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INTERVIEW

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LIFT OFF

LIFT OFF

SAUBER UND LOKAL

GRÜNEN WASSERSTOFF FÜR DIE MOBILITÄTSWENDE RICHTIG EINSETZEN

TEXT: Andreas Schmuderer, Head of Energy Performance Services, Siemens Smart Infrastructure Deutschland

Keine Frage: Auf dem Weg zu einer klimaneutralen Industriegesellschaft ist grüner Wasserstoff, der aus erneuerbaren Energien hergestellt und dezentral genutzt wird, ein wichtiger Baustein. Um seine Potenziale aber wirklich voll nutzen zu können, müssen bestimmte

Voraussetzungen gegeben sein. Das zeigt nicht zuletzt der mögliche Einsatz von Wasserstoffantrieben in der Mobilität der Zukunft – zu Land, zu Wasser und in der Luft.

© Siemens AG (2)

Wasserstoff (H2) ist ein hervorragender Energieträger. Er lässt sich beliebig lange speichern und bei Bedarf wieder in Strom umwandeln. Dezentral produziert, ermöglicht er zudem kurze Transportwege. Allerdings ist seine Herstellung mittels Elektrolyse, wobei aus Wasser mithilfe von Strom Wasserstoffmoleküle extrahiert werden, energieaufwendig. Eine Voraussetzung für eine gute Ökobilanz ist deshalb, dass ausreichend Strom aus erneuerbaren Energiequellen für die Elektrolyse verfügbar ist. Außerdem ist die Produktion in erster Linie an das Wasservorkommen gebunden. Für ein Kilogramm H2 werden, inklusive aller Nebenprozesse, 17 kg Frischwasser benötigt. Damit scheiden Produktionsstandorte aus, die zwar sonnen- oder windverwöhnt, aber wasserarm sind.

Planbare Mobilität erleichtert Einsatz von Wasserstoff Um den Einsatz von grünem Wasserstoff langfristig zu etablieren, sind nicht nur die bereits vorhandenen industriellen Nutzungssektoren, wie zum Beispiel in der Metallurgie, Stahlproduktion und Chemieindustrie, relevant. Mindestens ebenso große Potenziale bietet die Wasserstoffmobilität. So gibt es bereits Wasserstofftankstellen für Kfz und Lkw. Personenzüge mit Wasserstoffantrieb sind in der Erprobung. Die Entwicklung wasserstoffbetriebener Schiffe schreitet mit gewaltiger Geschwindigkeit voran. Und auch in der Luftfahrt steckt ein immenses Potenzial, durch wasserstoffbasierte Technologie den Ausstoß von CO2 zu reduzieren. Hier sind allerdings noch weitere Prozesse notwendig, um Kerosin zu ersetzen. Einen großen Vorteil bietet in diesem Zusammenhang der Bahnverkehr, wo die Strecken hinsichtlich Route und Betankung genau planbar sind. So kann die Betankung strukturiert an geeigneten Knotenpunkten erfolgen. Das Gleiche gilt für den planbaren öffentlichen Verkehr, zum Beispiel durch Busse. Auch der planbare Lkw-Verkehr birgt große Möglichkeiten für eine wasserstoffbasierte Energieversorgung – und perspektivisch auch der freie Lkw- und Pkw-Verkehr. Allerdings gilt: Je individueller die Mobilität, desto aufwendiger gestaltet sich die Realisierung eines Versorgungsnetzes. Denn dieses muss sehr dicht sein, um den Ansprüchen der Verkehrsteilnehmer:innen an eine spontane Betankung gerecht werden zu können.

Auch in Wunsiedel wird die Mobilität unterstützt. Aus diesem Grund wird 2023 eine Wasserstofftankstelle für den Schwerlastverkehr errichtet, der sich aus der kürzlich – im September 2022 – in Betrieb genommenen Siemens-Wasserstoffanlage in Wunsiedel bedienen kann. Bis zu 1.350 Tonnen grüner Wasserstoff werden dort jährlich produziert und dezentral genutzt, die wiederum rund 13.500 Tonnen CO2 einsparen. Über eine Erweiterung der Anlage werden derzeit bereits Gespräche geführt.

Wasserstoffproduktion trägt zur Netzstabilität bei Wasserstoff soll vor allem dann produziert werden, wenn eine Region Stromüberschüsse aus erneuerbaren Energiequellen verzeichnet. Andersherum können zudem lokale Defizite in der Stromversorgung mithilfe eines Wasserstoffspeichers behoben werden. Das Ziel ist es also, einen Schritt weiter weg vom globalen Stromnetz hin zu einem lokaleren Netz zu gehen. Damit wird die Resilienz der Stromversorgung gesteigert und eine größere Netzstabilität erreicht – und das klimaneutral.

ANDREAS SCHMUDERER

ist als Head of Energy Performance Services bei Siemens Smart Infrastructure in Deutschland tätig. In dieser Funktion berät und betreut er viele Kunden, wenn es darum geht, die Energieversorgung intelligent und nachhaltig zu gestalten. So auch von Beginn an das Nachhaltigkeitsprojekt der Stadtwerke Wunsiedel und mit einer nun siebenjährigen Technologiepartnerschaft, die einiges erreicht und umgesetzt hat.

Weitere Informationen: www.siemens.de/smartinfrastructure

NEVER WALK ALONE

UBER SYNERGETISCHE KOOPERATIONEN UND INNOVATIVES SELBSTVERSTANDNIS

„Man muss heute weiterdenken als nur ‚Fahrzeug, Zulieferer, Infrastrukturanbieter‘ und so weiter. Zwangsläufig kommt man dann zu Ökosystemen, wenn man das Ganze etwas größer denkt.“

Im Gespräch mit Ferry Franz, Director Hydrogen Affairs Europe bei Toyota Motor Europe

Michael Müller

Herr Franz, die EUKommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat verkündet, dass eine europäische WasserstoffBank gegründet wird, die mit einem Investitionsvolumen von drei Milliarden Euro den Wasserstoffmarkt ankurbeln soll. Wie schätzen Sie diese Initiative ein?

Es sind sogar 5,4 Milliarden Euro. Ergänzend dazu geht die Behörde davon aus, dass noch private Investitionen von etwa neun Milliarden Euro dazukommen. Man erwartet, dass in Deutschland allein Investitionen in Höhe von 33 Milliarden Euro getätigt werden.

Ich glaube, dass es insgesamt eine sehr willkommene Initiative ist, die zeigt, dass es nicht nur auf Länderebene mit Wasserstoff vorangeht, sondern auch auf EU-Ebene. Was von der EU kommt, ist immer ein Signal. Es gibt natürlich bereits reifere Länder, die viel mehr investieren. In Deutschland sind wir noch einmal erheblich besser, weil die Bundesregierung mit dem Wirtschaftsministerium schon 62 Großvorhaben für dieses Projekt ausgewählt hat, die mit acht Milliarden Euro aus den Bundes- und Landeshaushalten gefördert werden sollen. Im Zusammenspiel mit dem Zeitplan Fit for 55, der vorsieht, entlang der TEN-Verkehrskorridore (TransEuropean Networks) in einem bestimmten Abstand Wasserstofftankstellen zu errichten, ist das meiner Ansicht nach genau das richtige Signal aus Brüssel, das wir jetzt brauchen – auch für Energiesicherheit und weitere Unabhängigkeit von Drittländern und Ölprodukten wie Erdgas.

Toyota hat gemeinsam mit GP Joule und CaetanoBus ein gemeinsames Vorhaben angekündigt, bei dem ein regionales Wasserstoffcluster angestrebt wird. Damit wollen Sie außer Kraftstoffherstellung und vertrieb auch die Nachfrage nach Fahrzeugen anregen. Ist das die nächste Evolutionsstufe von WasserstoffÖkosystemen?

Man muss heute weiterdenken als nur „Fahrzeug, Zulieferer, Infrastrukturanbieter“ und so weiter. Zwangsläufig kommt man dann zu Ökosystemen, wenn man das Ganze etwas größer denkt. Die können straßengebunden sein, aber zusätzlich kann man darüber nachdenken, ob andere Verkehrsträger, wie z.B. Züge, eine Rolle spielen. In Spanien hat Toyota mit weiteren Partnern eine Kooperation mit CAF, wo wir gemeinsam einen Wasserstoffzug entwickeln und bauen werden. Oder eben Lkw und Busse: CaetanoBus ist ein großer Hersteller von Bussen in Portugal, und

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