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Lebenshilfe Rodenkirchen

Wo bleiben Respekt und Wertschätzung? Klatsche statt Klatschen

Zu Beginn der Corona-Pandemie haben viele Angestellte der „Lebenshilfe Rodenkirchen“ gehört, wie ihre Nachbarn sowie die Anwohner für sie abends in der Dämmerung auf den Balkonen geklatscht haben. Diese freundliche Geste für die Arbeit der sogenannten „systemrelevanten“ Gruppen hat, zumindest in der Anfangsphase, unsere Kolleginnen und Kollegen sehr motiviert. Leider ist diese positive Stimmung inzwischen immer seltener geworden: Mittlerweile gibt es vermehrt Zusammentreffen mit äußerst unangenehmen Zeitgenossen – vor allem in den Supermärkten unseres Wohngebietes in Sürth, Weiß und Rodenkirchen. Unsere Mitarbeiter fragen sich nun, ob das Klatschen nur ein Vorgeschmack auf verbale „Ohrfeigen“ war.

Zum Hintergrund: die betreuten Menschen in unseren Häusern sind durch das Virus gefährdete Personen. Durch das Gruppenwohnen ist die Kontaktdichte untereinander trotz aller Hygienemaßnahmen wesentlich höher. Viele haben Angst vor dem Virus, fühlen sich in Menschenmengen und im unübersichtlichen Umfeld unwohl oder sind schlicht gesundheitlich angegriffen. Insofern müssen wir hohe Vorsicht walten lassen. Dies bedeutet auch, dass für einen Teil der betreuten Personen Einkäufe des täglichen Bedarfs stellvertretend erledigt werden – und zwar in den Supermärkten der Umgebung.

… aus dem Alltag Für die Kolleginnen und Kollegen ist das oft eine recht komplexe Angelegenheit, zum einen durch die Vielfalt der persönlichen Artikel und des Gemeinschaftsbedarfs, zum anderen auch durch zeitlichen Druck. In der Regel versuchen wir daher, in Zeiten geringer Stoßzeiten einzukaufen. Dennoch kommt es an den Kassen immer wieder zu den unmöglichsten Kommentaren. Einige Beispiele: „Können Sie mal sagen, was Sie damit machen?“ - „Das wird bestimmt eine tolle Corona-Party!“ - „Man könnte denken, der Krieg ist ausgebrochen!“ - „Schön gehamstert!“ - „Sie halten den Verkehr auf!“ - „Dafür gibt es den Großhandel!“ Den Gipfel bildete allerdings der schöne Satz: „Es interessiert mich überhaupt nicht, für wen Sie hier einkaufen, es ist einfach unverschämt.“

Pöbelei in der Pandemie Schon klar, niemand steht gerne hinter einem vollen Einkaufswagen, ich selbst ebenfalls nicht. Aber es ist das gute Recht eines jeden von uns, Einkäufe zu tätigen, wann und wo es zeitlich passt und vor allem, dies unkommentiert durch Dritte zu tun. Die Egomanie und Rüpelhaftigkeit mancher Zeitgenossen haben im Zuge der Corona-Pandemie deutlich zugenommen, man hat den Eindruck, als legen es einige bewusst auf Streit an. Dies beobachte ich nicht nur im Falle meiner Kolleg*innen, sondern oft auch dann, wenn Kunden an der Kasse „aufhalten“, seien es vielleicht ältere Herrschaften, die aus Sicht der Pöbelnden nicht mehr flott genug sind, Familien oder Alleinerziehende mit Kindern, die für die Woche einkaufen müssen und eben Menschen, die für andere Einkäufe tätigen. Ich enthalte mich dann selten eines Kommentars und überlege mir gleichzeitig im Stillen, welche schrecklichen Auswirkungen ein maximal fünfminütiges Warten an der Kasse für den Betreffenden wohl haben mag.

Wo bleibt der Respekt? Im Falle meiner Mitarbeitenden hat eine solche Rüpelei aber über den Ärger hinaus, auf eine(n) Flegel gestoßen zu sein, auch noch einen zusätzlichen demotivierenden Effekt: Sie fühlen sich schlichtweg nicht ernst genommen, wenn in der Abenddämmerung geklatscht wird und sie am nächsten Tag eine Klatsche bekommen. Schließlich handelt es sich hier um Personen, die ebenso wie Pflegepersonal und die Kolleginnen und Kollegen im Einzelhandel und viele mehr, einem deutlich höheren Infektionsrisiko ausgesetzt sind und (im Falle von Betreuungspersonal) zudem noch als Ansprechpartner für die Nöte der betreuten Personen dienen, von privaten Problematiken einmal ganz abgesehen. Ein angemessener Umgang gegenüber diesen Personengruppen und ein gewisser Respekt vor der Arbeitsleistung sollte daher eigentlich selbstverständlich sein.

Es geht auch anders Die derzeitige Pandemie scheint einmal mehr zu bestätigen, dass Krisen das Beste und das Schlechteste bei uns allen

hervorbringen. Um mich jedoch nicht im Negativen zu verlieren, möchte ich zum Schluss all den Mitarbeitenden und vielen freundlichen Kunden in den Rewe Märkten sowie bei Aldi, Penny und Netto danken, die unseren Kolleginnen und Kollegen im hohen Maße Freundlichkeit und Verständnis entgegengebracht haben, obwohl sie mit Sicherheit durch die derzeitige Situation selbst extrem belastet sind. Mein Dank gilt darüber hinaus auch all den Menschen, die sich immer wertschätzend und hilfreich um die Belange unserer Betreuten gekümmert haben.

Es liegt nun an uns, mit Umsicht und gegenseitiger Rücksichtnahme durch diesen unangenehmen Winter kommen. Ich bin aber sehr zuversichtlich, dass der kommende Frühling für uns noch eine ganze Menge an guten, sonnigen Tagen bringen wird und es uns gelingt, diesen üblen Spuk zu beenden. Text: Frank Erhard Foto: Andrey Bandurenko | stock.adobe.com

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