ein „Second-Life“ wirtschaftlich oder ökologisch lohnt – oder, ob die Batteriezelle dem Recycling zugeführt werden sollte. Bevor man dann ans Recycling denken kann, muss man sich erst einmal um das Entladen und die sichere, schnelle und robuste Demontage bis auf Zell-Niveau kümmern. Hierzu erarbeiten wir am IWKS in unserem Zentrum für Demontage und Recycling der E-Mobilität, kurz ZDR-EMIL, automatisierte und flexible Demontage- und Recyclingprozesse für alle Komponenten aus Elektrofahrzeugen. In Kooperation mit der regionalen Industrie können wir so eine hohe Recyclingeffizienz unter den Gesichtspunkten von Wirtschaftlichkeit, Resilienz und Nachhaltigkeit erreichen.

„Um die Kreislaufwirtschaft möglichst effizient und effektiv zu gestalten, ist es unbedingt nötig, einen EU-weit verpflichtenden ‚Batterie-Passport‘ einzuführen.“

Wie sollte sich der Wirtschaftsstandort Deutschland hier am besten positionieren?

Es sollten nicht mehr nur politische Absichtserklärungen gegeben werden, in denen das Recycling als wichtig und entscheidend für die Energiewende genannt wird. Für den Erfolg wird es wichtig sein, wie wir handeln – und nicht, was wir sagen.

Besten Dank für das interessante Gespräch.

© Fraunhofer IWKS

DR. BENJAMIN BALKE

ist seit 2018 beim Fraunhofer IWKS tätig und leitet dort seit April 2020 die Abteilung Energiematerialien. Nach seiner Dissertation im Jahr 2007 wirkte der studierte Chemiker und Mathematiker mehrere Jahre bei verschiedenen internationalen Forschungsprojekten mit, u.a. für die Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, die UC Berkeley in den USA und die Universität Stuttgart. Mit zahlreichen Forschungsprojekten und Publikationen ist Balke heute u.a. namhafter Experte im Bereich Batterierecycling, Materialforschung, Wertstoffkreisläufe und Ressourcenstrategie.

© Michaela Spohr/Deutscher Städtetag

MEHR POWER FUR DIE MOBILITATSWENDE

WIE MEHR TEMPO IN DER VERKEHRSWENDE EINEN BEITRAG ZUR ENERGIEWENDE LIEFERN KANN

„Lebens- und Aufenthaltsqualität, Verringerung von Schadstoffausstoß, Flächensparen und CO��-Einsparungen sind nicht zum Nulltarif zu haben.“

Im Gespräch mit Hilmar von Lojewski, Beigeordneter für Stadtentwicklung, Bauen, Wohnen und Verkehr beim Deutschen Städtetag

Daniel Boss

Herr von Lojewski, der Deutsche Städtetag galt nicht unbedingt als großer Fan des 9EuroTickets. Wie beurteilen Sie diese populäre Maßnahme heute?

Es ist richtig, dass wir anfangs nicht besonders vom 9-Euro-Ticket überzeugt waren. Und die tatsächliche Rechnung wird ja erst 2024 präsentiert – auch wenn der Bund Vollkompensation zugesagt hat. Jetzt sehen wir die Begeisterung der Fahrgäste und eine höchst willkommene Rückkehr in die Öffis. Diese Begeisterung und Motivation, mit Bussen und Bahnen zu fahren, müssen wir aufrechterhalten. Eine direkte Anschlusslösung an das 9-Euro-Ticket wäre besser gewesen. Diese Chance wurde vertan. Zudem muss die Gegenfinanzierung durch Bund und Länder stimmen, um die kommunalen Verkehrsunternehmen und Verkehrsverbünde nicht zusätzlich zu belasten. Dabei sollten auch die Fernbusunternehmen nicht vergessen werden. Sie hatten bislang überhaupt nichts vom verbilligten Ticket – ganz im Gegenteil, sie haben Fahrgäste dadurch verloren. Und die Kommunen befürchten, dass bei einer Fokussierung auf ein solches Ticket andere, deutlich wichtigere Themen in den Hintergrund geraten könnten. Welche wären das?

Der Verkehrssektor muss einen deutlichen Beitrag für die Klimawende liefern. Diesen ist er bislang schuldig geblieben. Dazu muss die E-Mobilität ausgebaut und der Schwerlastverkehr auf die Schiene verlagert werden. Herzstück bleibt der ÖPNV, den die Kommunen betreiben. Es geht um Ausbau, Erneuerung und Betrieb des Schienenpersonennahverkehrs in Städten und Regionen und des ÖPNV. Für eine wirksame Mobilitätswende, lebenswertere Städte und Regionen und das Einhalten der CO2-Minderungsziele müssen wir die Zahl der ÖPNV-Nutzer:innen bis 2030 verdoppeln. Wir wollen die Menschen also dauerhaft aus dem Auto holen. Das geht nur mit einer Trias an Maßnahmen. An erster Stelle stehen der Ausbau der Systeme und neue attraktive Angebote. Dafür war es zunächst erforderlich, das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz ordentlich auf den Weg zu bringen. Mit ordentlich ist gemeint: nicht mehr nur 330 Millionen Euro pro Jahr für alles, wie das jahrzehntelang der Fall war, sondern eine deutlich wachsende Finanzierung. Wir brauchen schlicht mehr Geld, wenn wir Systeme ausbauen wollen. Leider hatte sich der Gesetzgeber

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