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dort auch unser Importeur. Insofern war die Entscheidung relativ naheliegend. Wir haben gemeinsam mit Caetano in Portugal eine Fabrik gebaut. GP Joule ist, obwohl schon länger am Markt, immer noch mit einer wahnsinnigen Start-up-Mentalität gesegnet. Das ist ein Unternehmen, das sich im Wasserstoff-Bereich engagiert und da von sich aus weitergedacht hat, weil es angefangen hat, grünen Wasserstoff in Norddeutschland zu produzieren und den dann in eigenen Tankstellen zu verteilen. Die haben auch schon sehr früh angefangen, mit uns zu sprechen, und im eFarmProjekt auch schon Caetano-Busse für den regulären Linienverkehr im Einsatz. Wir sprechen über weitere Lösungen, die wir gemeinsam erarbeiten können, die zwar nicht from-the-cradle-tothe-grave sind, aber sehr früh anfangen. Nämlich mit regenerativ erzeugtem Wasserstoff, der zu einer Tankstelle transportiert und dort vertankt wird, in Produkte aus unserem Haus im Idealfall. Für uns wird dann ein sehr spannender Schuh daraus. Vor allem, weil es grüner Wasserstoff ist, der im Moment deutschlandweit noch viel zu wenig angeboten wird.

Woran liegt das? Und wie kann das Angebot erhöht werden?

Um das Stromnetz im Gleichgewicht von Erzeugung und Verbrauch stabil zu halten, wird als Erstes die Stromproduktion der Windräder und Photovoltaik-Anlagen gedrosselt, sobald die Stromnachfrage niedrig ist und das Netz keinen weiteren Strom aufnehmen kann. Dazu kommen Abgaben, wie z.B. die EEGUmlage, und eine auf eine großflächige Produktion von grünem Wasserstoff in Deutschland angelegte Produktion ist derzeit sehr schwierig, da die Bundesregierung für Elektrolyseprojekte in Deutschland auf dem Prinzip der Zusätzlichkeit besteht. Das bedeutet, dass grüner Wasserstoff nur aus Wind- und Solarparks gewonnen werden darf, die zusätzlich gebaut werden, was sich natürlich auf die Kosten für grünen Wasserstoff auswirkt – mal ganz abgesehen vom regulatorischen Rahmen, der oft mit einem jahrelang dauernden Genehmigungsverfahren daherkommt.

Grundsätzlich hat man daher in der Vergangenheit eher die Windräder abgestellt, als diese Energie für die Erzeugung von grünem Wasserstoff zu nutzen. Beispielsweise gingen im Schnitt letztes Jahr dadurch fast sechs Terrawattstunden Strom pro Jahr in Deutschland verloren – Energie, mit der man, wenn man sie zur Produktion von grünem Wasserstoff eingesetzt hätte, über eine Million Wasserstoff-Pkw ein Jahr lang hätte betreiben können.

Ein Blick aufs Elektrolyseur-Business: Das wird sich bei den steigenden Energiekosten schneller kostendeckend entwickeln als gedacht – weg vom Kleinmaßstab hin zur Serienfertigung in Gigawattmaßstab – verschiedene deutsche, europäische und internationale Unternehmen bauen aktuell ihre Elektrolysefertigungen aus.

Wie sehen Sie grundsätzlich die Relevanz der Ausbildung solcher soeben beschriebener Ökosysteme für den Markthochlauf von Wasserstoff?

Ich glaube, das ist wahnsinnig wichtig und dass man vielleicht teilweise zu kurz denkt. Wir haben ein anderes Ökosystem, das wir gerade in der Nähe von Venedig aufbauen, wo es auch um straßengebundenen Transport geht, aber natürlich auch im nächsten Schritt darum, wie man die Lagunenstadt eventuell demnächst mit Wasserstoffbooten besichtigen kann. Insofern wachsen da plötzlich Mobilitätsformen zusammen. Das ist sehr wichtig, um die Stationen auszulasten und profitabel zu machen. Wenn man nicht nur Pkw hat, sondern auch noch Busse und Lkw, wird das sehr viel einfacher.

Bei batterieelektrischer Mobilität sind das Bottleneck die Ladepunkte, die den Markthochlauf und die Bereitstellung gegenseitig beeinflussen. Wie könnte eine Kombination von Wasserstoff und ELadeinfrastruktur diese Sache vorwegnehmen oder die Elektrifizierung des Verkehrs vorantreiben?

Die mangelnde Infrastruktur eint beide Antriebsformen. Wir haben aktuell geschätzt 55.000 Ladepunkte in Deutschland, davon 10.000 Schnellladepunkte. In Deutschland gibt es 96 Tankstellen für Wasserstoff. Damit komme ich bequem durch Deutschland. In dem Moment, wo ich ins Ausland muss, habe ich mit Wasserstoff aktuell noch Probleme, weil dort auch die Hauptverkehrsrouten noch nicht angebunden sind. In Deutschland bin ich selbst im letzten Jahr 25.000 Kilometer in unserem Wasserstoffauto ohne jedes Problem gefahren. Im Endeffekt könnten die Anbieter ja die Gleichen sein. Sie lesen, dass die klassischen Mineralölkonzerne mit ihren Tankstellen Schnellladepunkte einrichten wollen. Die Totals, Shells und OMVs dieser Welt, um nur einige zu nennen, sind auch Wasserstoffanbieter und bauen einen Großteil der Infrastruktur auf. Insofern kann das durchaus zusammenwachsen, speziell auf Langstrecken, auf Autobahnen und Betriebshöfen. Ich glaube, da ist es wichtig, eine gute Flächenabdeckung zu haben. Davon sind wir bei beiden Technologien noch weit entfernt, obwohl schon sehr viel investiert wurde.

Gerade auch im Batteriebereich: Ich sehe, dass in den letzten sechs Jahren vonseiten der Bundesregierung 50 Millionen Euro in Wasserstoffinfrastruktur investiert wurden. In private Ladeinfrastruktur wurden schon 900 Millionen Euro investiert. Und es gibt gerade eine Ausschreibung für öffentliche Ladeinfrastruktur für zwei Milliarden Euro. Es passiert insofern schon einiges. Wenn man sich das Ziel der Bundesregierung – das auch gerade wieder einmal in Frage gestellt wird – von einer Million Ladepunkten anschaut, ist die Pace noch lange nicht hoch genug, gerade auch im Elektrobereich.

Um auf den Einsatz von wasserstoffbetriebenen Pkw und Bussen im alltäglichen Betrieb zu sprechen zu kommen: Hier bestehen über Effizienzen im Schichtbetrieb besondere Vorteile für Flottenmanager oder kommunale Mobilitätsanbieter. Können Sie erklären, worauf sich das bezieht oder wie man das am besten für sich einsetzen kann?

Ich fand das Argument für mich immer wahnsinnig nachvollziehbar, was mir ein Buslinienbetreiber in Spanien sagte. Er wurde nach Effizienz gefragt, denn ein Wasserstoffbus sei in der Anschaffung teurer als ein batteriebetriebener Elektrobus. Er antwortete, wenn er jedoch diesen Bus einsetze, brauche er auf dieser Linie nur einen Bus. Wenn er das mit Elektro machen würde, bräuchte er mindestens zwei Busse auf der gleichen Linie, weil die sich mit den Ladezeiten abwechseln müssten. Damit sei die Wasserstofftechnik preiswerter.

Die Stadtwerke in Berlin etwa haben schon verschiedene Müllsammelfahrzeuge mit Wasserstoffantrieb im Betrieb. Sie sagen, dass die total cost of ownership mit Ankauf usw. natürlich noch teurer sei, aber die laufenden Kosten bei einem Wasserstofffahrzeug schon heute geringer als bei einem konventionellen Dieselfahrzeug seien. Zusätzlich darf man auch nicht vergessen, dass es beim Wasserstoff-Pkw in aller Regel – ähnlich wie bei einem Elektrofahrzeug – weniger Teile gibt, die kaputtgehen können.

Mit Woven Cityverfolgt Toyota eine Innovationsstrategie, bei der in dieser Idealstadt reale Cases entwickelt und erprobt werden; in den Bereichen Mobilität und Energie, aber eben auch im Bereich Urbanismus. Können Sie uns aus diesem Innovationsprinzip etwas mitteilen? Wie spiegelt sich das in dem Konzern wider?

Ich fange mal etwas früher an, bevor ich zur Woven City komme. Wir reden ja immer von einer Mobilitätswende, aber de facto sprechen wir fast immer nur über eine Antriebswende. Eins muss uns klar sein: Die heutigen Städte sind im Endeffekt spätestens in den 50er-Jahren entstanden oder noch einmal umgebaut worden. Man muss sich Folgendes vergegenwärtigen. Ein VW-Golf der aktuellen Generation wiegt mehr als das Doppelte eines VW-Golfs der ersten Generation. Und ein 3er-BMW wiegt heute schon ungefähr 500 kg mehr als ein 7er-BMW der ersten Generation. Dies, in Verbindung damit, dass wir im Schnitt 39 km pro Tag fahren, 1,4 Personen im Auto sitzen und das Auto nur 45 Minuten nutzen, muss eigentlich sofort aufzeigen, dass wir umdenken müssen.

Dieses Umdenken hat bei Toyota relativ früh eingesetzt. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, eine Mobilitäts-Company zu werden. Wir möchten Mobilität anbieten und Menschen mobil halten, egal, auf welche Art und Weise. An einem bestimmten Punkt stellt sich dann die Frage: Wie haben wir früher Mobilität entwickelt? Und zwar auf unseren Teststrecken; wie etwa auf der in den 80er-Jahren in Shibetsu neu aufgebauten Teststrecke für Highspeed-Erprobung. Insofern muss man Woven City auch als eine Art Teststrecke sehen. Wir wollen damit die Sustainable Development Goals der UN erfüllen. Woven City ist komplett auf den Menschen ausgerichtet, muss ein lebendes Labor sein und sich ständig weiterentwickeln. Wir trennen bei dieser Stadt den Verkehr und die Verkehrsträger. Das heißt, wir versuchen, den Lieferverkehr möglichst unterirdisch verkehren zu lassen und die letzte Meile beispielsweise mit Drohnen oder autonom fahrenden Kleinfahrzeugen zu bestellen. Wir werden die Fußgänger:innen und Fahrradfahrer:innen komplett von dem klassischen PkwVerkehr entbinden, denken aber auch dort nochmal signifikant weiter. Mittlerweile sind bei uns über 5.000 Forschungsvorhaben eingereicht worden, aus der Landwirtschaft, aus der Bildung, aus dem Gesundheitswesen. Und wir setzen das Ganze auch nur mit eigenen finanziellen Mitteln von Toyota um. Wenn wir Fördermittel der japanischen Regierung nehmen würden, dann könnten wir das nicht so frei gestalten und ausführen, wie wir uns das vorstellen. Das fließt alles in Woven City ein. Ich freue mich riesig, wenn es einmal fertig ist und ich es dann das erste Mal besuchen darf. Das ist eine tolle Sache, Mobilität und Lebensqualität komplett anders zu denken und weiterzuentwickeln.

Vielen Dank für das interessante Gespräch.

FERRY M. M. FRANZ

ist seit 2005 für Toyota tätig. Hier verantwortete er als General Manager unter anderem Lexus Deutschland, bevor er 2017 zu Toyota Europa wechselte. Seit dem 1. Januar 2017 ist er Direktor der Toyota Motor Europe Konzernrepräsentanz in Berlin mit den Fokusfeldern Nachhaltige und Innovative Mobilität (Wasserstoff & Elektromobilität, inklusive Koordinationsfunktion für Frankreich und Großbritannien), Verbände und Politik. Zusätzlich ist Ferry M.M. Franz seit 2021 Direktor für Hydrogen Affairs Europe bei Toyote Motor Europe NV/ SA. Der studierte Rechtswissenschaftler und Ökonom war zuvor bei der der Kienbaum Unternehmensberatung in Düsseldorf mit den Schwerpunkten Medien und Telekommunikation tätig und dort ab 1999 als Principal für diesen Bereich verantwortlich, sowie später Partner und Mitglied der Geschäftsleitung bei der Dr. Mortsiefer Management Consulting in Köln.

NEUE MUSTER FUR DIE STADT

MIT DESIGN UND FARBE WANDEL VERMITTELN

Das Kunstwerk überdeckt die Fahrbahn des Mainkai, der zwischen dem Eisernen Steg (rechts) und dem Weg zum Römerberg (links) entlangführt.

Die Rolle zivilgesellschaftlicher Mitgestaltung in raumprägenden Stadtentwicklungsfragen geht über die Akzeptanz von Maßnahmen hinaus, in die aktive visuelle Bildgebung von Räumen und deren funktionale vielschichtige Neuinterpretationen. Stadträume wirken bei den Interventionen als Medium, wobei Farbe und Design für die Aktivierung und Kommunikation des Wandels eine besondere Rolle zukommt.

Mit experimentellen Rauminterventionen bleibende Reize zu setzen, dafür steht Tactical Urbanism. Bei dieser Form der Planung werden experimentelle Rauminterventionen von Stadt und Zivilgesellschaft gleichermaßen zugelassen, um dort über die Aktion, also die zeitlich befristete Billigung von spontanen Umwidmungen dauerhafte Lösungen von Planungsaufgaben zu finden. Temporäre Fahrradwege, Verkehrsberuhigung, bunte Fußgängerüberwege, die Umwandlung von Parkplätzen in Pop-up-Parks – um solche und weitere Aktivitäten bzw. die für die Umsetzung genutzten Techniken und Strategien geht es bei Tactical Urbanism, einem bürgernahen und unmittelbaren Planungstool für strittige Raumfragen sowie menschenzentrierte Stadtentwicklung.

Hierbei spielen kreative Designs der Raumgestaltung und visuelle Kommunikation eine zentrale Rolle. Transformationsprozesse und neue Raumkonfigurationen werden über positive Reize von Farbe, Möblierung und Begrünung vermittelt; Zukunftslust durch Eigeninitiative und Identifikation über Gestaltung erzeugt. Barcelonas Superblocks oder Mailands Piazze Aperte bringt man unweigerlich mit farbigen Designs und kreativer Möblierung in Verbindung – die gelben Dreiecksmuster der Superblocks sind grafisches Symbol für die Zurückgewinnung von Straßenraum geworden.

In Frankfurt am Main sorgt das Kollektiv TAB e.V. mit großformatiger farblicher Inszenierung von Stadt- und vor allem Straßenräumen für transformatives Design und neue Wahrnehmung von Orten. Das Kollektiv entstand 2015 aus einer Initiative von Kreativen, Gastronomen und Engagierten heraus, mit dem Ziel, dem Bahnhofsviertel in Frankfurt zu einem neuem Image zu verhelfen. Mittlerweile sind die Mitglieder an diversen Orten aktiv, wo auch immer ein kreativer Impuls zu neuem Raumverständnis verhelfen soll. Den Kern bilden der Gastronom James Ardinast, Initiator der IMA Clique, Amin Baghi, Agenturchef von esistfreitag sowie der Artist-Manager Florian Joeckel, Initiator der guilty 76 Street Guerilla – deren Aktionen aufmerksamen Tour-de-France-Beobachter:innen bereits begegnet sein sollten. Joeckel hat zudem mit der Zwischennutzung einer ehemaligen Druckerei, dem Massif Central, in Frankfurt am Main einen zwanglosen Begegnungsort geschaffen, der Ateliers und eine Rennradbar beheimatet und Raum bietet für Events, Märkte und spontane Ideen.

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