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Buchbinderin - ein selten gewordener Handwerksberuf
Ein Buchblock wird abgeleimt.
BESONDERE BINDUNG ZUM BUCH
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Nina Scholle übt seltenen Handwerksberuf aus
von Martin Büdenbender
Wissen Sie, was ein Buchbinder ist? Ein traditionelles war in diesem Beitrag nachzulesen, wurde von der Plettenberger Buchbinderin Nina Scholl zusammengefügt.
Handwerk, was vielerorts in Vergessenheit geraten ist. Vielleicht haben Sie Cornelia Funkes „Tintenherz“ gelesen oder als Film gesehen, und werden jetzt an den ganz. Zwar ist Nina Scholle in Plettenberg aufgewach-
Wie, in Plettenberg gibt es eine Buchbinderin? Nicht
Buchbinder Mortimer Folchart, kurz Mo genannt, denken. sen und zur Schule gegangen, aber ihren Beruf übt sie Manch einer wird sich vielleicht sogar an einen Pressebericht des vergangenen Winters erinnern: „Stadt Plet- www.buchbinderei-mensch.de). Komplett hat sie an ih-
in der kleinen Buchbinderei Mensch in Köln aus (https://
tenberg besitzt endlich ein Goldenes Buch“ titelte im Dezember die Online-Zeitung „Tach!“. Das gute Stück, so Schulter geschaut und sich mit ihr
rem Arbeitsplatz besucht, ihr beim Buchbinden über die unterhalten:
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Ab in die Presse.
Nina Scholle, erzählen Sie uns, wie Sie zu diesem Beruf gefunden haben: Ich glaube, dass erste Mal bin ich mit der Buchbinderei in Berührung gekommen, als ich auf der Suche nach einer Möglichkeit war, Texte, die ich geschrieben habe, zusammenzufassen, sprich zu binden. Das Internet war in dieser Hinsicht hilfreich. Dort konnte ich nachlesen, wie man Bücher bindet. Allerdings habe ich das damals nicht versucht. Aber mein Interesse war
geweckt. Eigentlich war Buchbinder gar nicht meine erste Wahl. Ich wollte eine Ausbildung im Bereich Fotografie machen. Doch das hatte nicht sollen sein und so habe ich mich an die Buchbinderei erinnert und mich einfach mal darauf beworben. Und das hat geklappt!
Wo haben Sie das Buchbinden gelernt, wie sah Ihre Ausbildung aus? Meine Ausbildung habe ich in der Ruhr-Universität-Bochum absolviert; in der hauseigenen Druckerei und Weiterverarbeitung, dem sogenannten Druckzentrum. Der Weg zur Buchbinderin führt über eine klassische dreijährige Ausbildung. Unterschieden wird zwischen Industrie und Handwerk. Ich habe meine Ausbildung im Handwerk gemacht, was aber nicht heißt, dass ich nicht auch schon an Maschinen gearbeitet hätte.
Wie reagieren ihre Freunde und Bekannte, wenn Sie ihnen von ihrem Beruf erzählen? Wenn ich erzähle, dass ich Buchbinder bin, reagieren sie auf zwei Arten. Die einen sagen: „Wird das nicht alles von Maschinen gemacht?“ und die andern haben eine romantisch verklärte Vorstellung à la „Tintenherz“ im Sinn. Klar werden die allermeisten Bücher von Maschinen produziert. Eine Harry Potter-Millionenauflage fertigt niemand von Hand. Aber im besten Fall steht neben der Maschine ein ausgebildeter Buchbinder, der die Maschine einrichtet und bestückt, die Produktion überwacht und die fertigen Teile stapelt. Der Handwerksbuchbinder fertigt keine Millionenauflagen. Er fertig Einzelstücke oder Auflagen in geringer Menge. Meine Fachrichtung als Buchbinder lautet „Einzel- und Sonderfertigung“.
hier spielen die verwendeten Materialien eine Rolle. Dazu kommen gestalterische Möglichkeiten, wie beispielsweise eine Reliefprägung. Das Buch „Der Insasse“ von Sebastian Fitzek hat eine wattierte Decke und erinnert auch durch die Optik an eine Gummizelle. Mit dem Inhaltspapier geht es weiter. Ist es hochweiß oder eher gelblich, gestrichen oder offenporig? Weiß ist nicht gleich weiß; es gibt so viele Farbnuancen. Ich kenne viele Leute, die, wenn sie ein Buch das erste Mal aufschlagen, ihre Nase in die Mitte halten und tief einatmen. Bücher riechen – je nachdem, wie sie bedruckt wurden, wie verleimt und welches Papier verwendet wurde. Alte Bücher riechen anderes als druckfrische. Und Bücher nehmen den Geruch ihrer Besitzer an. Und schließlich das Geräusch beim Umblättern. Meist ist es nichts Besonderes, aber zum Beispiel alte Bücher mit stark holzhaltigem Papier knistern beim Umblättern sehr speziell. Das ist irgendwie… nett. Nicht, dass jetzt der Eindruck entsteht, ich hätte zu Hause in meinem Bücherregal nur die schönsten und hochwertigsten Einbände stehen. Das ist mitnichten so. Der Großteil sind Taschenbücher. Aber wenn es um ein besonderes Buch geht, dann ist mir der Einband und die Aufmachung schon wichtig. Beispielsweise habe ich vor ein paar Jahren meinem Neffen zum Geburtstag ein Märchenbuch geschenkt. Da habe ich nicht einfach das Erstbeste genommen, sondern wirklich lange gesucht und verglichen, bis ich eins hatte, das mir auch optisch zusagte.
Als Buchbinderin habe Sie sicherlich eine besondere Beziehung zu Büchern: Bücher bedeuten mir sehr viel. Ich habe immer gerne gelesen. Ein Tablet käme mir nicht ins Haus. Ich finde es generell nicht so schön, von einem Bildschirm zu lesen. Und im Gegensatz zum Tablet kann man ein Buch mit fast allen Sinnen erfahren, zumal jedes Buch anders ist. Bei einem Tablet habe ich nur den blanken Text. Klar ist der Inhalt wichtig. Wenn der Inhalt Schrott ist, nützt die schönste Aufmachung nichts, aber ein Buch ist so viel mehr als nur Inhalt. Zunächst nimmt man das Buch mit den Augen wahr. Wie sieht es aus? Ist das Cover ansprechend? Was für Materialien wurden verwendet: Papier, Gewebe, Leder? Ich glaube, es gibt viele Leute, die sich ein Buch gekauft haben, weil es einfach interessant aussah. Als nächstes nimmt man es in die Hand, fühlt es. Auch
Die Falz wird mit einem Falzbein aus Teflon bearbeitet.
Wie wird ein Buch gebunden?Bei einer gängigen Bindung unterscheidet man erstmal zwischen Fadenheftung und Klebebindung. Bei derFadenheftung werden Lagen gebildet, indem gefalzteDoppelblätter ineinander gesteckt werden. Eine durchschnittlicheLage hat zwölf Seiten, also drei ineinandergesteckte Doppelblätter. Die einzelnen Lagen werdendann miteinander vernäht und anschließend abgeleimt.Bei der Klebebindung hat man Einzelblätter, die mittelsFächerklebebindung miteinander verbunden werden.
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Beide Buchblöcke müssen über Nacht trocknen, bevor sie am nächsten Tag beschnitten werden können. Je nach Dicke des Buchblocks kann eine Rundung angeklopft werden. Die Decke wird für beide Inhaltsvarianten gleich gestaltet. Die Pappen für Deckel und Rücken sowie das Bezugsmaterial werden zugeschnitten. Letzteres
wird mit Leim bestrichen, die Pappen werden aufgesetzt. Auch die Decke sollte über Nacht trocknen. Am nächsten Tag kann die Decke geprägt werden; beispielsweise mit dem Titel und dem Autor des Buches. Dann wird der Inhalt in die Decke eingehangen: beide Teile kommen also zusammen. Nochmal über Nacht trocknen lassen und schon ist das Buch fertig. Im Schnitt rechnen wir mit der Herstellung eines Buches mit drei bis fünf Werkstagen.
Eine gelbe Buchdecke wird hergestellt...
... und das Ergebnis mit Fingerspitzengefühl überprüft.
Mit der Ahle werden Löcher gestochen ...
... und anschließend die Fadenheftung vorgenommen.
Dann ist das Buchbinden eine aufwendige und sicherlich nicht gerade preiswerte Angelegenheit: Viele Leute glauben, ich hätte nahezu unendlich viel Zeit für die Bearbeitung eines Buches. Das stimmt natürlich nicht. Zeit ist Geld. Wenn ich Stunden über Stunden an einem Buch arbeite, kostet das natürlich. Ein handgebundenes Buch kriegt man nicht für zehn oder 20 Euro. Das muss den Leuten klar sein. Je aufwendiger die Gestaltung ist, desto teurer wird es. Wenn ich mir die Zeit nehmen würde, einen ganzen Tag an einem Buch zu arbeiten, wären das ein paar hundert Euro. Natürlich kann das der Fall sein. Ich habe vor ein paar Jahren eine Bibel repariert, bei der fast jede Seite mit Japanpapier stabilisiert werden musste. Das hat wirklich sehr, sehr lange gedauert, aber dem Kunden war es das wert. An einem „gewöhnlichen Buch“ arbeitet man rund eine Stunde. Das ist dann natürlich nicht so teuer.
Sie restaurieren auch Bücher? Weder meine Chefin noch ich sind ausgebildete Restauratorinnen – das ist ein Studiengang und nicht Teil der klassischen Buchbinderausbildung. Wir können Bücher nicht restaurieren, aber reparieren, sie also wieder gebrauchsfertig zu machen. Dabei wird von den Kunden meist gewünscht, dass möglichst viele Teile des Originalbuches erhalten bleiben. Wenn also beispielsweise der Falz gerissen ist, könnte man natürlich hergehen, die alte Decke entfernen und eine ganz neue fertigen. Für gewöhnlich wird in solchen Fällen aber „nur“ der der Rückenbereich, inklusive Falz erneuert. Das Gewebe des neuen Rückens wird unter die alten Deckelbezüge untergehoben und der alte Rücken ähnlich eines Titelschildes auf den neuen aufgeklebt. So ist der kaputte Falz wieder heil und man hat die optische Erscheinung des Originalbuches erhalten. Ganz häufig reparieren wir Koch- oder Kinderbücher. Fast immer ist es so, dass das zu reparierende Buch vor allem einen ideellen Wert besitzt, zum Beispiel das Kinderbuch, das man früher selbst immer wieder verschlungen hat und nun seinen eigenen Kindern oder Enkelkindern weitergeben möchte.
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einen Kunden fertigen wir Stammbücher; für einen anderen Mappen, in welche das Brautpaar ihre Gelübde einstecken kann; Archivkästen, Präsentationsmappen, Kassetten, Notizbücher… Die Liste ist lang, zumal ein Buchbinder ja nicht nur Bücher bindet, sondern wie gesagt auch Kästen, Kassetten, Schachteln. Manchmal muss auch nur etwas geprägt werden. Der Beruf ist vielseitig; das macht ihn so schön.
Ein ganzes Schränkchen voller Prägeschriften.
Ein ganzes Sortiment an Leinen für schicke Buchdecken.
Es kommt aber auch vor, dass tatsächlich wertvolle Bücher bei uns auf der Theke landen. Dann müssen wir entscheiden, ob wir diesen Auftrag mit unseren Möglichkeiten ausführen können. Wenn ein Buch beispielsweise von Schimmel befallen ist, haben wir weder die technischen Möglichkeiten, noch das nötige Wissen, um das Buch ordnungsgemäß zu bearbeiten. Das ist dann Sache eines ausgebildeten Restaurators.
Wer sind Ihre Kunden? Zum Glück haben wir die verschiedensten Auftraggeber – das macht unsere tägliche Arbeit sehr vielseitig und vielfältig. Zum einen sind da Privatpersonen, die beispielsweise Memoiren, Gästebücher oder Doktorarbeiten binden lassen. Häufig geht es dabei um Auflage eins oder eine ganz geringe Stückzahl. Auf der anderen Seite arbeiten wir auch mit Agenturen zusammen. Da kann es um einen Dummy-Bau gehen oder um größere Auflagen. Größere Auflagen heißt für uns 70 bis 100 Stück. Im Moment müssen wir zum Beispiel Papierskulpturen fertigen; Ende letzten Jahres waren es 500 ca. schuhkartongröße Kästen mit Magnetverschluss; für
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