Schweizersbild – ein Jägerlager der Späteiszeit. Schaffhauser Archäologie 2

Page 1


Markus Höneisen und Sabine Peyer

Schweizersbild - ein Jägerlager der Späteiszeit Beiträge und Dokumente zur Ausgrabung vor 100 Jahren Schaffhauser Archäologie 2


Schaffhauser Archäologie 2 Veröffentlichung der Kantonsarchäologie, des Museums zu Allerheiligen und von Pro Juliomago, Gesellschaft für Archäologie im Kanton Schaffhausen

Schaffhausen 1994


Markus Höneisen und Sabine Peyer

Schweizersbild - ein Jägerlager der Späteiszeit Beiträge und Dokumente zur Ausgrabung vor 100 Jahren

mit Beiträgen von Rudolf Glutz, Tina Grütter, Franz Hofmann, Karl Alban Hünermann, Elisabeth Langenegger und Hans Ulrich Wipf


Umschlag: Erwin Gloor (Zeichnung von Beat Scheffold und Fotos von Rolf Wessendorf) Die Publikation haben durch Beiträge ermöglicht: Sturzenegger-Stiftung Stadt Schaffhausen Kanton Schaffhausen Pro Juliomago, Gesellschaft für Archäologie im Kanton Schaffhausen Redaktion: Markus Höneisen Gestaltung: Erwin Gloor, Tom Stüdli und Markus Höneisen Zeichnungen: Ruth Baur, Beat Scheffold, Andreas Müller und Lydia Neidhart Abbildungen: Nachweis S. 231 Satz und Druck: Druckerei stamm+co, CH-8226 Sehleitheim Farblithos: Fotolithos Seba AG, 8052 Zürich Einband: Eibert AG, Grossbuchbinderei, Eschenbach Copyright by Kantonsarchäologie Schaffhausen Printed in Switzerland ISBN 3-907066-06-5


Inhaltsverzeichnis Vorwort (M. Höneisen)

7

1. Fundstelle

1. Geographische Lage und Topographie (M. Höneisen, R. Glutz) 2. Geologie der Umgebung (F. Hofmann) 3. Der Name der Fundstelle (H.U. Wipf) 4. Das Schweizersbild in alten und neuen Ansichten (T. Grütter)

13 16 20 23

3. Nachpaläolithische Belegungen (M. Höneisen)

127

3 .1. Mesolithisches Hirschjägerlager? 3.2. Neolithisches Gräberfeld 3.2.1. Anthropologische Bearbeitung (E. Langenegger) 3.2.2. Zur Grab- und Bestattungssitte 3.2.3. Grabbeigaben 3.2.4. Datierung der Gräber 3.3. Jüngere Belegungen

131 141 142 143 146

4. Die Wirbeltierreste vom Schweizersbild (K.A. Hünermann)

150

127 131

II. Zeit der Ausgrabung

1. Forschungsgeschichte (M. Höneisen) 2. Entdeckung der Fundstelle Schweizersbild (M. Höneisen) 3. Jakob Nüesch - Entdecker und Ausgräber. Biographische Notizen (S. Peyer) 4. Rudolf Häusler - Mitarbeiter und Widersacher (S. Peyer) 5. Die Ausgrabung im Schweizersbild 1891-1893 (M. Höneisen) 6. Die Ausgrabung im Spiegel von Zeitungsberichten (M. Höneisen, S. Peyer)

28 30 31 35 37 43

Formung der Landschaft Ausbreitung der Vegetation Raubvogelhorst Jägerlager Bestattungsplatz Kletterfelsen für Profis

153 154 154 157 160 162

163

51

Zusammenfassung

227

52

Anhang 1. Literaturverzeichnis 2. Abkürzungen 3. Abbildungsnachweis 4. Fundnachweis

229 229 231 231 232

55 57

IY. Fundstelle und Fundmaterial aus heutiger Sicht 1. Die Ausgrabung Nüeschs vor 100 Jahren (M. Höneisen)

63

1.1. Ausgrabungsmethoden gestern und heute 1.2. Schichtabfolge und Schichtbildung

63 63

2. Paläolithische Besiedlung (M. Höneisen) 2.1. Zur paläolithischen Siedlungsstruktur 2.2. Paläolithische Funde 2.2.1. Steinbearbeitung 2.2.2. Steingeräte 2.2.3. Geweih- und Knochenbearbeitung 2.2.4. Geweih- und Knochengeräte 2.2.5. Kleinkunst 2.2.6. Schmuck 2.2. 7. Fremde Materialien: Zeugnisse weitreichender Kontakte

1. 2. 3. 4. 5. 6.

VI. Dokumente und Materialien (M. Höneisen, S. Peyer)

III. Zeit der Auswertung und Publikation

1. Kongresse und Vorträge (M. Höneisen, S. Peyer) 2. Ausstellung im Rüdensaal (M. Höneisen, S. Peyer) 3. Publikation der Grabungsergebnisse (M. Höneisen) 4. Zum Verbleib des Fundmaterials (M. Höneisen)

V. Das Schweizersbild im Wandel der Zeit (M. Höneisen)

68 68 72 72 72 88 89 101 124 124


Abb. 1: Die Fundstelle Schweizersbild, am Stadtrand von Schaffhausen (Auji1ahme Frühjahr 1993 ). Der Felsen ist heute unter Bundesschutz gestellt.


Vorwort Vor 100 Jahren fand die aufsehenerregende Ausgrabung im Schweizersbild ihren Abschluss. Die bedeutende Fundstelle späteiszeitlicher Rentierjäger wurde 1891 entdeckt und in den Jahren 1891-1893 unter Leitung von Jakob Nüesch ausgegraben. Die Fundstelle und das zu Tage geförderte Fundmaterial gehörten damals zum Tagesgespräch. In grosser Zahl besuchten Schaffhauserinnen und Schaffhauser den Fundort. Vom In- und Ausland eilten Spezialisten, Naturwissenschafter, Archäologen, Heimatforscher, aber auch interessierte Laien zum Schweizers bild, um einen Augenschein von den Ausgrabungen und den Funden zu nehmen. In Schaffhausen wurde im Rüdensaal eiligst eine Ausstellung veranstaltet, um die sensationellen neuen Funde auszubreiten und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Der Name Schweizersbild erschien in allen Tageszeitungen und wiederholt auch in Fachzeitschriften des In- und Auslandes. Regelmässig wurde über die neuesten Entdeckungen und Funde berichtet. Bereits 1896, drei Jahre nach Abschluss der Grabungen, erschien eine umfassende Monographie über die Entdeckungen im Schweizersbild mit zahlreichen Beiträgen führender Wissenschafter. Innert kurzer Zeit schon war die Publikation vergriffen, so dass 1902 sogar eine zweite, erweiterte Auflage herausgegeben wurde. Heute ist die Fundstelle Schweizersbild dagegen wieder in einen tiefen Dornröschenschlaf versunken und «ruht» (im Autolärm) am Stadtrand von Schaffhausen - fast so, als ob sie nie entdeckt worden wäre. Beim Namen «Schweizersbild» denken viele Einheimische sofort an die seit 1977 rasant gewachsene Gewerbezone am Stadtrand von Schaffhausen. Fährt man vom Merishausertal in Richtung Herblingen oder umgekehrt, so bemerkt man auf nahezu halber Strecke noch die beiden markanten Hügelkuppen auf der nördlichen Talgrundseite. Vor allem im Sommerhalbjahr nimmt aber kaum jemand mehr das markant vorspringende Felsdach hinter dichtem Baumund Strauchwuchs wahr, wo vor mehr als 12 000 Jahren eiszeitliche Jägergruppen rasteten und vor 6000 Jahren ein jungsteinzeitlicher Bestattungsplatz lag. Auch in der Schule wird nur mehr selten vom Schweizersbild gesprochen. Werden im Unterricht die «Höhlenbewohner>> behandelt, so finden vor allem die Entdeckungen im Wildkirchli, Drachenloch und Kesslerloch Erwähnung - Fundstellen, die man gerne auch auf Schulausflügen besucht. Nicht anders verhält es sich mit Schulbüchern, wo der Name Schweizersbild heute ebenso selten auftaucht. Selbst im Museum zu Allerheiligen wird

man nicht gerade mit Erläuterungen über das Schweizersbild überhäuft. Fast vergeblich sucht man nach dem Fundmaterial; erst nach längerer Suche entdeckt man immerhin die beiden wichtigsten Kleinkunstwerke sowie eine Feuerstelle und ein Silexschlagplatz - leider alles nur Kopien! Das Fundmaterial wurde damals grösstenteils verkauft und wanderte von Schaffhausen weg, zur Hauptsache ins Schweizerische Landesmuseum nach Zürich, wo es indessen schon längst nicht mehr ausgestellt ist. Strassenbau und Ausbau der Industriezone Schweizersbild führten leider auch dazu, dass die Fundstelle heute für das Auge kaum mehr wahrnehmbar ist. Nur ab und zu wird der Ort hinter dichtem Baum- und Strauchwerk noch bewusst aufgesucht: von speziell archäologisch interessierten Personen oder aber von Kletterern, die mit dem Einschlagen ihrer Haken ihrerseits einen Beitrag zur Zerstörung der Fundstelle beisteuern - meist in Unkenntnis des für unsere früheste Geschichte so bedeutenden Kulturdenkmals. In Erinnerung an die Ausgrabung im Schweizersbild vor 100 Jahren veranstaltet daher die Kantonsarchäologie in Zusammenarbeit mit dem Museum zu Allerheiligen eine Sonderausstellung. Ausstellung und vorliegende Begleitpublikation möchten dazu einladen, das «alte» Schweizersbild im Rummel des «modernen» Schweizersbild gleichsam neu zu entdecken. Vor 100 Jahren steckte die prähistorische Archäologie noch in den Kinderschuhen. Vor diesem Hintergrund stellen die damaligen Grabungsarbeiten im Schweizersbild eine um so grössere Leistung dar, die im nachhinein wohl kritisiert werden kann, in hohem Masse aber auch Würdigung verdient. Es wird deshalb Wert darauf gelegt, dass in unserer Darstellung Zeitgenossen selber ausführlich zu Worte kommen, da nur sie auch die damaligen Forschungsansätze und das notwendige weltanschauliche Umfeld zur Darstellung bringen können. Unserer Schilderung und Darstellung der Grabungen und Funde aus heutiger archäologischer Sicht lassen wir daher umfangreiches zeitgenössisches Quellenmaterial - Zeitungsberichte, Briefe, Protokolle und Tagebuchauszüge - folgen.


Dank Besonderer Dank gebührt allen Autorinnen und Autoren, die durch Beiträge die vorliegende Publikation erst ermöglicht haben: Rudolf Glutz, Tina Grütter, Franz Hofmann, Karl Alban Hünermann, Elisabeth Langenegger, Sabine Peyer und Hans Ulrich Wipf. Die Präsentation des umfangreichen Quellenmaterials wäre in dieser Form nicht möglich gewesen ohne teils aufwendige Transkriptionen, die verdankenswerterweise Marianne Benz Seiterle, Erika und Dora Seeger sowie Hans Lieb besorgt haben. Gedankt sei auch allen Leihgebern für das Überlassen von wertvollem Fund- und Dokumentationsmaterial für Ausstellung und vorhergehende wissenschaftliche Bearbeitung: Schweizerisches Landesmuseum Zürich (Laurent Flütsch, Elena Corvi), Bernisches Historisches Museum (Karl Zimmermann), Museum für Völkerkunde Basel (Susanne Raas), Anthropologisches Institut der Universität Zürich (Robert Denis Martin) und Germanisches Nationalmuseum Nürnberg (Tobias Springer). Interessantes Material aus Privatbesitz der Familie Nüesch überliess uns zudem Marietta Fritz, Pfäffikon. Vergleichsmaterial verdanken wir ferner dem Service cantonal d' archeologie Neuchätel (Michel Egloff, Denise Leesch).

Schliesslich konnte die Ausstellung nur realisiert werden dank finanzieller Mittel von Stadt und Kanton Schaffhausen. In verdankenswerter Weise wurde die Finanzierung der Publikation weitgehend von der Sturzenegger-Stiftung übernommen, wofür wir Bernhard Peyer, Stiftungsratspräsident, herzlich danken. Druckbeiträge verdanken wir auch Stadt und Kanton Schaffhausen sowie Pro Juliomago, Gesellschaft für Archäologie im Kanton Schaffhausen. Für Unterstützung und Mithilfe beim Aufbau der Ausstellung und bei der Fertigstellung der Begleitpublikation sei Gerard Seiterle, Peter Im Obersteg, Erwin Gloor, Erich Kaiser, Rixa Müller, Daniel Gerbothe, Res Eichenberger, Ruth Baur und Kurt Bänteli herzlich gedankt. Die sorgfältige Drucklegung unserer Publikation lag in den Händen der Firma Stamm, Sehleitheim. Den beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, vorweg Uli Stamm und Tom Stüdli, sei auch dafür herzlich gedankt.

Markus Höneisen Kantonsarchäologe


Lied des Urmenschen vom Schweizersbild 1 Ich liege hier im Bärenfell Vor ungefügem Tische; Doch qualmet meine Feuerstell An russ'ger Felsennische. Nach Rentierfleisch hat mich begehrt; Nun ist die Keule aufgezehrt, Die Knochen sind zerschlagen. Noch trieft das Mark von meinem Maul; Zum Nagen bin ich jetzt zu faul Mit meinem vollen Magen.

Ein zweites Ross steht dicht dabei, Nach vorn gestreckt die Nüstern; Wie dies wohl zu erklären sei? Nach Fortschritt ist es lüstern. Zur Zukunft richtet es den Lauf; Ihm gehn die Theorien auf Von Darwin und von Häckel. Es wittert frische Morgenluft; Schon dringt zu ihm der süsse Duft Vom Doctor (?) fin de siecle.

Jedoch ein ächter Urmensch kann Auf fauler Haut nie sitzen: Drum fang ich denn mit Eifer an Den Feuerstein zu spitzen; Als Griffel soll er dienen mir, Mit dem ich ritze manche Zier Auf Knochen und auf Steine. Trotz Wolfsgeheul und Nebeldunst, Wir kennen schon die schöne Kunst Auch ohne Kunstvereine.

Zum Dritten zeigt die Gegenwart Das Bild des Elephanten: Die Zeit schwermütig, plump und hart, Die sie die Eiszeit nannten. Den Körper mach ich kurz und dick; Dann zeichne ich das Rüsselstück, Die Angeln wie zwei Bohnen, Und nur den Stosszahn lass ich sein; Sonst graben noch nach Elfenbein Die gier'gen Epigonen.

Ich zeichne erst ein stolzes Pferd, Den Kopf rückwärts gewendet. Es schaut zurück an unsern Herd, Den Asien einst gespendet. In eine längst entschwundne Zeit Urmenschliche Vergangenheit Soll es den Sinn versenken. Wie wird bewundern einst die Welt, Vor dieses Kunstwerk hingestellt, Mein allegorisch Denken.

Wie schad, dass uns noch unbekannt Das Schreiben und das Lügen; Ich würde sonst mit eigner Hand Zum Bild die Widmung fügen: ,,Dir, selbstsuchtsloser Forscher zart, Dir, Doktor mit dem Flammenbart, Dir, feuriger Culturmensch, Weih' ich mit Liebe und mit Takt Dies unschätzbare Artefact, Ich, der fossile Urmensch!"

1

Dokument aus dem Nachlass Nüesch.


Abb. 2: Das Schweizersbild am Stadtrand von Schaffhausen. Gut erkennbar sind die Nord-Süd-verlaufenden Randentäler, die gegen Schaffhausen zusammenlaufen (Hemmental, Merish.ausenal, Freudental). Die Talbi/dung dü,fte schon in einer Frühphase des Eiszeitalters begonnen haben. Das Schweizersbild liegt an einer besonders exponierten Stelle, wo sich die längs der Abdachung des Reiats verlaufenden Schmelzwasserrinnen und die quer dazu austretenden alten Randentäler kreuzen (Foto Swissair).

10


I. Fundstelle

Abb. 3: Paläolithische Fundstellen im Kanton Schaffhausen. Siedlungen: 1 Thayngen-Kesslerloch, 2 Schaffhausen-Schweizersbild, 3 Schaffhausen-Rosenhalde, 4 Thayngen-Untere Bsetzi, 5 Thayngen-Vorder Eichen, 6 Schaffhausen-Gsang, 7 Thayngen-Neue Höhle, 8 Thayngen-Kerzenstübli, 9 Schaffhausen-Dachsenbühltälchen. Einzelne Faunenreste: 10 Schaffhausen-Gsang (Rengeweih), 11 Schaffhausen-Blumenaustrasse (Mammutknochen), 12 Schaffhausen-Ebnat (Moschusochsenschädel). Reproduziert mit Bewilligung des Bundesamtes für Landestopographie vom 7. 9. 1993.

11


Abb. 4: Ansicht der beiden Schweizersbildfelsen von Süden. Aufnahme nach Abschluss der Ausgrabungen ( 1893).

Abb. 5: Veränderung der Umgebung des Schweizersbilds: links 1960, rechts 1985 (Fotos Swissair).

12


1. Geographische Lage und Topographie Die paläolithischen Fundstellen des Kantons Schaffbausen liegen bisher alle am südlichen und östlichen Abhang der Reiathochfläche (Abb. 2-3). In dieser Zone finden sich zahlreiche Höhlen und Felsüberhänge (Abris), die während der Eiszeit am Rande der Abflusstäler entstanden sind (S. 16ff.). Vor allem die süd- und westwärts ausgerichteten Höhlen und Abris sind vom paläolithischen Menschen bevorzugt als Siedlungsplätze aufgesucht worden, nicht zuletzt wohl der klimatisch besonders günstigen Voraussetzungen wegen. Die Täler und die kleineren Talbecken boten mit ihren Bächen, Quellen und kleineren Seen für das Wild günstige Lebensbedingungen, was die Jäger geschickt auszunutzen wussten. Besonders gerne liegen die Rastplätze und Jagdlager daher am Ausgang derartiger Täler, im Randbereich der grösseren Ebenen. Neben diesen Vorteilen boten die Reiatabhänge zudem günstige Rohmaterialvorkommen, insbesondere gute Silexaufschlüsse.

Zur Topographie des Schweizersbilds Die Fundstelle Schweizersbild bietet geradezu günstigste topographische Voraussetzungen. Am höchsten Punkt im

West-Ost ausgerichteten Quertal zwischen Durachtal (Merishausertal) und Fulachtal (Herblingertal) liegt sie inmitten einer Talausweitung, in die von Norden drei kleinere Täler - Freudental, Gsang und Dachsenbühltälchen - einmünden (Abb. 2-3). Zwei vereinzelt aus der Ebene emporragende Felskuppen beherrschen markant die Stelle der Talausweitung (Abb. 4). Die östliche Felskuppe erhebt sich pyramidenförmig, von allen Seiten fast gleichmässig von der Talsohle aufsteigend, mit leichten terrassenförmigen Abstufungen. Nur etwa fünfzig Schritte davon entfernt liegt die westliche Felskuppe, von ersterer durch eine muldenförmige Senke getrennt. Ihr Fels ist weniger regelmässig geformt. Nur die Nord- und die Nordostseite steigen gleichmässig aus der Talsohle auf; gegen Süden und Südwesten fällt der Fels dagegen fast senkrecht ab. Das Felsdach ragt gegenwärtig am südöstlichen Ende noch bis zu 4 m gegen Westen über die Basis hinaus. Die Felswand kragt indessen nicht nur stirnseits hervor, sondern ebenso an beiden Enden an der Felsbasis, so dass die Felswand stark konkav eingezogen ist und eine Fläche von nahezu 160 m 2 umschliesst (Abb. 1). Die 16 m über die Talsohle aufsteigende Felswand bildet somit ein natürliches Felsdach

6enz ar•/fan,q J'letlen .

H eP6{in;qwz

~A«<H//1<7< /

Abb. 6: Katasterplan der Umgebung des Schweizersbilds von Geometer Jakob Fuchs, 1861 (Stadtarchiv Schaffhausen). 13


(Abri), das noch heute eine Fläche von nahezu 60 m 2 überdeckt und einst sogar noch etwas grösser gewesen sein dürfte. Das Abri ist ideal nach Südwesten ausgerichtet. Wie ein Hohlspiegel vermag die gewölbte Felswand die Nachmittagssonne aufzunehmen und gegen die Mitte des Raumes zurückzuwerfen - zum Vorteil der eiszeitlichen Jäger, zum Nachteil der Ausgräber, wie Nüesch in seiner Grabungspublikation berichtet2. Als weiterer begünstigender Umstand kommt hinzu, dass nur 200 m westlich der Fundstelle eine fast nie versiegende Quelle liegt, der sogenannte Buechbrunnen. Heute gefasst, versorgt er noch immer Teile der Stadt Schaffhausen mit Trinkwasser. Zweifellos haben sich die Rentierjäger nicht zufällig beim Schweizersbild niedergelassen, sondern sich den Platz ganz bewusst für ihr Lager ausgesucht.

690 100

690 200

Abb. 7: Schweizersbild. Topographischer Übersichtsplan.

14

Zur Planaufnahme des Schweizersbilds Die 1861 angefertigten städtischen Katasterpläne von Geometer Jakob Fuchs zeigen uns die Verhältnisse der Umgebung des Schweizersbilds vor Beginn der Ausgrabungen (Abb. 6). Für die Dokumentation der archäologischen Fundstelle war es aber unumgänglich, detailliertere neue Planaufnahmen zu erstellen, vor allem auch unter Berücksichtigung archäologischer Fragestellungen 3 • Für die Neuvermessung des Schweizersbilds konnte ein modernes Instrumentarium mit einem selbstregistrierenden Theodoliten eingesetzt werden. Somit wurden die

2 Nüesch 1902, 10. ' Wir verdanken die Neuvermessung Rudolf Glutz, die Umzeichnung Veronique Froidevaux. R. Glutz werden auch die hier gegebenen Erläuterungen zur neuen Planaufnahme verdankt.

690 300


Aqu,d,~tooz 20 cm

Profil 1

1

1

1

Profil 2

1·,~

1

Profil 3

470,öm

Abb. 8-9: Schweizersbild. Übersichtsplan des Abris und nicht überhöhte Profile 1-3. M 1:500.

15


2. Geologie der Umgebung

Messpunkte mittels Computer berechnet und aufgezeichnet, weshalb es sich lohnte, eine grosse Menge von Punkten aufzunehmen. Die Umsetzung des mit Koten (Meereshöhen) versehenen Punktplanes zu einer Karte mit Felsen und Höhenkurven erforderte dann allerdings etwelche Erfahrung und mehrere Überarbeitungen des Entwurfes (Abb. 8). Um den typischen Überhang des Felsens zu zeigen, genügten drei radial angeordnete Profile, deren Aufnahme in Form einer separaten Punktreihe sich gut in die oben beschriebenen Arbeitsschritte integrieren liess (Abb. 9). Da beim Schweizersbild ein zweiter ähnlicher Felsen in der Nähe liegt und das Umgelände nur zum Teil von Industriebauten belegt ist, war die Erstellung einer Übersicht in kleinerem Massstab ohne Zweifel nützlich. Hierfür bot sich das am Institut für Denkmalpflege der ETH entwickelte Verfahren der Bussolentachymetrie an, womit grössere, d.h. mehrere Hektaren umfassende, Flächen nicht nur kostengünstig aufgenommen, sondern vor allem auch im Detail und lückenlos nach archäologischen Spuren abgesucht werden können (Abb. 7). Der Zeitgewinn beruht neben vielen organisatorischen Vereinfachungen auf der Verwendung einer Bussole zur magnetischen Ausrichtung (Orientierung) des Theodoliten, wobei eine entsprechend geringere Genauigkeit in Kauf genommen wird. Die Zeichnung der Karte erfolgt zuletzt genau wie bei andern Methoden «von Hand», an Ort und Stelle im Anblick des Geländes. Auf diese Weise sind gravierende Fehler ausgeschlossen und die archäologisch bedeutsamen Details flächendeckend und mit jeder wünschbaren Sorgfalt erfasst. Es dürfte einleuchten, dass die für andere Zwecke und meist luftphotogrammetrisch aufgenommenen Kurvenpläne diesen Ansprüchen keinesfalls genügen und deshalb selten oder höchstens in Randzonen verwertbar sind.

Die prähistorische Station Schweizersbild besteht aus zwei markanten, isolierten Massenkalkfelsen der geologischen Formation des oberen Weissen Juras (Malm). Die Felsen haben Abri-Charakter und sind Halbhöhlen. Sie sind aus sehr homogenem, kompaktem Kalkstein aufgebaut und zeigen kaum eine Schichtung. Sie gehören der geologischen Schichtstufe der Kimmeridge-Kalke an, die am Fuss des Reiats von der Stufe der Tithon-Kalke (Liegende Bankkalke, Plattenkalke) überlagert werden, die aber oft selbst als Massenkalke ausgebildet sind. In diesem Falle ist keine deutliche Stufengrenze zu erkennen. Die Kalksteinschichten des Schweizersbilds und seiner Umgebung sind Teil des Schaffhauser Tafeljuras (Randen-Reiat). Sie fallen gegen Südosten mit schwacher Neigung unter die völlig anders gearteten Ablagerungen des schweizerischen Mittellandes (Molasse) ein und steigen anderseits Richtung Nordwesten (Randen-Reiat) entsprechend an (Abb. 10-11). Die markante geologische Trennungslinie zwischen Tafeljura und Mittelland verläuft von Thayngen längs des Reiatfusses über Schaffhausen zum Rheinfall und setzt sich von dort längs des Südrandens fort. Diese Linie tritt als Zone des Übergangs zu den Jurakalkformationen auch morphologisch deutlich hervor. Sie markiert zugleich auch den Bereich, der während des Eiszeitalters von den alpinen Gletschern erreicht und als deutliche Barriere kaum oder nur wenig überschritten wurde.

NW

600 müM

500

400 300 50

0

.0_"-\ ~ ,;::

100

Hangende Bankkalke (Tithon), teilweise als Massenkalk ausgebildet Kimmeridge-Kalke, weitgehend als Massen kalke ausgebildet Kimmeridge-Mergel (mittlere Malmmergel) Oxford-Kalke (Wohlgeschichtete Kalke) lmpressa-Mergel (Oxford-Mergel) Dogger (Brauner Jura)

Abb. 10: Geologisches Profil durch das Gebiet des Schweizersbilds.

16

150 Malmkalkschutt Moräne (Würmeiszeit) Schotter (Risseiszeit) Jüngerer Deckenschotter

200 m


• •• • • • •

•• • • • • • • •• ••• •

••

Geissberg

••

• •• •• •••

500

0

Seeton unter dünner Decke von Malmkalkschutt

Künstliche Aufschüttung

:'/:"\'·.\

Hangschutt, Hanglehm etc.

·.·':~o._.-~ Würmzeitliche Schotter o· :o.o

A -

Malmkalkschutt in Schmelzwasserrinnen

0

,/"_ \ \

\

1 I '- '

Würmmoräne

0

6

0,0 0

• •

1000 m

Bolus-BohnerzFormation Malmkalk, Kimmeridge vorwiegend Massenkalk

Risszeitliche Schotter Jüngerer Deckenschotter

Abb. lJ: Geologische Kartenskizze der Umgebung des Schweizersbilds. Grundlage: Baugrundkarte Schaffhausen von C. Schindler (1982).

17


Die Entstehung der Kalkfelsen des Schweizersbilds Die hellen Kalkschichten des oberen Weissen Juras, die im Randen- und Reiatgebiet und weit darüber hinaus im Tafel- und Kettenjura zutage treten, entstanden in einem sehr flachen Meer, das damals die Nordschweiz und Süddeutschland bedeckte. Bei warmem Klima wurde aus dem Meerwasser weiträumig feinster Kalkschlamm ausgefällt, der später zu Kalkstein wurde. Die Sedimentationsgeschwindigkeit betrug dabei im Mittel nur etwa 1 bis 2 Hundertstelsmillimeter pro Jahr, bezogen auf den heute vorhandenen, kompakten Kalkstein. Das Jurameer der Nordschweiz war Teil des nördlichen Flachmeersaums (Schelf) eines damaligen alpinen Meeres, der Tethys, das sich vor der Entstehung der Alpen zwischen der europäischen und der afrikanischen Kontinentalplatte dehnte und in dem die Schichten der Sedimentgesteine entstanden, die heute in den Alpen zu finden sind.

Plattformabhang

Im Sehelfmeer der oberen Jurazeit der Region Schaffhausen und der Alb bauten in Gebieten mit besonders niedriger Wasserbedeckung Kalkschwämme ähnlich wie Korallen ganze Riffe auf, die stellenweise bis über den Wasserspiegel gereicht haben mögen (Abb. 12). Zwischen den Riffen bildeten sich aber auch schichtig aufgebaute, weniger kompakte Kalksteinpartien. Die Kalkriffe wurden später innerhalb der Kalksteinbildungen des Malms zu Massenkalkstotzen. Im Gebiet Schaffhausen-Regau trat die Riffbildung offenbar oft flächenhaft auf, wobei sich während längerer Zeit immer wieder neue Schwammriffe aufbauten oder weiterwuchsen, während sich der Meeresboden stetig, aber nur äusserst langsam senkte. Schwammreste lassen sich in den Massenkalkstotzen nur undeutlich erkennen, weil sich das Kalkmaterial verdichtete, zusätzlich kalkig zementierte und umkristallisierte und zu einem dichten, homogenen und kompakten Kalkstein wurde.

Riff (Plattformrand)

geschützter Schelf

Wassertiefe mehr als 40 m schwache Wasserbewegung

Wassertiefe 0-20 m schwache starke Wasserbewegung Wasserbewegung

Wassertiefe 20-30 m geringe bis mässige Wasserbewegung

Mergel (Kalke)

Riffschutt

Oolithe

+- tiefermarines Becken

Riffkalke

(kreidige) Kalke Gezeitenzone

~

Abb. 12: Schematische Darstellung der Ablagerungsverhältnisse im Jurameer zur Zeit des oberen Malms und der Bildung von Schwammkalkrif.fen (Massenkalkfelsen) in der Region Schaffhausen. Nach einer Darstellung der Nagra, 1984.

18


Die geologische Entwicklung nach der Jurazeit An der Wende von der Jura- zur Kreidezeit, vor rund 145 Millionen Jahren, begann sich der Boden des Jurameeres in der Nordschweiz und in Süddeutschland gegen Nordwesten ansteigend über den Wasserspiegel hinauszuheben. Die Küste verlagerte sich nach Süden und Osten. Die so auf den höchsten Juraschichten entstandene Landoberfläche blieb während rund 100 Millionen Jahren offengelegt und verkarstete bei wechselfeuchtem, warmem Klima, wobei als Rückstands- und Umwandlungsbildungen die Bolustone und Bohnerze entstanden (ein kleines Bohnerzgrubenfeld findet sich nordöstlich des Schweizersbilds im Gampenhäuli, Abb. 11). Während der Bildung der Bohnerze wurden namhafte Partien der höchsten Juraschichten durch chemische Auflösung abgetragen.

i ,/

/ /

I

/

I

I

I

I

/

/

' l'

Büttenhardt ).

,,,,

I

1/ //

)I

II

jl

II

/~/ /,:,,,,

Stetten

'\

\

Lohn

Kessler-

loc~/J ,,,.,

\\

\

1\

1\

Erst mit dem Beginn der Alpenfaltung, vor etwa 35 Millionen Jahren, veränderte sich die paläogeographische Situation. Der afrikanische Kontinent begann sich gegen den europäischen Kontinent zu bewegen. Dabei wurden im Bereich des damals zwischen den Blöcken liegenden Meeres riesige Erdkrustenteile ab geschert und übereinandergeschoben, und es entstand das kompliziert gebaute Alpengebiet. Gleichzeitig begannen darin Abtrag und Schuttbildung. Grosse Flusssysteme führten Geröll, Sand und Schlamm aus dem Gebirge hinaus in dessen Vorland, wo sich eine Senke bildete. Darin entstand aus dem alpinen Abtragungsmaterial die sogenannte Molasse, aufgebaut aus Nagelfluh, Sandsteinen und Mergeln. Die Molassebildungen sind im Gebiet des Alpenrandes mehrere Kilometer mächtig, werden aber in Richtung Jura und Alb zunehmend dünner und keilen gegen das Aitrach- und Donautal aus. Molasseschichten waren aber ursprünglich auch über Randen und Reiat vorhanden, die davon bis auf eine Höhe von heute 800 bis 900 m eingedeckt waren. Erst kräftige Hebungen im Alpenvorland zu Ende der Gebirgsbildung hatten zur Folge, dass im Vorland kein Schutt mehr abgelagert wurde, sondern dass auch hier Erosion und Durchtalung einsetzten, wodurch mit der Zeit das heutige Relief entstand.

Die Gestaltung der heutigen Landschaft im Umfeld des Schweizersbilds Die Erosion im Alpenvorland erfasste auch die Region Schaffhausen, insbesondere während des Eiszeitalters seit etwa zwei Millionen Jahren. Die einst von weichem Molassematerial, vor allem von Sanden und Mergeln eingedeckten, wesentlich härteren Jurakalkschichten des Randens und Reiats wurden zunehmend freigelegt und mit der Zeit ebenfalls durchtalt. Entsprechend der Neigung der Schichten entstanden zunächst Randentäler, die von Nord nach Süd gerichtet sind und gegen Schaffhau-

Abb. 13: Eiszeitlich, zum Teil auch schon früher angelegte Talsysteme (Erosionsrinnen) in der Region Schaffhausen. Im Gebiet Schaffhausen-Neuhausen schon vor der letzten Eiszeit (Würm) wieder zugeschottert. 1 altangelegte Rinnensysteme, 2 Hauptrinnensysteme zur Zeit der Entstehung des Klettgautales (Mindel-Riss-Zwischeneiszeit).

sen zusammenlaufen (Merishausertal, Freudental, Hemmentalertal, Abb. 13). Diese Talbildung dürfte schon in einer frühen Phase des Eiszeitalters begonnen haben, zum Teil vielleicht schon vorher. Das tief ausgeräumte Klettgautal mit seiner Schotterfüllung entstand in seiner heutigen Form erst später, hatte aber eine weiter zurückreichende und nur in Ansätzen bekannte Vorgeschichte. An den Flanken der Randen- und Reiattäler wurden die kompakten Massenkalkstotzen, also die ehemaligen Schwammriffe, aus den leichter erodierbaren Zwischenschichten herauspräpariert. Beim wiederholten Vorstoss der Gletscher an die Felsbarriere des Tafeljuras, insbesondere zur Zeit der Würmvereisung (Abb. 14) und während der Abschmelzphase, entwickelten sich randliche Schmelzwasserrinnen. Dabei entstanden vor allem auch die romantischen Schluchtenlandschaften im Massenkalk am Fusse des Reiats zwischen Thayngen (Churzloch-Langloch) und dem Merishausertal. Beteiligt an dieser Entwicklung war wohl auch eine deutliche Verbiegung (Flexur) der Malmschichten längs des Reiatrandes, nebst der Tatsache, dass in dieser 19


3. Der Name der Fundstelle

Eisrand ....,__ Eisfliessrichtungen O

5

km

10

Abb. 14: Würmvergletscherung in der Region Schaffh:;i;sen. Maximaler Eisvorstoss vor 18 000 Jahren.

Zone die Massenkalkausbildung des Malms besonders ausgeprägt ist. Das Schweizersbild liegt an einer besonders exponierten Stelle, wo die längs der Abdachung des Reiats verlaufenden Schmelzwasserrinnen mit den quer dazu austretenden alten Randentälern interferieren. Die beiden Felsen sind als Überreste Zeugen dieser komplizierten Vorgänge. Schon vor fast hundert Jahren (1896) gab Albert Penck, ein Wiener Altmeister der Eiszeitgeologie der Alpen, eine noch immer sehr anregende Darstellung über «Die Glacialbildungen um Schaffbausen und ihre Beziehungen zu den praehistorischen Stationen des Schweizersbilds und von Thayingen» 4 •

20

Die bedeutenden prähistorischen Entdeckungen Jakob Nüeschs im sogenannten «Schweizersbild» haben den Namen dieser Örtlichkeit im Norden der Stadt Schaffhausen weitherum und für alle Zeit bekanntgemacht. Bereits in der ersten grösseren Publikation über die dort ausgegrabene steinzeitliche Station griff denn auch der bewährte Lokalhistoriker Pfarrer Carl August Bächtold ( 183 8-1921) die nicht uninteressante Frage nach der Herkunft und Bedeutung dieser eigentümlichen Flurbezeichnung auf, mit der sich damals, um die Jahrhundertwende, unwillkürlich eine gewisse «Romantik» verband 5 • Anhand eines Resumees der greifbaren schriftlichen Quellen wollen wir nun auch im Rahmen des vorliegenden Kataloges nochmals kurz auf dieses spezielle Thema eingehen. Der älteste uns bekannte Beleg für den hier interessierenden Namen findet sich in einem Lehensbrief vom 1. Februar 1439 6 : Unter diesem Datum verlieh nämlich ein Hanns Jöhler von Schaffbausen einem Hans Maler und dessen Erben lehensweise einen Acker, «gelegen vor gaissperg hinder dez schwitzers bild». Zwar fehlen uns bedauerlicherweise weitere ähnlich frühe Erwähnungen; dafür aber tritt die Ortsangabe «bei des Schweitzers Bild» vor allem in den Fertigungsprotokollen des 17. Jahrhunderts noch verschiedentlich auf7. Besonders zu beachten gilt es dabei den im Namen konsequent verwendeten Genitivus possessivus. Er weist uns zweifellos auf die richtige Fährte bei der Suche nach der ursprünglichen Bedeutung dieser altüberlieferten Flurbezeichnung. Demnach muss einst ein Angehöriger des in Schaffbausen anscheinend schon recht früh vertretenen Geschlechtes Schweizer in jenem Gebiet ein Heiligenbild als Stätte religiöser Andacht errichtet oder jedenfalls besessen haben. Solche Bildstöcke und Bildhäuschen standen höchstwahrscheinlich in vorreformatorischer Zeit auch in unserer Gegend nicht selten entlang den Landstrassen und bei Weggabelungen, was vor allem durch eine Reihe weiterer Flurnamen, die ebenfalls mit dem Wortteil «Bild» zusammengesetzt sind, noch immer eindeutig bezeugt wird 8. Aus späteren Quellen wissen wir aber auch zuverlässig, dass es sich bei der von Schweizer gestifteten Kultstätte nicht nur um einen einfachen Bildstock, sondern vielmehr um ein viereckiges, gemauertes Bildhäuschen gehandelt haben muss. Dieses kleine Gebäude, in dessen Schutze sich ein Heiligenbild befand, erscheint nämlich bereits 1522 als Fixpunkt in einem Grenzbeschrieb der Herrschaft Tengen 9 und anschliessend noch in etlichen weiteren Aufzeichnungen von Bannumzügen, die seinerzeit zum Zwecke der Festhaltung des dortigen Grenzverlaufes wiederholt durchgeführt worden sind. Im Protokoll des


burg zog sich nämlich - vor der Erwerbung des Reiats vom Rheinufer hinauf an die Fels, lief zwischen Innerund Ausserwidlen hindurch zum Brunnen im Esenloo, durchquerte beim Heuweg den Rheinhart und das Fulachtal, setzte sich durch das Mutzentäli hinauf fort zur Immenfluh, um dort im rechten Winkel nach Westen zum Buechbrunnen abzubiegen und dann der Durach bachaufwärts bis nach Bargen zu folgen.

Abb. 15: Schweizersbild. Skizze des Bildhäuschens im Protokoll des Umganges von 16Jl: «Hinaujf daß Mützen oder Utzenthal/ auff. und hindurch biß an deß Schweyzers Bildt».

/

Umganges von 1611 findet sich nun eine zwar kleine und reichlich schematische, aber dennoch beweiskräftige Skizze des Häuschens (Abb. 15), das damals natürlich seinen religiösen Charakter im Gefolge der Reformation schon längst verloren hatte. In der Bannbeschreibung von 1640 wird dementsprechend angemerkt, das Gebäude sei «der Zeiten etwelcher maassen ein gefallen u. von nöten, dass es widerumb auff gericht werde» 10 • Dennoch blieb der kleine Bau anscheinend noch bis in die zweite Hälfte des letzten Jahrhunderts bestehen und diente zu jener Zeit, wie überliefert wird, vornehmlich als Aufbewahrungsort für landwirtschaftliche Geräte und als Unterstand 11. Hans Wilhelm Harder hat ihn im Frühjahr 1861 «nach der Natur» gezeichnet (Abb. 16-17)12, und auf den von Geometer Jakob Fuchs im selben Jahre angefertigten städtischen Katasterplänen (Abb. 6) lässt sich selbst der genaue Standort noch ablesen 13 • Dieser muss sich demnach zwischen dem oberen Ende des Mutzentälis und dem nordöstlichen Abhang des Geissbergs befunden haben, also ungefähr im Gebiete der heutigen Einmündung der Schneckenackerstrasse in die Gemsgasse. Wie und wann ist nun aber die Bezeichnung dieser Örtlichkeit auf die beiden rund 150 m nordwestlich gelegenen jetzigen Schweizersbild-Felsen übergegangen? Ursprünglich trugen nämlich die zwei markanten Kalksteinkolosse - oder zumindest der östliche davon - einen völlig anderen Namen; sie wurden lange Zeit als «Immenfluh» bezeichnet - vermutlich weil es dort auffallend viele Bienen gab. Bereits in einem Kaufbrief vom 10. Januar 1424 ist die Rede von einem zwei Jucharten grossen Weingarten und Einfang, «der gelegen ist ze schaufhusen bi ymmenfluo in bremla» 14 • Aber auch in allen alten Bannbeschreibungen taucht das Felsenpaar als wichtige Grenzmarke auf 15 , oftmals direkt vor oder nach des Schweizers Bildhäuschen. Bekanntlich reichte ja bis zum Jahre 1723 das Schaffhauser Hoheitsgebiet im Osten nur gerade bis unmittelbar vor die Mauern der Stadt. Die jahrhundertealte Grenze gegen die Landgrafschaft Nellen-

In früherer Zeit wurde somit zwischen Immenfluh und Schweizersbild ganz klar unterschieden. Noch 1684 heisst es in einem Kaufprotokoll ausdrücklich, das gehandelte Grundstück grenze «einseits an dess Schweitzers Bild und anderseits an die Fluh» 16 • Der eigentliche Name Immenfluh war allerdings zu jenem Zeitpunkt offenbar bereits verschwunden. Schon Johann Jakob Rüeger hatte in seiner um 1600 verfassten Chronik vermerkt, gegen dem Freudental hin liege «ein lediger Fels», der von den Alten «Immenfluo genamset» werde 17 • Diese ursprüngliche Bezeichnung wurde damals anscheinend mehr und mehr durch den Namen Schweizersbild zurückgedrängt, der sich allmählich auf die ganze Umgegend ausweitete und schliesslich direkt auch auf die beiden Felsen übertragen wurde. Dessen eigentliche Herkunft und Bedeutung war freilich, nachdem das Heiligenbild anlässlich der Reformation von 1529 hatte weichen müssen, bald

4

5

" 7

" "

10

11

12

13

14

15

'° 17

A. Penck. in: Nüesch 1896, 154-180. Bächtold 1902. 365-368. Eine erste Fassung dieses Aufsatzes hatte Bächtold schon für die 1896 erschienene Erstauflage der Schweizersbild-Monographie geschrieben. Staatsarchiv Schaffhausen. Urkunde 2009. Vgl. z.B. Stadtarchiv Schaffhausen. A II 04.02/01, 73 und 416: A II 04.02/02. 225: A II 04.02/03. 245. 287 und 300; A II 04.02/04, 346 und 477: A II 04.02/12. 99 und 167. Vgl. G. Walter. Die Orts- und Flurnamen des Kantons Schaffhausen. Schaffhausen 1912. 46. « ... von dannen dem Tal nach hinein neben dem Gaisperg bis zu des Switzers pild, so hinder dem Gaissberg steet. Von dannen bis zu des Schuchmachers pild, das am Tayinger weg ligt. .. ». Vgl. H.U. Wipf. Reiat. Zur begrifflichen Ausweitung eines Flurnamens, in: SBeitr.G 54, 1977. 22. Staatsarchiv Schaffhausen. Herrschaft B. «Bahn Umbreitung Anno 1611. 1640», 2. Ungesichert ist hingegen jene weitere Überlieferung, wonach bei den früheren Bannumzügen «jedesmal beim „Bild des Conrad Schwyzers·' ein Halt gemacht worden sei. um den Teilnehmern an dem Bannumgang Gelegenheit zu geben. hier Gebete zu verrichten». vgl. Nüesch 1902, 8f. Harder 1868. 17; Bächtold 1902. 366. Vgl. R. Frauenfelder. Siebzig Bilder aus dem alten Schaffhausen. Schaffhausen 1937, 60, Nr. 45. Stadtarchiv Schaffhausen. Katasterplan Gemarkung Schaffhausen, Blatt Nr. 30. Staatsarchiv Schaffhausen. Urkunde 1711. «Bremla». heute «Bremlen», bezeichnet einen benachbarten grösseren Flurbezirk. Staatsarchiv Schaffhausen. Herrschaft B (oben Anm. 10). 3: « ... von dannen biss zu der jmmenfluw... » (mit sehr schematischer Skizze des Felsens). Stadtarchiv Schaffhausen, A II 04.02/12, 99. J.J. Rüeger, Chronik der Stadt und Landschaft Schaffhausen, hrsg. vom Historisch-antiquarischen Verein des Kantons Schaffhausen. 1. Band, Schaffhausen 1884. 396.

21


Abb. 16: Ansicht des Bildhäuschens beim Schweizersbild. Zeichnung von Hans Wilhelm Harder, 1861. Im Hintergrund die beiden Schweizersbild-Felsen (Museum zu Allerheiligen, Schaffhausen).

Abb. 17: Skizze des Bildhäuschens beim Schweizersbild. Zeichnung von Hans Wilhelm Harder (Staatsarchiv Schaffhausen).

22


einmal völlig in Vergessenheit geraten. Selbst Rüeger kannte die richtigen Zusammenhänge nicht mehr und suchte deshalb fast krampfhaft nach einer plausiblen Erklärung für den geheimnisvollen Namen: «Wann man die Hochstrass durchusshin gat oberthalb», schreibt er, «so kombt man zu einer gelegenheit, die würt gnamset ,des Schwitzers bild', das ligt im [Tal]boden unden nebend dem Garspurg [Geissberg] und soll semlichen nammen empfangen haben von dem Schwabenkrieg (filicht von dem österrichischen Krieg herzog Sigmunds mit den Eidgnossen), alda ein zimlicher scharmutz soll geschehen sin.» Der Chronist bringt also auffallenderweise die Flurbezeichnung Schweizersbild nicht mehr mit einem Personennamen in Verbindung, sondern vielmehr mit einem Kampfgeschehen aus der Schweizergeschichte und führt zum Beweis die dort aufgefundenen Skelette und Waffenreste an, ohne aber zu sagen, was denn eigentlich in diesem Zusammenhang das Wort «Bild» zu bedeuten hätte 18 • Immer mehr übertrug sich mit der Zeit dann der Name Schweizersbild ausschliesslich auf die ihre Umgebung beherrschenden Felsgebilde und beflügelte damit die Phantasie der Leute zu weiteren kühnen Deutungsversuchen. In der allgemeinen Begeisterung über den neu gegründeten Schweizerischen Bundesstaat von 1848 war nun plötzlich von «drei in verschieden kräftigen Gestalten aus der Ebene emporragenden, etwa 100 Fuss hohen Kalksteinfelsen» die Rede, die sich zum «Schweizersbild» vereinigten 19 • Mit etwelcher Einbildungskraft sah man nämlich tatsächlich, wie uns C. A. Bächtold erklärt, «bei entsprechender Stellungnahme in dem hinter den beiden Felsen liegenden Abhang der ,Bremlen' auch noch einen dritten Felsen, so dass die drei Eidgenossen beisammen waren». Ein patriotisch gesinnter Vater, wie es derjenige von Bächtold offensichtlich war, konnte somit zu seinen Knaben glaubhaft sagen: «Da seht die drei Eidgenossen, das ist des Schweizers Bild 20 .» In einer wesentlich weniger pathetischen Zeit wie der heutigen und angesichts der Tatsache, dass der Blick «auf die drei Eidgenossen» durch die Bauten der sich seit 1977 rasch füllenden Gewerbezone Schweizers bild zunehmend behindert wird, halten wir es hier indessen lieber mit den nüchternen, aber gesicherten Erkenntnissen, wie wir sie vorstehend in gebotener Sachlichkeit und Kürze wiederzugeben versucht haben.

4. Das Schweizersbild in alten und neuen Ansichten Ein Stich vom Ende des 18. Jahrhunderts, dessen Provenienz leider nicht auszumachen ist, zeigt wohl die älteste uns bekannte Darstellung der beiden Felsen im Schweizersbild (Abb. 18.1). Sie erscheinen darauf kahl und wirken dadurch besonders prägnant. 1849 zeichnete Hans Wilhelm Harder die zwei von weither sichtbaren Felsen stärker bewaldet (Abb. 18.2). Zur Zeit der Ausgrabungen und noch Jahre danach lagen die beiden Schweizersbildfelsen weiterhin als markant wahrnehmbare Hügelkuppen in der Landschaft (Abb. 18.3-5). Erst in den siebziger Jahren «versanken» sie nach und nach, da die umliegenden Grünflächen, welche die beiden Felsen während langer Zeit besonders stark betont hatten, allmählich verschwanden. An ihre Stelle traten eine breite Strasse und eine Gewerbezone (Abb. 18.6). Dadurch wurde die Umgebung derart verändert, dass bei heutigen Besuchern der Schweizersbildfelsen begreiflicherweise der Eindruck entstehen kann, «dass die weltberühmte Fundstätte nicht sehenswert ist» 21 •

Zu zwei Schweizersbild-Darstellungen von Ernst Georg Rüegg Ernst Georg Rüegg war durch Herkunft, Heirat und Freundeskreis eng mit der Region Schaffhausen verbunden. Er hat sich selber als Maler des Kantons Zürich und des Kantons Schaffhausen 22 bezeichnet. Als Kind eines Zürcher Seidenindustriellen war er in Mailand aufgewachsen, verbrachte aber alljährlich seine Ferien bei Verwandten im Zürcher Unterland, in Bachenbülach. Diese ländliche Region mit den sanften Hügeln und den überschaubaren Siedlungen wird, neben dem Klettgau und dem Rafzerfeld, eines der bevorzugten Motive in seiner Landschaftsmalerei der 20er und 30er Jahre. In Schaffhausen, der «Stadt am Fluss», wie Rüegg sie nannte, war der Künstler oft zu Besuch; er gehörte zum Freundeskreis von Hans Sturzenegger und war häufig Gast im Belair. Durch Sturzeneggers Vermittlung erhielt er 1912 und 1913 grössere Wandbildaufträge 23 • 18 19

20 21

22

23

Ebd. [Ferdinand Zehender], Beschreibung der Stadt Schaffhausen. [Schaffhausen 1852], 72. Harder 1868. 32; Bächtold 1902, 368. Leserbrief in den Schaffhauser Nachrichten Nr. 253, 30. Oktober 1993, 31. Für das Schweizerische Künstlerlexikon-Archiv umschrieb E.G. Rüegg seine Tätigkeit als Maler mit folgenden Worten: ,,Darstellung der Landschaft des Kantons Zürich und des Kantons Schaffhausen". Zit. nach Silvia Volkart, Die bedrohte Idylle, in: Ernst Georg Rüegg, Ausstellungskatalog Heimhaus Zürich, 1984, 12. Wandmalerei Restaurant Casino 1912; Fresko Regierungsgebäude ,,Scharfschützen mit Hackenbüchsen" 1913; Triptychon „Mutter, Kind und Schule", Hedwigsstift 1913. Vgl. Bildnis Ernst Georg Rüegg, 1912 von Hans Sturzenegger, Katalog der Gemälde und Skulpturen, Kunstabteilung Museum zu Allerheiligen, 1989, 157.

23


16

24

2v


56

4\J

3

v

6\J

Abb. 18: Schweizersbild. Alte und neue Ansichten. 1 Stich (unbekannter Provenienz) vom Ende des 18. Jahrhunderts, 2 Zeichnung von Hans Wilhelm Harder von 1849, 3 Ansicht kurz nach den Ausgrabungen, 4 Ansicht 1921, 5 Ansicht nach 1921/22, 6 Ansicht 1993.

25


Abb. 19: Ernst Georg Rüegg, Schweizersbild. um 1942. Öl auf Leinwand, 80X 100 cm (Museum zu Allerheiligen, Jnv. A 646).

Auffällig in Rüeggs Werk ist, dass während des l. und 2. Weltkrieges die einheimische Landschaft in eine allegorische Landschaft verwandelt wird; sie ist mit Tieren und dämonischen Wesen durchsetzt, welche für die Ängste der Menschen und die Furcht vor dem Unheimlichen stehen können. Während in den surreal anmutenden Landschaften, die während des 1. Weltkrieges entstehen, eher persönliche Ängste und Triebe personifiziert sind, welche - im Sinne des Surrealismus - Ausdruck des Unbewussten werden, nehmen die Landschaften in den 40er Jahren einen unheilvollen, zerstörerischen Charakter an, in dem sich eine Stimmung der Kriegsjahre widerspiegelt. Immer aber ist im Bedrohlichen auch etwas Märchenhaftes angelegt, das den Dichterpoeten, wie Hans Sturzenegger ihn nannte, mit der «Gedankenmalerei» von Albert Welti (1862-19 12) verbindet.

26

Landschaüsallegorien sind auch die beiden 1942 entstandenen Versionen von «Schweizersbild», die eine in der Kunstabteilung des Museums zu Allerheiligen Schaffhausen (Abb. 19), die andere im Kunsthaus Zürich (Abb. 20). In der Schaffhauser Fassung kommt sowohl das Bedrohliche und Unheimliche als auch das Märchenhafte zum Ausdruck. Die linke, visuell eindrücklichere Felsformation vom Schweizersbild ragt als öde Felspartie aus der deserten Landschaft auf. Um sie herum sind Figurengruppen angeordnet, welche Szenen aus dem Alltag der Vorzeit darstellen. Auf das paläolithische Zeitalter verweisen die Jagdszenen links vom Felsen, wo eben ein Ren durch eine Harpune getroffen wird, und die in Fell gekleideten Männer rechts davon, die die erlegten Tiere auf einer Stange zu einer Feuerstelle tragen. Eine Darstellung des Fischfangs lässt sich im linken Bildvordergrund


Abb. 20: Ernst Georg Riiegg, Schweizersbild, 1942. Öl auf Leinwand, 116X 195 cm (Kunsthaus Zürich, !nv. 1950/32).

erkennen. Unmittelbar auf den Betrachter zu zieht eine Menschengruppe, welche, mit den Gefässe tragenden Figuren, die zeitlich jüngere Kulturepoche, das Neolithikum, repräsentiert. In ihrer zeitlosen Tracht und ihrer märchenhaften Verfremdung erinnert diese Szene an Figurenzüge, wie man sie aus Albert Weltis Bildern kennt, an Erzählungen und Träume, Phantasiewelten, die sich über alle Zeiten hinweg bis in die Gegenwart fortsetzen. Sowohl die Gestaltung des Felsens als auch die Figurenszenen zeigen, dass sich Rüegg intensiv mit dieser prähistorischen Fundstätte auseinandergesetzt hat. In der Felsformation selber ist die Nische, wo Sondierungen stattfanden, als dunkle Stelle besonders hervorgehoben. Die Fundspuren jeder Epoche sind in ihrer Eigenart charakterisiert. 1939 ist im neu eingerichteten Museum zu Allerheiligen das Kesslerloch mit den «Höhlenbewohnern», jene Fiktion einer Alltagsszene aus dem Paläolithikum, die bis heute zu den Attraktionen des Museums gehört, eingerichtet worden. Man kann annehmen, dass sich Rüegg mit dieser prähistorischen Inszenierung auseinandergesetzt hat. Es ist ihm jedoch gelungen, der Darstellung von «Schweizersbild» über das Dokumentarische hinaus eine überzeitliche, poetische Dimension zu geben. Der schroffe, unbewachsene Fels dominiert das Bildgeschehen bereits in der Schaffhauser Version. Seine Iso-

liertheit, die ihn wie ein künstliches Wesen erscheinen lässt, ist in der Zürcher Fassung noch verstärkt. Die auflockernden, erzählerischen Figurenszenen sind weggefallen. Hingegen wird der landschaftliche Zusammenhang deutlicher: der rechte, im Schaffhauser Bild nur angedeutete Fels vom Schweizersbild wird im Hintergrund als eine landschaftliche Entsprechung sichtbar, auch seine Einbettung in den Landschaftszusammenhang, in die Hügelzüge des Hegaus. Bei beiden Versionen fällt die radikale «Entwaldung» der Felsformation auf. Wie Fotos aus dieser Zeit zeigen (Abb. 18.4-5), waren die beiden Felsen zwar weniger bewachsen als heute, nie kannte man sie aber in der von Rüegg dargestellten Nacktheit. Zwei Zeichnungen aus der Mitte des letzten Jahrhunderts, die Rüegg gekannt haben konnte, beide von H.W. Harder, die eine von 1849 (Abb. 18.2), die andere, ein Aquarell von 1861 (Abb. 16), geben einen Eindruck der damaligen Überwachsung. Durch die radikale Entlaubung lässt Rüegg den Fels vom Schweizersbild von einem Naturmal zu einem Kulturdenkmal werden. Der schroffe Fels ragt wie ein «Reduit der Kultur» auf, Mahnmal und Trutzburg in einer deserten Landschaft mitten im 2. Weltkrieg, ein eindringlicher Aufruf einer bedrohten Menschheit und ihrer Kultur. 27


II. Zeit der Ausgrabung 1. Forschungsgeschichte

Zu den Anfängen der paläolithischen Forschung Die Geschichte der Entdeckung und Erforschung der altsteinzeitlichen Jägerlager Kesslerloch und Schweizersbild steht in engem Zusammenhang mit den Anfängen der Erforschung des vorzeitlichen Menschen und seiner Kultur24. Um die Mitte des vorigen Jahrhunderts mochte man noch nicht so ganz an die Existenz des Vormenschen glauben. Frühen menschlichen Funden wurde das hohe Alter schlichtwegs abgesprochen oder man glaubte Knochen des Affen oder anderer Tiere vor sich zu haben. Ein erster Durchbruch wurde mit den 1856 im Neandertal bei Düsseldorf gefundenen fossilen Knochen erzielt, die als menschliche Gebeine «einer urtümlichen Form» erkannt worden sind 25 . Durch diesen als Neandertaler bekanntgewordenen Fund wurde die Existenz des Urmenschen zur Tatsache. Bis eine Einigung über die Zeitstellung des Fundes erzielt wurde, sollte es allerdings noch lange dauern. Einen nächsten Schritt bedeutete es, dem in der Folgezeit da und dort auftretenden Urmenschen bereits auch Werkzeuge zuzugestehen. Seit den dreissiger Jahren des vorigen Jahrhunderts waren in den Flussschottern der Somme bei Paris (u.a. bei Abbeville) immer wieder Knochen und Zähne vorzeitlicher Säugetiere zum Vorschein gekommen, zusammen mit Steinen, die offensichtlich bearbeitet waren und später als Faustkeile bezeichnet worden sind. Über ihr genaues Alter war man sich indessen anfänglich überhaupt nicht im klaren; auch die Zugehörigkeit mit den vorzeitlichen Skelettfunden wurde erst später richtig erkannt26. Es war Charles Darwin, der Begründer der modernen Biologie, der in seinem epochemachenden Werk «On the Origin of Species» (1859) nicht nur Zeugnisse für den Wandel der Arten zusammenstellte, sondern auch auf die Evolution durch das Prinzip der natürlichen Auslese aufmerksam machte 27 . Dass der Mensch in dieses biologische Geschehen einbezogen ist, war eine selbstverständliche Folgerung. Nur die Andeutung allein schon löste indessen einen erbitterten Streit um die Herkunft des Menschen und seine Stellung in der Natur aus. Im Werk «The Descent of Man» (1871) trat Darwin später erneut in die Diskussion ein und vertrat überzeugend gar die Idee von der tierischen Abstammung des Menschen 28 . Darwin plädierte dabei auch für ein hohes geologisches Alter des Urmenschen, indem er auf die inzwischen zur Genüge gemachten Funde verwies. In seiner «Evidence as to Man's Place in Nature» betitelten Schrift, einer ersten Darstellung menschlicher Abstammungslehre, gab Thomas Henry Huxley 1863 Einblick in die Geschichte der menschenähnlichen Affen 28

und untersuchte die Beziehungen zwischen Mensch und Tier, unter Einbezug der damals bekannten fossilen Überreste, unter denen sich der Schädel aus dem Neandertal als affenähnlichster auszeichnete 29 . Noch im selben Jahr beschäftigte sich auch Charles Lyells mit dem erdgeschichtlichen Alter des Menschen und veröffentlichte «The Geological Evidences of the Antiquity of Man» 30 • Zu Beginn der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts förderten dann vor allem die Grabungen von Eduard Lartet in der Dordogne, in der Gegend von Les Eyzies, zahlreiche frühe Steinwerkzeuge und Knochengeräte zu Tage, darunter auch Kleinkunstwerke 31 • Besonders die 1864 gefundene Gravur eines Mammuts von La Madeleine der späteren namengebenden Fundstelle für die Kultur des Magdalenien - sorgte weitherum für Beachtung und wurde sogar 1867 an der Weltausstellung in Paris gezeigt 32 . Die Darstellung eines längst ausgestorbenen Tieres machte unmittelbar klar, dass schon der Mensch der Frühzeit, der noch mit diesen Tieren gelebt hat, zu künstlerischen Leistungen fähig war. Die Diskussion um die Echtheit eiszeitlicher Kunst sollte aber noch längere Zeit dauern und durch die Funde aus dem Kesslerloch erneut aufflammen. Die Vorgeschichte des Menschen ist schon früh auf Grund des jeweils vorherrschenden oder neu aufkommenden Werkstoffes in eine Steinzeit, Bronzezeit und Eisenzeit gegliedert worden. Mit dem Werk von John Lubbock «Pre-historic-Times» ( 1865) wurde darüber hinaus die Steinzeit in zwei Abschnitte gegliedert, einen älteren Abschnitt (Paläolithikum), die Periode des geschlagenen Steins und einen jüngeren Abschnitt (Neolithikum), die Periode des geschliffenen Steins 33 . Spätere Grabungen ermöglichten eine stetige Verfeinerung dieses Gliederungsschemas. Bereits 1869 teilte Gabriel de Mortillet die Epoche des geschlagenen Steins nach den kennzeichnenden Steinwerkzeugen und Knochengeräten in vier Abschnitte, die er mit den Namen wichtiger Fundstellen mit typischen Inventaren als Epochen von Le Moustier, Solutre, Aurignac und La Madeleine bezeichnete34 . Zusammen mit der 1873 erfolgten Ergänzung durch den Artefakttyp von Saint-Acheul war damit die Gliederung des Paläolithikums in die grundlegenden Abschnitte Acheuleen, Mousterien, Solutreen, Aurignacien und Magdalenien gegeben 35 •

Entdeckung paläolithischer Fundstellen im Kanton Schaffhausen Nicht geringes Aufsehen erregte es, als plötzlich auch in nächster Nähe der Schweiz Spuren paläolithischer Jäger zu Tage traten: 1833 in Veyrier bei Genf36 und 1866 an der Schussenquelle im Federseebecken (Baden-Württemberg)37.


In der Schweiz entdeckte 1873 Konrad Merk, Reallehrer in Thayngen, anlässlich einer botanischen Exkursion eine hinter Gebüsch verborgene Höhle. Sie war den Einheimischen von alters her als Kesslerloch bekannt und hatte ihren Namen von herumziehenden Kesselflickern, die zeitweilig in der Höhle Unterschlupf gefunden hatten. Angeregt durch die Entdeckungen in Süddeutschland und Frankreich machte Merk am 4. Dezember 1873 im Kesslerloch eine Probegrabung, die tatsächlich Stein- und Knochenartefakte lieferte, was unzweifelhaft auf die Anwesenheit eiszeitlicher Jäger schliessen liess. Bereits im Januar 1874 nahm Merk weitere Sondierungen vor. Unter dem umfangreichen Fundmaterial entdeckte Albert Heim einen Lochstab mit einer Ritzzeichnung, die später so berühmte Darstellung des «weidenden» Rentiers, die er sofort in der «Vorläufigen Mitteilung über die Höhlenfunde in Thayngen» 38 und noch im selben Jahr im Aufsatz « Über einen Fund aus der Renthierzeit in der Schweiz» 39 publizierte. Unter der Leitung von Konrad Merk fanden dann in der Zeit vom 19. Februar bis 11. April umfangreiche Grabungen in der Höhle statt. Neben einer reichen Fauna und überaus zahlreichen Artefakten lieferte die Fundstelle weitere bedeutende Kleinkunstwerke, neben Gravierungen auch Skulpturen. Bereits 1875 erschien Merks Monographie «Der Höhlenfund im Kesslerloch bei Thayngen» 40 • In dieser Publikation wurden - auf Veranlassung Ferdinand Kellers, gegen den Willen von Merk - auch zwei Tierzeichnungen, ein Fuchs und ein Bär, aufgenommen. Die beiden Zeichnungen rückten indessen die Kesslerlochkunst in ein verdächtiges Licht. 1876 konnte nämlich Ludwig Lindenschmit, der Begründer des Römisch-Germanischen Zentralmuseums Mainz, in Übereinstimmung mit Zeichnungen in einer Jugendschrift die Darstellungen von Fuchs und Bär als Fälschungen entlarven. Lindenschmit bestritt darauf generell die Echtheit der bis anhin bekanntgewordenen Werke eiszeitlicher Kunst. Während der 8. allgemeinen Versammlung der deutschen anthropologischen Gesellschaft 1877 in Konstanz war dann die Frage um die Echtheit paläolithischer Kunst nochmals gar das zentrale Thema. Eine eingeleitete gerichtliche Untersuchung führte indessen zum Geständnis eines bei den Ausgrabungen im Kesslerloch beteiligten Arbeiters, der zugab, die beiden Fälschungen durch einen Schüler angefertigt zu haben 41 • Die Entdeckungen im Kesslerloch gaben in der Folge Anlass zu weiteren Forschungen im Schaffhauser Jura. Noch 1874 wurde im Freudental von H. Karsten, E. Joos und J. Nüesch eine Höhle untersucht, die ebenfalls eiszeitliche Knochen- und Steingeräte lieferte 42 • Weiter untersuchte F. Mandach im April 1874 im Dachsenbüel

eine kleinere Höhle, die indessen keinerlei paläolithische Spuren enthielt, wohl aber neolithische Bestattungen lieferte43. An zahlreichen weiteren Stellen wurden Sondierungen und kleinere Grabungen vorgenommen. Es sollte aber bis 1891 dauern, bis es J. Nüesch und R. Häusler im Schweizersbild gelang, eine weitere wichtige Fundstelle der Altsteinzeit zu entdecken. Auch an dieser Stelle sind bedeutende Kleinkunstwerke zu Tage gefördert worden. In der Zwischenzeit war die Eiszeitkunst aber voll anerkannt, während über die genaue Datierung der Eiszeit, und damit auch ihrer Kunst, nach wie vor gerätselt wurde.

" Adam/Kurz 1980 mit gutem forschungsgeschichtlichem Abriss. " G. Bosinski, Der Neandertaler und seine Zeit, Kunst und Altertum am Rhein 118, Köln 1985 (mit weiterer Literatur zum Thema). 06 Boucher de Perthes, Antiquites celtiques et antediluviennes, Paris 1849. 27 C. Darwin, On the Origin of Species by Means of Natural Selection. or the Preservation of Favoured Races in the Struggle for Life, London 1859. " C. Darwin, The Descent of Man, and Selection in Relation to Sex, London 1871. 29 T.H. Huxley, Evidence as to Man's Place in Nature, London 1863. 3 ° C. Lyells, The Geological Evidences of the Antiquity of Man, with Remarks on Theories of the Origin of Species by Variation, London 1863. 31 Centenaire de Ja Prehistoire en Perigord (1864-1964). Bulletin de Ja Societe Historique et Archeologique du Perigord, Supplement au tome XCI, 1964. Perigueux 1965; Lartet, Breuil, Peyrony et !es autres. Une histoire de la prehistoire en Aquitaine, Sarlat 1990. " E. Lartet u. H. Christy, Sur des figures d'animaux gravees ou sculptees et d'autres produits d'art et d'industrie rapportables aux temps primordiaux de Ja periode humaine, Revue archeologique, Nouvelle Serie 9. Paris 1864, 233-267. 33 J. Lubbock, Pre-historic Times, as illustrated by Ancient Remains, and the Manners and Customs of Modem Savages, London 1865. 34 G. de Mortillet, Essai d'une classification des cavemes et des stations sous abri, fondee sur !es produits de l'industrie humaine. Comptes rendus hebdomadaires des seances de l 'Academie des Sciences 68, Paris 1869. 553-555; ders. unter gleichem Titel, Materiaux pour l'histoire primitive et naturelle de l 'homme 5, 1869, 172-179. 35 G. de Mortillet, Classification des diverses periodes de l'äge de la pierre. Congres international d 'Anthropologie et d · Archeologie prehistorique. Campte Rendu de la 6e Session, Bruxelles 1873. 36 F. Mayor, Journal de Geneve du 23.11.1833; F. Mayor u.a., Ossements trouvees au pied du Saleve. Actes Soc. helv. Sc. nat., sess. Luceme, 1834, 93. Ausführlicher zu Fundort und Funden: E. Pittard. Les stations magdaleniennes de Veyrier, Genava 7, 1929, 43-104. 37 0. Fraas, Über die neuesten Funde an der Schussenquelle. Jahreshefte des Vereins für vaterländische Naturkunde in Württemberg 23, Stuttgart 1867. 38 A. Heim. Vorläufige Mittheilung über die Höhlenfunde in Thaingen im Kanton Schaffhausen. Vierteljahresschrift der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich 19, Zürich 1874, 87. 39 A. Heim, Über einen Fund aus der Renthierzeit in der Schweiz. MAGZ 18, Zürich 1874, 123-136. 4 ° K. Merk 1875, 1-44. 41 Zur Geschichte der Fälschung ausführlich: R. Kurz, Für und wider die Eiszeitkunst - Erkennen von Gravuren und Skulpturen als Werke altsteinzeitlicher Jäger. in: Adam/Kurz 1980, 11-27; K. Gerhardt, Der Streit über die jungpaläolithischen Kunstwerke aus dem Kesslerloch bei Thayngen, Kanton Schaffhausen, und die Deutsche anthropologische Gesellschaft, in: S. v. Blanckenhagen (Hrsg.) 1977. 17-48. 42 Karsten 1874. 43 E. v. Mandach, Bericht über eine im April 1874 im Dachsenbüel unweit Schaffhausen untersuchte Grabhöhle. MAGZ XVIII, Heft 7, 1874, 163-175.

29


2. Entdeckung der Fundstelle Schweizersbild Angeregt durch Entdeckungen eiszeitlicher Fundstellen in Südfrankreich, Belgien und England befasste sich Jakob Nüesch bereits Anfang der siebziger Jahre mit den Höhlen im Kanton Schaffuausen, «noch bevor das später berühmt gewordene Kesslerloch bei Thayngen entdeckt und ausgebeutet wurde». Unter anderem begann er mit seinen damaligen Zöglingen im «Kerzenstübli», einer Höhle zwischen Lohn und Thayngen, zu graben - allerdings noch ohne Erfolg. Zu besonders intensiver Suche wurde er aber sicher durch die Entdeckungen im Kesslerloch und noch im selben Jahr 187 4 auch im Freudental besonders angeregt. An zahlreichen Stellen führte er kleinere Nachgrabungen durch, leider immer ohne Erfolg. Auch in einer Felsspalte neben der Freudentalhöhle hatte er kein Glück. «In seinen Hoffnungen enttäuscht und beinahe entmutigt, stellte er daher am Nachmittag des 13. Oktober 1891 auch hier die Arbeit ein und trat mit seinen Begleitern den Heimweg an. Derselbe führte an den Felsen zum Schweizersbild vorbei. Da es erst drei Uhr war und der Arbeiter bis am Abend zur Verfügung stand, entschloss sich Nüesch, noch einen letzten Versuch zu machen und zwar am westlichen Felsen beim Schweizersbild; sollte dieser fehlschlagen, so nahm er sich fest vor, solche Nachforschungen im Kanton Schaffuausen endgültig aufzugeben. . . . Er machte dem ihn damals begleitenden Dr. Häusler den Vorschlag, zum Schluss einen Probegraben am Schweizersbild auszuheben und erzählte ihm, dass er schon vor beinahe 20 Jahren, wegen der Ähnlichkeit des westlichen Felsens beim Schweizersbild mit dem Hohlefels im Aachtal, die Vermutung ausgesprochen habe, es möchte hier am Fusse desselben eine prähistorische Niederlassung begraben liegen. Sie begaben sich zu demselben; Nüesch untersuchte abermals den freistehenden, auf der Südseite steil abfallenden, etwas überhängenden und am Fusse mit dichtem Gestrüpp bewachsenen Felsen und drängte sich mit seinem Begleiter zwischen diesem Gesträuch und der Felswand entlang, von einem Ende derselben bis zum andern, um irgendein Loch zu entdecken, dem hätte nachgegraben werden können; allein vergebens. Am südwestlichen Ende derselben war allerdings eine Nische deutlich zu erkennen, deren Wände vom Feuer geschwärzt waren, welch letzteres die Schuljugend oder herumziehende Zigeuner ab und zu angezündet hatten. In der Voraussetzung, dass sich die Felswand dieser Nische unterhalb der Erdoberfläche nach einwärts wölbte, wurde hier der erste Versuchsgraben angelegt; allein kaum in einer Tiefe von 40 cm trat der Felsen hervor, der anstatt nach einwärts abzufallen, nach aussen hin verlief und den weiteren Grabungen an dieser Stelle Einhalt gebot. Das aus dem Graben herausgeworfene Material bestand nur aus Kalktrümmern, mit viel 30

Asche und Kohle vermengt; keine Spur von zerschlagenen Knochen oder von einem Feuerstein-Instrument kam zum Vorschein. Ein zweiter senkrecht gegen die Felswand laufender Graben, dessen Dimensionen Nüesch eigenhändig mit dem Pickel vorzeichnete, erwies sich dagegen mehr versprechend; es wurde weiter gegraben. Indessen entfernte sich sein Begleiter, den Erfolg aufgebend. Kaum aber war der Letztere einige Schritte vom Schweizersbild entfernt, als in einer Tiefe von 25-30 cm mit einer Schaufel voll Schutt auch ein sichelförmig gekrümmtes Steinchen ausgeworfen wurde, das sich beim Abreiben der daran hängenden Erde als ein schön bearbeitetes Feuerstein-Messerehen erwies. Die Entdeckung wurde dem sich Entfernenden zugerufen; er kehrte zurück. Bereits waren inzwischen schon Dutzende von Feuerstein-Messerehen und Splittern, sowie zerschlagene Knochen, Kieferstücke und Zähne zu Tage gefördert worden. Eine vorgeschichtliche, menschliche Niederlassung musste hier begraben liegen; sorgfältig wurde abends der aufgeworfene Graben wieder zugeschüttet» (Dokument 6, S. 166ff.) 44 •


3. Jakob Nüesch-Entdecker und Ausgräber: Biographische Notizen Kurze Zeit nach dem Tode von Jakob Nüesch erschien, aus der Feder seines Schwiegersohnes Hermann Stamm, eine ausführliche Biographie, welche eigentlich für seinen 70. Geburtstag am 11. August 1915 geplant war45 • H. Stamm hatte dafür in den Briefen und Artikeln von J. Nüesch sowie in weiteren Unterlagen genau recherchiert. Zudem konnte J. Nüesch noch die meisten Kapitel durchlesen und überprüfen. Eine weitere Biographie erübrigt sich somit an dieser Stelle. Von Nutzen dürfte jedoch der folgende chronologische Abriss sein. Dieser soll besonders die Begebenheiten aus dem Leben von J. Nüesch beleuchten, welche im Zusammenhang mit seinen Ausgrabungen im Schweizersbild stehen. 11. August 1845 Jakob Nüesch wird in Hemmental als ältestes Kind des Lehrers Johann Jakob Nüesch und der Anna Nüesch-Hatt geboren (Abb. 21). Primarschule in Hemmental, Realschule und vier Jahre realistisches Gymnasium in Schaffhausen. 1864-1866 Studien an der Königlichen Polytechnischen Schule in Stuttgart mit Vorlesungen in naturwissenschaftlichen und mathematischen Fächern, an der Württembergischen Landesuniversität in Tübingen sowie an der Akademie in Lausanne. 1867 /68 Hauslehrer bei der Familie de Rahm auf Schloss Montavaux bei Yverdon. 1868/69 Lehrer für Deutsch und Mathematik am Institut Girardet in Lausanne. 1869 Ruf an die Knabenrealschule Schaffhausen. 1869-1874 Neben dem Unterricht an der Knabenrealschule ist Jakob Nüesch zusätzlich Hauslehrer bei der Familie RichardMoser im Urwerf und später in der Villa Florence in Neuhausen. 1874 Erste, erfolglose Sondierungen beim westlichen Felsen im Schweizersbild zusammen mit Emil Joos und Hermann Karsten. Heirat mit Pauline Graff aus Solothurn.

1875 Aufgrund seiner Arbeit «Die Nekrobiose in morphologischer Beziehung betrachtet» wird Jakob Nüesch von der Philosophisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Zürich zum Doktor ernannt. 1891 13. Oktober: Jakob Nüesch entdeckt die prähistorische Station beim westlichen Felsen im Schweizersbild. 15.-31. Oktober: Ausgrabungen im Schweizersbild zusammen mit Rudolf Häusler. 16. Oktober: Jakob Nüesch und Rudolf Häusler treffen mit der Naturforschenden Gesellschaft Schaffhausen folgende Vereinbarungen46: Die Naturforschende Gesellschaft übernimmt die Kosten der Ausgrabungen im Schweizersbild. J. Nüesch und R. Häusler übergeben die Funde dem Naturhistorischen Museum Schaffhausen, haben aber das Recht, für sich je eine kleine Sammlung auszuscheiden. Sie leiten die Grabungen und besitzen das Publikationsrecht. 16. Oktober und 9. November: Pachtverträge zwischen J. Nüesch und Bernhart Wehrli aus Herblingen sowie Georg Bührer im Spiegelgut, welche J. Nüesch den alleinigen Anspruch auf die Ausgrabungen im Schweizersbild und die Funde zugestehen (Dokument 2, S. 164). Nationalrat Wilhelm Joos stellt den Rüdensaal in Schaffhausen für die Ausstellung der Schweizersbildfunde zur Verfügung47 • 1892 25. Juli-28. Oktober: Ausgrabungen im Schweizersbild. Anwesenheit von Rudolf Häusler: 27. Juli-4. August, evtl. 6. August (Dokument 6, S. 166ff.) 48 • 1893 24. April: Vertrag zwischen Jakob Nüesch und der Naturforschenden Gesellschaft (Dokument 4, S. 166). Diese hat vergeb-

44 45

46

47 48

Nüesch 1902, 5-6. Stamm 1915. Protokollbuch. Sitzungsprotokoll vom 16.10.1891. Protokollbuch, Sitzungsprotokoll vom 21.10.1891. Protokollbuch, Sitzungsprotokoll vom 18.10.1892.

31


Abb. 21: Jakob Nüesch ( 1845-1915), Entdecker und Ausgräber des Schweizersbilds: 1 Jakob Nüesch, 2 Nüesch in jungen Jahren, 3 Nüesch mit Familie und Zöglingen (1895 ), 4 Nüesch im Kreise seiner Familie, 5 Nüesch mit Lehrern der Knabenrealschule (1889 ), 6 Jakob und Pauline Nüesch-Graff

32


2 /':,.

4 /':,.

6'\J

V7

33


lieh versucht, von verschiedenen Seiten (Stadt, Kanton, Bund) Subventionen für die Grabungen im Schweizersbild zu erhalten, und kann die Kosten nicht übernehmen. Demzufolge werden die Vereinbarungen vom 16. Oktober 1891 aufgehoben. J. Nüesch übernimmt nun die gesamte - auch die finanzielle - Verantwortung für die Ausgrabungen. Er bezahlt der Gesellschaft die im Jahre 1891 erhaltene Summe von Fr. 543.55 zurück. Anlässlich der 42. Versammlung der deutschen Philologen und Schulmänner in Wien hält J. Nüesch einen Vortrag über die Ausgrabungen im Schweizersbild. Er wird bei dieser Gelegenheit von Kaiser Franz Joseph I. in der Hofburg empfangen (Dokument 1, S. 163f.). Abschluss der Ausgrabungen im Schweizersbild ohne Mitarbeit von Rudolf Häusler. Laut R. Häusler sind sie bereits im Juli, allenfalls im Oktober beendet49 • J. Nüesch publiziert den «Katalog der Fundgegenstände aus der prähistorischen Niederlassung beim Schweizersbild-Schaffhausen» (Abb. 34 ). Sondierungen im Kesslerloch. 14. Juli und 29. Oktober: R. Häusler bescheinigt mit zwei Quittungen, dass er für seine Mitarbeit bei den Grabungen im Schweizersbild sowie bei der Ausstellung der Funde im Rüdensaal von J. Nüesch Fr. 100.- respektive Fr. 250.- erhalten hat und «dass dadurch der Anspruch an die Schweizersbildfunde aufgelöst und ausgelöst ist» (Dokument 5, S. 166). 29. Oktober: R. Häusler unterschreibt folgende Erklärung: «Der Unterzeichnete verpflichtet sich gegenüber Dr. Nüesch bis Ende Juni 1894 keine Grabungen in Höhlen und Abris vorzunehmen oder vornehmen zu lassen durch Drittpersonen. Spätere Grabungen werden gemeinschaftlich ausgeführt»50. 1894 10. April: «Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Bewilligung eines ausserordentlichen Kredites für Erwerbung des hauptsächlichen Teils der Herrn Dr. Nüesch in Schaffhausen zustehenden Fundgegenstände aus der prähistorischen Niederlassung beim Schweizersbild» (Dokument 34, S. 195ff.). 15. Juni: Nach dem Ständerat beschliesst auch der Nationalrat, den Sonderkredit von Fr. 27 000.- für den Ankauf und die Ausstellung der von Jakob Nüesch ausgewählten Funde vom Schweizersbild gutzuheissen. Dabei soll das entste34

hende Schweizerische Landesmuseum eine kulturhistorische, das Eidgenössische Polytechnikum eine naturhistorische Sammlung erhalten. 1895/96 Gerichtliche Auseinandersetzungen zwischen Jakob Nüesch und Rudolf Häusler vor dem Bezirksgericht Schaffhausen 51 . R. Häusler fordert von J. Nüesch für seine Mitarbeit bei den Grabungen im Schweizersbild und bei der Ausstellung der Funde im Rüdensaal eine Entschädigung von Fr. 10 000.-. Im Urteil vom 26. November 1896 wird der finanzielle Anspruch R. Häuslers verneint. Dies aufgrund der 1891 abgeschlossenen Pachtverträge und der 1893 ausgestellten Quittungen. 1896 Erste Auflage der Publikation «Das Schweizersbild, eine Niederlassung aus paläolithischer und neolithischer Zeit» (Abb. 34). 1898 Jakob Nüesch richtet im Schweizerischen Landesmuseum die erste Ausstellung der Funde vom Schweizersbild ein. 1898/99 Nachgrabungen im Kesslerloch (Höhle und Schuttkegel). 1902 Zweite, verbesserte und ergänzte Auflage der Publikation «Das Schweizersbild, eine Niederlassung aus paläolithischer und neolithischer Zeit». 1904 Die Teilnehmer des 14. Internationalen Amerikanistenkongresses in Stuttgart besuchen das Kesslerloch, das Schweizersbild sowie die Ausstellung der Funde im Rüdensaal. Jakob Nüesch publiziert «Das Kesslerloch, eine Höhle aus paläolithischer Zeit. Neue Grabungen und Funde». 1905 30. November: Vertrag zwischen Jakob Nüesch und dem Stadtrat von Schaffhausen. Demzufolge tritt J. Nüesch - gegen Bezahlung von Fr. 18 000.- - an die Einwohnergemeinde zu unbeschränktem Eigentum ab: Eine von ihm zusammengestellte Sammlung von Schweizersbildfunden samt Kopien von den besten Stücken aus der Sammlung des Landesmuseums. Sämtliche Funde, welche seine Grabungen im Kesslerloch zum Vorschein brachten (Dokument 32, S. 194f.).


1906 Jakob Nüesch nimmt als Delegierter des Bundesrates am 13. Internationalen Kongress für Anthropologie und prähistorische Archäologie in Monaco teil und hält dort einen Vortrag über die Stratigraphie des Schweizersbilds. 1907 Die Schweizersbild-Sammlung im Landesmuseum wird von Abbe Henri Breuil, Dozent für prähistorische Archäologie und Ethnographie in Freiburg, umgestellt. 1908 Jakob Nüesch wehrt sich mit zwei Eingaben an die Landesmuseumskommission gegen die Umstellung der Schweizersbildfunde (Dokumente 35-36, S. 198ff.). Trotz vernichtender Gutachten von David Viollier, Abbe Henri Breuil, Hugo Obermaier und Jakob Heierli über J. Nüeschs erste Aufstellung erhält dieser den Auftrag, die Schweizersbild-Sammlung nochmals neu einzurichten (Dokumente 37-42, S. 203ff.). 1908-1914 Heftige Auseinandersetzungen zwischen Jakob Nüesch und Jakob Heierli sowie Rudolf Häusler (Dokument 28, S. l 88f.) 52 • Diese üben starke Kritik an der Ausstellung im Landesmuseum und an den Grabungen im Schweizersbild. Zudem werden die daraus gewonnenen Resultate in Frage gestellt. So findet R. Häusler in der Monographie über das Schweizersbild zahlreiche Aussagen, welche seinen eigenen Beobachtungen widersprechen (Dokument 28, S. 188f.) 53 • 8. Oktober 1915: Jakob Nüesch stirbt nach längerem Leiden, zwei Monate nach seinem 70. Geburtstag.

4. Rudolf Häusler - Mitarbeiter und Widersacher Der 1857 geborene, aus Lenzburg AG stammende Dr. Rudolf Häusler hatte einige Jahre in Neuseeland verbracht, als er im Sommer 1891 an der Knabenrealschule Schaffhausen eine Stellvertretung übernahm. Dort lernte er Jakob Nüesch kennen und zeigte bald grosses Interesse für dessen Forschungen in den Schaffhauser Höhlen. So begleitete er Nüesch am Nachmittag des 13. Oktobers 1891 auch zum Schweizersbild, wo dieser, nach seinem Misserfolg im Jahre 1874, den westlichen Felsen nochmals untersuchen wollte. Während sich Nüesch an verschiedenen Stellen mit Nachdruck als den alleinigen Entdecker der Station Schweizersbild darstellt (z.B. Dokument 6, S. 166ff.), schildert Häusler in einem «offenen Brief an Nüesch» die Entdeckung der Fundstelle wie folgt: «Nachdem wir in der oberen Höhle im Freudental vergeblich hatten graben lassen, hielten wir auf dem Rückweg in Schweizersbild an. Sie gaben dem Arbeiter Antonio Befehl, vor der Nische einen Graben aufzuwerfen. Dieser gab kein befriedigendes Resultat. Sie liessen daher Antonio einen zweiten Versuchsgraben anfangen. Während er an diesem arbeitete, legten Sie sich in den kühlen Schatten, während meine Frau und ich neben dem Graben stehen blieben. Als wir hungrig und müde an die Heimreise dachten, kamen Sie frisch gestärkt vom Schlafe an und baten mich zu bleiben. Kurze Zeit darauf hielt Antonio den ersten Feuersteinsplitter freudig in die Höhe» (Dokument 22, S. 183f.). Dieser Umstand fiel aber vorerst nicht ins Gewicht. So traten Häusler und Nüesch am 16. Oktober 1891 als gleichgestellte Partner vor das Comite der Naturforschenden Gesellschaft Schaffhausen und trafen mit diesem Vereinbarungen, welche ihnen betreffend Schweizersbild die gleichen Vorrechte einräumten (S. 31; vgl. dazu Nüesch in Dokument 6, S. 166ff.). Welche Vorkommnisse führten nun von dieser anfänglichen Einmütigkeit zum Prozess zwischen Rudolf Häusler und Jakob Nüesch sowie zu den Auseinandersetzungen in Zeitungsberichten und Fachzeitschriften? Noch vor Beginn der zweiten Grabungskampagne richtete Nüesch am 18. Juli 1892 ein Schreiben an das Comite der Naturforschenden Gesellschaft (Dokument 3, S. 165f.).

49

Häusler 1914, 246; NZZ 82, Erstes Morgenblatt, 23.3.1909. Nachlass Nüesch. Bezirksgerichtsprotokolle, bes. Band 1895, 121ff. u. Band 1896, 1939ff., Stadtarchiv Schaffhausen. " NZZ 170, Zweites Morgenblatt, 20.6.1908; 178, Zweites Blatt. 28.6.1908; 82, Erstes Morgenblatt, 23.3.1909; 83, Erstes Morgenblatt, 24.3.1909; 84. Erstes Morgenblatt, 25.3.1909; 105, Drittes Morgenblatt, 16.4.1909; Nüesch 1912, 241ff. 53 Häusler 1914, 245ff. '

0

51

35


In diesem wies er, ohne Häusler zu erwähnen, auf die Schwierigkeiten der systematisch auszuführenden Ausgrabungen im Schweizersbild und auf die daraus resultierenden Kosten hin. Er machte im weitem den Vorschlag, die Grabungen inskünftig auf eigene Kosten weiterzuführen und der Gesellschaft das bisher ausgegrabene Material zu überlassen. Auf diesen Vorschlag wurde jedoch nicht eingegangen, da sich die Naturforschende Gesellschaft Beiträge von Stadt und Kanton erhoffte und zudem auch den Bund um Subventionen angehen wollte 54. Es folgten weitere Vorstösse von seiten Nüeschs, welche schliesslich in einen Vertrag zwischen ihm und der Gesellschaft mündeten (S. 31). Wie weit Häusler, der 1892 für einige Tage an den Ausgrabungen im Schweizersbild mitmachte, von diesen Vorgängen wusste, ist nicht auszumachen. Am 10. Mai 1893 schrieb ihm Nüesch jedenfalls folgendes: « ... Die Naturforschende Gesellschaft Schaffhausen sah sich nach abermaligen Bemühungen ausser Stande die von ihr eingegangenen Verpflichtungen betr. die Bezahlung der Auslagen, welche 1891, 1892 u. 1893 erwachsen sind, zu übernehmen u. somit fiel auch das Verabkommnis vom 16. October 1891 von selbst in sich zusammen, was auch auf Wunsch des Präsidenten der Gesellschaft noch schriftlich bestätigt wurde, so dass ich nun - nachdem ich dem von der Naturf. Ges. gestellten Begehren um Rückerstattung der von derselben für die Grabungen im Herbst 1891 ausgeworfenen Summe entsprochen habe - von jeder Verbindlichkeit ihr gegenüber vollständig frei bin. So theuer und schwer nun auch die Sache für mich geworden ist, so ist es mir doch lieb, gänzlich frei und selbständig in jeder Beziehung zu sein u. ungehemmt als alleiniger Eigenthümer verfügen zu können. Nun kann ich auch betr. Publikation viel freier ans Werk gehen. Nachher gilt es die Sache praktisch zu verwerthen, in dem Sinne dass ich wieder zu meinem ausgelegten Gelde gelange ... »55 . Rudolf Häusler scheint auf diese Zeilen nicht direkt reagiert zu haben. Er wohnte unterdessen in Aarburg AG und bearbeitete, als Beitrag für die Publikation über das Schweizersbild, die dort aufgedeckten Feuersteingeräte. In der Folge unterschrieb er vielmehr die beiden Quittungen und verzichtete somit auf seinen Anspruch an die Schweizersbildfunde (S. 34). In einem Brief vom 8. November 1893 bat er Nüesch jedoch, ihm «die Photographien und eine Sammlung wie vereinbart, zuzusenden»56. Nüesch schrieb ihm darauf am 16. November 1893: « ... auch möchte ich Sie bitten, mir so bald als möglich die in Ihren Händen noch befindlichen Schweizersbildgegenstände, die noch in Zürich und Ramsen liegen sollen, zuzusenden. Ich werde Ihnen dann das von mir Ihnen Versprochene vom Schweizersbild zustellen». 36

Im gleichen Schreiben teilte er Häusler zudem mit: «Vom Bundesrat habe ich auf mein Anerbieten (einer Sammlung von Schweizersbildfunden) noch keine Antwort» 57 • Am 2. Dezember 1893 sandte Häusler, welcher die versprochene Sammlung noch nicht erhalten hatte und kurz vor einer krankheitsbedingten Abreise nach Neuseeland stand, einen weiteren Brief an Nüesch (Dokument 16, S. 177f.). Er legte darin unter anderem seine Befürchtungen dar, dass Nüesch in der Publikation über das Schweizers bild seinem Namen nicht genügend Beachtung schenken und die Geschichte der Entdeckung nicht sachgemäss darstellen werde. Nüesch versuchte am 4. Dezember 1893 seine Bedenken mit folgenden Worten zu zerstreuen: «Ihre Aufregung betr. Publikation begreife ich nicht; es bestand und besteht in dieser Richtung kein Zweifel, dass die Publikation in der von Ihnen angedeuteten Weise erfolgen wird. Wollen Sie gef. mir einen Entwurf über die Geschichte der Entdeckung des Schweizersbildes zusenden, damit Ihre Wünsche entsprechende Berücksichtigung finden können» 58 . Nach dem Erscheinen der bundesrätlichen Botschaft betreffend Ankauf der Schweizersbildsammlung (Dokument 34, S. l 95ff.) wandte sich ein E. Kollbrunner, welcher die Interessen Häuslers in der Schweiz vertrat, am 31. Mai 1894 mit einem Gesuch an die Landesregierung (Dokument 17, S. 178f.). Er versuchte so zu erreichen, dass die Behandlung des Traktandums «Schweizersbild» im Nationalrat verschoben werde, bis Häusler von Neuseeland aus dazu Stellung genommen habe, oder dass man allenfalls einen Teil der Kaufsumme zurückbehalte, «bis den Rechten und Interessen Dr. Häuslers von Seiten des Herrn Dr. Nüesch die verdiente sachgemässe Beachtung und Würdigung zu Theil geworden ist ... ». Dieses Gesuch, zu dem sich Nüesch am 7. Juni 1894 gegenüber dem Departement des Innern äusserte (Dokument 18, S. 179f.), blieb jedoch ohne Folgen. Am 1. Juni 1894 richtete Häusler einen Brief an Nüesch, in welchem er klare Forderungen stellte und zum ersten mal auch von einer finanziellen Entschädigung sprach (Dokument 19, S. 180f.). Das Antwortschreiben Nüeschs erfolgte am 24. Juli 1894 (Dokument 20, S. 181f.). Damit brach - soweit heute ersichtlich - der Briefwechsel zwischen Rudolf Häusler und Jakob Nüesch ab. Häuslers «offene Briefe an Nüesch», in welchen er stärkste Kritik an den Ausgrabungen im Schweizers bild und den darüber erschienenen Einzelberichten übte, wurden direkt an Kollbrunner gesandt (Dokumente 21-26, S. 183f.). Sie zirkulierten in Häuslers Bekanntenkreis und waren für eine Veröffentlichung in der Tagespresse gedacht. Es lässt sich jedoch nicht ausmachen, ob eine Veröffentlichung tatsächlich stattfand und wie weit Nüesch diese Briefe zu Gesicht bekam.


Am 26. November 1896 wurde im beinahe zwei Jahre dauernden Prozess zwischen Häusler und Nüesch vom Bezirksgericht Schaffhausen das Urteil gesprochen 59 • Es lautete zu Ungunsten des landesabwesenden Klägers. So wurde den finanziellen Forderungen Häuslers nicht stattgegeben. Er musste vielmehr sämtliche Gerichtskosten übernehmen. Sein Manuskript über die Feuersteingeräte vom Schweizersbild, auf dessen Veröffentlichung im Rahmen der Gesamtpublikation er bereits 1894 verzichtet hatte (Dokument 22, S. 183f.), erhielt er dagegen zurück. Alle Rechte darüber wurden jedoch Nüesch zugesprochen60. Nach einer kritischen Betrachtung der SchweizersbildSammlung im Landesmuseum durch Jakob Heierli und der darauf folgenden Entgegnung von Nüesch ergriff Häusler 1909 erneut das Wort 61 . Er wandte sich dabei wiederum gegen die Ausgrabungen im Schweizersbild und Nüeschs sich zum Teil widersprechende Berichte. 1914 liess er zwei Artikel folgen, von welchen der eine vorab Nüeschs Beitrag in der Monographie über das Schweizersbild kritisch beleuchtete 62 • Damit endeten die jahrelang dauernden, manchmal bis an persönliche Beleidigungen grenzenden Auseinandersetzungen zwischen Rudolf Häusler und Jakob Nüesch. Wem von beiden letztlich mehr Recht zukam, ist schwierig zu beurteilen. Häusler kehrte offenbar nicht mehr in die Schweiz zurück; er starb 1929 in Auckland, Neuseeland. Ob er die Sammlung von Schweizersbildfunden, welche ihm Nüesch zugesichert hatte, je erhielt, ist ungewiss.

5. Die Ausgrabung im Schweizersbild 1891-93 Nach der Entdeckung der Fundstelle ging Nüesch unverzüglich daran, das Grundstück für detailliertere Untersuchungen zu pachten. In das Grundstück teilten sich zwei Besitzer, mit denen Nüesch noch 1891 einen Pachtvertrag abschloss (Dokument 2, S. 164), «nach welchem er: a. das fragliche, in Betracht kommende Land von dem betreffenden Eigentümer auf drei Jahre pachtete; b. sich einzig und allein das ausschliessliche Recht erwarb, in dem gepachteten Terrain Grabungen vorzunehmen oder vornehmen zu lassen; c. die sämtlichen Fundgegenstände als sein Eigentum behalten konnte; d. eine jährliche Pachtsumme zu bezahlen hatte; e. die weitere Verpflichtung einging, nach erfolgten Ausgrabungen das Terrain wieder zu verebnen und mit Grassamen anzusäen» 63 • Weiter ging er auch noch eine «etwas sonderbare Bedingung ... von einem der Grundeigentümer des Landes» ein. «Es war nämlich die Sage im Volksmund allgemein verbreitet, dass es bei den Felsen des Schweizersbildes „geiste", dass daselbst Geister abgeschiedener Menschen einen grossen Schatz hüten und den Blicken der lebenden Menschen neidisch verbergen. Nur ungern geht auch heute noch die einheimische Bevölkerung nachts auf der in der Nähe vorbeiführenden Landstrasse am Felsen vorbei. Verschiedene Spukgeschichten werden erzählt. Der daselbst von unsichtbaren Mächten gehütete Schatz sollte die französische Kriegskasse sein, welche wärend der im Jahr 1799 hier zwischen den Franzosen und den Russen geführten Kämpfe vergraben worden sei. Er verlangte, dass ihm - falls diese, nach seiner Ansicht gefüllte Kriegskasse gehoben werde - die Hälfte des Inhaltes als Eigentum abgetreten werde. Auch diese Bedingung wurde von dem Pächter eingegangen, konnte aber aus naheliegenden Gründen in der Folgezeit nicht erfüllt werden»64. «Da die Kosten für die Ausgrabungen der ganzen Fundstätte sehr bedeutend werden mussten, wandte sich Nüesch an die Naturforschende Gesellschaft in Schaffhausen mit dem Gesuche, dieselben tragen zu wollen;

54 55

56

57 58 59

60

61

62

63 64

Protokollbuch, Sitzungsprotokoll vom 18.7.1892. Nachlass Nüesch, Kopie; in etwas gekürzter Form, vor allem ohne den letzten Satz, auch in Dokument 6, S. 169. Nachlass Nüesch. Nachlass Nüesch, Abschrift. Nachlass Nüesch, Abschrift. Bezirksgerichtsprotokolle, Band 1896, S. 1939ff., Stadtarchiv Schaffhausen, vgl. S. 34. Die Vorlage für ein Titelblatt zeigt, dass Nüesch die Absicht hatte, Häuslers Manuskript in die Monographie über das Schweizersbild aufzunehmen. Vgl. oben Anm. 52. Häusler 1914, 245ff. Nüesch 1896, 6-7. Nüesch 1896, 7.

37


Abb. 22: Schweizersbild. Beginn der Ausgrabung. Erster Sondierschnitt von 1891. Vor dem Felsen im Hintergrund Jakob Nüesch.

wogegen er sich bereit erklärte, ihr die von ihm erworbenen und einzig allein ihm zustehenden Eigentumsrechte an den zu findenden Gegenständen abzutreten. Für die Mühe und Arbeit während der Ausgrabungen verlangte er das Recht, aus den Fundgegenständen zwei kleine Sammlungen ausscheiden zu dürfen und wahrte sich ferner gleichzeitig das Recht der Leitung der künftigen Grabungen und der Publikation über die Funde. Der Naturforschenden Gesellschaft gelang es aber nicht die grosse Summe aufzubringen, welche eine sorgfältige und systematische Ausgrabung der Niederlassung erforderte. Die Folge davon war, dass die ganze Last, sowohl der erforderlichen Arbeit, als auch der aufzuwendenden, sehr bedeutenden Geldmittel, ausschliesslich auf den Schultern des Dr. Nüesch liegen blieb» 65 • Nach Heierlis Tagebüchern sind aber zumindest die Kosten für die Ausgrabung anfänglich noch von der Naturforschenden Gesellschaft Schaffhausen übernommen worden. Die Gesellschaft hatte dann aber im Laufe 38

der Grabungen Mühe, die nötigen Geldmittel aufzutreiben. Verzweifelt versuchte der Präsident der Gesellschaft, in letzter Minute noch Mittel des Bundes zu erhalten, was indessen fehlschlug. Heierli schreibt hierzu in seinem Tagebuch: «13. 1. 1893. Prof. Heim zeigt mir einen Brief von Dr. Stierlin in Schaffhausen, worin dieser klagt, dass der Bundesrat die Subvention für die Ausgrabung im Schweizers bild abgelehnt habe, weil die Kommission für Erhaltung vaterländischer Altertümer finde, es sei das eher etwas naturwissenschaftliches und weil die Schaffhauser nicht vor Beginn der Ausgrabungen um Mithilfe des Bundes eingekommen seien» 66 • Die Vereinbarungen mit der Naturforschenden Gesellschaft wurden daher am 26. April 1893 wieder aufgehoben, und von der Gesellschaft geleistete Zahlungen wurden von Nüesch wieder zurückerstattet (Dokument 4, S. 166). Nüesch kaufte sich damit das alleinige Recht auf die Funde zurück. In gleichem Sinne verfuhr Nüesch mit Häusler. Heierli erwähnt hierzu, dass anfänglich Rudolf Häusler als


Abb. 23: Schweizersbild. Ansicht der Ausgrabung von 1892 im östlichen Teil des Abris.

Nüeschs Kompagnon auftrat, mit Anspruch auch auf einen Teil der Funde: «Häusler wohnte 1893 nicht mehr in Schaffhausen und es gelang schliesslich Nüesch, seinen Compagnon, der sehr krank wurde und dem Tode nahe zu sein schien, um ganz kleine Summen von Fr. 250.- zum Verzicht auf alle seine Ansprüche zu bewegen (Dokument 5, S. 166) und Nüesch war nun der glückliche Besitzer der bedeutenden Sammlung» 67 • Vorgehen und Grabungsmethoden «Die Fundstätte war während der Grabungen jeweils mit einem Kordon abgeschlossen (Abb. 23-24). Niemand durfte die Stelle, ohne eine spezielle Erlaubnis von dem Leiter der Ausgrabungen zu haben, betreten. Die Stadtpolizei hatte auf Verlangen desselben Verbottafeln aufgestellt, nach welchen das Mitnehmen von Gegenständen als Diebstahl qualifiziert und das unberechtigte Betreten der Niederlassung polizeilich geahndet wurde. Während der Ausgrabungen wurde die Stätte sowohl bei Tag als auch bei Nacht stets bewacht. Zu letzterem Zwecke war

ein von dem kantonalen Kriegskommissariat mit Bereitwilligkeit geliehenes Offizierszelt samt zwei Feldbetten auf dem Platze aufgeschlagen, unter welchem Nüesch mit einem Arbeiter oder mit einem wachsamen Hunde kampierte. Um sich den Ausgrabungen, dem Ordnen und Sichten der Funde ganz widmen zu können, stellte er, mit gütiger Erlaubnis der ihm vorgesetzten Schulbehörden, auf seine Kosten einen Stellvertreter an und gab überdies während mehrerer Jahre seine seit bereits 20 Jahren bestehende, kleine Knabenpension auf. So war alles geschehen, um die Grabungen mit Erfolg durchführen zu können» 68 •

65 66

67 68

Nüesch 1896. 7. Notizbüchlein Heierli XI, 5. Heierli in Dokument 40, S. 207. Nüesch 1896, 8.

39


Abb. 24: Schweizersbild. Ansicht der Ausgrabung von 1892 im östlichen Teil des Abris.

Die Ausgrabung wurde in drei Kampagnen durchgeführt und dauerte 1891 vom 15.-31. Oktober und 1892 vom 25. Juli-28. Oktober. Eine letzte Kampagne fand 1893 statt. 1891 wurde ein erster Versuchsgraben von 13,5 m Länge, in der Mitte der Halbellipse senkrecht gegen die Felswand zu, angelegt, der am oberen Grabenrand 120 cm, am Boden noch 80 cm (nach den Angaben Häuslers nurmehr 30 cm) breit war (Abb. 22). Von demselben wurde in westlicher Richtung ein Quergraben von 2,8 m Länge und 2,4 m Breite angelegt (Plan S. 68). 1892 wurde die ganze Fläche östlich des ersten Versuchsgrabens untersucht (Abb. 23-27). Die Schichten «wurden hier nicht vollständig bis an den Felsen hin weggenommen, sondern nur bis auf eine Entfernung von 50 cm vom Felsen. Dadurch blieb längs der östlichen Felswand von jeder Schicht ein Teil stehen, so dass man die Aufeinanderfolge derselben auf das deutlichste erkennen konnte. 40

Die Ablagerungen waren hier alle vollständig und ungestört erhalten und nicht durch Grabungen aus jüngerer Zeit durcheinandergeworfen» 69 • Im folgenden Jahr 1893 wurde schliesslich noch die restliche, westliche Fläche untersucht, die allerdings - bereits schon ausserhalb des Überhanges - nurmehr geringe Aufschlüsse erbrachte (S. 68ff.). Nüesch berichtet über die Ausgrabungsmethode: Man schritt «mit tunlichster Sorgfalt und Umsicht an die Ausbeutung. Folgende Grundsätze waren dabei von Anfang der Ausgrabung an bis zum Schluss derselben massgebend: a. es wurde alles, auch die kleinen und kleinsten Bruchstücke und Splitter von Knochen und Feuersteinen aufbewahrt; nichts durfte weggeworfen werden, und auch wenn der gleiche Gegenstand sich hundert-, ja tausendfach vorfand;


Abb. 25: Schweizersbild. Detailansicht der Ausgrabung von 1892 im östlichen Teil des Abris.

b. die Erdschichten wurden von 20 zu 20 cm abgehoben und die darin befindlichen Einschlüsse getrennt und, ebenfalls nach Schichten geordnet, aufbewahrt; c. ein Protokoll wurde während der Ausgrabungen geführt, in welches alle gelegentlich derselben gemachten Beobachtungen über die Lage der Fundgegenstände im Fundgebiet, die Tiefe der Funde selbst und über die Schichten sofort an Ort und Stelle eingetragen werden konnten; d. die Gegenstände erhielten fortlaufende Nummern und wurden mit verschiedenfarbigen Etiquetten versehen und zwar so, dass die Gegenstände aus der gleichen Tiefe im Fundgebiet, aus der gleichen Schichtenlage, auch dieselbe farbige Etiquette trugen, um einer etwaigen, späteren Verwechslung von vorneherein vorzubeugen; e. es wurden nur zuverlässige, vertrauenswürdige Arbeiter angestellt, welche überdies fortwährend überwacht waren; f. die Arbeiter erhielten einen höheren Taglohn, als der landesübliche betrug; dagegen wurde nie ein Trinkgeld an

dieselben verabreicht, selbst auch dann nicht, wenn sie ein noch so seltenes Stück fanden, um sie nicht durch materielle Vorteile etwa zu Unterschiebungen indirekt zu veranlassen; g. die Ausgrabungsstelle wurde umzäunt und die Überwachung derselben militärisch organisiert». Nach Nüesch wurde von der Fundstelle «1892 ein genauer Plan aufgenommen und die Fundstelle in Quadrate von 1 m Länge eingeteilt, um bei den weiteren Grabungen für den einzelnen Fundgegenstand ausser der Tiefe, der Lage und der Schicht auch noch die spezielle Fundstelle in der Niederlassung bezeichnen zu können» 70 • Weiter berichtet Nüesch von der Grabungsmethode: «Es wurden ferner genaue Profile von den Schichten von Meter zu Meter aufgenommen, interessante grössere Gegenstände zunächst in ihrer natürlichen Lage belassen 69 70

Nüesch 1896, 18. Nüesch 1896, 16-17.

41


Abb. 26: Schweizersbild. Ansicht der Ausgrabung von 1892 mit dem ausgegrabenen östlichen Teil des Abris.

und vorerst photographiert. Durch stufenweise Abdekkung der ganzen Niederlassung bekam man ein genaues Bild von der Aufeinanderfolge der Schichten, sowie eine richtige Anschauung von der Verteilung der Feuerstellen, der Wohnplätze, der Artefakte und der paläontologischen Einschlüsse». Mit den von Nüesch erwähnten Ausgrabungsmethoden wären nahezu alle Bedingungen erfüllt, die heute an eine moderne Ausgrabung gestellt werden: Vermessungsnetz, Profile, steingerechte Flächenpläne, Fundverteilungspläne, Tagebuch, fotografische Dokumentation. Leider zeugen sie aber nur von Nüeschs Idealvorstellung einer Ausgrabung, was immerhin bemerkenswert ist. Der Schritt zu ihrer wirklichen Realisierung muss indessen bezweifelt werden: jedenfalls zeigen die überlieferten Dokumente ein etwas anderes Bild der Ausgrabung. Auch Nüeschs Schlusspublikation enthält ausser eher schematischen Profilen und Flächenangaben nichts von den erwähnten Aufzeichnungen. Nüeschs Mitarbeiter und 42

anfänglicher Kompagnon Rudolf Häusler äusserte später zudem heftige Kritik an den Ausgrabungsmethoden Nüeschs (Dokumente 21-26, S. 183ff.). Gleichermassen finden wir in Heierlis Korrespondenz äusserst kritische Bemerkungen: «Die Ausgrabungen von 1891 waren sehr ergiebig. . . . Die Aufsicht über die Grabungen hatte Dr. Häusler geführt, der zwar nicht Prähistoriker vom Fach, aber mit guter naturwissenschaftlicher Bildung versehen war. Auch im Jahre 1892 führte Dr. Häusler noch eine Zeitlang die ständige Aufsicht, dann aber trat Herr Dr. Nüesch an seine Stelle, und nun begann derjenige Teil der Arbeit, der weniger genau durchgeführt wurde. Herr Dr. Nüesch scheint die Arbeiter meist sich selber überlassen zu haben» (Dokument 40, S. 207). An anderer Stelle bemerkt Heierli: «Häusler gestand ganz offen ein, dass er anfänglich keine Tagebücher geführt habe, noch weniger aber Nüesch». Gegenüber Heierli sagte Häusler über Pläne: «Im Jahre 1891 machte man flüchtige Pläne und Grundrisse des Längs- und Quergrabens und bei Wiederaufnahme der Arbeiten im Jahre 1892 fügte ich diesen


Abb. 27: Schweizersbild. Ansicht der Ausgrabung von 1892. Detail der ausgegrabenen östlichen Hälfte des Abris mit herabgestürzten Felsblöcken, Feuerstelle, Werkstätte (links von Jakob Nüesch) und freigelegtem Kindergrab 18. Rechts der noch nicht ausgegrabene westliche Teil des Abris hinter Querprofil 14.

Pläne des östlichen Teils der Fundstätte bei und zwar Gesamtpläne, um ein übersichtlicheres Bild zu erhalten und Spezialpläne jedes einzelnen Feldes, um mehr Raum zum Eintragen der Funde zu erhalten. In demselben Jahre machte ich einen genaueren, in Meterfelder eingeteilten Plan der ganzen Fundstätte. Der erste von Herrn Dr. Nüesch angefertigte Plan kam mir im Sommer 1893 zu Gesichte ... » (Dokument 40, S. 208). Man kommt daher zu der Vermutung, dass zahlreiche Grabungsmethoden in Wirklichkeit von Häusler angeregt worden sind und er auf der Grabung der eigentliche «Methodiker» war. Die wenigen Aufzeichnungen jedenfalls, die gemacht worden sind, stammen aus seiner Hand.

6. Die Ausgrabung im Spiegel von Zeitungsberichten «Am mittleren Felsen beim Schweizersbild, nördlich von Schaffhausen, nimmt seit einiger Zeit Herr Dr. Nüesch im Auftrage des Naturhistorischen Vereins Ausgrabungen vor. Wie früher in der benachbarten Höhle im Freudenthal ist auch hier eine Wohnung aus der Steinzeit aufgedeckt worden. In der schwärzlichen Feuerschicht finden sich eine Menge Knochen, Bruchstücke von Geweihen, alle Arten Thierzähne, Feuersteinmesser, Pfeilspitzen und auch Bruchstücke von Menschenschädeln. Der hohe Fels ist am Fusse leicht nach einwärts gehöhlt. Die Wohnung war also lange nicht so komfortabel, wie die im Freudenthal, im Vogelsang bei Herblingen oder im Kesslerloch bei Thayngen - es sei denn, dass der Felsen früher mehr überhangen ist. Man hatte uns ersucht, über diese Ausgrabungen Stillschweigen zu beobachten, damit sie nicht von Neugierigen gestört würden. Da die Sache nun doch an die Öffentlichkeit gedrungen ist, wäre weitere 43


Diskretion Luxus. Was könnte übrigens auch in Schaffhausen verborgen bleiben» 71 • «Die Funde vom Schweizersbild. Über die Ausstellung der Fundgegenstände im Rüdensaal schreibt Herr Professor A. Heim in der „N.Z.Zt." folgenden bemerkenswerthen Bericht: Die Naturforschende Gesellschaft von Schaffhausen hatte ihre Mitglieder auf Sonntag den 8. d. M. in den „Rüdensaal" daselbst eingeladen, um einen grossartigen Fund aus vorhistorischer Zeit zu betrachten. Herr Dr. Nüesch hatte am Fusse der überhängenden Felswand „Zum Schweizersbild", eine halbe Stunde von Schaffhausen entfernt, versuchsweise nachgegraben und stiess dabei sofort auf zahlreiche Knochenreste. Er begann sodann eine systematische Ausbeutung der Fundstelle, wobei die verschiedenen Schichten genau gesondert gehalten, und alle, auch die kleinsten Fundgegenstände, des Sorgfältigsten beachtet wurden. Unter oberflächlichen Schichten mit Resten aus jüngeren Zeiten folgt ein völliger Wall von Resten und Abfällen einer menschlichen Ansiedelung aus der Diluvialperiode. Alle charakteristischen Erscheinungen aus den Eiszeithöhlen von Südfrankreich, von Thayngen usw. finden sich auch hier. Alle markhaltigen Knochen sind zerschlagen, die Gelenkenden aber und die marklosen Knochen erhalten, was beweist, dass hier der Mensch noch ohne Hund als Hausthier gelebt hat. Metalle und Töpfereien fehlen, der Stein wird nur scharfsplittrig geschlagen, nicht geschliffen. Die sämtlichen Feuersteinspähne-Messer stammen von Feuersteinknollen aus dem Jurakalk der Umgebung. Die beste Bearbeitung zeigen Meissel, aus Knochen und Rennthiergeweih und spitze Knochennadeln mit feinem Öhr. Von grosser Bedeutung ist die Thatsache, dass auch hier wieder jene anatomisch sehr gut aufgefassten Thierzeichnungen erscheinen mit allen den Merkmalen, die diesen Stil ältester Zeit auszeichnen und wie spätere Zeiten (Pfahlbau etc.) sie nie mehr liefern. Bisher sind nur einige Bruchstücke von auf Rennthiergeweih eingeritzten Zeichnungen gefunden worden, aber diese Bruchstücke schon sind höchst bezeichnend und merkwürdig. Unter den ungeheuren Massen von Knochen und Knochensplittern lässt ein vorläufiger Überblick folgendes erkennen: Menschenreste sind in dieser Schicht sehr spärlich. Am häufigsten ist das Rennthier. Sehr häufig sind ferner Alpenhase, Pferd, Schneehuhn. Ferner erscheint Wildschwein, Wolf, Polarfuchs, Bär, Urochse, in grosser Zahl kleine Nagethiere, wahrscheinlich Wasserratten, Lemminge, und Mäuse und endlich verschiedene Vögel. Erst eine nähere Untersuchung wird die Arten genauer feststellen können. Ein Fusswurzelknochen gehört vielleicht dem Mammuth an. Es ist also die gleiche Gesellschaft alpin-nordischer Thiere, wie wir sie mit dem Men44

sehen zusammen in Thayngen fanden, auch hier vorhanden; der Mensch hat sie als seine Jagdthiere erlegt, hier verzehrt und aus ihren Geweihen und Knochen seine Werkzeuge hergestellt. Der Fund stammt aus einer Zeit nordisch-alpinen Klimas, aus dem Ende der Eiszeit, da der Rhein noch durch das Klettgau floss und der Rheinfall noch nicht existirte. Er ist sicherlich viele tausend Jahre älter als die Pfahlbauten, die schon unserem jetzigen Klima angehören und niemals mehr alpin-nordische Thiere aufweisen. Die bisherige Ausbeute bezieht sich noch auf bloss etwa den zehnten Teil der Fundstätte und bedeckt doch schon die dicht gedrängten Tische in einem grossen Saal. Die Ausbeute soll im Frühling fortgesetzt werden. Die Wissenschaft wird dem Entdecker besonders für die Umsicht und Sorgfalt, mit welcher er dabei zu Werke geht, zu hohem Danke verpflichtet sein. Die Resultate, die sich daraus ergeben werden, sind selbstverständlich noch nicht zu übersehen, soviel aber ist sicher, dass es sich um einen sehr wichtigen Fund handelt, der in der Urgeschichte des Menschen für immer eine bedeutende Stelle einnehmen wird. Nachdem bei der Höhle von Thayngen aus mangelnder Sachkenntnis bei der Ausbeute manches wissenschaftliche Resultat verborgen geblieben ist, ist es um so werthvoller, dass hier jene Fehler nicht wiederholt werden» 72 • «Die Ausgrabungen beim Schweizersbild. Nach dreiwöchiger Arbeit wurden am 1. November d. J. die Ausgrabungen beim Schweizersbild eingestellt, um nächsten Sommer wieder aufgenommen zu werden. Zum Ordnen und Auffstellen der zahlreich gefundenen Objekte stellte Herr Nationalrat Dr. W. Joos den Rüdensaal bereitwillig zur Verfügung. Schon am Sonntag den 8. November erging an die Mitglieder der Naturforschenden Gesellschaft, sowie an die städtischen und kantonalen Behörden die Einladung, die ungemein reichhaltige und interessante Sammlung zu besichtigen. Die Fundstücke waren nach dem Alter der Schichten und der Natur der Objekte so geordnet, dass die Sammlung die Aufeinanderfolge der im Lauf von Jahrtausenden entstandenen Kulturschichten in belehrender Weise vor Augen führte. Die Leiter der Ausgrabungen - die Herren Dr. Nüesch und Dr. Häusler - hatten keine Mühe und Zeit gespart, um diesen Zweck zu erreichen; sowohl durch die Art der Zusammenstellung als durch Inschriften, Profile und verschieden zubereitetes, gesiebtes, gewaschenes und geschlemmtes Material aus den einzelnen Schichten haben sie gesucht, es dem Besucher möglich zu machen sich ein Bild von dem Gesammtcharakter der Thierwelt


Abb. 28: Schweizersbild. Ansicht der Ausgrabung von 1892. Skizze von Jakob Nüesch.

und dem Leben der Menschen in jenen längst vergangenen Zeiten und dem bei den Ausgrabungen verfolgten Arbeitsplan zu entwerfen. Wer Gelegenheit hatte, während den Ausgrabungen beim Schweizersbild gegenwärtig zu sein, musste über die ungeheure Menge von Knochen, Geweihen, Werkzeugen aller Art, Schmuckgegenständen u.s. w. erstaunt sein. Die ganze Sammlung, die der grosse Rüdensaal nicht zu fassen vermochte, stammt aus einem kaum einen Meter breiten Graben und repräsentiert also höchstens den fünfzehnten Theil der beim Schweizersbild begraben liegenden Objekte aus der Rennthierzeit. Auch fremde Besucher äussern sich dahin, dass der Fund zu den wichtigsten der Art gehört und dass unter der sorgfältigen Leitung die weiteren Ausgrabungen Resultate von höchster wissenschaftlicher Bedeutung erzielen können und beitragen werden, eine ganze Reihe wichtiger Fragen endgültig festzustellen und zu entscheiden. Es ist daher um so mehr zu begrüssen, dass die beiden Herren sich von Anfang an darüber einigten, die Funde dem Museum unserer Stadt zu schenken, wodurch Schaffhausen in den Besitz wohl der vollständigsten Sammlung aus der Rennthierzeit gelangen wird. Die wissenschaftliche Bearbeitung der ausgestellten Gegenstände erfordert natürlicherweise eine längere Zeit. Den vorläufigen Berichten, die am Montag den 9. November d. J. der Naturforschenden Gesellschaft vorgelegt wurden, kann einstweilen folgendes entnommen werden. Herr Dr. Nüesch wies in seinem Vortrag zunächst auf die Wichtigkeit des Studiums unserer jurassischen Höhlen

und auf die Resultate früherer Ausgrabungen im Kanton hin und bemerkte, wie er vor bereits 16 Jahren auf die Wahrscheinlichkeit, am Schweizersbild Überreste von Niederlassungen der Troglodyten zu finden, hingewiesen habe. Diese Ansicht wurde durch die bisherigen Grabungen aufs glänzendste bestätigt. Im Verein mit Herrn Dr. Häusler liess er an verschiedenen Stellen im Freudenthal und am Buchberg Nachgrabungen anstellen, die aber wegen allzu tiefen Schuttmassen zu keinem günstigen Resultate führten. Auch der Versuch am Schweizersbild, vor der westlichen Nische schlug fehl, indem der Graben die dort sehr tief liegende und mit Asche bedeckte Kulturschicht nicht erreichte. Im zweiten, direkt gegen den Felsen geführten Versuchsgraben dagegen fanden sich schon in der Tiefe von einigen Centimetern bearbeitete Feuersteine und wurde in einer Tiefe von 40 Centimeter eine ausserordentlich reichhaltige Kulturschicht, die stellenweise zum grossen Theil aus künstlich aufgeschlagenen Rennthierknochen und Feuersteinmessern bestand, angeschnitten. Die Mächtigkeit dieser Schicht, der gute Erhaltungszustand der Knochen und Geweihstücke, die vortheilhafte Lage des Ortes, die es ermöglichte, bei günstigem Lichte im Freien selbst die kleinsten Gegenstände zu erkennen und die Grenzen der einzelnen Kulturschichten zu bestimmen und daher über das relative Alter jedes einzel-

71

72

Tage-Blatt für den Kanton Schaffhausen, Nr. 248, 22. Oktober 1891. Nachlass Nüesch, Zeitungsausschnitt unbekannter Provenienz.

45


nen Fundstückes absolute Sicherheit zu erhalten, liess es wünschenswerth erscheinen, die ganze südliche Partie des Felsens auf das Sorgfältigste zu untersuchen und die einzelnen Schichten genau getrennt zu halten und daher fürs Erste nur einen schmalen Graben anzulegen, diesen aber bis an den Felsen selbst fortzusetzen und bis auf den alten Thalboden zu vertiefen. Es konnte auf diese Weise die Mächtigkeit jeder Schicht gemessen, der Charakter der Einschlüsse bestimmt und Pläne für die in grösserem Massstabe später anzustellenden Grabungen gemacht werden. Auf diese Weise konnte verhütet werden, irgend einen Punkt zu versäumen, der für Altersbestimmungen und andere Beobachtungen von Wichtigkeit sein könnte. Der erste Versuchsgraben ist oben 120 cm, unten 80 cm breit und 13,5 Meter lang; es lassen sich in demselben in absteigender Reihenfolge sieben Schichten unterscheiden, die nach Inhalt und Farbe als Humusschicht, obere Aschenschicht und Hirschschicht, graue Kulturschicht, gelbe Kulturschicht, schwarze Kulturschicht, gelbe Nagethierschicht und unterste gelbe Lehmschicht bezeichnet werden. Die Färbung rührt in den dunklen Schichten von Asche, verkohlten Knochen und verwesten organischen Substanzen her, in der gelben Kulturschicht von Knochensplittern. Die Mächtigkeit der einzelnen Schichten variiert bedeutend und hängt hauptsächlich von der Menge der weggeworfenen Küchenabfälle ab, die ausserhalb der Kochstätte einen eigentlichen Wall bilden. Die obersten Schichten wurden von 10 zu 10 cm Tiefe abgehoben und der Inhalt oben durchsucht. Jedes Stück, selbst Nägel, Scherben etc. wurde aufbewahrt und alles nach Tiefe geordnet und getrennt gehalten. Beim Vergleichen der Fundstücke zeigte es sich, dass die ganze Humusschicht zu wiederholten Malen aufgegraben worden war. Ganz moderne Topfscherben und mit jetzt gebräuchlichen Fleischersägen und -messern zerkleinerte Knochen lagen neben und unter Objekten aus der Kulturschicht der Troglodyten. Das Auffinden von menschlichen Überresten und von ganzen Skeletten verscharrter Thiere und von noch ganz wohlerhaltenen Knochen kleiner Thiere, wie Füchse, Dachse, Maulwürfe, Igel, Mäuse etc. gab darüber genügende Auskunft. Durch Humus und Aschenschicht hinunter bis an die Grenze der grauen und gelben Kulturschicht senkte sich ein sorgfältig trocken gemauertes und mit einem grossen Felsblock bedecktes Grab (von Zigeunern herrührend?). In demselben fanden sich die Knochen eines jungen Individuums. Unmittelbar daneben, gegen den Felsen, diejenigen eines erwachsenen Menschen und neben diesen lagen zahlreiche Pferdeknochen. In derselben Schicht, im westlichen Quergraben, wurde ein ganzes 46

menschliches Skelett aufgedeckt. Der Schädel ruhte auf dem Brustbein, während die übrigen Knochen fast horizontal und in der normalen Position ruhten. Am Fusse des Felsens wurde, derselben Schicht angehörend, ein Stück eines Kinderschädels ausgegraben. Durch Füchse und Dachse war am Felsen der Boden so durchwühlt worden, dass die verschiedensten Gegenstände bunt durcheinander gemischt waren. Unter der Humusschicht liegt eine graue bis schwarze Aschenschicht mit Überresten, von Menschen und Thieren. Auch diese Schicht war vielerorts durch die Gräber gestört worden. Derselben gehört ein sehr vollständiges menschliches Skelett, sowie grosse Hirschzähne und Geweihe an, doch werden erst spätere Ausgrabungen über deren Alter sichere Auskunft geben können. Die graue Aschenschicht geht allmählig in die graue Kulturschicht über. Diese besteht hauptsächlich aus zerbröckelten Kalkstücken, Asche und ist nach unten reich an Knochen und Feuersteinmessern. Auch finden sich in derselben bereits zahlreiche Klopfer aus grossen Geröllsteinen, sowie grosse Blöcke von Kalkstein, die als Sitze gedient zu haben scheinen, da sie um eine alte Feuerstelle gruppiert sind. Sie unterscheiden sich in Form und Grösse von den flachen Sitzplatten der älteren Kulturschicht. Unter den Feuersteinwerkzeugen fanden sich zwei eigenthümliche Arten Bohrer, die weiter unten zu fehlen scheinen. Es sprechen auch noch andere Gründe dafür, dass zwischen der Bildung der gelben und grauen Kulturschicht der Fels längere Zeit nicht bewohnt war. Unter den Thierknochen zeichnen sich immer noch diejenigen der Rennthiere und Pferde durch Häufigkeit aus. Die Knochen von Alpenhasen sind dagegen schon seltener als in den älteren Kulturschichten. Die interessantesten und werthvollsten Objekte lieferte die gelbe Kulturschicht, die stellenweise eine wahre Knochenbreccie bildet. Die Zahl der Rennthierknochen und Feuersteinknollen, Werkzeuge und Abfälle ist enorm. Die Ausgrabung dieser Schicht verlangte daher die grösste Sorgfalt. Um das Zerbrechen von Gegenständen etc. zu verhüten, wurde so wenig als möglich mit harten Werkzeugen gegraben, sondern Stück für Stück der Schicht mit den Händen abgelöst, an Ort und Stelle verlesen, in Körben weggetragen, auf Tische ausgebreitet, wieder durchsucht, hierauf durch verschiedene Siebe gesiebt und geschlemmt und die Rückstände aufbewahrt, um später noch einmal durchsehen werden zu können. Diese Schicht zerfällt in zwei Theile, die durch ein aus grossen runden Geröllsteinen zusammengesetztes Pflaster getrennt sind. In diesem finden sich viele meisselartig zugeschnittene und geschliffene Knochenwerkzeuge besonders häufig, ebenso zahlreiche Steinmesser und Schaber, Knochennadeln etc.


Neben diesem Pflaster liegen die flachen Steinplatten, die wohl als Sitze betrachtet werden können. Der Zweck des Bodens, der eine bedeutende Ausdehnung zu haben scheint, ist nicht ganz klar. Wahrscheinlich wurden darauf die Thiere abgehäutet und die Häute verarbeitet. Auch im Feuer zersplitterte Geröllsteine, die in Form und Grösse den Kochsteinen neuseeländischer Kochgruben ähnlich sehen, sind sehr häufig, ebenso grosse Steine, die zum Aufklopfen der Knochen gedient hatten. Die Knochen sind fast ausnahmslos sehr klein zerschlagen, des Markes wegen. Aus dieser Schicht stammt die Zeichnung des Rennthiers. Leider war das Stück so zerbrechlich, dass nur mit grösster Sorgfalt ein Theil, die Vorderbeine und den Hals zeigend, gerettet werden konnte. Eine alte Bruchfläche beweist, dass es als unbrauchbares Bruchstück unter die Küchenabfälle geworfen worden war. Die unterste schwarze Kulturschicht hat die grösste horizontale Ausdehnung und bedeckt die gelbe Nagethierschicht einen halben Meter mächtig. Sie ist ausserordentlich reich an Knochensplittern und Feuersteinen. Die im Profil als Ofenschicht bezeichnete, kuppelförmig gewölbte Schicht scheint einen Theil der gelben und grauen Kulturschicht zu bilden. Sie war wohl die alte Feuerstätte, da fast alle in ihr vorkommenden Knochen verkohlt und die Steine zerbröckelt sind. Wahrscheinlich wurde schon während der Bildung der untersten Kulturschicht am gleichen Orte gekocht. Doch vertheilten die älteren Troglodyten die Küchenabfälle und die Asche, so dass diese einen flachen Boden bildeten, während die späteren Bewohner sie an grosse Haufen warfen. Nach unten geht die schwarze Kulturschicht plötzlich in die hellgelbe Lehmschicht über, die ihres Reichthums an Knochen kleiner Thiere wegen von hohem Interesse ist. Zu Millionen liegen in ihr die Überreste kleiner Nagethiere eingebettet. Knochen grösserer Thiere sind selten. Der Umstand, dass diese alle aufgeschlagen sind und das gleichzeitige Vorkommen von Feuersteinwerkzeugen beweist die Gegenwart von Menschen. Ob sie aber mit den Rennthierjägern, von denen die Kulturschichten uns Zeugnis geben, gleicher Herkunft sind, ist natürlich nicht zu ermitteln. Weiter nach unten nahmen diese Einschlüsse rasch ab, doch wurden einen Meter unter der schwarzen Kulturschicht noch einzelne Rennthierknochen, Vogel- und Nagethierknochen und bearbeitete Feuersteine angetroffen, die uns Beweise für das sehr hohe Alter der menschlichen Niederlassungen in Europa geben. Nach dem vorläufigen Bericht über die Ausgrabungen und über die Aufeinanderfolge verschiedener Kulturschichten wies Herr Dr. Nüesch einige der interessante-

sten Objekte vor. Es verdienen besonders Erwähnung die sehr feinen Nadeln mit Öhr, Ahlen, Pfeilspitzen, Pfriemen und Meissel aus Knochen und Horn, die Bruchstücke von Kommandostäben, durchbohrte Knochen, Pfeifen aus Gelenksknochen, die Zeichnung des Rennthiers, sodann Geweihstücke und Zähne von Hirschen und Rennthieren, Kiefer von Raubthieren etc. Ein vollständiges Verzeichnis der Thierspezies fehlt noch, da das Ordnen und Bestimmen der Funde mehrere Monate in Anspruch nehmen wird. Auffallend ist die Seltenheit der Raubthiere und das Fehlen des Hundes sowohl als Jagd- als auch als Hausthier. Es bleibt noch zu bemerken, dass der Graben zufälliger Weise mitten durch die Küche der Troglodyten schneidet. Dadurch erklärt sich die Seltenheit von Jagd-Kriegsgeräthschaften. Umso häufiger sind dagegen diejenigen Werkzeuge, deren sich die Weiber beim Zerschneiden der Jagdbeute und beim Zubereiten des Fleisches, sowie beim Verarbeiten der Felle etc. bedienten. Spätere Ausgrabungen werden wohl reiche Beute an den von den Jägern gebrauchten Gegenständen ergeben; mit Bezug auf die nächstes Jahr fortzusetzenden Ausgrabungen theilt Herr Dr. Nüesch mit, dass es nothwendig sei, ein grösseres Areal ebenfalls schichtenweise abzuheben, um den Boden wie er zur Zeit der Troglodyten existierte, in einem grösseren Stücke bloss legen und auf diese Weise einen Einblick in die Eintheilung der Wohn- und Schlafstätten, der Küche und der Abraumstellen gewinnen zu können. Am Schlusse seiner Berichterstattung verdankte Herr Dr. Nüesch die Bereitwilligkeit, mit welcher sowohl der städtische Baureferent als auch der kantonale Kriegskommissär ihn bei den Grabungen unterstützten. Die Naturforschende Gesellschaft erklärte sich bereit, die Kosten der bisherigen Ausgrabungen zu tragen und für Mittel zu weiteren Grabungen besorgt sein zu wollen. Herr Dr. Nüesch bemerkte noch, dass die Kosten der Ausgrabungen bedeutend kleiner sein würden, wenn es möglich wäre, zum Reinigen und Waschen der Knochen, sowie zum sorgfältigen Schlemmen der Kulturschichten der unmittelbar bei der Fundstätte vorbeigehenden Hochstrass-Wasserleitung Wasser entnehmen zu können, anstatt dasselbe fassweise herführen zu lassen. Da namentlich die Knochen der kleinen und kleinsten Thiere in den anderwärts ausgegrabenen Höhlen nicht in genügender Weise berücksichtigt wurden, so wäre es auch im Interesse der Wissenschaft, um allen Erwartungen entsprechen und alle Hoffnungen erfüllen zu können, in genügender Weise mit Wasser versehen zu sein. Herr Dr. Häusler stattete sodann einen vorläufigen Bericht über die Feuersteinwerkzeuge vom Schweizers47


bild ab. Die Steinwerkzeuge gehören zu den wichtigsten und interessantesten Überresten der paläolithischen Perioden, wurden aber trotzdem von den Archäologen sehr vernachlässigt. In den meisten Museen wird den kleineren Feuersteinsplittern, den sogenannten Messerehen der Ehrenplatz eingeräumt, während die allerdings weniger auffälligen, aber ungleich weit kunstreicher bearbeiteten Bohrer und Höbel mit den dunkelsten Ecken oder der Rumpelkammer vorlieb nehmen müssen. In Abhandlungen über Höhlenfunde wird den kleinen Steinwerkzeugen ebenfalls nicht die ihnen gebührende Aufmerksamkeit geschenkt. Es war daher die Entdeckung einer Kulturschicht mit zahlreichen ausserordentlich sorgfältig bearbeiteten, feineren Steininstrumenten sehr zu begrüssen. Mit Hülfe des im Schweizersbild ausgegrabenen Materials, unter dem sich viele tausend Feuersteine finden, war es nun möglich, die Instrumente der Rennthierzeit neu zu klassifizieren. An der Hand des vor zehn Jahren in England und Belgien und während fünf Jahren in Neuseeland gesammelten Vergleichmaterials liessen sich die meisten Funde vom Schweizersbild deuten. Um den Zweck vieler wenig auffälliger Feuersteinsplitter mit bearbeiteten Kanten und Ecken zu erkennen, ist es absolut nothwendig, sich mit dem häuslichen Leben von wilden Völkern vertraut zu machen und von ihnen die Art des Anfertigens der Werkzeuge und des Gebrauches kennen zu lernen. Vieles, was uns in Europa ganz unverständlich ist, wird sofort klar, wenn wir Wilde beobachten und sie um Rath fragen. Die langen und dem Auge gefälligen sogenannten Messer aus unsern Höhlen und vom Schweizersbild so hoch zu schätzen, wie es gemeiniglich geschieht, ist unrichtig. Sie verhalten sich zu den mit wunderbarer Kunstfertigkeit hergestellten feinen Bohr- und Polierwerkzeugen nicht anders als die Steinmesser der neuseeländischen Maori, mit denen die Körper todter Feinde und Sklaven zerschnitten wurden, zu den, dem Auge des Europäers wenig auffallenden unregelmässigen kleinen Splittern, mit denen die unsere Bewunderung im höchsten Grade erregenden Schnitzereien in Holz hergestellt wurden. Dr. Häusler zeigte eine Reihe Photographien von neuseeländischen Skulpturen, die mit den allerprimitivsten Werkzeugen erzeugt worden waren, ferner aus Phormiumfasern geflochtene Taschen und Gewebe, die einzig und allein mit kleinen Schabern zubereitet worden waren. Diese Schaber und Splitter werden in Abhandlungen über die Maori nicht oder nur ganz vorübergehend erwähnt. Obschon sie für die hohe Kulturstufe dieses polynesischen Volkes unendlich mehr Zeugnis ablegen als die Keulen und Messer der Kannibalenhefte. 48

Ein vergleichendes Studium ergiebt nun sofort, dass von den zahlreichen „Messern" aus der Rennthierzeit nur wenige Formen wirklich als Messer benutzt wurden. Die meisten dienten zur Bearbeitung von Holz, Knochen und Thierhäuten und sind als Schaber, Höbel und Bohrer zu bezeichnen. Unter den vielorts als abgenutzte „Messer" beschriebenen und bezeichneten Feuersteinen finden wir gerade diejenigen Werkzeuge, die für den Zweck vortrefflich gearbeitet, zur Herstellung der feinsten Nadeln, Pfeilspitzen, Häuptlingsstäbe und Zeichnungen dienten. Ein Blick auf die Bestandtheile der Kulturschichten lehrt uns, dass die Bewohner des Schweizersbildes ausschliesslich Jäger waren und in der Wahl ihrer Beute so wenig wählerisch waren wie die Australneger und Esquimaux. Alle Thiere, vom kleinsten Nagethier bis zum Raubthier, namentlich aber Rennthiere, Pferde und Hasen hinterliessen ihre Knochen in dem Küchenabraum am Schweizersbild. Die meisten Jagdthiere waren scheu und schnellfüssig und daher ohne Hund und Pferd nicht leicht zu erlegen. Natürliche Fallgruben und tiefe Felsenthäler waren jedenfalls von hoher Bedeutung. Lanzenspitzen, die als Jagd- und Kriegsgeräthe dienen konnten, finden sich in allen Niederlassungen der Rennthierzeit. Über die Existenz des Bogens dagegen herrschen verschiedene Ansichten. Die bereits genannten Vorkommnisse, sowie die Häufigkeit feiner Knochenspitzen in den alten Höhlen und die zahlreichen Feuersteinwerkzeuge, mit denen solche Spitzen aus dem Knochen geschnitten, abgehobelt und polirt wurden, sprechen entschieden dafür, dass der Bogen die Hauptwaffe der Troglodyten war. Verschiedene grosse Polierwerkzeuge dürften zur Herstellung des Bogens selbst und eigenthümliche eingekerbte Steinhöbel zur Bereitung der Sehne gedient haben. Werkzeuge zur Fabrikation von hölzernen Lanzen und Pfeilschäften sind häufig. Mit kleinen Werkzeugen mit tiefen, sorgfältig bearbeiteten Polierflächen, die dem Durchmesser der Nadeln genau entsprechen, wurden diese abgerundet und poliert. Mittels feinen Messern und Sägen aus Feuerstein wurden Geweihstücke von Rennthier zerschnitten, um zu Instrumenten aller Art und Häuptlingsstäben verarbeitet zu werden. Angefangene Objekte dieser Art liegen vom Schweizersbild mehrere vor. Lange, sehr scharfe Splitter mit an beiden Enden abgerundeten Kanten wurden als Ziehmesser benützt. Viele sind nach Jahrtausenden noch so scharf wie moderne Stahlschneiden. Verschiedenartige Werkzeuge mit scharfen Spitzen dienten zum Zerschneiden von Knochen und Häuten. Knochenstücke mit theilweise ausgeschnittenen Nadeln und Meisseln fanden sich noch neben den Instrumenten in der Kulturschicht. Zum Zerschneiden von Häu-


ten und zum Abrunden breiter und auch sehr feiner Streifen dienten die sogenannten concaven Schaber, die sich auch im alten Themseschutt Englands vorfinden. Eine in ihrer Art einzige Sammlung solcher Werkzeuge stammt aus dem Abraum der Freudenthaler Höhle. Diese Instrumente sind in der Regel sehr klein und infolge der Bearbeitung der Kanten mehr inkrustirt als scharfkantige Messer, werden also sehr leicht übersehen. Eigenthümlich abgenutzte „Messerehen", deren Kanten denjenigen der neuseeländischen Flachsschaber ähnlich sehen, dürften bei der Bearbeitung von Fasern von Pflanzen oder von Thiersehnen und feinen Darmsaiten Verwendung gefunden haben. Häufig finden sich am Schweizersbild die Schaber und zwar solche mit geraden, convexen und concaven Schneiden, die bei der Zubereitung der Felle namentlich vielfache Verwendung fanden. An einigen convexen Schabern lassen sich 50 Sprengflächen an der vordem Kante allein zählen, ein Beweis für die fast unglaubliche Kunstfertigkeit der Rennthierjäger. Die Seltenheit von „gefehlten Stücken" ist auffallend. Mehrere der vorgewiesenen Schaber sind als wahre Kunstwerke zu bezeichnen. Von besonderm Interesse sind die zahlreichen Arten von Bohrern. Aus der Art der Bearbeitung der Spitzen kann geschlossen werden, dass mit einigen Formen einfach Häute durchstochen, mit andern aber harte Substanzen durchbohrt worden waren. Die Sorgfältigkeit, mit welcher die äusserst feinen und scharfen Spitzen ohne Schleifen hergestellt wurden, ist überraschend. Mit den vorgewiesenen Bohrern wurden, wie beim Vergleichen der bearbeiteten Knochen- und Hornobjekte leicht ersichtlich ist, die Nadelöhre, die grossen Löcher in den Häuptlingsstäben etc. gebohrt. Über die Herstellung der feinen Bohrer, die sehr lange Zeit in Anspruch nahm, geben uns mehrere halb vollendete Exemplare sichere Auskunft. Herr Dr. Häusler beschrieb in Kürze nicht weniger als 35 verschiedene Feuersteinwerkzeuge, die zum Schneiden, Sägen, Hobeln, Schaben und Bohren gedient hatten und von denen sich im Schweizersbild guterhaltene, theilweise sogar unübertreffliche Exemplare vorgefunden hatten. Um die Richtigkeit seiner Ansichten über viele bisher verkannte oder gänzlich unbekannte Werkzeuge noch weiter zu beweisen, wird er im Laufe dieses Winters mittelst derselben eine Serie Knochenpfeilspitzen, Lanzenspitzen, Bogen und kleinerer Knochengegenstände ähnlich denen aus der Kulturschicht herstellen. Die bezüglichen Versuche, sowie diejenigen, die Feuersteininstrumente und den in den obern Juraschichten vorkommenden Feuersteinknollen selbst zu verfertigen, ergeben bereits ganz interessante Resultate, die in dem

von (den) Herren Dr. Nüesch und Dr. Häusler gemeinschaftlich zu verfassenden Werke über die Funde vom Schweizersbild eingehend besprochen werden sollen» 73 • Über die Ausgrabung 1892 lesen wir: «Die Naturforschende Gesellschaft, welche gegenwärtig im Schweizersbild bei Schaffhausen Nachgrabungen nach prähistorischen Gegenständen machen lässt, stellt das Gesuch, es möchte ihr an die bezüglichen, auf zirka Fr. 6000.geschätzten Kosten ein Staatsbeitrag gegeben und gleichzeitig beim Bund das Gesuch um einen Bundesbeitrag gestellt werden. In Anbetracht, dass die Fundstätte eine sehr ausgiebige ist und daher über eine etwa hier anzulegende Sammlung reichlich Doubletten abgegeben werden könnten, welche den Anstalten des Bundes in erster Linie zu gute kommen sollten, wird beschlossen, es sei den Bundesbehörden von der Sachlage Kenntnis zu geben und der Wunsch auszusprechen, dass ein Bundesbeitrag verabfolgt und zu diesem Zwecke zunächst ein eidgenössischer Experte hierher abgeordnet werden möchte, um die Sache in Augenschein zu nehmen. Ein Antrag, ohne die Entschliessung der Bundesbehörden abzuwarten, jetzt schon einen kantonalen Beitrag zu bewilligen, wird abgelehnt» 74. «Gestern hat, wie wir hören, ein zahlreiches Publikum, namentlich auch die Gelehrtenwelt Schaffhausens der Einladung Folge geleistet und war von den empfangenen Eindrücken und dem Gesehenen, namentlich aber auch von den kurzen, aber sehr fasslichen und deutlichen Erläuterungen von Dr. Nüesch sehr befriedigt. Auch der Laie überzeugt sich, dass am Schweizersbild durch Herrn Dr. Nüesch eine reiche Fundstätte anthropologischer Schätze eröffnet worden ist, die uns Kunde gibt von Geschlechtern, welche in vorhistorischer Zeit hier gewohnt haben. Ihre Feuerstellen, ihre Gräber, ihre Gebeine, ihre Werkzeuge, Geräthe, ja Schmucksachen erzählen uns von ihrem Dasein, ihrer Beschäftigung, ihrer Lebensweise, ihrer Umgebung, namentlich der Fauna, der Thierwelt, welche sie umgab. Die Stätte ist abgegrenzt durch aufgespannte Seile; sie ist auch fortwährend bewacht, weshalb ein Zelt mit Betten dort steht. Wenn auch kein Geldeswerth dort zu finden ist, könnten doch leicht von unkundiger oder gar boshafter Hand die Produkte vieler mühseliger und minutiöser Arbeit verdorben werden. Zwei vollständig ausgemauerte Kindergräber lagen gestern offen da und die Skelette samt ihren Bei-

73

74

Berichterstattungen im Schaffhauser Intelligenzblatt. Nr. 278-280. 26.-28.11. 1891. Tage-Blatt für den Kanton Schaffhausen, Nr. 187, 11. August 1892.

49


Abb. 29: Besichtigung des Abris Schweizersbild nach Abschluss der Ausgrabung: Jakob Heierli, Jakob Nüesch und Julius Weber (von links nach rechts).

gaben darin, ein höchst interessanter Anblick! Es ist kein Wunder, dass die Koryphäen der anthropologischen Wissenschaft den Ausgrabungen Dr. Nüeschs im Schweizersbild rege Aufmerksamkeit widmen und hohe Anerkennung zollen. Nicht bloss Prof. Virchow aus Berlin, auch andere bedeutende Fachmänner sind deswegen schon hierher geeilt, und nicht bloss aus der Schweiz und Deutschland, sondern auch aus Frankreich, wo gerade dieser Zweig der Wissenschaft sehr sorgfältig gepflegt wird. Englische Gelehrte werden wohl auch nicht mehr lange auf sich warten lassen. Sind schon die Thaynger Höhle und die im Freudenthal in der Wissenschaft ganz bekannte Grössen geworden, so wird Schweizers bild ein noch viel berühmterer Ort werden und darf auf eine recht beachtete und beachtenswerthe Erweiterung sich freuen» 75 •

75

Schaffhauser Intelligenzblatt, Nr. 233, 4. Oktober 1892.

50


III. Zeit der Auswertung und Publikation 1. Kongresse und Vorträge Noch während der Ausgrabung machte Nüesch im grossen Stil Propaganda für seine Arbeiten und das zutage geförderte Fundmaterial. Heierli bemerkte hierzu: «Hatte er gleich von Anfang an eine sehr rührige Propaganda für das Schweizersbild und seine Bedeutung entfaltet, so machte nun Nüesch (nach den Grabungen) derart Reklame für seine Sammlung, dass man in wissenschaftlichen Zeitschriften, in Zeitungen aller Art, in populären Schriften usf. so viel von der Sammlung Nüesch schon kannte, wie das gewiss noch bei keinem anderen Fund in der Schweiz der Fall gewesen war und hoffentlich auch nie mehr der Fall sein wird» (Dokument 40, S. 207). Namhafte Forscher aus dem In- und Ausland besuchten während und auch nach der Ausgrabung die bedeutende Fundstelle (Abb. 29). In zahlreichen Fachvereinen und Gesellschaften, an wissenschaftlichen Kongressen und Tagungen berichtete Nüesch über seine Entdeckungen im Schweizersbild. So nahm Nüesch 1892 am Anthropologenkongress in Ulm teil, worüber berichtet wurde: «Das vollste Interesse beanspruchte Herr Dr. Nüesch mit den Vorweisungen und den mündlichen Mitteilungen über die erst begonnenen Nachgrabungen auf „Schweizersbild". Die Entdeckung ... ist in der Tat von ausserordentlicher Bedeutung für die schweizerische Archäologie. Wir haben das Vergnügen gehabt, mehrmals an Ort und Stelle den Nachgrabungen beizuwohnen und jedesmal wuchs unser Erstaunen über die Fülle der zu Tage tretenden Artefakte aus der Rentierzeit. Obschon erst an dem Wegräumen des später hinzugekommenen Schuttes gearbeitet wird, so liegen schon eine ganze Reihe der interessantesten Funde vor. Es ist gewiss eine höchst merk-

würdige Tatsache, dass gerade dieser Schutthaufen der jüngeren Zeit eine ganze Reihe Gräber, teils mit Beigaben, enthält. Doch wir wollen dem unermüdlichen Schaffhauser Forscher nicht mit unzeitigen Berichten vorkommen» 76 • Im Mai 1893 wurde Nüesch auch auf Einladung Pencks zu einem Vortrag nach Wien eingeladen, wo er in der Wiener Hofburg sogar vom Kaiser empfangen wurde (Dokument 1, S. 163f.). Im Tageblatt des Kantons Schaffhausen lesen wir für 1893 von einem Besuch der deutschen Geographen im Schweizers bild: «Die deutschen Geographen haben letzte Woche nach dem Geographenkongress in Stuttgart noch eine Exkursion in das Gebiet des ehemaligen Rheingletschers gemacht und besichtigten unter der Leitung und Führung des berühmten Glacialgeologen Penck von Wien die Moränen und Gletschergeschiebe der dreimaligen Vergletscherung der Bodenseegegend, von Biberach bis ins Klettgau; sie besuchten auch das Kesslerloch und die Ausgrabungen beim Schweizersbild und besprachen eingehend die Frage, ob die menschlichen Niederlassungen aus der Rentierzeit postglacial, wie die Schweizer Geologen annehmen, oder aber interglacial seien, wie Penck und andere bisher immer behaupteten. Nach gründlicher Untersuchung und eingehendem Studium schloss sich auch Penck der Ansicht der Schweizer Geologen an und es ist somit die Jahre lang schwebende Differenz gehoben. Über die Art und Weise, wie Herr Dr. Nüesch die

76

Bericht von H. Messikommer in der NZZ, 19. August 1892.

Abb. 30: Besichtigung der Fundstelle Schweizersbild: Teilnehmer des Amerikanistenkongresses 1904 (links), Gruppensiesta vor dem Schweizersbild (rechts).

51


Ausgrabungen beim Schweizersbild im Interesse der Wissenschaft leitet, waren sämtliche Teilnehmer hoch erfreut» 77 • Vom 30.7.-1.8. 1894 führte die Schweizerische Naturforschende Gesellschaft aus aktuellem Anlass ihre 77. Jahresversammlung in Schaffhausen durch. In den Verhandlungen berichtete Nüesch über «Die Resultate der Ausgrabungen beim Schweizersbild» 78 • Im Sommer 1897 schickte Nüesch einen Teil seiner Schweizersbildfunde auch an die Weltausstellung nach Brüssel und berichtet, dass die Sammlung «in der Abteilung für Wissenschaft die höchste Auszeichnung „le prix de merite" erhalten hat» (Dokument 45, S. 220). 1904 besuchten die Teilnehmer des 14. Internationalen Amerikanistenkongresses, der in Stuttgart stattfand, auch die Fundstellen Kesslerloch, Schweizersbild (Abb. 30) und die Ausstellung im Rüdensaal (Abb. 32-33). Als Delegierter des Bundesrates nahm Nüesch 1906 ferner am 13. Internationalen Kongress für Anthropologie und prähistorische Archäologie in Monaco teil, wo er einen Vortrag über die Stratigraphie des Schweizersbilds hielt. Nüesch benutzte die Gelegenheit, auch gleich mit seiner Familie einen Abstecher in die Gegend von Les Eyzies in der Dordogne, dem «Mekka der paläolithischen Forschung», zu unternehmen. Von den unzähligen Höhlen und Abris jener Gegend wurden mehrere namengebend für paläolithische Epochen, beispielsweise die Fundstelle La Madeleine für die Kultur des Magdalenien, die Nüesch ebenfalls besuchte (Abb. 31).

2. Ausstellung im Rüdensaal Schon 1891, nach Abschluss der ersten Grabungskampagne im Schweizers bild, richtete Nüesch, zusammen mit Häusler, im Rüdensaal in Schaffhausen eine Ausstellung ein, die während der späteren Grabungskampagnen ständig mit den neuesten Funden ergänzt wurde und zahlreiche Besucher anlockte. Der Rüdensaal diente gleichzeitig als Lager- und Bearbeitungsraum für die äusserst zahlreich zutage geförderten Funde. Die Ausstellung wurde später auch durch Nüeschs Funde aus den Grabungen im Kesslerloch ergänzt. Die überlieferten Fotos der Ausstellung (Abb. 32-33) zeigen den Rüdensaal noch in seinem vollen Glanz. Man mag die Fülle der damals auf 27 Tischen präsentierten Funde noch zu erahnen, bevor das reiche Fundmaterial in zahlreiche Sammlungen aufgeteilt und an verschiedene Museen im In- und Ausland verkauft worden ist (S. 57ff.).

77

78

Tage-Blatt für den Kanton Schaffhausen, 20. April 1893. Darüber auch Berichte im Schaffhauser Intelligenzblatt, 21. April 1893, sowie in der NZZ, 27. Juni 1893. Nüesch 1894.

Abb. 31: Jakob Nüesch in Les Eyzies (Dordogne) 1906. Besichtigung des Abris von La Madeleine, der namengebenden Fundstelle der Magdalenienkultur.

52


Abb. 32: Ausstellung der paläolithischen Funde vom Schweizersbild und Kesslerloch im Rüdensaal für die Besucher des Amerikanistenkongresses am 23 .124. August 1904.

53


Abb. 33: Ausstellung der paläolithischen Funde vom Schweizersbild und Kesslerloch im Rüdensaal für die Besucher des Amerikanistenkongresses am 23 ./24. August 1904. 54


3. Publikation der Grabungsergebnisse Bereits 1892 berichtete Nüesch im Korrespondenzblatt der Deutschen Anthropologischen Gesellschaft über die «Niederlassung aus der Rentierzeit beim Schweizers bild, Schaffhausen» 79 • Im darauffolgenden Jahr erschien ein ausführlicher Bericht in der französischen Fachzeitschrift «Nouvelles Archives des Missions scientifiques et litteraires»80. Im selben Jahr publizierte Nüesch auch seinen «Katalog der Fundgegenstände aus der prähistorischen Niederlassung beim Schweizers bild» (Abb. 34 )81 • Auf vorbildliche Art enthält der Katalog eine Auflistung der gemachten Funde, geordnet nach den verschiedenen Schichten. Nüesch hatte die Funde mit farblich unterschiedlichen Etiketten versehen und sie auch durchnumeriert, so dass die Objekte stets genau zuweisbar waren. Häusler bemerkt hierzu allerdings kritisch, dass zahlreiche Stücke erst viel später numeriert worden sind, als teilweise bereits Verwechslungen stattgefunden haben. Leider haben sich die Nummern in späterer Zeit teilweise von den Stücken gelöst, so dass viele der einst bezeichneten Objekte heute dem Katalog Nüeschs nicht mehr eindeutig zuweisbar sind. Eine ganz zentrale Stellung erhielt das Schweizersbild vor allem in der geologischen Fachliteratur. So erschien 1894 der Aufsatz über «Das Alter der paläolithischen Station vom Schweizersbild bei Schaffhausen und die Gliederung des jüngeren Pleistocän» 82 •

Nüeschs Monographie in der 1. Auflage Bereits drei Jahre nach Abschluss der Grabungen publizierte Nüesch die Monographie «Das Schweizersbild, eine Niederlassung aus paläolithischer und neolithischer Zeit» als Band 35 der Neuen Denkschriften der allgemeinen schweizerischen Gesellschaft für die gesamten Naturwissenschaften (Abb. 34) 83 • Im Vorwort dazu schreibt er: «Mein Bestreben war von Anfang an darauf gerichtet, sowohl durch die Art und Weise der Ausgrabungen, als auch durch die wissenschaftliche Verwertung des Materials ein Werk zu Tage zu fördern, welches massgebend für künftige, ähnliche Ausgrabungen sein könnte. Zu diesem Zweck wurden die meisten Fundgegenstände Spezialforschern übergeben». Die Bedeutung der Publikation liegt denn auch vor allem in den zahlreichen naturwissenschaftlichen Beiträgen. Namhafte Spezialisten haben einzelne Themenbereiche abgehandelt, so Th. Studer die pleistozänen Ablagerungen, A. Nehring die kleineren Wirbeltiere, J. Kollmann die menschlichen Skelettreste und A. Penck die Glacialbildungen. Weitere Bearbeitungen galten den erratischen

Gesteinen, den Kohlenresten, den entnommenen Bodenproben, der geologischen Analyse von Steinartefakten, den «geschliffenen» Steinwerkzeugen sowie ferner der Herkunft des Namens «Schweizersbild». Der Aufsatz von Nüesch über die Grabungen, den man eigentlich an erster Stelle erwartet hätte, erschien als neunter Aufsatz unter dem Titel «Die prähistorische Niederlassung am Schweizersbild bei Schaffhausen, die Schichten und ihre Einschlüsse», gefolgt von zwei weiteren kulturhistorischen Beiträgen. Schon die Anordnung dieser Beiträge mag vielleicht zeigen, dass zur damaligen Zeit die prähistorische Forschung - eine historische Wissenschaft - noch eine Domäne der Naturwissenschafter war. Historische Gesichtspunkte und Fragestellungen wurden damals noch kaum beachtet. Berichtete man trotzdem etwas darüber, so waren die Autoren meist Laien und Heimatforscher, häufig Lehrer, die sich in ihrer Freizeit mit derartigen Themen beschäftigten. Vor diesem Hintergrund wird denn auch verständlich, dass der kulturhistorischen Betrachtung der archäologischen Reste durch Nüesch natürlich viel zuwenig Bedeutung beigemessen wurde. Dies führte dazu, dass - zumindest in der 1. Auflage - der Beitrag Nüeschs leider gerade der schwächste Teil der ganzen Monographie darstellt. Im wesentlichen beschränkte er sich auf die Charakterisierung der Schichten, unter Einbezug und teilweiser Wiederholung der naturwissenschaftlichen Resultate, gefolgt von der katalogartigen Beschreibung der Artefakte mit leider nur summarischer Abbildung. Gerade auch die Abbildungen zeigen, dass Nüesch der Bearbeitung der Artefakte nicht gewachsen war. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, zeigen seine Tafeln wahllos eine Mischung von echten Artefakten, unbearbeiteten Stücken und sogar Abfällen. Die Unfähigkeit, das Material selber wissenschaftlich zu bearbeiten, ist auch im Text spürbar, wird doch auf die Fundstücke kaum näher eingegangen. Etwas besser verhält es sich mit der Darstellung der Befunde, so der Herdstellen, Werkplätze oder auch der Gräber, worauf später noch näher eingegangen wird (S. 68ff.). Die kritischen Bemerkungen sollen indessen die Leistung Nüeschs, eine derartige Monographie überhaupt herauszubringen, keineswegs schmälern. In der damaligen Fachwelt wurde diese jedenfalls begeistert aufgenommen, vor allem unter Naturwissenschaftern im In- und Ausland. In vielen Fachzeitschriften erschien eine ausführliche Besprechung und Würdigung der Publikation (Dokumente 7-13, S. 170ff.).

79

Nüesch 1892. Boule 1893. " Nüesch 1893. 82 Steinmann 1894. 83 Nüesch 1896. '

0

55


Das Sohweizersbild, eine Niederlassung aus palaeolithischer und neolithischer Zeit.

Fundgegenstände

\'on

llr. Jakob Nttll!JCh, ans der

in Hdrnlnuuh«JJI,

prähistorischen Niederlassung lwim

Schaffhausen,

Schweizersbild

Jlf,u·n•1· .\, Ui1el1i0Jd in tic.lmfTiuuiNJn, Dr. J, .~riUa in ZOrich, IJr. ,\. G11f;,;wlJl41r 111 Ha~~,J. Mlltlfainulrut l)r, ,A.. He.tHugor in Stuttgart~ 111·,if. JJt'. ,J. Jfollnuurn i11 Ui,~ul, Prvf• .J. JlulHWr in 1'51:h11ffl11ml';e11, Prof. Dr. A. )\t,l1rln~ i11 H.-diH, J'rof. Dr, A. Pt!IJCk in Wfou, D1·. 0. Hd1öt,011q.ek .in Jfoidolborg, ProJ', 1>1·, IJ'h, 8h1tJ1,r io Bern.

\'Oll

])1•• •J.

Niier;mb JJ,I, XXXI',

ln

Schaffhausen (Schweiz). Auf Koston der GesoU.obaft und mit Sub,ention do, Bandes J.wd1·1wht

\'011

%Orcl11:r & F11rr1·t' in Xilrid1

I!

L 1

1893. B o 1· h d r n ,, 1, Pr<· i \ o H II. Mcd o r „ S1·1111ffh:111H1·n. -

,--·---·-·-··-----,,,

--·-----·-"~-=··-..--.

Abb. 34: Links: Titelblatt des «Katalogs der Fundgegenstände vom Schweizersbild» von Jakob Nüesch ( 1893). Rechts: Titelblatt der Monographie «Das Schweizersbild, eine Niederlassung aus paläolithischer und neolithischer Zeit» von Jakob Nüesch ( 1. Auflage, 1896).

Nüeschs Monographie in der 2. Auflage Die günstige Aufnahme der Monographie über das Schweizersbild ermöglichte 1902 die Herausgabe einer zweiten, erweiterten und verbesserten Auflage 84 • Sie wurde durch 6 neue Tafeln und 28 Abbildungen im Text erweitert. Zusätzlich erschienen zwei Beiträge, über die Fischknochen von V. Fatio und über die Keramikscherben aus der neolithischen Schicht von 0. Schötensack. Der Aufsatz Nüeschs wurde diesmal an den Anfang gestellt und erhielt einige Erweiterungen und Verbesserungen, nicht zuletzt was die Präsentation der Artefakte betrifft. Beispielsweise wurde auch die Vorlage der Kleinkunstwerke erheblich verbessert. Nach wie vor zeigen indessen mehrere Tafeln wahllos Artefakte neben unbearbeiteten Stücken und Abfällen (Dokumente 14-15, S. 176ff.).

56


4. Zum Verbleib des Fundmaterials Die Funde vom Schweizersbild sind heute leider nicht in einem Museum zusammengefasst, sondern im In- und Ausland weit verstreut und meist nicht einmal mehr ausgestellt. Vor der Einführung des Zivilgesetzbuches (ZGB von 1907) gab es noch keinen staatlichen Eigentumsanspruch für archäologische Bodenfunde; sie gehörten dem jeweiligen Grundbesitzer. Für das Schweizersbild erwarb sich Nüesch mittels Pachtvertrag das Recht, alle durch die Grabungen zutage geförderten Funde als Eigentum behalten zu dürfen (Dokument 2, S. 164). Die Naturforschende Gesellschaft Schaffhausen wollte zwar anfänglich die Grabungen finanzieren und hätte dafür auch den Grundstock der Sammlung erworben. Leider aber konnten die nötigen Geldmittel nicht beschafft werden, so dass Nüesch die Kosten für die Ausgrabung selber aufbringen musste (Dokument 4, S. 166). Nüesch betrieb in der Folge für seine Grabungen und Funde im grossen Stil Werbung, wozu Heierli bemerkt: «Diese gewaltige Reklame hatte Erfolg; es meldeten sich Liebhaber für die Sammlung. Zwar hatten die Schaffhauser Zeitungen von 1891 hervorgehoben, dass die beiden Entdecker beabsichtigten, die Funde dem Museum ihrer Stadt zu schenken; doch jetzt war davon keine Rede mehr. Es gelang Nüesch, sogar die Eidgenossenschaft für seine Sammlung zu interessieren. Man trat mit ihm in Unterhandlungen; Fachleute mussten ihre Gutachten abgeben und schliesslich wurde für zwei Auswahlsendungen, eine prähistorische für das Landesmuseum und eine paläontologische für das Polytechnikum, die geradezu verblüffend hohe Summe von Fr. 25 000.- bezahlt» (Dokument 40, S. 207). Nüesch erstellte anfänglich sogar eine Verkaufsofferte von Fr. 50 000.-, woran indessen die um ihr Gutachten befragte Landesmuseumskommission Anstand nahm. Nüesch stellte daraufhin die beiden, preislich etwas günstigeren Auswahlsammlungen zusammen, worauf die Eidgenossenschaft die beiden Sammlungen denn auch erwarb. «Die übrigen Funde verwendete er nun dazu, eine grosse Anzahl kleinerer und grösserer Sammlungen zusammen zu stellen und sie einzeln zu verkaufen, so dass man heute Schweizersbild-Sammlungen in einer ganzen Reihe von Museen treffen kann. Man sieht, das Antiquitätengeschäft Nüesch ging sehr gut» (Dokument 40, S. 208). Im Nachlass Nüeschs ist uns gar ein gedruckter Prospekt erhalten, der den Erwerb von Schweizersbild-Sammlungen propagiert (Dokument 29, S. 190). Daraus ist ersichtlich, dass Nüesch eigentliche Prototypen von Sammlungen erstellte und für Schulsammlungen sogar Abfälle und Werkstücke «verwertete» (Abb. 35).

1.-

' ,.'

t.

1-

1

6•

~ ,-'

r 1

jPa

1

1 -f • j '.

''

'1 ' j

"

t r'

,,

1-.

1

C

1

.. 41· 1

1

1 lt 1 ' •' ' ' 1 ,

j

'

~

1

3

Abb. 35: Schweizersbild. Originaler, mit Samt überzogener Fundkarton mit montierten Knochen- und Silexfunden. Auf derartige Fundkartons verteilte Nüesch das gesamte Fundmaterial. Unser Beispiel zeigt, dass hierbei keine besondere wissenschaftliche Systematik angewandt wurde.

Nüeschs grosse Sammlungen bestanden aus einem oder mehreren Schaukästen, einem Schichtprofil in halber Höhe sowie einem Modell des Schweizersbildfelsens. In Fotos sind uns verschiedene Sammlungen dieser Art noch erhalten, unter anderem vom Schweizerischen Landesmuseum in Zürich (Abb. 36-38) und vom Historischen Museum Solothurn (Abb. 39). Eine weitere Foto zeigt eine Sammlung uns unbekannten Verbleibs (Abb. 40). 1896 erwarb auch das Bernische Historische Museum von Nüesch einen Teil seiner Sammlung (Dokument 43, S. 215ff.). Über den Erwerb einer Kollektion für die ethnographische Sammlung des Basler Museums wird 1895 berichtet: " Nüesch 1902.

57


Abb. 36: Schweizersbild-Sammlung im Schweizerischen Landesmuseum Zürich, eingerichtet von Jakob Nüesch: Vitrine 1.

«Den eigentlichen „Clou" der Neuerwerbungen bilden drei im hintersten kleinen Zimmer der Sammlung (Erdgeschoss) aufgestellte neue Glasschränke, die mit unscheinbarem Material, mit Erde und Steinen von verschiedener Form und Grösse gefüllt sind. Diese Schränke stehen nämlich im Zusammenhang mit der uralten Wohnstätte des Menschen am Schweizersbild bei Schaffhausen. Der eine derselben stellt die übereinander liegenden Erdschichten jener Fundstelle dar. Das dazu verwendete Material wurde aus demjenigen der Ausgrabung sorgfältig ausgesucht, hierhergebracht und nach der dort beob58

achteten Reihenfolge aufeinandergeschichtet (freilich nur in halber Höhe, sonst hätte der Schrank eine zu unförmliche Ausdehnung erhalten. . . . Wir besitzen im zweiten Glasschrank eine getreue Kopie der ältesten Küche unseres Landes, die sorgfältig ausgehoben und in das Landesmuseum transportiert wurde. . . . In unserer ethnographischen Sammlung steht neben dem Herd . . . eine Nachbildung jenes Kindergrabes vom Schweizersbild, womit eine der allerältesten Bestattungsarten, die bei der europäischen Menschheit in Gebrauch kam, uns vorgeführt ist. Die Herrichtung dieser drei Schränke verdan-


Abb. 37: Schweizersbild-Sammlung im Schweizerischen Landesmuseum Zürich, eingerichtet von Jakob Nüesch: Vitrine 2.

ken wir der Güte des Herrn Dr. J. Nüesch. Er hat uns nicht nur das gesamte Material unentgeltlich überlassen, sondern auch die skrupulös genaue Einordnung in die Schränke persönlich ausgeführt. Gerne verdanken wir an dieser Stelle öffentlich diese wertvolle Schenkung und mühsame Arbeit» 85 (vgl. Dokument 44, S. 218ff.). Eine ähnliche Schenkung erhielt auch 1896 das Naturhistorische Museum Schaffhausen: «Das hiesige naturhistorische Museum ist in letzter Zeit in sehr wertvoller Weise bereichert worden. Herr Dr. Nüesch, der nach lan-

ger Krankheit seine Tätigkeit wieder aufnehmen konnte, hat dem Museum aus seinen Funden am Schweizersbild zwei Schenkungen gemacht. ... Was nun Herr Dr. Nüesch im Auftrage einiger anderer Museen erstellt hat, hat er dem hiesigen geschenkt: ein Profil in halber natürlicher Grösse der Schichten vom Schweizersbild. Es ist das ein grosser Glaskasten. Wie viele Spezereihändler ihren Kaffee direkt hinter dem Glas zeigen, so sieht man hier die

85

Basler Nachrichten vom 5. Juli 1895.

59


Abb. 38: Schweizersbild-Sammlung im Schweizerischen Landesmuseum Zürich, eingerichtet von Jakob Nüesch: Profil (in halber natürlicher Grösse) und Modell des Abris.

60


Abb. 39: Schweizersbild-Sammlung im Historischen Museum Solothurn: Vitrine mit Profil und Funden.

Schichten, die sich seit 24 000 Jahren an den Felsen des Schweizersbild ablagerten, fein säuberlich hinter Glas und Rahmen. . . . Neben diesem Profil, das in leichtverständlicher Weise eine Quintessenz des ganzen Fundes bildet, hat Herr Dr. Nüesch dem Museum noch eine andere überaus wertvolle Sammlung geschenkt. In einem andern Glasschrank finden sich schöne Fundstücke, so besonders eine prächtige Rentierschaufel, ein vorweltlicher Pferdehuf. Darunter systematisch geordnete Feuersteinwerkzeuge, besonders feine Feuersteinbohrer und Walkwerkzeuge. Genau lässt sich da verfolgen, dass aus einem Rentierknochen eine andere Nadel entsteht, als aus einem Vogelbein. Kurz die beiden von Herrn Dr. Nüesch gestifteten Schränke sind äusserst interessant und es ist nur zu bedauern, dass sie erst im Herbst, also zu einer Zeit, wo das Museum seine Pforten schliesst, aufgestellt worden sind. Im Frühjahre aber soll man daran denken! »86.

Der Grossteil der Schaffhauser Schweizersbild-Sammlung wurde indessen 1905 mit Stadtratsbeschluss gleichzeitig mit der Kesslerloch-Sammlung von Nüesch für Fr. 18 000.- erworben, zusammen mit zwei weiteren Kesslerloch-Sammlungen des Historisch-Antiquarischen Vereins Schaffhausen und der Naturforschenden Gesellschaft Schaffhausen, für die weitere Fr. 3500.- bezahlt worden sind. Im Stadtratsbeschluss ist diesbezüglich zu lesen: «Wir gingen dabei von der Ansicht aus, dass derartige wissenschaftlich bedeutende Funde für denjenigen Ort das meiste Interesse und den grössten Wert haben, wo sie entdeckt wurden, dass es deshalb eine Ehrenpflicht der Stadt sei, die Sammlung zu erwerben, falls dies nicht mit unerschwinglichen Opfern verbunden sei» (Dokument 31, S. 19lff.). Die Stadt raffte sich damit erstmals

86

Tage-Blatt für den Kanton Schaffhausen vom 30. November 1896.

61


Abb. 40: Schweizersbild-Sammlung an bisher nicht lokalisierter Örtlichkeit: Vitrinen mit Profil, Modell des Abris und Funden (Geschenk von Hofrat Prof. Dr. H. Meyer).

auf, archäologisches Fundgut zu erwerben, nachdem sie bereits zweimal den Erwerb bedeutender archäologischer Sammlungen abgelehnt hatte, so 1875 die KesslerlochSammlung Konrad Merks, die unter anderem auch den Lochstab mit dem «Weidenden Rentier» enthielt (damals für Fr. 2000.- vom Rosgartenmuseum Konstanz erworben) und 1894 die oben erwähnte Schweizersbild-Sammlung von Jakob Nüesch, die für Fr. 25 000.- an das Schweizerische Landesmuseum verkauft worden war. Die heute im Museum ·zu Allerheiligen vorhandenen paläolithischen Materialien stammen daher überwiegend vom Kesslerloch und nur zu einem ganz kleinen Teil aus dem Schweizersbild. Nüeschs Schweizersbild-Sammlung für Schaffhausen beinhaltete vor allem Faunenreste und nur zu einem sehr geringen Teil eigentliche Artefakte aus Stein, Knochen und Geweih.

Durch die Auswirkungen des Krieges und durch Ausscheiden der für einige Museen und Schulen in jüngerer Zeit nicht mehr bedeutenden Stücke ist einiges Material leider verloren gegangen. Für eine Neubearbeitung der Schweizersbildfunde ist daher das gesamte Material kaum mehr beizubringen.

Eine weitere Sammlung verkaufte Nüesch 1900 an das Germanische Nationalmuseum Nürnberg (Dokument 45, S. 220ff.). Kleinere Sammlungen gelangten nach Chur, Wien, Berlin, Paris und sogar (wohl durch Häusler) nach Neuseeland.

87

62

Für die vorliegende Publikation wurde angestrebt, zumindest die Sammlungen in Zürich, Schaffhausen, Bern, Basel und Nürnberg wissenschaftlich zu sichten. In unserer Publikation wird vorerst nur ein Teil des Materials vorgestellt. Eine ausführliche Materialvorlage mit weiterführender wissenschaftlicher Bearbeitung soll später in einer Monographie über die paläolithische Besiedlung der Region Schaffhausen erfolgen 87 •

Höneisen (u.a.) in Vorbereitung.


IV. Fundstelle und Fundmaterial aus heutiger Sicht 1. Die Ausgrabung Nüeschs vor 100 Jahren 1.1. Ausgrabungsmethoden gestern und heute Wie einleitend bemerkt, stehen die Grabungen im Schweizersbild am Anfang der archäologischen Forschung. Die Methoden der jungen Wissenschaft steckten noch weitgehend in den Kinderschuhen. Vereinzelt wurde aber bereits da und dort mit zukunftsweisenden Methoden gearbeitet, vielfach abgeleitet von den naturwissenschaftlichen Disziplinen. Grundsätzlich war bekannt, dass schichtweise gearbeitet werden muss. Vielerorts, auch im Schweizersbild, wurden aber nicht eigentliche «echte Schichten» abgetragen und untersucht, sondern man bewegte sich in Abstichen, willkürlich festgelegt, beispielsweise von 20 cm Mächtigkeit. Meist wurde auch streng horizontal gearbeitet, was bedeutet, dass abfallende Schichten nicht selten auch gekappt worden sind. Dies hatte zur Folge, dass das so nach «Schichten» getrennte Fundmaterial nicht wirklichen Benutzungsoder Ablagerungsschichten entspricht, das Fundensemble über die Benutzung und zeitliche Zugehörigkeit also eigentlich nichts aussagt. Zur Dokumentation gehören bei heutigen Grabungen einerseits Zeichnungen (Profilzeichnungen, steingerechte Flächenpläne und Fundverteilungspläne mit genauer Lage der Funde), andererseits Fotografien, die ergänzend zu den Plänen den Farb- und Materialcharakter noch besser zur Geltung bringen. Die ganze Dokumentation würde nichts nützen, wenn die Flächenaufnahmen und Profile nicht auch in ein Koordinatennetz eingebunden sind. Genaue Vermessung und Nivellierung sind daher unerlässlich. Eine paläolithische Ausgrabung ist besonders minutiös; die Arbeit des Archäologen gleicht nahezu kriminalistischer Spurensicherung. Durch die Siedlungstätigkeit haben sich Benutzungsschichten gebildet. Natürlich gewachsene Erdschichten haben sich im Laufe der Besiedlung mit Siedlungsmaterial vermischt. Der Archäologe findet daher einerseits Störungen im gewachsenen (natürlichen) Boden, beispielsweise Pfostenlöcher, Gruben oder Gräbchen, meist erkennbar an abweichender Farbe oder andersartigem Material, andererseits aber auch ganze Siedlungsschichten, eigentliche Abfallschichten mit Speiseresten, Bearbeitungsabfällen und Bauteilen. Von besonders weit zurückliegenden Epochen sind nun naturgemäss die Hinterlassenschaften weniger gut erhalten als von Zeiträumen von nur wenigen hundert Jahren. Hinzu kommt, dass für länger zurückliegende Perioden meist auch die Materialvielfalt viel weniger gross ist. Sind uns für die jüngeren Epochen sowohl Keramik, Knochen, Stein und Metall, manchmal sogar organische Materialien wie Holz, Geflechte und Gewebe überliefert, so finden wir an paläolithischen Siedlungsplätzen fast

ausschliesslich Stein und Knochen. Zur Rekonstruktion der Siedlungsvorgänge stehen dem Archäologen für die frühen Epochen also extrem wenig Quellen zur Verfügung. Häufig sind unscheinbare Stein- und Knochenansammlungen die einzigen Hinterlassenschaften, welche Jäger vor mehr als 10 000 Jahren hinterlassen haben. Hinzu kommt, dass die Siedlungstätigkeit jener Zeit kaum Spuren von Bodeneingriffen hinterlassen hat, da einfache Zeltkonstruktionen und Windschutzvorrichtungen kaum grössere Eingriffe in den gewachsenen Boden bedingten.

1.2. Schichtabfolge und Schichtbildung Die Grabungen im Schweizersbild förderten eine intakte Schichtabfolge zu Tage, die nur im obersten Teil durch spätere Aktivitäten teilweise gestört und vermischt war. Im ersten Versuchsgraben von 1891 (Profil 13, Abb. 42.2) wurden 7 Schichten unterschieden. Über dem Talschotter fand sich eine gelbe Lehmschicht, gefolgt von einer 20 cm mächtigen Nagetierschicht. Darüber folgte eine schwarze (35 cm) und eine gelbe (30 cm) Kulturschicht, gefolgt von einer grauen Kulturschicht und Ofenschicht (45 cm). Darüber lag schliesslich eine Aschenschicht (25 cm) und schliesslich der Humus (50 cm) 88 • An Profilaufnahmen sind uns vor allem überliefert (Plan S. 68): 1. Profil entlang der östlichen Felswand, NW-SO verlaufend (Abb. 41 und 42.1). 2. Querprofile entlang der Meter 13 (Abb. 42.2), 14 (Abb. 42.3) und 15 (Abb. 42.4), N-S senkrecht zur Felswand verlaufend 89 • Die Profile lassen erkennen, dass die Schichtabfolge im ganzen Grabungsbereich annähernd gleich war (Abb. 43). Da und dort aber war die eine Schicht mehr oder weniger mächtig. Im Verlauf der Grabung konnte die im Versuchsgraben festgestellte Schichtabfolge nur unwesentlich verfeinert werden, vor allem anhand des Profiles entlang der östlichen Felswand. Nüesch sprach in der Folge von folgendem Schichtaufbau (von oben nach unten): 6. Humusschicht (durchschnittlich 40-50 cm) 5. graue Kulturschicht (durchschnittlich 40 cm) 4. Breccienschicht mit oberer Nagetierschicht (durchschnittlich 80 cm) 3. gelbe Kulturschicht (durchschnittlich 30 cm) 2. untere Nagetierschicht (durchschnittlich 50 cm) 1. Schotter (mindestens 1,5 m ergraben).

88

89

Nüesch 1902, 13. Nüesch 1902, Taf. II-III. Die Originalzeichnungen sowie weitere skizzenhafte Aufzeichnungen der Schichtabfolge entlang weiterer Meterstreifen sind uns im Nachlass Nüesch erhalten. Die Aufzeichnung der Schichtabfolge ist leider nur sehr skizzenhaft. Aufgezeichnet wurden nur die hauptsächlichsten Schichten, während feinstratigraphische Angaben vollständig fehlen. Nüeschs Numerierung der Profile bezieht sich auf die Numerierung des Quadratmeterrasters.

63


Beschreibung der einzelnen Schichten 1. Schotter Bei der angegrabenen Schotterschicht handelt es sich um den anstehenden Grund. Anfänglich bezeichnete Nüesch die Schicht noch als «gelben Lehm», bemerkte dann aber, dass nur im obersten Teil der Schotter teilweise lehmig durchsetzt war. Unmittelbar entlang des Felsens bestand die Schotterschicht fast ganz aus kantigen, versinterten Kalktrümmern - zweifellos Frostbruchschutt der Felswand.

2. Untere Nagetierschicht Die Schottergrundlage wurde überlagert von der sogenannten unteren Nagetierschicht, einer Mischung von Kalkbruchschutt und unzähligen kleinen Knochen von Nagern, Vögeln und Fischen. Die anfänglich nur als «N agetierschicht» bezeichnete Strate wurde später als «untere Nagetierschicht» benannt, da sich zeigte, dass auch im Niveau der sogenannten Breccienschicht Überreste von Nagern in grosser Zahl auftraten, welche in der Folge als «obere Nagetierschicht» bezeichnet wurden.

Abb. 41: Schweizersbild 1892. Ausschnitt des Profils längs der östlichen Felswand mit Schichtabfolge (von oben nach unten): 6 Humus, 5 graue oder neolithische Kulturschicht, 4 Breccienschicht mit oberer Nagetierschicht, 3 gelbe Kulturschicht, 2 untere Nagetierschicht, 1 Schotter (vgl. Abb. 42 .1 ).

Die untere Nagetierschicht war nicht gleichmässig über die ganze Grabungsfläche verteilt, sondern war lokal ausgebildet. Besonders mächtig war die Schicht im Osten und erreichte ihre grösste Dicke von gegen 50 cm unmittelbar unter den hoch oben an der Felswand befindlichen Felsspalten und -löchern. An einzelnen Stellen bestand die Schicht am Felsen aus Breccie ohne irgendwelche Einschlüsse; an anderen Stellen fanden sich hingegen deutliche Knochenkonzentrationen. Eine Erklärung für diese Schicht fand sich für die Ausgräber beim Aufheben eines grossen, flachen Steines. Darunter lagen mehrere, nur aus kleinen Nagetierknöchelchen bestehende, isolierte Häufchen, wie sie als Gewölle bei Raubvögeln, vor allem Eulen, beobachtet werden (Abb. 77). Derartige Gewölledepots sind im Schaffhauser Reiat mehrfach festgestellt worden, so in Vorder Eichen im Fulachtal, im Dachsenbühl (in nächster Nähe zum Schweizersbild) sowie in verschiedenen kleineren Höhlen am Hohberg bei Herblingen. In allen Fällen handelt es sich um reine Ablagerungen von Gewöllen ohne jedes kulturelle Inventar. Erwin von Mandach erarbeitete für die Untere Bsetzi ein aufschlussreiches Profil. An jener Stelle fand sich über einer paläolithischen Schicht eine Gewölleschicht mit Knöchelchen verschiedener Wühlmausarten, ferner von Hamster, Siebenschläfer und Gartenschläfer90 •

aber auch von Vögeln, Reptilien und Fischen (S. 152) 91 • Für die von Studer und Nehring angeführten Reste von Grosssäugern (u.a. Rentier, Wildpferd, Wollnashorn) stellt sich die Frage, ob diese wirklich der unteren Nagetierschicht angehörten. Man möchte fast vermuten, dass sie eher erst zur darüberliegenden gelben Kulturschicht gehören. Denkbar wäre auch, dass sie im Rahmen späterer Siedlungstätigkeit in die untere Schicht gelangt sind. Sicher ist, dass während der Bildung der Gewölleschicht der Mensch im Schweizersbild nicht anwesend war, da sich die Eulen zweifellos gestört gefühlt hätten. Denkbar wäre aber auch, dass Jägergruppen den Ort immer wieder einmal zu bestimmten Jahreszeiten aufgesucht und die Bildung der Gewölleschicht unterbrochen haben. Dafür' könnten auch die von Nüesch erwähnten kulturhistorischen Einschlüsse sprechen. Nüesch spricht gar von einer Feuerstelle, die sich in der unteren Nagetierschicht gefunden haben soll. Dazu erwähnt er eine nur geringe Anzahl von Artefakten aus Knochen und Geweih sowie eine verschwindend kleine Anzahl von Silices. Der interessante Schichtbefund ist leider nachträglich nicht mehr im Detail überprüfbar; zumindest macht er aber wahrscheinlich, dass das Abri wohl mehrmals im Wechsel sowohl dem Tier als auch dem Menschen als Rastplatz gedient hat.

Man möchte somit die untere Nagetierschicht vom Schweizersbild als reine Gewölleschicht von Eulen und anderen Raubvögeln interpretieren (S. 150). Nach Studer und Nehring bestand die Schicht vor allem aus Knochen von Nagetieren, hauptsächlich verschiedener Mausarten, 64

'

'

0

1

E. v. Mandach, Die kleineren Wirbeltiere der Kohlerhöhle (Brislach), Amt Laufen (Kt. Bern), nebst weiteren Beiträgen zur Erforschung der Kleinsäugerreste des schweizerischen Magdalenien. Mitt. Natf. Ges. Schaffh. 21, I, 1946, 1-28. Studer 1902, 123ff.; Nehring 1902, 167 (Faunenliste).


'!'--- ---"---

.:·.- · : .-.. -':·~ ;~:«~/.'_ ~~-~(~~~ ~~ -6 __ ._,,____.....,____ At -·· - · -- - ¼ - · -

- L - -- ·- Li,.. .

-··

~1: ::~: -· -"-~- - - --0 . ,.

__.)c......_ _ __.__ _ _

o,i.

~\1

I

~-=~·

efA.v~iz-u/L-t1[ a"Y"'"fF~ ...A1 13

.... r 1- - - ~ ' - - ~'---___._

•·,,·

____,,__ -:=::==·

Z-/:{11

~~~~~;::=-~~~7:11s

"

2

J&:

.;fe1.,,.wt.~6JL, ('2'4(/t Cfl}j:e, J~ 11;{., 1:,0 1'-----"-"--- - " - - -- _._____,,t.;__ _ _....,_.L....C....---'' - - - - - + - - - --'-- -- -.;-----""-----'"----.--',·~

,, __ ~,

,, ..•

l - - - - - " -- - - -...__ _ _....,___ __ _,,___ _ __,___ ____.__.,.__.....,.;;.:._+------<.~---,-----jf------'.,"-'- - - - ;'" o,i

o.i. -

.,,

"

o,\

,h, ~\.

o.,

..

~

-- "'' Abb. 42: Von oben nach unten: 1 Profil längs der östlichen Felswand, 2 Querprofil 13, 3 Querprofil 14, 4 Querprofil 15. Originalzeichnungen von Jakob Nüesch und Rudolf Häusler.

65


1 2 3a 3b 4 Sa Sb 6 G

0

Schotter Untere Nagetierschicht Schwarze Kulturschicht Gelbe Kulturschicht Breccie/Obere Nagetierschicht Graue Kulturschicht Asche Humus Grab

2

3

4

5

6

7

8

473.00 - 472.00 - 471.00 - -

----·-·-·-·-·-·-2-·-·-·-·-·-·-·-·-·-·-·

Heutiges Terrain

Abb. 43: Schweizersbild. Schematisches Querprofil mit dem Verlauf der Schichten unter dem Abri.

3. Gelbe Kulturschicht Die gelbe Kulturschicht lag im Normalfall über der unteren Nagetierschicht. An Stellen, wo diese fehlte, fand sie sich direkt über der anstehenden Schotterschicht. Im Gegensatz zur unteren N agetierschicht war die gelbe Kulturschicht recht gleichmässig über die ganze Grabungsfläche verbreitet. Ihre Mächtigkeit betrug im Durchschnitt 30 cm, keilte aber gegen die Talsohle allmählich aus. «In der Mitte der Niederlassung wölbte sie sich stärker nach oben als im Westen und Osten und erreichte bei Querprofil 15 ihre grösste Mächtigkeit von 60-65 cm». Im mittleren Teil der Grabungsfläche war die Schicht von nachträglich angelegten Gräbern (S. 13lff.) gestört. «Die gelbe Kulturschicht verdankte ihre gelblich-rötliche Farbe der Beimengung von gelbem Lehm und einer ungeheuren Menge von gelben Knochen und von durch Feuer rötlich gewordenen Kalksteintrümmern und alpinen Gesteinen. In der Nähe des Felsens und ganz besonders in den Felsspalten, welche fast ausschliesslich mit Knochen ausgefüllt waren, trat die gelbe Farbe besonders hervor. ... Nach aussen und gegen die Mitte der Niederlassung ging die gelblich-rötliche Farbe in eine graue und 66

sogar in eine völlig schwarze Farbe über, was die Veranlassung war, bei der Aushebung des ersten Probegrabens im Jahr 1891 von einer schwarzen Kulturschicht zu sprechen. . . . Die schwarze Kulturschicht ist daher ... nichts anderes als der schwarz gefärbte Teil der am Felsen gelbrötlichen Kulturschicht» 92 • Die daraus stammende Fauna war besonders reichhaltig. Nach ihren Charaktertieren wurde sie als Steppenfauna bezeichnet. Daneben fanden sich auch Vertreter der subarktischen und alpinen Fauna wie Eisfuchs, Vielfrass, Alpenhase, Steinbock und Alpenschneehuhn. Weitaus am zahlreichsten vertreten war das Rentier, von dem nicht weniger als 12 500 Backenzähne gefunden worden sein sollen, überwiegend von jungen Tieren. In zweiter Linie ist mengenmässig der Alpenhase zu nennen 93 (S. 150ff.). Auch an Einschlüssen menschlicher Tätigkeit war die gelbe Schicht besonders reich. Nüesch spricht von rund 14 000 «Silex-Instrumenten», die Abfälle ihrer Herstellung nicht eingerechnet. Ebenfalls aus dieser Schicht stammen die meisten Geweih- und Knochengeräte sowie die Kleinkunstwerke und Schmuckgegenstände.


In Bezug auf die Befunde spricht Nüesch von mehreren Feuerherden und beschreibt detailliert mindestens deren zwei. Weiter wird auch ein Werkplatz für die Herstellung von Silexgeräten erwähnt. 4. Breccienschicht mit oberer Nagetierschicht An ungestörten Stellen war die gelbe Kulturschicht von einer bis zu 120 cm mächtigen gelben Kalktrümmerschicht, die Nüesch als Breccie bezeichnete, überdeckt. Sie bildete offenbar die Trennungschicht zwischen der paläolithischen und der darüberliegenden neolithischen Kulturschicht. Die Schicht ist wahrscheinlich wiederum als Deckenbruchschutt anzusprechen. Während längerer Zeit dürfte der Platz also nicht mehr besiedelt gewesen sein. Dafür spricht jedenfalls die erneute Bildung einer Nagetierschicht, überwiegend wiederum mit Resten kleinerer Nager94 (S. 150). Vereinzelte Silices dürften von späteren Störungen herrühren.

Geschossspitzen vom kurzen Kesslerloch-Typ mit einseitiger Basisabschrägung zeugen (S. 90). Die Hauptbesiedlung, beziehungsweise das wiederholte Aufsuchen des Abris während des späten Magdaleniens liess aber noch einige Zeit auf sich warten. Das Fundmaterial macht jedenfalls deutlich, dass die Hauptbesiedlungsphase im Schweizersbild im Vergleich mit derjenigen im Kesslerloch bedeutend jünger zu datieren ist (S. 157ff.).

92

93 94

Nüesch I 902, 35. Studer I 902. I 27ff. Nehring 1902, 166 (Faunenliste).

5. Graue Kulturschicht Über dem Deckenbruchschutt lag eine aschgraue Lage von abgewitterten, kleinen Kalktrümmern, vermengt mit viel Asche, Kohle, Abfällen aller Art, Knochen und Geweihstücken, die Nüesch als «graue Kulturschicht» bezeichnete. In ihr sollen mehrere Feuerstellen gefunden worden sein. Die graue Farbe verdankt die Schicht vor allem der Aschenmasse (S. 127). Vielfach war die Schicht durch jüngere Eingriffe gestört. Nicht zuletzt fanden sich auch eingetiefte Gräber (S. 13lff.).

Zur Datierung der einzelnen Schichten Aufgrund der Funde in den einzelnen Schichtpaketen nahm bereits Nüesch für seine Schichten eine Datierung vor. Grundsätzlich unterschied er zwischen der «gelben Kulturschicht» und der «grauen Kulturschicht»; erstere datierte er in paläolithische Zeit, letztere in neolithische Zeit. Die dazwischenliegenden Schichten waren grundsätzlich ohne kulturhistorische Einschlüsse. Der Schotter stellt den glazialen Grund dar, wie er während der letzten Eiszeit (Würm-Eiszeit) gebildet wurde (S. 20), die um 20 000/18 000 BP das Maximum des letzten Eisvorstosses erreichte. Nach 15 000 BP erfolgte eine stetige Erwärmung mit nur vereinzelten kälteren Rückschlägen und allmählich wiedereinsetzender Vegetation. Aus dieser Zeit der Erwärmung dürfte die untere Nagetierschicht stammen. Während längerer Zeit diente das Abri als Eulenhorst (S. 154ff.), so dass sich am Fusse der Felswand eine eigentliche Gewölleschicht bildete. Kurzfristig wurde diese Naturidylle aber durch die Anwesenheit des Menschen unterbrochen, wovon möglicherweise die unterste Herdstelle und als zugehöriger Artefaktbestand gewisse 67


2. Die paläolithische Besiedlung 2.1. Zur paläolithischen Siedlungsstruktur Um Aussagen über Art und Organisation eines Jägerlagers machen zu können, ist es notwendig, die Siedlungsstrukturen zu kennen. Wie schon erwähnt, hinterlassen indessen die frühen Behausungen meist nur unscheinbare, schwer auffindbare Spuren, die häufig nur als Bodenverfärbungen erkennbar sind. Einigermassen klare Strukturen beschränken sich auf Feuerstellen, Pfostenlöcher, Vorrats- und Kochgruben, allenfalls auch Werkplätze. Gerade die frühen Ausgrabungen haben aber diesen Befunden noch sehr wenig Rechnung getragen; noch am ehesten erkannt und beschrieben wurden Feuerstellen. Nüesch spricht denn auch im Falle des Schweizersbilds wiederholt von Feuerstellen. Ihre genaue Lage ist jedoch in der Grabungsmonographie auf keinem Plan festgehalten. Als Quellen für unseren Flächenplan (Abb. 44) stehen uns einzig seine Beschreibungen, einige Fotos (Abb. 45-46) sowie glücklicherweise - wahrscheinlich

Befunde: B = Felsblock F = Feuerstelle W = Werkplatz P = Profil

Abb. 45: Schweizersbild 1892. Detailansicht der östlichen Grabungsfläche mit Feuerstelle, dahinter Werkplatz, rechts davon Lochstabnische, links im Vordergrund Kindergrab 18.

Funde: L = Lochstab mit Wildpferden K = Kalksteinplatte T = Tierzeichnung auf Knochenstück R = Lochstabfragment mit Wildpferdvorderteil G = Fischgravur H = Harpune

SCHNITTLINE

/-~ <I

<I F 15

p

'1-

fq

pD ' ·....\

B \

\

.A"

·"'-,,_;7 •

,_,· i<JP3 \<::PI \

34

32

30

28

26

24

22

20

18

16

4

12

10

8

6

4

2

Abb. 44: Schweizersbild. Moderner Flächenplan des Abris mit Vermessungsnetz von 1892. Die Lage der Funde und Befunde ist nur in etwa anzugeben, da die Grabungsunterlagen zu ungenau sind.

68


von Häusler angefertigte - Planskizzen zur Verfügung. Unklar ist hingegen die genaue Schichtzugehörigkeit. Mit Sicherheit sind nicht alle Befunde gleichzeitig, stammen also nicht von ein und derselben Belegung des Siedlungsplatzes, was besonders im Fall zweier von Nüesch beschriebener, sich überlagernder Feuerstellen deutlich wird. Feuerstellen Nüesch erwähnt bereits für die untere Nagetierschicht eine Feuerstelle: «Ganz unerwartet wurde bei der Wegnahme des kunstvoll hergestellten, auf der Nagetierschiebt ruhenden Herdes der gelben Kulturschicht eine direkt 40 cm unterhalb dieser Kochstelle liegende Feuerstätte mit kleinen Herdplatten, Geröllsteinen, angebrannten Knochen und einer Aschenschicht von 10 cm Mächtigkeit blossgelegt. Diese unterste Feuerstelle war, über der 10 cm mächtigen Aschenschicht, noch überlagert von einer hellgelben, aschenleeren, an Knochen armen Breccienschicht, welche sie von dem darüberliegenden Herd in der gelben Kulturschicht scharf trennte». Für die gelbe Kulturschicht erwähnt Nüesch «eine Reihe von Feuerstellen», bespricht in der Folge aber nur zwei davon: «Der kleinere Feuerherd lag unmittelbar über der Nagetierschicht und befand sich im östlichen Teil der Niederlassung, unterhalb der höchsten Spitze des überhängenden Felsendaches. Er war gerade oberhalb der bereits erwähnten, einzigen Feuerstelle in der Nagetierschicht. Zwischen dieser untersten Feuerstelle und der darüberliegenden, von Menschenhand mit Vorbedacht angelegten Feuerstätte, dem eigentlichen Herde der ansässigen Rentierjäger der gelben Kulturschicht, befand

sich ein Zwischenraum von 30 cm Dicke, der ganz frei von Asche war. Nur vom Felsen abgewittertes, kantiges Kalksteinmaterial füllte den Zwischenraum aus. Während längerer Zeit war also an dieser Stelle kein Feuer angemacht und unterhalten worden. Dieser Herd lag in dem untersten Teil der gelben Kulturschicht. Die ersten ständigen Ansiedler legten ihn bei ihrer Ankunft schon an. Alle anderen Feuerstellen lagen höher in der gelben Kulturschicht, und es fanden sich jeweils unterhalb derselben noch zerschlagene Knochen und Feuersteine. Jener eben erwähnte Zwischenraum enthielt keine solchen Einschlüsse. Jahrhunderte konnten zwischen jener ersten und einzigen Feuerstelle in der unteren Nagetier- und dieser zweiten, in der gelben Kulturschicht sich befindlichen untersten Feuerstätte verflossen sein. Der Boden dieses künstlich aufgebauten Herdes ist gebildet durch drei grosse alpine Schieferplatten, welche sorgfältig aneinander hingefügt sind. Sie passen so genau zusammen, dass keine Asche in die darunterliegende Breccie fallen konnte. Die mittlere Steinplatte ist die grösste; die beiden anderen, etwas kleineren Platten sind ein wenig gegen die mittlere, horizontal liegende, geneigt; rings herum sind kleinere Platten und flache Geröllsteine schief angelegt, so dass eine schüsselförmige Vertiefung dadurch entstand. Letztere zeigte sich ausgefüllt mit Asche, in welcher eine Reihe von faustgrossen Kieselsteinen eingeschlossen und zum Teil festgekittet war. Der Herd hat eine rundliche Form von 40 bis 45 cm Durchmesser. Es gelang, diesen ... Herd, die älteste bisher bekannte Küche unserer Gegend, intakt zu erhalten und wegzunehmen, ohne dass die darauf ruhenden Wärmesteine irgend eine Änderung in der Lage und Anordnung erlitten haben. Noch liegen sie in der Jahrtau-

Abb. 46: Schweizersbild 1892. Feuerstelle und Werkstätte. Fotografische Aufnahme und Zeichnung nach Nüesch 1896: A Werkstätte, B Amboss, C Feuerstelle, D untere Nagetierschicht, E Breccie.

69




2.2. Die paläolithischen Funde Die Ausgrabungen im Schweizersbild lieferten ein typisches jungpaläolithisches Fundinventar, das sich insgesamt gut einer entwickelten Phase des Magdalenien zuschreiben lässt (S. 158) 99 • Zur Hauptsache besteht das Material aus Steinartefakten und den Abfällen ihrer Herstellung. In zweiter Linie sind die organischen Materialien (Knochen und Geweih) zu nennen. Bei ihnen handelt es sich überwiegend um Reste der Jagdbeute; einen verhältnismässig kleinen Teil machen die Knochen- und Geweihartefakte aus, sowie auch die Abfälle ihrer Bearbeitung. Ergänzend hinzu kommen Schmuckteile, überwiegend aus fremden Materialien, wie besonderen Steinen, fossilen Schnecken und Muscheln sowie Gagat beziehungsweise Lignit. Weiter zu erwähnen sind zudem vom Menschen gesammelte und in die Siedlung eingebrachte Objekte, so etwa Rohmaterialien und Kuriositäten, beispielsweise auch Versteinerungen. 2.2.1. Steinbearbeitung Rohmaterial Während des Jungpaläolithikums erlebte die Steinbearbeitung wichtige Neuerungen. Als Ausgangsmaterial diente überwiegend Silex, vor allem in Gebieten mit anstehendem Rohstoff. Andere Materialien von eher schlechterer Qualität wurden nurmehr ergänzend genutzt. Im Falle des Schweizersbilds boten die Kalkaufschlüsse sowie die Reiathochfläche selbst in nächster Nähe ausgezeichnete Silex-Lagerstätten. Ohne grossen Aufwand waren hier die benötigten Rohmaterialien in guter Qualität fassbar. Trotzdem sind im Schweizersbild auch andere Materialien genutzt worden, hauptsächlich Quarzit, Kieselschiefer und Radiolarit. Diese Materialien fanden sich teilweise in den umliegenden Schotterflächen und Moränen. Das weitgehende Fehlen von Rohknollen, Restkernen und Abfällen besonderer Varietäten und weiterer Materialien weist aber darauf hin, dass von den Jägern bereits auch gefertigte Werkzeuge aus anderen Gegenden mitgebracht worden sind. Silexbearbeitung Im Jungpaläolithikum hatte sich eine hochspezialisierte Abschlagtechnik durchgesetzt: Die Silexknollen wurden von ihrer kleinsten Oberfläche her bearbeitet; die Abschlagfläche liegt immer auf der schmalsten Seite 100 • Im Magdalenien war die Abschlagtechnik vor allem auf die Herstellung von Klingen ausgerichtet 101 • Sie stellten Halbfabrikate dar und dienten als Ausgangsprodukte für die Fertigung spezifischer Geräte. Die Vorbereitung der Knollen beinhaltete normalerweise das Entrinden und Vorprofilieren - Arbeitsgänge, die mit harten Schlagsteinen ausgeführt wurden. Die eigentliche Zurichtung des Kerns (Nukleus) begann dann mit der 72

Herstellung einer klingenförmigen Fläche mit Kamm, die dazu diente, den Abschlag der ersten Klinge zu lenken. Ein- oder beidseitig des Kerns wurde zudem meist auch eine plane Schlagfläche geschaffen. Wechselseitig wurden anschliessend mit einem weichen Schläger aus Geweih die Klingen abgeschlagen. Zum Beibehalten der Abschlagoberflächen und der Schlagflächen mussten regelmässig Korrekturschläge ausgeführt werden, um dann auf die so bereinigte Fläche erneut eine Serie von Klingen abtrennen zu können. Die genau geführten weichen Schläge ermöglichten das Abtrennen von einheitlich dünnen und parallelseitigen Klingen.

Herstellung von Silexgeräten Die Herstellung der meisten jungpaläolithischen Silexgeräte führte über klingenförmige Halbfabrikate, die von einem speziell präparierten Kern mit weichem Schlag abgetrennt worden sind. Die weitere Verarbeitung zielte darauf ab, unterschiedliche Geräte herzustellen. Hierzu wurde hauptsächlich das Klingenende zugearbeitet, sei es mit Retuschen (feinste kantige Absplitterungen) oder feineren Abschlägen. Im Gerätespektrum des Magdalenien finden sich zahlreiche Werkzeugformen, die schon in den vorhergehenden Abschnitten des Jungpaläolithikums entwickelt und benutzt worden sind. Andere, neue Formen widerspiegeln wohl weitere technische Verfeinerungen und Weiterentwicklungen, teilweise sicher auch Spezialisierungen 102.

2.2.2. Steingeräte Im Magdalenien lassen sich grundsätzlich zwei grosse Werkzeuggruppen unterscheiden: einerseits die gängigen Formen wie Kratzer, Stichel, Bohrer und diverse andere retuschierte Geräte wie auch Kombinationen derselben, sowie andererseits Einsätze wie Rückenmesser, Dreiecke und Kerbspitzen, die vor allem zur Ausstattung von Projektilen gedient haben. Nachfolgend seien die wichtigsten Werkzeugtypen des Magdalenien an Beispielen vom Schweizersbild erläutert. 1. Kratzer (Abb. 48.1, Taf. 1-3) Für Kratzer ist die Grundform, wie üblicherweise im Magdalenien, eine Klinge. Normalerweise ist davon ein Ende, meist das Distalende, durchgehend gebogen retu-

99

100

101

102

An dieser Stelle wird das Fundmaterial nur als Auswahl vorgelegt. Die ausführliche Materialvorlage ist im Rahmen einer Publikation über die paläolithische Besiedlung der Region Schaffhausen vorgesehen. J.L. Piel-Desruisseaux, Outils prehistoriques. Forme, fabrication, utilisation, Paris 1986, 31-35. J. Hahn, Erkennen und Bestimmen von Stein- und Knochenartefakten. Einführung in die Artefaktmorphologie, Archaeologica Venatoria 10, Tübingen 1991, 78ff. Dito, l 77ff.


1

36

2

'v 5

4 6

'v 6

Abb. 48: Schweizersbild. Silexanefakte: 1 Kratzer, 2 Stichel, 3 Bohre,~ 4 Rückenmesser, 5 Kerbspitze und geknickte Rückenspitze. 6 Kombinationsgeräte (Doppelkratzer, Stichel- Kratzer).

73


schiert (Kratzerstirn). Wir bezeichnen diesen Typ als einfachen Klingenkratzer (Taf. 1). Einzelne Klingenkratzer besitzen zusätzlich vollständig oder partiell retuschierte Längsseiten; diese kann nur auf einer Seite (Taf. 2.5-8) oder aber auf beiden Seiten (Taf. 2.9-12) retuschiert sein (Typ des kantenretuschierten Klingenkratzers). Das Proximalende kann parallelseitig enden (Taf. 1.5) oder aber spitz zulaufen (Taf. 1.3-4 ), nicht selten ist es auch abgebrochen (Taf. 2.1-4 ). Im Material des Schweizersbilds finden sich auch zwei Doppelkratzer, mit beidendig bearbeiteter Kratzerstirn (Abb. 48.6, Taf. 10.1-2). Nur als Ausnahme liegen vom Schweizersbild Abschlagkratzer vor. Als Grundform wurde ein Abschlag oder Trümmerstück benutzt, nicht selten dienten auch Rindenabschläge (Taf. 3.1-3). Ihre Kratzerstirn ist meist unregelmässig und eher flach gearbeitet. Kratzer sind in Inventaren des Magdalenien besonders zahlreich. Gebrauchsspurenanalysen zeigten, dass sie häufig zum Fellschaben verwendet worden sind 103 • Sicher aber wurden sie ebenso zur Überarbeitung von Geweih, Elfenbein und Knochen benutzt. 2. Endretuschen (Taf. 3.4-11) Im Gegensatz zu den Kratzern wurde die Retusche bei endretuschierten Geräten nicht bogenförmig (konvex) und quer zur Längsachse, sondern mehr oder weniger gerade oder konkav, teils quer zur Längsachse, teils schräg dazu ausgeführt. Nicht selten wurden Endretuschen als steile Rückenretuschen angebracht, entweder direkt mit einem Stein oder Retuscheur oder indirekt auf einem Amboss durch Abdrücken. Endretuschierte Geräte besassen wahrscheinlich viele Funktionen: Anbringung als Verkürzung der Grundform, Schäftungszurichtung, Halbfabrikate für die Herstellung von Sticheln, nachgearbeitete Kratzer. Gebrauchsspurenanalysen zeigten, dass sie verhältnismässig selten Benutzungsspuren aufweisen. Vereinzelt scheinen sie aber auch im Sinne von echten Kratzern benutzt worden zu sein. 3. Stichel (Abb. 48.2, Taf. 4-5) Neben dem Kratzer bildet der Stichel das wichtigste jungpaläolithische Gerät. Als Grundform diente wiederum eine Klinge oder ein Abschlag. Der Stichel selber wurde mittels sogenannter Stichelschlag-Technik durch Schlag oder Druck hergestellt. Auf eine vorbereitete Plattform, meist am Schmalende der Grundform, erfolgte ein Schlag, der einen länglichen Abfall abtrennte (Stichelabfall). Sein Negativ an der Grundform wird als Stichelbahn bezeichnet. Nach Geräteform, Anzahl und Ort der Stichelbahnen werden zahlreiche Stichelformen unterschieden. Im Schweizers bild besonders häufig sind einfache Stichel (Taf. 4.1-5), Mehrfachstichel (Taf. 4.6-8, 5.1-3), Stichel an einem retuschierten Ende, sogenannte Stichel an Endretusche (Taf. 5.4-7) und Stichel an Bruch (Taf. 5.8-9). 74

Auch Doppelstichel, mit Stichelbahnen an beiden Enden, sind gut belegt (Taf. 5.10). Nicht selten finden sich Stichel auch kombiniert mit Kratzerenden (Taf. 10.3-9). Bisher wurde die Funktion der Stichel vor allem in der Herstellung von Trennrillen bei der Geweihbearbeitung gesehen. Funktioneller Teil wäre hierfür hauptsächlich die Stichelschneide gewesen. Die Gebrauchsspurenanalysen zeigen aber, dass gerade die Schneide nur selten Gebrauchsspuren aufweist, dagegen die Kanten sowohl der Stichelbahn als auch diejenigen an Stichelabfällen häufig Benutzungsspuren zeigen. Vor allem dienten Stichel daher zum Schaben, Schnitzen und Schneiden. Vermutet wird zudem, dass die Klingen und Abschläge zuerst unretuschiert als Messer benutzt wurden. Die Stichelschneiden wären also erst sekundär angebracht worden, gleichsam um die Geräte nachzuschärfen, oder aber sie dienten gar der Gerätschäftung. 4. Bohrer (Abb. 48.3, Taf. 6-7) Bohrer dürfen für das späte Jungpaläolithikum als besonders typische Geräte gelten. Als Grundform dienen Klingen, seltener Abschläge und Lamellen. Charakteristisch ist ihr domartig vorspringendes Ende (Bohrerende), hergestellt durch bilaterale, konkave Retuschen. Bei den angebrachten Retuschen handelt es sich meist um eine Art Rückenretusche, die überwiegend dorsal angebracht wurde. Nach Gerätform und Länge der Bohrerenden werden wiederum verschiedenste Formen unterschieden, beispielsweise einfache Bohrer (Taf. 6.1-17), Grobbohrer (Taf. 7.5-9), Feinbohrer oder Mikrobohrer (Taf. 6.4-5), Langbohrer (Taf. 7 .1-4 ), Doppelbohrer (Taf. 6.18-22) und Mehrfachbohrer (Taf. 6.23-24). Als Zinken werden eher grobe Bohrer mit einem leicht zur Seite abgewinkelten Dorn bezeichnet (Taf. 7 .10-12). Bereits der Name lässt darauf schliessen, dass die Funktion dieser Geräte vor allem im Durchbohren gesehen wurde. Gebrauchsspurenanalysen haben wiederum gezeigt, dass Bohrer vielfältig Verwendung gefunden haben. Nicht nur dienten sie zum Durchstechen organischer Materialien, sondern auch als Drillbohrer zur Durchbohrung von Knochen, Gagat und Stein. Ethnologische Vergleiche machen wahrscheinlich, dass Bohrer vermutlich ohne Schäftung verwendet worden sind. Sie wurden in einer Hand gehalten und mussten hin und her bewegt werden. 5. Rückenmesser (Abb. 48.4, Taf. 8) Als Rückenmesser werden kleine, aus feinen Klingen, Lamellen oder kleineren Abschlägen hergestellte Werkzeuge bezeichnet, bei denen die Kanten durch Rückenoder Steilretuschen bearbeitet wurden. Im Gegensatz zu anderen Retuschearten ist die Rückenretusche steil und über einen wesentlichen Teil der Kante angebracht,


wodurch diese eher gestumpft als geschärft wird. Hergestellt wurde die Rückenretusche durch leichten Schlag mit Hilfe eines kleinen Schlagsteins oder durch Abdrücken mit einem Druckinstrument auf einer Unterlage. Normalerweise erfolgte die Retusche von ventral nach dorsal. Die Form der Rückenmesser ist annähernd rechteckig, mit mehr oder weniger parallelen Kanten, und weniger als 10 cm Breite. Zur Herstellung der Rückenmesser wurde teilweise die Technik des Kerbbruchs angewandt 104 • Das gerade Mittelstück wurde als Rückenmesser weiterverarbeitet, beidseitig entstanden Kerbbruchreste als Abfallstücke. Hauptsächlich nach Lage und Anbringung der Rückenretusche werden zahlreiche Varianten von Rükkenmessern unterschieden. Im Schweizersbildmaterial finden sich vor allem einfache Rückenmesser (mit einseitig angebrachter Rückenretusche, Taf. 8 .1-15), parallelseitige Rückenmesser (mit beidseitiger Rückenretusche, Taf. 8.18-20), Rückenmesser mit Endretusche (einseitig längsretuschiert mit zusätzlicher Retusche auf einer Schmalseite, Taf. 8 .16-17 und beidseitig längsretuschiert mit zusätzlicher Retusche auf einer Schmalseite, Taf. 8.21-22) sowie im Schweizersbild sehr selten auch Rückenmesser mit doppelter Endretusche (einseitig längsretuschiert mit beidseitiger Retusche auf der Schmalseite) und Rechteckmesser (allseitig kantenretuschiert). Im Gegensatz zum Kesslerloch nicht selten sind im Schweizersbildmaterial auch gezähnte Rückenmesser, meist auf der einen Seite rücken-, auf der anderen Seite gezähnt retuschiert (Taf. 8.24-28). Rückenmesser waren zweifellos nur geschäftet zu verwenden. Einige Befunde legen nahe, dass die Stücke aneinandergereiht geschäftet waren, so dass sie eine lange, schneidende Kante ergaben. In der Höhle von Lascaux liessen sich Rückenmesser mit Harzresten nachweisen. Sie zeigen, dass die retuschierte Kante in einer Schäftung aus Holz oder Geweih eingesetzt war. Einzelne Stücke mögen vielleicht auch in Geschossspitzen mit sogenannter «Blutrille» (Abb. 49, Taf. 14.3-10) eingesetzt gewesen sein. Vor allem die schneidenden Kanten wiesen Gebrauchsspuren in Form von Aussplitterungen und Gebrauchsretuschen auf. Es wird vermutet, dass die mit Rückenmessern bestückten Geräte überwiegend zum Schneiden von Fleisch verwendet worden sind. Denkbar wäre auch das Schneiden von Fell oder Sehnen, aber auch von Wurzeln und anderen organischen Materialien. 6. Spitzen (Abb. 48.5, Taf. 9) Unter dieser Gruppe werden alle Stücke zusammengefasst, die eine retuschierte Spitze aufweisen. Bei der Retusche handelt es sich entweder um eine Rückenretusche oder aber um eine feine stumpfende Kantenbearbeitung. Zu den wichtigsten Spitzenformen des Magdalenien

zählen Rückenspitzen, Mikrogravettespitzen, Stielspitzen und Kerbspitzen. Im Schweizersbildmaterial finden sich vor allem Kerbspitzen bzw. geknickte Rückenspitzen (Taf. 9 .1-9), vereinzelt auch konvexe Rückenspitzen oder sog. Segmentmesser (Taf. 9.11-14). Ein Stück ähnelt einer Mikrogravettespitze (Taf. 9.15). Zu einem grossen Teil dürfte es sich bei den Spitzen um Pfeil- oder Wurfspeerspitzen gehandelt haben. Sie steckten also in Pfeilschäften, ähnlich wie die Geschossspitzen aus Geweih. 7. Kantenretuschierte Geräte Im Schweizersbildmaterial findet sich auch ein erheblicher Anteil an Klingen mit - häufig auch nur partiell angebrachter - Kantenretusche (Taf. 11.5-7). Nicht immer muss es sich hierbei um wirkliche Werkzeugformen handeln. Denkbar ist auch, vor allem im Falle von Bruchstücken, dass es sich um Fragmente von anderen kantenretuschierten Geräten handelt, die teilweise neu überarbeitet bzw. verkürzt worden sind. Viele Klingen waren sicher, vor allem in Gebieten mit genügend Rohmaterial, auch nur zum einmaligen Gebrauch bestimmt und wurden dementsprechend oberflächlich zugerichtet. Nach Abnutzung der scharfen Klingenkante wurden aber andererseits nicht selten Stücke durch Kantenretuschen nachgeschärft, um nochmals benutzt werden zu können. Funktionell dürften zahlreiche Klingen vor allem als Schneidegeräte oder als Sägen verwendet worden sein. 8. Hohlkerben und Geräte mit Zähnung Verschiedentlich weisen Klingen und Abschläge retuschierte Einbuchtungen an einer Kante auf. Befindet sich die Einbuchtung auf einer Schmalseite der Klinge, sprechen wir auch von Endretuschen, die üblicherweise gerade oder schräg verlaufen (Taf. 3.4-11, 11.1-2). Im Gegensatz dazu sprechen wir von Zähnung, wenn feinere Einbuchtungen als Abfolge an einer Kante vorliegen, beispielsweise bei Rückenmessern (Taf. 8.24-28). Sie entstanden durch starke Benutzung eines Gerätes, beispielsweise beim Schnitzen und Sägen. 9. Ausgesplitterte Stücke Regelmässig in magdalenienzeitlichen Inventaren finden sich Geräte mit ventralen und dorsalen stufigen Aussplitterungen. Diese entstanden durch den intensiven Gebrauch, sind also nicht absichtlich angebracht worden. Sie entstanden durch Schlag, so dass vermutet wird, die Stücke seien als Zwischenstücke (Keile oder Meissel) vor allem bei der Geweih- und Knochenverarbeitung verwen-

10

10

'

'

P. Vaughan, Funktionsbestimmung von Steingeräten anhand mikroskopischer Gebrauchsspuren, Germania 63, I 985, 309-329. H.L. Movius, Segmented backed bladelets, Quartär I 9, I 968,

239-249.

75


det worden. Die intensive Geweihbearbeitung im Magdalenien könnte auch die Häufigkeit derartiger Geräte in magdalenienzeitlichen Inventaren bestens erklären.

10. Kombinationsgeräte (Abb. 48.6) Nicht selten in Magdalenieninventaren sind schliesslich Kombinationsgeräte. Die beiden Klingenenden können hierbei als gleicher oder als verschiedenartiger Gerätetyp ausgearbeitet sein. Im Schweizersbildmaterial sind vor allem Stichel-Kratzer gut belegt (Taf. 10.3-9). Im aufgenommenen Material liegen nur zwei Doppelkratzer vor (Taf. 10.1-2). Für einzelne Geräte muss auch eine Umarbeitung in Betracht gezogen werden, etwa in dem Sinne, dass zuerst ein Gerät als Kratzer gedient hat und erst sekundär das gegenüberliegende Ende als Stichel zubearbeitet worden ist. Dies ist wohl der Fall bei einem Bohrer, dessen gegenüberliegendes Ende als Stichel zugearbeitet ist (Taf. 10.10).

76


1

/

0

~2

~13

<..._/: ___~

9J

5

10

Taf. 1: Schweizersbild. Kratzer: Einfache Klingenkratzer (1-10 ). M 1:1. Beschreibung S. 72f., Fundnachweis S. 232.

77


\

~ 2

3 4

5 6

7 8

10

9

11

C____.\

12

Taf. 2: Schweizersbild. Kratzer: Fragmente von einfachen Klingenkratzern (1-4 ), Kratzer mit ein- und zweiseitiger Kantenretusche (5-12). M 1:1. Beschreibung S. 72f., Fundnachweis S. 232.

78


0

3 2

7

4

~

6

5

9

J

10 11

Ta.f. 3: Schweizershild. Kratzer und Endretuschen: Rindenkratzer (1-3 ), Endretuschen (4-11 ). M 1:1. Beschreibung S. 72f., Fundnachweis S. 232. 79


1

~

2

C>-.

3

6

4

~7

Taf. 4: Schweizersbild. Stichel: Einfache Stichel (1-5), Mehrschlagstichel (6-8). M 1:1. Beschreibung S. 74, Fundnachweis S. 232.

80


2

1

3

0

4 6

~7 10

Taf. 5: Schweizersbild. Stichel: Mehrschlagstichel (1-3), Stichel an Endretusche (4-7), Stichel an Bruch (8-9), beidseitiger Mehrschlagstichel (10). M 1:1. Beschreibung S. 74, Fundnachweis S. 232.

81


~ 1

D

7

3

6

_,_

2

1

/

~ 11

12 9

13

14

15

c=:::::::::,. 16

18

/

<)

C'--->

~

~

19

20

21

22

'

f:r ~

~

23

24

Taf. 6: Schweizersbild. Bohrer: Feinbohrer (1-17), Doppel- und Meh1fachbohrer (18-24). M 1:1. Beschreibung S. 74, Fundnachweis S. 232.

82


2 4 3

5

1 1

6

9

8

7

1

~ 10

11

12

Taf. 7: Schweizersbild. Bohrer: Langbohrer (1-13). M 1:1. Beschreibung S. 74, Fundnachweis S. 232.

83


1

~

1

1

C::,._

~

4

5

1c:::::::i

6

3

0

..c.:::)

10

14

-1-

-ö-

15

18 16

20

19 21

~7

_,_ ~

22

Q 23

~

o

24

25

C7 26

~

~

27

28

Taf. 8: Schweizersbild. Rückenmesser: einfache Rückenmesser (1-15), einfache Rückenmesser mit Endretusche (16-17), parallelseitige Rückenmesser (18-20), parallelseitige Rückenmesser mit Endretusche (21-22), Sonde1form (23), gezähnte Rückenmesser (24-28). M 1:1. Beschreibung S. 74f., Fundnachweis S. 232.

84


2

5

4

3

1

_'1_ 10

9 6 7

1

11

12

1

~

~

14

15

Taf. 9: Schweizersbild. Spitzen: Kerbspitzen ( 1-2), geknickte Rückenspitzen (3-8), Spitzenfragmente (9-10 ), konvexe Rückenspitzen (11-14), Rückenspitze des Typs Mikrogravette (15). M 1:1. Beschreibung S. 75, Fundnachweis S. 232.

85


3

2

1

C 5 6

4

7

8

9

10

Taf. 10: Schweizersbild. Doppelgeräte: Doppelkratzer ( 1-2), Stichel-Kratzer (3-9 ), Stichel-Bohrer (10 ). M 1:1. Beschreibung S. 76, Fundnachweis S. 232.

86


.

~

2

3

\

4

5

6

7

8

Taf. 11: Schweizersbild. Sonde1formen: Konkave Endretuschen (1-2), überarbeiteter ehemaliger Stichel an Endretusche (3), Spitzklingen (4-5), retuschierte Fragmente (6-7), Schaber (8), M 1:1. Beschreibung S. 75, Fundnachweis S. 232.

87


2.2.3. Geweih- und Knochenbearbeitung Organische Materialien sind naturgemäss meist schlechter erhalten als Steingeräte. Dies gilt vor allem auch für Freilandstationen und Abris, während sich Knochen und Geweih in kalkhaltigen Sedimenten von Höhlen natürlich besser erhalten haben. Es darf daher nicht verwundern, dass die Knochen- und Geweihobjekte vom Schweizersbild weit weniger gut erhalten sind als beispielsweise diejenigen aus dem Kesslerloch. Bei den folgenden Erläuterungen soll daher ergänzend zum Schweizersbildmaterial auch immer ein Vergleich mit dem besser erhaltenen Material aus dem Kesslerloch angestellt werden. Geweihbearbeitung Das wichtigste organische Ausgangsmaterial für die Herstellung von Geräten bildete im Magdalenien Rengeweih, das offenbar ausreichend zur Verfügung stand. Im Unterschied zu anderen Cerviden tragen beim Ren sowohl männliche als auch weibliche Tiere ein Geweih, werfen dieses aber zu unterschiedlichen Zeiten ab, die Männchen im Winter (November-Februar), die Weibchen im Frühjahr (April-Juni). Für die Verarbeitung standen dem Jäger einerseits aufgesammelte Abwurfstangen (von den Tieren zyklisch abgeworfene Geweihstangen) oder aber schädelechte Stangen (Stangen von erlegten Tieren) zur Verfügung. Das Rohmaterial vom Schweizersbild wie auch vom Kesslerloch 105 zeigt, dass Abwurfstangen den schädelechten Stangen vorgezogen wurden, wohl wegen der besseren Aushärtung. Besonders beliebt waren die kräftigen Stangen der männlichen Individuen. Das Fehlen grösserer ungenutzter Geweihteile im Schweizersbild legt nahe, dass mit dem Ausgangsmaterial im allgemeinen sparsam umgegangen wurde und man die Geweihteile optimal ausnutzte. Nicht immer scheint das Geweih als Ganzes in die Siedlung eingebracht worden zu sein; die Funde lassen zumindest vermuten, dass besonders günstige Stangenteile bereits ausserhalb des Siedlungsplatzes abgetrennt worden sind. Im Schweizersbild wurden nur wenige Geräte aus Hirschgeweih gefertigt. Nicht alle Teile eines Geweihs eignen sich gleichermassen gut für die Bearbeitung. Entscheidend bei der Auswahl des Geweihabschnittes war neben der Form vor allem das Verhältnis zwischen harter nutzbarer Kompakta und poröser innerer Spongiosa. Zur Geräteherstellung wurden geschickt die geraden Teile mit dicker Kompakta genutzt, vor allem also der Stangenabschnitt zwischen Eis- und Hintersprosse. Als Zerlegungstechniken bekannt waren: grobes Abschlagen, Abtrennen mittels Ringkerben, einzelnen Kerben (Taf. 12.5) und querlaufenden Trennrillen (Taf. 12.6) sowie Ablösen von Spänen mittels Trennrillen (Taf. 12.1-4). Die beiden ersten Methoden dienten vor allem der Querzerlegung des Geweihs in ein88

zeine Abschnitte, beispielsweise für die Herstellung von Lochstäben, Rundmeisseln und Speerschleudern. Die Methode der Spantechnik 106 diente zum Ablösen von gleichmässig langen Spänen, die hauptsächlich zu Geschossspitzen und Harpunen weiterverarbeitet wurden. So zeigt ein Geschossspitzen-Rohling vom Schweizersbild noch deutlich die seitlichen Trennrillen, bereits aber eine erst grob angebrachte zweiseitige Basisabschrägung (Taf. 12.1). Im nächsten Arbeitsgang wären die Kanten des Rohlings überglättet worden. Als Silexgeräte bei der Geweihzerlegung und der Fertigung der Geweihgeräte dienten vor allem Stichel, Sägen, ausgesplitterte Stücke und vereinzelt auch Kratzer.

Knochenbearbeitung Knochen sind innerhalb eines Lebewesens ganz unterschiedlich aufgebaut, selbst von Tierart zu Tierart können dieselben Körperteile verschieden sein. Die Variabilität erforderte daher vom eiszeitlichen Jäger genaue anatomische Kenntnisse und Erfahrungen, musste er doch wissen, welche Knochen von welchem Tier sich für die Herstellung bestimmter Werkzeugformen ganz besonders eigneten. So wurde etwa für die Herstellung von Nadeln vor allem der Metatarsus des Rentiers oder aber die Tibia des Hasen verwendet. Sie eigneten sich einerseits bereits wegen ihrer äusseren Form, waren aber vor allem wesentlich härter als andere Langknochen. Knochen diente hauptsächlich zur Herstellung von Geräten des «Haushalts». Neben Nadeln (Taf. 16-18) fertigte man aus ihnen beispielsweise Pfriemen (Taf. 15.4-6), Ahlen und Glätter. Nur sehr selten wurden aus ihnen auch einmal Geschossspitzen hergestellt. Die Zerlegung von Knochen ist derjenigen des Geweihs sehr ähnlich und basierte vor allem auf einer Grobzerlegung und Feinbearbeitung durch Zerschlagen, Spalten oder der Anwendung der Spantechnik. Die Spantechnik fand vor allem bei der Nadelherstellung Verwendung und ist für das Schweizersbild durch äusserst zahlreiche Werkstücke und Abfälle belegt (Abb. 49). Die Funde zeigen, dass im Schweizersbild überwiegend Röhrenknochen des Alpenhasen verwendet worden sind. Mittels Ringkerben wurden die Knochen in Abschnitte zerlegt (Taf. 17 .1-5), und man trennte mit Ringkerben ungeeignete Gelenkenden ab (Taf. 16). Elfenbeinbearbeitung Im Gegensatz zum Kesslerloch ist für das Schweizers bild die Bearbeitung von Mammut-Elfenbein kaum zu belegen, jedenfalls fanden sich nur wenige Abfälle, keinerlei Werkstücke oder gar fertige Geräte. Denkbar wäre aber auch, dass sich Elfenbein unter dem Abri nicht besonders gut erhalten hat. Wahrscheinlicher aber ist, dass den späten Magdalenien-Jägern fossile Reste kaum mehr zur Ver-


Abb. 49: Schweizersbild. Nadelhersrel/ung. Werkstücke, Rohformen (links) und Fertigprodukte (rechts) .

fügung standen, da anzunehmen ist, dass herumliegende fossile Mammutstosszähne bereits fr'üher aufgelesen und genutz_t worden sind 1° 7 • Dass die Jäger des Jungpaläolithikums das Mammut wirklich noch erlebt haben, zeigen die zahlreichen Darstellungen in der Parietal- und Kleinkunst'08. Für die Zeit des älteren Magdalenien wird angenommen, dass das Mammut in unseren Gegenden noch immer heimisch war 109• Für die Spätzeit is t dagegen bereits mit einer Abwanderung in den sibirischen Raum zu rechnen, wo die Tiere aber wenig später ausgestorben sind 11°.

2.2.4. Geweih- und Knochengeräte Die Verwendung der verschiedenen Geweih- und Knochengeräte erschliesst sich uns häufig nur auf typologischem Weg, im ethnologischen Vergleich oder aus experimenteller Anwendung. Weitgehend folgt man bei ihrer Ansprache den konventionellen Werkzeuggruppen, da von einem gesicherten Verwendungszweck nach wie vor nicht ausgegangen werden kann. Die Hauptmasse der organischen Geräte steht zweifellos im Zusammenhang mit dem Nahrungserwerb, hauptsächlich der Jagd. An erster Stelle sind daher die Geschoss-

spitzen zu nennen, die eine besonders grosse Vielfalt aufweisen. In Zusammenhang mit der Jagd sind wahrscheinlich auch die halbrunden Stäbe (Baguettes demirondes) und die Harpunen zu sehen. Besonders wichtig waren die Speerschleudern als Vorläufer des Pfeilbogens,

105

Höneisen l 984; Höneisen 1993. J.G.D. Clark u. M.W. Thompson, The groove a nd splinter technique of working antler in Upper Palaeolithic and mesolithic Europe. Proc. Prehist. Soc. N.S. 19, 1953, 148-160; A. Rigaud. Urilisation du ciseau dans Je debitage du bois de renne a la Garenne-Saint Marcel (lndre), Gallia prehistoire 27, 1984. 2. 245-253. 107 Eine Bearbeitung der Mammutreste aus dem Kanton Schaffhausen ist in Vorbereitung. Mittels der C-14-Methode so ll versucht werden. die Funde auch zu datieren. "'" M.A. Spiegeleire, Figurations paleolithiques et realite anatomique du mammouth: essai d' interpretation, Bull. Soc. roy. beige Anthrop. Prehist. 96, 1985, 93-116. 109 Als jüngsrer Fund aus dem Kanton Zürich ist ein Mammutzahn von Uste r mit 13350 ± 260 Jahre datiert. Die jüngste Datierung in der Schweiz ergab bisher der Fund von Praz-Rodet VD mit 10320 ± 210 Jahre. vgl. K.A. Hünermann. Das Mammur von Uster, Uni Zürich 4, 1988, 25-26: dito. Eiszeitsäugetie re des Kantons Zürich, Viertel· jahresschrift der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich, l 985. Heft 3. 229-250; Hünermann 1987. 110 Zum Mammut allgemein vgl. Mythos Mammut. Auf den Spuren eines Giganten. Geo 1. 1993. 115-143; Narr 1985. 106

89


die allerdings nur von älteren Magdalenienstationen (beispielsweise auch aus dem Kesslerloch) bekannt geworden sind, während vom Schweizersbild keine Stücke vorliegen. Geräte, die möglicherweise im Zusammenhang mit der Geschossspitzenherstellung stehen, bildeten die Lochstäbe, auf die man vor allem durch die künstlerische Ausstattung besonders aufmerksam geworden ist. Meissel, Spatel und Glätter sowie Schlägel, Druckstäbe, Zwischenstücke und Retoucheure waren weitere wichtige Geräte im Alltag der eiszeitlichen Jäger.

1. Geschossspitzen Vom Schweizers bild sind gegen 100 Geschossspitzen und Geschossspitzenfragmente überliefert (Abb. 50). Normalerweise aus einem Span gefertigt (Taf. 12.1), sind sie gekennzeichnet durch eine weitgehend allseitige, sorgfältige Bearbeitung, die den ursprünglichen Zustand des Rohstückes stark verändert hat. Als Ausgangsmaterial diente im Schweizersbild ausschliesslich Rengeweih. Hauptsächlich in Form und Grösse, vor allem aber aufgrund der Basisgestaltung, sind verschiedene Formen zu unterscheiden, die möglicherweise bei der Jagd unterschiedliche Verwendung gefunden haben, teilweise sicher aber auch chronologisch zu interpretieren sind. Typologische Untersuchungen an französischem Material haben nämlich gezeigt, dass gerade Geschossspitzen stark der «Mode» unterworfen waren. Ihre Form wurde während des Magdalenien immer wieder verändert, vielleicht als Anpassung an die unterschiedliche Jagdfauna, vielleicht auch bedingt durch die Ablösung der Speerschleuder durch den Pfeilbogen. Sicher trugen ebenso gute und schlechte Erfahrungen sowie ständige technische Verbesserungen zu einem stetigen Formwandel bei. Immerhin war die Jägergruppe abhängig von einer erfolgreichen Jagd, und als Jagdwaffe war sicher nur das Beste gut genug. Zur Schäftung der Geschossspitzen wurde die Basis der Spitzen speziell zugerichtet. Im Magdalenien lassen sich hierbei vor allem zwei grosse Gruppen unterscheiden: einseitig abgeschrägte Basis (Taf. 13.1-3) und beidseitig abgeschrägte Basis (Taf. 13.4,6-13 und Taf. 14.1,7-9). Geschossspitzen mit einseitiger Basisabschrägung sind wahrscheinlich auch an einem einseitig abgeschrägten Holzschaft befestigt worden. Spitzen mit beidseitiger Basisabschrägung steckte man dagegen wohl in einen gegabelten Holzschaft. Die Teile wurden mit Klebematerial (Kiefernharz/Bienenwachs) zusammengefügt und wohl als zusätzliche Verstärkung mit Sehnen umwikkelt111. Neben diesen beiden hauptsächlichen Konstruktionstypen fallen Geschossspitzen mit einfacher Basis, gespaltener Basis und gegabelter Basis zahlenmässig im Magdalenien kaum ins Gewicht 112 . Während die beiden letzteren Typen im Schweizersbild ohnehin nicht belegt 90

sind, finden sich im Material mehrere Stücke mit nur grob zugearbeiteter, zugespitzter oder flach abgearbeiteter Basis (Taf. 14.10). Bei einzelnen Stücken muss auch mit einer bewussten Verkürzung gerechnet werden. Mit Sicherheit sind auch abgebrochene Stücke wieder zugerichtet und in verkürzter Form wiederverwendet worden (Taf. 13.5). Geschossspitzen mit einseitig abgeschrägter Basis Nur gerade etwa 5% machen im Schweizers bild Geschossspitzen mit einfach abgeschrägter Basis aus, ganz im Unterschied zum Kesslerloch, mit fast 60% und im Petersfels bei Engen (Baden-Württemberg) mit immerhin noch etwa 10% Anteil an allen Spitzen 113 . Diese Tatsache dürfte zeitlich bedingt sein, da Geschossspitzen mit nur einseitiger Basisabschrägung nach und nach aus der Mode kamen und allmählich fast vollständig durch beidseitig abgeschrägte Stücke ersetzt wurden. Unter den Stücken mit einfach abgeschrägter Basis mit nur gerade zwei Stück vertreten sind im Schweizersbild die Spitzen vom Kleintypus. Es handelt sich um rundlich gearbeitete, gedrungene Spitzen von weniger als 8 cm Länge; ihre einseitige Basisabschrägung ist verhältnismässig lang (Taf. 13.2). Sie machen im Kesslerloch die Hauptmasse der Geschossspitzen aus und stehen dort zweifellos im Zusammenhang mit der frühesten Belegung. Typologisch schliessen sie noch an die Spitzen der Stufe Magdalenien III nach der Terminologie von D. de Sonneville-Bordes an, besitzen aber bereits nicht mehr die normalerweise vorhandene Schaftrille 114 . Die Stücke vom Schweizersbild lassen sich leider nicht mehr einer bestimmten Schicht zuweisen; man möchte aber vermuten, dass sie auch hier eine möglicherweise separate frühe Belegung anzeigen (S. 67). Geschossspitzen mit beidseitig abgeschrägter Basis Die Masse der Geschossspitzen vom Schweizersbild machen Spitzen mit zweiseitig abgeschrägter Basis aus. Kurze gerundete Spitzen (Taf. 13 .4) sind nur wenige vorhanden, während grosse Spitzen vom «Lanzentypus», oft mit annähernd quadratischem Querschnitt, besonders gut belegt sind (Taf. 13.6-9, 14.1-2). Eine wesentliche Gruppe der Spitzen mit beidseitig abgeschrägter Basis stellen Geschossspitzen mit Schaftrille dar. Ihr Hauptmerkmal ist die im Schaft eingearbeitete Rille, die soweit beu~teilbar - immer beidseitig, d.h. dorsal und ventral, ausgearbeitet ist (Taf. 14.3-10). Normalerweise findet sich diese Rille im Bereich der Spitze, also am Proximalende (Taf. 14.8); mehrfach reicht die Rille aber sogar bis zur Basisabschrägung (Taf. 14.7, 9). Eine Ausnahme bildet eine Spitze mit Rille in der Schaftmitte, also im medialen Bereich, zumindest auf der ventralen (spon-


Abb. 50: Schweizersbild. Geschossspi1zen aus Rengeweih mit ein- und zweiseitiger Basisabschrägung, teilweise mit Schaftrille zur Aufnahme von Silexeinsätzen.

giösen) Seite (Taf. 14.3). Besonders auffällig sind zwei Fragmente mit beidseitig extrem tief eingearbeiteter breiter Rille (Taf. 14.6, 10). In der älteren Literatur sind die Rillen gerne als «Blutrillen» bezeichnet worden, in der Meinung, diese hätten zum raschen Ausbluten des erlegten Tieres und zu seiner Schwächung gedient. Andere Autoren wollten die Rillen aufgrund des ethnologischen Vergleichs zur Aufnahme von Pfeilgift interpretieren. Heute sieht man in den Rinnen eher Vorrichtungen zur Aufnahme von Silexeinsätzen, beispielsweise von Rückenmessern. 2. Baguettes demi-rondes Wahrscheinlich ebenfalls zu den Geschossspitzen gehören halbrunde Stäbe, sogenannte Baguettes demi-rondes 115 • Ihre spongiöse Ventralseite ist stets flach gearbeitet, vielfach aber durch Quer- oder Längsrillen absichtlich aufgerauht, ähnlich der Basisabschrägung von Geschossspitzen. Das vereinzelte paarweise Auffinden derartiger Artefakte lässt vermuten, dass die halbrunden Stäbe ursprünglich zusammengesetzte Geräte darstellten. Im Kesslerloch finden sich auch Baguettes demi-rondes mit

seitlicher Abschrägung. Werden zwei derartige Stücke zusammengesetzt, ergibt sich eine einseitige Basisabschrägung in der Art der beschriebenen Geschossspitzen mit einseitig abgeschrägter Basis. Im Gegensatz zu diesen aus einem Span gearbeiteten Spitzen besitzen die zusammengesetzten Spitzen vom Typ Baguettes demi-rondes eine rundum kompakte Oberfläche. Es handelt sich daher um speziell stabile, harte Geräte von grösserem Durchmesser. Möglicherweise sind sie in dieser Eigenschaft auch als Stosslanzen verwendet worden. Im Material vom Schweizersbild liessen sich bisher lediglich zwei Fragmente von Baguettes demi-rondes identifizieren. Das eine Stück ist unverziert und beid-

'" U. Stodiek. Zur Technologie der jungpaläolithischen Speerschleuder, Tübinger Monographien zur Urgeschichte 9, 1993, Taf. 97-98. '" H. Delporte (u.a.) Sagaies. Fiches typologiques de l' industrie osseuse prehistorique. Cabier I, Aix-en-Provence 1988. m Höneisen 1983. '" Sonneville-Bordes 1960. us H. Camps-Fabrer (Hrsg.) Bätons perces, Bague ues. Fiches typologiques de l' industrie osseuse prehistorique. Cahier V, Treignes 1992, 7 1-83.

91


endig abgebrochen. Beim anderen Stück handelt es sich um die Hälfte eines Stabendes mit aufgerauhter spongiöser Unterseite.

3. Harpunen Harpunen sind langgestreckte Geschossspitzen mit Widerhaken, die ein- oder beidseitig angebracht sein können. Die Geräte besitzen an einem Ende eine Spitze, am anderen Ende eine speziell zugearbeitete, meist abgesetzte konische Basis. Wie Geschossspitzen sind auch sie aus einem Geweihspan gearbeitet und sorgfältig überarbeitet worden. Harpunen besitzen eine ebenfalls grosse Variationsbreite, sowohl in ihrer äusseren Form als auch vor allem in Anzahl, Anordnung und Gestaltung der Widerhaken. Im wesentlichen unterscheidet man zwischen einem ein- und einem zweireihigen Typus 116 • Zu beachten gilt, dass nicht selten Nachschärfungen ausgeführt worden sind. Lange Stücke wurden plötzlich kurz; ursprünglich zweireihige Spitzen sind vereinzelt auch zu einreihigen Stücken umgearbeitet worden. Vom Schweizersbild sind bisher nur drei Fragmente von Harpunen bekannt. In einem Fall handelt es sich um ein kurzes Basisfragment (Taf. 15.2), im anderen Fall um ein Bruchstück einer zweireihigen Harpune, das zumindest noch die Ansätze von vier Widerhaken erkennen lässt (Taf. 15.1). Wie schon das zweite Stück ist auch unser drittes Exemplar, ein Schaftfragment einer weiteren zweireihigen Harpune, heute leider verschollen und nur in einer Abbildung Nüeschs überliefert (Taf. 15.3). Das Stück zeigt beidseitig in dichter Anordnung die Ansätze von kleinen Widerhaken. Harpunen konnten sowohl für die Jagd als auch für den Fischfang verwendet werden. Die Widerhaken sollten ein Lösen der Spitze aus der Beute verhindern. Vermutet wird, dass die Harpunen sich teilweise vom Schaft lösten, mit diesem aber durch eine Leine verbunden blieben. Die Hauptanwendung dürfte daher wohl im Fischfang gewesen sein. Zeitlich traten Harpunen erst im oberen Magdalenien (Magdalenien V und VI) auf. 4. Lochstäbe Lochstäbe zählen zu den auffälligsten Artefakten des Jungpaläolithikums. Vor allem wegen ihrer häufigen Verzierung wurde ihnen schon früh besondere Aufmerksamkeit zuteil. Lochstäbe sind normalerweise längliche, überarbeitete Objekte, meist aus Geweih mit einer oder mehreren Durchbohrungen 117 • Die Grösse der Lochstäbe variiert beträchtlich; es können verschiedene Varianten unterschieden werden: 1. Grosse, kräftige Lochstäbe aus einem unteren Stangenteil mit Durchbohrung auf Höhe der Eissprosse, 2. Kleinere Lochstäbe aus einem unteren Stangenteil mit Durchbohrung auf Höhe der Eissprosse oder aus einem Eissprossenteil mit Durchbohrung am 92

Stangenansatz, 3. Mehrfach- und Kettenlochstäbe, aus einem Stangenteil, mit hintereinander angereihten Durchbohrungen, 4. Lochstäbe von «Schraubenschlüsselform» aus einem Stangenteil, mit zentraler Durchlochung und ringförmig angelegten kleineren Durchlochungen. Figürlich verziert wurde normalerweise nur der grosse, kräftige Lochstabtyp. Die übrigen Typen sind mehrheitlich unverziert oder zeigen geometrische Motive 118 • Vom Schweizersbild liegen Reste von mindestens 15 Lochstäben vor. Besonders bekannt geworden ist ein Stück vom grossen Lochstabtyp mit der Ritzzeichnung von zwei sich folgenden Wildpferden (S. 104ff., Abb. 54 und Taf. 20). Ein kleineres Fragment, ebenfalls mit Darstellung eines Wildpferdes, stammt wahrscheinlich von einem gleichartigen Stück (S. lülff. und Taf. 19). Die übrigen Stücke sind alle stark fragmentiert und lassen sich kaum mehr einem bestimmten Lochstabtyp zuweisen (Taf. 15.7-13). Einige Stücke gehören aber zweifellos zum kleineren Lochstabtyp mit einfacher Durchbohrung, während für Mehrfach- und Kettenlochstäbe keine Belege vorliegen. Ein Geweihfragment ohne Lochansatz mit «fischartiger Gravur» wird man, im Vergleich mit Stükken vom Petersfels, am ehesten ebenfalls einem Lochstab zuweisen (Taf. 15.14). Die Funktion der Lochstäbe ist umstritten; die Deutungen sind zahlreich: Pfeilstrecker, Kommandostäbe, Szepter, Gewandverschlüsse, Knebel, Schlittenzubehör, Zelthäringe, Deflorationsinstrumente. Im ethnologischen Vergleich mag für einen Teil der Geräte am ehesten die Verwendung als Pfeilstrecker, d.h. zum Geradebiegen von Pfeilschäften, zu überzeugen. Abnutzungsspuren an formal ähnlichen meso- und neolithischen Geräten weisen aber auf eine mögliche Verwendung auch als Hacken oder Hämmer hin - Geräte, die sicher bereits im Magdalenien verwendet worden sind. Die « Verzierungen» der Lochstäbe dürften, ähnlich wie diejenigen auf Geschossspitzen, Baguettes demi-rondes und Harpunen, eine Funktion im Bereich der sozialen Kommunikation erfüllt haben.

5. Meissel, Spatel, Glätter Längliche Objekte aus unregelmässig überarbeitetem Geweih zeigen häufig speziell zugearbeitete Enden. Ein erster Typ mit rundem (Taf. 12.8) oder halbrundem (Taf. 12.7) Querschnitt weist ein schneidenartiges Ende auf (Taf. 12.7-12). Am gegenüberliegenden Proximalende zeigen die Stücke Schlagspuren, die darauf hinweisen, dass derartige Geräte wohl als Meissel benutzt worden sind. Im Falle des Schweizersbilds sind bei allen Geräten die Proximalenden nicht mehr erhalten. Gleichartige Stücke aus dem Kesslerloch zeigen deutlich die auch an anderen Orten beobachteten markanten Schlagspuren.


Ein ähnlicher Gerätetyp von schmalerer Grundform besitzt üblicherweise ein spatelartiges Ende mit häufig starker Politur. An seinem Proximalende sind teilweise Schlagspuren. Die Stücke wurden vielleicht im Zusammenhang mit der Fellbearbeitung verwendet. Seltener belegt sind glätterartige Werkzeuge, meist aus gespaltenen Rippen oder aus länglichen Geweihstücken mit besonders sorgfältig überarbeiteten Kanten. Auch sie sind am ehesten zum Ablösen und Bearbeiten des Fells benützt worden.

116

117 118 119

120

121

M. Julien, Les harpons magdaleniens, VII. Suppl. a Gallia Prehistoire, 1982. Dito, 7-70. Höneisen 1985. D. Stordeur-Yedid, Les aiguilles a chas au Paleolithique, XIII. Suppl. a Gallia Prehistoire, 1979. H. Berke, Archäozoologische Detailuntersuchungen an Knochen aus südwestdeutschen Magdalenien-Inventaren, Urg. Mat. 8, Tübingen 1987. Nüesch 1902, 43.

6. Pfriemen und Ahlen Eine wichtige Artefaktgruppe bilden Geräte mit ein- oder beidendiger Spitze, die wir als Pfriemen oder Ahlen bezeichnen. Vielfach sind sie aus Knochen (Metapodien) hergestellt 119 . Sie wurden bei der Leder- und Fellverarbeitung, möglicherweise auch bei der Verarbeitung von Pflanzenfasern (Anfänge der Korberei?) verwendet (Taf. 15.4-6). 7. Nähnadeln Nähnadeln (Abb. 49) unterscheiden sich von Pfriemen und Ahlen durch grössere Feinheit und eine Durchlochung am Proximalende (Öhr). Überwiegend sind sie aus Knochen hergestellt, bevorzugt aus Pferdemetapodien, Röhrenknochen von Vögeln oder der Tibia des Hasen, ausgeschnitten in Spantechnik und allseitig glatt überarbeitet120. Das Schweizersbild hat besonders viele Werkstücke und Halbfabrikate der Nadelherstellung geliefert (Taf. 16-17). Auch fertige Nadeln sind in grosser Zahl gefunden worden (Taf. 18). Nüesch spricht von insgesamt 2 ganzen Nadeln, 58 Nadelbruchstücken mit und ohne Öhr sowie 180 Nadelspitzen und angefangenen Nadeln 121 . Abgebrochene Stücke sind nicht selten mit einem neuen Öhr versehen worden, wurden also auch verkürzt weiterbenützt. 8. Schlaginstrumente, Druckstäbe, Zwischenstücke, Retoucheure Eine weitere Gruppe wichtiger Geräte steht in Zusammenhang mit der Silexbearbeitung und wurde als Schlägel oder Zwischenstück zur Herstellung von Abschlägen und Klingen, als Druckstab und Retoucheur zur Feinbearbeitung, vor allem dem Anbringen der Retusche, verwendet. Im Gegensatz zum Kesslerloch konnten im Schweizersbild bisher keine Geräte eindeutig dieser Gruppe zugeordnet werden. Verschiedene längliche Steinobjekte, leider mit erodierter Oberfläche, gehören möglicherweise zu dieser Gruppe. Dass Silexknollen im Schweizersbild verarbeitet worden sind, zeigen die zahlreichen Abfälle und ist auch durch den Nachweis eines Werkplatzes in unmittelbarer Nähe einer Feuerstelle belegt (S. 70). 93


0

u 6

Q 3

Q2

CJ

Q

4

0

0

0 5

0 0

9

7

8

10

11

12

Taf.12: Schweizershild. Geweihbearbeitung und Geweihgeräte: Herausgebrochene Späne (l-2), Spanhruchteile (3-5), abgetrennte Sprosse (6). Fragmente von Meisseln (7-12). M 1:2. Beschreibung S. 88f. u. 92{, Fundnachweis S. 232.

94


0

0

a

0

0

0

0

2

0

3

0

5

04

0 D

'

-

r;;

'//, ' ,'11,'

11,

·1,'

~

i,

i/'

,1,

1 1

1\,

11

i

:1

1':

-

111

1

'

'II

,1: 1:

1

_ 1:

1\

1

111

1'

1

il/11u~~1

l,l'lfi /

I'

,''11 ,':

l1/ Ir,' lil 11

1

1 '.

1

!ii,' '1

_

/,i_/i:

,l,,,'\'i 6

8

9

7

10

11

13

Taf.13: Schweizersbild. Geweihgeräte: Geschossspitzen mit einseitiger Basisabschrägung (1-3), Geschossspitzen mit beidseitiger Basisabschrägung (4-13). M 1:2. Beschreibung S. 90/., Fundnachweis S. 232. 95


0

C

D

0

"\

-

m -

'.

.

1

1

'

1

1 '

'

40 CJ

0

2

3

(X) -

0

0

w '

CJ

\,i·,

\1-

,,

:'j

;i

D C]

0 5

6

,,

II::

j

ITT.J.

/:

0

7

0

8

CJ

9

0

10

Taf. 14: Schweizersbild. Geweihgeräte: Geschossspitzenfragmente (1 Basisfragment beidseitig abgeschrägt, 2 Spitzenfragment), Geschossspitzen mit Schaftrille (3-10). M 1:2. Beschreibung S. 90f. Fundnachweis S. 232.

96


0

0

0

Q4

3

~

6

2

CJ

07

I

1

15

16 1 1

1

I

\

10

0

9

__ ,

'

17

18

19

,' 12

20

11

21

0 13

Q 14

Taf 15: Schweizershild. Geweihgeräte: Harpunenfragmente (1-3), Pfriemen (4-6), Fragmente von Lochstäben (7-21). M 1:2. Beschreibung S. 92f., Fundnachweis S. 232-233.

97


© (

\

2

3

0

4

0

6

5

. Taf. 16: Schweizersbild . He1.stellung ya e der S. S· -? .)" von K1iochennadeln: Ab·-F··tt 98 88 und 93 , F undnachweis 3

zer l egung

ung von R o..h.ienknochen (l-6) M J· · .1. Bmh;ez·b


/ ~

/

I

1

/ ~

1

~ \

\

1

1

- 1)

ji

4

5

3

/,,.~,, 2

-u

,1·rr1 1

1

/1

i/

11 ·1

1,

-1

11

-i

-0

1/ C:::)

!1 -1 -

1

--,~:::

~'

,........

6

0

11

7

8

1111

~

9

/1

0

I\'

~;

e::,

0 t::J

<:>

D.

1

0 -

10

11

12

13

14

1

15

Taf. 17: Schweizersbild. Herstellung von Knochennadeln: Fragmente von Röhrenknochen zur Spangewinnung (1-7), herausgebrochener Knochenspan (8), Nadelrohlinge (9-15). M 1:1. Beschreibung S. 88 und 93, Fundnachweis S. 233.

99


-

~

-

ao

,, ...,

II

QC

-

0-

00

QD

0

0

0

0 1, '1

1 1 1 1

1 J 1 1

0

2

5

4

3

0

1

,-,

"

11

1( ... 1

11 I'

0

11

'i

-1- ~

-o-r 1 J II 1 1 1 1

00

l! 11 11

1

1

9

8

11

~

1/ lj

11 11

1

[1,

ao

7 C)

-

1/

1,

II II

11

lt

u

V

6

11

1 1

1' 0

l I

t l

1 1

1 1 1

11 11

11

1 1

11 II

0 0

:U 10

11

12

0 0

-1-i J1

11

13

Taf. 18: Schweizersbild. Knochennadeln mit rundem Öhr (1-9), Spitzenfragmente (10-13 ). M 1:1. Beschreibung S. 93, Fundnachweis S. 233.

100


2.2.5. Die Kleinkunst Das Schweizersbild ist nicht zuletzt durch seine Kleinkunstwerke bekanntgeworden, wenn diese auch - sowohl in Anzahl als auch in der Art der Darstellung - den Rang der Stücke aus dem Kesslerloch nicht erreichen, was nicht zuletzt aber auch in der schlechteren Erhaltung der Schweizersbild-Objekte liegt. Die Erhaltungsbedingungen in einer Freilandsiedlung, beziehungsweise einem Abri, sind zum vornherein weniger gut als in einer Höhle. Im Schweizers bild kommen störende Aktivitäten aus neolithischer Zeit hinzu, sind doch später zahlreiche Bestattungen in die paläolithische Siedlungsschicht eingetieft worden. Ein weiterer Umstand, dass die Kleinkunstwerke aus dem Schweizersbild uns weniger spektakulär berühren, liegt andererseits auch im andersartigen Stil. Wie noch zu zeigen sein wird, sind die Kleinkunstwerke aus dem Schweizers bild bedeutend jünger als wohl die meisten Stücke aus dem Kesslerloch. Im Verlauf des Magdaleniens hatte sich der Kunststil merklich gewandelt. Im Vergleich mit dem Kesslerloch erscheinen die Darstellungen vom Schweizersbild aufgelöster im Strich, wirken weniger detailliert naturhaft und sind stärker stilisiert 122 . Die magdalenienzeitliche Kunst umfasst mehrere Gruppen. Primär lässt sich zwischen der Parietalkunst (Höhlenmalereien, Gravierungen und Halbreliefs an Höhlenwänden) und der mobilen Kleinkunst (Gravierungen und Skulpturen) unterscheiden. Während erstere bislang in Mitteleuropa nicht nachgewiesen ist - möglicherweise klimatisch bedingt-, ist letztere auch in Mitteleuropa von verschiedenen Fundstellen belegt, wenn auch im Vergleich mit dem Pyrenäenraum in geringerer Zahl 123 . Die mobile Kleinkunst lässt sich in Skulpturen, figürliche Gravierungen und ornamentale Motive gliedern. Als Ausgangsmaterial diente hauptsächlich Rengeweih, seltener Knochen, Mammutelfenbein, Gagat und Stein 124 . Vom Schweizers bild sind uns Gravierungen auf Geweih, Knochen und Stein sowie eine Skulptur aus Gagat überliefert. Sie sollen nachfolgend ausführlich dargestellt werden.

Lochstabfragment mit Darstellung eines Wildpferdes Das Bruchstück eines Lochstabes 125 kam bereits 1891 im ersten Probegraben in der gelben Kulturschicht zum Vorschein (Abb. 51, Taf. 19). Im Fundbericht Nüeschs an Jakob Heierli ist darüber zu lesen: «Am 8.10.1891 arbeitete Häusler allein mit drei Arbeitern im Schweizersbild. Um 11 Uhr vormittags brachte Arbeiter Ziegler aus Herblingen im Auftrag von Häusler ein Bruchstück eines Kommandostabes in Nüeschs Wohnung. Die Zeichnung bestand in Kopf, Hals und Vorderbein eines nach links schauenden Rentieres. Das Loch des Stabes ist nicht mehr vollständig. Das Stück stammt aus der gelben Kulturschicht nach Mitteilung von Häusler, aus welcher er es

selber in Gegenwart mehrerer Personen aus Schaffhausen genommen hat. Den 16.12.1891 besuchte der Asienreisende Heinrich Moser die Nüesch'sche Sammlung. Er besah auch die Rentierzeichnung und das Stück, das Nüesch eine Woche vorher unter den Knochen gefunden und auf welchem sich einige Linien befanden und sagte: Die beiden Stücke passen ja zusammen, der Bruch stimmt. So waren die beiden Stücke zusammengebracht»126. Eine weitere Textstelle zu unserem Lochstabfragment findet sich in den Notizen Heierlis von 1893: «Teil eines Kommandostabes mit einer unvollständigen Zeichnung eines Rentieres. Erster Fund einer Zeichnung vom Schweizersbild. Wurde schon am Anthropologenkongress in Ulm vorgewiesen, in Zeichnung und Original. Es sind zwei Knochenstücke von gelber Farbe, die zusammengehören und zusammenpassen, jetzt wieder zusammengeleimt. Auf dem Vordem sind deutlich sichtbar die Vorderbeine und Brustlinie, etwas weniger deutlich die Barthaare des Rentieres. Man bemerkt mehrere Halslinien. Sie gehen alle vom hintern Vorderbein aus. Die Füsse sind schlecht gezeichnet. Beim vordem Vorderbein fehlt der Fuss fast ganz, beim hintern aber scheint er in einem Haarbüschel zu liegen. Die Photographie, die mir Nüesch sandte, ist ziemlich genau in natürlicher Grösse, wenig grösser. Auf dem vorderen Knochenstück ist nah der Anfang der Bauchlinie. Das zweite Blättchen zeigt Bauchlinie und ähnlich einem Leibband zwei parallele Striche, die fast rechtwinklig vom Bauch, den sie nicht ganz erreichen, zum Rücken verlaufen. Die Hinterbeine sind nicht gezeichnet. Eine Linie, die in der Gegend des vordem Hinterbeins ist, scheint von Wurzeleindrücken oder Insekten herzurühren. Fundort: gelbe Kulturschicht. Der Kopf muss mehr erraten werden, als dass man ihn sieht. Schade, dass das Stück stark lackiert ist» 127 . Nüesch selber beschrieb das Stück wie folgt: «Die Zeichnung des Tieres ist nicht ganz erhalten; ein Teil des Geweihstückes fehlt nämlich; dagegen ist die vorhandene Zeichnung - die beiden Vorderbeine, der Hals, der untere Teil des nach links gerichteten Kopfes und die Bauchlinie - charakteristisch genug, um sofort darin das Bild eines Rentiers zu erkennen. Die linke Schulter ist kräftig gezeichnet; die Vorderbeine sind auseinandergestellt wie beim Vorwärtsschreiten; die Kniescheibe des linken Vor-

122

123

124 125 126 127

Höneisen 1993 a, 189ff. A. Leroi-Gourhan. Prehistoire de I'art occidental, Paris 1965. Bosinski 1982; Müller-Beck/Albrecht 1987. SLMinv.11185.19. Notizen Heierli. Notizen Heierli.

101


/

/

l \

' /

.,,,,

-

I

G \

''

\_/

~-.,,..#"

/

/

0 ''

Taf.19: Schweizersbild. Lochstabfragment mit Ritzzeichnung eines Wildpferdes. M 1:1. Beschreibung S. lOlff., Fundnachweis S. 233. Abrollung der Ritzzeichnung S. 116.

102


Abb. 51: Schweizersbild. Fragment eines Lochs1abes mil Teil der Gravierung eines Wildpferdes.

derbeins ist deutlich, aber wegen Unkenntnis der Perspektive seitlich angebracht. Lange Haare bedecken die unteren Partien der Beine und des Kopfes; die Bauchlinie verläuft fast waagrecht, und zwei vom Rücken her schief auf dieselbe zulaufende, beinahe parallele Linien deuten wohl einen Gurt oder Riemen an» 128 • In seiner Darstellung der «Schweiz zur Rentierzeit» folgte H.G. Bandi zwar der Interpretation Nüeschs und Heierlis und deutete das dargestellte Tier ebenfalls als Rentier, wies aber in Klammer darauf hin, dass es sich auch um die Darstellung eines Wildpferdes handeln könnte 129 • G. Bosinski sah in der Gravierung dagegen klar die Darstellung eines Wildpferdes 130• Die erhaltenen Teile der Gravierung scheinen auch uns klar für die Darstellung eines Wildpferdes zu sprechen. Unmittelbar neben der Durchlochung erkennbar ist noch ein Teil des Tierkopfes mit Maulpartie und Kinnbehaarung. Ferner sind auch die untere Halslinie und die Bauchlinie erhalten. Das linke Vorderbein endet im unteren Teil in einem Linienbüschel; der rechte Fuss ist abgebrochen. Im Tierkörper befinden s ich zwei p~~allele Schrägstriche, die aber markanter ein-

geschnitten sind und wohl nicht zur Tierdarstellung gehören. Die von Nüesch beschriebene «Kniescheibe» des linken Vorderbeins ist in Wirklichkeit ein kleines Grübchen in der Oberfläche des Geweihabschnittes. Die Anordnung des Wildpferdes (Taf. 19) erinnert an die Wildpferddarstellung auf dem kräftigsten Lochstab vom Kesslerloch 131 • Auch dort ist das Wildpferd dicht an der Durchlochung gezeichnet. Die Randlinie der Durchlochung bildet bei jenem Stück gleichzeitig die Halslinie des Tieres. Vorderbeine, Maulpartie und Kinnbehaarung jenes Tieres sind unserer fragmentierten Darstellung gar nicht unähnlich. Auch die Darstellung des vorderen Wildpferdes auf dem ganz erhaltenen Lochstab vom Schweizersbild (Taf. 20) zeigt gewisse Ähnlichkeiten (Taf. 22) und macht nochmals deutlich, dass es sich bei unserem Stück tatsächlich um die Darstellung eines Wildpferdes handelt.

'" Nüesch 1896, 307; 1902. 96. ,,., Bandi 1947, Abb. S . 129. ''° Bosinski 1982, 32. 13 ' Bosins ki 1982, Taf. 10.1.

103


Lochstab mit zwei sich folgenden Wildpferden Der fast vollständig erhaltene Lochstab (Taf. 20) 132 fand sich nach Nüesch «in einer niedrigen, kleinen Felsnische, bedeckt und umgeben von Breccie, von Knochen und Zähnen junger Rentiere, von Feuersteinmessern, Nuclei und den verschiedensten Küchenabfällen der ersten und ältesten Bewohner» 133 • Über die Auffindung lesen wir im Fundbericht Nüeschs an Heierli: «Kommandostab mit Pferdezeichnung. 14.4.1893 mittags 12 Uhr: Das längs des Felsens über den Winter stehen gebliebene Profil, in welchem im vorigen Herbst Virchow in der neolithischen Schicht ein Kinderskelett gefunden, drohte einzustürzen und wurde deshalb abgetragen. In der nordöstlichen Krümmung weicht der Fels etwas zurück, so dass eine Art Höhle entstand, die ganz mit Knochen, Zähnen und Feuersteinartefakten erfüllt war. Sie ist nur 40 cm hoch und liegt ganz in der gelben Kulturschicht. Man musste auf dem Boden liegend arbeiten und fand nur Knochen und Zähne von jungen Tieren. Die Höhlung liegt 1,5 m nordöstlich vom künstlichen Herd derselben Schicht. In einer Tiefe von 1,8 m von der Oberfläche zeigte sich ein 90 mm langes, von Nord nach Süd liegendes Geweihstück, das am südlichen Ende ein rundes Loch hat und am Nordende tiefe Furchen. Wegnehmen konnte man es nicht, es war zu brüchig. Am Nachmittag wurde alles um den Kommandostab herum weggeräumt, teilweise mit der Pinzette, von Nüesch selbst. Dann legte man eine Kiste umgekehrt über den Kommandostab, stellte Bretter schief an den Felsen und bedeckte sie mit Erde und der Arbeiter Bührer musste die Nachtwache halten mit seinem Hunde. Am 15.4.1893 wurde die Erde, Bretter und Kiste weggenommen, auf allen vier Seiten in einer Entfernung von je 20 cm die Kulturschicht abgetragen, so dass schliesslich der Stab 30 cm hoch über die Nagetierschicht ragte. Dann wurde ein 30 cm hoher Bretterrahmen um denselben hingestellt und nachher das Ganze bis zur Höhe des Stabes mit Gips ausgegossen. Wieder Bewachung und Beschützung während der Nacht.

Abb. 52: Schweizersbild. Gravierter Lochstab im Zustand der Auffindung.

104

Der 16.4.1893 war ein schöner Sonntagmorgen. Der Gips war eingedrungen und hielt die Unterlage zusammen, man konnte die Unterlage ablösen, ein Sack wurde durchgezogen und dann trugen zwei Mann das Kistchen auf dem Sack nach Hause. Frau Nüesch war auch dabei. Auf der Ostseite fiel ein Partikelchen des Stabes ab und zerfiel. Am 19.4.1893 kam Penck, welcher am 12. und 13. April mit den deutschen Geographen und Geologen im Kesslerloch bei Thayngen war und beim Schweizersbild den Ausgrabungen beiwohnte, abermals. In seiner Gegenwart wurde nun der Kommandostab untersucht, d.h. abgewaschen mit feinem Pinsel. Da sah Penck einen Pferdekopf, dann die Vorderbeine, Hinterbeine. Beim weiteren Abpinseln kam noch eine Pferdezeichnung zum Vorschein». Noch Jahre nach der Bergung verblieb der gravierte Lochstab in seiner jahrtausendealten, mitgehobenen Unterlage (Abb. 52), bis dass es, so berichtet Nüesch, «Herrn Ulrich, Custos am Landesmuseum in Zürich, mit ausserordentlicher Mühe und sehr viel Sorgfalt im Winter 1897/1898 gelungen ist, den Kommandostab, der in den Besitz des Museums im Jahre 1893 überging und seither dort aufbewahrt wurde, aus dem Gips zu befreien und die vielen Bruchstücke wieder zu einem Ganzen zu vereinigen. Das am hinteren Ende fehlende Ringstück desselben fand sich unter den vielen kleineren Bruchstücken von Kommandostäben noch im Besitz des Herrn Dr. J. Nüesch in Schaffhausen, ohne dass er eine Ahnung davon hatte, wohin dasselbe gehören könnte. Es lag dieses Bruchstück in der Niederlassung weit weg von der oben angegebenen Nische, in welcher der Kommandostab sich befand» (Abb. 54) 134 • Nüesch selber beschrieb den Lochstab und seine Darstellung wie folgt: «Der 29 cm lange und 29 mm dicke Stab besitzt am hinteren, abgebrochenen Ende noch die halbkreisförmige Einbuchtung des 20 mm breiten, ehemaligen Loches; zwei tiefe Furchen unterhalb desselben ziehen sich nach links, die eine nach links oben, die andere nach links unten. Am vorderen Ende des Stabes sind mehrere, ebenfalls etwas schief verlaufende Furchen. Auf dem mittleren, polierten Teil desselben ist ein mit dem Kopf nach links gerichtetes, vorwärts schreitendes Pferd eingeritzt. Der ziemlich kurze, aber dicke Kopf zeigt starke Kinnbacken, ein zum Wiehern weit geöffnetes Maul, grosse Nüstern, ein deutlich angegebenes Auge und kurze Ohren; der ziemlich lange Hals trägt eine herabhängende Mähne und setzt sich an eine stark gewölbte Brust an. Das rechte, gekrümmte Vorderbein hebt sich von der Erde, während das linke, dem Beobachter zugewendete, gerade aufgestellt ist. Das Pferd ist im Begriffe, das emporgehobene linke, mit kleinem Huf, deutlichen


Abb. 53: Schweizersbi/d. Gra vierter Lochstab. Detailansicht der beiden sich folgenden Wildpferde.

Fesseln und starken Afterklauen versehene Hinterbein nach vorwärts zu setzen; das rechte Hinterbein ruht, vorwärts gestellt, auf dem Boden. Alle vier Beine tragen lange, nach rückwärts herabhängende Haare. Der Bauch ist hinten ziemlich stark eingezogen, was trotz der kräftig entwickelten Brust auf ein mageres Individuum schliessen lässt. Die Rückenlinie fehlt wegen eines alten Bruches im Stabe; der Schweif ist nicht gezeichnet wegen der Stellung des linken Hinterbeins, das ihn verdeckt. Hinter dem eben beschriebenen, mit grosser naturalistischer Auffassung gezeichneten Pferd befindet sich ein zweites, ebenfalls vorwärts schreitendes, aber weniger deutlich erkennbares skizziert» 135. H. G. Bandi bemerkte zu dem Lochstab: «Beachtenswert sind auch die zwei auf einen Lochstab aus Rentierhorn gravierten Pferdchen vom Schweizersbild. Mit leicht gesenktem Kopfe schreiten sie nach links. Wenn auch die Strichführung besonders beim vorderen Tier noch sicher, eine gewisse plastische Wirkung vorhanden und stellenweise (Kinn, Mähne und Beine) der Haarwuchs angedeutet ist, so ist dieses Stück dennoch sicher später als das

„weidende Rentier" geschaffen worden. Dies erkennt man an der Auflösung, die sich am Kopf des ersten Pferdes bemerkbar macht, und an der Flüchtigkeit, mit welcher das zweite hingekritzelt ist» 136 • Eine sehr ausführliche Beschreibung der Darstellung liefert uns G. Bosinski: «Etwa in Schaftmitte ein Pferd nach links (Abb. 53). Der leicht nach vom gestreckte Kopf ist schlecht proportioniert und etwa verquollen. Das Maul ist geöffnet, die Nüstern sind grob angedeutet, das Auge ist ein Kreis. Die Kammlinie ist als durchgehende Linie gezeichnet, auf die die Mähnenschraffen und das Ohr als flüchtige, die Kammlinie kreuzende Linien aufgesetzt sind. Die Beine des Tieres sind in Schrittstellung - rech-

"' SLM lnv. 1 1242. 03 Nüesch 1902, 96. ,:1-1 Nüesch 1902, 97 mit Abbildung de r restauri erte n Te ile. noc h ohne Ergänzung. Die 2. Auflage de r Monographie enth ielt betreffend Lochstab gegenüber der l. Ausgabe der Monographie eine wesentliche Textergänzung. 1 " Nüesch 1896. 307- 308; 1902, 97. 136 Bandi 1947. 126.

105


Abb. 54: Schweizersbild. Gravierter Lochstab vor und nach der Ergänzung im Schweizerischen Landesmuseum.

tes Vorderbein und rechtes Hinterbein vorweg, linkes Vorderbein und linkes Hinterbein zurück - graviert. An allen vier Beinen ist rückwärts die Behaarung durch enggesetzte Schraffen angegeben. Die Hufe sind detailliert, aber schmal und stelzenartig gezeichnet. Bauch-, Rücken- und Schweifpartie des Tieres sind nicht mehr sichtbar (Taf. 22, S. 116). Hinter dem beschriebenen Tier ist ein zweites Pferd graviert, das dem ersten folgt (Abb. 54). Diese Darstellung ist summarischer als die erste. Einzelheiten des gesenkten Kopfes sind nicht mehr zu erkennen. Die nach unten gebogene Mähne ist als dichte Schraffenreihe ohne Kammlinie graviert. Die Rückenlinie ist im gegenwärtigen Zustand des Lochstabs verschmiert und war wohl als flüchtig gezogene durchgehende Linie gearbeitet. Der Schweif, von dem nur der obere Anfang sichtbar ist, war anscheinend abgestellt. Es sind nur ein Vorder- und ein Hinterbein gezeichnet. Das Vorderbein ist deutlich länger, schlecht proportioniert und endet unten offen ohne Andeutung des Hufes. Das Hinterbein ist detaillierter gezeichnet mit ausgearbeitetem Huf» 137 • Der Lochstab selber ist am Schaftende durch eine Ringkerbe abgetrennt. Das Schaftende ist hier mit tief eingeschnittenen, gestaffelten V-Zeichen versehen. Gleichartige V-Zeichen finden sich auch auf einem Lochstab aus dem Kesslerloch 138 • Offenbar sekundär, da einzelne Linien der V-Zeichen angeschnitten sind, wurde der Gratbereich des abzweigenden Hintersprossenansatzes abgeschrägt. Um die Durchlochung finden sich ebenfalls tief eingeschnittene Linien, die beidseitig V-förmig die Durchlochung einfassen (Abb. 54, Taf. 20). 106

137 138

Bosinski 1982, 31. Höneisen 1985, 414.


0

0

0~

-- ...,'

Taf. 20: Schweizersbild. Lochstab mit Ritzzeichnung von zwei sich folgenden Wildpferden und tief eingeschnittenen Linien (V-Zeichen). M 1:2. Beschreibung S. 104ff., Fundnachweis S. 233. Abrollung der Ritzzeichnung S. JJ6.

107


Kalksteinplättchen mit beidseitigen Tierdarstellungen Zur genauen Auffindung dieses Stückes (Abb. 55, Taf. 21) 139 berichtet Nüesch: «Es fand sich im Niveau der gelben Kulturschicht in einer kleinen, engen Felsenspalte, welche vermittelst eines grossen Steines gegen aussen abgeschlossen war; derselbe musste zuerst weggewälzt werden, um sie ausräumen zu können. Diese Felsspalte war angefüllt mit Breccie, Knochen von Ren, Alpenhase, Schneehuhn und anderen Tieren, mit Feuersteinmessern und Abfällen der verschiedensten Art; in denselben eingebettet, lag das in Gegenwart von Herrn Dr. Nüesch, jun. gefundene Kalksteinplättchen, auf welchem erst nach der Beseitigung der anhängenden Erde und nach Entfernung des Kalksinters die Zeichnungen sichtbar wurden» 140 • Im Fundbericht Nüeschs an Heierli ist zu lesen: « 10. 10. 1892. In der gelben Kulturschicht, zwei Meter unter der Oberfläche, rückten die Arbeiten langsam vor, da alles mit der Hand gemacht wird, höchstens ein Eisennagel zum Loslösen allzu fest verkitteter Gegenstände benutzt wird. Alles ist in primärer Lage. Am Felsen ist eine Spalte zum Vorschein gekommen, welche mit zerschlagenen Knochen und Zähnen von Ren und Pferd mit wohlerhaltenen Kiefern des Alpenhasen, bearbeiteten Feuersteinknollen und Messern ausgefüllt war. Schon gestern hatte man angefangen, die Spalte auszuräumen. Nüeschs Sohn überwachte die Arbeit am Morgen des 10.10. von 6-10 Uhr. In Begleitung des Heinrich Messikommer aus Zürich kam Nüeschs Vater um 10 Uhr auf den Fundplatz. Der Arbeiter Bührer brachte das Kalksteinplättchen, das er in Gegenwart von Nüeschs Sohn aus der Spalte herausgenommen hatte. Der Italiener Antonio hatte es gewaschen. ,,Hast du Ross nit gesehen auf Stein, Bührer?" fragte er den Arbeiter, worauf dieser antwortete: ,,Nein, aber verschiedene Kritzer darauf." Vor dem Waschen war es auch fast unmöglich, mehr zu sehen» 141 • Die Ansprache der beidseitig angebrachten Gravierungen ist in der Literatur keineswegs einheitlich. Nüesch selber beschrieb das Stück in seiner Monographie sehr detailliert: «Auf der einen Seite sind nicht weniger als drei Tiere gezeichnet. In der Mitte, etwas nach oben gerückt, befindet sich ein solches in ruhender Stellung; der langgestreckte, gerade und schmale Kopf ist nach links gewendet; die Nüstern und die Unterlippe sind tief eingraviert; eine natürliche Vertiefung im Stein wurde als Auge benützt. Die Ohren von beinahe halber Kopflänge sind weit vorn am Halse angesetzt und nach vorwärts gerichtet; der schlanke Hals verjüngt sich stark gegen den Kopf; die sehr dünnen Beine sind parallel gestellt und zwar derart, dass die beiden Beine auf der linken, dem Beschauer zugekehrten Seite die ebenfalls in Ruhe befindlichen Beine auf der rechten Seite beinahe decken und unsichtbar machen. Die kleinen Hufe gehen ohne 108

deutliche Fesseln in den Fuss über. Die linke Schulter wird durch zwei tiefe Furchen angegeben. Die hintere Oberschenkelpartie ist etwas stärker entwickelt; die obere Hals- und die Rückenlinie verlaufen beinahe horizontal und erreichen vorn und hinten, bei den Ohren und beim Kreuz, fast die gleiche Höhe. Die Brust ist wenig gewölbt und der Bauch nach hinten nicht eingezogen; daher erscheint der Rumpf walzenförmig. Der Schwanz ist durch eine geknickte, vom Leib abstehende Linie kräftig angedeutet und endigt unten in eine starke Quaste. Das Tier besitzt keine Mähne und keinen Schweif; ebenso fehlen lange Haare an den Beinen, an dem mit den langen, weit vorn angebrachten, nahe beieinander stehenden Ohren; das Fehlen einer Mähne und des Schweifes; die schlanken, zarten Beine und der deutlich gezeichnete Quastenschwanz, sowie das Auffinden von Zähnen des Wildesels unter den Tierresten der bezüglichen Schicht lassen in diesem, in der ersten Notiz über das Schweizersbild als Pferd bezeichneten Tier mit Sicherheit einen Wildesel und zwar den Steppenesel erkennen. Unterhalb dieser grossen Zeichnung erblickt man eine kleinere: ebenfalls einen nach links gewendeten, in eigentümlicher Stellung abgebildeten Steppenesel. Das junge Tier streckt den nach oben sich stark verjüngenden Hals und den schmalen, langen Kopf mit den kräftigen, nahe beisammen stehenden Ohren nach aufwärts; der Rumpf ist hinten stark abwärts gekrümmt, das linke Vorderbein weit nach rückwärts gezogen und die Hinterbeine etwas nach vorwärts gestellt: eine Position, welche Furcht ausdrückt oder aber anzeigen soll, dass das Tier eben im Begriff steht, ein natürliches Bedürfnis zu befriedigen. Das dritte, auf derselben Seite der Platte gezeichnete Geschöpf ist das Rentier; es springt von links nach rechts gegen den grossen Steppenesel vor. Die Schnauze des Rens ruht seitwärts auf dem Hals des vorhin genannten Tieres und erweitert sich nach rückwärts zu einem ziemlich breiten Schädel; eine tiefe Furche deutet das Genick an. Das Auge ist klein und seitlich angegeben; die untere Hals- und die Brustlinie ziehen sich ganz gerade nach abwärts. Vom Geweih an verlaufen der Nacken und der Rücken in ganz gerader Linie bis an den äusseren Rand des Steins. Von den zum Sprunge weit auseinander gestellten, zierlichen Vorderbeinen sind nur die oberen, dickeren Partien deutlich wahrnehmbar; von dem in der Zeichnung fehlenden, hinteren Leibesabschnitt ist nur ein Teil eines Hinterbeines noch sichtbar. Ausser den die Umrisse der beiden Wildesel und des Rens bildenden Furchen weist das Plättchen auf der gleichen Seite noch mehrere eingeritzte Linien, deren Zusammenhang aber nicht festgestellt werden kann, sowie natürliche Furchen des Gesteins auf.


Die neben den natürlichen Spalt- und Aderlinien des Steines vorkommenden, zahlreichen, anscheinend ganz unregelmässig in- und durcheinander gezogenen, künstlichen Furchen, Linien und Kritze auf der andern Seite der Platte erschienen bei der ersten Betrachtung völlig unentwirrbar; erst das Studium der in doppelter Grösse des Originals angefertigten Photographie löste das Rätsel. Betrachtet man die Platte ... , so erblickt man zunächst rechts oben in der stumpfen Ecke, zwei mit Kinnbärten versehene, lang- und emporgestreckte Pferdeköpfe. Der eine, der weiter oben und näher liegende, ist mit kräftigen Linien gezeichnet; der andere dagegen, durch jenen zum Teil verdeckt, hat weniger scharfe Umrisse und seine Linien sind viel weniger tief eingeritzt. Von den beiden Köpfen gehen zwei beinahe parallele Furchen, die Halsund Rückenlinien der Tiere, nach links schief abwärts bis an den Rand des Steines; von ihnen aus ziehen sich vorn am Halse schief nach abwärts kleine, teilweise wellenförmige Linien, welche die Mähnen der Pferde darstellen. Die obere von den beiden schiefen, nach links abwärts verlaufenden Furchen gehört dem näherstehenden Pferde an, die untere dagegen dem weiter rückwärts stehenden, dem entfernteren Pferde. Die tief eingegrabene, untere Halslinie des näheren Tieres verläuft abwärts in die dünnen Beine, welche keine deutlichen Hufe zeigen, und begrenzt einen kräftigen Hals und eine gut entwickelte Brust. Die weniger tief, aber breit angelegte Halslinie des entfernteren Geschöpfes ist, ohne grosse Biegung am Halse, beinahe parallel zu der vorigen Linie gezogen; zwei nach vorwärts gestellte, zu lang angelegte Beine mit deutlichen Hufen scheinen dem zweiten, entfernteren Pferd anzugehören. Die Bauchlinien setzen an die senkrecht stehenden Vorderbeine an und gehen parallel zu den entsprechenden Rückenlinien nach hinten; die Hinterbeine und der Schweif beider Pferde fehlen. Unmittelbar unterhalb der Pferdeköpfe, ein wenig nach rechts vorstehend, kommt ein ganz unregelmässig geformter, anscheinend eckiger Kopf und daran anschliessend eine nach links sich ziehende, etwas abwärts gebogene Rückenlinie, sowie das rechte Vorderbein eines sonderbaren Tieres zum Vorschein. Dreht man aber die Platte um, so dass der vermeintliche Kopf nach abwärts, das Vorderbein waagrecht nach links zu liegen kommt, und verfolgt man die erwähnte, krumme Rückenlinie nach aufwärts, so erblickt man oben rechts von derselben, am Ende der schief nach links verlaufenden Pferdemähne, oberhalb von dieser, ein deutlich gezeichnetes Auge mit einem grossen oberen Augenlid und rechts davon die weit nach abwärts reichende Kopflinie eines gewaltigen Tieres. Der scheinbar unförmlich gestaltete Kopf des frag-

liehen Geschöpfs entpuppt sich als das sehr charakteristische, emporgehobene vielhufige, rechte Vorderbein eines den Kopf abwärts haltenden Mammuts mit seinem zwischen die Beine weit herabgezogenen Rüssel. Die Grenzlinie des gewölbten Kopfes setzt sich nach links hin fort und verliert sich gegen hinten. Die beiden durcheinander hindurch gezeichneten, grossen, dicken, kurzen Hinterbeine ruhen flach auf. Die vordere Begrenzungslinie des massigen, rechten, hinteren Beines wölbt sich zu den Bauchlinien empor, die sich unregelmässig an das emporgehobene, gekrümmte, rechte Vorderbein anschliessen. Kehrt man die Platte wieder um, so erkennt man zwischen den Beinen des Mammuts noch ein Tier ohne Kopf, mit kurzer, aufrechtstehender Mähne, ovalem Körper, schlankem, nur angedeutetem Vorder- und Hinterbein und anliegendem Schwanz; es soll wahrscheinlich einen Steppenesel vorstellen. Somit sind auf der Rückseite des Plättchens zwei Pferde, ein Mammut und ein Steppenesel abgebildet. Die beiden Seiten weisen demnach 7 Zeichnungen von 4 verschiedenen Tierspecies auf» 142 •

In den Notizen Heierlis finden sich noch folgende Aufzeichnungen zu diesem Stück: «Das Plättchen ist unregelmässig viereckig 80 mm lang und an der breitesten Stelle 70 mm breit, an der schmalsten 45 mm. Dicke 5 mm. Ein Pferd ohne Mähne mit ruhenden Vorderbeinen auf der einen Seite der Platte schaut nach links, darunter ist ein zweites nach derselben Seite schauend, wohl ein Füllen. Die Vorder- und Hinterbeine sind nahe beisammen, der Kopf ist ängstlich nach vorn gestreckt, die vorwärts gespitzten Ohren stehen in die Höhe. Ein Rentierchen sieht nach rechts und hat Kopf und Geweih am Hals des grossen Pferdes. Es ist in springender Stellung. Auf der andern Seite des Plättchens sind zwei mit Mähnen versehene Pferde, ferner viele wirr durcheinander laufende Linien, die zuerst nicht enträtselt wurden. Im November 1892 wurde eine Fotografie der Platte gemacht. Im Februar 1893 sah auch Heinrich Moser die Platte und nach langem Besichtigen derselben rief er: Das ist ja ein Mammut ... Auge, gesenkter Kopf, zwischen die Vorderbeine gezogener Rüssel, aufgehobener Vorderfuss, Hinterbeine, Bauchlinie, Rückenlinie. Der Kerl ist in erboster Stellung mit gesenkter Stirn wiedergegeben» 143 •

139 140

141 142 143

SLM Inv. 11243. Nüesch 1896. 98; 1902, 308. Notizen Heierli. Nüesch 1896, 309-311; 1902, 98-101. Notizen Heierli.

109


1

---.-.

~

··;;· ·-.. :· _·_'

2

Taf. 21: Schweizersbild. Kalksteinplättchen, beidseitig mit Ritzzeichnungen von Wildpferden und Cerviden. M 1:1. Beschreibung S. 108ff., Fundnachweis S. 233. Umzeichnung der verschiedenen Tierdarstellungen S. 117.

110


Abb. 55: Schweizersbild. Kalksceinpläuchen. Vorder- und Rückseite mir teils übereinanderliegenden Tiergravierungen. M 1:1. Umzeichnung der verschiedenen Tierdarstellungen S. 117.

111


Abb. 56: Schweizersbild. Kalksteinplättchen. Vergrösserte Ansicht der übereinanderliegenden Tiergravierungen auf der Vorderseite.

112


. .ungen auif der Rückseite . Abb. 57: Schwe1ze1s . . bild. Kalksteinplättchen. Vergro··sserte Ansieh . t der Tiergravie,

113


«Am 21. 7. 1893 fand Medizinalrat Hedinger, dass die „Pferde" auf der einen Seite wohl Wildesel seien. Der langgestreckte Kopf, die grossen Ohren, die zarten dünnen Beine, das Fehlen der Mähne und der Quastenschwanz seien charakteristische Merkmale des genannten Tieres. Er fand unter den Knochen auch Zähne dieses Tieres. Acht Tage später kam Prof. Studer in Bern ganz unabhängig von dem Medizinalrat auf die Zähne des Wildesels und erklärte das Bild auf der Kalksteinplatte als Steppenesel» 144 • In der Folgezeit sind allerdings Teile der Interpretation Nüeschs in Frage gestellt oder anders gedeutet worden. Bandi sah in dem auf der Vorderseite eingeritzten angeblichen Rentier einen dritten Wildesel, und das neben drei Wildpferden auf der Rückseite vermeldete Mammut erschien ihm zumindest fragwürdig 145 • Ganz zurückhaltend urteilte Tschumi, der an den für die Schauseite gegebenen Bestimmungen zweifelte und die rückseitigen Ritzungen schlichtwegs mit den Worten ablehnte: «Der Wirrwarr der Zeichnungen auf der Rückseite lässt sich nicht entziffern» 146 • Zur Interpretation meinte K.D. Adam: «Man sollte sich folglich beim Versuch einer Interpretation bescheiden, und dies gilt auch für die unterschiedliche Wertung der wiedergegebene Equiden. Diese dürften allesamt das unter dem Fundgut allein erweisbare Wildpferd darstellen; denn nach Karl Heschelers und Emil Kuhns Urteil „erscheint es sehr unsicher, ob der Halbesel, Equus hemionus, tatsächlich vertreten ist; möglicherweise sind die Dokumente auf ein Wildpferd zu beziehen" und dann für das Ausdeuten der Gravuren ohne Belang. Diese wirken zudem derart unbeholfen in ihrer Strichführung, dass man Hans-Georg Bandi darin beipflichten mag, die Kalksteinplatte stelle „wohl den Übungsstein eines Rentierjäger-Künstlers dar", der aber, so sei angefügt, nicht nur für weniger geübt, sondern auch für minder begabt gehalten werden muss als jener, dem die beiden Wildpferde auf dem Lochstab gleicher Provenienz zuzuschreiben sind» 147 • Im Rahmen der Auswertung zahlreicher gleichartiger Darstellungen auf Schieferplatten des Fundplatzes Gönnersdorf studierten in neuerer Zeit auch Gerhard Bosinski und Gisela Fischer das Plättchen vom Schweizersbild. Wir folgen an dieser Stelle wiederum ihrer guten und ausführlichen Beschreibung des Stückes: «Seite A: Die Platte trägt fünf übereinander gezeichnete Tiere. Vier davon sind nach rechts gerichtet; die fünfte Figur quert die Gruppe mit Ausrichtung zur oberen Plattenkante (Abb. 56, Taf. 21.1, Taf. 23). Die Darstellungen 114

sind skizzenhaft; auf die sorgfältige Ausführung von Details wurde verzichtet. Zwei ineinandergezeichnete Pferde(?)figuren treten besonders deutlich hervor (Taf. 23.3-4). Sie sind völlig gleichförmig und lassen die Manier eines Zeichners, vielleicht auch eine Konvention, erkennen. Die schmalen Köpfe sind jeweils mit einer geraden Gesichtslinie und einer schwach gebogenen langgestreckten Ganaschenkontur wiedergegeben. Regelmässig gesetzte Kerben bilden den Bart. Ein Punkt deutet das Auge an. Ebenso schematisch wie der Bart ist die Mähne gezeichnet. Ein oder zwei etwas längere senkrechte Striche geben die Ohren wieder. Eine durchgehende gerade Linie bildet Kamm- und Rückenkontur. Als Bauchkontur kommen mehrere Geraden und eine tiefer gravierte, konvexe Linie in Betracht. Nur das obere Tier hat eine schwach gerundete, in einem Zipfel endende Hinterhand. Die Vorderbeinpartie gliedert sich in ein senkrecht verlaufendes, schwer entwirrbares Linienbündel und ein einzelnes, nach vorn gestrecktes, einem Cervidenlauf ähnliches Bein (Taf. 23.3). Eine kleinere Figur rechts unterhalb dieses Pferdepaares hat eine ähnlich gestaltete Mähne, jedoch fehlt dem Tier die Kammkontur. Die Rückenlinie fällt nach hinten ein wenig ab und bildet zusammen mit der stark gerundeten Bauchlinie einen ovalen Rumpf. Vorderbein- und Hinterbeinpartie sind nur durch je einen Zipfel angedeutet. Die Darstellung endet ohne Kopf an der rechten Plattenkante (Taf. 23.1). Zwischen dieses Tier und das anfangs beschriebene Pferdepaar schiebt sich eine leicht nach rechts unten gerichtete Figur mit klobigem, nur im Umriss wiedergegebenen Kopf (Taf. 23.2). Zwei parallele senkrechte Striche deuten die Ohren an. Die Vorderbeinpartie besteht aus zwei geraden Linien, deren vordere zugleich Brust- und Halskontur wiedergibt. Die Hinterbeinpartie ist ein schmaler Zipfel. Rücken- und Bauchkontur bilden einen nahezu rechteckigen Rumpf. Die fünfte Figur ist mit deutlich feineren Linien gezeichnet (Taf. 23.5). Der Rücken ist leicht gewölbt, das Hinterteil etwa stärker ausgeprägt. Leicht gebogene Bauchlinie. Auch bei dieser Figur sind die Vorderbeine durch eine Gruppe gerader Linien wiedergegeben, während die Hinterbeinregion nur durch einen Zipfel angedeutet ist. Die Darstellung endet ohne Kopf an der oberen Plattenkante. Restlinien: feingravierte, teilweise zusammenhängende Figuren, deren Bedeutung unbekannt ist. Gravierungsabfolge: Ein hellgraues pastenartiges Material in den Linien erschwert die makroskopische Entzifferung ihrer Entstehungsfolge. Wahrscheinlich wurden die Tiere in der auf Taf. 23 bezeichneten Reihenfolge graviert».


«Seite B: Diese Seite weist drei Tierfiguren (Cerviden ?) auf, die einander nur geringfügig überschneiden und kaum von Fremdlinien gestört sind (Abb. 57, Taf. 21.2). a. Nach links gerichtete Darstellung (Taf. 23.7). Mit klarer, einfacher Linie ist der Umriss gezeichnet. Der Kopf, schmal und von gleichbleibender Breite, ist mit mehreren Linienzügen wiedergegeben. Das Auge ist durch eine längliche Kerbe angedeutet. Kamm- und Rückenlinie bilden eine Gerade. Zwei senkrechte Striche auf dem Berührungspunkt von Gesichts- und Rückenlinie stellen die Ohren dar. Die gerade Bauchlinie verläuft parallel zur Rückenlinie. Vorder- und Hinterbeinpartie sind jeweils durch zwei Linien wiedergegeben, die, Oberarm bzw. den Oberschenkel beschreibend, innerhalb des Rumpfes beginnen und in der Fussregion, einen länglichen Zipfel bildend, zusammenlaufen. Das Tier hat im Hinterteil eine Innenzeichnung, eine senkrecht verlaufende, im oberen Abschnitt leicht gebogene Linie, die wahrscheinlich einer Eigentümlichkeit des natürlichen Vorbildes entspricht. b. Kleinere Figur unterhalb der zuerst beschriebenen (Taf. 23.8). Sie ist ebenfalls nach links gerichtet. Kopf, Hals und Ohren wie bei der ersten Figur. Kein Auge. Die Rückenlinie ist über der Körpermitte leicht gewölbt und geht in gleichmässigem Bogen in die Hinterteilkontur über. Der Schwanz ist ein kleiner abstehender Zipfel. Die Flankenpartie des Tieres ist ausladend gezeichnet. Im Hinterteil befindet sich die gleiche Innenzeichnung wie bei der ersten Figur. Das Tier hat eine fast gerade Bauchlinie. Ein einzelnes Vorderbein ist erkennbar, mit dessen vorderer Kontur auch der Oberarm leicht angedeutet ist. Die Halslinie kreuzt die Vorderbeinpartie und reicht bis zur unteren Plattenkante, durch welche die Darstellung oberhalb der Fussregion begrenzt ist. c. Eine weitere kleine Figur ragt von der linken Plattenkante her schräg in die erste Darstellung hinein, so dass deren Kehllinie von der vorderen Kopfpartie überschnitten wird (Taf. 23.6). Die Gestaltung des Kopfes entspricht derjenigen der beiden vorher beschriebenen Figuren. Rücken- und Bauchlinie sind gerade und verlaufen parallel zueinander. Im Gegensatz zu den vorher beschriebenen Darstellungen sind hier jeweils beide Vorderbeine (in Schrittstellung) und Hinterbeine (nur Innenkonturen) angedeutet. Das Hinterteil fehlt: die Figur ist hier durch die linke Plattenkante begrenzt.

scheint es ausgeschlossen, dass es sich etwa um ein Pferd handelt. Sowohl die Innenzeichnung als auch die allgemeinen Körperproportionen und der Schwanz sprechen für einen Paarhufer. Sonst auf dieser Plattenseite: Einzelne Linien, die das Hinterteil von a und das Vorderteil von b schneiden und an der unteren Plattenkante enden. Frauenfigur (d) ? Verstreute Kerben» 148 (Abb. 57).

Knochenfragment mit Darstellung eines Tieres Zu diesem Stück (Taf. 24.9) 149 äusserte sich Nüesch nur sehr kurz: «Knochenstück mit der Zeichnung von einem nach rechts gewendeten Tier, die hinteren Beine und den Bauch darstellend» 150 • In den Notizbüchern von Heierli finden sich ebenfalls nur wenige Angaben: «Gelbe Kulturschicht. Zeichnung eines Hinterteils eines Tieres auf einem Röhrenknochenfragment. Nüesch vermutet, es sei ein Pferd, mir scheint es eher ein Rentier zu sein. Sichtbar sind die Hinterbeine, die Füsse fehlen, weil die Zeichnung dort an der Knochenkante angelangt. Die Bauchlinie ist teilweise erhalten, über derselben sind parallele Striche zu sehen, welche etwas denjenigen des weidenden Rentieres von Thayngen ähneln. Die Fotografie des Stückes ist zu dunkel, immerhin deutlich». Leider ist das Stück schon seit längerer Zeit nicht mehr auffindbar, so dass keine neuen Beobachtungen angestellt werden konnten. Weitere Geweihfragmente mit Tierdarstellungen Ein beidendig abgebrochenes Geweihfragment zeigt ein graviertes Spitzoval 151 • Beide Enden des Spitzovals sind nicht ganz geschlossen. Die Darstellung wurde tief in die Geweihoberfläche eingekerbt. Die Innenfläche ist mit parallelen Schrägkerben ausgefüllt (Taf. 15.14). Ein ähnliches Stück vom Schweizersbild wurde von Breuil/ Saint-Perier 1927 abgebildet 152 • Das Stück erinnert entfernt an Spitzovale mit Winkelstapeln vom Petersfels 153 • Ähnliche Spitzovale finden sich dort auch auf Lochstäben 154. Ein eingraviertes Oval mit schwanzartiger Verlängerung liegt auch auf einem Meissel vom Kesslerloch vor 155 • Einzelne Spitzovale vom Petersfels enthalten

144 145 146 147 148

Die Darstellungen auf Seite B lassen erkennen, dass der „schmale" Zipfel keine „Verzeichnung", sondern eine Innenzeichnung ist, die entweder die beiden Hinterbeine wiedergeben soll (unwahrscheinlich) oder eine dem gemeinten Tier tatsächlich eigentümliche Innenzeichnung darstellt. Vor allem bei dem unteren Tier der Seite B

149 150 151 152

153 154 155

Notizen Heierli. Bandi 1947. 127 und Umzeichnung 128. Tschumi 1949, 481. Adam/Kurz 1980, 61-62; Hescheler/Kuhn 1949, 218; Bandi 1947. 129. Bosinski 1982, 31-32. SLM ohne Inv. (z.Zt. verschollen). Nüesch 1902, 109. SLM 11186. H. Breuil u. R. de Saint-Perier. Les poisson, !es batraciens et !es reptiles dans l'art quaternaire. Arch. IPH Mem. 2. 1927. Abb. 32.10. Bosinski 1982. Taf. 30. Bosinski 1982. Taf. 28.6. Höneisen 1984, Taf. 72.

115


1

.................... ·········· .......

:·.· .

... ·.

:

2

Taf. 22: Schweizersbild. Tiergravierungen. Abrollung der Darstellungen: 1 Zwei sich folgende Wildpferde auf Lochstab, 2 Wildpferddarstellung auf Lochstabfragment. M 1:1. Beschreibung S. 104ff. und lOlff., Fundnachweis S. 233.

116


2

3

5

\\

~ 6

8 7

Taf. 23: Schweizersbild. Tiergravierungen. Abrollung der Darstellungen (nach Bosinski 1982): 1-5 Wildpferde ( 1, 3, 4) und Cerviden (2, 5) auf der Vorderseite des Kalksteinplättchens, 6-8 Cerviden auf der Rückseite des Kalksteinplättchens. M 1:1. Beschreibung S. 108ff., Fundnachweis S. 233.

117

man s nrsr an, symoo1 anu notanun, 1Y t .L.




Abb. 58: Schweizersbild. Frauenstatuette aus Gagat (Höhe 2,8 cm). Vorderseite.

120


Abb. 59: Schweizersbild. Frauenstatuette aus Gagat. Rückseite.

121


CJ

Abb. 60: Schweizersbild. Frauenstatuette aus Gagat. Abrollung der Figur. M 2:1.

belassen worden. Einzig im Unterkörperbereich wurde zur Trennung der beiden Beine eine 2 mm breite V-förmige Kerbe von knapp 1 cm Länge eingeschnitten. Auf der Vorderseite der Figur wurde die ursprüngliche Oberfläche des Werkstückes weitergehend abgearbeitet. Am erhabensten wurde der Brustbereich mit 0,6 cm belassen, während Kopf- und Beinbereich fast flach auf 0,4 cm abgearbeitet worden sind. Zur Kennzeichnung der Brüste wurde der Oberkörper wiederum durch eine VKerbe von 0,2 cm Breite und 0,8 cm Länge versehen. In gleicher Art sind auch die Beine durch eine V-Kerbe von knapp 0,2 cm Breite und 0,7 cm Länge herausgearbeitet worden. Die ganze Figur wirkt insgesamt eckig und lässt daher die Vermutung aufkommen, dass das Stück gar nicht fertig bearbeitet wurde, also ein Werkstück darstellt. Im Vergleich mit anderen Figuren ist die Eckigkeit unseres Stückes jedenfalls auffällig, könnte indessen aber auch eine besonders starke Stilisierung darstellen. Besonders nahe kommt unserem Stück eine Statuette vom Petersfels (Taf. 25.2). Auch bei jenem Stück ist die Rückseite der Figur weitgehend gerade belassen worden. Im Gegensatz zu unserem Stück wurde aber der Beinbereich lediglich durch eine horizontale Kerbe vom Rumpf abgetrennt. Die Vorderseite der Figur zeigt ähnlich unserem Stück geschnitzte Brüste. Markant abgesetzt sind 122

dagegen Kopf und Unterkörper, wobei die Beine nicht einzeln herausgearbeitet worden sind. Eine weitere gut vergleichbare kleinere Gagatstatuette stammt von der Station Moosbühl BE (Taf. 25.3) 163 . Jene Statuette ist noch stärker stilisiert. Die Rückseite ist ohne jede Einkerbung gerade; auf der Vorderseite trennt lediglich ein horizontaler Einschnitt den Beinbereich vom Oberkörper. In seiner äusseren Form erinnert das Stück damit bereits wieder an halbmond- und dreieckförmige «Anhänger» vom Petersfels. Denkbar wäre, dass auch sie - vielleicht in Extremform stilisierte - Frauenstatuetten darstellen. Erinnert sei auch an zwei kleine Gagatschnitzereien vom Schweizersbild, die möglicherweise hier anzuschliessen sind. Das eine Stück (Taf. 26.14) besitzt einen kerbförmigen Einschnitt, das andere Stück hat Dreieckform und ist durchlocht (Taf. 26.15). Wiederum liegen auch dazu vom Petersfels gute Parallelen vor. Über die Bedeutung dieser Figuren wissen wir leider nur sehr wenig. Immerhin ist auffällig, dass ein Grossteil der Figuren durchlocht ist, also als Anhänger getragen werden konnten. Den Anhängern kam vielleicht auch die Bedeutung eines Amulettes zu. Andere, ebenfalls fertig gearbeitete Stücke zeigen aber keine Durchlochung. Erinnert sei auch an die zahlreichen gravierten Darstellungen auf Schieferplatten, Steinblöcken und sogar auf Felswänden. Sie waren mit Sicherheit nicht zum Tragen bestimmt, sondern sind in ihrer Symbolik wohl ähnlich wie die zahlreichen Tierdarstellungen auf Geweih, Knochen, Gagat, aber auch als Höhlenmalereien zu sehen. Schon daraus ergibt sich, dass sowohl die Statuetten als auch die Gravierungen kaum als reine «Bildnisse von Frauen» zu interpretieren sind. Vielmehr dürfte es sich um Abbilder einer Muttergottheit handeln, von der man sich Fruchtbarkeit oder magische Kraft erhoffte. Die Darstellung der «Muttergottheit» blickt in der paläolithischen Kunst bereits auf eine lange Tradition. Im besonderen Mass wurde die «Muttergottheit» als Symbol von Fruchtbarkeit und Fortbestand, Schönheit und magischer Anziehungskraft in der religiös motivierten Kunst des Paläolithikums immer wieder verehrt.

163

H. Schwab, Gagat und Bernstein auf dem Rentierjägerhalt Moosbühl bei Moosseedorf. Jagen und Sammeln. Festschrift für H.G. Bandi. Bern 1985, 259-266.


-0

-,,L - 0 3

1

2

DO

(ID

6 5

~

-~- iO

4 7

-CID 8

-rn 9

10

Taf. 25: Schweizersbild. Frauenstatuette aus Gagat ( 1) im Vergleich mit anderen Gagatstatuetten: Petersfels (2, 4, 8-10 ), Moosbühl (3), Monruz (5-7). M 1:1. Fundnachweis S. 233. 123


Stil und Vergleich der Kleinkunst vom Schweizersbild H.G. Bandi äusserte sich über die Kalksteinplatte vom Schweizersbild, dass diese «wohl den Übungsstein eines Rentierjäger-Künstlers darstelle» 164 • K.D. Adam fügte in seiner forschungsgeschichtlichen Darstellung der «Eiszeitkunst im süddeutschen Raum» abschätzig bei, dass der Künstler «nicht nur für weniger geübt, sondern auch für minder begabt gehalten werden muss, als jener, dem die beiden Wildpferde auf dem Lochstab gleicher Provenienz zuzuschreiben sind» 165 • Wir wissen heute, dass die paläolithische Kunst nicht primär zum längeren Anschauen bestimmt war. Wie sonst wäre es zu erklären, dass die Höhlenmalereien zuhinterst im Höhleninnern angebracht wurden, teils verborgen hinter Felsblöcken oder gar in unzugänglichen Schächten? Weshalb finden sich Kleinkunstwerke nicht selten in Gruben, absichtlich vergraben oder am Boden ausgelegt, vielleicht sogar deponiert? Weshalb wurden die Darstellungen nicht selten übereinander angebracht, beispielsweise auf Schieferplatten, wo die Zeichnungen teils schon nach kurzer Zeit gar nicht mehr erkennbar waren? Die Beispiele mögen zeigen, dass heutige Interpretationen mit Vorsicht aufzufassen sind. Gerade die moderne Kunst zeigt, dass Künstler Mensch und Tier nicht immer realistisch, naturnah oder schön darstellen wollen, sondern bewusst verzerrt oder auf bestimmte Charaktereigenschaften reduziert. Dasselbe lässt sich bereits auch für die paläolithische Kunst beobachten. Die Tiere sind im Detail nicht naturalistisch gezeichnet, aber typisch, die wichtigsten Körpermerkmale und Eigenschaften mit wenigen Strichen markant charakterisiert. Meist in die Darstellung einbezogen wurde insbesondere auch das typische Gebaren und Verhalten der jeweiligen Tierart, das Geschlecht sowie allfällig jahreszeitlich ausgeprägte Merkmale (Fell oder Geweih). Der anfänglich besonders detaillierte Stil weicht allmählich einer schematisierteren Darstellung, mit aufgelösterem Strich, häufig auf Umrisslinien beschränkt und zunehmend stark stilisiert. Die zeitlich älteren Wildpferddarstellungen vom Kesslerloch machen dies im Vergleich mit den Gravierungen vom Schweizersbild besonders deutlich 166 • 2.2.6. Schmuck Tierzähne, Muscheln, Schnecken, Versteinerungen, bunte Gerölle und einzelne Knochenteile wurden häufig durchlocht und dienten als Schmuckanhänger, Kleiderbesatz oder Amulette. Sicher gehörten zum Schmuck ursprünglich auch organische Materialien wie Pflanzenteile, Fellstücke oder Vogelfedern. Nicht zu vergessen sind schliesslich Mineralfarben, die anlässlich von Festen und Feierlichkeiten auch zur Körperbemalung gedient haben. Im Schweizers bild fanden sind als durchbohrte Anhänger 124

mehrere Eckzähne vom Eisfuchs (Taf. 26.2-3) sowie auch ein Eckzahn vom Vielfrass (Taf. 26.1). Als Anhänger durchlocht wurden ferner Versteinerungen (kleine Ammoniten, Gryphaea) sowie fossile Muscheln und Schnecken wie Dentalien, Naticaschalen, Pectunculus- und Cerithiumschalen (Taf. 26.4-13). An Gagatanhängern liegen vom Schweizersbild kleine Dreiecke mit Durchbohrung vor (Taf. 26.15), wie sie auch vom Petersfels - allerdings meist grösser - bekannt sind und vielleicht als extrem stilisierte Frauenstatuetten anzusprechen sind 167 • Einige flache, längliche Perlen aus Gagat oder Stein vom Petersfels und von Monruz NE sind sogar doppelt durchlocht und dienten vielleicht bereits als Kettenschieber wie spätere neolithische Stücke. Ein dreieckiges Gagatstück vom Schweizersbild zeigt einen Einschnitt in Form einer Kerbe (Taf. 26.14). Auch dazu sind vom Petersfels gute Parallelen 168 bekannt. 2.2.7. Fremde Materialien - Zeugnisse weitreichender Kontakte Zahlreiche fremde Materialien verschiedener Herkunft (Fossilien, Muscheln und Schnecken, Gagat, Steinmaterial, an anderen Orten auch Bernstein) belegen weiträumige Wanderungen, oder aber - eher wahrscheinlich Kontakte mit Gruppen aus entfernteren Gebieten. Vom Schweizersbild kennen wir zahlreiche Muscheln aus tertiären Ablagerungen des Mainzer Beckens 169 • Von süddeutschen Fundstellen sind auch Stücke aus dem Pariserbecken und aus dem Mittelmeerraum belegt. Kleinere Fragmente von baltischem Bernstein aus anderen magdalenienzeitlichen Fundstellen der Schweiz zeugen gar von Beziehungen zu Nordeuropa 170 • Für viele Materialien sind indessen die Herkunftsgebiete nur sehr schwer anzugeben, da die Lagerstätten zu wenig bekannt sind oder die Materialanalysen von Lagerstätte zu Lagerstätte zu geringe Unterschiede ergeben. So können wir einstweilen Lignit bzw. Gagat noch kaum bestimmten Lagerstätten zuweisen. Abfälle der Lignitverarbeitung zeigen indessen, dass die Materialien nicht nur als fertige Schmuckstücke im Umlauf waren, sondern vielmehr als unbearbeitetes Rohmaterial transportiert und an Ort und Stelle verarbeitet worden sind. Noch am besten bekannt sind die Silexlagerstätten. Für das Schweizers bild genutzt wurden insbesondere die Vor164 165 166

167

168 169 170

Bandi 1947, 129. Adam/Kurz 1980, 62. Im Fall der Darstellung der beiden Wildpferde auf dem Lochstab vom Schweizersbild ist zu beachten, dass anlässlich der damals leider teilweise unsachgemässen Restaurierung einzelne Teile nachgezeichnet oder auch ausgemalt worden sind. Mauser 1970, Taf. 96.21-34. Nüesch 1902, 94; Mauser 1970, Taf. 99.1-4, 6-9. Nüesch 1902, 54-55. Rähle 1983; Sedlmeier 1988; Schwab 1985.


-

QO

2 3

,-- ... ,

/f'n

f 4

6

J 8

9

7

S1 14 10

11

15 12

13

Taf. 26: Schweizershild. Schmuckanhänger aus Tierzähnen (1-3), fossilen Muscheln (4-9) und Schnecken (10-13) sowie Gagatanhänger (14-15). M 1:1. Fundnachweis S. 233. 125


Abb. 61: Schweizersbild. Versteinerungen aus den paläolithischen Siedlungsschichten.

kommen auf der Reiathochfläche, nur wenige Kilometer von der Fundstelle entfernt. Weiter boten sich in nächster Nähe zur Fundstelle auch Aufschlüsse im Freudenthal an; beispielsweise sind im Innern der Freudenthalhöhle gute Silexkonkretionen aufgeschlossen. Andere Silexvarietäten stellen Sammelfunde aus Moränen dar, wohl aus der näheren Umgebung. Ersatzmaterialien wie Radiolarit, Quarzit oder Kieselschiefer dürften ebenfalls aus Moränen der näheren Umgebung aufgelesen worden sein. Einzelne Steinmaterialien wirken indessen für das Schweizersbild exotisch. Der Umstand, dass es sich fast ausschJiesslich um echte Artefakte handelt, legt nahe, dass diese bereits zum mitgebrachten Werkzeuginventar der Jäger gehört haben. Besonders auffällig im Material des Schweizersbilds sind die zahlreichen Versteinerungen. Gerade auch sie zeigen, dass die Jäger und Sammler der Altsteinzeit ein besonders gutes Auge für Naturformen aller Art besessen haben. Nicht selten haben die Jäger der Altsteinzeit derartige Kuriositäten der Natur aufgelesen und in ihre Siedlungen eingebracht (Abb. 61). Eine genauere wissenschaftliche 126

Aufarbeitung auch dieser Materialien wird ermöglichen, den Radius der jägerischen Streifzüge um das Schweizersbild besser zu bestimmen. Im Zusammenhang mit Versteinerungen darf nicht unerwähnt bleiben, dass vom Menschen auch Naturformen nachgeahmt worden sind. Vom Kesslerloch und von der Höhle im Freudenthal stammende Anhänger aus Gagat und Mammutelfenbein mit tropfenförmigem Fuss stellen möglicherweise Imitationen von versteinerten Seeigelstacheln dar 171 • Als aufgelesene fossile Reste sind Seeigel und Seeigelstacheln auch im Fundmaterial des Schweizersbilds belegt. Gagatskulpturen vom Kesslerloch und vom Petersfels imitieren möglicherweise sogar Käfer und Insekten 172• Sicher ebenfalls in die Siedlung Schweizersbild eingebracht wurden mehrere Haifischzähne.


3. Die nachpaläolithischen Belegungen Schon ein Blick auf die nachpaläolithischen Funde zeigt (S. 146ff.), dass aus der «grauen Kulturschicht» ein Sammelsurium aus fast allen Zeitepochen seit dem Magdalenien geborgen worden ist. In Zusammenhang mit dieser Schicht erwähnt Nüesch nicht nur Feuerstellen, Gräber und ausgedehnte Aschenlagen, sondern auch Ansammlungen von Hirschgeweihresten, Röhrenperlen und Metallfunde und spricht selbst von einem «Pflasterboden». Über das schon in der ersten Woche freigelegte Grab 1 sagt er, dass «bei dessen Anlage sowohl die graue Kulturschicht, als auch die oberste Lage der Breccie entfernt worden war», was ihn «von Anfang an mahnte, beim Abdecken der einzelnen Schichten und beim Bestimmen des Alters der Funde sehr vorsichtig zu Werke zu gehen». Nüesch erklärte indessen trotzdem Gräber und Aschenlagen als zusammengehörig und datierte die graue Kulturschicht aufgrund der Funde und der Grabbeigaben in neolithische Zeit: « Viele Anzeichen sprechen dafür, dass während der langen, neolithischen Periode die Station beim Schweizersbild nicht ständig bewohnt war, sondern dass der vom Felsen geschützte Ort nur von Zeit zu Zeit von neolithischen Menschen besucht und als Begräbnisstätte benutzt wurde. Die gleichartige Anlage einiger Gräber im östlichen Teil und die ähnlichen Beigaben in denselben deuten an, dass hier wahrscheinlich mehrere Mitglieder des gleichen Stammes beerdigt worden sind. Sehr wahrscheinlich bestattete oder verbrannte man zu verschiedenen Zeiten Tote hier; daraus allein lassen sich die riesigen Anhäufungen von Asche an gewissen Stellen und das Fehlen verschiedener Knochen bei einer Anzahl von Skeletten erklären» 173 • Die Beschreibung Nüeschs für Grab 1 macht indessen doch eher wahrscheinlich, dass die Bestattungen einer jüngeren Phase angehören als die Aschenschicht und die Feuerstellen. Nüesch meinte denn auch zu seiner grauen Schicht: «Trotz der enormen Masse von Asche in dieser Schicht sind leider sehr wenige Kohlenreste erhalten geblieben; es war nicht möglich, irgend ein grösseres, konsistenteres Stück zur Bestimmung der Holzart zu erhalten» 174 • R. Lais gelang dann auch klar der Nachweis, dass es sich bei Nüeschs «Aschenlagen» in Wirklichkeit um Sinterschichten handelt 175 • Nüeschs vermeintlichen «Pflasterboden» möchte man am ehesten als eine Lage von natürlichem Deckenbruchschutt interpretieren, die sich als Erosionsschutt der Abridecke unter dem überhängenden Felsdach gebildet hatte, zu einer Zeit, als das Abri bereits nicht mehr als Siedlungsplatz benutzt wurde. Es bleiben indessen die Feuerstellen und Streufunde, die wohl auch noch für eine Besiedlung des Platzes in nachpaläolithischer Zeit sprechen. Die Gräber schliesslich zeigen, dass in einer jüngeren Phase das Abri

als Bestattungsplatz gedient hat, bevor es endgültig vom Menschen aufgelassen wurde und später nurmehr vereinzelt begangen worden ist.

3.1. Spuren eines mesolithischen Hirschjägerlagers? Die für Grab 1 beschriebenen Befunde weisen wie erwähnt darauf hin, dass das Abri offenbar vor Anlage der Bestattungen nochmals als Siedlungsplatz benutzt worden ist. Im Fundmaterial der grauen Kulturschicht befinden sich jedenfalls zahlreiche Hirschgeweihreste, überwiegend Abwurfstangen mit Bearbeitungsspuren, vorwiegend Sägeschnitten (Abb. 62, Taf. 27-28). Die unteren Stangenteile machen als neolithische Grabbeigaben wenig Sinn. Nicht auszuschliessen wäre indessen, dass sie als Hacken zum Ausheben der Grabgruben benutzt worden sind. Boule berichtete, dass sich die Hirschgeweihreste grösstenteils neben den menschlichen Skeletten befunden hätten 176 • Häusler berichtigt dies indessen und bemerkt, dass sich die meisten Hirschreste in der Nähe des Pflasterbodens, in dessen Nähe kein Grab war, gefunden hätten. Weiter bemerkt er, dass sich über dem «Pflasterboden» auch eine Herdstelle befunden habe, die im ersten Jahr nur teilweise ausgegraben wurde und über die Nüesch in den späteren Berichten nicht mehr gesprochen habe. Weder Feuerstelle noch Hirschgeweihreste sind aber mit den Gräbern sinnvoll in Verbindung zu bringen; sie machen zumindest wahrscheinlich, dass das Abri in nachpaläolithischer Zeit nochmals temporär als Siedlungsplatz gedient hat. Als Zeitraum für diese erneute Belegung kommt grundsätzlich die Periode zwischen dem ausgehenden Paläolithikum (Magdalenien) und dem Neolithikum in Frage, in etwa also der Zeitraum zwischen 10 000 und 4000 v. Chr. Den Terminus post geben uns neuere C-14-Datierungen von Skelettresten, welche die Bestattungen in neolithische Zeit, genauer in die erste Hälfte des 4. Jahrtausends v. Chr. einordnen (S. 145). Unsere Siedlungsspuren müssten folglich älter sein; denkbar wäre eine Besiedlung während des Epipaläolithikums oder Mesolithikums, allenfalls auch noch in frühneolithischer Zeit. Endpaläolithische oder mesolithische Funde scheinen indessen im Schweizersbildmaterial zu fehlen; zumindest liegen keine eindeutigen Silices, insbesondere datierende Mikrolithen vor. Die Werkstücke der Hirschgeweihbearbeitung wir-

171 172

174 175 176

Bosinski 1980. Bosinski 1982. Taf. 9.3 (Kesslerloch); Taf. 36.2. 4 (Petersfels). Nüesch 1902, 62. Nüesch 1902. 72. R. Lais. Über Höhlensedimente, Quartär III, 1941, 56ff. Boule 1893. 14.

127


4

2

5

3

6

Taf. 27: Schweizersbild. Hirschgeweih. Abwwfstangenfragmente mit Bearbeitungsspuren (1-6). Mesolithikum? M 1:2. Beschreibung S. 127, Fundnachweis S. 233.

128


0

0

0 0

0

2

3

Taf. 28: Schweizersbild. Hirschgeweih. Hacken (1-3). Mesolithikum? M 1:2. Beschreibung S. 127, Fundnachweis S. 233.

129


Abb. 62: Schweizersbild. Hirschgeweih. Abwwfstangenfragmente mit Bearbeitungsspuren.

ken indessen recht altertümlich; sie unterscheiden sich auch klar von neolithischen Funden der Seeufersiedlungen. Die wenigen Hirschgeweihgeräte, vor allem Hacken (Taf. 28), sowie die Abfälle der Geweihbearbeitung (Taf. 27) lassen sich dagegen gut beispielsweise mit Funden aus dem mittelsteinzeitlichen Hirschjägerlager Schötz 7 im Wauwilermoos vergleichen 177 • Jene unteren Stangenteile zeigen ebenfalls die charakteristischen horizontalen Sägeschnitte zur Begrenzung des herauszubrechenden Spanes, wenig oberhalb Rose und Augsprosse. Auch in Schötz 7 zählen Geweihhacken zu den charakteristischsten Geräten. Die Parallelen sind nicht zu übersehen, so dass sich die Frage stellt, ob nicht auch im Schweizersbild ein Hirschjägerlager oder aber zumindest ein Werkplatz anzunehmen wäre. Die genaue Datierung (Mesolithikum?) bleibt vorderhand offen, soll aber im Rahmen der weiteren Auswertung des Fundmaterials mittels C-14Datierung geklärt werden.

130


3.2. Neolithisches Gräberfeld 3.2.1. Anthropologische Bearbeitung Damals Die Ausgrabungen im Schweizersbild brachten, wie schon erwähnt, auch einen neolithischen Begräbnisplatz zutage (S. 127). Somit war zu den vielen archäologischen Funden sogar anthropologisches Material gekommen (Abb. 63), welches - so hoffte Nüesch 178 mithelfe, die Fragen über das «Woher» und «Wohin» unseres Geschlechts zu lösen. Da im Zusammenhang mit den Skeletten vom Schweizersbild keine «verfeinerten» Werkzeuge gefunden worden waren, wie das bei den «Seeanrainern» (den Pfahlbauern am Bodensee) der Fall war, folgerte Nüesch, dass sie aus einer älteren Zeit stammen müssten und demzufolge Waldbewohner gewesen seien. J. Kollmann (Professor der Anatomie in Basel) bearbeitete noch im letzten Jahrhundert die menschlichen Funde. Von den neolithischen Individuen gab es einige, die eine ansehnliche Körperhöhe besassen (nämlich 160 cm und darüber), sie wurden von ihm als «Grosse Europäische Rasse» beschrieben, diejenigen mit den kürzeren, grazilen Knochen wurden als «Pygmäen» bezeichnet 179 • Im Gegensatz zu der anfänglich irrtümlichen Annahme, dass es sich um Kinder handle, erkannte Kollmann klar, dass es keine Kinderskelette, sondern Skelette erwachsener, vollständig ausgebildeter, aber kleiner Menschen waren. Er stellte eine Hypothese auf, dass in Europa in der Steinzeit Reste von Zwergrassen vorhanden waren, welche vor der Ankunft der heutigen, grossen Rasse hier wohnten. Kollmann erklärte in seinem Bericht auch ausführlich, weshalb es gerechtfertigt sei, die Individuen aus dem Abri Schweizersbild in zwei Rassen einzuteilen und dass es noch andere Fundorte in Europa mit Pygmäen gäbe. Man erinnerte sich, dass früher schon alte Knochen im Kanton Schaffhausen gefunden worden waren, und J. Kollmann erhielt, als man sie endlich in einem Archiv gefunden hatte, den Auftrag, die Dachsenbüel-Skelette zu bearbeiten. Eines davon zeigte eine auffallende Übereinstimmung mit dem Pygmäenskelett vom Schweizersbild (Grab 14). 1900 schrieb Nüesch: «Immerhin darf nun mit Bestimmtheit gesagt werden, dass die ganze Entwicklungsgeschichte der Menschen durch diese beiden Funde von Pygmäen aus der Steinzeit einen neuen und gänzlich unerwarteten Hintergrund erhält. Die Pygmäen der neolithischen Zeit stellen eine der Erstlingsformen des Anthropos dar» 180 • F. Schwerz versuchte in seinem 1910 erschienen Buch zu

erklären, weshalb Kollmann die Leute vom Schweizersbild zwei Rassen zuteilte 181 • Er ergänzt aber, dass es ver-

Abb. 63: Schweizersbild. Spanschachteln zur Aufbewahrung der menschlichen Skelettreste vom Schweizersbild.

früht sei, dies zu tun. Erst müssten mehr alte Völker beschrieben werden, denn nur mit vielen Vergleichsmöglichkeiten sei es erlaubt, menschliche Skelettfunde verschiedenen Rassen zuzuordnen. F. Schwerz hatte noch die Mö; 5lichkeit, von den zusammengesetzten Schädeln die Umrissformen zu zeichnen, um sie untereinander und mit andc:rn zu vergleichen. Doch schon er schreibt, dass er bei seiren Messungen z.T. andere Resultate als Kollmann erhalten habe, und das sei wohl darauf zurückzuführen, das:; er Schädel neu kleben musste. Der Leim und kleinste .Formänderungen bewirken andere Massangaben.

177

R. Wyss, Das mittelsteinzeitliche Hirschjägerlager von Schätz 7 im Wauwilermoos, Archäologische Forschungen, herausgegeben vom SLM, Zürich 1979. bes. Abb. 36-37.

17

1\ üesch 1896, 221.

17 "

K

'' 0

181

Kollmann 1896, 81-146. J\ üesch 1900, 1ff.

Schwerz 1910, 164-166.

131


Heute W. Scheffrahn begann seine Arbeit über die Neolithiker der Schweiz 1968. Alle Massangaben über die Funde vom Schweizers bild stammen von ihm 182 • 1992/1993 haben wir versucht, uneingeschränkt und unvoreingenommen, die Skelette vom Schweizersbild nochmals anthropologisch zu begutachten. So wie jede andere Skelettserie auch bearbeitet wird, wurden die Knochen zuerst nochmals gereinigt, bestimmt und inventarisiert. Besonderheiten und Pathologien wurden festgehalten. Leider sind die einzelnen Knochen in einem sehr schlechten Zustand und selten vollständig, was anthropologische Aussagen einschränkt. Ein sehr starker Leim, der damals zum Rekonstruieren gebraucht worden ist, hält die geklebten Knochenteile selbst heute noch zusammen und lässt sich auch chemisch nicht lösen, was Untersuchungen erschwert und zum Teil zu neuen Brüchen führt. Vor allem Messungen an Schädeln werden heute ungenau und weichen durch die Leimschichten bedingt von den Massen von damals ab. Das gesamte anthropologische Fundmaterial wurde mit den Angaben von Kollmann verglichen 18 3, und es wurde bald ersichtlich, dass heute einerseits Knochen fehlen, andererseits sich aber bei einzelnen Individuen mehr Knochen befinden, so dass sich neue Individuen ergeben, die aber z.T. nur durch einen einzelnen Knochen vertreten sind (Tab. 1, S. 135). Langknochen von vier verschiedenen Individuen wurden C14-datiert (S. 145). Bewusst wurden Knochen von der «Grossen Europäischen Rasse» und Knochen von «Pygmäen» für die erste Datierungsserie ausgewählt, um abzuklären, ob die grossen und kleinen Individuen eventuell aus verschiedenen Epochen stammen könnten. Dies ist nicht der Fall (S. 143ff.).

Das Bergen von Skeletten Ausgraben ist eine Aufgabe, die exaktes Arbeiten und eine sehr gute Beobachtungsgabe verlangt. Werden Skelette geborgen, sind anatomische Kenntnisse unerlässlich, zeigt doch das sorgfältig freigelegte Skelett schon in situ, ob pathologische Veränderungen vorliegen oder aber ob während der Grablegung oder nachträglich Manipulationen am Individuum vorgenommen worden sind. Dabei wird auch ersichtlich, ob Fremdknochen, eventuell durch Nachbestattungen verursacht, enthalten sind. Die Himmelsorientierung des Körpers, Arm- und Beinstellung können Hinweise auf kulturelle Eigenheiten geben. Die Knochen werden in situ eingemessen, Fotos und Zeichnungen angefertigt, so dass später, selbst wenn Teile des Skelettes nicht mehr rekonstruiert werden können, das Individuum anhand von Anthropologieprotokoll und Zeichnungen trotzdem bestimmt werden kann. 132

1

~

Abb. 64: Schweizersbild. Bestattungen unter dem Abri. Planskizze von Rudolf Häusler, 1892.

Nüesch hat sehr genau beobachtet, welche Schichten durch die Bestattungen gestört worden waren, und folgerte deshalb auch, dass die tiefer liegenden Skelette allesamt nicht aus paläolithischer Zeit stammen können, weil die darüberliegende Schicht gestört war (S. 127). Die C14-Datierungen geben ihm recht. Das Fehlen verschiedener Knochen bei einer Anzahl von Skeletten ist schon von Nüesch festgestellt worden und kann verschiedene Ursachen haben. Wenn die Gräber nicht gekennzeichnet waren, können jüngere Bestattungen ältere stören. Dafür sprechen eigentlich die einzelnen überzähligen Knochen, die bei einigen der Individuen liegen. Eine andere mögliche Erklärung für die fehlenden oder aber überzähligen Knochen liegt im unexakten Arbeiten beim Bergen. Das Bergen eines Skelettes mit Erstellen des anthropologischen Grabungsprotokolles, wie oben beschrieben, braucht mehrere Stunden. Das folgende Zitat braucht deshalb keine weitere Erklärung: «Dem scharfen und geübten Forscherauge eines Prof. Virchow, welcher die Fundstätte während der Ausgrabungen im September 1892 besuchte, war es vorbehalten, in diesem Profil d·er Schichten eine Stelle mit etwas dunklerer Nuance zu entdecken und bei genauer Besichtigung derselben einen kleinen gelben Knochensplitter zu finden. Er zog denselben aus der Wand heraus und fing selber an zu graben. Sehen Sie doch, hier wird ein Schädeldach von einem Kind in der Breccie drin sichtbar, rief er den Begleitern zu und förderte eigenhändig in einer halben Stunde den grössten Teil der Skelettreste desselben, sowie die Beigaben, bestehend in 21 Serpula-Röhrchen, welche das Kind bei seiner Bergung um den Hals getragen, zu Tage» 184 •


__.__,_ : ' ,5,3

,8.8

'

1 1"'

•9,is

,10,5

1

A

J6

J~

J2

JO

28

26

2~

~2

20

,a

16

,~

12

IC

8

6

1 : 250

Abb. 65: Schweizersbild. Bestattungen unter dem Abri. Publizierter Plan der Gräber (nach Nüesch 1896).

Der Situationsplan Die einzelnen Individuen wurden von Nüesch oder seinen Mitarbeitern skizzenhaft in einen Raster eingezeichnet, ihre Tiefe grosszügig angegeben und zum Teil ihre Lage beschrieben (Abb. 64-65). Da dies, zusammen mit den sehr fragmentarischen Knochen, die einzigen Angaben von damals sind, ist es eigentlich gewagt, anthropologische Aussagen zu machen. Betrachten wir den Gräberplan, fällt sofort auf, dass nur im tiefsten Teil des Abris bestattet worden ist; es ist auch der Teil, der am meisten überdacht ist, also den grössten Schutz bietet. Anhand der Zeichnung liegen die Individuen bevorzugt gegen die hintere Höhlenwand, überschneiden sich aber nicht. Trotzdem wurden öfters zwei Individuen unter einer Nummer geborgen, den Grund dafür können wir in den meisten Fällen nicht mehr nachvollziehen. Bei der Grablegung wurde offenbar keine Himmelsausrichtung bevorzugt (ausser dass kein Individuum geostet lag), aber auch keine Grabordnung berücksichtigt. Alle lagen auf dem Rücken, die Extremitäten waren meistens gestreckt. Ausnahmen davon sind die Individuen aus den Gräbern 9, 14 und 19. In Grab 9 lag ein Kind mit verkrüppelten Unterarmen (S. 138f.), im Grab 14 lag eine Frau mit einem Neugeborenen im Arm, beim Individuum aus Grab 19 konnte makroskopisch nichts Spezielles festgestellt werden. Vielleicht will die nichtgestreckte Armhaltung auf etwas Besonderes hinweisen. Methoden

Sind menschliche Knochen bei einer Ausgrabung gefunden worden, gilt die erste Frage aller Besucher immer

dem Geschlecht. War das betreffende Individuum bei seinem Tode erwachsen und ist sein Skelett vollständig geborgen worden, kann der anthropologisch geschulte Bearbeiter anhand bestimmter Ausprägungen an den Knochen das Geschlecht bestimmen. Die Hauptmerkmale zur Geschlechtsbestimmung finden sich am Becken - der Unterschied ist biologisch bedingt, indem das Becken bei der Frau als Geburtskanal dient. Alle andern Merkmalsunterscheidungen beruhen auf der Robustizität, da Männer im allgemeinen kräftiger gebaut sind als Frauen. Am Schädel finden sich einige unterscheidende Merkmale. Sind nun aber nur Langknochen gefunden worden, ist die Geschlechtszuweisung sehr schwierig, da wir ja oft nicht wissen, ob wir es mit einer kräftigen oder mit einer grazilen Bevölkerung zu tun haben. Bei Kindern kann das Geschlecht nur bei sehr gut erhaltenen Knochen mit genauesten Messungen und anhand der Diskriminanzanalyse bestimmt werden. Je länger Knochen aber im Boden gelagert haben, um so höher ist die Abrasion, und die Messungen werden ungenau. Mit der Bestimmung des Individualalters erhalten wir die zweite wichtige Information über den Menschen. Das Alter wird anhand verschiedener Merkmalsindikatoren am Skelett bestimmt. Bei Kindern schaut der Anthropologe vor allem auf den Entwicklungszustand der Milchund der Dauerzähne. Besteht eine Möglichkeit, die Kiefer zu röntgen, kann sehr genau anhand des Wurzelwachs182 183

184

Freundlicherweise durfte ich sie für diese Arbeit übernehmen. Kollmann 1896, 84-99. Nüesch 1896, 287.

133


tums das Alter bestimmt werden. Das Zusammenwachsen von Epiphyse und Diaphyse und auch das Längenwachstum der Röhrenknochen sind hilfreiche Altersindikatoren bis zum 20. Lebensjahr. Mit zunehmendem Alter wird es immer schwieriger, das Alter exakt zu bestimmen. Durch eine kombinierte Beurteilung mehrerer Merkmale und durch das Beurteilen von Abnützungserscheinungen an Gelenken und Wirbeln und der Abrasion der Zähne kann die Bestimmungssicherhe,it des Alters erhöht werden. Problematik Mit Nachdruck muss darauf hingewiesen werden, dass wir für die Alters- und Geschlechtsbestimmung sowie auch für die Körperhöhenberechnung dieselben Umrechnungs- und Bestimmungsmethoden gebraucht haben, wie wir sie für alle chronologisch jüngeren Skelettserien auch benützen. Diese Formeln basieren auf heutigen Bevölkerungen, auf den Durchschnittswerten einer grossen Anzahl von Individuen aus dem europäischen Raum. Wir haben keine andern Formeln, wir müssen mit den heutigen Methoden arbeiten, aber deshalb können auch keine absoluten Aussagen gemacht werden. Ob Zahnentwicklung, Längenwachstum oder auch Altersabnutzung damals wie heute im selben Mass vonstatten gingen, wissen wir nicht. Wenn wir die Körperhöhe aus den Langknochenmassen errechnen, wissen wir nicht, ob das Verhältnis von Langknochen zur Körperlänge dasselbe war wie heute. Nichterwachsene Individuen wurden anhand eines Zahndurchbruchsschemas altersbestimmt. Bei kleineren Kindern wurde das Alter, wenn keine Zähne gefunden worden sind, von der Länge der Extremitätenknochen her berechnet.

Ergebnisse der Auswertung Von der Ausgrabung Schweizersbild sind heute am Anthropologischen Institut in Zürich 31 Individuen inventarisiert. Drei der Erwachsenen waren weiblich, vier männlich und fünf konnten keinem Geschlecht zugeordnet werden, da die Knochen mit den geschlechtsspezifischen Merkmalen fehlen. Die Altersbestimmung ergab, dass von diesen 12 erwachsenen Individuen keines ein hohes Alter erreichte. Keine moderne medizinische Versorgung und eventuell mangelnde Hygiene dürften die Hauptgründe für ein generell junges Sterbealter sein. Verschiedene frühmittelalterliche Gräberfelder weisen mittlere Sterbealter zwischen 26 und 35 Jahren auf. Somit verwundert es nicht, dass von Individuen, die aus vorchristlicher Zeit stammen, nicht viele das 4. Lebensjahrzehnt erreichten. Von den 18 nichterwachsenen Individuen sind zwei im juvenilen Alter verstorben, können aber keinem Ge134

schlecht zugeordnet werden. Ein Kind ist in der Phase Infans II (7-12 Jahre) und die restlichen Kinder sind zwischen Geburt und 6. Lebensjahr(= lnfans 1) verstorben. Grab 13 kann nicht genau zugeordnet werden, die wenigen Schädelfragmente könnten einem Juvenilen oder einem jungen Erwachsenen gehören. Die Verteilung der Verstorbenen auf die verschiedenen Altersklassen lässt klar erkennen, dass das Abri nicht als regulärer Bestattungsplatz einer Bevölkerung über längere Zeit gedient haben kann. Aus neolithischer Zeit sind in unserer Region kaum Friedhöfe bekannt, die uns Hinweise geben würden, wo der Mensch damals seine Toten zu bestatten pflegte. Die Gräber vom Schweizersbild sprechen gegen die Annahme, dass ein neolithisches Dorf, wie in heutiger Zeit üblich, seinen Friedhof nebenan gehabt hätte, wo alle Einwohner des Dorfes ihre ewige Ruhe fanden. Vielleicht war es aber in bestimmten Zeitabschnitten Brauch, in Sippenfriedhöfen zu bestatten, eventuell gab es auch Sonderfriedhöfe, wo - aus uns unbekannten Gründen - nur spezielle Dorfbewohner zur letzten Ruhe gebettet wurden; möglicherweise galt die Umgebung des Felsens sogar als besonderer Ort, wo nur Auserwählte im Schutze dieser Wand begraben werden durften. Jedenfalls ist es demzufolge nicht möglich, anhand dieser 31 Individuen einen repräsentativen Querschnitt durch eine Population zu erhalten. Die Nicht-Erwachsenen Auffallend sind die vielen Kinderbestattungen, erklärbar vor allem durch die hohe Kindersterblichkeit früherer Zeiten. Von den 15 Kindern der Infans-1-Phase sind drei um den Zeitpunkt der Geburt verstorben, drei vor Ende des ersten Lebensjahres, und bis zum Alter von ungefähr vier Jahren sind nochmals sieben Kinder gestorben. Das heisst, dass von allen gefundenen Kindern nur drei (also 16,6 %) die Infans-1-Phase überlebt haben. Danach nimmt die Sterblichkeit rapid ab. Gesundheitszustand der Nicht-Erwachsenen Dass der höchste Anteil der Verstorbenen aus Kindern zwischen dem 6. Lebensmonat und dem 4. Altersjahr besteht, könnte ausser mit den Infektionskrankheiten auch mit der Nahrungsumstellung beim Abstillen einhergehen. Säuglinge erhalten oft über Jahre nur Muttermilch, und der Wechsel zu Kindernahrung mit hohem pflanzlichem Anteil fordert eine drastische Umstellung des Körpers. In diesem Zusammenhang auftretende Schwierigkeiten können dann nicht mit einer Wiederumstellung auf Muttermilch behoben werden, da meistens die Mutter ein Kind abstillt, weil ein nächstes unterwegs ist. Nahrungsumstellung und psychologischer Stress, der mit der Entwöhnung einhergeht, zählt als wichtiger Letalfaktor für


Bestimmungen damals

Alter

Geschlecht

Körperhöhe

1

um 4Jahre

unbest.

96cm

Pygmäe

2

25 -30 Jahre

weiblich

152cm

neolithisch

3/1

erwachsen

unbest.

-

3 / II

um 5 Jahre

unbest.

-

Alter

Geschlecht

Körperhöhe

Datierung

7 Jahre

unbest.

-

Neuzeit?

36 Jahre

weiblich

140cm

30 Jahre

unbest.

um 5 Jahre

unbest.

13 Jahre

männlich

-

erwachsen

männlich

166 cm

13-15 Jahre

unbest.

-

3 Monate

unbest.

neonat

unbest.

-

Bestimmungen heute

Grabnummer

Metallzeit

grosse Europ.

4/1

um 13 Jahre

unbest.

123 cm

4 / II

neonat

unbest.

47 cm

4 / III

erwachsen

unbest.

-

5/1

erwachsen

männlich

169 cm

5 / II

7-9 Jahre

unbest.

125 cm

Neuzeit

6

1-2 Jahre

unbest.

-

neolithisch

7

neonat

unbest.

48 cm

60 Jahre

männlich

-

8

erwachsen

männlich

16-18 Jahre

weiblich

120 cm

Pygmäe

9

um 12 Jahre

unbest.

115cm

2 Jahre

unbest.

-

neolithisch

10 / 1

2-3 Jahre

unbest.

90cm

10 / II

Kind

unbest.

5-6 Jahre

unbest.

-

neolithisch

11 / 1

4-5 Jahre

unbest.

11 /II

erwachsen

unbest.

-

25-30 Jahre

weiblich

134 cm

Pygmäe

-

12 / 1

um 26 Jahre

weiblich

151 cm

12 / II

erwachsen

unbest.

158 cm

13

juv.? adult?

unbest.

-

erwachsen

weiblich

-

14 / 1

25-35 Jahre

männlich

(159 cm)

40 Jahre

weiblich

150 cm

Pygmäe

14 / II

25-35 Jahre

weiblich

(153 cm)

neonat

unbest.

Pygmäe

14 / III

neonat

unbest.

48 cm

jüngeres Ind.

unbest.

neonat

unbest.

erwachsen

weiblich

-

Kind

unbest.

-

Kind

unbest.

-

4 Jahre

unbest.

2-3 Jahre

unbest.

Kind

unbest.

erwachsen

unbest.

-

Neuzeit

15

erwachsen

männlich

Pygmäe

16 / 1

um 9 Monate

unbest.

Pygmäe

16 / II

erwachsen

unbest.

-

neolithisch

17

3-6 Monate

unbest.

53 cm

neolithisch

18 / 1

3-4 Jahre

unbest.

-

18 / II

um 7 Monate

unbest.

67 cm

neolithisch

19

2-3 Jahre

unbest.

91cm

neolithisch

20

2-3 Jahre

unbest.

87 cm

neolithisch

21

C-14 4965±60 BP

4905±65 BP

4910±65 BP 4835±70 BP

22

Tab. 1: Schweizersbild. Gräber. Anthropologische Bestimmungen damals und heute im Vergleich.

viele Kinder einfacher Kulturen, die zwischen einigen Monaten und 3-4 Jahren verstorben sind 185 • Harris-Linien treten im Röntgenbild als Linien im Metaphysenbereich auf. Allgemein entstehen sie dadurch, wenn wachstumshemmende Faktoren überwunden werden. Somit sind es eigentlich Erholungslinien. Je mehr solcher Linien existieren, um so öfters hat das entsprechende Individuum Krisen (Infektionskrankheiten, Mangelernährung) überwunden. Von den Langknochen der

Kinder von Schweizers bild konnte leider nur einer (Grab 1) zur Aufnahme von Harris-Linien gebraucht werden; alle andern Langknochen waren nicht vollständig, es konnte verunreinigendes Material in den Knochenschaft eindringen, was die Röntgenaufnahmen verfälscht. Die Tibia aus Grab 1 zeigt sehr klar viele dieser Erholungs185

G. Grupe, Spurenelemente in bodengelagerten menschlichen Knochen und ihre Aussagen. Ein Überblick. Anthrop. Anzeiger 45, Heft 1, 1987, 19-28.

135


linien. Das heisst aber auch, dass dieses etwa 4jährige Kind schon einige schwächende Krankheiten überstanden hatte. Es ist anzunehmen, dass alle Kinder vom Schweizersbild diese Linien gehäuft aufweisen, da auch Mangelernährung dazu führen kann. Wenn Mütter nicht ideal ernährt sind, kann sich das auch auf den Gesundheitszustand des gestillten Kindes auswirken. So fand z.B. Clarke bei mehreren prähistorischen amerikanischen Populationen Häufigkeitsgipfel von Harris-Linien in der distalen Tibia für den Entstehungszeitraum zwischen 1 und 2 Jahren 186 • Als Ursache nimmt er eine hohe Morbidität während der Entwöhnungsphase an. Hühne-Osterloh vermutet, dass das kumulative Auftreten von Harris-Linien mit daraus resultierendem verzögertem Wachstum verbunden ist. Sie befasste sich mit der Kindersterblichkeit an einer hochmittelalterlichen Skelettserie aus Deutschland 187 • Aus welcher Zeit diese Kinder auch stammen, immer wurden sie sorgfältig und zum Teil mit Beigaben begraben. Tote Kinder werden in vielen Kulturen als Besonderheit betrachtet und oft an bevorzugter Lage oder an ausgewählten Stellen begraben. In einigen Kulturen wurden Kleinstkinder aber so beseitigt, dass wir sie bis heute nicht gefunden haben; z.B. auf den Kei-Inseln (Indonesien) oder in Afrika bei den Arubo 188 • Im Schweizersbild wurden Kinder jeden Alters bestattet; dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass in dieser Population ein gutes Individualbewusstsein bestanden hatte und Kinder demzufolge oft sogar mit Beigaben bestattet worden sind. Schon Nüesch wies daraufhin: «Kulturhistorisch ist diese Thatsache interessant und wirft wegen der Pietät, mit welcher bei der Bestattung vorgegangen ist, ein recht günstiges Licht auf die Sitten und Gewohnheiten des Steinvolkes aus der jüngeren Zeit» 189 •

zum Teil erheblich unter dem Norm wert, zeigen also eine ausgesprochen abgeflachte Femurdiaphyse. Nach Knussmann liegen diese Individuen sogar im hyperplatymeren Bereich 190 • Die meisten Erwachsenen vom Schweizersbild, bei denen die entsprechenden Messungen vorgenommen werden konnten, weisen diese abgeflachte Form im proximalen Teil des Femurschaftes auf. Nur der Oberschenkel aus Grab 14 zeigt eine andere Form, er ist eurymerisch. Brothwell schreibt, dass Platymeria gehäuft bei modernen, primitiven Völkern und bei Populationen früherer Zeiten vorkomme 191 • Einige Autoren glauben, .dass «auf den Fersen hocken», also kauern, Platymeria begünstige. Deshalb spricht man auch von Hockerfacette, deren Auswirkung sich aber auch in der Tibia und im Talus zeigen müssten. Leider sind viele Schienbeine nicht vollständig und meistens fehlen die entsprechenden Fussknochen. Andere Autoren sehen die Ursache, welche zu abgeflachtem Femur führt, im Vitaminmangel während der Wachstumsphase. Es scheint, dass die Gründe für die Entstehung von Platymeria noch weiter geklärt werden müssen.

Die Erwachsenen Von den 12 Erwachsenen konnte nur sieben Individuen das Geschlecht zugeordnet werden. Schuld daran ist das unvollständige und schlecht erhaltene Knochenmaterial. Sind Becken und Schädel nur in Bruchstücken vorhanden, ist eine Geschlechtsbestimmung problematisch. Trotzdem konnten an den Erwachsenen einige Besonderheiten beobachtet werden.

Körperhöhe Nur an fünf der 12 Erwachsenen konnte die Körperlänge errechnet werden. Ausser dem männlichen Individuum aus Grab 5, das 169 cm lang ist, sind alle andern eher klein, nämlich zwischen 151 und 159 cm gross. Wären nun alle diese Individuen weiblich, was auch möglich ist, dann sind sie auch nicht extra klein. Als Vergleich weisen z.B. die Frauen aus dem frühmittelalterlichen Gräberfeld von Elgg eine Durchschnittshöhe von 157 cm auf. Anhand einer Wachstumsstudie aus dem Kinderspital Zürich (1982) zählen Körperhöhen bei Frauen, die zwischen 152 und 175 cm liegen, als normal. Eine Arbeit von Frayer zeigt den Körperlängenwandel europäischer Populationen vom späten Paläolithikum zum Mesolithikum 192 • Die durchschnittliche männliche Körperhöhe nahm ab, und zwar von 17 4 cm auf 164 cm und diejenige der Frauen von 159 cm auf 153 cm. Wenn wir die Körperhöhen der Erwachsenen vom Schweizersbild (Ausnahme Grab 5) mit dem momentan berühmtesten Beispiel aus ähnlicher Zeit, dem «Ötzi» (160 cm), vergleichen, könnte man daraus schliessen, dass die Leute damals eher klein gewesen waren.

Platymeria Platymeria (eine abgeflachte Femurdiaphyse) liegt vor, wenn der Index unter 84,9 liegt. Die Form des Querschnittes des Femur, 30-50 mm unterhalb des Trochanter minor gemessen, drückt sich in dem Index aus und kann unter verschiedenen Völkern variieren. Die erwachsenen Individuen der Gräber 2 (Index 68,9), 5 (Index 70,6), 8 (Index 73,3) und 12 (Index 71,4) liegen

Überlegungen zur kleinen Bevölkerung Haben wir es nun tatsächlich mit einer durchschnittlich kleinen Bevölkerung zu tun, dann müssten wir auch damit rechnen, dass die Kinder schon bei der Geburt kleiner sein könnten. Bailey weist in einer Studie an Efe-Pygmäen nach, dass deren Geburtslänge im Durchschnitt bei 44 cm liegt (Körperhöhe der Frauen 136 cm, der Männer 143 cm) 193 • Die Leute, die im Schweizersbild begraben

136


worden sind, sind nicht so klein. Ein weiterer Faktor, der bei den Pygmäen nachgewiesen werden konnte und der vielleicht auch für das Schweizersbild relevant sein dürfte, ist der, dass die Efe während der ganzen Kindheit auch noch langsamer wachsen als alle andern bekannten Populationen. Der Grund für das verzögerte Kindheitswachstum ist vorläufig noch ungeklärt. Es werden aber verschiedene Faktoren wie Nahrungsangebot, Infektionen, parasitäre Erkrankungen und genetische Isolation als Ursache vermutet. Dieselben Faktoren könnten auch Wachstum und Gesundheitszustand der Individuen vom Schweizersbild beeinflusst haben. Wäre es nun wirklich eine kleinere Bevölkerung gewesen, dann würden die Kinder vom Schweizersbild anhand der Körperlänge immer als zu jung eingestuft. Das könnte zum Teil die auftretenden Diskrepanzen zwischen höherem Zahnalter und jüngerem Alter anhand der Langknochen erklären. Bei den Gräbern 16/I, 17 und 20 konnte das Alter anhand des Zahnzustandes und anhand der Länge der Röhrenknochen ermittelt werden. Bei allen ergibt das Zahnalter ein höheres Alter als die Längenumrechnung. Da wir davon ausgehen, dass das Zahnalter eher dem Entwicklungsalter des Kindes gerecht wird und dass die Länge der Röhrenknochen von Faktoren wie zum Beispiel Vererbung und Umwelt abhängig sind, wurde in dieser Arbeit bei den nichterwachsenen Individuen der Zahnzustand als massgebend für die Altersbestimmung genommen. Dies mag auch so komische Körperhöhenangaben erklären wie zum Beispiel von Grab 9 (12 Jahre alt und 115 cm gross) und Grab 10/1 (2-3 Jahre alt und 90 cm gross). Das Individuum aus Grab 9, mit den verkrüppelten Unterarmen, weist zusätzlich ein verzögertes Längenwachstum auf, denn Epiphysenalter und Zahnalter stimmen miteinander überein, nicht aber das Langknochenalter, welches viel jünger ist. Nur wenn keine Kiefer vorhanden waren, war es die Länge der Extremitätenknochen, die die Altersangabe lieferte. Besonderheiten und epigenetische Merkmale (Diskretas) Diskretas sind nichtmetrische, morphologische Ausbildungen am Schädel oder Körperskelett, die durch ihr Vorhanden- bzw. Nichtvorhandensein auffallen. Das Wissen um die beeinflussenden Faktoren zur Ausbildung von Diskretas ist heute noch ungenügend; allgemein anerkannt wird aber, dass sie sich vererben. Somit ist es sinnvoll, auf diese Merkmale zu achten, wenn man mit Individuen arbeitet, die eventuell untereinander verwandt sein könnten.

Individuen (Gräber 2, 9, 12/I) finden sich Schaltknochen in der Lambdanaht, bei einem Individuum (Grab 4/1) in der Sagittalnaht. Der Mann aus Grab 14/I weist ein Inkabein auf. Bei den meisten Kindern liegt der Schädel nur in Bruchstücken vor, somit besteht keine Möglichkeit, Nahtknochen zu finden. Das weibliche Individuum aus Grab 12/1 weist eine Sutura petrosquamosa auf, eine Naht, die sich normalerweise nach dem Säuglingsalter schliesst. Es ist ein selten vorkommendes epigenetisches Merkmal. Das Individuum aus Grab 2 und dasjenige aus Grab 4/I weisen beide einen auffallend stumpfen Unterkieferwinkel auf. Dieser Astwinkel beträgt beim Individuum aus Grab 2 140 Grad, beim Individuum aus Grab 4/I 135 Grad. Nach Martin ist die Variationsbreite dieses Winkels beim Erwachsenen sehr gross, 88-142 Grad 194 • Im Mittel spielt er bei 120-130 Grad. Der Winkel von Grab 2 und Grab 4/I liegt ausserhalb der Norm, aber immer noch innerhalb der Variabilität. Der Astwinkel des Unterkiefers ist auch abhängig von der Konfiguration des Gesichtsschädels. Carabellis Höcker finden sich beim Individuum 11/I bei den ersten Dauermolaren im Oberkiefer rechts und links. Sie liegen als zusätzliche Höcker eines Zahnes auf der Innenseite (Abb. 66). Viele Diskretas müssten bei mehreren Individuen auftreten, um auf gemeinsame Ahnen zu schliessen. Das einzige epigenetische Merkmal, das gehäuft vorkommt (Schaltknochen), kann nicht allein als Verwandtschaftshinweis gedeutet werden. Spezielle Pathologien Nur ein kleiner Prozentsatz aller Krankheiten manifestiert sich am Knochen, und ein Bruchteil davon ist makroskopisch bei der Bearbeitung der Skelette auch erkennbar. Erschwerend kommt bei den Individuen vom Schweizersbild dazu, dass sie sehr lange im Boden gelegen haben und dass die Skelette überhaupt nicht vollstän-

186

187

188

9 " 190

191 192

193

Bei den Bestatteten vom Schweizersbild fällt auf, dass Schalt- oder Nahtknochen gehäuft vorkommen. Bei drei

194

S.K. Clarke, Early Childhood Morbidity Trends in Prehistoric Populations. Human Biology 52, 1980, 79-84. G. Hühne-Osterloh, Beobachtungen zur Kindersterblichkeit im Mittelalter. Schwierigkeiten und Möglichkeiten der historischen Forschung, Anthrop. Anzeiger 47, Heft 1, 1989, 11-25. I. Schwidetzky, Sonderbestattungen und ihre paläodemographische Bedeutung. Homo 16, 1965. 234ff. Nüesch 1896. 293. R. Knussmann, Anthropologisches Handbuch der vergleichenden Biologie des Menschen. Band 1: Wesen und Methoden der Anthropologie, Stuttgart 1988, 20lff. D.R. Brothwell, Digging up Banes, Oxford 1981, 88-90. D.W. Frayer. Body Size and Weapons, American Anthropologist. Val. 83, Nr. 1, 1981. 88-90. R.C. Bailey, The comparative growth of Efe pygmies and African Farmers from birth to age 5 years, Annals of Human Biology, Val. 18, No. 2, 1991. 113-120. R. Martin, Lehrbuch der Anthropologie, Jena 1914, 870.

137


Abb. 66: Schweizersbild. Grab 11. Carabellis Höcker.

dig sind. So können wir z.B. nicht bei allen Erwachsenen die Wirbel auf Abnutzungserscheinungen untersuchen, sondern müssen auflisten, was an einzelnen Knochen krankhaft verändert ist. Cribra orbitalia Diese siebartige Struktur, die in den oberen Augenhöhlen gut erkennbar ist (Abb. 67), wird meistens auf Eisenmangel zurückgeführt; sie hängt dadurch direkt mit der Ernährung zusammen. Auch Kinder, die noch gestillt werden, könnten darunter leiden, wenn die Mutter unterernährt ist. Meistens sind aber Kinder nach dem Abstillen davon betroffen, da sie Mühe mit der Nahrungsumstellung haben. Es gibt aber auch Krankheiten, die am Eisenvorrat des Körpers zehren 195 • Somit kann in jedem Alter Cribra orbitalia auftreten. Die Individuen 4/I, 9, 12/1 und 20 weisen diese schwammartige Struktur im oberen Augendach auf. Alveolare Prognathie Beim Europäer wird das Gebiss als «Normalbiss» bezeichnet, wenn beim Zahnreihenschluss die Schneidekanten der oberen und unteren Zähne scherenartig aneinander vorbeigleiten und die Höcker in die korrespondierenden Vertiefungen greifen. Beim «Kopfbiss» (Aufbiss) treffen die Kanten der Schneidezähne wie bei einer Beisszange aufeinander. Der Aufbiss mit prodrudierten (stark 138

hervorstehenden) Schneidezähnen aus Grab 12/1 wird als primäre Dysgnathie bezeichnet (Abb. 68). Sie entsteht während der Kiefer- und Zahnentwicklung und liegt nach Abschluss der Entwicklung vor. Die Beziehung der Zahnreihen zueinander ist hier gestört, die Kieferbewegung ist meistens eingeschränkt. Es können Beeinträchtigungen im ästhetischen, physiognomischen, phonetischen und im mastikatorischen Bereich auftreten. Klumphand (Talipo manus) Bei den eigenartig verbogenen Knochen des Unterarmes aus Grab 9 diagnostizierte Th. Böni: «Bei beidseits weitgehend unauffälligem Humerus findet sich beidseits eine verkürzte proximal aufgebogene Ulna mit dysplastischer humeraler Gelenkfläche sowie rechtsseitig ein absolut gegenüber der rechtsseitigen Ulna massiv verkürzter Radius. Bereits aufgrund dieser Befunde muss eine Missbildung der distalen oberen Extremitäten postuliert werden. Wegen des beidseits fehlenden Handskelettes ist die exakte Bestimmung der vorliegenden Missbildung erschwert. Die Verkürzung und proximale Aufbiegung beider Ulnae mit Dysplasie der humeralen Gelenksfläche sowie die im Verhältnis zur rechtsseitigen Ulna massive Verkürzung und Verbiegung des Radius sprechen für das Vorliegen einer Klumphand bei Radiushypoplasie. Es handelt sich dabei um eine Ektromelie. Bei dieser Gliedmassen-Fehlbildung liegt eine Hypoplasie oder Aplasie


Abb. 67: Schweizersbild. Grab 9. Cribra orbitalia.

einzelner Röhrenknochen vor, die mit Fehlstellung und Kontrakturen der Gliedmassen verbunden sein können. Bei der Klumphand liegt eine Abduktions- und Beugefehlstellung des Handgelenkes (Manus vara et flexa) vor. Die beidseitige Klumphand stellt eine erhebliche körperliche Behinderung dar. Ätiologisch spielen endogene (genetische) und exogene (toxische) Faktoren eine Rolle. Die Klumphand findet sich auch im Rahmen von Missbildungssyndromen, bei denen auch andere Skelettabschnitte betroffen sind». Die Unterschiede anthropologischer Aussagen von damals und heute Werden die anthropologischen Angaben von Kollmann (1896) mit den vorliegenden verglichen, fällt auf, dass damals viel mehr und genauere Aussagen gewagt wurden als heute. Wenige Knochen wurden anhand eines einzigen Merkmals geschlechtsbestimmt, z.B. wurden dünne Schädelteilchen als weiblich eingestuft, obwohl nichts auf ein erwachsenes Individuum hinweist. Es mag natürlich sein, dass mehr Knochen zur Verfügung standen, die heute verschollen sind. Jedenfalls sind wir vorsichtiger geworden, vor allem auch deshalb, weil wir die Bevölke-

Abb. 68: Schweizersbild. Grab 12. Aufbiss mit stark hervorstehenden Schneidezähnen.

195

T. Steinbeck. Paleopathologica Diagnosis Springfield 1976. 239-248.

and Interpretation.

139


rung nicht kennen und zu wenige Individuen vorliegen, um diese Population zu charakterisieren. Die Körperhöhen von Kollmann korrespondieren nicht mit den heutigen Angaben, die Individuen sind grösser als damals gemeint. Dies beruht auf der Anwendung verschiedener Umrechnungsformeln. Die Formeln, die hier angewendet worden sind, basieren auf einem mitteleuropäischen Durchschnitt. Die Problematik zur Anwendung dieser Formeln an sehr viel früheren Populationen wurde in der Einleitung diskutiert. Die Unterschiede in der Alterszuweisung sind nicht einheitlich; bis auf zwei Ausnahmen weisen die von Kollmann bestimmten Individuen ein höheres Alter auf. Beim nochmaligen Durchsehen müssen für die heutigen Bestimmungen die gemachten Angaben gelten. Wo vorhanden, wurden alle Epiphysenverschlüsse begutachtet, und das zusätzliche Röntgen der Kiefer brachte das jeweilige Wurzelwachstum der Zähne zutage, was wiederum ziemlich genaue Altersangaben ermöglichte. Alle Problemfälle wurden mit anderen Anthropologen diskutiert196.

Die zwei Rassen Wie schon in der Einleitung erwähnt, stellte Kollmann anhand der grazilen und robusten Individuen die These auf, dass im Schweizersbild Erstlingsformen des Menschen (die Pygmäen) und die spätere Varietät (die grosse europäische Rasse) nebeneinander existierten. Er nahm an, dass die Zwerge die Überreste jener Unterart von Menschen seien, aus denen die heutigen Rassen hervorgegangen sind. Sie seien ein Zwischenglied der Menschheit, das die Kluft zwischen uns und weiter zurückliegenden Stammeseltern wenigstens teilweise ausfülle und den Stammbaum des Menschen wesentlich vervollständige. Die Suche nach dem «Missing Link» scheint tief im Menschen verankert zu sein. Wie im Kapitel «Ergebnisse der Auswertung» erwähnt, sind die Körperhöhenunterschiede kein Kriterium, um verschiedene Rassen zu charakterisieren. Die Grösse der „Pygmäen" liegt selbst für heutige Verhältnisse beinahe durchwegs innerhalb der Normalitätsspanne, wie die Statistik des Kinderspitals zeigt. Allerdings wirken einige der Langknochen auffallend grazil (Abb. 69). Da aber im Schweizersbild kein eigentliches Volk bestattet liegt, sondern es den Anschein macht, als ob nur sporadisch immer mal wieder jemand dort beerdigt worden sei, könnte man auch annehmen, dass das Abri als Sonderfriedhof gedient hätte. Vielleicht wurden nur auserwählte Individuen dort bestattet; Kinder und Frauen mit ihren Kleinkindern scheinen dazuzugehören. Die Alveolarprognathie aus Grab 12/I und die Krüppelarme aus Grab 9 (S. 138f.) 140

Abb. 69: Schweizersbild. Oberschenkel der grossen europazschen Rasse (links, Grab 5) und von Pygmäen (Mitte, Grab 2 und rechts, Grab 12) im Vergleich.

waren sicher einschränkende und auffallende Abnormitäten zur Lebenszeit, die dadurch eventuell den jeweiligen Individuen ein Recht auf einen besonderen Bestattungsplatz sicherten. Vielleicht zeigen die Knochen der anderen Individuen auch Merkmale, die auf eine besondere Stellung der einzelnen hinweisen, nur sind sie makroskopisch und mit den heutigen Methoden nicht erkennbar. Tatsache ist, dass die meisten Individuen, die im Schweizersbild bestattet worden sind, klein sind .. Die einzige Ausnahme lag im Grab 5/I. Dieser Mann war viel grösser und kräftiger als die andern und galt vielleicht deshalb auch als speziell zu bestattendes Individuum. Dafür, dass die ehemals als Pygmäen eingestuften Menschen die Normalbevölkerung darstellen, sprechen weitere Funde,


Meter eingetieft waren die Gräber 6 und 20. Grab 20 ist durch die C-14-Bestimmung eindeutig als neolithisch datiert, so dass die neuzeitliche Ansprache von Grab 6 zumindest fraglich ist. Grab 4 ist zwar 100 cm eingetieft; Nüesch bringt indessen dieses Grab mit einer eisernen Lanzenspitze, eisernen Nägeln und glasierten Topfscherben in Verbindung und schreibt auch, dass die Humusschicht gestört war. Die andernorts gemachte Beobachtung, dass Kindergräber in nur geringer Tiefe bestattet worden sind, lässt sich in unserem Fall nicht belegen, zumindest sind keine markanten Unterschiede zu den Erwachsenengräbern vorhanden.

unter anderem die kleinwüchsige Frau vom Wauwilermoos197, die 152 cm misst, und der Mann vom Similaungletscher198 mit einer Grösse von 160 cm. Die durchschnittliche Körperhöhe der Skelette aus den Steinkistengräbern im Wallis (Cortaillod-Kultur) liegt bei den Frauen um 149 cm, bei den Männern um 157 cm 199 . Sie alle werden ins Neolithikum datiert. Mit den wenigen hier vorgestellten Individuen scheint es momentan so, als ob damals im Jura- bis Alpengebiet eher kleine Individuen gelebt hätten. Pygmäen waren es nicht, aber ihre Körperhöhe liegt im unteren Viertel der Statistik, wenn man sie mit der heutigen Population vergleicht. Wie schon F. Schwerz berichtet hat, müssten sehr viel mehr erwachsene Individuen aus derselben Zeitepoche gefunden werden, um eine Bevölkerung zu charakterisieren200. Erst dann wird es möglich sein, die Variationsbreite und ihre Abweichungen festzustellen. Mit den vorliegenden, einzelnen Individuen können wir immer die «Ausnahmen» gefunden haben.

Über den Grabbau berichtet Nüesch lediglich, dass die Gräber 1 und 18 trocken gemauert waren. Grab 18 wurde von Nüesch auch fotografisch abgebildet (Abb. 71) und lässt klar eine Grabeinfassung erkennen. Das Grab wurde

196

3.2.2. Zur Grab- und Bestattungssitte Zur Anlage der Gräber sind uns leider nur wenige Beobachtungen überliefert. Häusler erstellte einen Plan des Gräberfeldes (Abb. 64), und von einigen Gräbern sind uns skizzenhafte Aufzeichnungen überliefert.

197

198

Die meisten Gräber waren 100-150 cm eingetieft (Tab. 2). Nur gerade in den Humus eingetieft war Grab 15, das daher möglicherweise neuzeitlich ist. Knapp unter einem

34

32

30

28

26

24

22

20

199

000

18

Danken möchte ich R.D. Martin für seine Betreuung, M. Lörcher, Hu.F. Etter, P. Schmid, W. Scheffrahn und D. Swindler für die Diskussion betreffend Alters- und Geschlechtsbestimmung, Th. Böni für die Bearbeitung der pathologischen Fälle. M. Milller für die Röntgenaufnahmen und G. Greuter für die Fotos. 0. Schlaginhaufen, Die menschlichen Skelettreste aus der Steinzeit des Wauwilersees, München und Zürich 1925, 11 Sf. W. Bernhard, Vergleichende Untersuchung zur Anthropologie des Mannes vom Hauslabjoch, in: Der Mann im Eis, Bd. L Bericht über das Internationale Symposium 1992 in Innsbruck, Innsbruck 1992, 177. Chr. Simon u. Chr. Kramar. Vorgeschichtliche Anthropologie, Das Wallis vor der Geschichte, Visp 1986, 52. Schwerz 1910, 164-166.

16

14

12

IO

8

6

4

2

Abb. 70: Schweizersbild. Bestattungen unter dem Abri. Situationsplan der Gräber nach ihrer Ausrichtung (gestrichelt: unsicher).

141


vom Ausgräber als Block geborgen und ins Schweizerische Landesmuseum transportiert2° 1• Bei den Toten handelte es sich in allen Fällen um gestreckte Bestattungen; die Toten lagen auf dem Rükken. Hockerbestattungen, wie andernorts für das Neolithikum belegt, sind offenbar im Schweizersbild nicht beobachtet worden. Drei Abweichungen waren lediglich in der Armhaltung zu beobachten. Wie erwähnt (S. 139f.) hatte das Kind in Grab 9 (Kind mit verkrüppelten Unterarmen) beide Arme über der Brust gekreuzt. In Grab 14 lag eine Frau mit einem Neugeborenen im Arm. Beim Kind in Grab 19 war der rechte Arm quer über den Rumpf gelegt.

3.2.3. Grabbeigaben An Gräbern mit Beigaben erwähnte Nüesch folgende Bestattungen (Tab. 2, S. 144): Grab 7 mit Röhrenperlen am Hals und einigen Feuersteinartefakten. Grab 10 mit Röhrenperlen in der Hals- und Brustgegend. Grab 11 mit Röhrenperlen neben dem Rumpf. Grab 17 mit Röhrenperlen um den Hals und verschiedenen Feuersteingeräten. Grab 18 mit 26 Röhrenperlen, einer Pfeilspitze sowie «einem braunen und einem grösseren grauen Messer aus Silex, einer Säge und einem sehr scharfen, dolchartigen, weissen Feuersteinmesserchen», dazu eine Raubtierkralle (Abb. 72). Grab 19 mit einem Halsband aus 16 Röhrenperlen, drei roten Feuersteinmessern und einer zerbrochenen Raubtierkralle. Grab 20 mit Silices, unter anderem «einer grossen, roten Lanze aus Feuerstein». Grab 21 mit 31 Röhrenperlen, wovon mehrere quer durchlöchert waren. Stimmen die Beobachtungen Nüeschs, dass nur diese Gräber Beigaben enthielten, so ist auffällig, dass offenbar nur Kinder mit Beigaben bestattet worden sind. In mehreren Fällen waren ihnen Halsketten mit Röhrenperlen, sogenannte Serpularöhrchen, beigegeben worden, in zwei Fällen auch ein Amulett aus einem Raubtierzahn. Ob.es sich bei den Silices tatsächlich immer um neolithische Beigaben handelte, ist nicht mehr zu überprüfen; denkbar wäre auch, dass das eine oder andere Stück paläolithisch ist, zumal die Gräber in die älteren Siedlungsschichten eingetieft waren. Dies belegen vor allem die uns überlieferten Funde aus Grab 18, die man - mit Ausnahme der Röhrenperlen - kaum als neolithische Grabbeigaben ansprechen kann. Von allen erwähnten Beigaben liegen heute nurmehr 21 Röhrenperlen als Halskette im Museum zu Allerheiligen und 35 Röhrenperlen als Halskette in Grab 18 im Schwei142

Abb. 71: Schweizersbild. Trocken gemauertes neolithisches Kindergrab 18 (nach Nüesch 1896).

Abb. 72: Schweizersbild. Beigaben aus dem Kindergrab 18.

zerischen Landesmuseum (Abb. 72). Da und dort finden sich Röhrenperlen in Sammlungen auch als Einzelstücke. Das Spektrum der Beigaben wird durch die weiteren Gräber der Schaffhauser Gruppe nur unwesentlich erweitert (Abb. 73). Eine Doppelbestattung in der Grabhöhle von Schaffhausen-Dachsenbüel enthielt ebenfalls eine Kette aus 28-30 Röhrenperlen sowie einem durchlochten Eberzahn. Weiter sind davon auch ein Kettenschieber aus


Abb. 73: Auswahl von Beigaben aus neolithischen Bestattungen im Kanton Schaffhausen. Von oben nach unten: Vorder Eichen (1. Reihe), Bsetzi (2. Reihe), Dachsenbüel (3. Reihe links), Schweizers bild (3. Reihe rechts), Bsetzi (4. Reihe).

rotem Radiolarit, zwei Knochenmeissel, ein Knochenpfriem sowie einige Silexgeräte bekannt. Die Bestattung eines ll-12jährigen Mädchens von Thayngen-Untere Bsetzi lieferte 114 Röhrenperlen und 33 Knöpfe mit VBohrung, dazu eine Pfeilspitze mit gerader Basis und einen Knochenpfriem. Eine zweite Bestattung enthielt 48 Röhrenperlen. Von Thayngen-Vorder Eichen kennen wir ferner ein Kindergrab mit mindestens 31 Röhrenperlen 202 .

3.2.4. Zur Datierung der Gräber In bezug auf die Gräber äusserte sich Nüesch 203 , dass die Skelettreste des Schweizersbilds von Wald bewohnenden Neolithikern stammen, die einer etwas älteren Rasse angehören, als die bisher bekannten Pfahlbauer, da vom Schweizersbild keine verfeinerten Werkzeuge gefunden worden sind, wie das bei den „Seeanrainern" (den Pfahlbauern vom Bodensee) der Fall war.

Im Rahmen der Bearbeitung der Schaffhauser Bestattungen in Höhlen und unter Abris brachte W. U. Guyan die Schaffhauser Gräber mit den westschweizerischen Bestattungen vom Typus Glis-Chamblandes in Zusammenhang, hauptsächlich aufgrund der beidenorts vorkommenden V-förmig durchbohrten Perlen. Die mehrheitlich keramiklosen Gräber brachte er mit der Cortaillod-Kultur der Westschweiz beziehungsweise der Michelsberger-Kultur der Ostschweiz in Zusammenhang204_ Durch neuere Funde und Datierungen lässt sich sowohl der Kulturraum als auch der Zeithorizont klarer umreissen. Wir wissen heute, dass wir uns mit den Gräbern im "" Im Landesmuseum heute aufgelöst. Steinkiste z.Zt. nicht auffindbar. '°'3 Guyan 1949/50, 174-177 mit Abb. 3-4. '° Nüesch 1896. 288; dito 1900. '°4 W.U. Guyan 1949/50.

143


Grab

Alter

Geschlecht

Orient.

Grabtiefe, Grabbau

1

um 4 Jahre

unbest.

SO-NW

120 cm, trocken gemauert

2

25-30 Jahre

weiblich

O-W

3/1 3 / II 4/1 4 / II 4 / III 5/1 5 / II

erwachsen

unbest.

um 5 Jahre

unbest.

um 13 Jahre

unbest.

neonat

unbest.

erwachsen

unbest.

erwachsen

männlich

120cm

SO-NW

100 cm

O-W

100cm

7-9 Jahre

unbest.

1-2 Jahre

unbest.

7

neonat

unbest.

SW-NO

100cm

8

erwachsen

männlich

S-N

150cm

9 10 / 1 10 / II

um 12 Jahre

unbest.

SW-NO

100cm

2-3 Jahre

unbest.

Kind

unbest.

11 / 1 11 / II 12 / 1 12 / II

4-----5 Jahre

unbest.

erwachsen

unbest.

um 26Jahre

weiblich

erwachsen

unbest.

Neuzeit? Serpulaperlen, Silexartefakte 4910±65 BP

SO-NW

100 cm

Serpulaperlen

N-S

100cm

unbest.

100cm

25-35 Jahre

männlich

100cm

25-35 Jahre

weiblich

14 / III 15 16 / 1

neonat

unbest.

erwachsen

männlich

S-N

um 9 Monate

unbest.

S-N

120 cm

erwachsen

unbest.

50 cm im Humus

unbest.

S-N

130 cm

Serpulaperlen

3----4 Jahre

unbest.

S-N

150 cm, trocken gemauert

Serpulaperlen, Raubtierkralle, Pfeilspitze, Silexartefakte

S-N

100cm

Serpulaperlen, Raubtierkralle, Silexartefakte

unbest. unbest.

20 21

2-3 Jahre

unbest.

NO-SW NW-SO

85 cm

4835±70 BP

Neuzeit?

3-6 Monate

2-3 Jahre

Frühmittelalter?

4905±65 BP

Serpulaperlen

14 / 1 14 / II

22

Lanzenspitze aus Eisen

100cm

juv.? adult?

um 7 Monate

Neuzeit? 4965±60 BP

80cm

13

18 / II 19

Datierung

120cm

6

16 / II 17 18 / 1

Beigaben Metallknopf

Silexartefakte

100 cm, in oberer Breccie, unterhalb grauer KS

Serpulaperlen, Silexartefakte

100cm

Tab. 2: Schweizersbild. Gräber. Bestattungssitte und Grabbeigaben.

Zeithorizont der älteren Pfyner Kultur, in etwa zwischen 4000 und 3700 v. Chr. bewegen. Diese Einordnung wird durch die unlängst durchgeführten C-14-Datierungen von vier Bestattungen bestätigt (Tab. 3) 205 • Andererseits lassen auch die Beigaben der Schaffhauser Gräber weitere Verbindungen und Zusammenhänge erkennen. So konnte in den letzten Jahren bei Hornstaad am Untersee (Baden-Württemberg) die Seeufersiedlung 144

Hörnle I untersucht werden, die ein Fundmaterial mit Elementen der Lutzengüetle-Kultur, der Schussenrieder Kultur sowie der älteren Pfyner Kultur erbracht hat. Das Fundinventar wird vorderhand von H. Schlichtherle unter dem Arbeitsbegriff «Homstaader Gruppe» festgehalten 206 • Andere Autoren möchten die Fundstelle unter den Kulturbegriff Lutzengüetle stellen 207, wieder andere sehen darin bereits einen Repräsentanten der älteren Pfyner


Probennummer

Datum unkalibriert

Datum kalibriert

UZ-2913/ETH-9763

4965±60 BP

3894-3708 BC

Grab 5

UZ-2910/ETH-9761

4905±65 BP

3777-3642 BC

Grab 8

UZ-291 I/ETH-9762

4910±65 BP

3781-3647 BC

Grab 10

UZ-29 l 2/ETH-9763

4835±70 BP

3700-3536 BC

Grabnummer

Grab 2

Tab. 3: Schweizersbild. Gräber. C-14 datierte Bestattungen.

Kultur208 . Für eine zeitliche und kulturelle Einordnung unserer Schaffüauser Gräber besonders interessant ist jedenfalls, dass im Inventar von Hornstaad-Hörnle I auch zahlreiche Kalksteinröhrenperlen vorkommen, ja sogar ihre Fertigung an Ort und Stelle nachgewiesen werden konnte. Nicht nur fanden sich zahlreiche Perlenrohlinge, sondern auch die zur Durchbohrung verwendeten kleinen Silexbohrer, sogenannte Dickenbännlispitzen. Mehrfach fanden sich gar Depots in Tongefässen, bestehend aus Bohrern, Perlenhalbfabrikaten sowie fertigen Röhrenperlen209. Vorhanden sind ferner Kettenschieber aus Kalkstein, mitunter jedoch auch aus rotem Radiolarit. Ein gleiches Stück war im Grab von Schaffüausen-Dachsenbüel ebenfalls mit Röhrenperlen vergesellschaftet (Abb. 73). Von Hornstaad-Hörnle I sind ferner V-förmig durchlochte Perlen vom Typ Glis belegt, die wir im Kanton Schaffhausen aus einem Grab von Thayngen-Untere Bsetzi, ebenfafü. mit Röhrenperlen vergesellschaftet, kennen (Abb. 73). Schliesslich sind Dickenbännlispitzen auch von der Siedlung Schaffüausen-Grüthalde in nur drei Kilometer Entfernung vom Schweizersbild bekannt 210 . Auch diese Siedlung gehört in den Zeithorizont Schussenried/Lutzengüetle und ist mit Sicherheit vor der Pfyner Siedlung von Thayngen-Weier anzusetzen. Nicht auszuschliessen ist, dass das Gräberfeld vom Schweizersbild sowie die vereinzelten Bestattungen von SchaffüausenDachsenbüel, Thayngen-Untere Bsetzi und ThayngenVorder Eichen sogar zu dieser Siedlung gehören.

glasierte Topfscherben erwähnt und ausdrücklich darauf hinweist, dass die Humusschicht durch das Grab gestört war. Weiter wäre auch Grab 1 zu überprüfen, das einen modernen Metallknopf enthalten haben soll. Ebenfalls unsicher bleibt Grab 15, das nur im Humus eingetieft war. Bei den von Nüesch im Zusammenhang mit den Gräbern erwähnten Gegenständen lässt sich natürlich nachträglich nicht mehr entscheiden, ob es sich tatsächlich um Grabbeigaben handelte; denkbar wären immerhin auch spätere Störungen 211 .

0 ' '

Die für die Altersbestimmung erforderliche Präparierung und Aufbereitung des Probenmaterials erfolgte im Radiokarbonlabor des Geographischen Institutes der Universität Zürich (GIUZ). Die anschliessende Datierung wurde mittels der AMS-Technik (accelerator mass spectrometry) auf dem Tamdem-Beschleuniger des IPM (Institut für Mittelenergiephysik) der ETH-Hönggerberg durchgeführt. Dass die Daten in unserer Publikation publiziert werden konnten. dafür möchten wir W. Keller danken. '°6 H. Schlichtherle. Jungsteinzeitliche Kulturgruppen zwischen Bodensee und Federsee. Die ersten Bauern 2. Pfahlbaufunde Europas. Ausstellungskatalog SLM, Zürich 1990, 145. '°7 J. Winiger, Das Neolithikum der Schweiz. Basel 1981. '°' P. Suter. Zürich. «Kleiner Hafner». Tauchgrabungen 1981-1984. Monographien der Zürcher Denkmalpflege, 1987. '°9 B. Dieckmann, Neue Forschungen zur Jungsteinzeit im Hegau und in Hornstaad am Bodensee. Die ersten Bauern 2. Pfahlbaufunde Europas. Ausstellungskatalog SLM, Zürich 1990. 165-166, mit Abb. 12-13. 210 W.U. Guyan, Mitteilung über eine jungsteinzeitliche Kulturgruppe von der Grüthalde bei Herblingen (Kt. Schaffhausen), ZAK 4, Heft 2, 1942. 65-96. bes. Abb. 7-9. 211 Die Datierung dieser fraglichen Gräber wird noch durch C-14-Proben abgeklärt.

Aufgrund der Streufunde muss das Abri auch in nachneolithischer Zeit immer wieder aufgesucht worden sein. Es ist daher nicht erstaunlich, dass die Ausgräber in der grauen Kulturschicht ebenfalls bronzezeitliche, eisenzeitliche, frühmittelalterliche und noch jüngere Funde bergen konnten (S. 146ff.). Nicht auszuschliessen ist daher, dass das eine oder andere Grab erst in jüngerer Zeit im Schutze des Abris angelegt worden ist. Denkbar wären sowohl Bestattungen aus der Eisenzeit und dem Frühmittelalter wie auch sogar aus der Franzosenzeit, sollen doch 1799 in nächster Umgebung zum Schweizersbild Kämpfe zwischen Russen und Franzosen ausgetragen worden sein. Aus möglicherweise jüngerer Zeit stammt Grab 4, von dem Nüesch als Beigabe eine eiserne Lanzenspitze und 145


3.3. Jüngere Belegungen Aus den oberen Fundlagen des Schweizersbilds sind uns auch mehrere Funde aus nachpaläolithischer Zeit überliefert. Einzelne Funde stammen vielleicht von zerstörten Bestattungen und waren ursprünglich ebenfalls Grabbeigaben. Andere Objekte zeugen von anderweitigen Begehungen des Abris.

Leider ist das keramische Material heute kaum mehr vollständig beizubringen. Vom noch vorhandenen Material lässt sich aus heutiger Sicht nur ein kleiner Teil neolithischer Zeit zuweisen (Taf. 29.1-7). Ein Grossteil des keramischen Materials stammt indessen aus der Bronzezeit (Taf. 30.1-15) und Latenezeit (Taf. 30.18-25).

Neolithische Streufunde Einige Funde lassen sich sicher neolithischer Zeit zuordnen (Taf. 29). Sie zeugen weniger von einer Siedlung als von einer Begehung, am ehesten im Zusammenhang mit den Bestattungstätigkeiten und dem möglichen Totenzeremoniell. Denkbar wäre, dass es sich dabei ebenfalls um (nicht beachtete) Grabbeigaben gehandelt hat. Einige Funde deuten indessen auf ältere Begehungen.

Zur ältesten Keramik gehört eine Scherbe (Taf. 29.6), die in ihrer Verzierungstechnik an Keramik der Grossgartacher Kultur erinnert. In den gleichen Horizont könnten auch Wandscherben mit horizontaler Griftknubbe gehören (Taf. 29.2-3). Derartige Knubben sind aber auch noch gut im Horizont Lutzengüetle/frühes Pfyn denkbar. Sicher in diesen jüngeren Horizont gehört auch die ausladende knubbenverzierte Randscherbe (Taf. 29.1), die sowohl in der Siedlung von Schaffhausen-Grüthalde als auch in Thayngen-Weier gute Parallelen hat. Gleiches gilt für die feinen, gut geglätteten Schüsselränder (Taf. 29.4-5).

Steingeräte Bei den zahlreichen von 0. Schötensack212 bearbeiteten Steingeräten handelt es sich in Wirklichkeit weitgehend um Naturformen, worauf bereits G. Kraft hingewiesen hat 213 • Hingegen liegt in der Schweizersbild-Sammlung des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg ein flaches Grünschieferbeil (Taf. 29.8), das allerdings von Nüesch und Schötensack nie erwähnt wurde. Typologisch gehört es eher in den Horizont vor der Pfyner Kultur. Das gleiche gilt auch für ein Fragment einer unfertigen Ringscheibe aus Serpentin (Keulenkopfscheibe?) mit beidseitig angefangener Durchlochung (Taf. 29.9), das bereits ausführlich von Schötensack beschrieben und auch abgebildet worden ist. Erwähnt sei ferner eine Silexpfeilspitze mit konkaver Basis (Taf. 29.10) aus ebenfalls unbekanntem Fundzusammenhang. Keramikfunde Über das keramische Fundmaterial aus der «neolithischen Schicht» äusserte sich Nüesch in der ersten Auflage seiner Monographie über das Schweizersbild nur beiläufig: «Von dickwandigen, grobkörnigen, nur von Hand hergestellten, meistens ohne Verzierungen oder nur mit Fingernägel-Eindrücken versehenen Topfscherben waren 55 Stück vorhanden; doch liessen sie sich nicht zu irgend einem Gefäss zusammenstellen. An der oberen Grenze der grauen Kulturschicht kamen die dünnwandigen und erst im Humus die glasierten, mit der Drehscheibe fabrizierten Topfscherben vor». 0. Schötensack bearbeitete dann in der Folge das keramische Fundmaterial genauer und berichtete darüber in den Verhandlungen der Berliner anthropologischen Gesellschaft2 14 , später auch in der zweiten Auflage der Monographie über das Schweizersbild215 • Schötensack stützte sich in seiner Untersuchung vor allem auf die Ornamentik der Funde und stellte fest, dass «die neolithische Schicht vom Schweizersbild am Schluss dieser Periode dieselben keramischen Erzeugnisse aufweist, denen wir am Bodensee und in den übrigen schweizerischen Pfahlbauten begegnen». 146

Bronze- und eisenzeitliche Streufunde Die bronzezeitliche Keramik stammt überwiegend von grobkeramischen Töpfen mit fingertupfenverzierten Leisten an Randlippe und Schulterumbruch (Taf. 30.1-6). Einzelne Wandscherben zeigen flächige Fingereindrücke, Fingerzwicken und Schrägkerben (Taf. 30.8-11). Die Feinkeramik ist durch Kannelüren, parallele Horizontalrillen und hängende gerillte Dreiecke (Taf. 30.13-15) verziert. Zu den Kleinfunden gehören ein kleiner Bronzepfriem und eine viernoppige Glasperle (Taf. 30.16-17). Die wenigen Funde machen am ehesten eine Belegung während der späteren Früh- beziehungsweise der Mittelbronzezeit wahrscheinlich. Die latenezeitlichen Stücke (Taf. 30.18-25) sind bereits im Rahmen der Vorlage der latenezeitlichen Funde aus dem Kanton Schaffhausen vorgestellt worden 216 • Aus nächster Nähe kennen wir von Schaffhausen-Berslingen ein mittellatenezeitliches Grab sowie weitere spätlatenezeitliche Streufunde217 • Nicht zu vergessen sind auch die latenezeitlichen Funde von Schaffhausen-Pantli, ebenfalls nicht weit vom Schweizersbild entfernt2 18 •

212

"' "' "' "

6

217

"'

0. Schötensack. Die geschliffenen Steinwerkzeuge aus der neolithischen Schicht vom Schweizersbild. in: Nüesch l 902. 347-356 mit Taf. 1. G. Kraft, Der Sinkelosebuck bei Altenburg, Bad. Fundberichte 2, 1930. 0. Schötensack, Die Thongefäss-Scherben aus der neolithischen Schicht vom Schweizersbild. Verhandlungen der Berliner anthropologischen Gesellschaft 30, 1898, 232-235. 0. Schötensack. Die Thongefäss-Scherben aus der neolithischen Schicht vom Schweizersbild, in: Nüesch 1902. 357-362 mit Fig. 1-13. M. Höneisen. Die latenezeitlichen Siedlungsfunde von MerishausenBarmen, JbSGUF 72. 1989. 121. Taf. 11.1':...7_ Dito. 121. Taf. 11.8-15. Dito, 122, Taf. 12.1-10.


, 1 1 1

1 1 1

2

4

5

6 7

8

9

10

Taf. 29: Schweizersbild. Neolithische Keramikji·agmente (1-7) und Steingeräte (8-10). M 1:2. Beschreibung S. 146, Fundnachweis

s. 233.

147


( 3

m

.. :f ·-·:.,~

~;;t5~·:::": .. t"·-··

6

e!iil~:i:ii'"~~Ä"

7

4

( 11

10

9

12

y

~~

13

15

1

~P, 0 1

17

16

18

19

20

21

22

23

24

25

Taf. 30: Schweizersbild. Früh- und mittelbronzezeitliche Keramikscherben (1-15), Bronzepfriem (16) und Glasperle (17). Spätlatenezeitliche Keramikscherben (18-25). M 1: 2. Beschreibung S. 146, Fundnachweis S. 233.

148


Römische Funde Als Streufunde zu betrachten sind zwei Wandscherben von Terra nigra aus römischer Zeit. Sie passen gut in das Bild mehrerer Streufunde aus dem Merishausertal, die wahrscheinlich machen, dass wohl im 1./2. Jahrhundert n. Chr. eine nach Norden führende Strassenverbindung durch dieses Tal führte. Unklar bleibt, ob diese nach Süden durch das Mühlental oder aber über das Schweizersbild und die Hochstrasse in Richtung Rhein führte.

0

Frühmittelalterliche Funde Aus den oberen Fundlagen vom Schweizersbild bewahrt das Museum zu Allerheiligen auch frühmittelalterliche Funde auf, unter anderem eine alamannische Gürtelschnalle (Taf. 31.1-2). Dies verleitete Guyan dazu, Kollmanns «grosswüchsige neolithische Rasse» als frühmittelalterliche Bestattung anzusprechen 219 , was indessen durch die C-14-Datierung von Grab 5 klar widerlegt werden konnte. Nicht auszuschliessen wäre, dass vielleicht Grab 4 mit der Beigabe einer «eisernen Lanzenspitze» eine Bestattung aus frühmittelalterlicher Zeit darstellt.

1

2

Mittelalterliche Funde An mittelalterlichen Funden liegen eine bronzene Münze des 14./15. Jahrhunderts (Taf. 31.3) wohl aus dem lothringisch-rheinländischen Bereich sowie ein eisernes Gewicht (von 103,47 g == um 4 Unzen) mit «Schaffhauser-Bock» (Taf. 31.4) vor. Sie zeigen, dass das Abri auch in mittelalterlicher Zeit vereinzelt begangen worden ist.

219

Guyan 1949/50. 172.

3

;::,J~'";VP >. ·fi!fi;;\f ;. • · .· . ,•:·

w~;,j,,;;_::; .;~· ':~.~ <<.:: ,: ·. :~->

4

Taf. 31: Schweizersbild. Frühmittelalterliche ( 1-2) und mittelalterliche (3-4) Streufunde. M 1:1. Fundnachweis S. 233.

149


4. Die Wirbeltierreste vom Schweizersbild Die tabellarische Zusammenstellung der Wirbeltierfunde vom Schweizersbild (Tab. 4) beruht auf den Angaben von Th. Studer und A. Nehring 220 , ergänzt durch die kritische Überarbeitung des Fundmaterials von K. Hescheler und E. Kuhn 221 • Ausserdem wurden die nomenklatorischen Bezeichnungen anhand moderner Bestimmungsbücher für die einzelnen Wirbeltier-Klassen überprüft. Die Verteilung der Taxa auf die einzelnen Fundschichten geht aus K. Hescheler und E. Kuhn 222 hervor. Das Profil wurde von M. Höneisen (S. 64ff.) neu beschrieben. Um Aussagen über die Bedeutung der Wirbeltierfauna eines bestimmten Fundortes machen zu können, ist es notwendig, einen stratigraphisch möglichst eng begrenzten Bereich - am besten nur eine Fundschicht - zu betrachten. Im Falle des Schweizersbilds bietet sich dafür die «Untere Nagetierschicht» an. Diese weist das meiste Fundgut und die grösste Formenvielfalt auf. Wirbeltiere der unteren Nagetierschicht In stratigraphischer Hinsicht findet sich anhand der Säugetiere eine für Mitteleuropa eindeutige Situation vor: Der Halsbandlemming (Dicrostonyx torquatus) spricht eindeutig für die Vorherrschaft von Säugetieren mit geringen Temperaturansprüchen. Das Wollnashorn ist eines der grossen Säugetiere, die bei uns das jüngere Eiszeitalter (Jungpleistozän) kennzeichnen. Dieser Zeitabschnitt wird bestätigt durch das in Mitteleuropa nacheiszeitlich ausgestorbene Ren (Rangifer tarandus, Abb. 74), welches bei Hescheler und Kuhn 223 in allen drei paläolithischen Fundschichten zitiert wird. Auch die Microtus-Arten, die Zwergspitzmaus sowie die beiden Schneehühner-Arten (die jedoch in der Gelben Kulturschicht ebenso häufig vorkommen) sind Formen, die für kaltzeitliches Klima angeführt werden können. Dem widersprechen die kühl-gemässigten Waldformen: Clethrionomys (Rötelmaus) und Lynx (Luchs) nicht. Einzig Cricetulus (Hamster) weist heute höhere Temperaturansprüche auf. Für die Menge des Fundgutes sind die Kleinsäuger recht artenarm. Andererseits sind unter den Raubvögeln die Eulen mit nordeuropäischen Formen vorherrschend (Abb. 74). Dieser Zusammenhang weist auf eine Ablagerung hin, die in erster Linie auf Gewölle zurückzuführen ist. Die Gewöllanreicherung wird in einem geschützten, ungestörten Hohlraum - etwa einer Spalte oder einer Höhle - stattgefunden haben. Ausserdem lassen die Fische, insbesondere die schwer bestimmbaren Reste von Karpfenartigen (Cyprinidae) auf die unmittelbare Nähe eines Süsswassersees schliessen. 150

Wirbeltiere der gelben Kulturschicht Die Wirbeltiere der gelben Kulturschicht stellen eine Fauna des offenen Geländes dar. Diese Feststellung wurde von Nehring und Studer vor allem auf die als Manul bestimmte Steppenwildkatze und auf einen Halbesel bezogene Wildpferdreste gestützt. Beide Zuordnungen sind jedoch von Stehlin und weiteren Autoren angezweifelt worden 224 • Betrachten wir indessen die Säugetiere und Vögel, die nur aus der gelben Kulturschicht nachgewiesen sind, so sprechen Waldspitzmaus, Wildkatze sowie Hirsch und Reh als Waldtiere gegen offenes Gelände. Die Waldspitzmaus kann aber durchaus in Eulengewöllen ein Faunenelement geworden sein. Da die Waldwildkatze felsiges Gelände mit schroffen Hängen und Felsklüften bevorzugt, passt auch sie als Zuzüger an diese Stelle. Dagegen sind Hirsch und Reh wohl jahreszeitlich gelegentliche Zuwanderer bzw. Jagdbeute paläolithischer Jäger. Unter diesen Gesichtpunkten ist der Lebensraum der gelben Kulturschicht als gemässigt-kühle Steppenlandschaft anzunehmen. Wirbeltiere der oberen Nagetierschicht Bleiben wir bei der ausschliesslichen Betrachtungsweise für die Beurteilung einer Fundschicht nach den Wirbeltieren, die nur in dieser Schicht vorkommen, auch für die obere N agetierschicht. Diese artenärmere Schicht weist als Besonderheiten lediglich die beiden schläferartigen Nagetiere (Gliridae) Siebenschläfer und Gartenschläfer auf. Sie sind heute nachtaktiv, bevorzugen bewaldete Gebiete und werden häufig in Eulengewöllen nachgewiesen. Deshalb ist mit ihnen allein der Lebensraum eines Fundplatzes nicht zu kennzeichnen. Unabhängig von Nach weisen für die Anwesenheit des Menschen lässt der wirbeltierpaläontologische Befund den Schluss zu, dass es sich am Schweizersbild um einen für Wirbeltiere, wie für Jäger günstigen Rastplatz (Abri) gehandelt haben muss. Dabei können Steppenhamster und Smaragdeidechse auf Besiedlung zu sehr verschiedenen Jahreszeiten hindeuten. Insgesamt weist die Wirbeltierfauna ein spätpleistozänes - deutlich nach dem Hochwürm zu plazierendes - Gepräge auf, welches wohl einem späten Magdalenien entspricht.

220 221

222 223 224

Studer I 896; Nehring I 896. Hescheler/Kuhn 1949, 216-220. Hescheler/Kuhn 1949. 216-218. Hescheler/Kuhn 1949, Tabelle. Hescheler/Kuhn 1949. 218. Zur Faunenentwicklung des Eiszeitalters allgemein: Hünermann 1987; Chaix 1993.


Abb. 74: Tiere der Eiszeit: Rentierherde, Schnee-Eule und Schneehase.

151


Mammalia: Säugetiere

~

~ -= ~ :g"

~ ~

§z

Carnivora:

Raubtiere (Fleischfresser):

Felis silvestris (manul)

kleine Wildkatze

Lynx lynx

Luchs

-e ~

~

:2 u !'.:

-= "::,

.c

::,

gj,;a,:

~

d,)

:=

::u ~

Aves: Vögel Reptilia: Kriechtiere Amphibia: Lurche Pisces: Fische

~ ~ "' o:Z

X X

!: ~

= ::, z.,

d,)

d,)

.Q

Pandion haliaetus

Fischadler

Aquila chrysaetus

Steinadler

Falco tinuculus

Turmfalke

X

X X

Wolf

X

X

Falco vespertinus

Rotfussfalke

X

Eisfuchs

X

X

Surnia nisoria

Habichtseule

X

X

X

Vulpes vulpes

Rotfuchs

X

X

Strix uralensis

Habichtskauz

Gulo gulo

Vielfrass

X

X

Aseo flammeus

Sumpfohreule

X

Martes martes

Baum-/Edelmarder

Mustela enninea

Hermelin

Mustela nivalis

X

X

Tyto alba

Schleiereule

X

X

X

X

Corvus corax

Kolkrabe

X

Mauswiesel

X

X

X

Corvus cornix

Nebelkrähe

X

Ursus arctos

Braunbär

X

X

Eremophila alpestris

Ohrenlerche

X

Insectivora:

Insektenfresser:

Talpa europaea

Maulwurf

X

X

Turdus pilaris

Wacholderdrossel

Turdus sp.

Drosselart

X

Emberiza sp.

Ammerart

X

Fringilla sp.

Finkenart

Tetrao urogallus

Auerhahn

X

Sorex araneus

Waldspitzmaus

Sorex minutus

Zwergspitzmaus

Lagomorpha:

Hasenartige:

Lepus europaeus=L.capensis

Feldhase

X

X

X

Lyrurus tetrix

Birkhuhn

Lepus timidus

Schneehase = Alpenhase

X

X

X

Lagopus mutus

Alpenschneehuhn

X

X

Ochotona pusilla

Pfeifhase

X

X

Lagopus lagopus

Moorschneehuhn

X

X

Rodentia:

Nagetiere:

Perdix perdix

Rebhuhn

Sciurus vulgaris

Eichhörnchen

X

Vanellus vanellus

Kiebitz

Citellus rufescens

„rötliches" Ziesel

X

Anas acuta

Spiessente

Glis glis

Siebenschläfer

X

Reptilia:

Kriechtiere:

Eliomys quercinus

Gartenschläfer

X

Lacerta viridis

Smaragdeidechse

X

Cricetulus cricetus

Hamster

X

Lacerta agilis

Zauneidechse

X

Cricetulus phaeus

kleiner Steppenhamster

X

Tropidonotus sp.

Natternart

X

Clethrionomys glareolus

Rötelmaus

X

Amphibia:

Lurche:

X

X

X

oZ

X

Canis lupus

X

::,

~~

Vögel:

Vulpes lagopus

X

-e!'.:

- - =a ]~-=" ~

"·...

,Q

Aves:

:§ ~

X X

X

X X X

X X

X

Arvicola terrestris

Ostschermaus

X

Bufo sp.

Krötenart

X

X

X

Microtus nivalis

Schneemaus

X

Rana sp.

Froschart

X

X

X

Microtus gregalis

,.sibirische Zwiebelmaus""

X

Pisces:

Fische:

Dicrostonyx torquatus

Halsbandlemming

X

X

Artiodactyla:

Paarhufer:

Cervus elaphus

Rot-/ Edelhirsch

Cervus rnaral

Maral= kaukasischer Hirsch

Capreolus capreolus

Reh

X

Rangifer tarandus

Ren

Ovis aries

Wildschaf

Capra ibex

Steinbock

Bison priscus

Wisent

X

X

Perca fluviatilis

Flussbarsch

X

Lota Iota

Trüsche

X

X

X

Salmo trutta lacustris

Seeforelle

X

X

X

Esox lucius

Hecht

X

? Leuciscus (= Squalius) cephalus

Döbel oder Aitel

X

X

X X

X

Perissodactyla:

Unpaarhufer:

Coelodonta antiquitatis

Wollnashorn

X

Equus caballus

Wildpferd

X

Equus hemionus

Halbesel

X

X

? Alburnus alburnus

Laube

X

'? Gobio gobio ? Gobius (= Neogobius)

Gründling oder

X

Gründel

X

X

fluviatilis 225

X

X

225

Ausserdem die drei nicht genau zu identifizierenden und deshalb mit Fragezeichen versehenen Fische: Leuciscus bzw. Squalius, Albumus und Gobio bzw. Gobius.

Tab. 4: Schweizersbild. Gesamtfaunenliste (nach Studer 1896, ergänzt nach Hescheler!Kuhn 1949. Namen der Wirbeltiere zum Teil überarbeitet und korrigiert).

152


V. Das Schweizersbild im Wandel der Zeit

=-·Abb. 75: Die Landschaft um das Schweizersbild während der Späteiszeit ( 15000-11 000 v. Chr.). Die von weichem M olassematerial •

eingedeckten Jurakalkschichten wurden zunehmend freigelegt und mit Tälern durchzogen. Am Fuss des Reiars entstand durch die Schmel:zwässer am Gletscherrand die romantische Felsrinnenlandschafr zwischen Thayngen und Schaffhausen, zu der auch die Schweizersbildfelsen gehören. Die Massenkalkriffe erwiesen sich dabei als widerstandsfähiger, als die begleitenden, weniger kom· pakten Kalksteine. Sie wiuerten zu markanten Felsköpfen und Felsformationen heraus und neigten zur Höhlenbildung. Zur Zeit der ersten Besiedlung des Schweizersbi/ds war die Landschaft eine Steppen-Tundra , mit einer artenreichen Krautvegetation. Erst in einer fortgeschrittenen Phase gesellten sich dazu zunehmend auch Kriech.Weiden und Wacholder, noch e1was später auch die Zwerg.Birke.

1. Formung der Landschaft Die Schweizersbildfelsen bestehen aus Massenkalk der Juraformation (Malmstufe, oberer Weisser Jura). Sie entstanden als Schwammkalkriffe in sehr flachem Jurameer und gehören zu den höchsten Kalksteinschichten des Schaffbauser Tafeljuras (S. 16ff.). Zu Ende der Jurazeit, vor etwa 144 Millionen Jahren, wurden die Juragesteine aus dem Meer herausgehoben und erst viel später, während der Alpenfaltung, leicht schief gestellt. Sie steigen deshalb gegen Nordwesten an und bilden Randen und Reiat. Längs einer Linie Thayn-

gen-Schaffhausen-Rheinfall tauchen sie hingegen unter die jüngeren Ablagerungen des schweizerischen Mittellandes (Molasse) ein. Erst im Eiszeitalter, seit etwa 2 Millionen Jahren, entstand durch kräftig~ Flusserosion die heutige Landschaft mit den Randentälern. Die von weichem Molassematerial eingedeckten Jurakalkschichten wurden zunehmend freigelegt und mit Tälern durchzogen. Die eiszeitlichen Gletscher stiessen wiederholt bis an die Felsbarriere des Schaffhauser Tafeljuras vor. Am Fuss des Reiats entstand dabei durch die Schmelzwässer am Gletscherrand die romantische Felsrinnenlandschaft zwischen Thayngen 153


und Schaffhausen, zu der auch die Schweizersbildfelsen gehören (Abb. 75). Die Massenkalkriffe erwiesen sich dabei als widerstandsfähiger als die begleitenden, weniger kompakten Kalksteine. Sie witterten zu markanten Felsköpfen und Felsformationen heraus und neigten zur Höhlenbildung.

2. Ausbreitung der Vegetation Die Zeit des Spätglazials des Würm ( 16 000 - 10 000 BP) ist gekennzeichnet durch die allmählich wieder einsetzende Vegetation. Die Kenntnis darüber konnte vor allem aus Pollenprofilen gewonnen werden. Im wesentlichen lässt sich die Periode von etwa 6000 Jahren in eine waldfreie Phase, die Älteste Dryas (ca. 16 000 -12 600 BP), und eine bewaldete Phase, die Zeit des Bölling, Alleröd und der jüngeren Dryas (12 600-10 000 BP), gliedern 226 • Zur Zeit der Ältesten Dryas war das schweizerische Mittelland bereits nicht mehr vergletschert. Das Maximum des letzten Eisvorstosses wird meist mit 20 000/18 000 BP angegeben, der Eisrückzug mit spätestens 16 000 BP. Im ehemals vergletscherten südlichen Mitteleuropa machte sich in der Folgezeit während der Ältesten Dryas eine Vegetation breit, dominiert von Kräutern mit grossem Artenreichtum. Der waldfreie Vegetationstyp umfasste Elemente, die heute geographisch weit auseinanderliegen: arktisch-alpine, kontinentale und eurasiatische und vereinzelt sogar submediterrane Elemente. Vereinfacht liesse sich die Vegetation noch am ehesten als SteppenTundra bezeichnen (Abb. 75). In einer fortgeschrittenen Phase gesellten sich zu dieser Krautvegetation zunehmend Kriech-Weiden und Wacholder, etwas später - am Ende der Ältesten Dryas - vor allem auch die ZwergBirke. Bald nach 13 000 BP fand im Alpenvorland ein merklicher Vegetationswandel statt: die allmähliche Wiederbewaldung. Wacholder und Baum-Birken veränderten durch erstaunlich rasche Ausbreitung die Landschaft. Die vorerst nur lichte Bewaldung wurde zunehmend dichter, so dass der Birkenwald den lichtbedürftigen Wacholder sogar allmählich übertraf. Bald schon überschattete indessen die nach 12 000 BP eingewanderte Waldföhre den Birkenwald und beherrschte etwa während 2500 Jahren die Landschaft.

154

3. Das Schweizersbild als Raubvogelhorst Im Schweizersbild fanden die Ausgräber über dem anstehenden Schotter eine ausgedehnte Schicht mit starker Anreicherung an kleinen Nagetierresten, die daher als «untere Nagetierschicht» bezeichnet wurde. Die NagerReste dieser Schicht zählten nach Tausenden; für die Menge des Fundgutes waren die Kleinsäuger aber recht artenarm (S. 150ff.). Jakob Nüesch bemerkte ausdrücklich, dass sich die untere Nagetierschicht nicht gleichmässig über die ganze Grabungsfläche verteilte, sondern eher lokal ausgebildet war. Besonders mächtig zeigte sich die Schicht im Osten des Abris, wo sie unter den dortigen Felsspalten und -löchern eine Dicke von gut 50 cm erreichte. Eine Erklärung für die Schicht brachte das Aufheben eines grossen flachen Steines, unter dem mehrere aus kleinen Nagetierknöchelchen bestehende isolierte Häufchen beobachtet werden konnten. Diese häufchenartige Konzentration und der Erhaltungszustand der kleinen Knochen wies auf sogenannte Gewölle oder Gewöllballen von Raubvögeln hin. Gewölle (Abb. 77) bestehen aus den unverdaulichen Teilen (Haare, Knochen und Sehnen) der Jagdbeute der Raubvögel, welche ihren scharfen Verdauungssäften standhielten. Die Raubvögel verzehrten ihre Beute mit Vorliebe an bestimmten Ruheplätzen und spien die unverdaulichen Teile in Form von Gewöllen aus. Als Ruhe- und Verdauungsplätze bevorzugten sie vor allem Grotten, Felsspalten, Gesimse und Nischen der Massenkalkfelsen. Hierher flogen sie mit ihrer Beute an, um dieselbe dann in Ruhe zu verzehren. Vor allem der östliche Felsen des Schweizersbilds war daher zweifellos geradezu ein prädestinierter Ort, und am Fusse der steilen Felswand lagerte sich im Laufe der Zeit eine beträchtliche Schicht von ausgespieenen Gewöllen ab. Die wiederholte Ablagerung von Deckenbruchschutt der vorkragenden Felswand führte dazu, dass die Gewölle stetig rasch einsedimentiert wurden, so dass die in den Gewöllen enthaltenen Knöchelchen und Gebissteile vor Verwitterung und Zerfall geschützt waren und ausgezeichnet erhalten blieben, während sich die Haare natürlich allmählich auflösten. Die kleineren Wirbeltiere vom Schweizersbild sind seinerzeit von A. Nehring bearbeitet worden 227 • Er stellte fest, dass die untere Nagetierschicht vor allem Reste von Halsbandlemmingen enthielt, die in den oberen Schichten nicht mehr angetroffen worden sind. Daneben dominierten vor allem Knochen verschiedener Mäusearten, des Schneehasen sowie des Eisfuchses (Tab. 4, S. 152). Damit liegen Reste von Säugetieren mit geringen Temperaturansprüchen vor, die als kennzeichnend für ein kaltzeitliches Klima gelten dürfen. Nehring beobachtete ferner, dass bestimmte Arten der unteren Nagetierschicht - bei-


Abb. 76: Das Schweizersbild als Raubvogelhors1 (16 000- 13 000 v. Chr.). Vor der menschlichen Besiedlung diente der markante Felsen des Schweizersbilds vor allem als Raubvogelhorst. Hierher flogen die Tiere, vor allem Schnee-Eulen, mil ihrer Beute, um sie in Ruhe zu verspeisen. Die unverdaulichen Teile (Haare, Sehnen, Knochen) spieen sie in Form von Gewöllen aus. Als Ruhe- und Verdauungsplätze bevorzugten sie Grollen, Felsspalten, Gesimse und Nischen der Massenkalkfelsen. Am östliche Felsen des Schweizersbilds lagerte sich im Laufe der Zeit am Fusse der steilen Felswand eine beträchtliche Schicht von ausgespieenen Gewöllen ab. Die wiederholte Ablagerung von Deckenbruchschu11 der vorkragenden Felswand führte dazu, dass die Gewölle stets auch rasch einsedimenriert wurden und dadurch vor Verwitterung und Ze1fall gut geschützt blieben.

spielsweise die kühl-gemässigten Waldformen Rötelmaus, Luchs und Hamster - auch auf Änderungen in der Vegetation und eine gewisse Erwärmung im Laufe der Bildung der unteren Nagetierschicht hindeuten. Diese Vegetationsänderung ging wohl dahingehend, dass die anfängliche Krautvegetation («Steppen-Tundra») des Spätglazials (nach 16 000 BP) zunehmend mit lichtem Strauch- und Baumwuchs, zuerst mit Kriech-Weiden und Wacholder, später (vor 13 000 BP) vor allem mit ZwergBirke, durchsetzt worden ist. Unter den im Schweizersbild in der unteren Nagetierschicht nachgewiesenen Raubvögeln sind vor allem die Eulen mit nordeuropäischen Formen vorherrschend. Man

darf daher für das Schweizersbild am ehesten hinter ihnen die Verursacher der ausgeprägten Gewöll-Ablagerungen vermuten (Abb. 76). In erster Linie ist hierbei wohl an die Schnee-Eule (Abb. 74) zu denken. Diese tagaktiven Tiere leben heute noch in Grönland und brüten im Süden bis in die mittelnorwegischen Gebirge hinein. Die Nahrungsgrundlage bilden vor allem Lemminge. Ihre Beute umfasst indessen auch Vögel bis zur Grösse des Schneehuhns sowie Säugetiere etwa bis zum Ausmass des Schneehasen. zz• Wir folgen hier weitgehend der Darstellung von Ammann 1993. m Nehring 1896, leicht ergänzt 1902.

155


Der Raubvogelhorst Schweizersbild ist nicht die einzige im Kanton Schaffhausen bekannte Fundstelle mit bedeutenden späteiszeitlichen Gewöll-Ansammlungen. Weitere Fundstellen sind uns von Thayngen-Untere Bsetzi, Thayngen-Vorder Eichen, Thayngen-Kesslerloch und Schaffhausen-Hohberg bekannt. Ein bedeutender Platz war vor allem die Untere Bsetzi, eine Gruppe von Massenkalkfelsen in leicht erhöhter Lage über der Talsohle im Fulachtal zwischen Schaffhausen und Thayngen. Das reiche Fundmaterial wurde vom Schaffhauser Augenarzt und Paläontologen Erwin von Mandach ausführlich untersucht und publiziert 228 • Seine Untersuchungen machten nochmals klar, dass in allen Schaffhauser Fundstellen der paläolithischen Besiedlungsschicht offenbar eine Schicht als Liegendes vorausgeht, die nur Tierknochen enthält, jedoch noch keine Spur menschlicher Besiedlung zeigt. Er benannte diesen Horizont, nach dem konstatierten Charaktertier, dem Halsbandlemming, als Dicrostonyxschicht. Von Mandach stellte auch fest, dass Halsbandlemminge nicht nur als Raubvogelbeute im Gewölle deponiert worden sind, sondern dass Lemminge offenbar die Felspartien der Stationen einst als ansässige Spezies auch lebhaft bevölkert haben. Die grossen Felsmulden dürften für diese Nager ideale Tummelplätze gewesen

sein, weiss man doch, dass die Tiere in ihrer heutigen Heimat besonders gesteinstrümmerreiche Böden lieben, wie solche in den Abris Schweizersbild und Bsetzi zweifellos vorlagen. Ähnlich wie im Schweizersbild konnte Erwin von Mandach auch in der Unteren Bsetzi sowie in SchaffhausenHohberg, Schaffhausen-Dachsenbüel und in ThayngenKerzenstübli Jungere, kulturfreie N agetierschichten feststellen, die wahrscheinlich zur Zeit des Mesolithikums oder während des frühen Neolithikums (10 000 5000 v. Chr.) abgelagert worden sind. Im Gegensatz zur Dicrostonyxschicht fehlten in diesen Schichten alle nordischen Formen; dagegen waren sie geprägt von unzähligen Knöchelchen von kleinen Wühlmäusen. Nachgewiesen werden konnten ferner Maulwurf, Hamster, Siebenschläfer und Gartenschläfer, die bewaldete Gebiete bevorzugen.

228

E. v. Mandach~ Die kleineren Wirbeltiere der prähistorischen Station «Bsetzi» bei Thayngen, Ber. der Naturf. Ges. zu Freiburg i. Br. XXVII, 2, 1927, 1-47.

Abb. 77: Rezente Gewölle von Schnee-Eulen aus Ostgrönland (Gausshalbinsel) mit Lemmingresten, aufgesammelt von H. Bütler.

156


--

Abb. 78: Das Schweizersbild als Jägerlager (um 13 500 - 12 000 v. Chr.). Mit seinem schützenden, vorkragenden Felsdach war der Schweizersbildfelsen auch für den Menschen ein günstiger Aufenthaltsort. Späteiszei1liche Rentierjäger suchten daher den Platz wiederholt auf, um im Windschauen des Felsens ihre wohl zeltartigen Behausungen zu errichten. Die Landschaft, die sie vorgefunden haben, war anfänglich noch weitgehend waldfrei und nur vereinzelt mit Kriech-Weiden, Wacholder und Zwerg-Birke durchsetzt. Erst allmählich fand im Alpenvorland die Wiederbewaldung statt; Wacholder und Baum-Birken veränderten durch erstaunlich rasche Ausbreitung die Lan.dschafl. Über Art und Organisation des Jägerlagers beim Schweizersbild ist uns so gut wie nichts bekannt. Durch die bereits frühe Ausgrabung (1891-93) ist den einzelnen Besiedlungshorizonten leider zu wenig Beachtung geschenkt worden. So kennen wir nur einige Feuerstellen und Werkplätze. Wie die Behausung im Detail ausgesehen hat, wissen wir nicht. Denkbar wäre, dass eine zeltartige Konstruktion an die Felswand anlehme, möglich wäre aber auch ein freistehendes Zelt unter der Felswand. Günstige topographische Lage (Schutz), Rohstoffreichtum der Umgebung (Si/ex), die Nähe zu einer Quelle und ein gewisser Reichtum an Wild in den nahegelegenen Randentälern dü,ften die Gründe gewesen sein. denselben Ort beim Schweizersbild wiederholt aufzusuchen. Die Felsen vom Schweizersbild waren damals in der Landschaft besonders markam wahrnehmbar. Denkbar wäre daher, dass sich verschiedene Jägergruppen an diesem markanten Punkt getroffen haben, vielleicht um gemeinsam zu bestimmten Jahreszeiten zur Jagd auf vorüberziehende Rentierherden aufzubrechen.

4. Das Schweizersbild als Jägerlager der Späteiszeit Mit seinem schützenden, vorkragenden Felsdach war der Schweizersbildfelsen auch für den Menschen gleichermassen ein günstiger Aufenthaltsort. Späteiszeitliche Rentierjäger suchten daher den Platz wiederholt auf, um im Windschatten des Felsens ihre wohl zeltartigen Behausungen zu errichten (Abb. 78).

Die Landschaft, die sie vorgefunden haben, dürfte noch weitgehend waldfrei gewesen sein. Wie viele Male im Schweizersbild Menschengruppen gekommen und wieder gegangen sind, entzieht sich unserer Kenntnis. Sind die einzelnen Belegungen archäologisch ohnehin nur sehr schwer nachweisbar, so ist leider im Falle des Schweizersbilds durch die schon frühen Grabungen die Chance einer K lärung dieser Frage unwiederbringlich zerstört 157


worden. Aufgrund des Artefaktvergleichs mit ähnlichen Inventaren aus der Schweiz 229 sowie Mittel- und Süddeutschlands dürfte die Hauptbelegungszeit aber wahrscheinlich zwischen 13 000 und 12 500 BP anzusetzen sein, was durch eine Serie von C-14-Proben noch zu überprüfen sein wird 230 • Das Fundmaterial vom Schweizersbild unterscheidet sich in wesentlichen Teilen grundlegend vom Material aus dem Kesslerloch. Dieses kann zwar auch keineswegs als einheitlicher Fundbestand angesprochen werden, lässt aber doch deutlich zumindest eine älteste Belegung erkennen, die sich klar von der Hauptbelegung des Schweizersbilds abhebt. Kennzeichnend für diesen unteren Horizont vom Kesslerloch sind vor allem höckerverzierte halbrunde Stäbe (sogenannte Baguettes demirondes) sowie kurze Geschossspitzen mit langer einseitig abgeschrägter Basis. Das Vorhandensein von Mammut, Wollnashorn und Moschusochse in dieser Schicht spricht für eine Datierung noch vor 13 000 BP. Neuere Untersuchungen von Pollenprofilen datieren die unteren Schichten vom Kesslerloch an den Beginn der Zwergbirkenphase, das heisst ans Ende der Ältesten Dryas, um 13 300 BP. Nach der Magdalenien-Terminologie von Breuil lässt sich die hier umrissene Phase am ehesten mit einem späteren Abschnitt des Magdalenien III, vor allem aber mit dem Magdalenien IV umschreiben. Vorsichtiger wird diese Phase neuerdings in der Schweiz als «Fundvergesellschaftung C» bezeichnet231 • Ein etwas jüngerer Horizont ist durch Fundstellen wie Moosbühl BE, Champreveyres NE, Monruz NE und wohl auch Petersfels (Baden-Württemberg) repräsentiert. Bezeichnend ist das Fehlen von Mammut, Wollnashorn und Moschusochse. Kennzeichnend für den Petersfels sind fast ausschliesslich Geschossspitzen mit zweiseitig abgeschrägter Basis. Zum Steininventar vom Moosbühl gehören Rückenmesser mit Endretusche, Rechtecke und auffallend zahlreiche Langbohrer. Alle Typen sind auch im Petersfels gut vertreten. Allen Stationen (mit Ausnahme von Champreveyres) gemeinsam sind kleine Frauenstatuetten aus Gagat in mehr oder weniger stilisierter Ausführung. Das Vorhandensein einer solchen Statuette auch im Schweizersbildmaterial sowie die Ähnlichkeit des übrigen Fundspektrums vom Schweizersbild mit dem Material dieser Stationen lässt vermuten, dass eine erste Hauptbelegungsphase des Schweizersbilds zeitlich mit diesen Fundorten zu parallelisieren ist oder zumindest unmittelbar daran anschliessen mag. Im Sinne eines Arbeitsbegriffes wird für die Schweiz diese Phase vorderhand als «Fundvergesellschaftung D» bezeichnet, in der Terminologie Breuils am ehesten etwa dem Magdalenien V entsprechend. Als Referenz für einen etwas 158

älteren Abschnitt kann einstweilen Champreveyres NE gelten, das im Gerätebestand noch mehr als 50% einfache Rückenmesser aufweist, während die eher jüngere Station Moosbühl BE bereits einen hohen Anteil an endretuschierten Rückenmessern und Rechtecken enthält. Andere Elemente im Schweizersbildmaterial zeigen aber auch Parallelen zu eher noch jüngeren MagdalenienFundstellen, wie Winznau-Köpfli SO, Winznau-Käsloch SO, Kohlerhöhle BE, Kastelhöhle-Nord (obere Schicht) SO oder Brügglihöhle BE. Kennzeichnend für diese als «Fundvergesellschaftung E» bezeichnete Fazies sind vor allem geknickte Rückenspitzen, Kerbspitzen, konvexe Rückenspitzen sowie besonders zahlreiche Rückenmesser, überwiegend mit Endretusche. Im Geweihinventar sind lange Geschossspitzen mit zweiseitig abgeschrägter Basis und viereckigem Querschnitt kennzeichnend 232 , wie sie auch im Schweizersbild die Hauptmasse ausmachen. Über Art und Organisation des Jägerlagers beim Schweizersbild ist uns so gut wie nichts bekannt. Durch die bereits frühe Ausgrabung ist den einzelnen Besiedlungshorizonten noch viel zuwenig Beachtung geschenkt worden. Die wenigen überlieferten Befunde - Feuerstellen und Werkplätze - sind zu ungenau definiert und lassen sich nachträglich nicht mehr beurteilen (S. 68ff.). Die Schilderung von mehreren Feuerstellen in unterschiedlicher Lage und Tiefe macht jedoch recht wahrscheinlich, dass Jägergruppen zu verschiedenen Zeiten, wohl auch zu unterschiedlicher Jahreszeit, das Abri beim Schweizersbild aufgesucht haben. Die Gründe für das wiederholte Aufsuchen desselben Platzes sind uns natürlich ebenfalls unbekannt. Besonders günstige topographische Lage (Schutz), Rohstoffreichtum der Umgebung (Silex), die Nähe zu einer Quelle und möglicherweise ein gewisser Reichtum an Wild in den nahegelegenen Randentälern könnten die Jägergruppen dazu bewegt haben, denselben Ort beim Schweizersbild wiederholt aufzusuchen. Die Felsen vom Schweizersbild waren damals in der Landschaft sicher besonders gut wahrnehmbar. Denkbar wäre daher, dass sich verschiedene Jägergruppen zu bestimmten Zeiten an diesem markanten Punkt getroffen haben, möglicherweise um gemeinsam zur Jagd nach den vielleicht halbjährlich hier vorüberziehenden Rentierherden aufzubrechen. Auffällig ist, dass in der Region Schaffhausen - wie in anderen Gegenden - neben den grossen Lagerplätzen wie Schweizersbild, Kesslerloch und Petersfels im Umkreis von einigen Kilometern auch kleinere «Lager» vorkommen. Die grossen Fundstellen, vielfach als Basislager bezeichnet, zeichnen sich durch eine besondere Artefaktvielfalt und das Vorkommen von Kleinkunst aus, derweil kleinere Plätze eher spezifische Werkzeuggruppen, vor allem Silex- und Jagdgeräte, auf-


weisen, während Geräte des Haushalts (Nadeln, Glätter, Pfriemen, Meissel, Lochstäbe), Kleinkunst und Schmuck zu fehlen scheinen oder nur vereinzelt vorkommen. Waren also die grossen Plätze tatsächlich Treffpunkte? Dass man sich die einzelnen Jägergruppen zahlenmässig nicht allzu umfangreich vorstellen darf, lehren ethnologische Studien 233 • Die Grösse der Gruppe ergab sich vor allem aus der Notwendigkeit, sich selber im aneignenden Sinne aus den Ressourcen der näheren Umgebung ernähren zu können. Daraus geht auch hervor, dass die Jägergruppe kaum längere Zeit sesshaft sein konnte - im Unterschied zu den späteren Ackerbauern- und Viehzüchterkulturen, die begannen, den Boden intensiv zu bestellen und auch Vorräte anzulegen 234 • Es bestand wahrscheinlich bei Jägergruppen öfters sogar die Notwendigkeit, dass einzelne Mitglieder den Lagerplatz für einen Tag oder gar mehrere Tage verlassen mussten, um gewisse Ressourcen zu beschaffen. Dass dabei Tagesetappenlager errichtet oder wiederholt aufgesucht wurden, liegt auf der Hand und ist uns von heutigen Jägerkulturen hinlänglich bekannt. Dass von diesen Jagd- und Ressourcenstreifzügen auch allerlei Dinge in die Hauptlager mitgebracht worden sind, belegen die zahlreichen Funde an diesen Plätzen: Rohmaterialien für die Steingeräte, fossiles Mammutelfenbein, Lignit, Gagat und Bernstein, aufgelesene Abwurfstangen von Rentieren, Versteinerungen, fossile Muscheln und Schnecken, besonders geformte vielfarbige Steine. Ursprünglich gehörten sicher auch zahlreiche organische Materialien dazu, die uns leider nicht erhalten geblieben sind: Beeren und Heilkräuter, Pilze, Vogeleier, Vogelfedern und vieles mehr. Nur indirekt ist es manchmal für den Archäologen möglich, derlei Tätigkeiten zu belegen. So gelang beispielsweise unlängst an den Knochen der Schneehühner aus dem Abri Büttenloch BL der Nachweis einer speziellen Gewinnung von einzelnen Federn oder ganzen Flügeln. Die Befiederung der Schneehühner wurde möglicherweise zu Schmuck und/oder Kleidungszwecken weiterverarbeitet2 35 • Dass man im Rahmen von Ressourcen-Streifzügen auch Kontakte gepflegt hat, wird durch Objekte aus weiter entfernten Gegenden ebenfalls unmittelbar belegt, auch wenn man sich nicht vorzustellen braucht, dass beispielsweise baltischer Bernstein in jedem Fall immer selber im Ursprungsgebiet beschafft worden ist. Ein Weitergeben von kostbaren exotischen Materialien vielleicht über mehrere Jägergruppen wird man bereits im Paläolithikum annehmen dürfen. Im Rahmen von gemeinsamen Jagden oder anlässlich von gegenseitigen Besuchen sind sicher auch Festlichkeiten durchgeführt worden, die nicht zuletzt Musik und Tanz

sowie religiöse Zeremonien beinhaltet haben, die sich letztlich in unserem archäologischen Material wiederum nicht direkt äussern. Dass die in Basislagern aufgefundenen Kleinkunstwerke aber nicht unbedingt für den alltäglichen Betrachter bestimmt gewesen sind, macht möglicherweise auch der Fundort der beiden wichtigsten Kleinkunstwerke vom Schweizersbild klar. Sowohl der Lochstab mit den beiden sich folgenden Wildpferden als auch das Schieferplättchen sollen in unzugänglichen Felsnischen gefunden worden sein. Sind sie etwa im Rahmen von religiösen Festlichkeiten entstanden und absichtlich, vielleicht im Sinne von Votivgaben, deponiert worden? Mit unserem Überblick sind viele Fragen angesprochen, die sich letztlich für die Fundstelle Schweizersbild nicht mehr beantworten lassen. Zu gerne wüsste man, wie sich die Aufenthalte dieser Jägergruppen unter dem Felsdach des Schweizersbilds vor 12 000 bis 15 000 Jahren abgespielt haben. Die leider allzu früh zutage geförderten Hinterlassenschaften lassen uns dies nurmehr gerade erahnen (Abb. 78). Mit dem Ende der Magdalenienkultur sind in der Region Schaffhausen die Zeugnisse der frühen Besiedlungsgeschichte des Menschen für mehrere Jahrtausende scheinbar unterbrochen. Während dieser Zeit, dem Zeitraum zwischen 11 000 und 6000 v. Chr., der als Mesolithikum bezeichnet wird, lebte der Mensch noch immer als Jäger und Sammler. Er hatte sich aber in hohem Masse der stark veränderten Landschaft mit inzwischen dichter Bewaldung anzupassen. Das einstweilige Fehlen von Siedlungsplätzen aus dieser Zeit im Kanton Schaffhausen dürfte auf eine Forschungslücke zurückzuführen sein. Siedlungsplätze aus dieser Zeit sind uns nämlich vom Abhang der Schwäbischen Alb, aus dem Federseebecken sowie dem Bodenseeraum zur Genüge bekannt und dürften eigentlich auch für den Schaffhauser Raum vorausgesetzt werden. Möglicherweise wurden aber derlei Siedlungsschichten bei den älteren Ausgrabungen gar nicht

029 "

0

231 232

233

234

235

Zur Datierung der schweizerischen Fundstellen vgl. Leesch 1993. Einstweilen liegt vom Schweizersbild nur gerade ein C-14-Datum für ein Stück Rengeweih aus der «gelben Kulturschicht» vor, das als AMS-Alter 14 500 ± 115 BP (ETH-5204) ergeben hat. Leesch 1993, 159. Leesch 1993, 161-162; Höneisen 1983. R.B. Lee and I. Devore, Man the Hunter. The first intensive survey of a single, crucial stage of human development - man's once universal hunting way of life, New York 1968; J. Helbling, Theorie der Wildbeutergesellschaft. Eine ethnosoziologische Studie, Frankfurt a.M. 1987. M. Höneisen. Vom Jäger zum Bauern: Die neolithische (R)Evolution, in: Die ersten Bauern, Bd. 2, Ausstellungskatalog Schweizerisches Landesmuseum. 1990.7-14. Schibler/Sedlmeier 1993.

159


beachtet und sind vermischt oder gar beseitigt worden. Bearbeitete Hirschgeweihreste vom Schweizersbild erwecken jedenfalls den Eindruck, dass in mesolithischer Zeit möglicherweise unter dem Abri nochmals ein Jägerlager bestanden hat, diesmal von einer Hirschjägergruppe (S. 127ff.). Zwischenzeitlich aber wurde der Felsen vom Schweizersbild erneut als Raubvogelhorst benutzt, so dass sich wiederum eine Gewölle-Schicht bilden konnte, die Nüesch als «obere Nagetierschicht» bezeichnet hat.

5. Das Schweizersbild als neolithischer Bestattungsplatz Als im Verlauf des späteren 5. Jahrtausends v. Chr. jungsteinzeitliche Bauern den Felsen vom Schweizersbild ebenfalls aufsuchten, wussten sie natürlich nichts von der bereits langen und wechselvollen Geschichte dieses Platzes. Nichts mehr deutete auf die einstigen Jägerlager. Gewölleschichten und Deckenbruchschutt hatten das hier abgelagerte mächtige Kulturschichtpaket längst wieder zugedeckt. Höchstens waren Reste der oberen Nagetierschicht noch sichtbar, so dass sich die Bauern ob der vielen kleinen Nagetierknöchelchen wohl wunderten, vielleicht deren Ablagerung in Gewöllen aber aus eigener Anschauung noch kannten. Nach anfänglich eher nur vereinzelten Begehungen begann im frühen 4. Jahrtausend v. Chr. eine neolithische Bauerngruppe den geschützten Platz am Fusse des Felsens Schweizers bild als Bestattungsplatz zu nutzen (Abb. 79). Im Verlaufe von etwa 200 Jahren sind 22 Gräber angelegt und mindestens 30 Individuen bestattet worden: 18 davon waren Kinder, vor allem Neugeborene und Kleinkinder bis zu 6 Jahren, 12 davon waren Erwachsene, die alle nicht mehr als 35 Lebensjahre erreicht hatten (S. 13lff.). Die Zusammensetzung der Toten nach Alter und Geschlecht macht wahrscheinlich, dass es sich beim Gräberfeld vom Schweizersbild nicht um einen Bestattungsplatz eines ganzen Dorfes handelt. Vielmehr hat es den Anschein, dass unter dem Felsdach nur ausgewählte Personen zur letzten Ruhe gebettet worden sind. Hierzu gehörten offenbar Kinder und spezielle Erwachsene, so beispielsweise ein 12jähriges Kind mit verkrüppelten Unterarmen und eine Frau mit einem Neugeborenen im Arm. Wo die übrigen Dorfbewohner beigesetzt worden sind, entzieht sich unserer Kenntnis. Ebenso wissen wir einstweilen nicht, wo genau die Leute ihren Wohnplatz hatten. Die nächsten uns bekannten Siedlungen des frühen 4. Jahrtausends v. Chr. liegen in drei beziehungsweise fünf Kilometer Luftlinie vom Schweizersbild entfernt: Schaffhausen-Grüthalde, auf einer Anhöhe am Rande des Fulachtals 236 gelegen, und Thayngen-Weier, in einem Seitental, am Rande eines Moores erbaut 237 • In 160

nächster Nähe zu diesen Siedlungen liegen weitere neolithische Bestattungsplätze - Bsetzi, Vorder Eichen und Dachsenbüel -, wo im Unterschied zum Schweizersbild jedoch immer nur vereinzelte Gräber gefunden worden sind. Gleichermassen zeichneten sich aber auch jene Bestattungen durch Röhrenperlenketten aus. Die Beigaben sowie die Ergebnisse der bisher durchgeführten Datierungen mittels radioaktiven Kohlenstoffs (C-14) machen deutlich, dass die Bestattungen vom Schweizersbild zeitlich am ehesten der älteren, vielleicht auch noch der beginnenden klassischen Pfyner Kultur nahestehen. Die ältere Pfyner Kultur, zu der wir hier auch die Hinterlassenschaften der Lutzengüetle-Kultur zählen, hat am Bodensee eine ganze Anzahl von Fundkomplexen geliefert: Hornstaad-Hörnle I (Schichten AHl-3), EschenzInsel Werd TG (Schichtkomplex A) und Steckborn-Turgi TG (Schnitt 2). Durch eine C-14-Serie sind die Schichten von Hornstaad-Hörnle I in die Jahrhunderte um 4000 v. Chr. datiert. Im Kulturschichtpaket A der Station Hörnle I fanden sich mehrere Depots gleichartiger Kalksteinperlen. Ebenso gelang für diesen Ort der Nachweis der Herstellung derartiger Perlen an Ort und Stelle mittels kleiner Bohrer (sogenannter Dickenbännlispitzen), wie sie auch in grosser Menge von der Siedlung Schaffhausen-Grüthalde belegt sind. Als ebenso kennzeichnend für diesen Horizont dürften doppelt oder mehrfach durchlochte Kettenschieber aus Kalkstein oder rotem Radiolarit gelten. Sie zeigen, dass im beginnenden 4. Jahrtausend v. Chr. Kalksteinperlen-Colliers in Form von mehreren nebeneinanderliegenden Perlenschnüren in Mode waren. Die darauffolgende klassische Pfyner Kultur wird unter anderem auch durch die Siedlung Thayngen-Weier I repräsentiert, für die dendrochronologisch eine Schlagperiode zwischen 3822 und 3761 v. Chr. ermittelt werden konnte 238 • Das Weier I zuweisbare Fundmaterial ist leider wenig zahlreich 239 , so dass ein typologischer Vergleich mit den Funden aus den Schaffhauser Gräbern zum vornherein ausscheidet, zumal die wenigen Keramikscherben vom Schweizersbild nicht klar stratifiziert sind und die Zugehörigkeit zu unseren Gräbern nicht gesichert ist. Auffällig ist jedoch, dass für die ganze Siedlung von Thayngen-Weier weder Kalksteinröhrenperlen und Kettenschieber noch Dickenbännlispitzen nachzuweisen waren. Im Gegensatz dazu sind diese für die meisten Siedlungen des vorangehenden Abschnittes gut belegt. Trotz der vermeintlichen Überschneidungen in den absoluten Datierungen - die Datierungsmethoden sind hierbei zu beachten - meinen wir daher, die Schaffhauser Gräber


Abb. 79: Das Schweizersbi/d als neolithischer Bestauungsplatz (um 3800 v. Chr.). Unter dem Felsdach des Schweizersbilds bestatteten im frühen 4. Jahrtausend v. Chr. jungsteinzeitliche Bauern ihre Toten. Vor allem Frauen und Kinder fanden an diesem markanten Ort. weitherum sichtbar an erhöhter Lage im Talgrund, ihre letzte Ruhe. Die Bestattungen waren reilweise sorgfältig mit Steinen eingefasst und wahrscheinlich obe,flächlich mit Steinen oder einem leichten Hügel markiert. An Beigaben wurden den Kindern Halsketten aus Kalksteinperlen mitgegeben, die vielleicht auch Amulettcharakter hatten. Wie sich die Bestauungszeremonien genau abgespielt haben, wissen wir natürlich nicht. Möglicherweise gehörten dazu - neben ruhiger Anteilnahme und Totengeleit - auch Speis und Trank, Musik, Tanz und Gesang.

einem der Siedlung Thayngen-Weier I vorangehenden Zeithorizont zuweisen zu müssen, der noch im l. Viertel des 4. Jahrtausends v. Chr. begann.

rituelle Feierlichkeiten abgehalten worden sind, bei denen Speis und Trank, Musik, Tanz und Gesang eine RoUe gespielt haben.

Wie sich die Bestattungszeremonien unter dem Felsdach des Schweizersbilds im einzelnen abgespielt haben, entzieht s ich unserer Kenntnis. Ob hierbei das ganze Dorf, eine einzelne Sippe oder gar nur die engeren Angehörigen teilgenommen haben wissen wir ebenfalls nicht (Abb. 79). Die markanten, weitherum sichtbaren Felsen des Schweizersbilds haben vielleicht als «sakraler Platz» eine ganz besondere Stellung im Leben dieser Bauern eingenommen. Denkbar wäre, dass wiederholt an diesem Ort

W.U. Guyan. Milleilungen über ei ne jungsteinzeitliche Kulturgruppe von der Grüthalde bei Herblingen (Kt. Schaffhausen), ZAK 4, Heft 2, 65- 96. '-" W.U. Guyan, Die jungsteinzeitlichen Moordörfer im Weier bei Thayngen. ZAK 25, 1967, 1ff. 2.1, Die Zuweisung der Schlagperiode z ur Phase I erfolgte über li egende Hölzer. vgl. Chronologie. Archäologische Daten der Schweiz, Antiqua I S, Basel 1986. i J• J. Winiger. Das Fundma1erial von Thayngen-Weier im Rahmen der Pfyner Kultur. Monographien zur Ur- und Frühgeschich te der Schweiz 18, Basel 197 l. ?l•

J61


6. Das Schweizersbild als Kletterfelsen für Profis Strassenbau und rasche Entwicklung der Umgebung des Schweizersbilds zu einer Gewerbezone (Abb. 5) haben seit den siebziger Jahren dazu geführt, dass die beiden Schweizersbildfelsen in der Landschaft immer weiter verschwunden sind und heute, vor allem im Sommerhalbjahr, hinter dichtem Baum- und Buschwerk kaum mehr wahrnehmbar sind. So ist es auch nicht erstaunlich, dass schon mancher Hobbyarchäologe oder Lehrer mit seiner Schulklasse die einst so berühmte Fundstelle vergeblich suchte oder aber, ob der heutigen Lage und Umgebung enttäuscht, wieder den Heimweg antrat. Der einst für Schnee-Eulen wie für späteiszeitliche Jäger und jungsteinzeitliche Bauern gleichermassen ruhige, idyllische und vielleicht sogar sakrale Platz, von dem man ehemals weit über die Ebene blicken konnte, erscheint heute lärmig, wenig einladend und wirkt geradezu beengend. Dagegen hat heute eine andere Gruppe die Schönheit dieses Platzes für sich entdeckt: die Freikletterer. Wiederum ist es die überhängende Felswand, die lockt. Im Gegen-

Abb. 80: Freikletterer am Schweizersbild.

162

satz zur Schnee-Eule, zum eiszeitlichen Jäger und zum neolithischen Bauern wird sie aber heute anders genutzt: als «Kletterparadies» schlechthin (Abb. 80). «Es ist ein Fels für Fortgeschrittene», wird betont. Gleich drei anspruchsvolle Routen mit vielsagenden Namen sind bereits mit Haken ausgesteckt: «Bloody sunday», «The last poem of the last poet» und «Diplom», mit 9 plus/10 minus (maximal 11 Grade) die schwierigste Route 240 • Ob die Kletterprofis wissen, dass vor 6000 Jahren Bauern hier ihre Toten bestattet haben, späteiszeitliche Jäger vor 14 000 Jahren hier gesiedelt haben und Schnee-Eulen vor 17 000 Jahren hier ihre Beute verzehrt haben? Umgekehrt haben die Schnee-Eulen kaum geahnt, dass nach ihnen Jäger an dieser Stelle ihre Zelte aufschlagen werden, die Jäger sich auch nie vorgestellt, dass später in ihren Siedlungsresten Tote bestattet werden, und die Steinzeitbauern sich auch kaum ausgedacht, dass künftig Kletterprofis über ihren Toten «schweben» werden. Was wird in weiteren 5000 Jahren am Schweizersbild sein? 040

SN. Nr. 183. 19, vom 10. August 1993.


VI. Dokumente und Materialien Die folgenden Dokumente, von welchen ein Grossteil transkribiert werden musste, wurden punkto Orthographie und Interpunktion möglichst in der Originalschreibweise wiedergegeben. Diese wurde lediglich den heute geltenden orthographischen Regeln angepasst, wenn sie für den Leser störend wirkte. Briefe wurden nicht m Briefformat, sondern als laufender Text dargestellt.

1. Zur Person Jakob Nüeschs Dokument 1: Wie der Schaffhauser Reallehrer Jakob Nüesch in der Wiener Hofburg vom Kaiser empfangen wurde. Artikel von Kurt Bächtold in den Schaffhauser Nachrichten Nr. 30, vom 6.2.1969. «In seinem interessanten Forschungsbericht „Schaffhauser Ausgrabungen" erinnert Museumsdirektor Prof. Dr. W.U. Guyan an Reallehrer Jakob Nüesch (1845-1915), der neben seiner Arbeit an der Knabenrealschule die Zeit und Energie aufbrachte, sich durch seine Forschungen im Kesslerloch und Schweizersbild weit über die Landesgrenzen hinaus einen Namen zu machen. Er gehört zu den nicht seltenen Schaffhauser Lehrern, die zu Pionieren der Wissenschaft wurden. Unter den Handschriften der Stadtbibliothek findet sich, ergreifend zu lesen, der Lebenslauf von Johann Jakob Nüesch, dem Vater des berühmten Forschers, Lehrer in Hemmental, sowie eine ebenso feierliche wie heitere Episode aus den Erlebnissen des Sohnes. Ihm nämlich wurde die seltene Ehre zuteil, von Seiner apostolischen Majestät, dem Kaiser Franz Joseph, in der Wiener Hofburg empfangen zu werden. Die Tätigkeit des Schaffhauser Reallehrers und Wissenschafters hatte in Fachkreisen Aufsehen erregt und Anerkennung gefunden. So wurde Dr. Jakob Nüesch denn vom österreichischen Hofrat Prof. Dr. Penck, selber ein namhafter Archäologe, eingeladen, im Mai 1893 in Wien einen Vortrag zu halten. Zugleich erhielt er die Einladung an den Hof mit dem vorgeschriebenen Tenü, zu dem der Frack mit weisser Halsbinde und weisse Handschuhe gehörten. Der bescheidene Republikaner erschrak und verweigerte zuerst seine Zusage, doch traf eine halbe Stunde vor der Abreise der strikte Befehl aus der Donaustadt ein, er habe den Empfang an der Hofburg mitzumachen, da sein Name bereits auf der kunstvoll gedruckten und vom Kaiser genehmigten Liste stehe. Der Schaffhauser Reallehrer geriet in Nöte. Was sollte er tun? Da sagte seine Frau: ,,Du hast ja noch den Frack von unserer Hochzeit her; probieren kannst du ihn jetzt nicht mehr. Ich packe ihn dir auf alle Fälle ein".

Die Frackprobe Mit unguten Gefühlen reiste Jakob Nüesch nach Wien, wo er im Hause des Professors Penck zu Gast war. Dort angekommen, war die erste Frage, die Frau Hofrat an den Schweizer richtete: ,,Sie haben doch Ihren Frack mitgebracht?" Bangen Herzens und mit einem wehmütigen Blick auf seine in langen Ehejahren erworbene Beleibtheit bejahte er diese Frage, worauf die Gastgeberin eine sofortige Frackprobe anordnete. Doch geben wir nun dem Schaffhauser selber das Wort: ,,Der Frack wurde mit samt den übrigen Utensilien in den Salon geholt, wo mir die liebenswürdige Dame bereitwilligst half, denselben anzuziehen. ,Der Frack geht ja noch ganz gut. Sehen Sie die engen Ärmel an, das ist ja jetzt die allerneueste Mode'. Allein der Rücken vermochte die im Laufe der Jahre auseinandergegangenen Schultern des Besitzers kaum noch zu fassen. Bolzengerade wie ein preussischer Grenadier musste der Inhaber derselben darin aufrecht stehen. ,Es fragt sich nun, Herr Doctor, ob Sie in dem Frack Seiner Majestät die Reverenz machen können. Mein Mann wird sie Ihnen vormachen und ich werde mich hinter Sie stellen, um nachzusehen, ob der Frack noch aushält'. Gesagt, getan! Für Unwissende diene zur Orientierung, dass die Reverenz in einer Verbeugung besteht, und zwar in einer solch tiefen, dass der Oberkörper mit den Beinen beinahe einen rechten Winkel bildet. Am österreichischen Hofe, wo das spanische Ceremonial noch massgebend ist, wurde streng darauf gehalten, dass die dem Kaiser zu erweisende Ehrenbezeugung möglichst tief ausgeführt werde. Auf Kommando der hinter mir stehenden Hofräthin und unter Aufsicht des gestrengen Hofrathes begann der steife Republikaner in feierlicher Stille die Reverenz zu machen. Kaum hatte dieselbe aber eine Neigung von erst 10 Bogengraden erreicht, rief die wachhabende Dame plötzlich: ,Halt, es kracht, es kracht!' In die Höhe schnellen meinerseits und den Frack untersuchen anderseits, geschah in demselben Moment. ,Glücklicherweise ist er noch nicht aus den Fugen gegangen! Die Reverenz können Sie aber unmöglich erweisen. Eine solche Kraftprobe hält der Frack nicht mehr aus. Was wollen Sie nun thun?' ,Gnädige Frau, ich werden dem Kaiser eben die Schweizer Reverenz machen'. ,Worin besteht denn dieselbe?' forschte die gestrenge Dame nach. ,Bitte, machen Sie sie doch einmal vor'. ,Die werde ich nur Ihrem Kaiser vormachen', wurde ihr erwidert". Die Schweizer Referenz Mit dem Befehl, auf den Schaffhauser Republikaner Achtung zu geben, damit kein Unheil geschah, fuhr Hofrat Penck mit Jakob Nüesch in die Hofburg. Dort wurden sie einer genauen Untersuchung unterzogen, damit kein Ungeladener in den Empfangssaal hineinkam. Obwohl sich der befrackte Reallehrer fest vorgenommen hatte, 163


durch nichts sich erschüttern zu lassen, klopfte sein Herz doch, als er mit seinem Begleiter über die grossen Marmortreppen in den Festsaal schritt. Beim Eintritt rief der Zeremonienmeister mit lauter Stimme seinen Namen in den Saal hinein. An der Schmalseite befand sich der Thron, zu dem drei mit rotem Samt ausgeschlagene Stufen emporführten. Plötzlich gab die Musik ein Zeichen, die Flügeltüren öffneten sich und herein trat gemessenen Schrittes Seine Majestät Kaiser Franz Joseph, umgeben von seinen Ministern und Erzherzogen. In diesem Moment erfolgte die vorgeschriebene Reverenz der Gäste; alle klappten wie auf ein Kommando zum rechten Winkel herunter. Was weiter geschah, schildert Jakob Nüesch mit den folgenden Worten: ,,Einzig Franz Joseph und ich standen noch aufrecht im Saale und ragten über die andern empor, der Schweizer eine ernste Verbeugung des Kopfes machend. Ihm gegenüber stand, ebenfalls an den Stufen des Thrones, der Oberhofceremonienmeister Fürst von Windisch-Grätz mit einem martialisch weissen Bart, einem Dreimaster auf dem Kopf und einem langen silbernen Stab in seiner Rechten; mit einem vernichtenden Blick vom Scheitel bis zur Sohle mass er den aufrecht stehenden Gast ihm gegenüber. Dieser - das strenge Antlitz und die finster blitzenden Augen des Fürsten sehend, machte auch dem Oberhofceremonienmeister seine einfache Schweizer Reverenz. Immer noch marschierte der Kaiser im Saal vorwärts bis zur Mitte, wo er stehen blieb. Als er sich nicht auf den Thron begab, klappte die ganze Gesellschaft wieder auf; der Schweizer war aus seiner isolierten Lage plötzlich befreit und nicht mehr unter Schemen die einzig fühlende Brust mit dem Kaiser im Thronsaale". Bis zu diesem Augenblick fand der Schaffhauser Höhlenforscher die Situation, wie er in seinen Memoiren schreibt „urkomisch", doch wurde es ihm ungemütlich, als er sehen musste, wie der Oberhofzeremonienmeister seinem verantwortlichen Begleiter und Betreuer, dem Hofrat Professor Penck, mit dem Finger ein Zeichen gab. Die peinliche Einvernahme schien zur Zufriedenheit des Fürsten Windisch-Grätz auszugehen, jedenfalls kehrte der Hofrat zurück mit den Worten: ,,Kommen Sie gefälligst, ich soll Sie dem Oberhofceremonienmeister vorstellen". Das Gespräch zwischen dem Republikaner und dem Monarchisten ergab freundliche Übereinstimmung über die Beziehungen zwischen Habsburg und der Eidgenossenschaft und auch über den Umstand, dass sein ehrwürdiger Hochzeitsfrack nicht bis zum Bersten strapaziert werden dürfe. Die persönliche Vorstellung bei der apostolischen Majestät kommentierte Jakob Nüesch folgendermassen: „Der Kaiser in seiner hohen Würde und stoischen Ruhe einerseits und anderseits die des Augenblicks der Vorstellung harrenden Gelehrten bildeten den denkbar grössten Kontrast in der Gemüthsverfassung. Die vorzustellen164

den Männer der Wissenschaft waren mit wenigen Ausnahmen im höchsten Grade nervös. Die Nervosität zeigte sich darin, dass der eine leichenblass war, der andere feuerrot, so rot, dass man ein Zündhölzchen hätte auf demselben anzünden können. Der eine zitterte am ganzen Körper, der andere wackelte hin und her, nicht wissend, wo er seine Hände und Finger hinbringen konnte. Keiner wagte so frisch und froh Seiner Majestät ins Auge zu blicken". Nicht so unser senkrechter Landsmann! Der Schaffhauser Reallehrer erbrachte den allen sichtbaren Beweis, dass er nicht nur im Kesslerloch, in der Behausung der Höhlenbewohner, seinen Mann stand, sondern auch in der Wiener Hofburg, auf einer weit höheren Kulturschicht».

2. Verträge und Abfindungen Dokument 2: Pachtvertrag zwischen B. Wehrli in Herblingen und J. Nüesch in Schaffhausen 241 • «Der Unterzeichnete Bernhart Wehrli in Herblingen, verpachtet an Dr. J. Nüesch von seiner Wiese im Schweizersbild auf zwei Jahre den Theil, welcher südlich vom Felsen sich befindet und nördlich von der Wasserleitung liegt in der ganzen Länge des Felsens zum Schweizersbild. Dr. Nüesch hat das ausschliessliche, beziehungsweise alleinige Recht in diesem Theil Grabungen vorzunehmen oder vornehmen zu lassen, es gehören ihm alle etwa bei den Grabungen sich vorfindende Gegenstände als Messer, Knochen usw. als Eigentum; er bezahlt an B. Wehrli einen jährlichen Pachtzins von Fr. 15.- und verpflichtet sich nach erfolgten Ausgrabungen die Wiese zu verebnen und mit Grassamen anzupflanzen. Herblingen, den 16. Oktober 1891». Pachtvertrag zwischen G. Bührer im Spiegelgut und J. Nüesch in Schaffhausen 242 • «Der Unterzeichnete verpachtet auf die Dauer von zwei Jahren den Strich Land südlich vom westlichen Felsen beim Schweizersbild an Herrn Dr. J. Nüesch in Schaffhausen und erlaubt dem Letzteren den Abraum, der sich bei den Grabungen daselbst ergibt, in seine östlich vom Felsen gelegene Kiesgrube zu bringen; er ertheilt an Herrn Dr. Nüesch das alleinige und ausschliessliche Recht in dem verpachteten Land Grabungen anzustellen oder anstellen zu lassen. Überdies ertheilt er Herrn Dr. Nüesch das Recht während genannter Zeit den Weg zur Kiesgrube von der Freudenthalerstrasse aus nach Belieben zu benutzen. Die bei den Grabungen zu findenden Gegenstände gehören Herrn Dr. Nüesch zu Eigenthum. Für das gepachtete Land, sowie für Benützung des Weges u. der Kiesgrube zahlt Dr. Nüesch eine Aversalsumme von Fr. 10.-. Schaffhausen, den 9. November 1891».


Dokument 3: Brief von J. Nüesch an die Naturforschende Gesellschaft Schaffhausen, vom 18. Juli 1892 243 • «Geehrte Herren! Als ich im letzten Herbst mit Ihnen vereinbarte, Ihnen aus den Fundgegenständen vom Schweizersbild eine vollständige Sammlung zur Aufstellung im hies. Museum zu überlassen, wogegen Sie sich verpflichteten, die sämmtlichen Ausgrabungskosten der ganzen Fundstätte zu übernehmen, hatten wir beidseitig die Rechnung ohne den Wirth gemacht d.h. weder Sie noch ich hatten einen genauen Anhaltspunkt, wie hoch sich in der Folge die Kosten belaufen würden u. welche Zeit, Mühe u. Arbeit die Ausgrabungen in Anspruch nehmen könnten. - Nun wurde schon im letzten Herbst die vorläufig ausgeworfene Summe fast um das Doppelte überschritten und ich war genöthigt, der Tit. Gesellschaft eine genaue spezificirte Rechnung von Fr. 543.- einzugeben, wozu nun seither noch weitere Auslagen gekommen. Diese grossen Kosten sind verursacht: 1. Durch die Verhältnisse der Fundstelle selbst, welche an Quantität geringeren Fundmaterials sehr ergiebig, ja mehr als wünschenswerth, ist, ohne es jedoch auch an Verschiedenheit der Gegenstände und guter Conservirung zu sein. 2. weil - und das ist die Hauptsache - eine solche Ausgrabung, um für heutige Wissenschaft von Werth zu sein, ganz systematisch und bis aufs Kleinste genau, vorgenommen werden muss. Ich muss von jedem Knochen, von jedem Zahn, von jedem Artefakt, ja von jedem Feuersteinmesserchen genau angeben können, in welcher Tiefe, beziehungsweise in welcher Schicht der Gegenstand gefunden worden; ich muss sogar am Ende der ganzen Ausgrabungen sagen können, gestützt auf die Fachberichte, wie viel Wirbel, Zähne, Knochen, Kieferehen, Feuersteinmesserchen etc. etc sich vorgefunden haben im Ganzen u. nach Schichten getrennt; ich bin daher genöthigt, das sämmtliche, herausgehobene Material, viele Hundert Kubikmeter genau zu sichten, zu sieben, zu waschen, zu schlemmen u. darf dabei selbst den scheinbar geringfügigsten Gegenstand nicht unbeachtet lassen; ich muss das sämmtl. Material transportieren u. herschaffen lassen, letzteres oft mehrere Male, weil nicht alles auf der Fundstelle u. im Rüden selbst durchsucht werden kann. Die Ausgrabungen sind im letzten Herbst mit grosser Sorgfalt gemacht worden, allein sie müssen auf Wunsch von Fachmännern, wie Nehring, Studer, Heierli u. andern, sowie auf Grund des Studiums der einschlägigen Litteratur mit noch grösserer Genauigkeit als bisher durchgeführt werden, denn nur eine solche systematische, wissenschaftl. Ausbeutung giebt der ganzen Sache erst den richtigen Werth. Die Ausgrabungen in Thayngen haben für die genaue Forschung wenig Nutzen

gebracht; hier am Schweizersbild ist nun Gelegenheit geboten, die Erfahrungen, die man dort u. anderwärts gemacht, sich zu Nutzen zu machen und durch zehnfache Genauigkeit nachzuholen was man in Thayngen unwiederbringlich versäumt hat. Die ganze archäologische Welt richtet ihre Blicke nun auf das Schweizersbild und mein Name ist dabei so engagiert u. schon so publik geworden, dass ich gezwungen bin und auch entschlossen, die Ausgrabungen nur in dieser Weise weiterzuführen, wie ich sie angefangen, d. h. systematisch u. genau wissenschaftlich; ich kann auf dieser Art der Ausgrabung bestehen, denn ich habe mir die alleinige Leitung der Ausgrabung laut Protocoll vorbehalten. - Aber das, meine Herren, kostet Geld, viel Geld, wohl mehr als eine Löbl. Gesellschaft daran wenden will, respektive daran wenden kann; letzteres um so mehr, da für nächstes Jahr durch etwaige Übernahme des Jahresfestes der Schweiz. Nat. Ges. wohl die Kasse der hies. Nat. Ges. auch in Anspruch genommen und die Mildthätigkeit der Behörden und Privaten angerufen werden muss. Verschiedene Äusserungen, die mir über die bisherigen Kosten zu wiederholten Malen u. von verschiedener Seite gemacht wurden, haben mich genügend orientirt, um denselben entnehmen zu können, dass die Tit. Ges. nicht willens ist, die Kosten für die Ausgrabungen in wissenschaftl. u. systematischer Weise in bisheriger Art zu tragen. - Äusserst peinliche, mir unvergessliche Erfahrungen, die ich in ähnlicher Angelegenheit betr. die Entdeckung der Quellen im Engestieg machte, lassen mich befürchten, es möchten mir von gewisser Seite später wieder in derselben Weise Zulagen gemacht werden; dem möchte ich aber um jeden Preis vorbeugen u. scheue keine Opfer um nach dieser Richtung gesichert zu sein. Ich erlaube mir daher auf unser gegenseitiges Übereinkommen und auf Ihre dabei eingegangenen Verpflichtungen vom letzten October v. J. zurückzukommen und, um eine Lösung in der Frage herbeizuführen, mache ich Ihnen folgenden Vorschlag: 1. Ich bin bereit, die Ausgrabungen beim Schweizersbild von jetzt an auf meine Kosten in bisheriger system. Weise fortzuführen. 2. Ich überlasse der Ges. das bisher ausgegrabene Material mit sammt der Rennthierzeichnung, verzichte also zu Gunsten der Ges. auf den mir bei den Vereinbarungen ausbedungenen u. vorbehaltenen Antheil. Überdies werde ich, wie vorgesehen, das Profil in natura in dem bereits zu diesem Zweck angeschafften Kasten auf dem Museum ausführen, sowie die Aufstellung der Sammlung im Museum leiten u. überwachen. - Dagegen 241 242

243

Nachlass Nüesch. Nach lass Nüesch. Nachlass Nüesch. Abschrift.

165


erwarte ich, dass die Gesellschaft mir die bisher noch erfolgten u. von mir bezahlten Auslagen im Betrage von circa Fr. 811.- rückvergüten werde. Wenn Sie, geehrte Herren, mit diesen Propositionen einverstanden sind, so sehe ich davon ab, Ihre finanzielle Hülfe noch weiter in Anspruch zu nehmen; im andern Fall gewärtige ich Ihre Vorschläge betr. die Höhe des auszuwerfenden Kredites, wobei ich aber ausdrücklich betone, dass ich mich auf Nichts einlassen werde, was den bis jetzt erworbenen Ruf der Genauigkeit der Ausgrabungen gefährden könnte. Mit der Bitte mir Ihre Entschliessung bevörderlichst zukommen lassen zu wollen, da ich noch in dieser Woche die Ausgrabungen w. beginnen möchte, verbleibe mit der Versicherung vorzüglichster Hochachtung Ihr ergebener Dr. J. Nüesch». Dokument 4: Vertrag zwischen der Naturforschenden Gesellschaft Schaffhausen (Dr. Stierlin) und J. Nüesch, vom 26. April 1893 244 • «1. Der Vertrag der Naturforschenden Gesellschaft mit Herrn Dr. Nüesch betreffend die Ausgrabungen am Schweizersbild vom 16. Oktober und 9. November 1891 ist aufgehoben. 2. Herr Dr. Nüesch übernimmt alle aus den Ausgrabungen erwachsenen Verbindlichkeiten. 3. Herr Dr. Nüesch erstattet der Naturforschenden Gesellschaft die im Jahre 1891 gehabten Auslagen zurück im Betrage von Fr. 543.55». Dokument 5: Quittungen von R. Häusler an J. Nüesch, von 1893 245 • «Der Unterzeichnete bescheint von Dr. J. Nüesch, dem alleinigen Besitzer der Schweizersbildfunde, nebst Pension für Arbeiten und Hülfe im Rüdensaal, sowie 4 Tage Aushülfe in der Schule Fr. 100.- erhalten zu haben. Rudolf Häusler. Schaffhausen, den 14. Juli 1893». «Der Unterzeichnete bescheint für seine Bemühungen während den Ausgrabungen beim Schweizersbild in den Jahren 1891, 1892 von Dr. Nüesch die Summe von Fr. 250.- erhalten zu haben und erklärt anmit, dass dadurch der Anspruch an die Schweizersbildfunde aufgelöst und ausgelöst ist. Rudolf Häusler. Oberstrass, Zürich, 29. Oktober 1893». Dokument 6: Schilderung der Entdeckung der prähistorischen Niederlassung am Schweizersbild und aktengemässe Darstellung des Antheils, den Herr Dr. Häusler in Aarburg an dem Erlös der Schweizersbildfunde haben soll, dargestellt von J. Nüesch, o. Jahr (Auszug) 246 • 166

«Die Angriffe von Seite neidischer Gegner u. den sogenannten Freunden des Herrn Dr. Häusler, denen ich in letzter Zeit in steigendem Masse ausgesetzt bin, nöthigen mich zu der Veröffentlichung der folgenden wahrheitsgemässen Geschichte der Entdeckung der prähistorischen Niederlassung am Schweizersbild u. der aktengemässen Darstellung des Antheils, welchen Dr. Häusler an dem Erlös der Schweizersbildfunde haben soll. Herr E. Kollbrunner, gewesener Lehrer an der Kanton(s)schule in Frauenfeld, dann Staatsschreiber vom Kanton Thurgau & hernach Redaktor der „Zürcher Post" u. gegenwärtiger Statistiker in Zürich, fühlte sich als sog. Freund des Herrn Dr. R. H. - allem Anschein nach vielmehr als Gläubiger desselben - berufen, schon gegen den Ankauf der Sammlung durch den Bund Opposition zu machen, eventuell das Gesuch zu stellen, der Bundesrath möge die Ausbezahlung der Ankaufssumme sistieren, oder wenigstens einen Theil der selben zurückzubehalten, bis ich mich über die Befriedigung der Ansprüche des abwesenden Herrn Dr. Häusler ausgewiesen habe. Herr E. Kollbrunner behauptete in seiner Eingabe vom 31. Mai 1894 an den Bundesrath, Herr Dr. R. H. in Neuseeland sei Mitentdecker, Mitarbeiter, Compagnon, Mitinteressent, u. Mittheilhaber an den Schweizersbildfunden gewesen u. habe daher an dem Erlös einen Antheil zu beanspruchen. Er u. seine Helfershelfer stellen die Sache so dar, als ob Herr Dr. R. H. der Fachmann bei den Ausgrabungen gewesen sein soll, ich dagegen nur die Erfahrungen desselben ausgenützt hätte. So viel mir bekannt, war Dr. Häusler in Neuseeland Häuptling eines Maoristammes, Pflanzer, Lehrer und Goldgräber. Dass Herr Dr. H. in Neuseeland, oder früher in der Schweiz auch nur eine einzige Höhle selber ausgegraben oder bei einer solchen Ausgrabung betheiligt gewesen sei u. sich dadurch zum Fachmann in dieser Sache emporgeschwungen habe, hat er selbst nie behauptet und nie weder mündlich noch schriftlich gesagt .... Im Juli 1891 erbat sich einer meiner Kollegen einen Urlaub, um für 6 Monate einen Aufenthalt in der französischen Schweiz zu machen. Als Stellvertreter, von Mitte August bis Weihnachten, funktionierte der kürzlich aus Neuseeland zurückgekommene Dr. R. Häusler aus Aarburg. Da er einige Zeit unter den Maori in Neuseeland gelebt hatte, welche heute noch auf einer ähnlichen Culturstufe stehen & leben wie die Troglodyten der Rennthierzeit, interessierte er sich für die prähistorischen Fundstellen in unserm Kanton. Sowohl mein Sohn als auch ich zeigten ihm, dem Fremden und mit unserer Gegend völlig Unbekannten, die früheren Fundstellen; führten ihn zum Kesslerloch bei Thayngen, in die von uns anno 187 4 ausgegrabene Höhle an der Rosenhalde im Freudenthal, zum Dachsenbüel, in die Teufelsküche im Mühlenthal u. an viele andere Orte, wo ich früher gegraben hatte.


Immer noch hoffend doch endlich auch eine prähistorische Niederlassung zu finden, indem das Kesslerloch u. die Höhle im Freudenthal wohl nicht die einzigen prähistorischen Stellen in unserm Kanton sein konnten, entschloss ich mich in den Herbstferien 1891 wieder in verschiedenen kleinem Höhlen im Freudenthal zu graben; ich bestellte auf meine Rechnung einen Arbeiter u. Herr Dr. Häusler begleitete mich zu diesen Ausgrabungen u. wohnte denselben bei; aber auch diese Nachforschungen waren wiederum erfolglos. Ganz entmuthigt u. völlig enttäuscht, stellte ich die Arbeit am Nachmittag des 13. October 1891 ein und ich machte mich in Begleitung des Dr. R. Häusler, seiner Frau, meiner 4 Kinder und des Arbeiters auf den Heimweg, der bei dem Felsen vom Schweizersbild vorbei führte. Es war 3 Uhr; nun dachte ich, dem Arbeiter müsse ich so wie so den ganzen Taglohn bezahlen, ob er nun direkt nach Hause gehe, oder noch einige Stunden arbeiten müsse. Unterwegs machte ich dann Dr. H. den Vorschlag noch an einem andern Orte, wo ich schon 1874 eine prähistorische Niederlassung vermutete, einen letzten Versuch zu machen; sollte auch dieser fehlschlagen, so gelobte ich mir, niemals mehr in meinem Leben nach prähist. Funden zu graben. Ich führte Herrn Dr. Häusler zu dem überhängenden Felsen beim Schweizersbild u. erzählte ihm unterwegs welche Ähnlichkeit derselbe habe mit dem Hohlefelsen im Aachthal u. theilte auch ihm meine schon 18 Jahre früher ausgesprochenen Vermuthungen mit. Herr Dr. Häusler stellt diese Darstellung nicht in Abrede, wohl aber seine Freunde. In seinen Berichten über die Ausgrabungen am Schweizersbild 1891 in der ZürcherPost u. im Schaffhauser-Intelligenzblatt ist wörtlich zu lesen: ,,Herr Nüesch theilte mit, er habe bereits vor 18 Jahren die Ansicht ausgesprochen, es habe am Schweizersbild wohl eine grosse Niederlassung aus der Rennthierzeit existirt. Im Verein mit Dr. Häusler untersuchte er - Dr. Nüesch - mehrere kleinere Höhlen im Freudenthal ... ". Unter dem 2. Dezember 1893 schreibt Dr. Häusler an mich wörtlich: ,,Ich werde betonen, wie dann ein Graben am Schweizers bild gemacht wurde auf Ihr Anrathen, wie Sie vor Jahren bereits dort eine Niederlassung vermuteten". Gerade so, wie Dr. Häusler selber über die Entdeckung berichtete, steht es in den Verhandlungen der Berliner Anthropologischen Gesellschaft, sowie in allen von mir verfassten Berichten; ein Verschweigen von Thatsachen meinerseits oder ein Verschwindenlassen des Namens Häusler fand nicht statt. Nun aber zu der eigentlichen Entdeckung: Nachdem der Probegraben am westlichen Fusse des Felsens resultatlos war, schlug ich vor, noch einen Graben senkrecht auf den Felsen laufend zu machen. Ich nahm selbst den Pickel zur

Hand und zeichnete die Grösse desselben Probegrabens dem Arbeiter in Umrissen vor; ich musste mich dann einige Zeit hinter den Felsen begeben, während mein Sohn u. Dr. H. dem Arbeiter zusahen. Nach ganz kurzer Zeit kam eilend mein Sohn zu mir u. bat mich dringend, doch schnell zu kommen, Herr Dr. Häusler wolle auch fort; bereits sei seine Frau voraus gegangen u. Dr. H. habe schon den Rock angezogen, den Hut aufgesetzt & seine Tasche umgehängt & den Stock zur Hand genommen u. sei im Begriffe fortzugehen, er sagte, es habe ja auch nichts hier u. er wolle nicht mehr länger warten. Eine Messung meinerseits der Tiefe des bereits aufgeworfenen Grabens ergab nur eine solche von 25-30 cm; ich erklärte dem Arbeiter, der auf Dr. Häuslers Befehl bereits schon aufgehört hatte zu graben, es müsse weiter gegraben werden und ich werde allein bei ihm zurück bleiben. Herr Dr. Häusler empfahl sich und ging auch wirklich weg von diesem 2ten Versuchsgraben beim Schweizers bild, um seine junge, erst seit wenigen Monaten mit ihm verheiratete Frau nach Hause zu begleiten, welche ihn ungeduldig erwartete. Kaum aber hatte Dr. H. einige hundert Schritte gemacht, so warf der Arbeiter mit einer Schaufel ein sichelförmig gekrümmtes Steinchen heraus, das sich nach dem Abreiben als Feuersteinmesserchen erwies. Herrn Dr. H. wurde die Entdeckung zugerufen; er kehrte zurück. Bis er wieder an dem Versuchsgraben zurück war, hatten ich und mein Sohn und der Arbeiter schon dutzende von Feuersteinmesserchen u. Splitter sowie zerschlagene Knochen und Zähne aufgehoben. Mein Sohn und der Arbeiter sind Mitentdecker, nicht aber Herr Dr. Häusler. Unterdessen war seine Frau mit meinen Kindern nach Hause zurückgekehrt, wo sie die traurige Botschaft verkündete, dass abermals die Grabungen, auch die am Schweizersbild, erfolglos geblieben seien. Noch an demselben Abend kehrten wir, schon reichlich beladen, mit einer grossen Anzahl Feuersteinmesser u. Splitter, bearbeiteten Knollen, zerschlagenen Knochen etc. nach Hause und hatten die Überzeugung gewonnen, dass beim Schweizersbild eine Niederlassung aus der Rentierzeit begraben liege. Sofort schloss ich mit dem Eigentümer des Felsens und dem des anstossenden Terrains auf meinen Namen lautend Pachtverträge ab, nach welchen ich einzig und allein, gegen eine festgesetzte, jährlich zu bezahlende Entschädigung das ausschliessliche Recht erwarb, Grabungen daselbst vorzunehmen oder vornehmen zu lassen; und nach welchen ich sämtliche Fundgegenstände als mein Eigentum behalten konnte .... 244 245 246

Nachlass N üesch. Nachlass Nüesch. Nachlass Nüesch.

167


Da die Kosten der Ausgrabungen einer so grossen Niederlassung sehr bedeutende werden würden, wandte ich mich mit dem Gesuch an die Naturf. Gesellschaft in Schaffh., ob sie nicht die sämtl. Kosten der Ausgrabungen der ganzen Fundstelle tragen wolle, wogegen ich mich bereit erklärte: 1. ihr das von mir vertraglich erworbene und einzig und allein auf meinen Namen lautende Eigentumsrecht an die zu findenden Gegenstände abzutreten. 2. Für unsere Mühe bei den Ausgrabungen verlangte ich, sowohl für mich, als für Herrn Dr. Häusler die Vergünstigung aus den Fundgegenständen je eine kleinere Sammlung ausscheiden zu dürfen, und wahrte das ausschliessliche Recht der Leitung der künftigen Ausgrabungen und der Publikation über die Fundgegenstände. Mit diesen Bedingungen erklärte sich die Naturf. Gesellschaft einverstanden und das Comite tat sowohl bei den städtischen als auch kantonalen und eidgenössischen Behörden Schritte zur Erlangung der erforderlichen Geldmittel. Es gelang der Naturf. Gesellschaft aber nicht diese Mittel aufzubringen. Die Folge war, dass die ganze Last sowohl der Tätigkeit als auch der anzustrengenden Geldmittel nach jeder Richtung ausschliesslich auf meinen Schultern liegen blieb, und dass die Natf. Ges. nicht in die Lage kam, in präciser, vertraglicher Form, noch weniger durch reelle Unterstützungen der Ausgrabungen im Jahre 1892 die von ihr eingegangenen Verpflichtungen definitiv zu erfüllen; die nie perfect gewordene Vereinbarung wurde wieder gelöst und ich übernahm die sämtlichen Kosten der Ausgrabungen und das ganze Risiko allein u. war so wieder in den ausschliesslichen Besitz der Fundgegenstände gelangt, wie ich es von Anfang an einzig und allein auch war. - Die Ausgrabungen im Schweizersbild dauerten im Jahre 1891 vom 18. Oct. bis 31. Oct., während dieser 14 Tage war Herr Dr. H. anwesend. An Weihnachten 1891 verliess Herr Dr. H. Schaffhausen. Im Jahre 1892 wurden die Ausgrabungen am 25. Juli wieder aufgenommen und dauerten bis zum 28. Oct. desselben Jahres; während dieser Zeit wirkte Dr. H. nur noch vom 27. Juli bis 4. August während 10 Tagen mit, weil ich am deutschen Anthropologencongress in Ulm an der Donau vom 1.-4. August teilnahm und einen Vortrag daselbst über die Ausgrabungen am Schweizers bild hielt. Von diesem Zeitpunkt an habe ich sowohl im Jahre 1892 als auch im Jahre 1893 die Ausgrabungen ganz alleine geleitet und war während dieser Zeit vom Morgen früh bis Abend spät, beim Schweizersbild; besorgte das Sortieren und Etiquettieren der Fundgegenstände selber; überwachte die Arbeit beständig; legte die Pläne und Profile an; machte täglich und stündlich die Einträge ins Tagebuch; notierte die Lage, die Tiefe, den Ort der Fundgegenstände; gab die erforderl. Weisungen; grub häufig selber, wenn ein seltenerer Fundgegenstand in der Kulturschicht 168

vermutet wurde; nummerierte die Funde und trug die Nummern in ein Buch ein; zeichnete einzelne Gegenstände in ihrer natürl. Lage oder liess sie zeichnen; liess den Photographen häufig kommen, um Aufnahmen von freigelegten Gegenständen, oder von wichtigen Stellen, dem Herd, der Werkstatt, den Kindergräbern, dem Längsprofil am Felsen u.s. w. machen, wusch und reinigte seltene Gegenstände selber; schlemmte häufig ebenfalls; trennte die Knochen, Zähne, Feuersteine nach Schichten; verpackte das Material schichten weise in Kisten; schaffte es in den Rüdensaal; kleine seltene Sachen wurden in Gläschen und Schachteln gebracht und ebenfalls mit Nummern versehen; sehr zerbrechliche Gegenstände sofort in Conservirungsflüssigkeit eingelegt, u.s.w. u.s.w. Ich scheute weder Zeit, noch Arbeit, noch Mühe, noch Geld. Um Zeit zu gewinnen und nicht jeden Abend nach Hause zurückkehren zu müssen und um die Fundstätte auch nachts stets bewachen zu können, hatte ich ein Zelt mit 2 Feldbetten aufschlagen und das nötige Kochgeschirr herschaffen lassen .... Mit dem Ausgraben und Aufstellen der Fundgegenstände im Rüdensaal war die Arbeit aber noch lange nicht fertig für mich; jetzt erst ging die Hauptarbeit an, das Material musste gesichtet, bestimmt und beschrieben werden von Spezialforschern. Ich wandte mich an nicht weniger als 14 hervorragende Gelehrte im Inland und Ausland mit der Bitte, um gütige Mitwirkung bei der wissenschaftl. Verwertung des vorliegenden Materials; schickte solches an Spezialforscher nach Bern, Zürich, Basel, Stuttgart, Wien, Berlin, Heidelberg, Würzburg und hatte die grosse Freude, dass ohne Ausnahme die verehrtesten Herren Spezialforscher im Interesse der Wissenschaft meinem Gesuch entsprachen; von sämtlichen Forschern, - mit Ausnahme eines einzigen, der im letzten Sommer zurückgetreten ist - liegen druckfertige Monographien über die Schweizersbildfunde vor. Dass hieraus aber auch eine ganz ausserordentliche Correspondenz erwuchs u. zwar nicht nur mit den Herren Mitarbeitern, sondern bei dem allgemeinen Interesse, das den Funden entgegen gebracht wurde, auch mit einer Reihe von Gelehrten der verschiedensten Länder, mit gelehrten Gesellschaften, Privaten, Behörden, Museen, Verlegern etc. geht wohl daraus hervor, dass vom October 1891 bis Ende Dezember 94: 4 - sage vier - Copierbücher von je 500 Folioseiten von mir geführter Correspondenz nur über das Schweizersbild vorliegen! Überdies wurde ich von verschiedenen Seiten eingeladen, Vorträge über die Schweizersbildfunde zu halten, so von Herrn Prof. Dr. Penck in Wien. Um letzterem Gesuche entsprechen zu können, musste ich vom 24.-27. Mai 1893 einen Stellvertreter haben; ich wandte mich deshalb an Herrn Dr. Häusler mit Schreiben vom 10. Mai 1893 und


teilte ihm damals schon folgendes mit: ,,Die hiesige Naturf. Gesellschaft sah sich nach abermaligen Anstrengungen ausser Stande, die von ihr eingegangenen Verpflichtungen betr. die Bezahlung der Auslagen, welche 1891, 1892 u. 1893 erwachsen sind, zu übernehmen und somit fiel auch das Verabkommnis vom 16. October 1891 von selbst in sich zusammen, was auf Wunsch des Praesidenten der Gesellschaft gegenseitig noch schriftlich bestätigt wurde, so dass ich nun von jeder Verbindlichkeit ihr gegenüber vollständig frei bin. So teuer und schwer nun auch die Sache dadurch für mich geworden ist, so ist es mir nun doch lieb, gänzlich frei und selbständig in jeder Beziehung zu sein und ungehemmt als alleiniger Besitzer verfügen zu können. So kann ich mithin auch betr. die Publikation viel freier ans Werk gehen". Gegen diese Auffassung und Tatsache hatte Herr Dr. Häusler nichts einzuwenden, im Gegenteil er bestätigte sie voll und ganz in seiner Quittung vom 14. Juli 1893, welcher er mir ausstellte für die Honorierung von 4 Tagen Stellvertretung u. ca. 10 Tagen Arbeit und Hülfe im Rüdensaal, wobei Fr. 10.- per Tag als Norm angenommen wurde; ... Das Praesidium der hiesigen Naturf. Gesellschaft erkundigte sich im Laufe des Herbstes 1893, ob Herr Dr. H. für seine Bemühungen im Jahr 1891 befriedigt worden sei, und sprach den Wunsch aus, es möchte die Sache rasch geregelt werden. Trotzdem Herr Dr. H. gar keinen materiellen Anspruch an die Schweizersbildfunde hatte - die N aturforschende Gesellschaft hatte ihm allerdings eine kleinere Sammlung in Aussicht gestellt, selbstverständlich doch nur von den Funden bei deren Ausgrabung er im Jahre 1891 mitwirkte - und trotzdem diese Vereinbarung nie perfect wurde, so honorierte ich dennoch Dr. H. auf seinen Wunsch, anstatt mit einer kleineren Sammlung, mit Fr. 10.- per Tag für seine Bemühungen während den 14 Tagen im Herbst 1891 und den 10 Tagen im Jahre 1892. Hiefür hat er eine im ganzen Wortlaut von ihm verfasste und eigenhändig geschriebene Quittung ausgestellt, nach welcher er erklärt, dass dadurch der Anspruch an die Schweizersbildfunde aufgelöst und ausgelöst sei .... Herr Dr. Häusler befand sich damals in Zürich, um sich auf das Sekundarlehrerexamen vorzubereiten, weil seine Bemühungen eine Lehrstelle in der Schweiz zu erhalten an dem Umstande meistens gescheitert waren, dass er kein Lehrerpatent bez. Zeugniss über ein in irgend einem Kanton abgelegtes Examen vorzulegen im Stande war; er war bis im Dez. 1893 in der Schweiz und kehrte dann nach Neuseeland zurück. Es ist richtig, dass Herr Dr. Häusler mir geholfen hat, meine Sammlung gegen Bezahlung seiner Dienste aufzustellen; er hat aber auch den ganzen in den wissenschaftlichen Kreisen längst bekannten Ruf der Sammlungen als die meinigen, als meine Entdeckung gekannt, hat hin-

gegen niemals, weder mündlich, noch schriftlich, noch öffentlich opponiert, hat bezüglichen wissenschaftlichen Versammlungen und Verhandlungen meistens beigewohnt, hat aber auch gewusst: l. Dass nicht er, sondern ich der Entdecker der Fundstätte am Schweizersbild bin, 2. Dass ich, nicht er, der alleinige Besitzer des Ausgrabungsrechtes und der auszugrabenden Gegenstände von Anfang an war; 3. Dass die Verhandlungen der Naturf. Gesellschaft in Hier, mangels der pekuniären Mittel zur Bestreitung der Kosten der Ausgrabungen, sich zerschlagen hatten und ich allein auf meine Kosten und unter meiner Leitung die Ausgrabungen vornehmen liess und die bezügl. Pachtverträge des Landes auf mich allein lauteten, sowie die Zusicherung der Eigentümer des betr. Landes an die Ausgrabungsgegenstände. 4. Dass er, Dr. Häusler, bei diesen Ausgrabungen während der 14 Tage 1891 und der 10 Tage 1892 mit Fr. 10.- per Tag von mir entschädigt wurde. 5. Dass er mich hiefür quittiert und ausdrücklich für alle seine Ansprüche sich abgefunden bzw. sich ausgelöst erklärt hat. 6. Dass er im Jahre 1893 für seine Arbeiten im Rüdensaal ebenfalls mit Fr. 10.- entschädigt wurde u. zwar „von dem alleinigen Besitzer der Schweizersbildfunde". Unrichtig ist dagegen die Darstellung der „Familie Häusler" in Aarburg dass Herr Dr. Häusler stets der Leiter der Ausgrabungen gewesen sein soll. Er war es nie, er war nur während eines Tages im Herbst 1891 und dann während 4 Tagen 1892 mein Stellvertreter, nämlich während der Zeit meiner Abwesenheit am Anthropologencongress in Ulm. Unter meiner Leitung und in Abwesenheit des Herrn Dr. Häusler sind die Ausgrabungen in den Jahren 1892 u. 93 so gründlich, so sorgfältig und mit so viel Sach, und Fachkenntnis durchgeführt worden, dass sie die Anerkennung sämtlicher Besucher der Ausgrabungen am Schweizersbild in diesen Jahren erhalten haben. In Anwesenheit des Dr. H. wurde nur ca. 1/ 20 der Fundstätte ausgegraben; in seiner Abwesenheit dagegen, unter meiner Anwesenheit und Leitung 19/ 20 der Niederlassung. Beinahe 3 Jahre lang haben Herr Dr. Häusler geschwiegen; bei der Bezahlung der enormen Kosten der Ausgrabungen wollte weder er, noch die „Familie Häusler" in Aarburg, noch die Freunde Dr. Häuslers dabei sein und von den Pflichten eines Mitarbeiters, Mitteilhabers, Mitinteressenten und Compagnons etwas wissen. Erst jetzt da durch meine jahrelangen Bemühungen die Sammlungen im In- und Auslande bekannt geworden und ein Gegenwert heraus schaut, stürzt sich die gierige Meute darauf los, um durch Drohungen, Entstellungen und Verdrehungen der Tatsachen und Unterschiebungen auch noch ein Stück Geld zu erpressen! - Als Beweis, dass die 169


ganze Machenschaft nur auf einen Erpressungsversuch hinaus läuft, lasse ich zum Schluss den Brief des Herrn Staub-Häusler in Basel folgen: ,,Sehr geehrter Herr! In der Angelegenheit meines Schwagers Dr. R. Häusler betreff. ,Schweizersbild' erlaube ich mir, ein paar Worte an Sie zu richten. Im Besitze sämtlicher Correspondenzen obige Sache betreffend, bezwecken diese Zeilen eine Vermittlung anzustreben. In Gelehrtenkreisen herrscht einstimmig die Ansicht (?), dass Herr Dr. Häusler ein Anteil des Gewinnes gebühre. Es gibt, wie Sie, geehrter Herr, in einem Ihrer Briefe richtig bemerkt haben, keinen absoluten Zwang, es kann nur von moralischen Verpflichtungen die Rede sein. Sie können sich unmöglich länger dem Verdacht aussetzen, den Krankheitszustand des Herrn Dr. Häusler (Rudolf war, als er Ihre Schriftstücke unterzeichnete, in ärztlicher Behandlung!) und seine materielle Notlage zur Überlistung benützt zu haben. Es läge also sehr in Ihrem Interesse, auf meinen Vorschlag zu einem Vergleich einzugehen. Wie Sie dies tun sollen, kann ich nicht sagen, nur so viel weiss ich, dass die Familie Häusler sich mit einer bescheidenen Summe abfinden liesse. Eine hartnäckige Weigerung hätte für Sie zur Folge, dass die Freunde Dr. Häuslers den Kampf gegen Sie in öffentlicher Presse auf die Spitze treiben würden, und dass Sie, geehrter Herr, alsdann den härtesten belastendsten Anschuldigungen ausgesetzt wären, dessen Sie juristisch ebensowenig beikommen könnten, als dies umgekehrt Ihnen gegenüber der Fall sein kann.(!) Hochachtungsvoll G. Staub-Häusler, Basel. Basel, 6. Juli 1894". Meine Antwort darauf lautet folgendermassen: „Geehrter Herr! In Beantwortung Ihrer Zuschrift vom 6.1.M. beehre ich mich Ihnen mitzuteilen, dass ich nie in irgend welcher Beziehung stand zu der ,Familie Häusler' die sich nach Ihrer Angabe ,mit einer verhältnismässig bescheidenen Summe abfinden' lassen will betr. Schweizersbild, wohl aber mit Herrn Dr. Häusler, mit welchem allein ich zu verkehren habe, falls er Reklamationen irgendwelcher Art mir gegenüber zu machen hat. Es war mir bisher völlig unbekannt dass Herr Dr. Häusler je in materieller Notlage sich befand oder dass er wegen Krankheit handlungsunfähig gewesen sein soll; mir gegenüber hat er nie von finanziellen Schwierigkeiten gesprochen und in seinen Briefen mir gegenüber nie etwas derartiges verlauten lassen. Es ist wohl unerhört und noch nie dagewesen, dass seine Verwandten u. Freunde ihn nun nachträglich als unzurechnungsfähig qualifizieren, nachdem er aus freien Stücken und ohne irgend welche Überredung mir eine eigenhändige Quittung über Bezahlung seiner mir geleisteten Dienste bei 170

den Ausgrabungen am Schweizersbild ausgestellt hat, nach welcher er erklärt, dass dadurch der Anspruch an die Schweizersbildfunde aufgelöst und ausgelöst sei. Sein litterarischer Anteil war nie fraglich, es wird die Publikation nach seinem eigenen Vorschlag den Titel tragen ... von Dr. J. N. unter Mitwirkung von Dr. R. Häusler etc. Schon am 14. Dez. 1893 habe ich ihn durch ein Schreiben ersucht, mir schriftlich eine Eingabe zuzustellen behufs Aufnahme in das Werk, in welcher er seine Mitwirkung bei den Ausgrabungen und bei der Aufsuchung des Schweizersbildes genau beschreiben soll. Überdies hatte ich von mir aus vor und war ganz aus freien Stücken und nach freiem Ermessen ersonnen, bei günstigem Verkauf der Sammlung, eine Bonification Herr Dr. Häusler zu Teil werden zu lassen. Nachdem nun aber von seinen Verwandten und seinen Freunden (!) auf die gehässigste Art und Weise schon gegen den Ankauf der Sammlung in Bern und gegenwärtig immer noch gegen mich agitiert wird, und mir Drohungen entgegengeschleudert werden, wie Sie es in Ihrem Brief zu tun belieben, so wird es für mich immer mehr fraglich, ob ich der Regung Folge leisten werde. Sollten die Drohungen ausgeführt werden, so behalte ich mir ev. vor, Ihren Brief der hiessigen Staatsanwaltschaft zu übergeben, damit sie die Frage prüfe und erörtere, ob hier nicht ein strafbarer Erpressungsversuch von Ihnen und Ihren Freunden vorliege, und danach handeln. Achtungsvoll Dr. J. Nüesch. Schaffhausen, 24. Juli 1894"».

3. Besprechungen von Jakob Nüeschs Monographie über das Schweizersbild 3.1. Besprechungen der 1. Auflage von 1896 Dokument 7: Correspondenz-Blatt der Deutschen Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte, 28. Jg., Nr. 4, 1897, 32, von J. Ranke. «Wir haben die Freude, eine grossartige Publikation ersten Ranges in würdigster Ausstattung den Fachgenossen anzuzeigen. Die prähistorische Wissenschaft der Schweiz, welche soviel für die Kunde über den vorgeschichtlichen Menschen geleistet hat, hat sich hier ein neues bleibendes Denkmal gesetzt. Wir haben im Namen der Wissenschaft allen Mitarbeitern und nicht zum wenigsten der schweizerischen Bundesregierung den Dank darzubringen. Herr Dr. Jakob Nüesch hat sich durch dieses Werk in die vorderste Reihe der berühmten prähistorischen Forscher der Schweiz gestellt. Das Werk enthält ausser der Abhandlung des Herrn Dr. Nüesch über die Entdeckung der Niederlassung, die Grabungen, die Schichten und ihre Einschlüsse sowie über das relative und absolute Alter der ganzen Niederlassung und der ein-


zelnen Ablagerungen noch 8 naturhistorische und 2 kulturgeschichtliche Beiträge von schweizerischen und deutschen Spezialforschern. - Dank der ausserordentlich sorgfältigen und systematischen Ausgrabungen und dem Zusammenwirken der sämtlichen Beteiligten war es möglich: a) die Aufeinanderfolge einer Tundren-, Steppen- und Waldfauna in einer Vollständigkeit ( 110 Arten) zu konstatieren, wie eine solche von keinem anderen Ort aus der Pleistocänzeit bis jetzt bekannt ist; b) alle diese Faunen - auch die Steppenfauna - als postglacial und damit postglaciale Klimaschwankungen zu erweisen; c) die Gleichzeitigkeit der Existenz des paläolithischen Menschen mit den beiden älteren dieser postglacialen Faunen festzustellen; d) aus der neolithischen Zeit zum ersten Mal auf dem Lande eine ansehnliche Begräbnisstätte (27 Individuen) von den waldbewohnenden Neolithikern - einer etwas älteren Bevölkerung als die eigentlichen Pfahlbauer der schweizerischen Seen - sowie e) eine bisher in Europa aus der neolithischen Zeit noch nicht bekannte, menschliche Rasse von kleinem Wuchs (Pygmäen) nachzuweisen; f) eine klare Aufeinanderfolge der Schichten am Schweizersbild zu erkennen, welche ermöglichte, auch über das absolute Alter, nicht bloss über das relative, der ganzen Niederlassung und der einzelnen Horizonte annähernde Zahlenwerte anzugeben; g) in den übereinanderliegenden Schichten eine Folge der verschiedenen Kulturepochen von der ältesten Steinzeit bis zur Gegenwart und die Dauer der einzelnen Epochen zu konstatieren, und zwar dauerte - wenn die neolithische Zeit 4000 Jahre hinter uns liegt -: die paläolithische Zeit mit der Tundren- und Steppenfauna circa 8000 Jahre; die Zwischenzeit zwischen der älteren und jüngeren Steinzeit, bis die Steppenfauna verschwunden und der eindringenden Waldfauna Platz gemacht, circa 8000-12 000 Jahre; die Pfahlbauerzeit bzw. die ganze neolithische Periode circa 4000 Jahre und die historische Bronce- und Eisenzeit circa 4000 Jahre; die am Schweizersbild so überaus schön entwickelten, zum grossen Teil aus Breccie, dem verwitterten Material des Jurafelsens bestehenden Ablagerungen nebst den fremden Einschlüssen bilden den Chronometer, der diese Zeitrechnung erlaubt. Sollten weniger als 4000 Jahre seit der neolithischen Zeit verflossen sein, so reduzieren sich die obengenannten Zahlen für die einzelnen Epochen entsprechend; wenn sie auch keinen Anspruch auf absolute Sicherheit machen können, so ist es doch interessant zu ersehen, dass seit dem erstmaligen Auftreten des Menschen am Schweizersbild bzw. seit der letzten Eiszeit nicht hunderttausende von Jahren verflossen sind, wie bisher angenommen, sondern eine weit bescheidenere Zahl als wahr-

scheinlichstes Mass angegeben werden kann und dass zwischen der ältesten und der jüngsten Steinzeit ein bisher nicht geahnter, mächtiger Zeitraum liegt! Das Werk füllt eine Lücke in der Geschichte der Schweiz aus; Johannes von Müller hat die Schweizergeschichte in historischen Zeiten beschrieben; Ferdinand Keller in Zürich hat durch seine Berichte über die Pfahlbauten die neolithische und erste Metall-Zeit desselben Landes enthüllt und das vorliegende Werk versucht ein Bild der Schweiz und Mitteleuropas in der paläolithischen Zeit zu entrollen».

Dokument 8: L'Anthropologie 8, No. 3, Paris 1897, 346-350, von L. Laloy241. «Cette publication, veritable monographie du Schweizersbild, est le resultat de la collaboration de dix auteurs, dont chacun a etudie un des c6tes de la question. Nous aurons occasion de les citer au cours de ce compte rendu. Quanta M. Nuesch, qui eut le premier l'idee de faire des fouilles en cet endroit, il expose, dans un memoire tres documente, l 'histoire des travaux entrepris sous sa direction et resume les recherches de ses collaborateurs. D'apres M. C. A. Baechthold, le nom de la localite en question ne signifie pas „image des Suisses", comme on l'a cru longtemps. Au XVe siecle existait, non loin de la, · une de ces images de saintete garantie par une legere construction, comme on en voit frequemment au bord des routes. Cette image avait ete placee 1a par un nomme Schweizer, citoyen de Schaffhouse. Elle fut detruite au moment de la Reforme, mais les traces de la maisonnette subsistent encore. Avant le XVe siecle les chroniques donnent a ces rochers le nom de Immenfluh, qui indique qu'ils servaient de limite entre deux territoires. Nous ne dirons rien de la situation du Schweizersbild ni de la succession des couches explorees. Ces points ont ete bien exposes par M. Boule des 1893 248 . Nous noterons seulement le soin meticuleux avec lequel les fouilles ont ete conduites. Les debris meme les plus insignifiants en apparence ont ete recueillis et pourvus immediatement d'etiquettes indiquant le niveau Oll ils ont ete trouves. Les ouvriers, tries sur le volet, avaient un salaire eleve, mais ne recevaient pas de remuneration speciale pour les objets trouves. Enfin l'emplacement des fouilles etait clos. Ces precautions devraient etre prises dans tous !es travaux de ce genre.

'

47

248

Eine im Wortlaut fast gleiche Rezension erschien in den Nouveaux Memoires de la Societe helvetique des sciences naturelles XXXV, Zürich, 1896. 346-351. Boule 1893.

171


M. A. Penck etudie !es formations glaciaires des environs de Schaffhouse dans leurs rapports avec !es stations du Schweizersbild et de Thayngen. Au debut de l'ere glaciaire Ja region etait a peu pres plane; un glacier venu du sud-est y deposa les alluvions dites Deckenschotter. Ce glacier recule, les vallees se creusent; une seconde periode glaciaire survient et les alluvions des terrasses se deposent. Apres une nouvelle periode de recul, il y a une troisieme invasion des glaces, dont la limite se trouve precisement a Schaffhouse. Pendant cette troisieme periode glaciaire, Je Schweizersbild etait entierement recouvert de glace. Apres le recul du glacier, il s 'est ecoule une longue periode pendant laquelle s 'est depose un cailloutis jurassique apporte par les eaux des vallees avoisinantes. Ce n 'est qu 'ensuite que s'est formee la couche a rongeurs, avec les debris detaches du rocher, et plus tard encore, la couche paleolithique. La station de Thayngen est de meme post-glaciaire et non interglaciaire, comme l' auteur dit autrefois. Ces resultats sont confirmes par les recherches de M. A. Gutzwiller, qui a etudie les blocs erratiques que les habitants du Schweizers bild avaient apportes a la station. Ces blocs appartiennent aux alluvions de la derniere extension glaciaire; leurs analogues se rencontrent encore aujourd'hui a la surface du so! ou sous l'humus dans le voisinage de la station. La faune du Schweizersbild a ete etudiee par MM. Th. Studer et A. Nehring. Celui-ci s'est occupe plus particulierement des petits vertebres de la „couche a rongeurs". Le grand nombre des individus trouves (plusieurs milliers) et leur disposition par tas lui font penser que ces rongeurs y Ollt ete apportes SOUS forme d'excrements par des oiseaux tels que des hibous, des chouettes, etc. Dans ses parties !es plus inferieures cette couche contient une faune arctique ou de toundra, caracterisee par le lemming a collier, le renard polaire, !' Arvicola ratticeps, !es Foetorius erminea et vulgaris, et le renne. Mais le climat a du se modifier peu a peu; car dans !es parties superieures de la „couche a rongeurs" on trouve une faune subarctique ou de steppe, avec !es Cricetus phoeus et vulgaris, l 'Arvicola gregalis, le Lagomys pusillus, le cheval et le Rhinoceros tichorhinus. Cette faune de steppe a du reste persiste pendant la periode paleolithique. On trouve en effet dans la terre jaune correspondant a cette epoque des restes de Spermophilus rufescens, Cricetus vulgaris, Lagomys pusillus. Dans la couche superieure a petits mammifäres, intercalee dans le cailloutis sterile, on ne trouve plus que des restes de la faune des steppes. En revanche, d'autres especes sont fort bien representees et montrent que le regime de la region est devenu forestier. Ce sont: Sciurus vulgaris, Myoxus glis, Eliomys nitela, Mustela martes. Enfin la couche grise, neolithique, ne renferme plus que des espe172

ces forestieres: cerf, chevreuil, sanglier, ours. N ous ne pouvons dans ce compte rendu que citer les especes !es plus caracteristiques de chaque niveau. Mais on lira avec interet dans !es memoires originaux !es details anatomiques de toutes !es especes trouvees au Schweizersbild et leur comparaison avec celles provenant d'autres stations. On consultera egalement le tableau de la repartition des especes par assises, que sa longueur nous empeche de reproduire ici. La partie anthropologique a ete confiee a M. Kollmann. On sait que tous !es squelettes sont neolithiques (sauf trois qui paraissent plus recents) et ont ete enterres dans !es couches plus profondes. L' epoque paleolithique n' a donne aucun debris humain. Les squelettes neolithiques comprennent 14 adultes et 10 enfants, dorrt 3 ont ete enterres avec leurs meres. Les 7 autres portaient des ornements formes de coquilles de tarets (Teredo mediterranea), qui vivent encore actuellement dans la Mediterranee. Parmi les adultes, 9 ont une taille normale, 5 ont une taille inferieure a lm,50 et paraissent etre des pygmees. Nous n'insisterons pas sur cette question qui a deja ete presentee aux lecteurs de L' Anthropologie. Malheureusement le nombre des cas ou les caracteres craniens ont pu etre releves n' est pas assez considerable pour permettre de decider s' il y a des differences anthropologiques bien nettes entre les representants des hautes tailles et !es pygmees. Les premiers ont certainement une capacite plus elevee: 1310 chez un adulte masculin, alors qu'un homme de la petite race n'a que 1245 et une femme 1140. Quant a l'indice cephalique, il para'i:t moins dolichocephale dans la grande race: 77,6 (1 cas), tandis que chez !es pygmees il varie de 71,4 a 76,3 (3 cas). L'archeologie prehistorique a ete etudiee surtout par M. Nuesch. La couche la plus inferieure, celle dite a rongeurs, ne contient que peu de debris de l'industrie humaine: un foyer isole, des instruments en os et en bois de cervides, d'autres en pierre, peu abondants. Dans les couches superposees a celles-ci on trouve des restes d' oiseaux de proie qui habitaient dans les fentes du rocher. On peu dorre affirmer que ce premier etablissement de l'homme a ete passager. Mais des ce moment il possedait une industrie assez developpee: son outillage etait de tous points comparable a celui du chasseur derennes qui lui a succede. La couche paleolithique, superposee a la precedente, est separee des couches suivantes par un cailloutis sterile qui fait defaut dans la partie occidentale de la station. En ce point eile est en contact direct avec la couche neolithique. Sa couleur jaune-rougeätre tient aux ossements dorrt elle est melee et a l' action du feu sur les pierres. A la partie externe et vers le milieu de la station, cette couche devient noire, ce qui tient aux particules organiques, restes des debris de cuisine qu' on avait accumules en ces


points. Les instruments de pierre qu'on y trouve sont excessivement abondants (plus de 14 000 pieces). Ils etaient fabriques sur place avec les nodules siliceux provenant du calcaire jurassique superieur et avec des roches trouvees dans les moraines voisines. De grandes plaques de pierre situees autour des foyers semblent avoir servi de sieges. Cette industrie paleolithique est en somme semblable a celle de nos stations franc;aises de l'äge du renne, dans le memoire cite plus haut, M. Boule en a decrit et figure les formes les plus caracteristiques. Nous n'y reviendrons pas. Nous noterons seulement que cette couche renferme un grand nombre de coquilles fossiles, dont quelques-unes peuvent provenir du rocher lui-meme. Les autres ont ete apportees par les troglodytes. Quelquesunes proviennent du versant nord du Randen, d'autres de la vallee de Wutach, eloignee de 5 heures de la station; d'autres enfin du tertiaire de Zimmerholz dans le Hoehgau. C' est aussi de cette derniere localite que proviennent, d'apres les etudes de M. J. Früh, les morceaux de charbon mineral trouves a la Station, ce qui prouve qu'a ce moment le Hoehgau etait deja debarrasse de glaces. En tous les cas ces faits montrent que le territoire de chasse des troglodytes etait tres etendu, et qu'ils rapportaient de leurs excursions tous les objets qui leur paraissaient interessants ou curieux. D' autres coquilles proviennent du bassin tertiaire marin de Mayence. Elles indiquent des relations commerciales ou des migrations. Enfin il faut noter aussi, parmi les objets de parure, des fragments d'encrine, du cristal de roche, des mineraux a couleurs vives provenant de la moraine. Le cailloutis dit sterile qui provient de Ja desagregation du rocher et qui surmonte Ja couche precedente contient cependant quelques eclats de silex et des os fendus qui prouvent qu 'a diverses reprises Ja station abandonnee a servi de refuge provisoire a des chasseurs. Il n'y a donc pas de hiatus complet entre les couches paleolithique et neolithique. Nous n'avons vu plus haut que Ja faune de cette periode est intermediaire entre celle de Ja steppe et de Ja foret. Les restes des petits mammiferes sont de nouveau en tas comme dans la couche a rongeurs, et doivent provenir des excrements des oiseaux de proie qui avaient de nouveau pris possession du rocher abandonne par l'homme. La zone neolithique est situee entre Je cailloutis et l 'humus; elle doit sa couleur grise a Ja grande quantitie de cendres qu 'elle renferme. Leur mauvaise conductibilite pour Ja chaleur a certainement contribue a favoriser Ja conservation des objets renfermes dans !es couches sousjacentes. Elles ont ete analysees par M. J. Meister, qui !es a trouvees tres riches en acide phosphorique. Les instruments en corne et en os sont moins abondants dans cette couche que dans Ja zone paleolithique. Ceux de pierre

sont au nombre de 6000. Sauf 12, qui sont en pierre polie, les autres ne different en rien des instruments paleolithiques. On ne trouve notamment pas de ces pointes de fleche barbelees, qui sont si frequentes dans !es palafittes. Mais il est possible que ces grattoirs, couteaux, scies, etc. en silex aient ete ramenes de Ja profondeur au moment du creusement des sepultures. II n'y a pas, dans Ja couche neolithique, trace d'atelier de taille du silex. Quant aux autres outils, ils sont en bois de cerf et non plus en bois de renne comme a l' epoque precedente. Des instruments en pierre polie, etudies par M. 0. Schoetensack, une hache en jadeite et des tessons de poterie faite a Ja main, suffisent a dater cette assise. Dans les couches precedentes il n'y avait pas trace d 'escargots. Au contraire l 'assise neolithique n' en renferme pas moins de 20 especes, qui vivent encore toutes aux environs de Schaffhouse, notamment Helix ericetorum et Helix candidula. Il n'y a pas de formes alpestres ou septentrionales. L'auteur ne dit pas si ces escargots se trouvaient en tas et paraissaient avoir servi a l'alimentation, comme dans l'assise a escargots du Mas-d' Azil decrite par M. Piette. Les graines trouvees dans cette couche montrent egalement qu 'elle est peu ancienne. Elles appartiennent aux especes suivantes: noisetier, prunier, prunellier, cerisier, cornouiller, fusain et troene. La station du Schweizersbild, avec la succession si reguliere de ses couches, permet de se faire une idee de la duree approximative des diverses epoques. Si l'on admet qu 'il s 'est passe 4000 ans depuis l' epoque neolithique jusqu'a ce jour comme l'humus a 0,40 m d'epaisseur, il s 'en est depose 1 centimetre par siede. En supposant que Ja rapidite des dep6ts ait ete la meme depuis le diluvium, on voit que Ja couche neolithique de 0,40 m d'epaisseur a mis 4000 ans a se former; le cailloutis, de 0,80 a 1,20 m d' epaisseur, a mis 8 a 12 000 ans; l' assise paleolithique de 0,30 m, 3000 ans; et Ja zone a rongeurs de 0,50 m d'epaisseur, 5000 ans. La duree entiere de Ja periode a donc ete de 24 a 29 000 ans. Si l' on rapporte ces chiffres a la classification generale des epoques prehistoriques, Oll voit que Ja periode de transition entre le paleolithique et Je neolithique a dure 8 a 12 000 ans. Du reste ces chiffres sont plut6t un maximum. En resume, Je travail de M. Nuesch et de ces collaborateurs est fort interessant, quoiqu 'on eüt pu souhaiter un peu plus de methode dans l'exposition des faits. II semble egalement que ceux-ci eussent pu preter a des rapprochements interessants avec d' autres stations quaternaires, notamment de France. A un autre point de vue, nous sommes heureux de voir M. Penck se rallier entierement a l'opinion que M. Boule a defendue Je premier et sur laquelle il est revenu a diverses reprises, a savoir que la station du Schweizersbild est postglaciaire, sans aucune equivoque possible». 173


Dokument 9: Zeitschrift für Ethnologie 30, Berlin 1898, 375-376, von R. Virchow.

«Das Schweizersbild ist in dieser Zeitschrift, namentlich in den Verhandlungen der anthropologischen Gesellschaft, wiederholt Gegenstand der Besprechung gewesen; unsere Leser kennen die lange Reihe der sich an diese Stelle knüpfenden Untersuchungen, die von Jahr zu Jahr immer mehr vertieft worden sind. Jetzt hat sich Hr. Nüesch, der Entdecker und Erforscher der am Fusse der Felskuppen verschütteten uralten Überreste entschlossen, die Ergebnisse aller dieser Untersuchungen in einem grossen stattlichen Bande, der auf Kosten der Schweizerischen Gesellschaft für die Naturwissenschaften und mit Subvention des Bundes gedruckt ist, zu veröffentlichen. Ausser seiner eigenen zusammenfassenden Arbeit über die prähistorische Niederlassung (S. 219ff.) enthält der Band eine grosse Anzahl specialistischer Abhandlungen von Fachgelehrten, von denen die Herren Th. Studer, A. Nehring, J. Kollmann, A. Penck genannt werden mögen, und ausserdem eine Reihe kleinerer Artikel aus der Hand guter Kenner und erprobter Forscher (Gutzwiller, Früh, Meister, Hedinger, Schötensack). Diese haben zugleich die allgemeinen Fragen über das Alter der Niederlassung, die Schichtenfolge und die Culturepochen erschöpfend behandelt. Es wurde so die postglaciale Stellung der auf einander folgenden Faunen (Tundren-, Steppen- und Wald-Fauna) der Pleistocen-Zeit und die Coexistenz des Menschen mit den beiden älteren dieser Faunen dargethan. Dazu kam eine neolithische Begräbnisstätte und die ausführlich von Hrn. Kollmann behandelten Menschenreste, welche höchst merkwürdige Zwergformen dargethan haben. Die geschliffenen Steinwerkzeuge aus der neolithischen Zeit wurden von Hrn. Schötensack einer speciellen Bearbeitung unterzogen. So wird hier ein grosses Culturbild vorgeführt, welches trotz der beschränkten Localität, von der es entnommen ist, doch für die Beurteilung zahlreicher Verhältnisse aus der Urzeit der benachbarten schweizerischen und süddeutschen Gebiete von höchster Bedeutung ist. Es mag hier erwähnt werden, dass der Präsident des historisch-antiquarischen Vereins in Schaffhausen, Pfarrer Bächtold, in einer kleinen Mitteilung (S. 339) über die Herkunft des Namens „Schweizers bild" interessante Aufschlüsse gegeben hat. Darnach stand bis zur Reformation (1529) in der Nähe der Felsen ein Heiligenbild (Bildhäuschen), vermutlich von einem Mitgliede des Schaffhauser Geschlechts Schweizer gestiftet; die beiden, noch jetzt stehenden (Jura-) Felsen trugen den Namen Immenfluh. Als die Heiligenbilder zerstört waren, übertrug sich die Bezeichnung „bei Schweizers Bild" auf die benachbarte Flur und schliesslich, unter Hinzufügung mancher, sehr 174

willkürlicher Deutungen, auch auf die Felsen selbst, während der Name Immenfluh bald spurlos verschwand. Unter den Einzelabhandlungen verdient die von Hrn. Penck über die Glacialbildungen um Schaffhausen und ihre Beziehungen zu den prähistorischen Stationen des Schweizersbildes und von Thayngen (S. 157ff.) besondere Aufmerksamkeit. Indem der Verfasser die Gliederung der Glacialbildungen, ferner die Gletschergrenze westlich des Bodensees, sodann speciell die Glacialbildungen und die Schotter-Terrassen bei Schaffhausen analysirt, gelangt er zu einer festen Chronologie der Renthier-Stationen am Schweizersbild und von Thayngen (Kesslerloch). Er nimmt seine frühere Ansicht, wonach die letztere Station interglacial sein sollte, ausdrücklich zurück, und erklärt nicht nur diese Station, sondern auch die von Schweizersbild und selbst die von Schussenried für postclacial. Somit pflichtet er dem Satze von Marcel Boule bei, dass „die Menschen der Renthierzeit lange, nachdem die letzten quartären Gletscher die Gegend von Schaffhausen verlassen hatten, daselbst angekommen sind" (S. 177). Die Abhandlung des Hrn. Gutzwiller „Die erratischen Gesteine der prähistorischen Niederlassung am Schweizersbild und das Alter dieser Niederlassung" (S. 183) führt zu einer ähnlichen Auffassung. Mittheilungen der Hauptresultate aus den anderen, namentlich den sehr wichtigen zoologischen Abhandlungen der Herren Studer und Nehring, müssen wir uns versagen. Auch aus dem vorzüglichen, höchst klaren und vollständigen Gesammtbericht des Hrn. Dr. Nüesch selbst mag es genügen, dem Leser die Abschnitte über die culturhistorischen Einschlüsse (S. 257ff., S. 300ff.) zu bezeichnen. Eine anschauliche Skizze (S. 262) zeigt die „Küche" der alten Bewohner; ihr Anblick brachte dem Referenten seinen Besuch des Schweizersbildes vom Jahre 1892 (Verhandlungen der Gesellschaft Bd. XXIV, S. 456), dessen der Verfasser freundlich gedenkt (S. 287), in Erinnerung. Sie lag ziemlich im Mittelpunkt der damals aufgedeckten Fundstätte. In ihrer Umgebung steckten zahlreiche Manufakte, namentlich geschlagene Feuersteine, von denen übrigens jetzt Hr. Hedinger nachgewiesen hat, dass das Material, gleich wie das der benachtbarten Stationen, aus dem jurassischen Grenzgebirge zwischen Baden und der Schweiz, dem sog. ,,Randen" bezogen sein muss (S. 217). Die Hauptstücke, sowohl unter den Manufakten, als auch unter den eigentlichen Artefakten, sind auf besonderen Tafeln, theils in natürlicher Grösse, theils etwas vergrössert, dargestellt. Letztere zeigen eingeritzte Zeichnungen, während wirkliche Skulpturen fehlen. Unter den ersteren sind die schon mehrfach publicirte Kalksteinplatte (S. 308, Tafel V und VI) mit Thiereinritzungen und gleichfalls mit solchen besetzten Kommandostäbe (S. 307, Tafel VII und VIII) vor allen zu erwähnen.


Schliesslich kann Referent nicht umhin, dem ebenso fleissigen, wie gewissenhaften Forscher seine Bewunderung über die Ausdauer, mit welcher er seine mühselige Arbeit fortgesetzt hat, und seine Glückwünsche für die Vollendung des grossen Werkes auszudrücken. Mit der Bescheidenheit des wahren Forschers hat er überall bewährte Hülfskräfte aufgesucht, welche seinen Funden die richtige Deutung zu geben wussten. So ist eine Gesammtleistung entstanden, welche den besten Publikationen unserer Zeit an die Seite gestellt werden muss».

Dokument 10: Zeitschrift Himmel und Erde, Jg. 9, Heft 11, Berlin 1898, 497, von K. Keilhack. «Die urgeschichtliche Niederlassung am Schweizersbild in Schaffhausen. Eine ungeheure Förderung erfuhren alle diese Studien durch einen glücklichen Fund, den Dr. Jakob Nüesch in Schaffhausen im Verlaufe langjähriger Studien und Untersuchungen in der Umgegend seiner Vaterstadt zu machen endlich das Glück hatte. Vertraut mit allen Methoden der neueren exakten Forschung, mit unermüdlicher Hingabe an sein Werk und unter grossen Opfern an Zeit und Geld, gelang es diesem Gelehrten, durch systematische Untersuchungen einer der an thierischen und menschlichen Überresten reichsten Ablagerungen, die je bekannt geworden sind, ein erschöpfendes Bild der Aufeinanderfolge des Thierlebens und der Menschenrassen während eines Zeitraumes von der ältesten Steinzeit bis hinauf zu der neolithischen Periode zu gewinnen. Die eingehenden Untersuchungen einer unendlichen Fülle von Material durch die berufensten Spezialforscher gestattete die Herausgabe eines geradezu klassischen, für alle Zeiten vorbildlichen Werkes, welches in interessantester Form die wesentlichsten Resultate langjähriger Mühe und Forschungen darstellt .... Der Verfasser möchte an dieser Stelle nochmals der hohen Befriedigung Ausdruck geben, die ihm das Studium der unglaublich reichhaltigen, von Dr. J. Nüesch zusammengebrachten Sammlung an Ort und Stelle gewährt hat, und ihm seinen Dank und seine Anerkennung aussprechen».

Dokument 11: Zeitschrift Gaea, Natur und Leben, Jg. 34, Heft 4, 1898, 221, von H. Klein, Köln. «Bereits früher hat die Gaea auf den wichtigen Fund aufmerksam gemacht, den die prähistorische Wissenschaft der aufopferungsvollen Thätigkeit von Dr. Jakob Nüesch in Schaffhausen verdankt und der zu den reichhaltigsten gehört, welche bis heute jemals gemacht wurden. Die Ausgrabungen, welche unter Leitung dieses Forschers stattfanden, werden für alle Zeiten als wahrhaft vorbild-

lieh und mustergültig gelten, und sie haben mit einem Schlage eine ganze Reihe von Entdeckungen gebracht und manche Fragen ihrer endgültigen Lösung näher gerückt. Im Interesse der Wissenschaft hat Herr Dr. Nüesch nicht nur seine Arbeitskraft, sondern auch grosse Geldopfer aufgewendet; ohne ihn würde der wichtige Fund weder zu Tage gefördert, noch nach seiner ganzen wissenschaftlichen Bedeutung klar gestellt worden sein. Mit einer Unermüdlichkeit und Beharrlichkeit, die wahrhaft ihresgleichen sucht, hat er Jahre lang gearbeitet, und schliesslich ist es ihm gelungen, unter Mitwirkung hervorragender Spezialforscher, alle Ergebnisse der Grabungen in einem grossen Werk zu publiciren, welches soeben der wissenschaftlichen Welt übergeben wurde .... Es erübrigt uns zum Schluss nochmals die grossen Verdienste dieses Gelehrten rühmend hervorzuheben, der alle Schwierigkeiten, die sich seiner Arbeit entgegenstellten, mit unbeugsamem Muthe überwand und die grössten Opfer brachte, aber dafür auch seinen Namen ruhmvoll denjenigen der grossen Förderer der prähistorischen Wissenschaft anreihte».

Dokument 12: Antiquitäten-Zeitschrift, neue Serie, Jg. 5, Nr. 9, 155, von G.A. Müller. «Noch nie ist eine archäologische Station mit grösserer Gewissenhaftigkeit untersucht worden. Nicht alle Tage wird ein „Schweizersbild" entdeckt - nicht alle Tage schauen wir eine solche wissenschaftliche Grossthat eines Forschers. Das Schweizersbild ist und bleibt ein Ehrendenkmal schweizerischer Forschung. Da ich Pompejis wiedererstandene Strassen einst durchwallt, war mein Schauer und mein Erstaunen nicht grösser als im Angesicht der vielsagenden Reste einer Kultur, die wir mit der pietätvollen Scheu eines Kindes betrachten, das reich und berühmt geworden, die arme Hütte seiner Jugend betritt in gerührtem Gedenken ... ».

Dokument 13: Sonntagsblatt des Bund, Nr. 5, 1898, von H. Walser. «Zwei Fundstätten ersten Ranges hat die Schweiz aus der Epoche der Höhlensiedler, der Renthierjäger, aufzuweisen, und zwar dicht bei einander liegend; das Kesslerloch bei Thayngen und das Schweizersbild bei Schaffhausen. Haben die Ausgrabungen von Thayngen Epoche gemacht, so sind diejenigen vom Schweizersbild bestimmt, Schule zu machen. Schweizersbild bietet klare und unzweifelhafte Ergebnisse in fast überreicher Zahl. Das Buch über die Funde vom Schweizersbild ist ein Werk geradezu ergreifenden Forscherfleisses». 175


3.2. Besprechungen der 2. Auflage von 1902 Dokument 14: Correspondenz-Blatt der Deutschen Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte, Jg. 33, Nr. 6, 1902, 50, von J. Ranke. «Wir begrüssen freudig die zweite Auflage dieses wichtigen Werkes. Das Werk ist vermehrt durch zwei neue Beiträge, und zwar 1. Über die Fischwirbel vom Schweizersbild von Dr. Victor Fatio in Genf und 2. Über die Thongefässscherben aus der neolithischen Schicht vom Schweizersbild von Dr. 0. Schötensack in Heidelberg. Die Zahl der Tafeln wurde von 25 auf 31, diejenigen der Abbildungen im Text von 8 auf 35 erhöht. Die Tafeln mussten ganz neu hergestellt werden, da die pellicules der Tafeln der ersten Auflage in der Zwischenzeit unbrauchbar geworden sind; auch sind auf mehreren Tafeln ganz andere Gegenstände abgebildet als früher, so dass nun in beiden Auflagen über 600 Objekte aus der Niederlassung dem Auge des Lesers vorgeführt werden. Die Abbildungen selbst sind viel schöner und genauer als früher; sie machen dem polygraphischen Institute in Zürich alle Ehre. In der Anordnung des Buches ist insofern eine Änderung getroffen worden, dass die zusammenfassende Arbeit an den Anfang des Werkes gestellt wurde und die 12 Beiträge der Herren Mitarbeiter als Belege dazu nachfolgen. Das noch vorhanden gewesene, nicht untersuchte Knochenmaterial vom Schweizersbild hatte Herr Dr. M. Schlosser in München die Gewogenheit einer Durchsicht zu unterziehen; die Resultate dieser Untersuchung sind in meiner zusammenfassenden Arbeit berücksichtigt; der rühmlichst bekannte Ichthyologe Dr. Victor Fatio in Genf hat die Fischwirbel, welche von den Raubvögeln am Fusse des Felsens als Gewölle hinterlassen worden sind, untersucht und 7 verschiedene Spezies von Fischen in der unteren Nagetierschicht bestimmen können; dadurch ist die Zahl der beim Schweizersbild aufgefundenen Tierspezies auf 117 gestiegen. Die hauptsächlichsten Vertreter der ganzen russischen Tierwelt vom höchsten Norden bis hinunter zum Schwarzen Meere haben nacheinander in der Gegend von Schaffhausen gelebt und dienten den Bewohnern des Schweizersbildes als Nahrung. Das Profil der Schichten bildet geradezu einen Querschnitt durch die historische und vorhistorische Zeit bis zu den letzten grossen Vergletscherungen der Alpen. Ein neues und erhellendes Licht auf diese Schichten, namentlich auf die intermediane Breccienschicht, welche zwischen der paläolithischen und der neolithischen Zeit entstand, werfen die neueren geologischen Untersuchungen der Glazialzeit durch Herrn Professor Dr. A. Penck in Wien, welcher nun vier anstatt drei verschiedene Eiszeiten unterscheidet und welche er auch bei Schaffhausen durch 176

die fluvioglazialen Bildungen nachgewiesen hat. Die Verfolgung der Gletschergrenze westlich vom Bodensee hat ergeben, dass der ganze Klettgau vom Eise der letzten Vergletscherung bedeckt gewesen ist. Der Randen bildete während derselben einen Pfeiler, der sich ein Stück weit in die äusserste Grenze der Gletscher hineinschob. Diese senkte sich an ihm mit geringer Unterbrechung südwestwärts; ob das Schweizersbild von der letzten, der vierten Vergletscherung ganz bedeckt oder von derselben erreicht worden ist, ist nicht mehr ganz sicher. Immerhin ist und bleibt das Alter der Niederlassung unverändert; sie ist postglazial in bezug auf den letzten grossen Vorstoss der Gletscher auf das Alpenvorland. Verschiedene „Stadien" im Rückzuge der letzten Vergletscherung konnten nachgewiesen werden, während welcher das Eis neue Vorstösse von gelegentlich recht beträchtlicher Ausdehnung gemacht hat. Die oben erwähnte Breccienschicht entspricht einem solchen Stadium, während welcher Zeit sie durch Verwitterung des Felsens entstanden sein muss. Interessant für den Anthropologen sind die Abbildungen der Gehörknöchelchen des von Professor Dr. Virchow seinerzeit ausgegrabenen Kindes, welche sich in den bisher sorgfältig aufbewahrten Felsenbeinen derselben vorgefunden haben. Es sind dieselben wohl die ersten bisher bekannt gewordenen Gehörknöchelchen eines Menschen aus der neolithischen Zeit. - Durch eine Menge von Anmerkungen haben auch die Herren Mitarbeiter die neue Auflage vermehrt und mit dem gegenwärtigen Stande der Wissenschaft in Einklang gebracht. Wir gratulieren dem hochverdienten Autor zu diesem ausserordentlichen Erfolge». Dokument 15: NZZ, Beilage zu Nr. 189, vom 10. Juli 1902. «Es ist unseres Wissens das erstemal, dass ein Band aus der streng wissenschaftlichen Serie der Denkschriften der Schweizerischen Naturwissenschaftlichen Gesellschaft eine Neuauflage erforderte und ein schöner Beweis für die hohe und vielseitige Bedeutung des Werkes, die übrigens schon der ersten Auflage von den Eminenzen der prähistorischen Forschung, wie Virchow und Ranke, begeistert zuerkannt war. Der Denkschriftenkommission selbst gebühre dankbare Anerkennung für ihre erneute Bemühung um das Werk. Die neue Auflage des bekannten grossen Werks über die Ausgrabungen im Schweizersbild bei Schaffhausen ist gegenüber der ersten, im Jahre 1896 herausgegebenen, um 24 Textseiten, 6 Tafeln und 27 Textfiguren vermehrt (jetzt 388 Seiten quart mit Karte, 31 Tafeln und 35 Figuren im Text). Ganz neu sind folgende Beiträge: Fatio (Genf), ,,Quelques Vertebres de Poissons provenant des fouilles du Schweizersbild" und Schötensack (Heidel-


berg), ,,Die Tongefäss-Scherben aus der neolithischen Schicht vom Schweizersbild" mit 13 Figuren. Die zusammenfassende Übersicht von J. Nüesch ist an den Anfang des Bandes gestellt und um zahlreiche Anmerkungen vermehrt, so besonders auch um die Resultate von M. Schlosser (München), der das übriggebliebene osteologische Material untersuchte. Die Tafeln zu diesem ersten Teil der Arbeit mussten neu hergestellt werden. Dabei konnte die Anzahl der abgebildeten Artefakte bedeutend vermehrt werden. Es sind jetzt über sechshundert verschiedene Fundgegenstände vom Schweizersbild durch Abbildungen belegt. Die übrigen Arbeiten sind im wesentlichen dieselben geblieben, höchstens um kleine Nachträge vermehrt; die Resultate sind durch manche erneute Untersuchungen bestätigt und teilweise erweitert worden. Als Mitarbeiter figurieren ausser den Genannten die Herren Studer Bern, Nehring Berlin, Kollmann Basel, Penck Wien, Gutzwiller Basel, Früh Zürich, Meister Schaffhausen, Hedinger Stuttgart und Bächtold Schaffhausen. Bei dieser Gelegenheit mag daran erinnert sein, dass die Fundstücke aus der prähistorischen Station des Schweizersbildes eine stolze Abteilung unseres Schweizerischen Landesmuseums bilden».

4. Zur Person Rudolf Häuslers und zu seiner Kritik an Jakob Nüesch 4.1. Dokumente zur Person R. Häuslers Dokument 16: Brief von R. Häusler, Aarburg, an J. Nüesch, vom 2. Dezember 1893 (Auszug)249 • «Sehr geehrter Herr Dr.! Da ich fast die ganze Woche im Bette zubrachte konnte in Schweizersbildsachen nichts getan werden; wir verreisen heute Abend nach Genua. Ich muss daher nur in Eile ein unangenehmes Thema behandeln. Ich werde nämlich aufgefordert meine Interessen in der Schweizersbildangelegenheit betr. Sammlung & Publikation zu wahren, da Sie mich nun ganz „bei Seite stossen werden". Dasselbe wurde mir & meiner Frau schon vor 2 Jahren in Schaffhausen von mehr als 30 Personen prophezeit. Das kann ich mir natürlich nicht gefallen lassen. Ich habe bis jetzt immer gegen mein eigenes Interesse gehandelt & habe Schweizersbild während 11/ 2 Jahren alle freie Zeit, Arbeit, z. T. sogar Gesundheit geopfert & habe für alles so viel wie gar Nichts. Ich muss also darauf halten dass mir nicht auch noch das Letzte entrissen wird. Laut ursprüngliche(m?) Übereinkommen, wie mündlich & schriftlich in vorläuf. Berichten bestimmt, geschieht die

Publikation in unserer Beider Namen. Ich figuriere willig in untergeordneter Stellung, z. B. so von Dr. N. unter Mitwirkung von Dr. H. oder in ähnlichem Sinne. Es muss ferner in der Einleitung, z.B. Geschichte der Entdeckung mein Anteil sachgemäss dargestellt werden, nicht wie beispielsweise in Boules Arbeit oder in allen spätem Publikationen über die Ausgrabungen. Ich bin nicht ehrgeizig. Es ist mir absolut gleichgültig in welcher Form die Sache dargestellt ist, wenn sie nur ganz wahrheitsgetreu ist. Ich werde, um gegen alle Fälle gesichert zu sein, so bald als möglich, auf der Reise, wenn mir die Gesundheit längeres Schreiben möglich macht, den ganzen Sachverhalt bis in die kleinsten Details zusammenstellen & nach Zürich schicken, darin zunächst betonen, wie ich Jahre ein Quartal lang allein, oder mit Frau, einige Male mit Paul fast täglich auf die Suche ging, wie Sie mich später begleiteten, wie wir gemeinschaftlich gruben, wie damit ein Graben am Schweizersbild gemacht wurde, auf Ihr Anraten (wie Sie vor 15 Jahren bereits dort eine Niederlassung vermuteten, etc. etc.). Ich muss dieses tun, um allen Zeitungsskandal zu verhüten. Meine Freunde werden mich zwar gut verteidigen, aber genau sind ihnen die Details doch nicht bekannt & von Ihren Feinden, die uns & der Sache am meisten schaden können, & die vielleicht scheinbar in meinem Interesse schreiben, haben wir am meisten zu befürchten. Ich g(e?)b schriftlich meine Einwilligung nur zu öffentlicher Darstellung im Falle obige Fälle betreff. Publikation (Titel & Einleitung) eintreten. Sollte vorher oder nachher von irgend einer Seite über Schweizersbild geschrieben werden, so geschieht es gegen mein Wissen & Wollen. Ich habe früher schon bittere Artikel unterdrücken müssen & werde es auch so viel als möglich tun. Meine Verteidigung ist guten Händen anvertraut aber ich hoffe dass sie nicht notwendig werde. Wenn die Sache noch so ruhig dargestellt wird in öffentl. Blättern, so schadet es doch der Sache .... Ich hätte früher schreiben sollen aber erst ein mir gestern zukommender Brief bewog mich dazu die Sache ernstlich aufzufassen, vielleicht mit Unrecht. Im Falle irgend etwas in einer Zeitung erscheinen sollte, so bitte ich Sie im Interesse aller & der Sache selbst, sofort einzuschreiten. Meine Freunde tun dasselbe. Eine Erklärung Ihrerseits dass z b. der Bericht über die Ausgrabungen, von uns verfasst, dann & dann erscheinen wird wird Manches Unangenehme verhüten. Es tut mir leid dass noch in letzter Stunde solches vorkam. Hoffentlich kann alles gütlich abgetan werden. Ich werde ihnen vielleicht unterwegs schreiben können wenn ich gesund

240

Nachlass Nüesch.

177


& weniger aufgeregt bin. Ich sage Ihnen hiermit herzlich Lebewohl, ebenso Ihrer ganzen Familie & wünsche Ihnen für die Zukunft Glück & Segen. Rudolf Häusler».

Dokument 17: Brief von E. Kollbrunner, Zürich, an den Bundesrat, vom 31. Mai 1894 250 • «Hochgeachtete Herren! Mit Botschaft vom 10. April empfahlen Sie den eidgen. Räthen die Erwerbung der Herrn Dr. J. Nüesch in Schaffhausen gehörenden Sammlung von Fundgegenständen aus der prähistorischen Niederlassung bei Schweizersbild. Der Ständerath hat Ihrem Antrag bereits zugestimmt und der Gegenstand soll demnächst im Nationalrath behandelt werden. Der Unterzeichnete ist im Falle, bei dieser Sachlage ein auf die Angelegenheit bezügliches Gesuch zu stellen zur einstweiligen Wahrung der Interessen und Rechte eines landesabwesenden Mitbetheiligten, des Hrn. Dr. Rud. Häusler in Auckland - Neuseeland, Mitentdeckers von Schweizersbild und Mitarbeiters an der Erforschung desselben. Es mag Sie vielleicht überraschen, von diesem Mitarbeiter und Compagnon des Hrn. Dr. Nüesch zu hören, von welchem in den betr. Akten, nach der Botschaft vom 10. April und deren Auszügen aus Gutachten hervorragender Gelehrter zu schliessen, nicht die Rede zu sein scheint. Indessen scheint eben bei Einholung von Gutachten der Zufall Hrn. Häusler viel weniger günstig gewesen zu sein als Hrn. Nüesch; kann ich mir doch kaum denken, dass wenn z.B. in dieser archäologischen Sache auch die Vernehmlassung des Archäologen Privatdozent Dr. Heierli eines Fachmannes par excellence - in einer derartigen Angelegenheit eingeholt worden wäre, derselbe den Namen und das Verdienst Dr. Häuslers, die ebenfalls ,,sorgfältige sachkundige Arbeit eines schweizer. Mitbürgers" (Botschaft S. 7), auch mit Stillschweigen übergangen hätte; ebenso wäre dies wohl auch nicht vorgekommen etwa ab Seite des Anthropologen Dr. Martin. Die drei in der Botschaft genannten Namen müssen wohl von der betr. Thätigkeit Dr. Häuslers - wiewohl dieser ihnen nicht unbekannt ist und wiewohl davon in öffentlichen Blättern die Rede war, z. B. in einer einlässlichen und frühzeitigen Darstellung der „Zürcher Post", - kein Wissen gehabt haben. Für die Zwecke der vorliegenden, lediglich interimistischen Eingabe dürfte es genügen, wenn ich zum einstweiligen Nachweis der Mitarbeiterschaft und Mitbetheiligung Dr. Häuslers an der Schweizersbild-Erforschung folgendes anführe: ,,Die Frucht langjähriger emsiger Nachsuchungen" (Botschaft S. 7) wurde bei Schweizersbild eingesammelt in den Jahre 1891, als zufällig Hr. Dr. Häusler, damals aus 178

Neuseeland zurückgekehrt, eine Schulverweserstelle in Schaffhausen versah und mit Hrn. Dr. Nüesch zusammentraf, in dessen Hause er - Häusler - meines Wissens logierte. Die beiden Herren zusammen, von deren einem jetzt immer nur die Rede ist, unternahmen die betr. Forschungen mit Ausgrabungen, - mit dem bemerkenswerthen Unterschied freilich, dass nur dem Einen die wünschbaren materiellen Mittel hiefür zu Gebote standen. Dieser Umstand hinderte indess, anfänglich wenigstens, nicht daran dass Hr. Häusler - was gewiss zu Gunsten seiner wissenschaftlichen Befähigung und der Schätzung desselben ab Seite seines Compagnons spricht - mit Dr. Nüesch als Gleichbetheiligter und Gleichberechtigter auftrat und zwar in von ihnen beiden gemeinsam gethanen Schritten. Zum Beweise hiefür, soweit es hier in Frage kommen kann, entnehmen wir einer authentischen Mittheilung aus Schaffhausen folgenden Passus: ,,Es machten im Spätjahr 1891 die Herren Dr. Nüesch & Dr. Häusler der Naturf. Gesellschaft Schaffhausen den Vorschlag: diese beiden Herren überlassen der Naturf. Gesellschaft das ganze ausgegrabene und noch auszugrabende Material unter der Bedingung, dass ihnen das alleinige Recht der Leitung der Ausgrabungen und der Publikationen über dieselbe gesichert werde, dass jedem der beiden Herren eine kleine Sammlung der ausgegrabenen Gegenstände gegeben werde, und dass die Naturf. Gesellschaft die Gesammtkosten der Ausgrabungen trage. In diesem Sinn wurde ein Vertrag mit den beiden Herren abgeschlossen". Welchen weitem Verlauf die Sache nahm ist für einmal nicht zu erörtern. Herr Häusler ist seit dem Spätjahr 1893 wieder in Neuseeland, - von seinem Antheil an den Ausgrabungen und Funden von Schweizersbild ist in den Verhandlungen über den Erwerb der „Nüesch'schen Sammlung" mit keiner Silbe die Rede. Es gibt Leute, welche - in voller Kenntnis der Verhältnisse - es unrecht finden, unrecht im vollen und schweren Sinne des Wortes, dass die Angelegenheit diesen Gang nehmen soll, dass der eine betheiligte, vom Geschick weniger begünstigte als der andere, in seinen Rechten und Interessen gekränkt & verkürzt werden soll, auf doppelte Weise: in wissenschaftlicher Hinsicht und in materieller Beziehung zugleich. Es müssen diese Empfindung die Familienmitglieder des Häuslerschen Kreises und die Freunde desselben haben, welche seine Thätigkeit in Schaffhausen und sein übriges Wirken kennen. Für diese Kreise handelt einstweilen der Unterzeichnete, indem er vorliegende Eingabe an Sie richtet. Herr Häusler ist so rasch als möglich nach Erscheinen Ihrer Botschaft und der Verhandlung im Ständerathe vom Stand der Angelegenheit in Kenntniss gesetzt worden. Eine briefliche Antwort kann für einige Zeit noch nicht eintreffen, wohl aber dürfte ein Telegramm von ihm aus


Auckland nicht mehr lange Zeit auf sich warten lassen, jedenfalls während der Session des Nationalrathes eingehen. Wir - die Mitglieder der Familie Häusler und Freunde derselben - wünschten nun sehr, dass die weitere Behandlung des Traktandums, die Erledigung im Nationalrath, einstweilen verschoben werde, bis eine Mittheilung von Dr. Häusler eintrifft. Die Sache kann gewiss nicht Schaden leiden, wenn sie auch, statt gleich zu Anfang Juni, erst im Verlauf der Junisession, zur Behandlung kommt, und die Person des mitinteressierten und mitberechtigten landesabwesenden aargauischen Gelehrten dürfte soviel Rücksicht auch verdienen! Eventuell könnte Herr Häusler aber dadurch Rücksicht getragen werden, dass - im Falle der Erledigung des Traktandums - wenigstens die Auszahlung eines entsprechenden Theils der Kaufsumme von Fr. 25 000.- verschoben würde, bis den Rechten und Interessen Dr. Häuslers von Seiten des Hrn. Dr. Nüesch die verdiente sachgemässe Beachtung und Würdigung zu Theil geworden ist, bis über die angemessene Befriedigung dieser Rechte - deren anderweitige Geltendmachung in vollem Umfang vorbehalten bleibt - Ausweis geleistet wird. Wir empfehlen diese Gesuche Ihrer geneigten Beachtung, in der Überzeugung, damit zu Gunsten des Hrn. Dr. Häusler wahrlich nicht zu viel zu verlangen und Hrn. Dr. Nüesch damit nicht zu nahe zu treten. Die Sache selber dürfte es ihrerseits eher erfordern als verbieten, dass jedes Verdienst um dieselbe zu seinem Rechte kommt und nicht ,,der Abwesenden Unrecht hat"; es dürfte ferner im Interesse derselben liegen, dass der erwähnten Sachlage von den eidgen. Behörden Rechnung getragen und nicht einfach die Angelegenheit auf dem Rechts- bzw. dem Prozessweg verwiesen wird. Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeachtete Herren Bundesräthe, die Versicherung vollkommener Hochachtung. Sign. E. Kollbrunner (Kantonsstatistiker)».

Dokument 18: Brief von J. Nüesch an das Eidgenössische Departement des Innern, vom 7. Juni 1894 (Auszug)2 51 • «Hochgeachteter Herr Bundesrath! Ihre verehrliche Zuschrift von gestern sammt der Copie der Eingabe des Herrn Kollbrunner vom 31 ten Mai an den schweizerischen Bundesrath sind mir gestern richtig zugekommen. Ich kann aus Letzterem nichts ersehen, als dass ein offenbar über die Verhältnisse sehr schlecht Instruierter in letzter Stunde noch der Erwerbung meiner Sammlungen durch den Bund entgegentreten möchte, u. zwar offenbar nicht im Auftrage dessen, als dessen „Mandatar ohne Auftrag" er sich gerieren möchte, sondern wohl angestachelt von boshaften Neidern und einem jungen, deutschen, in seinem Ehrgeiz von mir vermeintlich verletzten

Forscher Dr. Martin, weil ich einen Theil der Schweizersbildfunde nicht ihm sondern einem andern hervorragenden Gelehrten Prof. Kollmann zur Untersuchung übergab, der mir durch seinen Namen schon, mehr Garantie für gründliche, wissenschaftliche Verarbeitung des übergebenen Materials bot als jener. Es ist mir durchaus unerklärlich, wie diese, vollständig vom Zaun gerissene, unerwartete Intervention einer unberechtigten Drittperson geeignet sein könnte, die Frage der Erwerbung der Sammlungen durch den Bund aufzuhalten. Schon der Umstand, dass - wenn ich die Sammlung deren einziger, alleiniger u. ausschliesslicher Besitzer ich bin, seit jeher auch war, u. zwar mit Wissen und Willen des Herrn Dr. Häusler, wie Herr Kollbrunner sogar selbst noch ausführt, einem Dritten verkauft hätte, wodurch der Kauf nicht an die grosse Glocke gehängt worden wäre - gar keine Möglichkeit bestanden hätte für Herrn Kollbrunner derartig zu interveniren, beweist wohl zur Genüge, wie wenig Berechtigung dieser Mann ohne Vollmachten heute beanspruchen darf; aus dem zufälligen Umstande, dass eine Botschaft des h. Bundesrathes existiert, tritt er als quasi Bevollmächtigter eines Abwesenden auf, von dem er nicht einmal auf telegraphischem Wege bisher eine zustimmende Antwort erhalten konnte. Herr Dr. Häusler war bis in den Dezember v. J. in der Schweiz, hat selber mir meine Sammlungen gegen Bezahlung seiner Dienste aufstellen helfen, hat den ganzen, in den wissenschaftlichen Fachkreisen längst bekannten Ruf der Sammlungen als die meinigen als meine Entdeckung gekannt; hat hingegen niemals weder mündlich noch schriftlich, noch öffentlich oponiert, hat bezüglichen, wissenschaftlichen Versammlungen u. Erörterungen meistens beigewohnt. ... Aus genau denselben Gründen, aus welchen Herr Kollbrunner für Herrn Dr. Häusler das Recht als Mitentdecker, Mitarbeiter u. Mitinteressenten herleitet, könnte jeder von mir 1891, 1892 & 1893 bei den Ausgrabungen angestellte u. von mir für seine Arbeiten bezahlte u. von mir überwachte Arbeiter als Mitentdecker, Mitarbeiter u. Mitinteressent ebenfalls auftreten. Übrigens werden die Verdienste des Herrn Dr. Häusler um die Ausgrabungen, sowie diejenigen der andern Angestellten s. z. in der Publikation über die Schweizersbildfunde gebührend u. den Thatsachen entsprechend gewürdigt werden. Die zufällige Anwesenheit desselben in Schaffh. im Jahre 1891 kann meine 20jährigen, emsigen Nachforschungen wohl nicht ungeschehen machen. Als etwelchen Comentar zu dem Auftreten des Herrn Kollbrunner mag vielleicht folgendes dienen. Als Herr Kollbrunner noch Lehrer u. dann nachher Staatsarchivar 250

251

Nachlass Nüesch, Abschrift. Nachlass Nüesch, Abschrift.

179


in Frauenfeld war u. gleich zeitig, wie ich selber, noch ein Knabenpensionnat hielt, wurden einige junge Leute statt zu ihm, wie er erwartete, zu mir geschickt; als er dann nachher Redaktor wurde, versuchte er Anfangs u. er einzig, stets in den Nachrichten über meine Funde am Schweizersbild auch den Namen Dr. Häusler, u. zwar stets in erster Linie hineinzufüingen; er verschmähte es sogar nicht, schon damals bissige u. hämische Bemerkungen in seinem Blatt über mich zu machen, was von Herrn Dr. Häusler des Entschiedensten missbilligt wurde. Auf diese Meldungen bezieht er nun sein ganzes Elaborat, das eine Pression auf den Tit. Bundesrath bez. Nationalrath üben will u. das sich mir gegenüber als ein Erpressungsversuch qualifiziert, bei dem ihm sogar die Tit. Bundesbehörden behülflich, durch die gewünschte Verschiebung des Erwerbes sein sollten. Ihr Ergebener Dr. J. Nüesch».

Dokument 19: Brief von R. Häusler, Auckland, Neuseeland, an J. Nüesch, vom 1. Juni 1894 (Auszug) 252 • «Geehrter Herr Dr! Die letzte Post brachte mir einen Haufen Briefe, Zeitungen die mich zu einigen Erklärungen veranlassen. Sie betreffen unsere Ausgrabungen. Es soll nun, nachdem alle Arbeit getan, Alles geordnet ist, Ihrerseits, wie es scheint, heissen: Der Moor hat seine Schuldigkeit getan, der Moor kann gehen. Damit ist nun aber weder der Moor noch seine Familie & Bekanntenkreis einverstanden. Im Gegenteil alle sind entschlossen endlich einmal den wahren Stand der Angelegenheit öffentlich bekannt zu machen & mir zu meinem Recht zu verhelfen. In allen Ihren letzten Berichten etc. wurde mein Name nie genannt. Ich habe mich schon früher oft über Ihr ungerechtes & unehrliches Vorgehen in dieser Hinsicht geärgert, aber nicht gerne einen öffentlichen Skandal verursacht, so sehr ich auch von allen Seiten zu energischem Vorgehen aufgefordert wurde. Da es nun aber scheint als ob Sie beabsichtigen in allen Punkten mir gegenüber wortbrüchig zu werden & mir jeden Anteil abzusprechen, bin ich gezwungen ganz energisch vorzugehen. Mein Name muss & wird auch seinen Platz behaupten. Fiat justitia pereat mundus. Ich habe ausschliesslich im wissenschaftlichen Interesse & in Ihrem eigenen gearbeitet & ich halte daher folgende Punkte aufrecht: 1. Die Publikation geschieht in Beider Namen, laut ursprünglichem Vertrag & Veröffentlichung. Um Ihren grössern Anteil, zu dem Sie natürlich berechtigt sind auszudrücken, kann der Titel ungefähr so lauten ... von Dr. Nüesch unter Mitwirkung von Dr. H. Damit ist das richtige Verhältniss ausgedrückt. 180

2. Unser Verhältniss, spez. die Art der Entdeckung wird wahrheitsgetreu dargestellt, nicht wie in Ihren Artikeln etc. 3. Die Art & Weise, wie Sie mich veranlassten, meinen Anteil abzutreten, unter falschen Vorspiegelungen, wird durch die Tagespresse bekannt gemacht. 4. Die Sammlung trägt einen Namen, der meinen Anteil resp. meine Arbeit erkennen lässt. 5. Es wird öffentlich bekannt gemacht, & durch Ihre & meine Briefe bestätigt, dass ich auf Ihren Wunsch alle Ausgrabungen unterliess, alle Unterhandlungen betr. Ankauf von Höhlen betr. Erlaubnis Nachgrabungen anstellen zu dürfen abbrach, Nichts veröffentlichte, Ihnen alle meine Beobachtungen jeweilen mitteilte, Ihnen alle im Laufe von 15 Jahren gesammelten Erfahrungen mitteilte oder dieselben beim Schweizersbild verwertete & dass ich die Sammlung ordnete, dass ich die Pläne, die in einem grenzenlosen Wirrwarr waren, korrigierte (8 Fehler in einem Plänchen!). 6. Wenn andere Ausgrabungen in einer Höhle des Aargauischen, Solothurn., Bern. & Neuenburg. Jura unternommen werden (Ihrerseits) unternommen werden, fällt mir 1/ 4 aller Funde zu. 7. Wenn der Verkaufspreis Ihre Kosten beträchtlich übersteigt, erhalte ich eine entspr. Entschädigung: ... Ich habe 11/ 2 Jahre lang alle andere Arbeit liegen lassen um zum Gelingen des Unternehmens beizutragen & weder Mühe, noch Zeit oder Gesundheit geschont, um die Sache zu fördern. Ich habe Ihnen alle meine eigenen Erfahrungen, das sehr reichhaltige Material von Notizen etc. mitgeteilt & alle mir bekannt gewordenen Methoden beim Ausgraben etc. versucht, dort auch die schwerste & unangenehmste Arbeit verrichtet, dabei auch den Keim zu meiner Krankheit geholt. Ich habe mit grösster Mühe die Sammlung geordnet & die Pläne hergestellt & verbessert. Ich bin jeweilen auf Ihren Wunsch nach Schaffhausen gekommen, gegen meine eigenen Interessen & gegen den Willen meiner Familie & Ihnen mit Rat & Tat beigestanden. Ich habe auf Ihren Wunsch darauf verzichtet andere Ausgrabungen zu unternehmen & auch über die Existenz anderer Lokalitäten nichts publiziert um Ihnen nicht zu schaden. Ich habe ferner die ersten Unterhandlungen zur Sicherung von Höhlen im Jura abgebrochen, um den Wert der Sammlung nicht zu schmälern. Ich habe Ihnen auch die Offerte gemacht weitere Ausgrabung gemeinschaftlich zu unternehmen. Kurz ich habe nichts versäumt um Ihnen behülflich zu sein. Mündlich & schriftlich sprachen Sie oft die Befürchtung aus, die Kosten nicht bestreiten zu können & damit finanziell Schaden zu leiden. In mehrern ihrer Briefe ist dieses so dargestellt, dass ich kaum daran zweifeln kann, dass dieses wirklich ihre Ansicht war. Schon in einem Brief, datiert 19. März 1893, die Publikationskosten & Photographien betreffend, schrie-


ben Sie: ,,Mir graut vor den immer grösser werdenden Kosten, da die Naturforsch(ende) Gesellschaft in hier erklärt hat, keine Mittel zu besitzen um die Kosten der Ausgrabungen bestreiten zu können, ja sogar noch den im Jahre 1891 geleisteten Beitrag zurückverlangt". In den meisten der spätem Briefe kommt der Kostenpunkt wieder zur Sprache & Ihre mündlichen Äusserungen waren alle im gleichen Sinne(.) Dieses ist, wie ich anzunehmen geneigt bin, kein Manöver, wie es einer meiner Freunde tituliert. Ich glaube denn doch nicht dass Sie zu so schmählichen Mitteln Ihre Zuflu.cht genommen hätten, um mich meines Anteils zu „berauben"; Qui vivra verra. Nun die Sache in Zürich! Beim Spaziergang & Mittagessen erklärten Sie mir, & ich glaube auch dass dieses Ihre Ansicht war, dass ohne mein Verzicht auf die Sammlung, diese nicht gut verkäuflich sei, da sich so wenige gute Stücke darin befinden, dass es, um Sie vor Schaden zu sichern, notwendig sei, dass die Sammlung intakt bleibe. Der Wert der Sammlung war damals von 8-12 000 Fr. taxiert von Sachverständigen & wenn ich nicht irre schlugen Sie Ihre Kosten auf etwa 8000 Fr. an. Ihre Angaben & der Wunsch mich zum Verzicht zu bewegen, schienen mir damals also gerechtfertigt. Sie erinnern sich auch an jenen Abend als mir Frau Dr. Nüesch ebenfalls die gleiche Befürchtung aussprach. Wir (woll?)en also annehmen dass Ihnen der Wert der Sammlung unbekannt war & um Sie vor Schaden zu sichern, gestützt auf ihre Angaben & Versicherungen & Befürchtungen liess ich mich verleiten, die schriftliche Verzichtung zu unterschreiben, auf weitere Ausgrabungen zu verzichten & eine Summe von Fr. 250.- ! ! als alleinige Entschädigung anzunehmen & die Sache am nächsten Tage meinen Freunden mitzuteilen. Sie kennen mich gut genug um zu wissen, dass ich die ganze Sache nie vom finanziellen Standpunkte aus betrachtete & mich mit jeder „Entschädigungssumme" einverstanden erklärt hätte, so lange ich glauben musste, dass Sie Verluste erlitten. Nun kann aber davon keine Rede sein & ich muss nun einsehen, dass ich mich übertölpeln liess, mein Recht, um ein Linsengericht abzutreten. Diese Sache gehört nun vor die Öffentlichkeit, um meine gegenwärtige Stellung zu Ihnen & der Sammlung klar zu machen. Sie und Frau Dr N. machten mir allerdings die Zusage, im Falle die Sammlung gut verkauft werde, meiner zu gedenken, aber, da Sie in andrer Weise so oft in eigentümlicher Weise handelten, kann ich darauf wenig Gewicht legen. Ich behaupte also hier & öffentlich, dass ich jene Verpflichtung einging auf Ihre Angaben hin, dass Sie finanziell in dem Unternehmen Schaden erlitten. Selbst die Photographien & die Sammlung, die sie mir in Zürich versprachen, blieben aus ! ! ! ! Ich habe also von der ganzen Sache so weit rein Nichts! Zeit, Geld, Gesundheit, Arbeit umsonst geopfert. Mein Name soll gestrichen werden,

mir jeder Anteil, wissenschaftlich & finanziell abgesprochen werden. Sie werden einsehen, dass ich damit nicht einverstanden bin. Ich gedenke also eben so vorzugehen & Sie von jedem Schritte in Kenntniss zu setzen, damit Alles offen & ehrlich, wie es sich unter Männern der Wissenschaft gehört ausgefochten werde. Meine Familie & eine grosse Zahl meiner Freunde nehmen die Sache an die Hand, indem sich ein Komite bildet, das meinerseits die Vollmacht hat alles Aktenmaterial zu veröffentlichen & alle Mittel anzuwenden, um mir zu meinem Recht zu verhelfen. In offenen Briefen in der Tagespresse wird Alles behandelt, der ganze Verlauf der Ausgrabungen etc. einlässlich besprochen etc. Es kann dieses, so viel ich glaube, geschehn ohne dem wissenschaftlichen Wert der Funde zu sehr zu schmälern & ohne dem ganzen einen Stempel a la Kesslerloch aufzudrücken, obschon vom moralischen Standpunkte aus die Sache viel bedenklicher aussieht. Ich werde also sorgen, so weit es mir möglich ist, dass nichts aus unsrer Korrespondenz & aus unserm ganzen Verkehr bekannt wird, was dem (=den) wissenschaftlichen Werth gefährden kann .... Es tut mir sehr leid dass nach dem gemeinschaftlichen Arbeiten sich unsere Beziehungen so gestalten, aber Sie zwingen mich zu energischem Vorgehen & es werden weder Mühe, Mittel oder Kosten gescheut werden, mir zu meinem Recht zu verhelfen. Mit gleicher Post geht an meine Bevollmächtigten eine Kopie dieses Briefes, Auszüge aus Ihren Briefen & andres Aktenmaterial ab & werden Sie wahrscheinlich im Laufe von etwa 1(4 ?) Tagen von den ersten Schritten in Kenntniss gesetzt werden, so dass Ihnen Zeit gegeben ist, Ihrerseits Schritte zu tun zur Verteidigung. Ich versichere Sie, dass es mir ganz ferne liegt Sie in irgend einer Weise zu schädigen mit Bezug auf ihren wissenschaftlichen als finanziellen Anteil & dass ich nur genötigt vorgehe wie oben angegeben wurde. Ich erwarte von zu Hause weitere Berichte, so dass ich Ihnen wohl nächsten Monat mehr mitteilen werde. Ich bemerke noch dass schon früher meinerseits Auftrag gegeben wurde, in der Sache nichts zu tun (also vor etwa 6 Monaten) was dem ( =den) Verkauf der Sammlung in irgend einer Weise beeinträchtigen könnte. Mit ausgezeichneter Hochachtung. Dr. Rudolf Häusler».

Dokument 20: Brief von J. Nüesch an R. Häusler, vom 24. Juli 1894 (Auszug)2 53 • «Geehrter Herr Dr! Ich bestätige Ihnen den Empfang ihres Schreibens vom 1. Juni 1. J. und teile Ihnen folgen252

253

Nachlass Nüesch. Nachlass Nüesch, Abschrift.

181


des mit als Antwort Ihrer an mich gestellten Forderungen: 1. Dass Ihr literarischer Anteil an den Schweizersbildfunden nie fraglich war; ich bin heute noch wie vor 3 Jahren bereit, dass die Publikation in beider Namen geschehe, und zwar genau so wie Sie es vorschlugen, soll der Titel des Werkes lauten, also ... von Dr J. N. unter Mitwirkung von Dr. R. Häusler. Um Ihnen Ihren literarischen Anteil an der Entdeckung und Ausgrabung zu sichern, schrieb ich Ihnen am 4. Dez. 1893 unter der Adresse Dr. R. H. deutscher Loyddampfer Gera, Port Said, Brindisi u. a.: ,,Es bestand und besteht in dieser Richtung kein Zweifel, dass die Publikation in der von Ihnen angedeuteten Weise erfolgen wird. Wollen Sie gef. mir einen Entwurf über die Geschichte der Entdeckung des Schweizersbildes zusenden, damit Ihre Wünsche entsprechende Berücksichtigung finden können". - Bis heute bin ich ohne Antwort auf diese Mitteilung und Einladung an Sie geblieben. Ich erneuere heute dieselbe nochmals, aber auch zum letzten Mal, und gewärtige Ihre Zusendung in tunlichster Bälde. 2. In meinen Mitteilungen über das Schweizersbild habe ich stets Ihren Namen gebührend erwähnt und zwar gerade in der Weise, wie Sie es darstellten in Ihrem Artikel im hies. Intelligenzblatt; wenn Drittpersonen Sie in den Jahren 1892 und 1893 nicht dort sahen und Ihren Namen in den betreffenden Artikeln u. s. w. nicht mehr erwähnten, so kann man mir dieses von Drittpersonen begangene Versäumnis doch nicht zur Last legen. 3. Wenn Fehler in dem von Ihnen angelegten Plan über die Gräber constatiert wurden, so haben Sie dieselben ja begangen und war es schon längst Ihre Pflicht dieselben zu verbessern. Sie haben den ersten Plan angelegt der nachher wegen der Mangelhaftigkeit desselben allerdings geändert werden musste und zwar von mir. Was für eine Unordnung beim Ausgraben dieser Skelette während meiner Abwesenheit am Anthropologen Congress in Ulm beim Schweizersbild unter Ihrer Leitung, das bewiesen die von meiner Frau mir damals gesandten Briefe, sowie die Notizen, welche Herr H. mir darüber zukommen liess. Auch werden Sie sich erinnern, dass, als ich 1891 einen Tag nicht bei den Ausgrabungen sein konnte, Sie eine solche Masse Material haben einfach heraus werfen lassen, dass auf meine Anordnung 3 volle Tage die Ausgrabungen eingestellt werden mussten, um mit 5 Mann dieses Material zu untersuchen. Welche Notizen damals Herr Heierli machte der gerade dazu kam will ich nicht näher berichten. 4. Schon 1872 habe ich in Höhlen gegraben u. a. im Kerzenstübli mit meinen damaligen Zöglingen, die jetzt bejahrte Männer sind, und sich dessen noch ganz lebhaft erinnern. Anno 1874 war ich bei der Entdeckung der Freudentaler Höhle und bei den Ausgrabungen beschäftigt, publizierte schon damals über Höhlenfunde, also zu 182

einer Zeit, wo Sie noch ein Knabe waren. Seit jener Zeit habe ich schon in Dutzenden von Höhlen gegraben, und verfolgte die Höhlenforschungen genau. Ich konnte daher von Ihnen in der Methode der Ausgrabungen und Forschung sehr wenig lernen. Sie zeigten mir im Gegenteil, wenn Sie die Leitung nur einen Tag übernahmen, wie man es nicht machen muss. Pläne haben Sie gar keine gemacht ausser dem Plan über die Skelette mit den 8 Fehlern! Als Sie das Profil des ersten Grabens machen wollten, da haben Sie einen 13 m langen u. ein Meter breiten Streifen grauen Papiers hingehalten und wollten so dasselbe abzeichnen; erst ich hatte Ihnen gezeigt wie ein Profil aufzunehmen ist! 5. Einen materiellen Anteil an den Schweizersbildfunden hatten Sie nie, denn Sie besassen das Eigentumsrecht nie an denselben, es lautete einzig und allein auf mich, wie ich auch das ausschliessliche bez. alleinige Recht hatte Grabungen am Schweizersbild vorzunehmen und vornehmen zu lassen .... Für Ihre Bemühungen bei den Ausgrabungen 1891 und den paar Tagen von 1892 habe ich Sie mit Geld anstatt mit einer kleinen Sammlung honoriert, wie Sie es wünschten. Dass Sie in einer Notlage sich befunden haben sollen; oder gar wie ihre (wie Ihre?) Freunde jetzt behaupten, wegen Krankheit damals handlungsunfähig bez. geistes krank gewesen seien glaube ich nicht; ich habe nichts davon bemerkt, dass Ihre geistigen Fähigkeiten gestört waren; von Vorspiegelung falscher Tatsachen war nie die Rede, und was ich damals sagte, ist heute noch wahr und immer wahr. 6. Zum grossen Glück war ihre Anwesenheit bei den Grabungen nur auf wenige Tage beschränkt und mussten Sie am Neujahr 1891/92 Schaffhausen verlassen; es war mir nachher möglich die durch ihre Ungenauigkeit entstandenen Fehler durch verzehnfachte Sorgfalt bei den weiteren Grabungen wieder gut zu machen. Nur durch diese ganz aussergewöhnliche Sorgfalt und Genauigkeit hat die Sammlung überhaupt einen Wert erhalten, auch einzig und allein durch meine Bemühungen ist die Sammlung in wissenschaftlichen Kreisen bekannt geworden. 7. Ich hatte vor und war aus ganz freien Stücken gesonnen, Ihnen bei günstigem Verkauf, noch eine entsprechende Benification zu Teil werden zu lassen; da aber Sie und Ihre Freunde mir Entstellung der Tatsache machen, Verdrehungen und Unwahrheiten und sogar mit Drohungen auf die schmählichste Weise gegen mich agitieren sehe ich mich hiezu nicht mehr veranlasst und gewärtige ruhig Ihre weiteren Schritte; welche ich zu fürchten nicht die geringste Veranlas(sung?) habe. - Achtungsvoll. Dr. J. Nüesch».


4.2. Auszüge aus mehreren offenen Briefen von R. Häusler an J. Nüesch und E. Kollbrunner, aus den Materialien von J. Heierli254 Dokument 21: 1. Offener Brief an J. Nüesch, vom 18. Juni 1894. «Es handelt sich in diesem ersten Brief in möglichster Kürze die Art der Entdeckung und der Ausgrabungen im Oktober 1891 zu besprechen. ,,Ich bemerke hier ganz ausdrücklich, dass unsere Berichte mit Ausnahme einiger im Laufe der Ausgrabungen erkannte Irrtümer, die bei einem grössren Unternehmen der Art unvermeindlich sind, eine wahrheitsgetreue Darstellung des Sachverhaltes geben, dass aber alle Ihre, ohne mein Wissen und gegen unsere Vereinbarung, vor Abschluss der Ausgrabungen keine weitem Mitteilungen mehr zu veröffentlichen, später publizierte Berichte eine Menge unwahrer Behauptungen enthalten". Sie sprachen nie in irgend einer Weise die Absicht aus, in Schweizersbild graben zu lassen, obwohl ich (Häusler) nach meiner Ankunft in Schaffhausen der Höhlenforschung soviel als möglich mich hingab. In allen Unterhandlungen mit der Naturforschenden Gesellschaft Schaffhausen wurde damals mein Name als Mitentdecker angeführt. Die Entdeckung geschah in der Art, wie das Schaffhauser Tagblatt im Oktober 1891 berichtete. Es fiel mir nicht ein, Ihnen den grössern Anteil der Entdeckung streitig zu machen. Es wurden zuerst die in den ersten Berichten als Längs- und Quergräben bezeichneten Gräben ausgebeutet. Die Behauptung, weder Bickel noch Schaufel seien zur Lösung der Gegenstände verwendet, sondern dieselben mit ganz kleinen, eigens zu diesem Zwecke gefertigten Hacken oder meistens mit den Händen losgelöst, ist unrichtig. Die gelbe Lehmschicht war arm an Einschlüssen, wenn Sie Boule sagen liessen, dass dieselbe gar keine Artefakte enthalte, so ist es falsch. Von einigen Funden, z.B. dem Grab im Längsgraben und dem zweiten Skelett im Quergraben nahmen Reallehrer Rohrschach und ich Skizzen auf. Ihre Angabe, dass die wichtigsten Fundgegenstände an Ort und Stelle in ihrer natürlichen Lage photographiert wurden (Basler Bericht) ist ungenau. Von sehr wenigen Gegenständen z.B. den menschlichen Skeletten, wurde die Tiefe gemessen. Wenige Stücke im Rüdensaale wurden umnumeriert und an einigen derselben wurde die ursprüngliche Lage beantwortet. Ihre Angabe in Arch.sc. Phys. et nat., dass man bei den Objekten, die herausgenommen wurden, die Tiefe und das Quadrat, in dem sie lagen, notiert habe, ist Erfindung. Einen Plan der beiden Gräben nahm ich, um die Lage der Skelette andeuten zu können, im Herbst 1891, einen solchen des ganzen Areals erst im Sommer 1892 auf, gleichzeitig legte ich das erste Register an. Von Eintragen in

Carres kann also keine Rede sein. Ein von Ihnen angefertigter Plan kam mir erst 1893 zu Gesicht. Er ist für Kollmann bestimmt und enthielt 8 grobe Fehler, indem Felder und Skelettteile eingezeichnet waren, die nicht existierten. Die Stätte am Schweizersbild war nachts nicht bewacht, Ihre gegenteiligen Behauptungen sind unwahr. „Jeden Anteil an Ihren von Ungenauigkeiten und Unwahrheiten erfüllten Publikationen, sowie an allen Ihren, später näher zu besprechenden Fälschungen von Tatsachen, lehne ich hiermit öffentlich ab". Sie kennen von sehr wenigen im Herbst 1891 und im Sommer 1892 entdeckten Objekten die Lage, da sie bei deren Entdeckung nicht gegenwärtig waren».

Dokument 22: 2. Offener Brief an J. Nüesch, vom 22. November 1894. «Ihr Brief vom 24. VII.1894 und die meiner Familie und meinen Freunden gemachte Drohung mit gerichtlicher Klage veranlasst mich, die erste Periode noch einmal und zwar ausführlicher zu behandeln. In Ihrem Brief behaupten Sie, dass Sie meinen Namen in Ihren Mitteilungen gebührend erwähnt haben, und dass Sie nichts dafür können, wenn Drittpersonen das nicht taten, dass der Plan für Kollmann von mir gemacht sei und dass die grössten bei der Ausgrabung gemachten Fehler mir zuzuschreiben seien, dass ich gar keinen Plan ausser dem für die Skelette mit den 8 Fehlern, dass Sie mich lehrten ein Profil zu zeichnen, dass ich nie Materialienanteil an den Funden gehabt, dass Sie mich nach meinen Wünschen bar ausbezahlt, dass Sie von meiner Krankheit nichts wussten ebenso wenig von meiner schlimmen finanziellen Lage, dass von falschen Vorspiegelungen keine Rede sei, dass nur durch Ihre Sorgfalt ein wissenschaftlicher Wert resultierte und einzig durch Sie die Sammlung in wissenschaftlichen Kreisen bekannt wurde. Sie sprechen sogar Drohungen aus. ,,Der ganze 4 Seiten lange Brief ist eine Aufeinanderfolgende erbärmliche Lüge. Wahr ist nur die Behauptung und zwar auch nur teilweise, dass die Sammlung durch Ihre Bemühungen in wissenschaftlichen Kreisen bekannt gemacht wurde. Durch welche Mittel Sie dies taten, werde ich Ihnen ins Gedächtnis zurückrufen. Die wichtigsten waren Fälschungen, Betrug und Lüge". Ich verzichte nun auf jeden Anteil an der Publikation des Gesamtwerkes über Schweizersbild und bitte Sie, mein Manuskript über die Feuersteinwerkzeuge, ebenso die in Zürich zugesicherte Sammlung meinem Bevollmächtigten zuzustellen. Ich werde einen eigenen, ganz ausführlichen Bericht schreiben. Ich bin verantwortlich für die in den beiden Berichten im Intelligenzblatt und Zürcher Post. '

54

SGUF, Abschriften.

183


1. Die Entdeckung. Sie schreiben in Ihrem Brief, dass Sie schon 1872 nach Höhlen suchten und seither in Dutzenden von Höhlen gegraben hätten. Und der Erfolg? Null Vergl. Korr. Basel, 1892, s. 109 und Arch. Sc. phys. et nat. s. 6. Sonderbar ist, dass einige Jahre nach Ihren Grabungen im Kerzenstübli Herr Schenk und ich in geringer Tiefe Funde machten. Im Freudental wird es Ihrer sorgfältigen Mitwirkung bei der Ausgrabung zu danken sein, dass ich noch einige Tausend Feuersteine sammeln konnte. Wann sind Sie auf Schweizersbild aufmerksam geworden? 1891 sagten Sie vor 15 Jahren, im Herbst desselben Jahres waren es 16 Jahre (Schaffhauser Tagblatt), im Sommer 1892 waren es 18 Jahre (Korr. Basel, s. 100), einige Wochen später waren es mehr als 20 Jahre (Arch. Sc. phys. et nat. s. 1). Sie behaupteten, die Meinung, Gegenstände aus alter Zeit könnten sich nur an ganz feuchten Orten erhalten, haben Sie von Grabungen abgehalten. Sie haben also von Funden an trockenen Orten und ausserhalb von Höhlen nie gehört, trotzdem Sie der Höhlenforschung gefolgt sein wollen? Das Werk von Lartet und Christy war Ihnen nicht einmal dem Namen nach bekannt. Sie besassen auch fast keine archäologische Litteratur, wussten auch nicht, welche einschlägigen Werke in den Bibliotheken Schaffhausens seien. Sammlungen kannten Sie trotz Ihres Forschens und Ihrer Studien nicht, denn auf meine bezügliche Frage wiesen Sie mir im Sommer 1891 einen, sage einen Raubtierzahn vor. Über die Funde im Kesslerloch und im Freudental, an welch letzten Ort ich doch mitgeholfen hatte, konnten Sie mir 1891 gar keine Auskunft mehr geben. Über die Sammlung im Museum Schaffhausen wussten Sie nichts. Meine zahlreichen Funde im Kesslerloch und im Freudental interessierten Sie nicht. Sie verlangten dieselben nicht zu sehen, obschon dieselben in Ihrem Hause waren. Nun zur Entdeckung der Fundstätte. ,,Nachdem wir in der oberen Höhle im Freudental vergeblich hatten graben lassen, hielten wir auf dem Rückweg in Schweizersbild an. Sie gaben dem Arbeiter Antonio Befehl, vor der Nische einen Graben aufzuwerfen. Dieser gab kein befriedigendes Resultat. Sie liessen daher Antonio einen zweiten Versuchsgraben anfangen. Während er an diesem arbeitete, legten Sie sich in den kühlen Schatten, während meine Frau und ich neben dem Graben stehen blieben. Als wir, hungrig und müde an die Heimreise dachten, kamen Sie frisch gestärkt vom Schlafe an und baten mich zu bleiben. Kurze Zeit darauf hielt Antonio den ersten Feuersteinsplitter freudig in die Höhe. Nach einigen Minuten kamen eine grössere Zahl Knochen und bearbeiteter Feuersteine zum Vorschein". Das beschreiben Sie in verschiedenen Varianten im Corr. Blatt, Basler Berichten und Arch. Sc. phys.». 184

Dokument 23: 3. Offener Brief an J. Nüesch, vom 27. September 1894.

«Ich setze die Geschichte der Entdeckung fort. Wir beschlossen, die Sammlung der Stadt Schaffhausen zu überlassen. Zuerst wurden wir beide als Entdecker angeführt, später lassen Sie die Leute nur noch von Ihnen sprechen, so z.B. im Bund vom 13.IV.1894. Da die Funde dem Museum geschenkt werden sollten, war es gleichgültig dass der Pachtvertrag nur auf Ihren Namen lautete, dachte ich. Am 24.VII.1894 schrieben Sie mir hierher: ,,Einen materiellen Anteil an den Schweizersbildfunden hatten Sie nicht, denn Sie besassen das Eigentumsrecht nicht an denselben. Es lautet einzig und allein auf mich, wie ich auch das ausschliessliche bezw. alleinige Recht hatte, Grabungen vorzunehmen oder vornehmen zu lassen. Die Vereinbarung mit der Naturforschenden Gesellschaft wurde nicht perfekt". Darnach hätte ich also nicht Anteil gehabt, warum liessen Sie mich am 28.X.1893 eine Verzichtleistung unterschreiben? Warum gaben Sie mir damals vor, dass ohnedies die Sammlung keinen Wert habe, dass Sie Schaden leiden müssen etc.? 2. Die Ausgrabungen. Über die Ausgrabungen im Jahre 1891 geben die ersten Berichte Aufschluss. Alle Ihre späteren Berichte sind gefälscht. Richtig sind nur die Berichte im Schaffhauser Intelligenzblatt und in der Zürcher Post, für die ich verantwortlich bin. Es wurden leider viele nicht mehr gut zu machende Fehler auch damals begangen, durch Mangel an Erfahrung, Mangel an Anleitung durch Fachleute, durch zu viel Arbeiter, durch den Wunsch, möglichst rasch den Grund zu erreichen, jedenfalls noch vor Schluss der Ferien etc. Sie verbesserten die Fehler dadurch, dass Sie die Ausgrabung beschrieben wie sie hätte sein sollen, nicht wie sie war, indem Sie die Berichte fälschten, die Besucher belogen etc. Ich bestreite dass die grössten Fehler von mir gemacht wurden, sondern ich behaupte, dass ich sorgfältiger arbeitete als Sie. Am sorgfältigsten wurde gearbeitet, wenn nur die drei Arbeiter Bührer, Ziegler und Antonio bei mir waren, am ungenauesten, wenn Sie durch Befehle und Gegenbefehle sowie durch taktlose Bemerkungen regieren wollten. Nach 3 Monaten kannten Sie die Aufeinanderfolge der Schichten noch nicht. Nun zu Ihren Berichten! Es ekelt mir förmlich, dieses Gemisch von Übertreibung, Fälschungen, Blödsinn, Selbstbelobigung, Ungenauigkeit, Widersprüche etc. zu entwirren. Das eine Mal sagen Sie, dass man von 10 zu 10 cm abgedeckt, dann sind es wieder 20 zu 20 cm. Es ist auch nicht wahr, dass die Artefakte und Knochen sorgfältig getrennt gehalten worden seien nach Schichten, es ist nicht wahr, dass jeder Gegenstand nach Länge und Tiefe eingetragen wurde. Es ist nicht wahr, dass nachts ein Wächter da war, es ist nicht wahr, dass viele Grundrisse und Profilzeichnungen


gemacht wurden. Es ist nicht wahr, dass die wichtigsten Objekte an Ort und Stelle in natürlicher Lage photographiert wurden. Es ist nicht wahr, dass weder Bickel noch Schaufel verwendet wurden, es ist nicht wahr, dass eigens dazu angefertigte Hacken verwendet wurden. Mehr als die Hälfte aller Funde war ausgegraben, als die Meterfelder gemacht wurden, als jene Hacken kamen, die Stelle nachts bewacht wurde. Es sah etwas stümperhaft, nicht „peinlich genau" aus, wenn nach 1893 ganze Säcke voll Knochen und Feuersteine im Rüden lagen, die nicht gewaschen und etiquettiert waren, aber Sie schreiben, dass alle etiquettiert seien, Sie erfanden ja auch den Nachtwächter. Vgl. auch N.Z.Z. vom 4. August 1892 und Schweizer Rundschau 1893, IV. Ich werde schweigen, aber erst wenn ich den ganzen kolossalen Schwindel in allen Einzelheiten aufgedeckt habe. 1893 gab es Hunderttausende von Gegenständen im Rüden, die keine aber auch solche die 2 Etiquetten trugen z.B. graue Kulturschicht und gelbe Kulturschicht. Mit Brief vom 15.X.1894 schickte Häusler aus Hamilton wieder 2 offene Briefe an Kollbrunner. Er schreibt: ,,Die Sache wird immer netter. Ich begreife nicht, wie ich 3 Jahre lang so dumm sein konnte, den Schwindel nicht zu durchsehen. Nüesch muss unbedingt schon anfangs seinen Plan ganz genau gemacht haben. Ich sollte schweigen bis zum Schluss und dann auf irgend eine Weise weggedrängt werden. Das ist übrigens wahrscheinlich Frau Nüeschs Werk. Gegen Sie (Kollbrunner) wird er zunächst drohen, dann gütlich übereinzukommen versuchen. Er riskiert sehr viel und wird keinen Betrug unversucht lassen. Ich finde alle Tage neue Fehler und Fälschungen und wundere mich daher immer mehr über meine ganz kolossale Dummheit, den Schwindel nicht längst erkannt zu haben. Sie haben ein gutes Werk getan, diesen Schwindel aufzudecken. Ich hätte ohne Ihr energisches Vorgehen der Sache keine grosse Beachtung mehr geschenkt. Der Schwindel kostet mich 3 Jahre, Gesundheit, Stelle und hier noch viel Zeit"». Dokument 24: 4. Offener Brief an J. Nüesch, vom 5. Oktober 1894. «Mit geradezu ekelhaftem Wohlbehagen weisen Sie bei jeder möglichen Gelegenheit auf die in Thaingen begangenen Fehler und Fälschungen hin und versäumten dabei nicht Herrn Merk in pöbelhafter Weise zu verdächtigen und zu verleumden. Dass dort grosse Fehler begangen wurden, wurde vor 20 Jahren bereits erkannt. Ihren Zweck durch ziehen einer Parallele Ihrer Verdienste um die Wissenschaft auf Kosten eines Kollegen, der viele Fehler aber keine Fälschungen begangen hat, zu erhöhen,

erreichen Sie damit nicht. Denn nicht nur haben Sie selbst eine Menge Fälschungen begangen und zwar von viel grösserer Tragweite als die bekannten Fälschungen in Thaingen, sondern auch ungleich mehr Fehler begangen als Herr Merk. Bis zum Sommer 1892 war die Stätte nicht bewacht. In Ihrer Gegenwart, sogar während Sie Ihren fabelhaften Unsinn über die Lagerungsverhältnisse vortrugen, wühlten Besucher im Graben herum, so dass immer und immer wieder Teile der Wände einstürzten und Objekte aus allen Schichten vermischt wurden. Noch im Sommer 1893, lag im Rüdensaal eine Kiste mit Objekten aus dem Grabenschutt, deren ursprüngliche Lage unbekannt war. ,,An einem unbewachten Nachmittag wurden von Besuchern das trocken gemauerte Grab im Längsgraben durchwühlt und zerstört". Ein Schädel wurde in der Marktbude zerstört. Ein zusammengesetzter Schädel des Skelettes, das Sie 2 Tage der Sonne aussetzten, ging dadurch in Stücke. Eine Kiste mit Material aus der reichhaltigsten Stelle der untern Nagetierschicht liessen Sie in Ihrem Hofe dem Frost ausgesetzt, wodurch zahlreiche Knochen zu Grunde gingen. In Ihrer Gegenwart öffneten im Rüdensaal Besucher Schachteln und Gläser und operierten an den Tischen. Ein Unikum von einem ausserordentlich feinen Bohrer ging so zu Grunde. Die Besucher mischten immerfort Funde. Sie liessen die Klopfsteine aus alten Schichten an einen Haufen tragen. Die spätem Funde wurden noch ungenauer etiquettiert als die früheren, 1893 lagen in den Ecken und unter den Tischen im Rüdensaal ganze Säcke voll Feuersteine, Knochen etc. 1891 arbeiteten Sie selten im Graben, sodass Sie nur wenige Funde machten. Auch über die während den Sommerferien 1892 gemachten Funde wissen Sie aus eigener Erfahrung fast nichts. Was Sie darüber angeben, ist falsch. Unter Ihrer Leitung liessen Sie die Arbeiter stundenlang allein arbeiten, sowohl im Schweizersbild als im Rüdensaal. ,,In Ihrer Abwesenheit wurde unter anderem von einem Arbeiter dasjenige Stück der Sammlung gefunden, an dessen Echtheit am meisten gezweifelt werden könnte". Sie machten den Fehler gut, indem Sie Herrn Boule schreiben: ,,Depuis votre depart j 'ai trouve une plaque en pierre calcaire etc.". Station quatern. p. 22. Messikomer aber sagt in der N.Z.Z. vom 28.VI.1893: ,,War dieses Plättchen auch nicht in Gegenwart von Zeugen gefunden worden ein Arbeiter fand es - so liegt doch absolut kein Grund vor, nun irgendwie an der Echtheit zu zweifeln". Wie leicht man Sie hätte betrügen können, beweist folgende Geschichte. Bei einem Besuch auf meinem Zimmer stürzten Sie sich zur grossen Überraschung meiner Frau und meiner selbst auf einen Federhalter, an dem ein träger Schüler seine Kunst versucht hatte, mit der heftigen Frage, ob dieser von Schweizersbild stamme. Ich 185


behaupte also nocheinmal, dass bei den Ausgrabungen keine Vorsichtsmassnahmen getroffen wurden, um Fälschungen zu verhüten. Der grösste Teil der Funde wurde unter meinen Augen oder von mir selbst gemacht. Die Arbeiter Bührer, Ziegler und Antonio waren durchaus rechtschaffene und pflichtbewusste Männer. Sie sind unschuldig an Fälschungen, deren alleiniger Urheber Sie sind. Was die Ausgrabungen von 1891 betrifft, so sind Ihre Berichte, Profile und der Skelettplan falsch. 1891 wurde der 13,5 m lange, oben 1,2, unten 0,3 m breite Längsgraben und der von demselben in westlicher Richtung ausgehenden 2,8 m lange und 2,4 m breite Quergraben ausgebeutet. Ein Plan wurde während der Ausbeutung nicht gemacht, ebenso wenig ein Plan der ganzen Niederlassung. Die Meterfelder sind Ihre Erfindung. In einer Entfernung von 2 m vom Felsen liessen sich folgende 7 Schichten unterscheiden. 1) Humusschicht, 2) Asche und Hirschschicht, 3) Graue Kulturschicht und Ofenschicht, 4) Gelbe Kulturschicht, 5) Schwarze Kulturschicht, 6) Nagetierschicht, 7) Gelbe Lehmschicht. Unsere ersten Berichte behandeln die Funde in den beiden Gräben. Keinem einzigen Besucher machten Sie in meiner Gegenwart richtige Angaben über die Schichten und deren Einschlüsse. Die Berichte im Schaffhauser Intelligenzblatt und in der Zürcher Post stammen von mir. Unrichtig ist meine Angabe, dass die schwarze, gelbe und graue Kulturschicht paläolithisch seien, obwohl in der neolithischen Schicht viel paläolithisches vorkam». Dokument 25: 5. Offener Brief an J. Nüesch, vom 8. Oktober 1894. «Die Humusschicht. Diese Schicht ist in Ihrem ersten Bericht im Schaffhauser Tagblatt nicht erwähnt, wohl aber in meinen beiden Berichten. Altes und neues ist in derselben durcheinander. Hinten besteht sie zum grossen Teil aus Asche, vom aus Humus. Sie war mehrmals angegraben worden. In Ihrem Bericht Korr. Bl. p. 110 sagen Sie, die tiefem Schichten seien intakt. Wie konnten dann die paläolithischen Sachen in die Humusschicht kommen? Dass übrigens die tieferen Schichten auch nicht intakt sind, geben Sie einige Zeilen weiter oben selbst zu. Mit Ausnahme der (?)- und gelben Lehmschicht zeigten 1891 alle Schichten Spuren von Störungen durch Gräber, Ausroden von Bäumen, Kulturen, Verscharren von Tieren, durch das Graben von Füchsen, Dachsen, Maulwürfen. Im ersten Graben fanden sich unmittelbar auf und neben der gelben Kulturschicht ein jüngeres menschliches Skelett, rezente Pferdeknochen, ein Metallknopf und ein gut erhaltenes Nest einer Maus, ebenso ganz rezente Nage186

tierknochen und daneben zerschlagene Rentierknochen. Dieselbe Vermischung war auch in der grauen Kulturschicht und in der Hirschschicht. Besonders trug zu dieser Vermischung die Anlage der Gräber bei. Hier nun einige Worte, wie unter Ihrer Leitung die Gräber ausgebeutet worden sind. Sie werfen mir die Schuld, dass die Gräber nicht recht ausgegraben worden seien, vor. In Ihrem ersten Bericht erwähnen Sie keine Gräber, im Sommer 1892 führen Sie 20 an, einige Tage später 18 und 16, wieder etwas später etwa 20, kurze Zeit darauf 18 und schliesslich (1894) sind es menschliche Skelette von 26 Individuen. Ich bemerkte schon in der Zürcher Post, dass die Skelette paläolithisch seien. Selbst die ersten Skelette sind in dem Plane von Boule von Ihnen falsch angegeben worden. Ich machte Sie, nachdem ich den Bericht gesehen, darauf aufmerksam, worauf Sie lachend antworteten, das sei Herr Boules Sache. Die 1891 untersuchten Gräber wurden nach Ihren Vorschriften ausgenommen. Beim Anlegen des Längsgrabens wurde ein trocken gemauertes Grab angeschnitten. Es war das besterhaltene von allen Gräbern im Schweizersbild. Nach Ihrem Befehl wurde die ganze westliche Wand des Grabes von den Arbeitern mit Bickel und Schaufel zerstört und zwar bis zum Grunde. Von den an der Grenze der gelben Kulturschicht zum Vorschein kommenden Knochen liessen Sie einige aufheben, die andern blieben liegen. Das Grab wurde von Besuchern immer durchwühlt, so dass die Wände einstürzten. Als es nahezu zerstört war, liessen Sie es an einem Sonntag bewachen, aber bei unserem nächsten Besuche war dennoch alles niedergerissen. Weder Lage noch Richtung wurden bemerkt, ebenso fehlen Zeichnung oder Photographien. Dieses Grab senkte sich auch durch Ihre völlig intakten Schichten bis zur gelben Kulturschicht. Neben diesem Grabe fanden sich Teile eines 2. Skeletts, von denen nach Ihrer Anordnung nur wenige ausgegraben wurden. Weder Lage noch Richtung noch Tiefe wurden genau gemessen. Im Quergraben fanden wir ein vollständiges Skelett. Auch von diesem wurden nicht alle Knochen gesammelt ebenso ihre Lage bestimmt. Wir hatten, wie Sie sich erinnern, eine Diskussion betreffend der Lage. Sie wollten Ost-West haben, weil Sie gelesen hatten, dass das so sei. In Boules Plan ist dieses Skelett unrichtig angegeben. Diese 3 Skelette wurden von Ihnen ausgegraben. Über keinen der Funde von 1891 machten Sie Notizen und den ersten Plan nahm ich erst auf, als der Graben bereits zugedeckt war. Durch mangelhafte Verpackung gingen von den wenigen Knochen noch mehrere verloren. Das ist Ihre „aussergewöhnliche Sorgfalt, Genauigkeit und Sachkenntnis und Gewissenhaftigkeit". Im nächsten Bericht werde ich die andern Schichten beschreiben».


Dokument 26: 6. Offener Brief an J. Nüesch, vom 22. Januar 1895. «Die gelben Kulturschichten erwähnen Sie in Ihren ersten Berichten nicht, und in den späteren Berichten vereinigen Sie alle neolithischen Schichten als graue Kulturschicht. Über die Ausbreitung und die Einschlüsse der einzelnen Schichten machen Sie keinerlei Angaben. Eine Stelle war bei unseren Grabungen als ganz ungestört erkannt worden und nur diese einzige und auf diese stütze ich mich im Schaffhauser Intelligenzblatt 1891, als ich sagte: ,,Es sprechen auch andere Gründe dafür, dass zwischen der Bildung der gelben und grauen Kulturschicht der Fels lange Zeit unbewohnt war". Sie setzen aber die Grenzlinie willkürlich fest, was Sie daher über die graue Kulturschicht berichten, ist zum grössten Teil falsch und im Profil ist diese falsch eingezeichnet. Ihre Angaben über die Einschlüsse der grauen Kulturschicht sind vielfach unrichtig. Nach Ihrem Vortrag in Ulm soll dieselbe enthalten haben: Edelhirsch, Reh, Wildschwein, Torfrind, Diluvialpferd (?), arktischer Bär, Maulwurf, Dachs, Marder, Alpenhase, Schneehuhn und Rentier, also 12 Arten. Im Bericht in den Basler Nachrichten macht der arktische Bär dem braunen Platz. In Arch. sc. phys. werden 18 Arten genannt. ,,Nach Ihren Angaben fanden sich Zähne und Knochen des Rentieres nur in der untersten Partie dieser Schicht. Dieses ist unrichtig, wie die entsprechende Angabe, dass Reste des Edelhirsches in den paläolithischen Schichten fehlten. Es sind dieses 2 jener zahlreichen Fälle, in denen Sie die Fehler der Natur auf Papier verbesserten, d.h. mit ganz bestimmten Absichten Tatsachen fälschten". Über die Art der Bestattung in der neolithischen Schicht machten Sie Herrn Boule falsche Angaben. ,,Die obere Breccie ist in Ihrem ersten Bericht nicht aufgeführt. Was Sie später über dieselbe berichten, ist falsch". Nach Ihren Angaben ist sie am Felsen 80 cm mächtig (Korr. BI. 110), nach Boule ist sie in einiger Entfernung vom Felsen bis 1 m mächtig. Sie selbst berichten, dass sie in 2 m Entfernung am mächtigsten sei. In den Arch. sc. phys. p. 4 sagen Sie, diese Breccie hätten weder Asche noch bearbeiteten Silex, noch zerschlagene Knochen enthalten und in der Schweizer Rundschau, s. 474 sagen Sie, dass alle Schichten reich an Petrefakten und tierischen Überresten aller Art gewesen seien. Die gelbe Kulturschicht, die wichtigste aller Schichten, ist in Ihrem ersten Bericht nicht erwähnt. Die Behauptung Boules, die Edelhirschreste hätten sich grösstenteils neben den menschlichen Skeletten gefunden, ist unrichtig. Im Gegenteil fanden sich die meisten Hirschreste in der Nähe des Pflasterbodens, in dessen Nähe kein Grab war. Unter den nach Norden oder dem Hochgebirge gezogenen Tieren nennen Sie neben Rentier etc. auch den Ur-

ochs. Auch unter der gelben Kulturschicht fand sich im ersten Graben bis nahe zum Felsen eine schwarze Kulturschicht. Über dem Herd über dem Pflasterboden, die im ersten Jahr nur teilweise ausgegraben wurde, gaben Ihre spätem Berichte keine Auskunft. Da alle Ihre Berichte über die Schichten ganz falsche Angaben enthalten, füge ich kurz folgendes bei: ,,Die Nagetierschicht bildete den obern Teil der Lehmschicht und war von der schwarzen Kulturschicht scharf abgegrenzt. Die Grenzlinie zeigte im ersten Graben keine Spur irgend welcher Störung. Auch gaben die Lagerungsverhältnisse innerhalb der gelben Lehmschicht und der Erhaltungszustand aller Objekte ganz sichere Beweise, dass letztere auf primärer Stätte ruhen". Merkwürdigerweise machten Sie Herrn Boule ganz andere Angaben darüber als im Korr. BI., p. 111 (Vgl. p. 9 und 25 bei Boule). Im Cierkular an die Schweizer Lehrerschaft, in welchem Sie Sammlungen anbieten, schreiben Sie, dass die erste Ansiedlung erst nach der letzten Eiszeit und nach der Tundrafauna entstanden sei. Nach Nehrings Bestimmung fand sich aber der Halsbandlemming, ein Charaktertier der Tundrafauna in der gelben Kulturschicht (Berliner Verhandlungen vom 16.I.1892). Die ersten Spuren des Menschen finden sich aber tief unter der Nagetierschicht in ungestörten Schichten. Halsbandlemming und andere arktische Tiere kommen lange nach dem ersten Auftreten des Menschen in Schweizersbild vor. Die Grenzlinien der einzelnen Schichten waren sehr unregelmässig. Verhältnismässig eben lagen nur die untersten Lehm und Nagetierschichten, über welche sich die schwarze Kulturschicht ziemlich gleichmässig ausbreitete. Infolge der wallartigen, ungleichen Anhäufungen der Ofenschicht, sowie der Störungen durch Gräber waren die Lagerungsverhältnisse viel komplizierter als Ihre Profile sie zeigen. So war z.B. die Grenze zwischen Humus und neolithischer Schicht wellen- oder zickzackförmig, nicht gerade wie Sie zeichneten. Besonders unregelmässig war die Grenze der grauen und gelben Kulturschicht, sowohl wo Reste der Breccie und die Ofenschicht eingeschoben waren, als nach aussen, wo die neolithische Schicht unmittelbar auf der paläolithischen Knochenbreccie lag. Sie aber setzen Grenzlinien, wo keine waren und ignorieren solche, die deutlich da waren. Da Sie aber fast gar nie im Graben gearbeitet hatten, die Profile nicht kannten, nachdem Sie ein Profil nach Ihren Ansichten, das aber mit dem wirklichen Sachverhalt nichts gemein hatte. Das ärgerte mich so, dass ich eines Abend in Schaffhausen äusserte, ich möchte lieber im Schweizersbild nichts mehr zu tun haben. Das Profil am Felsen war viel einfacher als das im Probegraben und gibt daher über die Lagerungsverhältnisse der Niederlassung kein rechtes Bild. ,,Dasselbe ist richtig aufgenommen, aber nicht durch Ihre Bemühungen". 187


Die Sammlung aus dem ersten Quer- und Längsgraben bildete etwa die Hälfte des ganzen im Schweizersbild gefundenen Materials. Dieses Material blieb nun etwa 2 Jahre in ganz verwahrlostem Zustand liegen. Selbst in den Glaskästen, in denen Sie die wertvollsten Stücke aufbewahrten, herrschte bis 1893 ein buntes Durcheinander. Funde jeden Alters und jeder Art lagen friedlich beisammen, ohne Nummern, ohne Etiquetten, ohne irgendwelche Angaben über Lage, Art etc. So fanden sich noch im Sommer 1893 Glasfläschchen, welche durchbohrte Zähne, Bohnerz, Knochennadeln und Feuersteine enthielten. Ihre Behauptung, dass jedes Stück eine Etiquette erhielt, ist unwahr. Einige der grössten Haufen hatten eine Gesamtetiquette, ebenso einige Materialkasten».

Dokument 27: Brief von R. Häusler an E. Kollbrunner, vom 26. September 1894. «Seit einiger Zeit bin ich wieder leidend. Der Brief von Nüesch, ,,in welchem er nun alle Schuld auf mich wirft, hat mich furchtbar nervös gemacht und damit stellte sich auch der Husten wieder ein". Ich bin jetzt so gegen Nüesch erbittert, dass ich nicht Ruhe habe, bis der ganze Schwindel aufgedeckt ist und der Schurke seinen Lohn hat. Heim ist nicht verantwortlich für seine Angaben (da er sie von Nüesch bezogen habe). Ich habe die Tafel zu meinem Manuskript über die Freudentaler Höhle hier, schicke sie Ihnen mit den anderen Sachen. Sie sollen alles haben. Ich bemerke, dass Nüesch keinen Hochschein hat, wie falsch und verkehrt seine Berichte sind. Er war sehr stolz auf dieselben. Auch träumte er nicht, dass der dumme Tölpel Häusler, der ohnehin krank und bei den Antipoden ist, jetzt ein Wörtchen gegen Ihn schreiben wird. Darum fühlte er sich mir gegenüber ganz sicher. In Boules Plan figurieren die von Dr. Martin ausgegrabenen Gräber nicht, der Text nennt 16 Skelette, der Plan verzeichnet 13. Dahinter steckt eine Spitzbüberei von Nüesch. Pereat dem ganzen Schweizersbild. Ich beging grosse Fehler und deutete vieles unrichtig, aber ich handelte nach Willen und Können. Ich möchte nicht dass Messikommer, dem ich noch Geld schulde, und Heim in die Sachen verwickelt würden, namentlich der erstere nicht. Ich teilte Nüesch im Sommer 1893 die auch Ihnen in Kürze mitgeteilte Sumatraangelegenheit mit, durch welche ich in so grosse Not geriet. Ich war damals sehr bitter auf Dr. Zimmerli gestimmt. Seit mir aber der Mann mitteilte, dass Sie selbst 40-50 000 Fr. verloren, sehe ich, dass ich im Unrecht war, Sie anzuklagen. ,,Lassen Sie Nüesch klagen, aber gegen mich!" Dass Nüesch irgendwelche Aussichten hatte im Oktober 1893, die Sammlung 188

zu verkaufen, wusste ich nicht. Am allerwenigsten dachte ich daran, dass der Bund Käufer sein werde, da dieser 1892 eine Subvention verweigerte. Ich glaube nicht, dass die Höhlen im westlichen Jura ausbeutungswürdig sind. Es ist mir nicht recht, wenn die wissenschaftliche Arbeit der Mitarbeiter Schaden leiden sollte. Die Herren Kollmann, Studer, Nehring will ich mit der Erklärung des wahren Sachverhaltes versehen, wenn Sie mir Ihre Korrespondenz mit Nüesch zur Einsicht schicken. Im Rüdensaale wurden im Jahre 1891 von Menschenhand zerschlagene Knochen von Rentier, ein angesägtes Stück eines Geweihs und mehrere Feuersteinwerkzeuge aus der gelben Lehmschicht öffentlich ausgestellt und doch gibt Nüesch später an, dass man da keine Spur der Menschen gefunden (Boule, S. 9). Diese Funde lagen auf dem letzten Tisch im Rüdensaal und waren von Nüesch absichtlich nicht etiquettiert worden. Ich glaube er habe sie später mit anderen vermischt nach seiner Art. Die Grenze zwischen Nagetierschicht und Lehmschicht war nicht genau festzustellen. Ungefähr im untern Teil der Kulturschicht fanden sich einige Knochensplitter und Feuersteine. Es ist also sicher, dass Spuren des Menschen mit Halsbandlemmingen und unter denselben vorkommen, aber selten. Im ersten Jahr fanden sich etwa 20 Stücke. Es waren dabei: ein ausgesägtes Gewichtstück und ein sehr grosses Feuersteinmesser, wie beifolgende Skizzen zeigen».

4.2. Mitteilungen zur Kritik R. Häuslers Dokument 28: Notizen in den Jahrbüchern der Schweizerischen Gesellschaft für Urgeschichte. 1. JbSGU 1908, 24: «Schweizersbild. Über diesen 189193 untersuchten Fundort hat Dr. R. Häusler, der mit Dr. J. Nüesch die Ausgrabung besorgte, uns ein 100 Folioseiten grosses Manuskript zukommen lassen, worin er mit grossem Freimut die Fehler, die bei der Ausgrabung gemacht wurden, eingesteht und namentlich die Rolle, die der letztgenannte Herr dabei spielte, scharf beleuchtet. Wir werden anderwärts Gelegenheit haben, dieses Werk, das hoffentlich dem Druck übergeben wird, zu besprechen. Jedenfalls wird durch dasselbe die Zurückhaltung mancher Forscher gegenüber den Resultaten, wie sie von Dr. Nüesch publiziert wurden, vollständig erklärt und gerechtfertigt. In jüngster Zeit ist durch den bekannten ausgezeichneten französischen Höhlenforscher Abbe Breuil die Schweizersbildsammlung im Landesmuseum neu aufgestellt worden, wogegen Dr. Nüesch lebhafte Opposition erhob. Wir kommen später auf diesen Fall, der die Eigenschaften des Letztgenannten in grelle Beleuchtung setzt, zurück».


2. JbSGU 1909, 24-25: «Schweizersbild bei Schaffhausen. Über diesen früher oft genannten Platz hat Dr. R. Häusler, der Mitentdecker desselben, eine Serie geharnischter Artikel gegen Dr. J. Nüesch geschrieben und eine Reihe von Punkten, ja die ganze Ausgrabung, in ein vollständig anderes Licht gerückt (NZZ vom 23.-25.3.1909, Nr. 82-84, je 1. Morgenblatt und auch separat). Was vorher nur den eingeweihten Kreisen bekannt war, ist jetzt zu jedermanns Ohr gebracht und die Wahrheit über das Schweizersbild kann nicht mehr verheimlicht werden. Wir haben schon im letzten Jahresbericht erzählt, dass der Kampf wegen der „Sammlung Nüesch" im Landesmuseum entbrannt sei und wenn wir uns heute nicht näher darüber äussern, so geschieht es nur deshalb nicht, weil wir das in Aussicht stehende Werk Dr. Häuslers abwarten wollen. Dieser durchaus wahre Forscher, der trotz seiner seit Jahren aufs schwerste angegriffenen Gesundheit noch die Kraft fand, seine persönlichen Beobachtungen im Schweizersbild nachdrücklich zur Geltung zu bringen, wird binnen kurzem nochmals das Wort ergreifen um auch noch diejenigen Gründe zu entkräften, die Dr. Nüesch in seiner Erwiderung auf die Artikel Häuslers ihm entgegengestellt hat. Bereits beginnt das tapfere Vorgehen Häuslers Frucht zu tragen. Eine Autorität auf dem Gebiet der paläolithischen Forschung, Dr. H. Obermaier in Wien, schreibt über den Fall Nüesch: ,,Polemiken pflegen stets etwas Peinliches an sich zu tragen, sind aber leider nicht selten im Interesse der Richtigstellung der Tatsachen unerlässlich. Wir danken es daher dem Verfasser, dass er es unternahm, eine ganze Anzahl von Punkten richtigzustellen, die in den Arbeiten von J. Nüesch über die bekannte Paläolithstation vom Schweizersbild bei Schaffhausen eine entschiedene Verschiebung bzw. einseitige Darstellung erfahren hatten. Es war ja ein der kompetenten Fachwelt längst kein Geheimnis mehr, dass das mit aller kaufmännischen Reklame vertriebene Schweizersbild besser exakt untersucht statt einseitig überschätzt worden wäre. Die Typologie seiner Funde bedarf einer völligen Neubearbeitung, seine Tourassienschicht ist ein reines Phantasiegebilde. Wir werden nicht versäumen, auf diese Fragen neuerdings näher einzugehen, sobald die von Häusler, einem geschulten Fachgeologen, angekündigte grössere Abhandlung erscheinen wird" (Mittig. der anthrop. Ges. in Wien, Bd. 33, 1908)». 7. JbSGU 1914, 27-28: «Über die Ausgrabungen, die Nüesch im Schweizersbild in den Jahren 1891-1893 machte und veröffentlicht hat, äussert sich sein zeitweiliger Mitarbeiter, Rudolf Häusler, in einer im 6. Band des

,,Mannus", 246-260 erschienenen Arbeit: ,,Die Ausgrabungen beim Schweizers bild". In diesem Artikel wird dem Leiter jener Ausgrabungen eine ganze Reihe von ungenauen und sich widersprechenden Behauptungen vorgeworfen, mangelhafte Methode beim Graben, Lässigkeit in der Aufnahme des Fundprotokolls und namentlich der Profile, mangelnde Sorgfalt bei der Registrierung und der Aufstellung der Fundstücke u.a.m. Dem Unbeteiligten ist es natürlich ganz unmöglich, diese Vorwürfe im einzelnen nachzuprüfen, und so begnügen wir uns mit dem Hinweis auf diese rein polemische Auslassung, die erst dann einen Wert erhielte, wenn der Verfasser seine mehrmals ausgesprochene Absicht, in einer besonderen Arbeit die Verhältnisse am Schweizersbild darzulegen, ausgeführt haben wird. Wir stehen auf dem Standpunkt, dass solche polemischen Erörterungen, deren Nachprüfung niemand mehr vornehmen kann, gar keinen Wert haben. Eine Ausgrabung zu leiten, ist für einen Laien, wie Nüesch damals war, als er die Ausgrabung am Schweizersbild begann, eine sehr schwierige Sache und muss von Spatenstich zu Spatenstich gelernt werden; wenn dabei Fehler unterlaufen, so wird das jedermann verstehen. Auch ändern sich die Methoden; sie verbessern sich, d.h. man sucht es besser zu machen, als es die früheren getan haben. Aber „siehe da, die Füsse derer, die Dich hinaustragen werden, stehen schon vor der Tür". Bedenklicher ist es schon, wenn persönlicher Ehrgeiz und Eigennutz sich einer wissenschaftlichen Unternehmung bemächtigen; das scheint nun in der Tat im Schweizersbild der Fall gewesen zu sein. Aber wenn die Sache einmal festgestellt ist, so hat es keinen Zweck, sich des Langen und Breiten darüber aufzuhalten. Wir hoffen, dass das unerquickliche Kapitel „Schweizersbild", wenigstens so weit es die Grabungsgeschichte betrifft, geschlossen werde, und haben absolut kein Verlangen, einen Spiess in diesen Streit zu tragen». 9. JbSGU 1916, 39: «In L'Anthropologie 27, 1916, 151 bespricht F. de Zeltner die Broschüre Dr. Häusler (vgl. 7. JbSGU 1914, 27f.) und rät bei der Beurteilung derselben äusserste Vorsicht an. Er regt an, es möchte eine Kommission von gelehrten Spezialisten an Ort und Stelle eine gründliche Untersuchung vornehmen, um der Wissenschaft über die Zuverlässigkeit der Arbeiten von Nüesch am Schweizersbild Bericht zu erstatten. Diese Forderung zu erfüllen, ist allerdings jetzt nicht mehr möglich. In einer Fussnote nimmt Boule die Arbeiten von Nüesch, die er selber im Jahre 1892 habe besichtigen können, kräftig in Schutz und schliesst: ,,Si Nüesch n'etait pas, a cette epoque du moins, un savant prehistorien, il etait un travailleur methodique et consciencieux"».

189


5. Zum Verbleib des Fundmaterials 5.1. Verkauf von Schulsammlungen Dokument 29: Verkaufsprospekt für Schweizersbild-Sammlungen von J. Nüesch 255 • «Zu den allerältesten menschlichen Niederlassungen in der Schweiz, und überhaupt in Europa, gehört die im Jahre 1891 entdeckte Niederlassung aus der Rentierzeit am Fusse eines überhängenden Felsens beim Schweizersbild, in der Nähe der Stadt Schaffbausen. Die erste Ansiedlung in dieser Gegend geschah nach der letzten Eiszeit und nachdem die Tundrafauna mit dem Halsbandlemming, der Schneemaus, der Zwiebelmaus und dem Zwergpfeiffbasen einer Steppenfauna, ähnlich derjenigen Nordsibiriens, Platz gemacht hatte. Über die Kulturstufe, Lebensweise, Sitten und Gebräuche unserer ältesten Urahnen geben uns die, in den verschiedenen, über einander liegenden Erdschichten eingeschlossenen Steine und Knochen, die Abfälle ihrer Mahlzeiten, Zeugniss und sie enthüllen uns einen neuen Zeitraum der Schweizergeschichte, der weit älter ist als die bisher bekannte älteste Zeit, die Zeit der Pfahlbauer. Die ersten Menschen vom Schweizersbild - der älteren Steinzeit oder der paläolithischen Zeit - kannten noch keine Metalle, weder die Bronze noch das Eisen, und konnten die Steine nicht bohren und zu Äxten schleifen, wie die Pfahlbauer unserer Seen; sie hatten nur geschlagene Steinwerkzeuge aus Feuerstein: Messer, Sägen, Schaber, Bohrer und Polierinstrumente. Mit diesen Feuersteininstrumenten verfertigten sie aus Knochen und Horn des Rentiers ihre Pfeile, Lanzen, Harpunen, Nadeln, Meissel und Pfriemen; ritzten sogar Zeichnungen von den damals lebenden Tieren in Knochen, Horn und Stein; sie lebten nur von der Jagd und erlegten das Rentier, Diluvialpferd, den Wildesel, Bären, Wolf, Luchs, Eisfuchs, Edelmarder, das Hermelin, den Alpenhasen, den Steinbock, Vielfrass, Adler und Falken, Eulen und Schneehühner. Erst spätere Bewohner derselben Gegend konnten Steine schleifen und Töpfe fabrizieren wie die Pfahlbauer; sie lebten auch noch ausschliesslich von der Jagd, fanden aber eine ganz andere Tierwelt in der Gegend, die Waldfauna, und erlegten den Edelhirsch, das Reh, das Wildschwein, den Urstier, das Torfrind, das Schaf und die Ziege, den Dachs, Feldhasen und das Eichhörnchen. Die Menschen dieser Zeit - der jüngeren Steinzeit oder neolithischen Zeit - bestatteten ihre Toten sorgfältig, namentlich die Kinder, und gaben ihnen Feuersteinwaffen und Schmucksachen mit in das Grab; sie zeichneten sich aus durch ihre Kleinheit wie die Polarvölker. 190

Die Sammlung macht uns bekannt einerseits mit den wichtigsten Repräsentanten der Fauna und zeigt uns, wie die Röhrenknochen zertrümmert wurden, um das Mark herauszuholen; anderseits zeigt sie die Fabrikation der Feuersteininstrumente aus den Knauern zu Messern, Schabern, Bohrern, Sägen und Polierinstrumenten. Diese Gegenstände sind nach der Ansicht der bedeutendsten Geologen mindestens 20 000 Jahre alt und verdienen schon dadurch unsere Aufmerksamkeit; überdies aber repräsentieren sie den Anfang unserer Kultur und veranlassen uns zu einer beredten Vergleichung zwischen Einst und Jetzt. Mit Recht schreibt daher Herr Professor Dr. H. Karsten in Berlin: ,,Mir scheint es, besonders im Interesse der vorgeschichtlichen Anthropologie, höchst wünschenswert, ja geradezu notwendig, dass jedermann die betreffenden Objekte vom Schweizersbild kennt; jeder Schüler daher sie wenigstens auch einmal gesehen hat, um brutalen Zerstörungen von dergleichen Fundstellen so viel wie möglich vorzubeugen, die bis jetzt schon allzuviel vernichtet haben und leider heute sich der wissenschaftlichen Forschung entziehen. Es sollte daher jede Schule eine kleinere Sammlung von Schweizersbildobjekten haben". Einern vielfach geäusserten Wunsch von Seite der Lehrer entsprechend, hat der Unterzeichnete es unternommen, zwei Typen solcher Schulsammlungen - genau etiquettiert und bestimmt - zusammenzustellen. Die grössere Sammlung enthält 6 Kartons mit Knochen, Zähnen und Geweihstücken, so wie 4 Kartons mit Feuersteininstrumenten und die Fabrikation derselben darstellend. Preis Fr. 150.- inclusive Schachtel und Verpackung. Die kleinere Sammlung enthält 3 Kartons mit Knochen und Zähnen, sowie 2 Kartons mit Feuersteininstrumenten und die Herstellung derselben darstellend. Preis Fr. 100.inclusive Schachtel und Verpackung. Noch kleinere Sammlungen mit einer Tafel Knochen und zwei Tafeln Feuersteininstrumenten werden inclusive Schachtel und Verpackung zu Fr. 50.- abgegeben. Anmeldungen zum Bezuge solcher oder ähnlicher Sammlungen mit Artefakten in Knochen und Horn beliebe man zu richten an Dr. J. Nüesch, Schaffbausen». 5.2. Zum Erwerb der Schweizersbild-Sammlungen für das Museum zu Allerheiligen, Schaffhausen Dokument 30: Artikel im Tage-Blatt für den Kanton Schaffbausen, vom 30. November 1896. «Das hiesige Naturhistorische Museum ist in letzter Zeit in sehr wertvoller Weise bereichert worden. Herr Dr. Nüesch, der nach langer Krankheit seine Tätigkeit wieder


aufnehmen konnte, hat dem Museum aus seinen Funden am Schweizersbild zwei Schenkungen gemacht. Die Ausgrabungen am Schweizersbild zeichneten sich vor ähnlich früheren Unternehmungen bekanntlich dadurch aus, dass sie äusserst sorgfältig und systematisch betrieben wurden. Nur so war es möglich, die verschiedenen Schichten der Ausgrabungen auseinander zu halten. Darin nun aber liegt eben - neben einzelnen phänomenalen Fundstücken - der Hauptwert der Funde im Schweizers bild. Was nun Herr Dr. Nüesch im Auftrage einiger anderer Museen erstellt hat, hat er dem hiesigen geschenkt: ein Profil in halber natürlicher Grösse der Schichten vom Schweizersbild. Es ist das ein grosser Glaskasten. Wie viele Spezereihändler ihren Kaffee direkt hinter dem Glas zeigen, so sieht man hier die Schichten, die sich seit 24 000 Jahren an den Felsen des Schweizers bild ablagerten fein säuberlich hinter Glas und Rahmen. 1. Zu unterst gelblicher Moränenschotter von der letzten Vergletscherung. Keine Spur von Menschen oder Tieren. 2. Darauf die Reste der ältesten Steinzeit mit spärlichen Überresten menschlicher Anwesenheit. Die Fauna (Tierwelt) ist die der Tundren in Nordsibirien (Lemming, Eisfuchs, Rentier, Vielfrass, Alpenhase, Hermelin, Schneemaus etc.). 3. Es folgt nun eine gelbe Kulturschicht, die paläolithische, ältere Stein- oder Rentierzeit. In dieser Schicht wurden etwa 14 000 Stück Steinwerkzeuge gefunden. Die Fauna ist die des mittleren Sibiriens, die Steppenfauna, die vom Rentier beherrscht wird. 4. Eine mächtige Übergangsschicht, die nicht weniger als 8000 Jahre repräsentiert, bildet den Übergang von der älteren zur jüngeren Steinzeit. Sie weist hier im Schweizersbild nur ganz spärliche Einschlüsse menschlicher Tätigkeit auf und mit 21 Arten die Übergangsfauna von der Steppe zum Wald. 5. Eine graue Aschenschicht zeigt, dass nun wieder Menschen unter den Felsen des Schweizersbild gehaust haben. Neben Steinwerkzeugen finden sich hier auch Topfscherben. Die Menge Asche deutet auf hochstämmigen Wald hin. Es finden sich Spuren von sorgfältiger Bestattung der Toten. Die Fauna ist die der Pfahlbauten und ist in 41 Arten vertreten. 6. Die oberste Schicht, auf der Blumen blühen, weist Gegenstände aus der Bronzezeit auf und zu den Menschen gesellen sich nun die gute Kuh, das brave Schaf, Katz und Klingel, Taube und Gans - kurz man wird da droben wieder ganz gegenwärtiglich angehaucht. Neben diesem Profil, das in leichtverständlicher Weise eine Quintessens des ganzen Fundes bildet, hat Herr Dr. Nüesch dem Museum noch eine andere überaus wertvolle Sammlung geschenkt. In einem andern Glasschrank finden sich schöne Fundstücke, so besonders eine prächtige Rentierschaufel, ein vorweltlicher Pferdehuf. Darunter systematisch geordnete Feuersteinwerzeuge, besonders feine Feuersteinbohrer und Walkwerkzeuge. Genau lässt

sich da verfolgen, dass aus einem Rentierknochen eine andere Nadel entsteht, als aus einem Vogelbein. Kurz die beiden von Herrn Dr. Nüesch gestifteten Schränke sind äusserst interessant und es ist nur zu bedauern, dass sie erst im Herbst, also zu einer Zeit, wo das Museum seine Pforten schliesst, aufgestellt worden sind. Im Frühjahre aber soll man daran denken!»

Dokument 31: Antrag an den Grossen Stadtrat Schaffhausen, betreffend Erwerbung der Sammlung Nüesch 256 • «,,An den Grossen Stadtrat Schaffhausen. Als vor Jahren durch die Ausgrabungen im Kesslerloch Fundgegenstände gewonnen wurden, die für die wissenschaftliche Erforschung der Urgeschichte des Menschen von weittragender Bedeutung waren, da gelang es nicht, sie für die öffentliche Sammlung im Kanton selbst zu erwerben. Die bedeutendsten Objekte kamen ins Ausland und bilden noch heute Zierden der betreffenden Museen. Als dann später die Ausgrabungen im Schweizersbild zur Entdeckung der seither so berühmt gewordenen dortigen prähistorischen Niederlassung führten, da konnten wenigstens die schönsten und wertvollsten Objekte, dank der Intervention des Bundes, für das Schweizerische Landesmuseum erworben werden und blieben damit unserem Lande erhalten. Der Kanton und die Stadt Schaffhausen allerdings, für welche jene Fundgegenstände vor Allem von Wert und Interesse gewesen wären, ging hiebei leer aus. Nachdem sodann durch eine wiederholte Durchforschung der prähistorischen Niederlassung im Kesslerloch, welche Herr Dr. Nüesch in den Jahren 1893, 1897 und 1898 vornahm, eine sehr bedeutende Sammlung von Objekten aus der paläolithischen Periode, worunter eine ganze Reihe kulturhistorisch interessanter Artefakte zu Tage gefördert wurde, glaubten wir, dass sich Gelegenheit zur Erwerbung dieser Sammlung bot, Schritte für deren Erhaltung tun zu sollen. Wir gingen dabei von der Ansicht aus, dass derartige wissenschaftlich bedeutende Funde für denjenigen Ort das meiste Interesse und den grössten Wert haben, wo sie entdeckt wurden, dass es deshalb eine Ehrenpflicht der Stadt sei, die Sammlung zu erwerben, falls dies nicht mit unerschwinglichen Opfern verbunden sei. Die hierwegen mit Herrn Dr. Nüesch geführten Verhandlungen hatten zur Folge, dass der beiliegende Vertrag, den wir Ihnen hiemit zur Genehmigung vorlegen, abgeschlossen wurde. In der Zwischenzeit wurden auch von anderer Seite, nämlich durch den Historisch-Antiquarischen Verein und die Naturforschende Gesellschaft weitere Ausgrabungen 255 256

Nachlass Nüesch. Nachlass J. Nüesch, Stadtarchiv Schaffhausen.

191


beim Kesslerloch unternommen und es gelangten diese Vereine mit einem Beitragsgesuch an den Stadtrat. Aus den gleichen Gründen wie bei der Sammlung des Herrn Dr. Nüesch erklärten wir uns bereit, die sämtlichen Fundobjekte der Vereine gegen Vergütung der Ausgrabungskosten zu erwerben. Auf dieser Grundlage kam mit den beiden Vereinen der hier gleichfalls beigelegte Vertrag zu stande. Der Vertrag mit Herrn Dr. Nüesch verpflichtet diesen, seine vollständige, durch die Ausgrabungen im Kesslerloch gewonnene Sammlung prähistorischer Fundgegenstände an die Stadt abzutreten". Es folgt eine Aufzählung der Gegenstände dieser Sammlung. Weiter heisst es dann: ,,Diese Sammlung von Fundgegenständen aus dem Kesslerloch gibt uns ein vollständiges Bild des Kulturzustandes des Mammutjägers unmittelbar nach der letzten, grossen Vergletscherung der Alpen, zu einer Zeit, wo der Mensch noch keine Haustiere hatte, als er die Verwendung der Tonerde zur Herstellung von Töpfereien und des Metalles zu bronzenen und eisernen Gerätschaften noch nicht kannte, sich einzig und allein von der Jagd nährte und sich nur in Felle kleidete. Die Funde im Kesslerloch sind noch älter als die im Schweizersbild; sie zeigen uns die ganze Entwicklung der Kunst zur diluvialen Zeit. Die Rundplastik, mit welcher die diluviale Kunst beginnt, ist durch die Darstellung eines Menschen und eines Fisches aus Rentiergeweih und durch bearbeitetes, fossiles Elfenbein vertreten. Die Zeichnungen von Tieren und Pflanzen stellen den weiteren Fortschritt der diluvialen Kunst dar. Die Ornamentik, die letzte und höchste Stufe derselben, ist auf den mit erhabenen und vertieften, oft in Reihen angeordneten Rhomben versehenen, gespaltenen Geweihstangen der verschiedensten Art vorhanden, sowie auf den grossen und kleinen Harpunen, auf den mit Blutrinnen und Eigentumsmarken versehenen Speeren, Lanzen und Lanzenspitzen, auf einem mit Kreisen, Elipsen, Ovalen, Rhomben und Voluten verzierten Kommandostab und auf einem auf allen Seiten reich verzierten Wurfstock. In keiner anderen prähistorischen Fundstätte tritt diese Aufeinanderfolge der Kunstentwicklung so schön zu Tage wie im Kesslerloch, welches in die Blütezeit der diluvialen Kunst fällt. Die zahlreichen, mit grossem Scharfsinn hergestellten Werkzeuge aller Art aus Knochen, Geweih und Feuerstein, die lebensfrischen Zeichnungen, die prachtvollen, einzig dastehenden Schnitzereien und Skulpturen aus Geweih machen das Kesslerloch zu einer der wichtigsten Niederlassungen des vorgeschichtlichen Menschen. Die Sammlung der Fundgegenstände aus demselben wird daher nicht nur zur Belehrung von Jung und Alt dienen, sondern sie wird auch ein steter Anziehungspunkt für Fremde und Gelehrte sein. 192

Eine genauere Beschreibung und Würdigung aller Fundgegenstände und der einschlägigen Verhältnisse hat Herr Dr. Nüesch in seinem Werke: ,Das Kesslerloch, eine Höhle aus paläolithischer Zeit, neue Grabungen und Funde, mit Beiträgen von Prof. Dr. Studer in Bern und Dr. Otto Schötensack in Heidelberg, mit 34 Tafeln Abbildungen und 4 Textfiguren' herausgegeben, welches ebenfalls, wie das Buch über das Schweizersbild, auf Kosten der Schweiz. Naturforschenden Gesellschaft und mit Subvention des Bundes herausgegeben worden ist. Wir verweisen daher hier auf diese Publikation zur weiteren Orientierung über die Bedeutung der beiden prähistorischen Niederlassungen, welche als die ältesten Archive des Kantons, der Schweiz und Mitteleuropas anzusehen sind. Um ein Gesamtbild der beiden prähistorischen Niederlassungen Kesslerloch und Schweizersbild zu erhalten, wünschten wir auch eine Sammlung zu bekommen, welche die Hauptresultate der prähistorischen Erforschung des Schweizersbildes veranschaulichen sollte. Herr Dr. Nüesch erklärte sich bereit, aus den vorhandenen Materialien eine solche Sammlung zusammenzustellen. Dieselbe soll ein vollständiges Bild des Kulturzustandes der Rentierjäger vom Schweizers bild geben und reichhaltiger und vollständiger sein, als jede andere in der Schweiz oder im Auslande bestehende Schweizersbildsammlung, mit Ausnahme derjenigen des Schweizerischen Landesmuseums. Sie soll bestehen aus Originalstücken, wie Pfeilen, Pfriemen, Nadeln, bearbeiteten Knochen und Geweihstücken. Herr Dr. Nüesch hat uns erklärt, dass er noch im Besitze einer ansehnlichen Menge solcher Objekte aus dem Schweizersbild sei, die er zu einer Sammlung zusammenstellen könne. Daneben sollen von den schönsten Fundstücken der Sammlung im Landesmuseum, wie sie im Vertrage aufgeführt sind, naturgetreue Nachbildungen hergestellt werden. Die Niederlassung am Schweizersbild zeichnet sich nämlich vor allen anderen vorgeschichtlichen Stationen dadurch aus, dass daselbst in den 6 übereinander liegenden Schichten aus allen seit der letzten Eiszeit verflossenen Kulturepochen, also aus der ältesten Steinzeit, der Zwischenzeit zwischen der paläolithischen und der neolithischen Zeit, der Pfahlbauerzeit, der Bronze- und der Eisenzeit, eine Menge von Artefakten aus Knochen und Geweih, von geschlagenen Feuersteinwerkzeugen, sowie von geschliffenen Steininstrumenten, von Topfscherben, von Bronze- und Eisengegenständen, von den jeweiligen Bewohnern der Station herrührend, gefunden worden sind. Ein in einem Glaskasten aus noch vorhandenem, ursprünglichem Material der einzelnen Schichten zu erstellendes Profil wird geradezu einen Querschnitt durch die historische und vorhistorische Zeit bis zur letzten Eiszeit, eine Art von Chronometer bilden, an welchem aus


der Mächtigkeit der Schichten die Dauer der einzelnen Epochen annähernd berechnet werden kann. Das Schweizers bild war zur Mammutzeit noch nicht bewohnt, wohl aber seit der Renntierzeit bis auf die Gegenwart. In den 117 vorgefundenen Tierspezies konnte die Aufeinanderfolge einer Tundra-, Steppen-, Weide-, Wald- und Haustierfauna nachgewiesen werden, welche Aufeinanderfolge der Tierwelten auch die seit der letzten Vergletscherung der Alpen erfolgten Klimaschwankungen andeutet. In anthropologischer Hinsicht hat die Entdeckung einer ganz kleinen Menschenrasse, von Pygmäen, welche am Ende der Renntierzeit und am Anfang der neolithischen Zeit am Schweizersbild und im Dachsenbüel lebten, das grösste Aufsehen erweckt. Die Sage von den Zwergen, welche in unseren Bergen früher gehaust haben sollen, ist dadurch zu einer naturhistorischen Tatsache geworden. In Bezug auf die näheren Ausführungen über die Funde am Schweizersbild erlauben wir uns gleichfalls auf das von Herrn Dr. J. Nüesch verfasste, bereits in zweiter Auflage erschienene Werk ,Das Schweizersbild, eine Niederlassung aus paläolithischer und neolithischer Zeit, mit 32 Tafeln Abbildungen und 35 Textfiguren und 360 Seiten Text' hinzuweisen; es ist der 37. Band der Denkschriften der Schweizer. Naturforschenden Gesellschaft. Eine Sammlung von Fundgegenständen aus den einzelnen Schichten vom Schweizersbild bildet die Fortsetzung derjenigen vom Kesslerloch; beide Sammlungen miteinander geben uns dann ein Bild von der Kulturentwicklung in unserer Gegend seit der letzten Eiszeit bis zu der historischen Zeit. Herr Dr. Nüesch verpflichtet sich des weiteren, diese beiden Sammlungen nach wissenschaftlicher Methode und in einer zur öffentlichen Schaustellung zweckmässigen Weise aufzustellen und zwar so, dass sie ein getreues Gesamtbild der prähistorischen Forschung in unserem Kanton geben. Er verspricht, sein möglichstes zu tun, damit sie ein wissenschaftlich bedeutsames und einzigartiges Denkmal der beiden Fundstätten darstellen. Im Übrigen ist die Stadt berechtigt, falls Herr Dr. Nüesch noch weitere Ausgrabungen veranstalten sollte, auch deren Ergebnisse gegen Vergütung der Selbstkosten zu erwerben. Als Kaufpreis für seine Sammlungen hat Herr Dr. Nüesch die Summe von Fr. 18 000.- gefordert. Obwohl wir die Summe für die Stadt etwas hoch fanden, waren wir doch nicht in der Lage, auf Grund objektiver Momente, den Preis zu beanstanden. Der Wert einer derartigen Sammlung ist lediglich Affektionswert und gründet sich auf die wissenschaftliche Bedeutung der Funde, die sich nicht in Zahlen ausdrücken lässt. Eine Reduktion des Preises war um so weniger zu erreichen, als Herr Dr. Nüesch, wie er uns mitteilte, bereits anderweitige, höhere Kaufangebote besitzt. Wenn man sich diese Funde, welche durch die

beiden obgenannten Werke in der wissenschaftlichen Welt als epochemachende Entdeckungen bekannt sind, und dadurch einen hohen Wert erhalten haben, sichern will, so muss man eben auch den hiefür geforderten Preis aufwenden. In diesem Preise sind übrigens auch alle weiteren persönlichen Leistungen inbegriffen, zu denen der Vertrag Herrn Dr. Nüesch verpflichtet, wobei indessen die Auslagen für die Ausstattung, Kisten, Kasten und dergleichen, soweit sie nicht schon vorhanden und mitzugeben sind, ihm zu ersetzen sind. In Anbetracht aller Umstände halten wir den Preis für annehmbar. Der Vertrag mit dem Historisch-Antiquarischen Verein und der Naturforschenden Gesellschaft basiert auf der Grundlage, dass die durch ihre Ausgrabungen gewonnenen Gegenstände gegen Vergütung der Selbstkosten an die Stadt abgetreten werden. Die Ausgrabungen sind unter Leitung des Dr. Heierli, im Auftrage der Naturforschenden Gesellschaft und des Historisch-Antiquarischen Vereins in Schaffhausen, von 1901-1903 in umfassender Weise vorgenommen worden, sowohl in der Höhle selbst, als in ihrer Umgebung. Sie sind, im Gegensatz zu allen früheren Ausgrabungen, bis auf die Grundlage der Kulturschichten vorgedrungen und haben den Beweis geliefert, dass die Kulturschichten bis auf eine Tiefe von 4 m unter die jetzige Oberfläche des Bodens reichen. Die Fundgegenstände sind sorgfältig nach Schichten auseinander gehalten worden; sie dürfen deshalb, namentlich nach dieser Hinsicht einen sehr hohen wissenschaftlichen Wert beanspruchen. Mit diesen Ausgrabungen ist nun eine abschliessende Beurteilung der prähistorischen Niederlassung im Kesslerloch ermöglicht; die Denkschriftenkommission der Schweiz. Naturforschenden Gesellschaft hat sich auch bereits für die Aufnahme der abschliessenden Arbeit in ihre Publikationen entschieden. Die umfassende Abhandlung wird voraussichtlich im Jahre 1906 erscheinen". Es folgt eine Beschreibung des Fundmaterials. Weiter heisst es dann zum Kauf dieser Sammlung: ,,Alles in Allem bieten diese neuen Funde bereits ein gutes Bild von den uns im Kesslerloch erhaltenen Zeugnissen aus den altsteinzeitlichen Ansiedlungen unserer Gegend. Das Material ist sehr mannigfaltig und zeichnet sich in verschiedenen Typen durch die ausserordentlich grosse Zahl von Repräsentanten aus. Nimmt man nun noch die Fundstücke hinzu, welche die Naturforschende Gesellschaft aus den Ausgrabungen des Jahres 1874 für ihre Sammlung erworben hat, so darf wohl gesagt werden, dass durch den Erwerb eine sehr sehenswerte und interessante Sammlung der Kesslerlochperiode der Stadt Schaffhausen gesichert wäre. Gemäss den uns vorgelegten Rechnungen und Belegen belaufen sich die Ausgrabungskosten auf Fr. 3500.-, welche den Vereinen zu vergüten sind. 193


Die Gesamtausgabe, welche die Stadt durch Erwerbung beider Sammlungen auf sich nimmt, lässt sich veranschlagen wie folgt: Sammlung Dr. Nüesch Fr. 18 000.-, Sammlung der beiden Vereine Fr. 3500.-, Total Fr. 21 500.-. Die Aufstellungskosten beider Sammlungen werden auf mehrere Tausend Franken zu stehen kommen, so dass die Gesamtkosten gegen Fr. 30 000.- betragen werden. Dabei ist noch ein sehr wichtiger Punkt zu erwähnen: die Lokalfrage. Es ist vorgesehen, dass so lange ein neues städtisches Museum noch nicht besteht, die Sammlungen in provisorischer Weise, doch immerhin so, dass deren Besichtigung möglich ist, aufgestellt werden. Schon hierfür wird ein geeigneter Platz nur schwer erhältlich sein. Und doch sollte eine derartige Sammlung, die für die öffentliche Besichtigung bestimmt ist, nicht in Kisten und Kästen irgendwo verborgen werden müssen. Vor einigen Jahren hat unser Mitbürger, Herr Dr. Schalch, seine sehr wertvolle und wissenschaftlich bedeutende geologische Sammlung der Stadt in höchst verdankenswerter Weise geschenkt. Leider war es uns bis jetzt nicht möglich, hiefür einen passenden und würdigen Aufbewahrungsort ausfindig zu machen, so dass die Sammlung, die auf dem Estrich des Emmersberg-Schulhauses einstweilen untergebracht ist, stetsfort noch der Auf- und Ausstellung harrt. Ebenso schwierig wird es sein, die prähistorischen Sammlungen unterzubringen. Die rationellste und richtigste Lösung der Platzfrage wäre zweifellos der Bau eines Museums für alle städtischen Sammlungen. Die Stadt wird dieser dringenden Aufgabe nicht mehr ausweichen können. Bereits ist durch die hochherzige Schenkung des Herrn J.H. Frey-Hurter ein ansehnlicher Grundstock zu einem Museums-Baufonds vorhanden. Auch die beiden Vereine sind im Besitz eines Fonds, der ebenfalls durch schöne Vergabungen geäufnet worden ist. Allein selbst wenn die in öffentlichen und in privater Verwaltung befindlichen Summen zusammengelegt würden, so müsste die Einwohnergemeinde gleichwohl noch Zuschüsse in ganz bedeutender Höhe leisten, damit die Bau- und Betriebskosten eines neuen Museums gedeckt werden könnten. Bevor an diese Aufgabe geschritten werden kann, sollten jedoch unserer Anschauung nach die heute noch grossenteils in Privateigentum stehenden Sammlungen der Stadt übergeben werden, wie dies in ähnlichen Fällen anderorts auch geschah. Der an sich ja richtige Einwand, sie seien heute schon öffentlich und würden in weitherzigster Weise verwaltet, vermag eben doch die Tatsache nicht zu entkräften, dass die Stadt zu dieser Verwaltung nicht mitzusprechen hat und dass es daher auch in Zukunft vom guten Willen der in ihrem Mitgliederbestande wechselnden Vereine abhängig ist, wie über die Sammlungen verfügt wird. 194

Wir wollen nicht unterlassen, Sie auf die erheblichen Schwierigkeiten der Lokalfrage aufmerksam zu machen, glauben jedoch nicht, dass aus diesem Grunde die an sich wünschenswerte Erwerbung der Sammlungen abgelehnt werden sollte. Auf Grund dieser Ausführungen beantragen wir Ihnen: 1. Den mit Herrn Dr. Nüesch unterm 30. November 1904 und mit dem Historisch-Antiquarischen Verein und der N aturforschenden Gesellschaft unterm 31. Mai 1905 abgeschlossenen Verträgen wird die Genehmigung erteilt. 2. Für den Ankauf und die einstweilige Aufstellung der Sammlungen wird ein Kredit von Fr. 30 000.- bewilligt. 3. Der Stadtrat ist mit dem Vollzuge dieser Beschlüsse beauftragt. Schaffhausen, den 5. Juni 1905"».

Dokument 32: Vertrag des Stadtrates von Schaffhausen mit J. Nüesch, betreffend Ankauf der Sammlung Nüesch 257 • «Zwischen Herrn Dr. J. Nüesch und dem Stadtrat von Schaffhausen als Vertreter der Einwohnergemeinde ist folgender Vertrag abgeschlossen worden: 1. Herr Dr. Nüesch tritt an die Einwohnergemeinde zu unbeschränktem Eigentum ab: I. Eine vollständige, mehr als 2000 bearbeitete Fundgegenstände umfassende, durch seine Ausgrabungen im Kesslerloch bei Thayngen gewonnene Sammlung prähistorischer Funde. Herr Dr. Nüesch wird darüber ein genaues Inventar aufnehmen, welches einen integrierenden Bestandteil dieses Vertrages bildet. II. Eine von ihm gewonnene und zusammengestellte bzw. noch zusammenzustellende Sammlung prähistorischer Fundgegenstände aus dem Schweizersbild. Dieselbe soll ein vollständiges Bild des Kulturzustandes der Rentierjäger vom Schweizersbild geben und reichhaltiger und vollständiger sein, als jede andere in der Schweiz oder im Auslande bestehende Schweizersbildsammlung mit alleiniger Ausnahme derjenigen des Schweizerischen Landesmuseums. Diese Sammlung soll enthalten: A. Originalstücke, als Pfeile, Pfriemen, Meissel, Pfeiffen, Nadeln, bearbeitete Knochen und Geweihstücke; B. Naturgetreue Nachbildungen der schönsten Fundstücke der Sammlung des Schweizerischen Landesmuseums, nämlich: 1. Die Kalksteinplatte mit den Zeichnungen, 2. Die grössten Pfeile und Lanzen, 3.-6. Herd, älteste Feuerstätte, Kindergrab und Werkstätte, 7. Profil der Schichten mit historischen und kulturhistorischen Daten. 2. Herr Dr. Nüesch verpflichtet sich, diese Sammlungen nach wissenschaftlicher Methode und in einer zur öffentlichen Schaustellung zweckmässigen Weise aufzustellen und zwar so, dass sie ein möglichst getreues Gesamtbild der prähistorischen Forschung geben. Er wird ferner eine


populär gehaltene, genaue Beschreibung der Sammlung liefern, deren hauptsächlichste wissenschaftliche Resultate und deren Bedeutung nach allen Seiten anzugeben ist. Herr Dr. Nüesch wird sein möglichstes tun, damit diese Sammlungen ein wissenschaftlich bedeutsames und einzigartiges Denkmal der beiden berühmten schaffhauserischen prähistorischen Fundstätten Kesslerloch und Schweizersbild darstellen. Sollte Herr Dr. Nüesch durch weitere Grabungen neue Materialien gewinnen, so sind dieselben auf Verlangen der Stadt zu den Selbstkosten abzutreten. 3. Bis zur Errichtung eines Museums oder eines definitiven Ausstellungsraumes sind die Sammlungen in einem von der Stadt zu bestimmenden Raume provisorisch, jedoch in der in § 2 angegebenen Weise zur Ausstellung zu bringen. Die Auslagen für die Ausstattung, Kisten und Kasten bezüglich Sammlung I und II, soweit sie nicht schon vorhanden sind, trägt die Stadt, ebenso vergütet sie für Aufstellung der Sammlung II dem Herrn Dr. Nüesch die persönlichen Auslagen. 4. Für die Erfüllung der von Herrn Dr. Nüesch übernommenen Verpflichtungen, sowie als Kaufpreis für die Sammlungen bezahlt die Käuferin die Summe von Fr. 18 000.-, zahlbar nach vertraglicher Übergabe der Sammlungen. Also vereinbart unter Ratifikationsvorbehalt durch den Grossen Stadtrat, Schaffhausen, den 30. November 1905».

Dokument 33: Vertrag des Stadtrates mit dem Historisch-Antiquarischen Verein Schaffhausen und der Naturforschenden Gesellschaft Schaffhausen betreffend Erwerb der paläolithischen Sammlung 258 • « 1. Die eingangs erwähnten beiden Vereine haben in den Jahren 1901 und 1903 vor und in der prähistorischen Fundstätte zum Kesslerloch bei Thayngen Ausgrabungen vorgenommen. Sie übergeben nun die sämtlichen dadurch gewonnenen Fundgegenstände zu einer nach wissenschaftlicher Methode geordneten Sammlung zusammengefasst und mit einem genauen Inventar nebst populär gehaltener Beschreibung der Bedeutung der einzelnen Objekte versehen, zu unbeschränktem Eigentum an die Stadt ab. 2. Als Kaufpreis für diese Sammlung, sowie für die Erfüllung der in § 1 genannten Leistungen vergütet die Stadt den Vereinen die rechnungsgemäss durch Belege ausgewiesenen effektiven Auslagen, welche durch die Ausgrabungen erwachsen sind. Der bezügliche Betrag ist zahlbar nach Übergabe der Sammlung an die Stadt.

3. Sollten die beiden Vereine in Bezug auf die Fundstätte Kesslerloch oder an irgend einer anderen Stelle im Kanton Schaffhausen weitere Ausgrabungen, die die gleiche Kulturepoche, wie sie das Kesslerloch bezeichnet, betreffen, vornehmen oder vornehmen lassen, so sind sie verpflichtet, deren Resultate der Stadt Schaffhausen auf ihr Verlangen ebenfalls gegen Bezahlung der wirklichen Selbstkosten abzutreten. Also vereinbart unter Ratifikationsvorbehalt durch den Grossen Stadtrat, Schaffhausen, den 31. Mai 1905».

5.3. Zum Erwerb der Schweizersbild-Sammlung für das Schweizerische Landesmuseum Zürich, ihre Aufstellung durch J. Nüesch, nachträgliche Veränderungen durch H. Breuil und die Wiedereinrichtung durch J. Nüesch Dokument 34: Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend Bewilligung eines ausserordentlichen Kredites für Erwerbung des hauptsächlichsten Teils der Herrn Dr. Nüesch in Schaffhausen zustehenden Fundgegenstände aus der prähistorischen Niederlassung beim Schweizersbild (Schaffhausen) 259 • «Der Centralvorstand der Schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft hat uns durch Eingabe vom 24. Oktober 1893 die Erwerbung der Herrn Dr. J. Nüesch in Schaffhausen gehörenden Sammlung von Fundgegenständen aus der prähistorischen Niederlassung beim Schweizers bild nahe gelegt, und zwar unter dem Hinweis darauf, dass es eine Ehrenpflicht der Schweiz sei, sich diese kulturhistorisch so wichtige Sammlung zu erhalten und sie nicht ins Ausland entfliehen zu lassen, von woher dem Besitzer schon bedeutende Kaufsangebote zugegangen seien. Jene Eingabe ist von drei Gutachten hervorragender schweizerischer Gelehrter, der Herren Professoren Dr. Lang in Solothurn, Dr. Th. Suter in Bern und Dr. A. Heim in Zürich, begleitet, aus welchen Arbeiten wir zur nähern Beleuchtung der Entstehung und der wissenschaftlichen Bedeutung der Sammlung folgendes zu reproduzieren uns erlauben: „Noch vor relativ kurzer Zeit kannte man als Zeichen der ältesten Besiedlung unseres Landes nur die Reste, welche die Pfahlbauten in den Torflagern unserer Seen hinterlassen haben. Dem Alter nach reichen dieselben bis in die sogenannte neolithische Periode, in welcher Knochen und Steine das einzige Material für Herstellung von Haus257

2 " 259

Nachlass J. Nüesch, Stadtarchiv Schaffhausen. Nachlass J. Nüesch, Stadtarchiv Schaffhausen. Nachlass Nüesch.

195


und Kriegsgeräten lieferten, der Stein dabei in künstlicher Weise geschliffen und poliert wurde. Spuren aus Besiedelungen älterer Zeit, wie sie namentlich Frankreich, Belgien und Süddeutschland aufweisen, fehlten. Erst vor cirka 18 Jahren wurden im Kanton Schaffhausen, in der Höhle von Thayngen, Kulturreste entdeckt, die einem Zeitalter angehörten, in welchem noch ein arktisches Klima in unsern Breiten herrschte, und wo der Mensch noch in Gesellschaft polarer Tierformen, wie Renntier, Eisfuchs, Schneehase und Vielfrass, lebte. Neben zahlreichen, von Menschenhand zerschlagenen Knochen dieser Tiere fanden sich dort primitive Werkzeuge aus Knochen und Feuerstein, die zu mannigfaltigem Gebrauch zugeschlagen waren oder zu Pfriemen, Nadeln, Bohrern und Messern verarbeitet wurden; daneben fanden sich sogar Spuren künstlerischer Thätigkeit: in Horn und in Knochen eingeritzte Zeichnungen von Tieren, welche die Jagdobjekte der damaligen Menschen bildeten. Leider wurden die Fundgegenstände nicht mit einer der Wichtigkeit der Sache entsprechenden Sorgfalt ausgegraben und nur ungenügend wissenschaftlich verarbeitet. Sie wurden auch nicht an einem Orte niedergelegt, sondern in verschiedenen Museen, einheimischen und ausländischen, zerstreut, so dass wir nirgends das vollständige Bild der damaligen Kultur erhalten. Eine zweite Fundstelle wurde später wieder im Kanton Schaffhausen in der Höhle von Freudenthal entdeckt und von Herrn Regierungsrat Dr. Joos ausgebeutet, in dessen Privatbesitz sie sich noch befindet. In den letzten Jahren nun gelang es Herrn Dr. Nüesch in Schaffhausen, eine neue Station aus der Renntierzeit am Fusse eines Felsens, dem Schweizersbild, am Ausgang des Freudenthales, zu entdecken. Unter den etwas überhängenden, cirka 30 Meter über dem Thalgrund sich erhebenden Felsen fand sich ein Wall von herabgebröckeltem Material, in welchem, neben zahlreichen zerschlagenen Knochen von mannigfaltigen Tieren, eine grosse Menge von Werkzeugen aus Stein, Knochen und Horn lagen, die Abfälle früherer menschlicher Ansiedlungen. Da seit Jahrtausenden die Abbröckelung des Felsens, wie die Fragmente lehren, in gleicher Weise vor sich ging, so lassen sich schichtenweise verschiedene Kulturablagerungen nach ihrer Altersfolge unterscheiden, und zugleich lässt sich ein Urteil über ihr relatives Alter und ihre Dauer gewinnen. Herr Dr. Nüesch hat in ungemein gewissenhafter Weise durch sehr sorgfältige successive Abgrabung von oben nach unten diese einzelnen Schichten verfolgt, die Fundstücke denselben enthoben und dieselben genau nach Lagerung und Ort einregistriert. Es handelt sich also hier nicht um eine rohe Ausbeutung von Altertümern, sondern um eine wissenschaftliche Forschung, zu welcher die Fundstücke die Belege bilden. Auf diese Weise gelang es denn, folgende Reihenfolge verschiedener 196

Besiedlungen der Stelle aufzufinden. Unmittelbar über dem jüngsten Gletscherschutt, welcher den Thalboden bedeckt, finden sich Gesteinstrümmer gemengt mit einem gelben Lehm, welcher erfüllt ist mit Knochen kleiner Nagetiere; dieselben gehören Arten an, welche in heutiger Zeit nur noch die Tundragebiete Nordsibiriens bevölkern, in Europa, ausser zum Teil im hohen Norden, nicht mehr vorkommen. Es sind Lemminge, Ziesel, Zwerghamster, Pfeifhasen und andere. Über dieser Schicht, deren Ablagerung eine lange Zeit in Anspruch genommen haben muss, folgen wieder Lager von Gesteinstrümmern und dann eine cirka 40 cm dicke Schicht von gelblicher Farbe, die nach oben zu allmählich dunkler wird; hier lagern Haufen von zerschlagenen Tierknochen und Artefakte aus Stein, Horn und Knochen, die darauf deuten, dass lange Zeit hier der Mensch seine Stätte aufgeschlagen hatte. Die Knochen gehören grösstenteils dem Renntier an; daneben finden sich zahlreich solche vom Wildpferd, vom sibirischen Steppenesel, vom Schneehasen, Vielfrass, Eisfuchs, Schneehuhn und andern. Die Artefakte sind künstlich zugeschlagene Feuersteine, die zu Hämmern, Reibsteinen, Messern, Bohrern, Pfeil- und Lanzenspitzen geformt sind; Knochen und Renntiergeweihe sind zu Dolchen, feinen Nadeln und Pfriemen verarbeitet und oft von überraschender Feinheit und Zierlichkeit der Ausführung. Am merkwürdigsten sind aber eingeritzte Zeichnungen auf Kalkstein und auf Renntierhorn. Auf einem solchen, das zu einem sogenannten Kommandostab verarbeitet ist, findet sich die gelungene Zeichnung eines Renntiers, auf einer Kalkplatte Darstellungen des Wildesels und des Pferdes. Wir haben es demnach hier mit einer alten Ansiedlung von Menschen zu thun, die auf der Kulturstufe standen, wie sie etwa noch die Eskimos im nördlichen Grönland oder die Tschuktschen in Nordostsibirien zeigen. Diese Menschen lebten vom Renntier, das in grossen Herden die Gegend bevölkerte und ihnen Nahrung und Kleidung, Geräte und Werkzeuge lieferte. Eine lange Zeit muss nach Verschwinden des Renntiers und seiner Verfolger verflossen sein, bis wieder Menschen an derselben Stelle sich ansiedelten. Mächtige Lager von Gesteinsschutt, ohne fremde Überreste, liegen auf der Stätte, in welcher die Küchenabfälle der Renntiermenschen begraben liegen. Erst über dieser Masse folgt eine Schicht humusreichen Gerölls, in der Überreste einer neuen Tierwelt und einer neuen Kulturepoche liegen. An der Stelle von Bewohnern der Tundren und Steppen Nordsibiriens treten hier die bekannten Bewohner des europäischen Waldes auf, zugleich ein Zeichen, dass an die Stelle einer arktischen Vegetation der stämmige Hochwald getreten. Die Knochen von Hirsch, Reh, Bär und Wolf neben solchen von einigen Haustieren, so von Rind und Torfschwein, geben Kunde von solchen Verän-


derungen. Von menschlichen Überresten sind emrge polierte Steinäxte, Steinhämmer und Reibsteine erhalten, wie wir solche in den alten Pfahlbauten der Seen vorfinden. Einzelne Gräber, mit Steinplatten ausgekleidet und mit menschlichen Knochen erfüllt, zeigen, dass die Stelle auch als Begräbnisplatz verwendet wurde. Weiter nach oben geht diese Schicht in den modernen Humus über, in dem noch ab und zu Gegenstände aus der Bronzezeit und der spätem Eisenzeit, mit Tierknochen gemischt, liegen". Diese kurze Schilderung der Verhältnisse am Schweizersbild mögen genügen, die eminente wissenschaftliche Bedeutung der Ausgrabungen von Herrn Dr. Nüesch klar zu legen. Keine andere Fundstelle hat bis jetzt die Reihenfolge der ältesten Kulturepochen in so klarer Weise gezeigt und zugleich auch den Wechsel des Klimas, der Vegetationsdecke und der Tierwelt unseres Landes vor Augen geführt. Zugleich sehen wir, dass die Zeiträume, welche die Gegenwart des Renntierjägers von derjenigen des primitiven Pfahlbauers trennen, grösser sind, als diejenigen, welche zwischen unserer Kultur und derjenigen des Pfahlbauers liegen. Die Fundstation wurde im Oktober 1891 durch Herrn Dr. Nüesch nach langjährigen vergeblichen Nachgrabungen an den verschiedensten Orten des höhlenreichen Schaffhauser Jura entdeckt und dann in den Jahren 1892 und 1893 mit grosser Sorgfalt und Sachkenntnis auf eigene Kosten ausgebeutet. Die Ausgrabungen erweckten wegen der zu Tage geförderten Funde bald das lebhafteste Interesse der gelehrten Welt und lockten eine Reihe der bedeutendsten Vertreter der Paläontologie zur Besichtigung auf Ort und Stelle. Unter den auswärtigen Gelehrten, welche die Fundstätte während des angedeuteten Zeitraumes besuchten, seien hier genannt die Herren Professoren Dr. Virchow in Berlin, Dr. Credner in Leipzig, Dr. Penck in Wien, Dr. Zittel und Dr. J. Naue in München, Dr. 0. Fraas in Stuttgart, Dr. Marcellin Boule in Paris - dieser als Abgeordneter der französischen Regierung - Dr. Deperret in Lyon, Dr. Braggebusch aus Argentinien, Dr. Helland aus Christiania. Selbstverständlich verfolgten auch die schweizerischen Fachgelehrten, sowie die naturhistorischen und antiquarischen Gesellschaften und Vereine den Gang der Ausgrabungen und fanden sich nicht minder zahlreich auf der Fundstätte ein. Die Ausbeute entspricht durchaus, nachdem sie vollendet ist, dem Aufsehen, das sie während ihrer Gewinnung erzeugte: sie ist eine sehr reiche und qualitativ sehr wertvolle geworden und umfasst nach dem vorhandenen Kataloge 1657 Geräte aus Horn und Knochen, bei 20 400 Artefakten aus Feuerstein, menschliche Skelette von 26 Individuen und Knochen und Zähne von Tieren im ganzen von 64 Arten. Neben den ausserordentlich zahlreichen Werkzeugen und Geräten, wie Pfriemen,

Nadeln, Meisseln, Ahlen, Bohrern, Lanzenspitzen, Pfeilen, Geweihstücken, Renntierpfeifen, Schmuckgegenständen, Gagatperlen und Perlen von Braunkohle etc., hebt der Katalog als besonders wertvolle Funde hervor: mehrere Knochenstücke mit Tierzeichnungen; eine Fischzeichnung auf einer Renntierstange; eine Renntierzeichnung auf einem Kommandostab; zwei sehr schöne Zeichnungen vom Diluvialpferd, ebenfalls auf einem Kommandostab; eine Kalksteinplatte, auf beiden Seiten mit Zeichnungen von Tieren versehen, nämlich auf der einen Seite Renntier und zwei Halbesel, auf der andern Seite zwei Diluvialpferde, ein Mammut und ein Steppenesel; einen künstlich hergestellten, unversehrt erhaltenen Herd aus der Renntierzeit, dessen Wärmesteine noch in der jahrtausendealten Asche liegen; eine Werkstätte aus der Renntierzeit zur Bearbeitung der Feuersteinwerkzeuge; endlich ein vollständig unversehrt erhaltenes, trocken gemauertes Kindergrab mit dem Skelett eines Kindes darin. Die Fundgegenstände sind im Rüdensaal in Schaffhausen auf 27 Tischen, nach Schichten geordnet, aufgestellt. Bald nachdem der Centralvorstand der Schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft mit seiner Eingabe bei uns aufgetreten war, gelangte Herr Dr. Nüesch selbst mit einer Verkaufsofferte vor unser Departement des Innern und erklärte sich unter Berufung auf Preisangebote, die ihm von verschiedenen auswärtigen Instituten, namentlich von seiten des Völkerkundemuseums in Leipzig, gemacht worden seien, erbötig, eine Sammlung, welche sämtliche Unika, sowie die schönsten Werkzeuge aus Knochen und Horn und typische Formen von sämtlichen Fundgegenständen in Feuerstein nach eigener Zusammenstellung des Offerenten enthielte, dem Bunde um die Summe von Fr. 50 000.- abzutreten. Diese Offerte stiess indessen bei der Kommission des Schweizerischen Landesmuseums auf Opposition. Diese Behörde, obschon sie die hohe Wichtigkeit des Fundes anerkannte und die Ansicht des Vorstandes der Naturforschenden Gesellschaft teilte, dass wenigstens der hervorragendste Teil der ausgegrabenen Gegenstände der Schweiz erhalten bleiben sollte, erklärte, höchstens die Bezahlung einer Summe von Fr. 25 000.- für das Ganze nicht nur für die durch Herrn Dr. Nüesch proponierte Sammlung - empfehlen zu können. Das Verhalten der Schweizerischen Landesmuseumskommission führte zu längeren Unterhandlungen mit Herrn Dr. Nüesch, infolge welcher schliesslich folgendes Abkommen mit demselben erzielt wurde: Er erklärt sich bereit, aus den Schweizersbildfunden zwei Sammlungen auszuscheiden und diese beiden zusammen' dem Bunde um die Summe von Fr. 25 000.- abzutreten. Die eine dieser Sammlungen - die kulturhistorische, für das Landesmuseum bestimmt - hat ein möglichst voll197


ständiges Bild des Kulturzustandes des prähistorischen Menschen vom Schweizersbild zu geben und folgende Unika zu enthalten: a. Die Kalksteinplatte, Nr. 1217 des Katalogs, enthaltend die sieben Tierzeichnungen; b. der Kommandostab, Nr. 1216 des Katalogs, mit Zeichnung der zwei Diluvialpferde; c. den Herd aus der Renntierzeit, Nr. 1240 des Katalogs; d. die Werkstätte der Renntierjäger, Nr. 1241 des Katalogs; e. das Kindergrab aus der neolithischen Zeit, Nr. 27 des Katalogs; f. eine Sammlung von Artefakten in Knochen und Horn, cirka 30 Tafeln umfassend, typische Fundgegenstände in schönen Exemplaren aus allen Schichten, wie Pfrieme, Nadeln, Meissel, Lanzenspitzen, Pfeile, Geweihstücke, bearbeitete Knochen, Renntierpfeifen, Schmuckgegenstände usw.; g. das nötige Material zur Anfertigung eines Profils in einem Glaskasten; h. eine reichhaltige Sammlung von Feuerstein-Artefakten: Messer, Sägen, Bohrer, Schaber usw., in den schönsten Exemplaren. Die andere Sammlung - die naturhistorische - bestimmt für das Eidgenössische Polytechnikum, soll ein vollständiges Bild der Niederlassung in faunistischer, zoologischer, geologischer und paläontologischer Beziehung abgeben; sie soll von sämtlichen Tierarten, welche hier gefunden wurden, Knochen und Zähne, sowie eine Sammlung der erratischen Steine, eventuell auch die menschlichen Skelette enthalten. Die Landesmuseumskommission zeigte sich mit diesem Abkommen einverstanden, und Herr Dr. Nüesch hat entsprechend demselben genaue Inventarien der abzutretenden zwei Sammlungen angefertigt. Die Auswahl ist hierauf durch Abgeordnete unseres Departementes des Innern geprüft und die Verzeichnisse sind mit den Gegenständen verglichen worden, wobei die Delegierten nach ihrem Berichte zu dem Schlusse gelangt sind, dass die Sammlungen einschliesslich der Unika in der That durchschnittlich die schönsten und charakteristischen Stücke des ganzen Fundes enthalten. Überdies hat sich Herr Dr. Nüesch noch zu folgenden Konzessionen herbeigelassen: 1. Es soll bei der definitiven Übernahme der zwei Sammlungen den Bundesexperten freistehen, aus dem Rest der im Rüden in Schaffhausen ausgestellten Gesamtsammlung noch irgend welche Gegenstände, Artefakte oder naturhistorische, gegen ähnliche der zwei zusammengestellten Sammlungen auszutauschen. 2. Sollen die Experten das Recht haben, auch über einen solchen Tausch hinaus den zwei Sammlungen noch einzuverleiben, was sie eventuell im Interesse der Vollständigkeit beizufügen für wünschenswert halten. 198

3. Sollen den zwei vom Bund zu übernehmenden Sammlungen die Aufnahme und Profile in grossem Massstab vom Schweizersbild beigegeben werden. Indem wir uns nun erlauben, mit nachstehendem Gesuch vor Sie zu treten, können wir nicht umhin, noch auf folgendes hinzuweisen: Die Ausbeute der Fundstätte zu Schweizersbild ist die Frucht langjähriger emsiger Nachsuchungen und sorgfältiger sachkundiger Arbeit eines schweizerischen Mitbürgers. Die Funde, an sich epochemachend durch ihren Reichtum und wissenschaftlichen Wert, werden es noch mehr werden durch die Anregung, die sie der wissenschaftlichen Forschung geben zur Untersuchung und litterarischen Beleuchtung der einzelnen Fundtypen. Der Entdecker hat denn auch schon eine grosse wissenschaftliche, reich zu illustrierende Publikation über die Schweizersbildfunde in Vorbereitung, und es sind ihm dazu von einer Reihe in- und ausländischer Gelehrter monographische Beiträge zugesichert, so von den Herren: Prof. Dr. Studer in Bern, über die fossilen Knochen der höhern Tiere vom Schweizersbild; Prof. Dr. Nehring in Berlin, über die fossilen Knochen der Nagetiere beim Schweizersbild; Prof. Dr. Kollmann in Basel, über die menschlichen Skelette aus der neolithischen Schicht; Prof. Dr. Penck, über das Alter der Niederlassung; Prof. Dr. Schötensack in Heidelberg, über die geschliffenen Steinwerkzeuge aus der neolithischen Schicht, etc. Unter derartigen Umständen erscheint uns die Erwerbung des wichtigsten Teils der Fundsammlung geradezu als Gebot der Ehre der Schweiz. Diese darf sich die besprochene Kollektion nicht entgehen lassen. Leider kann die Ausgabe nicht aus dem ordentlichen Altertümerkredit gedeckt werden, weil derselbe schon zu einem grossen Teile durch andere dringende Verwendungen in Anspruch genommen ist. Wir sehen uns daher genötigt, die erforderlichen Mittel durch Nachsuchen eines Extrakredites zu beschaffen. Ausser der vereinbarten Kaufsumme von Fr. 25 000.wird noch eine solche von Fr. 2000.- für Deckung von Nebenkosten, wie Übernahme in Schaffhausen, Transport, Installierung, Katalogisierung etc., erforderlich sein. In Betracht dessen erlauben wir uns, das Gesuch an Sie zu stellen, Sie möchten uns für die Erwerbung der oben bezeichneten Auswahl von Fundgegenständen des Herrn Dr. Nüesch in Schaffhausen und für zweckentsprechende Unterbringung derselben einen Extrakredit von Fr. 27 000.- bewilligen. 10. April 1894».

Dokument 35: 1. Eingabe von J. Nüesch an die Landesmuseumskommission, betreffend Veränderungen an der Schweizersbild-Sammlung im Landesmuseum, vom 12. Mai 1908 260 •


«Gestatten Sie dem Endesunterzeichneten durch gegenwärtiges Schreiben Ihnen, hochgeachteter Herr Präsident, zu Handen der Mitglieder der Kommission für das Landesmuseum die folgenden Tatsachen zur Kenntnis zu bringen und im Anschluss daran einen diesbezüglichen Antrag zu stellen. Es ist Ihnen allen bekannt, dass das Landesmuseum mit einer sehr schönen und reichhaltigen Sammlung von Fundgegenständen aus der prähistorischen Niederlassung am Schweizers bild, als einer der grössten und wichtigsten Siedlungen aus der Renntierzeit beginnt und dass die Art und Weise der Aufstellung der Funde sowohl von Laien, als auch von wissenschaftlichen Kreisen bisher allgemeine und ungeteilte Anerkennung gefunden hat. Der Plan dieser Ausstellung entsprach ganz dem Grundplan des Landesmuseums, ein möglichst vollständiges Bild des Kulturzustandes des Renntierjägers dem Besucher des Museums zu geben. Er wurde s.Z. von dem Unterzeichneten entworfen, dem damaligen Direktor des Museums zur Kenntnisnahme unterbreitet, von Ihrer Kommission ohne irgend welche Abänderungen gut geheissen und der nötige Kredit zur Ausführung bewilligt. Die Sammlung wurde dann auch ganz wissenschaftlich nach drei verschiedenen Gesichtspunkten hin geordnet, und zwar: 1. Nach den verschiedenen Fundschichten der prähistorischen Niederlassung am Schweizersbild, sodass man von jedem Gegenstand sofort sehen konnte, aus welcher Kulturepoche er stammte; 2. Nach genetischer Weise, sodass die Bearbeitung und die Entwicklung der verschiedenen Knochenartefakte und der Feuersteininstrumente aus dem Rohmaterial bis zum fertigen Werkzeug dem Besucher des Landesmuseums ein klares Bild von der Herstellungsweise der einzelnen Gerätetypen gab. Ich verweise nur auf die einzig in ihrer Art dastehenden 2 Nadelcartons; der eine zeigte die Herstellung der Nadeln aus dem Knochen des Renntiers vom unbearbeiteten, dann angeschnittenen Knochen bis zu der fertigen, polierten mit Öhr und feiner Spitze versehenen Nadel; der andere dagegen stellte die Herstellungsweise derselben aus den Röhrenknochen des Alpenhasen dar. Noch nie war es möglich, aus den Funden einer anderen Station aus der ältesten Steinzeit die Herstellung der Knochennadeln so genau und unzweifelhaft nachzuweisen, wie am Schweizersbild. Ebenso war eine Reihe von Kartons vorhanden, welche die aufeinanderfolgende Bearbeitung der Feuersteine vom rohen Knollen, vom bearbeiteten Kern, bis zum gleichfarbigen Messer, bis zur Säge, zum Bohrer, zum Schaber, Gravier- & Polierwerkzeug etc. veranschaulichte. Es war dies eine ganz ausserordentlich instruktive Art der Zusammenstellung aus den mehr als 20 000 Feuersteinfunden aller Art, welche Zusammenstellung die Zustim-

mung und Bewunderung der kompetentesten Fachleute erregte und dem Schreiber eine grosse Zahl von Anerkennungen einbrachte. 3. In dritter Linie war die Sammlung überdies noch geordnet nach den verschiedenen Typen der einzelnen Werkzeuge aus Feuerstein, aus Knochen und aus Geweih. Es waren sowohl aus der paläolithischen, als auch aus der neolithischen Schicht ganze Kartons voll typischer Feuersteinkerne, typischer Messer und Sägen, typischer Bohrer und Schaber, ebenso typischer Spitzen, Gravier- & Polierinstrumente, Stichel usw. in den verschiedensten Farben, Formen und Stadien der Bearbeitung. Ebenso waren auch die Knochenartefakte zum grössten Teil nach Typen geordnet und zusammengestellt, sodass gleichfalls ganze Kartons typischer Pfriemen, Meissel, Lanzen, angeschnittene & angesägte Knochen, Schmuckgegenstände aller Art beisammen waren. Diese dreifache Anordnung nach den Fundschichten, nach der Entstehungsweise und nach den Werkzeugtypen, war sowohl für den Kenner, als auch für den Laien, für Jung & Alt ausserordentlich belehrend. Die Gegenstände selbst waren z.Teil aufgeleimt und zum Teil mit Draht auf Cartons befestigt, welche wattiert und mit rotbraunem, seidenem Plüsch überzogen waren, damit die Objekte beim Herausnehmen und etwaigem Abstauben der Cartons ja nie in Unordnung geraten oder abfallen konnten. Auch hob die schöne, rotbraune Unterlage - wie keine andere - das betreffende Objekt prächtig hervor, sodass die Bearbeitung am allerbesten zur Geltung kam und der Gegenstand genau untersucht werden konnte. Die Funde vom Schweizersbild füllten zwei eigens zu der Aufnahme dieser Sammlung angefertigte Schränke rechts und links vom Schweizersbildfelsen vollständig aus; sie bildeten mit der Nachbildung des Felsens, dem aus Originalmaterial hergestellten Schichten-Profil, dem Herd der Renntierjäger, der Werkstätte aus derselben Zeit und dem Kindergrab aus der neolithischen Zeit ein Ganzes, ein Unikum in seiner Art. Bei einem Besuche im L.M. den 11. April a.c. habe ich zu meiner grossen Verwunderung und zu meinem Entsetzen wahrnehmen müssen, dass eine vollständige Veränderung in der Aufstellung der Sammlung vom Schweizersbild im Laufe des letzten Sommers vorgenommen worden ist. Die Fundgegenstände sind von den kostbaren, rotbraunen seidenen Cartons heruntergerissen worden, wobei viele zerbrochen und beschädigt wurden. Die teuern Kartons wurden weggeworfen und ersetzt durch Kartons von hässlich graugelber Farbe. Die Fundobjekte sind dezimiert und nur noch ein kleiner Teil ausgestellt; überdies sind jetzt dieselben so nahe aneinander hingebracht, dass man das

260

Nachlass Nüesch, Kopie.

199


einzelne Objekt vor der Masse der Gegenstände bereits gar nicht mehr sieht. An mehreren, früher ganz unversehrt gewesenen Lanzen, Pfeilen, Speeren, sind die Spitzen und andere Teile abgebrochen; das entzwei geschnittene, sorgfältig zusammengesetzte Renntiergeweihstück ist gebrochen. Der mit unendlicher Mühe von Herrn Conservator Ulrich s.Z. geflickte ganze Kommandostab mit der Zeichnung von 2 Pferden ist ebenfalls beschädigt. Die wunderschönen Nadelcartons existieren nicht mehr! Wohl sind auf einem Karton angeschnittene Knochen ohne Wahl durcheinander nun gewürfelt; von einer genetischen Entwicklung der Nadeln ist nichts mehr zu erkennen. Ebenso fehlt die Veranschaulichung der Herstellung und die Entwicklungsweise der Feuersteininstrumente nun vollständig! Eine solche unqualifizierbare, schädigende Veränderung der Schweizersbildsammlung kann nur aus völliger Unkenntnis entstanden sein, oder es müssen dabei unsachliche, persönliche gegen mich gerichtete Tendenzen obgewaltet haben, - so sagte ich mir beim Anblick dieser unbegreiflichen Eingriffe in die bisherige Aufstellungsart; das Herunterreissen der Gegenstände von den Kartons war geradezu ein Vandalismus und die Neuaufstellung eine „Verschlimmbesserung" eklatantischer Art! Auf eine sofortige Anfrage bei der Direktion des L.M. warum und wer solche völlig unmotivierten unrichtigen Änderungen und Veränderungen an der Schweizersbildsammlung zum grossen Schaden derselben und des Museums vorgenommen habe, erhielt ich von Herrn Dir. Dr. Lehmann die überraschende Auskunft, dass diese Veränderungen auf Betreiben der beiden Geistlichen, des Abbe Breuil aus Frankreich, seit etwa einem Jahr Privatdozent an der Universität in Freiburg in der Schweiz, und des Kaplans Dr. Hugo Obermaier in Wien, sowie eines Prähistorikers in Zürich erfolgt seien und zwar unter dem Vorwande, es sei die Sammlung bisher nicht wissenschaftlich, das bedeutet nach den genannten Herren, nicht nach Typen geordnet gewesen. Ich erfuhr auch sogleich, dass der französische Abbe Breuil im letzten Sommer während 14 Tagen die hässliche Verunstaltung und Dezimierung der Sammlung persönlich vollzogen habe. Die neue, jetzige Art und Weise der Aufstellung der Schweizersbildsammlung, einzig und allein nach Typen, läuft dem Grundplan der Aufstellung der Gegenstände im L.M. diametral entgegen; gerade durch die kulturgeschichtlichen Gemeinschaften in der Anordnung der Objekte zeichnet das L.M. sich vor allen anderen Museen der Welt aus. Sollten auch in französischen Museen die paläolithischen Sammlungen einzig und allein nach Typen geordnet sein, so hat das seinen besonderen Grund darin, dass dort eine Ausscheidung absolut notwendig war. Was im Museum St. Germain-en-Laye in Paris nötig ist, braucht deshalb nicht sklavisch im Schweiz. Landes200

museum nachgeahmt zu werden, namentlich wenn absolut keine Notwendigkeit dazu vorhanden ist und eine planmässige Aufstellung schon existiert. Auch in der Prähistorie gibt es, wie überall in der Wissenschaft, keine absolute für alle Forscher und Museen einzig und allein gültige Norm, so auch nicht betr. die Aufstellung von Fundobjekten. Das Richtige wird die Verbindung der verschiedenen Systeme in vernünftiger Weise sein, wie es bei der von mir bewerkstelligten Aufstellung der Funde vom Schweizersbild gehalten worden ist. Sollte der Grundsatz der Herren Breuil, Obermaier etc. allgemeine Geltung erlangen und zum Durchbruch kommen, so müssten Sie, Hr. Präsident, meine Herren, in konsequenter Weise im L.M. schleunigst in sämtlichen Zimmern die Decken, die Wände, Böden, etc. ebenfalls herunterreissen und mitsamt dem Inventar derselben auch nach Typen ordnen lassen; es müssten dann die sämtlichen Decken, die sämtlichen Wände, Tische, Stühle, Bänke, Sessel, Kommoden, Kisten und Kästen etc. für sich allein neben einander in Reih & Glied zur wissenschaftlichen Vergleichung hingestellt werden! Die oben zitierten Behauptungen der genannten Herren, die bisherige Aufstellung der Schweizersbildsammlung sei nicht wissenschaftlich d.h. nicht nach Typen geordnet gewesen, ist vollständig aus der Luft gegriffen; in ihren Konsequenzen ist die neue Aufstellungsweise völlig unhaltbar. Die Behauptung selbst ist eben unrichtig wie ich Ihnen oben ausführlich auseinandersetzte und wie aus dem beiliegenden gedruckten Katalog über die sämtlichen Funde vom Schweizersbild vom Jahre 1893 zur Genüge hervorgeht; es ist dieser Katalog 15 Jahre vor dem Eindringen der fremden Herren in das Schweiz. Landesmuseum von mir schon nach Typen und nach Fundschichten erstellt worden. Jene Behauptung der obgenannten Herren war vielmehr nur Mittel zum Zweck, aus persönlich gegen mich gerichteten Tendenzen, die Sammlung vom Schweizers bild herunterzudrücken; sie unscheinbar zu machen und, wenn immer möglich, sie völlig verschwinden zu lassen; bereits sind denn auch schon der Herd & die Werkstätte der Renntierjäger, sowie das künstlich angelegte Kindergrab aus der neolithischen Zeit, jene Unika, um welche die grössten Museen anderer Länder das Schweiz. Landesmuseum beneiden, auf die Seite geschoben und mussten einem Glaskasten mit fraglichem Inhalt aus der Pfahlbauzeit Platz machen. Ich habe zu der ausgesprochenen Vermutung, namentlich Abbe Breuil & Obermaier gegenüber um so mehr Grund, als ich schon anderswo den genannten Herren begegnet bin und am geeigneten Ort auf deren Gebahren gebührend aufmerksam machen musste. Dass die Ansichten der beiden Herren durchaus nicht allgemeine Geltung haben und auch nicht allgemeinen


Dokument 36: 2. Eingabe von J. Nüesch an die Landesmuseumskommission, betreffend Veränderungen an der Schweizersbild-Sammlung im Landesmuseum, vom 6. Juli 1908 261 •

vorgenommenen Veränderungen an der Schweizersbildsammlung im Landesmuseum, Ihnen hochgeachteter Herr Präsident, zu Handen der Mitglieder der Kommission für das Landesmuseum noch einige kurze sachliche Bemerkungen zu unterbreiten; dieselben sollen zugleich eine Antwort auf den hier nicht näher zu qualifizierenden Artikel in der N.Z.Z. No. 170, 2. Abendblatt vom 20. Juni a.c. sein, welcher der Redaktion dieser Zeitung von den Dr. J. Heierli & Dr. Lehmann eingereicht worden sein soll. Ich glaube nicht nötig zu haben, - auch fällt es mir sehr schwer - mich über den Preis der Schweizersbildsammlung aussprechen zu müssen, nachdem sich dieselbe nicht weniger als beinahe 15 Jahre schon im Besitze der Eidgenossenschaft befindet & die bisher von keiner Seite nie und nirgends beanstandet wurde. Eines ist doch zu erwähnen, dass in der bezügl. Summe das Entgelt nicht nur für eine Sammlung von Fundobjekten vom Schweizersbild sondern für 2 verschiedene Sammlungen: 1. für die im L.M. sich befindliche kulturhist. & 2. für die in dem Besitz des Polytechnikums in Zürich übergegangene paläontologische Sammlung, enthalten ist. Wissenschaftlich wurde dies wahrscheinlich in dem oben zitierten Artikel den Lesern verschwiegen! Die naturhist. Sammlung enthält Überreste von nicht weniger als 117 Tierspezies, - eine Sammlung, wie es keine 2te aus einer prähist. Station gibt, welche die Aufeinanderfolge einer Tundra-, Steppen-, Weide- und Waldfauna in der so überaus klaren Weise darstellt. Der Ankauf der Schweizersbildsammlung wurde dem h. Bundesrate von der Schweiz. Naturforschenden Gesellschaft nahe gelegt; die betr. Eingabe war begleitet von 3 verschiedenen Gutachten, welche von den Hh. Prof. Dr. A. Heim in Zürich, Prof. Th. Studer in Bern & Prof. Fr. Lang in Solothurn verfasst waren. Es darf hier einfach ohne weitem Kommentar auf diese sachlichen, einlässlichen & unabhängigen Gutachten verwiesen werden, welche den hohen wissenschaftlichen Wert der Fundobjekte besonders hervorheben. Die beiden in den Besitz des Bundes übergegangenen Sammlungen wurden sowohl von einer Kommission des Ständerates, als auch von einer solchen des Nationalrates in Begleitung des Hrn. Bundesrates Lachanal im Sommer 1894 im Rüdensaal in Schaffhausen einer Einsichtnahme und Prüfung unterzogen. Überdies überzeugten sich noch vor der Übergabe an das Landesmuseum die verschiedenen Mitglieder einer vom Bundesrate ernannten Spezialkommission, bestehd. aus den Hh. Prof. Dr. A. Heim, Dr. Angst, Kustos Ulrich u. A., von der Reichhaltigkeit, von der Schönheit und der Wichtigkeit der Fundobjekte der beiden Sammlungen. Der h. Bundesrat berichtet hierüber in seiner Botschaft an

«Der Endesunterzeichnete sieht sich veranlasst, als Ergänzung zu seiner Eingabe vom 12. Mai a.c., betr. die

'"' Nachlass Nüesch. Kopie.

Anklang finden, geht aus den beiden kleinen Druckschriften hervor, welche ich dieser Eingabe beilege. Die eine ist gegen Abbe Breuil gerichtet und verfasst von Prof. Dr. Girod, Doyen de la faculte de medecine, Clermont-Ferrand, dem Verfasser des berühmten Werkes: „L' art pendant l 'äge du Renne". Die andere Druckschrift „Un terrible secret" wendet sich in scharfer Weise gegen Dr. Obermaier und ist geschrieben von Prof. Dr. Rutot, conservateur du musee royal des sciences naturelles a Bruxelles, dem weltbekannten Erforscher der Eolithen, jener von Menschen bearbeiteten Feuersteine aus dem Tertiär. Es gibt, hochgeachteter Hr. Präsident, geehrteste Herren, nur ein Mittel, um den grossen Schaden, welchen das Landesmuseum durch die Umänderung der Schweizersbildsammlung direkt erlitten hat, wieder gut zu machen. Es ist dies die Herstellung der Sammlung in ihrer ursprünglichen Form: durch Zusammenstellung der Funde nach den Schichten, in genetischer Reihenfolge und nach Typen. Diese Art der Aufstellung hat den grossen Vorteil, dass sie nicht nur den wissenschaftlichen Anforderungen voll & ganz entspricht, sondern auch noch dem Laien in anschaulicher Weise einen Einblick in die Lebensbedingungen der Urbevölkerung unseres Landes ermöglicht. Im Interesse der Sache erkläre ich mich bereit, diese Arbeit nochmals zu übernehmen, umsomehr, als ich noch einen genauen Katalog dieser Sammlung besitze. Ich stelle Ihnen diesen Antrag im alleinigen und wohlerwogenen Interesse des L.M. und empfehle Ihnen denselben angelegentlichst zur Annahme. Indem ich Sie bitte, die Ihnen vorgelegte Angelegenheit gütigst einer genauen Prüfung unterziehen und die Frage auch erwägen zu wollen, ob landesfremde, junge Gelehrte, deren Ansichten in wissenschaftlichen Fragen durchaus nicht überall und nicht von allen Männern der Wissenschaft anerkannt werden, mehr zu wünschen, mehr zu befehlen haben, als die durch Gesetz und Verordnung bestellte Kommission des L.M., oder als ein Schweizer, der vom h. Bundesrat durch ein Dankesschreiben und durch Verleihung der silbernen und der Bronze-Medaille für seine Verdienste um das Landesmuseum durch die sach- & fachkundige Aufstellung der Schweizersbildsammlung im Jahre 1898 ausgezeichnet wurde, verbleibe ich mit der Versicherung ausgezeichneter Hochachtung».

201


die Bundesversammlung betr. den Erwerb der Schweizersbildsammlung folgendermassen: ,,Diese kurze Schilderung der Verhältnisse mag genügen, die eminente wissenschaftliche Bedeutung der Ausgrabungen des Herrn Dr. Nüesch klar zu legen. Keine andere Fundstelle hat bis jetzt die Reihenfolge der ältesten Kulturepoche in so klarer Weise gezeigt und zugleich auch den Wechsel des Klimas, der Vegetationsdecke & der Tierwelt unseres Landes vor Augen geführt .... Die Auswahl der zwei abzutretenden Sammlungen ist durch Abgeordnete unseres Departementes des Innern geprüft und die Verzeichnisse sind mit den Gegenständen verglichen worden, wobei die Delegierten nach ihrem Bericht zu dem Schlusse gelangt sind, dass die Sammlungen einschliesslich der Unika (der Kalksteinplatte mit 7 Tierzeichnungen, dem Kommandostab mit 2 Pferdezeichnungen, dem Herd aus der Renntierzeit, der Werkstätte der Renntierjäger, dem Kindergrab aus der neolithischen Zeit, den Pygmäen Skeletten usw.) in der Tat die schönsten und charakteristischen Stücke des ganzen Fundes enthalten. Die Funde an sich, epochemachend durch ihren Reichtum und wissenschaftlichen Wert, werden es noch mehr durch die Anregung, die sie der wissenschaftlichen Forschung geben, zu Untersuchung und literarischen Beleuchtung der einzelnen Fundtypen. Unter derartigen Umständen erscheint die Erwerbung des wichtigsten Teiles der Schweizersbildfunde als ein Gebot der Ehre der Schweiz". Dass die zuletzt ausgesprochene Vermutung des h. Bundesrates richtig war und heut noch ist, geht aus dem Umstande hervor, dass der wissenschaftlichen Publikation über das Schweizersbild wenige Jahre nach ihrem Erscheinen eine 2. vermehrte und verbesserte Auflage folgen musste und dass diese 2. Auflage heute abermals vergriffen ist. Entgegen der oben erwähnten Ansicht unserer Landesbehörde & der hervorragendsten schweizerischen Gelehrten, sowie entgegen den Eminenzen der Wissenschaft, der Hh. Prof. Dr. Virchow, Waldmeyer, Ranke, Zittel, Penck, Boule, Girod, Turner, Schötensack, Schweinfurt u.a. über die Schweizersbildfunde u. Sammlungen, - war es den Hh. Abbe Breuil & Dr. Heierli u. A. vorbehalten, wie die N.Z.Z. schreibt, ,,in der Nüesche'schen Sammlung im L.M. eine Kollektion wissenschaftlich wertvoller Objekte nicht zu finden". Dem gegenüber ist zu bemerken, dass Leidenschaft, Neid & Hass bekanntlich den Menschen blind machen und dass der mir unbekannte Bericht von Abbe Breuil wohl unter diesem Gesichtspunkte angesehen und beurteilt werden muss! Wertlose Abfälle und Knochensplitter waren in der Sammlung im L.M. bisher nicht vorhanden. Sollten sich jetzt Knochensplitter in der selben vorfinden, so sind sie erst nachträglich entstanden infolge des gewaltsamen 202

Herunterreissens der aufgeleimten, äusserst brüchigen Artefakte aus Knochen und Geweih, durch den an der Sammlung verübten Vandalismus. Dass in den Schubläden noch gute Stücke vorhanden waren, wusste der Unterzeichnete schon vor 15 Jahren, indem damals der kulturhist. Sammlung des L.M. von mir auch noch Originalmaterial aus den einzelnen Schichten, welches express nicht untersucht und auch nicht erlesen war, als Belege beigegeben wurde; auch unter den um den Ambos der Werkstätte herumliegenden Feuersteinen musste es bei nachträglicher Untersuchung aus demselben Grunde noch gute Stücke haben. Triumphierend wird dann noch in dem Artikel der N.Z.Z. berichtet, dass die von Breuil neu aufgestellte Schweizersbildsammlung jetzt nur noch die Hälfte des früheren Raumes, nämlich eine einzige Vitrine einnehme! Es ist dies absolut kein Beweis für die Minderwertigkeit der Sammlung, wohl aber eine ganz empörende Botschaft zu nennen! Jederman wird sich fragen, wohin sind denn alle andern zahlreichen Gegenstände gekommen? Jeder derselben war ein Dokument für die Urgeschichte unseres Landes! Wenn auch heute vielleicht noch unanscheinend und nicht erkannt, so kann er durch weitere Erkenntnis in der Folgezeit von hoher ungeahnter wissenschaftlicher Bedeutung werden! Selbst die wissenschaftliche Welt des Auslandes nimmt, Hr. Präsident, meine Herren, bereits Stellung ein gegen das in unserem Landesmuseum vorgenommene Verfahren und bezeichnet die neue Aufstellung als einen höchst bedauernswerten Rückschritt! (Vergl. die beglaubigte Abschrift des Briefes von Hr. Prof. Dr. Girod, Vorstand der mediz.pharmaz. Schule der Universität in ClermontFerrand, sowie diejenigen des berühmten Anthropologen Sir William Turner, Rektor der Universität in Edinburg und den Brief des Hrn. Prof. Dr. 0. Schötensack in Heidelberg). Die am Schweizersbild gefundenen Objekte sind zwar Eigentum des L.M., aber die ganze wissensch. Welt, welche dieselben durch die Publikationen kennt, hat ein gewisses Recht zu verlangen, dass sie alle regelrecht wieder aufgestellt & konserviert werden, als eines der wertvollsten Dokumente der ältesten Geschichte der Schweiz und der ganzen Menschheit. Was würde das Schweizervolk, was würde die wissenschaftl. Welt dazu sagen, wenn die ältesten geschriebenen Urkunden unseres Landes, - die nur das Alter von wenigen Jahrhunderten haben, während die ungeschriebenen, aber ebenso wichtigen Urkunden aus der ältesten Steinzeit ein Alter von mehr als 20 Tausend Jahre besitzen -, zerrissen, zerstört & weggeworfen würden! Der Unterzeichnete richtet daher nochmals an Sie, hochgeachteter Hr. Präsident, hochgeachtete Herren, die dringende Bitte, Ihre Kommission möchte, als die durch Gesetz und Verordnungen berufene Hüterin und Wäch-


terin des L.M., des schweiz. Kleinodes der Kulturgeschichte par excellence, in wohlverstandenem Interesse desselben, ,,Die Rekonstruktion der Schweizersbildsammlung nach Schichten, nach Typen und in genetischer Weise, wie sie früher war und wie ich Ihnen in meiner ersten Eingabe einlässlich auseinandersetzte beschliessen und ausführen lassen". Die Kosten der Rekonstruktion werden nicht bedeutend sein; auch können jetzt die Gegenstände durch eine solche keinen Schaden mehr erleiden, denn die zerbrechlichen Objekte sind bei der vorgenommenen Neuaufstellung schon zerbrochen worden und die übrigen sind nicht mehr aufgeleimt. Dass es übrigens den Herren Dr. Heierli, Breuil & Obermaier nicht um die wissenschaftliche Erforschung und um die Sammlung selbst zu tun war, sondern viel mehr um die Herabsetzung der Funde selbst und damit auch des Entdeckers des Schweizersbildes, geht aus dem Umstande genügsam hervor, dass nicht die ganze Sammlung umgeändert und neu aufgestellt wurde, sondern nur ein Teil derselben und zwar die beiden senkrechten Vitrinen. In dem 1. waagrechten Glaskasten sind noch alle Objekte, besonders die als Schmuck und Zierarten bezeichneten Gegenstände heute noch unverändert, auf den rotbraunen seidenen Sammtkartons belassen, wie früher! Es ist also jetzt die Sammlung ein Mixtum compositum von Altern und Neuem, das weder wissenschaftlich noch sachlich, noch entsprechend instruktiv genannt werden darf! - Leider ist zu befürchten, dass das Landesmuseum in ähnlicher Weise künftighin das Operationsgebiet für Umstellungen aller Art von jungen und alten Strebern werden wird; dringend notwendig ist es daher, zu solchen offenbar tendenziösen „minderwertigen" Bestrebungen von Anfang an die gebührende Stellung einzunehmen. Zum Schlusse erlaube ich mir, der Kommission noch folgenden Vorschlag zu machen. Sollte die Kommission zu derselben Ansicht, des Hr. Dr. Heierli und seiner Helfershelfer, die er in der N.Z.Z. vertritt, gelangen, dass nämlich die Eidgenossenschaft die beiden Sammlungen s.Z. wirklich zu teuer bezahlt habe, so anerbiete ich mich heute, dieselben wieder vom L.M. zurückzukaufen und offeriere Ihnen dafür denselben Betrag von Fr. 25 000.- in bar, zahlbar sofort bei der Übergabe der beiden Sammlungen & zwar Zug um Zug! Ich bin der vollendeten Überzeugung, dass die Schweizersbildsammlungen dann in einem anderen Museum von der Direktion desselben ganz anders wert gehalten und geschätzt, vor fremden Ein- & Angriffen weit besser geschützt und wissenschaftlich höher gewürdigt würden, als es im L.M. jetzt der Fall zu sein scheint. Das in Aussicht stehende Museum, welches eine derartige Sammlung aus ein u. derselben prähist. Niederlassung schon längst sucht, wird dann die Schweizersbildsammlung genau in derselben

Weise aufstellen lassen, wie sie im L.M. bisher aufgestellt war, indem der Direktor jenes Museums, - einer der bedeutendsten Fachgelehrten auf prähist. Gebiet -, dem Unterzeichneten unter dem 26. Mai 1908 schrieb: ,,Ich wüsste keine bessere Aufstellung und Anordnung einer derartigen Sammlung, als die im L.M. in Zürich war". Indem ich Ihnen in 1. Linie den obgestellten, in meiner ersten Eingabe einlässlich & sachlich begründeten Antrag auf eine Rekonstruktion der Sammlung nach Fundschichten, nach Typen und nach der Entstehungsweise der Instrumente im Interesse des L.M. und zur Beruhigung weiterer Kreise des In- & Auslandes, welche dem L.M. gewogen und mit Spannung Ihrem Entscheide entgegensehen, warm empfehle, verbleibe ich mit der Versicherung vorzüglicher Hochachtung».

Dokument 37: Gutachten über die Schweizers bild-Sammlung J. Nüeschs, seine Aufstellung im Schweizerischen Landesmuseum sowie über die Neuaufstellung durch H. Breuil, von D. Viollier 262 • «Monsieur Je Directeur, Lorsque, il y a 3 ans, vous m'aviez charge de faire Je catalogue de la collection du Schweizersbild, c'est en vain que, pendant plusieurs jours, j 'avais cherche Je lien mysterieux qui groupait sur un meme carton des silex de formes tres differentes. Je constatais bien quelques affinites de couleur; je remarquais bien que, par exemple, !es silex rouges avaient une tendance marquee a voisiner. Mais, dans aucune science, la couleur d'un objet ne saurait etre un criterium. De ce premier contact avec la collection Nüesch, j'avais remporte Ja certitude que la fantaisie la plus absolue avait preside a Süll classement. La justesse de cette impression me fut pleinement confirmee, lors de la premiere visite que fit a notre Musee Mr. l' abbe Breuil. Le classement de Ja collection etait, non l'oeuvre raisonnee d'un savant, mais Je passetemps de quelque jeune demoiselle, aussi ignorante en archeologie, que bien intentionnee, qui s, etait amusee a fixer sur de beaux cartons recouverts de velours, des os et des silex dont elle ignorait l' usage. L'archeologie paleolithique forme aujourd'hui, dans l 'archeologie prehistorique, une province entierement Separee, explore par un petit groupe de specialistes. Elle demande a ceux qui s 'adonnent a cette nouvelle science non seulement des connaissances archeologiques, mais surtout une etude approfondie de Ja paleontologie et de la geologie (toutes sciences dont Mr. Nüesch ignore certainement Je premier mot).

262

Nachlass Nüesch, Abschrift.

203


C'est pourquoi, n'etant pas assez verse dans cette branche de l'archeologie pour tenter de faire un nouveau classement qui ne preterai pas le flanc aux memes critiques que celui de M. Nüesch. C'est pourqoui je vous ai demande l'autorisation de faire appel au concours de Mr. l'abbe Breuil. Celui-ci est, parmi les savants specialistes de la France et de l'etranger, un de ceux dorrt la science est universellement reconnue. Faisant appel a ces lumieres, j 'etais certain de travailler dans l 'interet de nos collections et a leur bon renom. 11 ne m' appartient pas de juger de la valeur scientifique de Mr. Nüesch: mes connaissances en archeologie paleolithique ne sont pas assez etendues pour me permettre de le faire en taute impartialite. Mr. Nüesch a, il est vrai, ecrit d'epais volumes sur ces fouilles. Mais je me suis laisse dire que ceux-ci doivent taute leur valeur aux memoires des collaborateurs tres savants et fort habilement choisis par celui dorrt la signature se prelasse en banne place, ecrasant saus l' epaisseur de ses caracteres, les signatures infiniment plus modestes des hommes de valeur qui ont ainsi collabore a sa gloire. D 'autre part, si j 'en crois les echos des diffärents congres archeologiques auxquels Mr. Nüesch a crfi devoir prendre part, apportant sa precieuse collaboration a l' oeuvre commune, je puis dire que ses collegues le tiennent en fort petite estime, le considerent plutöt comme un „raseur" que comme un savant, et font bon marche des communications - eternelles reeditions d 'un sujet maintes fois exploite - dorrt il croit devoir les innonder. Ses fouilles du Schweizersbild furent moins une oeuvre scientifique, qu 'une brillante operation commerciale. La collection fut achetee par la Confäderation pour la somme coquette de Fr. 25 000.- (vingt-cinq mille francs). Or, de l 'avis des personnes competentes, elle vaut Fr. 5000.- (cinq mille francs) largement estimee. 11 m 'a ete rapporte que pour ce prix fantastique, il etait entendu que toutes les trouvailles faites au Schweizersbild devenaient la propriete du Musee. Mais vous n'ignorez certainement pas qu'a l'heure presente, il n'existe pas un musee, pas une collection scolaire en Suisse, qui ne possede au moins une carte d'echantillon de cette station. Cela est d'autant plus regrettable que, vu l 'ignorance de Mr. Nüesch en ces matieres, il se pourrait fort bien qu' il eut involontairement preleve quelques pieces de valeur qui devaient de droit revenir a notre Musee. Mr. l'abbe Breuil passa dorre deux jours a mettre un peu d'ordre dans le savant desordre de Mr. Nüesch. Sur chaque carton, au milieu de nombreux eclats de silex sans valeur, se trouvaient melangees des pieces de types differents, et les memes types d' outils se trouvaient repartis au hasard sur tous les cartons. L'operation achevee, une banne moitie des silex exposes, qui n'etaient que des eclats sans trace de travail et par 204

temps sans valeur, prirent le chemin des tiroirs de reserves. Par contre, dans les depöts juges par Mr. Nüesch sans valeur, on trouva de nombreuses et excellentes pieces, qui avaient echappe a 1'oeil perspicace de celui-ci. Si pres de la moitie du materiel en silex dfit etre sacrifie, ce fut encore bien pire en ce qui concerne les objets en os. Les trois quarts des cartons etaient encombres de fragements d' OS dorrt le seul interet etait d' avoir ete brises pour en extraire la moelle interieure. Toutes ces pieces sans interet furent mises a la reserve. Bref, ce travail acheve, Ja collection se trouva reduite de pres de moitie, mais du meme coup debarassee de taut ce qui etait sans interet. Des deux vitrines primitives, elle n' en occupa plus qu 'une seule. Ce qui compliqua fort le travail de classement ce fut la difficulte que l' on eprouva a enlever les objets des cartons: Non seulement chaque objet etait fixe au carton par un fil de meta!, mais encore, pour plus de surete, enduit au revers, d'une epaisse couche d'une excellente colle. Aussi dans la plupart des cas fallut-il dechirer le velour qui recouvrait les cartons, et baigner les objets pour les debarasser de la couche de colle et des fragments d' etoffe. A ce traitement, quelques objets anciennement brises se decollerent, mais le dommage fut facilement repare. Que l 'exposition actuelle soit moins „artistique" que l'ancienne, c'est affaire de gofit. Mais du moment, ou il a ete decide d'unifier la Couleur du fand des vitrines, il n'y avait aucun motif pour accorder aux collections du Schweizersbild une exposition de faveur, si ce n'etait peut-etre pour la raison que ces collections avaient ete payees pour le moins cinq fois leur valeur. En resume, je puis hautement affirmer que, au chaos, si eher a Mr. Nüesch, Mr. l' abbe Breuil a substitue l' ordre le plus rigoureusement scientifique. Aujourd'hui nous pouvons montrer sans aucune arriere-pensee a n'importe quel specialiste en la matiere, nos vitrines paleolithiques qui, anciennement ne pouvaient que nous exposer a la risee des savants. De taut ce qui precede, comme conclusion, il resulte que Mr. Nüesch, avec un manque complet de modestie, s 'attribue gratuitement des lumieres toutes particulieres dans une science dorrt il ignore Je premier mot. Mr. Nüesch s 'est montre, dans l 'exploitation du Schweizersbild, un commerc;:ant habile: il est peut-etre le premier a qui des fouilles scientifiques avaient rapporte la fortune. Cela devrait suffire a sa gloire, et il devrait laisser a d'autres, plus savants que lui, le soin de mettre en valeur ses trouvailles. 11 est pour le moins singulier qu'un musee qui a paye au poids d'or, et bien au dela de sa valeur, une collection dorrt plus de la moitie des pieces dorrt bonnes a demeurer enfermees dans les tiroirs, ne soit pas libre d' exposer celle-ci dans ses vitrines, et de classer comme il l 'entend


!es quelques bonnes pieces qui restent, sans s 'exposer aux remonstrances et aux tracasseries du vendeur. D. Viollier. Augst, Je 5 Juin 1908».

Dokument 38: Gutachten über die Schweizersbild-Sammlung J. Nüeschs und seine Aufstellung im Schweizerischen Landesmuseum, von H. Breui!263 • «Monsieur, Lorsque, sur l'invitation du Directeur du Landesmuseum, je suis venu mettre en ordre !es objets acquis de M. Nüesch et provenant du Schweizers bild, je me suis exclusivement occupe de Ja collection paleolithique provenant du niveau archeologique paleolithique. Ce niveau, d'apres !es propres publications de M. Nüesch, et d'apres celles de M. Je Prof. Boule, etait compris entre une assise införieure sans industrie, avec ossements de rongeur, reposant sur Je terrain morainique, et un cailloute sterile superieur, coupe en son milieu par une zone avec petits ossements, toujours sans industrie; au dessus venait Ja couche neolithique dont jene me suis pas occupe au Landesmuseum. Ni dans ses publications, ni dans !es indications accompagnant !es objets, M. Nüesch n'a parle de plusieurs assises paleolithiques. L' examen des objets confirme d'ailleurs pour un specialiste, que tout Je contenu de Ja couche archeologique paleolithique appartient a une seule phase assez courte a Ja fin du Magdalenien. N'ayant trouve aucune subdivision chronologique ni dans !es publications, ni dans !es etiquettes redigees par M. Nüesch, et reconnaissant qu 'il n 'y avait d' ailleurs pas lieu d' en faire, je n' en ai pas introduit. Les objets que j'ai eu a examiner etaient fixes par M. Nüesch sur des cartons, portant, pour toute designation, des mentions comme „Messer", ,,Lanzenspitze", ,,Bohrer" etc. Ces designations instrumentales etaient generalement tout a fait fautives, et telles que celles que pourrait etablir une personne ne s'etantjamais occupee d'archeologie, et invitee, a brule pourpoint, a designer l'usage d'objets vus pour Ja premiere fois. En effet, !es outils de meme nature, par exemple, !es grattoirs, !es burins, !es pen;:oirs, !es James appointees, etaient dissemines au hasard dans !es cartons !es plus eloignes !es uns des autres, de maniere qu 'il etait patent que !es „types" veritables, bien connus dans nos gisements frarn;;ais, etaient profondement inconnus a M. Nüesch. Jene vois pas de reproche a lui en faire, puisqu'il n'avait pas pris Ja peine d' etudier !es gisements classiques de Ja meme epoque et que cette etude etait indispensable pour distinguer, au milieu des nombreux eclats de silex sans interet archeologique, les formes retouchees qui ont valeur de types et ont ete realisees par des retouches soigneuses. Quoiqu 'il en soit, une bonne moitie des objets intitules par M. Nüesch comme pen;:oirs ou pointes de

lances n 'etaient que de vulgaires eclats de silex plus ou moins pointus, et sans aucun interet. Ces rebuts de fabrication ont ete replace par moi dans !es tiroirs, comme dechets sans importance. Par contre, j'ai pu retrouver, au milieu des eclats negliges par M. Nüesch, un petit nombre de types qui ont ete remis en lumiere; malheureusement il n'ont pas ete, tant s'en faut, aussi nombreux que ceux des pretendus instruments qui sont trouves n'etre que des dechets. Ces observations faites pour l' outillage en silex, doivent etre singulierement aggravees en ce qui concerne !es cartons d' objets dits „pointes de javelot" en os ou en bois de renne. J'ai ete veritablement stupefait d'y constater un melange, fort habilement menage, du moins apparemment, d' os reellement travailles, et de restes osseux, presentes aussi comme travailles, et qui ne l' etaient pas Je moins du monde. Plus de Ja moitie des cartons indiques comme instruments en os etaient en effet purement naturels: !es uns etaient des metacarpiens ou metatarsiens de cheval ou de renne, dont Ja forme naturelle rappelle en effet vaguement un pen;oir travaille, mais qui se trouvent tels dans Je squelette de ces animaux. Apres avoir constate l'absence totale d'utilisation a leur surface, je !es ai separes des os reellement travailles, ainsi que d'autres os, non pas travailles par l 'homme, mais simplement fractures pour l' extraction de la moelle qu 'ils contenaient. Comme l 'homme prehistorique fracturait systematiquement tous !es os longs des animaux qu 'il mangeait, on retrouve des milliers et des milliers de ces debris au point oll il sejournait. Ce sont seulement des „debris de cuisine" de ses repas, et nullement des os travailles. Que M. Nüesch ait commis cette grassiere confusion, cela est bien difficile a expliquer, de meme que Je soin apparent avec lequel, sur !es cartons montes par lui, !es os non travailles, mais donnes comme tels, etaient melanges avec assez d' os travailles reellement et sur lesquels l 'attention de nos specialistes se portait, pour donner illusion sur l'ensemble. Je n'ai pas a demeler Oll commence Oll finit l' erreur inconsciente; toujours est-il que plus de la moitie des os dits travailles et ne l' etant pas, ne valait meme pas Ja peine d' etre receuillis dans une collection meme privee. Cette selection necessaire, faite dans !es series vendues par M. Nüesch au Landesmuseum, a naturellement reduit sensiblement son effectif d' objets reellement interessants. Teile qu' eile reste, Ja collection du Schweizers bild garde une valeur appreciable. En France, eile pourrait s'estimer a environ deux mille francs (2000.- Fr.); la rarete de stations de cette epoque sur le territoire suisse permet de doubler ou de tripler ce chiffre; on arrive ainsi '"' Nachlass Nüesch. Abschrift.

205


a une valeur de 5 a 6000 Fr., egale au quart du prix que M. Nüesch, gräce en partie a d'heureuses meprises qui ne se sont jamais produites contre ses interets, a retire de sa collection. D'autres heureuses meprises ont permis a M. Nüesch de pouvoir conserver, contrairement aux conventions de sa vente au Landesmuseum, un nombre appreciable d'objets interessants qui lui ont servi a faire des series plus modestes que l 'on retrouve un peu partout en Suisse et en Allemagne, dans des etablissements scientifiques auxquels il les a fait payer fort eher. Je dois dire que dans chacune de ces collections, j'ai retrouve le melange intime de pieces interessantes et de non valeur que j 'ai precedement signale. Le merite de M. Nüesch a ete de faire une fouille soigneuse, et de confier a des geologues et paleontologistes de metier l'etude de ses recoltes; il ne pouvait trouver, pour le cöte archeologique de ses recherches, de personnalite competente que dans le grand pays des gisements de l'äge du Renne, la France; cet aide lui a manque, mais nous avons vu qu'il n'y a rien perdu, puisque, apres une fouille convenablement conduite, il a reussi a faire une tres bonne affaire, aux depens de son pays. Il me semble qu'il pourrait se juger satisfait que les choses en restent la; s 'il reclamait par trop fort contre la constatation, par trop claire malheureusement, de la reduction des objets reellement utiles vendus par lui, ne pourrait-on pas lui proposer, moyennant remboursement de Fr. 20 000.- qui lui ont ete verses en trop de la valeur des objets, de lui restituer ceux des objets qu' on a du retirer des vitrines comme insignifiants et auxquels il attache tant d'importance? En tout cas, il est exorbitant que cet heureux commer~ant continue a faire parade des services eminents qu' il a rendus a la Suisse, en lui vendant, quatre ou cinq fois leur valeur, ses recoltes du Schweizersbild. Il est bon que ses merites soient apprecies avec une plus entiere connaissance de la question. Je vous prie, Monsieur, de bien vouloir agreer l'expression de mes sentiments les meilleurs et les plus devoues. H. Breuil, Professeur agrege de Prehistoire et d'Ethnographie a l'Universite de Fribourg. Fribourg, le 16. Juin 1908». Dokument 39: Gutachten über die Schweizersbild-Sammlung J. Nüeschs und seine Aufstellung im Schweizerischen Landesmuseum, von H. Obermaier 264 •

«Euer Hochwohlgeborenen. Derzeit im Staatsauftrag mit grösseren Lössausgrabungen ausserhalb Wiens beschäftigt, kam ich erst gestern in den Besitz Ihres geschätzten Schreibens, und bitte in diesem Sinne zu entschuldigen, wenn meine Antwort etwas spät an Sie gelangt. 206

Seit einer Reihe von Jahren speziell der Erforschung des europäischen Paläolithikums obliegend, nahm ich wiederholt Veranlassung, die Nüesch'schen Sammlungen in Zürich und Schaffhausen eingehend zu studieren. Es kann für einen auch nur einigermassen auf der Höhe der modernen Forschung stehenden Fachmann kein Zweifel darüber obwalten, dass Herr Dr. Nüesch die archäologische Seite seiner Funde nie wissenschaftlich zu verarbeiten verstanden hat. Es genügt ein Blick auf die Tafelserien seiner diversen einschlägigen Publikationen, um zu konstatieren, dass dort sowohl Stein- wie Knochenartefakte in wirklich kritikloser Auswahl und Zusammenstellung wiedergegeben sind. Dementsprechend haben auch auf den diversen Kartons Ihres Museums die nichtssagendsten Abfallsplitter der Stein- bzw. Horn- und Knochenindustrie neben echten Typen figuriert, so dass eine fachmännische Sonderung und Gruppierung Ihres Materials absolut geboten war. Gerade die Forschungen des letzten Jahrzehnts haben gezeigt, dass quartären Typenkomplexen der Wert chronologischer „Leitfossile" zukommt. Dass gerade Herr Universitätsdozent Breuil die Güte hatte, diese Neuaufstellung vorzunehmen, war für Sie eine besonders glückliche Fügung. Sie hätten keine kompetentere Kraft engagieren können. Wie wenig Herrn Dr. Nüeschs Ansichten durch tiefere Fachkenntnis beeinflusst sind, mögen Sie aus dem Compte rendu des internationalen Anthropologen-Kongresses in Monaco entnehmen. Ich trat dort gegen die Legende auf, dass am Da Schweizersbild eine Azilienstrate existiere. tatsächlich die das Azilien charakterisierenden pics und tranchets allgemein bekannte Steintypen sind, so dürfte dieses Detail genügen, um zu beweisen, dass der genannte Herr sicherlich nicht die Adresse ist, mustergültige Aufstellungen vorzunehmen. Auch die teuer verkaufte „Menschenskulptur" vom Kesslerloch muss zweifellos viel harmloser interpretiert werden, mit einem Worte: das gesamte Nüesch'sche Material bedarf noch einer sachkundigen Überarbeitung, um voll und ganz in seiner hohen Bedeutung zur Geltung zu kommen .... Hoffentlich erscheint auch in Bälde eine diesbezügliche Monographie, als unentbehrliches Supplement zu den bisherigen Publikationen. In ausgezeichneter Hochachtung ganz ergeben Dr. Hugo Obermaier, 29. Juni 1908». Dokument 40: Gutachten über die Schweizersbild-Sammlung und deren Aufstellung im Schweizerischen Landesmuseum durch J. Nüesch, von J. Heierli 265 •

«I. Die Erwerbung der Schweizersbild-Sammlung. Im Jahre 1891 machten die Herren Dr. J. Nüesch und Dr. R. Häusler eine Reihe von Probegrabungen, um zu erfahren, ob in der Nähe von Schaffhausen ausser den


Funden vom Kesslerloch bei Thayngen, im Freudental und beim Dachsenbüel noch andere Reste von Höhlenbewohnern zu finden wären. So kamen sie auch zum Schweizersbildfelsen, eine kleine Stunde nördlich der Stadt Schaffuausen. Ein Probegraben daselbst ergab zahlreiche bearbeitete Feuersteine u. Knochenreste, und die Naturforschende Gesellschaft von Schaffuausen beschloss, auf ihre Kosten die Stelle durch die erwähnten Herren ausbeuten zu lassen. Herr Dr. J. Nüesch schloss Verträge ab mit den Grundeigentümern und behielt sich für sich und seinen Compagnon nur die Leitung der Ausgrabungen, das Publikationsrecht und je eine kleine Doublettensammlung vor. Die Ausgrabungen von 1891 waren sehr ergiebig. Es fanden sich am Schweizers bild nicht bloss tausende von Feuerstein-Artefakten und Knochen aus paläolithischer Zeit, sondern auch neolithische Gräber, ja sogar eine fragmentarische Zeichnung eines Renntieres kam zum Vorschein. Die Aufsicht über die Grabungen hatte Herr Dr. Häusler geführt, der zwar nicht Prähistoriker vom Fach, aber mit guter naturwissenschaftlicher Bildung versehen war. Auch im Jahre 1892 führte Dr. Häusler noch eine Zeitlang die ständige Aufsicht, dann aber trat Herr Dr. Nüesch an seine Stelle, und nun begann derjenige Teil der Arbeit, der weniger genau durchgeführt wurde. Herr Dr. Nüesch scheint die Arbeiter meist sich selber überlassen zu haben. Im Jahre 1893 wurde die Ausgrabung beendigt. Die Funde blieben lange Zeit im Rüdensaal ausgestellt u. lockten viele Besucher an. Während der Zeit von 1891-1893 hatten sich aber die ursprünglichen Verhältnisse gründlich geändert. Die Naturforschende Gesellschaft Schaffuausen, die am Anfang die Kosten der Ausgrabung übernommen hatte, hatte Mühe, die nötigen Gelder flüssig zu machen; Herr Dr. Häusler wohnte 1893 nicht mehr in Schaffuausen und es gelang schliesslich Herrn Dr. Nüesch auch noch, seinen Compagnon, der sehr krank wurde und dem Tode nahe zu sein schien, um ganz kleine Summen von Fr. 250.zum Verzicht auf alle seine Ansprüche zu bewegen. Der obenerwähnte Vertrag mit der Naturforschenden Gesellschaft Schaffuausen wurde aufgehoben und Dr. Nüesch war nun der glückliche Besitzer der bedeutenden Sammlung. Hatte er gleich von Anfang an eine sehr rührige Propaganda für das Schweizersbild und seine Bedeutung entfaltet, so machte nun Dr. Nüesch derart Reklame für seine Sammlung, dass man in wissenschaftlichen Zeitschriften, in Zeitungen aller Art, in populären Schriften usw., so viel von der Sammlung Nüesch schon kannte, wie das gewiss noch bei keinem anderen Fund in der Schweiz der Fall gewesen war und hoffentlich auch nie mehr der Fall sein wird.

Diese gewaltige Reklame hatte Erfolg; es meldeten sich Liebhaber für die Sammlung. Zwar hatten die Schaffuauser Zeitungen von 1891 hervorgehoben, dass die beiden Entdecker beabsichtigten, die Funde dem Museum ihrer Stadt zu schenken; doch jetzt war davon keine Rede mehr. Es gelang Herrn Dr. Nüesch, sogar die Eidgenossenschaft für seine Sammlung zu interessieren. Man trat mit ihm in Unterhandlungen; Fachleute mussten ihre Gutachten abgeben und schliesslich wurde für zwei Auswahlsammlungen, eine prähistorische für das Landesmuseum und eine paläontologische für das Polytechnikum, die geradezu verblüffend hohe Summe von Fr. 25 000.- bezahlt. Wie ging das zu? Die Erwerbung der Sammlung durch den Bund wurde zuerst in einer Eingabe des Centralvorstandes der Schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft vom 24. Oktober 1893 angeregt, worauf von Seite des Herrn Dr. J. Nüesch dem Departement des Inneren eine Verkaufsofferte von Fr. 50 000.- für eine erste Auswahl der bedeutendsten Fundstücke eingereicht wurde. Da die um ihr Gutachten befragte Landesmuseums Kommission an diesem Preise Anstand nahm, entschloss sich Herr Dr. Nüesch nach längeren Unterhandlungen zu dem am 15. Januar 1894 vom Departement des Inneren vorgelegten Anerbieten, aus dem Gesamtumfang der Funde unter Mitwirkung von Experten des Bundes zwei Sammlungen, eine kulturgeschichtliche und eine naturhistorische, auszuscheiden und der Eidgenossenschaft für Fr. 25 000.abzutreten. Nach Prüfung der von Herrn Dr. Nüesch getroffenen Auswahl durch die Herren Prof. Dr. A. Heim, als Abgeordneter des Eidg. Polytechnikums, Direktor Dr. Angst, als Abgeordneter des L.M.s, Konservator Ulrich, und Dr. Zeller-Werdmüller wurde vom Bundesrat der Abschluss des Kaufvertrages unter folgenden Vorbehalten empfohlen, die von Herrn Dr. Nüesch schliesslich angenommen wurden: 1. Es soll bei der definitiven Übernahme der zwei Sammlungen den Bundesexperten frei stehen, aus dem Rest der im Rüden in Schaffuausen ausgestellten Gesamtsammlung noch irgend welche Gegenstände, Artefakte andere(?) naturhistorische, gegen ähnliche der zwei zusammengestellten Sammlungen auszutauschen. 2. Die Experten sollen das Recht haben, auch über einen solchen Tausch hinaus den zwei Sammlungen noch einzuverleiben, was sie eventuell im Interesse der Vollständigkeit beizufügen für wünschenswert erachten oder halten. 3. Es sollen den zwei vom Bund zu übernehmenden Sammlungen die Aufnahmen und Profile vom Schweizersbild in grossem Massstabe beigegeben werden.

'°

4

265

Nachlass Nüesch, Abschrift. Nachlass Nüesch, Abschrift.

207


Nachdem die Bundesversammlung auf eine Botschaft des h. Bundesrates und nach stattgehabter Besichtigung durch Kommissionen der beiden Räte den Kaufpreis durch Extrakredit bewilligt hatte, fand am 3. August 1904 die Übernahme der zwei Sammlungen durch die Herren Prof. Dr. A. Heim, Direktor Angst, Privatdozent Heierli, Konservator Ulrich und Dr. Zeller-Werthmüller statt. Ich bemerke ausdrücklich, dass es mir nicht einfällt, irgend einem der im Vorstehenden genannten Herren einen Vorwurf daraus zu machen, dass er in der angegebenen Weise handelte. Es taten gewiss alle ihre Pflicht nach bestem Wissen und Gewissen. Was ich tief bedaure und schon damals deutlich genug zum Ausdruck brachte, ist nur der Umstand, dass zu den dem Verkauf vorausgegangenen Verhandlungen nicht ein Spezialfachmann, ein Höhlenforscher beigezogen wurde; denn ich bin überzeugt, dass dadurch alles ganz anders gekommen wäre. Wenn in der Schweiz kein solcher zu finden gewesen wäre, hätte man aus Frankreich, Belgien, Österreich etc. einen solchen Experten kommen lassen können. Ich mache auch Herrn Dr. Nüesch keinen Vorwurf, dass er das ausgezeichnete Geschäft so gut zu Ende führte: ,,Es hat ja jeder seine eigene Art, dem Vaterlande zu dienen". Herr Dr. Nüesch hatte, wie wir gesehen haben, der Eidgenossenschaft nur zwei Auswahlsammlungen verkauft. Die sogenannten Doubletten verwendete er nun dazu, eine grosse Anzahl kleinerer und grösserer Sammlungen zusammen zu stellen und sie einzeln zu verkaufen, so dass man heute Schweizersbildsammlungen in einer ganzen Reihe von Museen treffen kann. Man sieht, das Antiquitätengeschäft Nüesch ging sehr gut. Doch betrachten wir nun kurz den wissenschaftlichen Wert der Sammlung im Schweizerischen Landesmuseum! II. Die Sammlung Nüesch. Während der Ausgrabungen im Schweizersbild in den Jahren 1891/93 hatten die Fachleute Gelegenheit zu sehen und zu erfahren, wie gegraben wurde. Auch ich benützte diesen Umstand zu häufigen Besuchen. Herr Dr. Häusler teilte mir mit, wie gegraben wurde. Herr Dr. Nüesch zeigte mir die Funde und lud mich sogar ein, bei der Publikation die Abschnitte über die Zeichnungen und über die Töpferwaren zu bearbeiten. Ich gestehe, dass mir das Entgegenkommen beider Herren bei meinem Studium sehr förderlich war und dass ich deshalb, als später die Beweise sich häuften, dass bei den Ausgrabungen nicht alles richtig gemacht worden sei, nie öffentlich gegen Herrn Dr. Nüesch aufgetreten bin, bis er mich schliesslich dazu zwang. Herr Dr. Häusler, dem ich indessen persönlich weniger bedeutende Fehler im Ausgraben vorwarf, hat später in Berichten und schliesslich in einem Manuskript von 100 Folioseiten die von ihm gemachten Fehler rückhaltlos anerkannt und als braver 208

Mann auch nicht gezögert, die ganze Arbeit im Schweizersbild und die nachherige Behandlung der Funde zu erläutern, wobei er allerdings gleichzeitig seinem Zorn über die Behandlung, die er durch seinen ehemaligen Compagnon erfuhr, freien Lauf lässt. Unterdessen ist auch die Hauptpublikation über das Schweizersbild erschienen und wenn man dieselbe kritisch durchgeht, die Angaben vergleicht mit den früheren Mitteilungen von Herrn Dr. Nüesch und seiner Freunde und schliesslich noch die Ansichten von Spezialisten einholt, so hebt sich die wissenschaftliche Frage, die uns hier interessiert, ziemlich klar hervor. Aber auch hier müssen wir sagen, dass wir die Mitarbeiter des Herrn Dr. Nüesch in keiner Weise für etwaige Fehler in ihren Publikationen haftbar machen, da sie das Material ebenso erhielten, wie es nach den gleich zu besprechenden Vorkommnissen vorlag. Im Kaufvertrag, der zwischen den Eidg. Behörden und Herrn Dr. Nüesch vereinbart wurde, ist meines Wissens nirgends die Rede von Tagebüchern, Plänen usw. der Ausgrabungsstelle; auch ist im Archiv des Landesmuseums nirgends Derartiges vorhanden. Trotzdem nun, wie wir oben gesehen, in den vorberatenden Kommissionen kein spezieller Fachmann sass, ist doch anzunehmen, dass man besonders die Tagebücher unbedingt in den Kauf eingeschlossen hätte, wenn solche vorhanden gewesen wären; denn erst dadurch hätte die Sammlung ihren vollen wissenschaftlichen Wert erlangt. Da ist es nun interessant zu hören, was Dr. Häusler, der doch im ersten Jahr die Oberleitung hatte, dazu sagt: ,,Er gesteht ganz offen ein, dass er anfänglich keine Tagebücher geführt habe, noch weniger aber Dr. Nüesch". Über Pläne sagt er wörtlich: ,,Im Jahre 1891 machte man flüchtige Pläne und Grundrisse des Längs- und des Quergrabens und bei Wiederaufnahme der Arbeiten im Jahre 1892 fügte ich diesen Pläne des östlichen Teils der Fundstätte bei und zwar Gesamtpläne, um ein übersichtliches Bild zu erhalten und Spezialpläne jedes einzelnen Feldes, um mehr Raum zum Eintragen der Funde zu erhalten. In demselben Jahre machte ich einen genaueren, in Meterfelder eingeteilten Plan der ganzen Fundstätte. Der erste von Herrn Dr. Nüesch angefertigte Plan kam mir im Sommer 1893 zu Gesichte. Es war ein kleiner Plan der menschlichen Gräber, der eben an einen Mitarbeiter, welchem die Skelette zur Bearbeitung anvertraut wurden, abgeschickt werden sollte. Dieser Plan ist aber so falsch, indem er weniger als 8 sehr bedeutende Fehler enthielt, dass er durch einen anderen ersetzt werden musste. Was aber diesen Plan ganz besonders auszeichnet, ist der Umstand, dass auf demselben mehr Meterfelder verzeichnet waren, als am Schweizersbild Raum finden konnten


und dass Herr Dr. Nüesch diese mit Skeletten bevölkerte, die ihr Dasein einzig und allein seiner Einbildungskraft verdankten". Bei dieser Sachlage wird verständlich, wenn in den verschiedenen Publikationen von Herrn Dr. Nüesch sich zum Teil geradezu widersprechende Angaben finden über Schichten, deren Mächtigkeit und Inhalt. Besonders schade ist es, dass wir über die Gräberfunde so schlecht unterrichtet sind, sagt doch sogar Herr Prof. Dr. Kollmann, ein Mitarbeiter Nüeschs, dass „Verwechslungen" vorgekommen seien. Und Herr Dr. Häusler erzählt: "Schon im Herbst 1892 bat mich Herr Dr. Nüesch nach Schaffhausen zu kommen, um ihm beim Ordnen der Skelette behilflich zu sein. Diese Skelette, die ich wenige Monate vorher sorgfältig getrennt und etiquettiert zurückgelassen hatte, waren durch Herrn Dr. Nüeschs unsinnige Verordnungen in einen Zustand grösster Unordnung geraten". Sollten diese Ausführungen gar nicht genügen, so ist der in Zürich wohnende Anthropologe, Herr Prof. Dr. R. Martin, im Fall noch Details von ähnlichen Vorkommnissen bringen zu können. Herr Dr. Nüesch hebt stets in seinen Publikationen die ausserordentliche Sorgfalt, Genauigkeit und Sachkenntnis hervor, mit welcher am Schweizersbild gegraben wurde, und ist bemüht, die grossartigen Resultate daraus abzuleiten. Er verstand es auch, durch seine Reklame massenhaft Besucher zum Schweizersbild zu bringen und erklärte berühmten Forschern, wie gegraben werde. Stimmen die obenstehenden Angaben nun auch nicht damit überein, so könnte doch wenigstens der gute Wille dazu da gewesen sein, es so zu machen, wie es dargestellt wurde. Dieser gute Wille war zweifelsohne bei Herrn Dr. Häusler vorhanden und er gesteht darum auch seine Fehler ein. Er weiss aber selbst von all den Vorsichtsmassregeln, die sein Compagnon angewendet haben will, nichts und erzählt uns sogar einige recht drollige Geschichten, die wir hier der Kürze wegen, übergehen wollen. Wichtiger ist für uns sein Bericht über die Schicksale der Funde, besonders im Rüdensaal. ,,Als ich nach den Sommerferien 1892 Schaffhausen verliess, waren im Rüdensaal alle Funde nach Alter geordnet und in früher bezeichneter Weise mit Etiketten versehen, auf den Tischen ausgestellt. Ganz anders gestalteten sich die Dinge unter Dr. Nüeschs Leitung .... Als ich mich nach Abschluss der Grabungen im folgenden Jahr nach Schaffhausen begab, fand ich die ganze Sammlung im Rüdensaal in einem (den Skeletten) ähnlichen Zustand (.?.)ischer Unordnung. Die in der letzten Zeit ausgegrabenen Gegenstände waren mangelhaft gereinigt, schlecht verpackt und ungenau etikettiert. Feuersteinsplitter, Werkzeuge und Knochen, Knollen usw. lagen in gross(?)en Kisten und schweren Säcken unter den Tischen und in Zigarrenkistchen, Kar-

tonschachteln, Zündholzschächtelchen und in kleinen Haufen ohne Etikette und ohne Rücksicht auf Alter auf den Tischen zerstreut. Selbst wichtige Funde, z. B. die Serie kleiner Feuersteinmesser, die ein bekannter Gelehrter als chirurgische Instrumente zu deuten geneigt war, trugen keine Etiketten oder irgendwelche Angaben über Alter und Lage im Fundgebiet. Herr Dr. Nüesch, den ich über mehrere der Funde um Auskunft bat, wusste über die Herkunft derselben keinen Aufschluss zu erteilen .... Ein Versuch, die längs den Wänden des Saales aufgestellten Kisten mit ungewaschenem Material nach Alter unter den Auslagetischen zu ordnen, musste aufgegeben werden, weil soviele Etiketten fehlten oder vertauscht worden waren". Ich glaube, dass die vorstehenden kurzen Notizen genügen, nicht bloss die Art und Weise der Schweizersbildausgrabungen zu erklären, sondern auch den wissenschaftlichen Wert der Sammlung zu illustrieren. Sollte ein Mehreres gewünscht werden, so stehe ich gern zu Diensten und werde dann auch meine persönlichen Beobachtungen mitteilen. Soviel ist sicher, dass über die Funde vom Schweizers bild eine wissenschaftlich-kritische Arbeit sehr erwünscht wäre und dass früher oder später ein Fachmann diese, allerdings nicht gerade sehr angenehme Arbeit einmal ausführen muss. Die Schweizersbildsammlung im Landesmuseum besitzt als Typensammlung trotz des Gesagten einen nicht unbedeutenden Wert und kann bei Vergleichungen dem Forscher ganz gute Dienste leisten. Als Originalsammlung aber wird sie, trotz aller grosssprecherischen Worte von Herrn Dr. Nüesch nur in beschränktem Masse der Wissenschaft dienen und würde es gewiss von Fachleuten begrüsst werden, wenn das Schweizerische Landesmuseum sich durch eigene, sorgfältige Ausgrabungen an einer anderen Fundstelle in den Besitz einer Sammlung von Kasten aus paläolithischer Zeit zu setz(?)en wüsste. III. Die Aufstellung der Schweizersbild-Sammlung im Landesmuseum. Nachdem die Sammlung angekauft und nach Zürich gebracht worden war, erhielt Herr Dr. Nüesch den Auftrag, sie selbst aufzustellen, ein Vorzug, der nicht jedem Verkäufer eingeräumt wird. Ausserdem wurde ein Modell des Schweizersbildfelsens von einem hiezu besonders qualifizierten Künstler aufgestellt, um für die Sammlung einen Mittelpunkt zu schaffen, dazu kam noch ein Schichtenprofil. Herr Dr. Nüesch stellte nun in zwei Vitrinen seine Feuersteine und Knochenartefakte zusammen und in 3 Pultvitrinen wurde ein Herd, ein Atelier und ein Kindergrab aufgestellt. Von den übrigen Gräbern sind nur 3 Pygmäenknochen ausgelegt worden. 209


Schade ist es, dass weder Photographien noch Skizzen von den anderen Gräbern, auch keine Schichtenzeichnungen und Photographien von Gegenständen in situ vorhanden sind. Die Feuersteine und Knochenartefakte wurden auf rotem Samt festgemacht, und zwar durch einen sehr guten Gummi und durch Metalldraht, der beim Anziehen an den spröden Feuersteinen mancherlei Verletzungen, moderne Retuschen erzeugte, also die Objekte schädigte. Die Ausstellung, die für Laienaugen vielfach ganz „schön" war, hatte noch den weiteren Nachteil, dass kleine Gegenstände sich in dem Samt „verkrochen" und nicht deutlich gesehen werden konnten. In Wirklichkeit sah es aus, als hätte eine junge Dame mit ebensoviel Sorgfalt als mangelnder Sachkenntnis die Stücke zusammengestellt. Man musste noch aus einem anderen Grunde auf diesen Gedanken kommen. Auf den Samtkartons waren nämlich alle mögliche Dinge durcheinander festgemacht: Messer, Stichel, Schaber, Bohrer etc. und mit denselben erschienen sehr zahlreiche nichtssagende Stücke und Abfälle von Feuersteinen und Knochensplitter ohne Wert. Umgekehrt waren für diejenigen, denen auch das Material in den Schubladen zugänglich war, sicher, dass sich in denselben mehrere gute Typen fanden, die man hätte ausstellen sollen. Schlimmer war, dass manche Stücke auf den Kartons durch die Etiketten als bearbeitet erklärt wurden, die es nicht waren. Hatten also einerseits Museumsbeamte nicht begreifen können, warum dieser nichts weniger als hervorragenden Sammlung durch die pompöse Aufstellung ein Vorzug vor den anderen wertvolleren Abteilungen des Landesmuseums eingeräumt worden war, so konnten anderseits die Fachleute nicht verstehen, warum so massenhaft minderwertiges Material in dilettantenhafter Weise ausgelegt, Abfälle und dergl. als Artefakte erklärt wurden. Als nun gar Bedenken aufstiegen gegen den wissenschaftlichen Wert der Schweizersbildsammlung im allgemeinen und die Angaben des Herrn Dr. Nüesch im besonderen, da wünschte man eine neue wissenschaftliche Aufstellung. Die Wünsche wurden der Museumsdirektion nicht etwa von Liebhabern oder nur von schweizerischen Prähistorikern vorgelegt, sondern - wie ich mich selbst überzeugen konnte - von Spezialisten verschiedener Länder. Der Direktor des Schweizerischen Landesmuseums entschied sich nun, die Sammlung neu aufstellen zu lassen und damit einen Nichtschweizer zu betrauen. Seine Wahl fiel auf Herrn Abbe Breuil, eine Autorität ersten Ranges. Herr Breuil hat in französischen Höhlen jahrelang gegraben; er ist der bedeutendste Kenner speziell der Höhlengemälde und Schnitzereien und ist beauftragt mit seinen Freunden Prof. Capitan, Cartailhac und Lehrer Peyrony eine Reihe grosser Werke über diese merkwürdigen Pro210

dukte der ältesten Kunst zu verfassen. Herr Dr. Nüesch hat zwar in einer Zeitungspolemik den Ruf dieses ausgezeichneten Forschers angreifen wollen, damit aber nur gezeigt, dass er eben nur Dilettant, nicht Forscher ist. Wie nicht anders zu erwarten war, ordnete Herr Breuil die Schweizersbildsammlung nach Typen und da zeigte sich dann eine Armut, die noch schlimmer war, als man befürchtet hatte. Zwar fand er unter den in Schubladen deponierten „Dubletten" noch manch gutes Stück, aber da auf den Samtkartons so viele Abfälle und Knochensplitter ohne Wert lagen, schmolz die Zahl der zur Aufstellung benutzbaren Stücke so zusammen, dass sie auf der Hälfte des früheren Raumes, also in einer Vitrine bequem Platz haben. Als Herr Dr. Nüesch die Neuaufstellung sah, wurde er sehr zornig und wandte sich, als seine Beschwerde bei der Direktion nicht den gewünschte Erfolg hatte, an die Tit. Landesmuseumskommission und kürzlich erlebten wir es sogar, dass im h. Ständerat der Fall Nüesch zur Sprache kam. Ich hoffe jedoch, in vorstehendem Gutachten Argumente genug dafür angeführt zu haben, dass eine Neuaufstellung durchaus geboten war und stehe, wenn es gewünscht wird, mit weiteren Beweisen gern zur Verfügung. Zürich, den 7. Juli 1908».

Dokument 41: Bericht über die Neuaufstellung der SchweizersbildSammlung im Schweizerischen Landesmuseum von J. Nüesch 266 • «Die Sammlung von Fundgegenständen archäologischer Natur aus der prähistorischen Niederlassung am Schweizersbild, welche vom h. Bundesrat dem Schweizer. Landesmuseum im Jahre 1894 zur Aufbewahrung überwiesen wurde, bildete damals den Anfang der Kultur zur vorgeschichtlichen Zeit in unserem Lande. Es wurde den durch ihr hohes Alter und durch ihren kulturhistorischen Wert wichtigen Dokumenten daher auch ein Ehrenplatz im Landesmuseum eingeräumt, indem man die ganze östliche Wand des unteren Saales zur Aufstellung der Nachbildung des Schweizersbildfelsens samt dem aus Originalmaterial hergestellten Profil des am Felsen gefundenen Schichtenkomplexes sowie zur Anbringung von 2 grossen Glasvitrinen für die Aufnahme der Funde reservierte. Die Fundobjekte aus Knochen und Stein füllten die beiden grossen Vitrinen rechts und links von demselben vollständig an. Der eine Glaskasten enthielt die Steinwerkzeuge nach Schichten, Typen und in genetischer Weise geordnet; der andere die Knochenartefakte aller Art, ebenfalls nach Typen und Schichten zusammengestellt samt den Zeichnungen, Zierarten und Versteinerungen. In den Schubladen unten war noch eine


grosse Menge Vergleichsmaterial, Feuersteine, Knochen, Sitzplatten für spätere Studien, welches zum Teil in ungewaschenem ursprünglichem Zustande, wie es bei den Ausgrabungen gefunden wurde, z.T. schon gereinigt war, sowie die Überreste von 27 menschlichen Skeletten, darunter solche von 5 Pygmäen, aufbewahrt. Vor der Wand standen in abgemessenem Abstand neben und zwischen den beiden Pfeilern die 3 Originalstücke, der Herd und die Werkstatt aus der älteren Steinzeit sowie das Kindergrab von den den Wald bewohnenden Neolithikern der jüngeren Steinzeit. Die Aufstellung und Ordnung der Sammlung wurde im Auftrag der Direktion des Landesmuseum und mit Genehmigung der Landesmuseumskommission im Jahre 1897 /98 von dem Unterzeichneten auf den Zeitpunkt der Eröffnung des Museums auf und fertig gestellt. Einen spezifizierten Katalog der ausgestellten Objekte konnte er leider wegen einer jahrelang andauernden Krankheit nicht mehr ausarbeiten; dagegen soll die Anfertigung eines Kataloges dieser ersten Aufstellung der Schweizersbildsammlung die Erstlingsarbeit des Herrn Viollier am Landesmuseum gewesen sein. Dieser Katalog selbst konnte während der Neuaufstellung diesen Herbst nicht mehr zur Stelle gebracht werden, indem die betreffenden Seiten aus dem Hauptkatalog herausgerissen worden seien; dagegen konnten die Zettel zu demselben nach längerem Suchen gefunden werden. Die Veränderungen, welche an der Schweizersbildsammlung im Herbst 1907 vorgenommen wurden, bestanden zunächst darin: 1. dass man die vorhandenen Originalstücke, Herd, Werkstätte und Kindergrab auf die Südwestseite gegen die Wand des Saales geschoben hatte, um einer grossen, freistehenden Glasvitrine Platz zu machen; 2. dass man die Artefakte in Knochen, Geweih und Feuerstein so zusammendrängte und ausgeschieden hatte, dass sie nur noch eine einzige Vitrine anfüllten; 3. dass die Feuersteinwerkzeuge und Knochenartefakte einzig und allein nach Typen ausgeschieden und geordnet und 4. dass dieselben nicht mehr auf rotbrauner Unterlage belassen, sondern auf Drähtchen mit gelber Unterlage aufgestellt wurden. Durch diese Aufstellung der Objekte auf Drähtchen haben viele derselben argen Schaden gelitten. Die Oberfläche der z.T. sehr morschen Knochenartefakte ist durch den Druck der Eisendrähtchen an den betreffenden Stellen abgeschürft und beschädigt; bei den schweren Hirschhornartefakten wurden zum Halt der Drähtchen Löcher in die Geweihe gemacht; die scharfen Feuersteinkanten sind durch den Druck beim Anbringen und Umbiegen der Drähtchen ausgesprungen, so dass an sehr vielen Steinwerkzeugen dadurch sägeartige Schartungen ent-

standen sind; Alles Verletzungen und Beschädigungen, welche bei der ersten Aufstellung durch Befestigen der Objekte mit Seide oder ganz dünnem Draht auf den wattierten rotbraunen Cartons vermieden werden konnte, weil die Unterlage nachgiebig war. Dass die erste Aufstellungsart auf der wattierten elastischen Unterlage anderwärts nicht lächerlich gefunden, sondern von unparteiischen Fachleuten im Landesmuseum s.Z. als zweckmässig erkannt worden ist, geht aus dem Umstand hervor, dass ein neues grosses deutsches Museum seine paläolithischen Sammlungen auf ganz genau gleiche Weise, wie die Schweizersbildsammlung s.Z. im Landesmuseum war, gegenwärtig aufstellen lässt. Ebenso hat Herr Konservator Bächler in St. Gallen seine Wildkirchlifunde in derselben Art aufgestellt, denn er schreibt: ,,Meine Wildkirchlifunde sind notabene auch auf rotbraunem wattiertem Samt aufgemacht. Weh, dem, der dessen lästert!" Bevor zu der neuen Aufstellung der Schweizersbildsammlung, also zu der dritten, diesen Herbst 1908 geschritten werden konnte, wurde mit der Direktion des Landesmuseums eine genaue mündliche Vereinbarung getroffen, wie dieselbe vorgenommen werde und auf was sie sich erstrecken soll. Diese Vereinbarung wurde am 23. Juli von der Direktion schriftlich festgelegt und am 29. Juli vom Präsidenten der Landesmuseumskommission in ihrem Wortlaut bestätigt. Bei der Neuaufstellung hatte sich der Endesunterzeichnete tunlichst darnach gerichtet und hofft, die Sammlung werde nun in ihrer neuen Gestalt für immer zur Ruhe gelangen. Vor dem Beginn der eigentlichen Aufstellungsarbeiten wurde am 3. September 1908 eine Inventaraufnahme der ausgestellten und der im Depot sich befindlichen Gegenstände gemacht; derselben wohnte im Auftrage der Direktion Herr Dr. Wegeli, Angestellter im Landesmuseum, bei. Es ergab dieselbe, dass a) 108 bearbeitete Knochen und Geweihstücke und b) 37 Stück der schönsten Feuersteinwerkzeuge bei der zweiten Aufstellung 1907 als „Rebus" in das Depot gebracht worden waren. Unter den letzteren Stükken befand sich wohl der schönste Doppelschaber der ganzen Sammlung, 10 sehr schön bearbeitete Rundschaber, 2 Sägen, 3 bearbeitete Chalcedone, 20 Nuclei und eine geschliffene Steinaxt aus Jadeit. Selbstverständlich wurden diese in die Verbannung geschickten, schönen Steininstrumente und die meisten Knochenartefakte wieder zu Ehren gezogen und neu ausgestellt. Die ersteren bilden jetzt eine ganze Tafel, die der Feuersteinwerkzeuge in der Vitrine bei dem Fenster; auch die Knochenartefakte wurden z.T. wieder ausgestellt. Die definitive Aufstellung der Objekte wurde derart vorgenommen, dass nach der Vereinbarung die Knochen266

Nachlass Nüesch. Kopie.

211


und Feuersteininstrumente in ihrer Reihenfolge und Typenanordnung möglichst belassen, aber lockerer und daher übersichtlicher aufgestellt, die Aufstellung auf Drähtchen belassen und weiter durchgeführt wurde. Die Vitrinen bekamen einen graubläulichen Anstrich mitsamt den Tafeln. Die Knochenartefakte füllen nun wieder mit den Zeichnungen, den ornamentierten Stücken, der Kalksteinplatte, den bearbeiteten Objekten aller Art und einigen Versteinerungen die erste Vitrine links beim Eingang vollständig an. Bei der Aufstellung im Herbst 1907 waren die Knochenartefakte auf 9 Tafeln zusammengedrängt worden, jetzt befinden sie sich mit Zuhülfenahme eines Teiles der im Depot ruhenden Artefakte auf 16 Tafeln verteilt. Es gelang auch, die Knochennadeln wieder nach dem Material, aus welchem sie hergestellt wurden, in eine Tafel mit Nadeln aus Knochen vom Alpenhasen und in eine solche aus Knochen vom Renntier zu trennen. Dabei stellte sich leider heraus, dass von den 4 ganzen Nadeln mit Öhr und Spitze der ersten Aufstellung von 1898 nur noch eine einzige ganze Nadel vorhanden war; die übrigen waren nebst vielen anderen Artefakten bei der 2. Aufstellung zerbrochen worden. Die beiden Nadelkartons befinden sich nun wieder in der Pultvitrine; daneben sind auf einer Tafel die Zeichnung von Renntier mit Gurt und der Fisch sowie die mit Ornamenten versehenen Stücke vereinigt, welche bei der 2. Aufstellung auf verschiedenen Tafeln sich befanden. Der Kommandostab mit den Pferdezeichnungen wurde von Herrn Kustos Ulrich gütigst dadurch noch mehr konsolidiert, dass er den hohlen Raum desselben mit einer plastischen Masse ausfüllte und die sichtbaren Stellen derselben entsprechend der Oberfläche des Stabes färbte. Zur Sicherheit ist derselbe in eine neue grössere Schachtel mit gleicher Farbe, wie die sämtlichen Tafeln besitzen, verbracht und darin mit Draht befestigt worden. Eine Photographie oberhalb derselben zeigt dem Beschauer die Zeichnungen mit farbigen Konturen. Damit die Kalksteinplatte mit den 7 Zeichnungen zu ihrer gebührenden Geltung gelangt, wird laut Vereinbarung mit der Direktion des Landesmuseums ein Gipsabguss von der Rückseite derselben nach Neujahr angefertigt und dieser in ein entsprechendes Etui, das bereits angefertigt ist, neben demjenigen, in welchem die Originalplatte liegt, verbracht werden. Oberhalb der beiden Platten befinden sich jetzt schon Photographien der betreffenden Seiten, auf welchen die Zeichnungen in farbigen Umrissen nachgezogen wurden. Der Verfasser des Berichtes hat dem Museum diese beiden Photographien überreicht. Die Feuersteininstrumente nehmen ebenfalls wieder eine ganze Vitrine in Anspruch; auch sie sind in ihrer Reihenfolge von 1907 grösstenteils belassen, dagegen weiter auseinandergestellt worden. Aus einigen Tafeln, auf welchen die Objekte viel zu dicht zusammengepfercht waren, 212

mussten 2 mit lockerer Aufstellung gemacht werden. Einzelne wirklich minderwertige, bei der 2. Aufstellung hinzugefügte und noch nicht einmal gereinigte oder auch überzählige Feuersteine wurden in das Depot auf eine Tafel verbracht und durch bessere ersetzt. Neu hinzugefügt wurden 4 ganze Tafeln aus Feuerstein; die erste (Nr. 38 der ganzen Sammlung) enthält die oben schon erwähnten schönen Feuersteininstrumente, die im Depot waren; die 3 anderen dagegen stellen die genetische Entwicklung der Steinwerkzeuge dar, wie sie in der ersten Aufstellung vorhanden war. Leider ist diese Darstellung der Entstehung der Instrumente nicht so klar und so schön, wie in der früheren Aufstellung, aus dem einfachen Grunde, weil nur das als Ausschuss ins Depot verbrachte Material laut Vereinbarung zu diesem Versuche zur Verfügung stand. Die genau entsprechenden und passenden Schlussstücke der Entwicklung, welche jeweils in einem vollendeten Werkzeug bestehen, liegen in der Sammlung bei den Typen zerstreut und durften aus dem oben angeführten Grunde nicht aus derselben weggenommen werden. Der Berichterstatter hat denn auch aus seiner eigenen Sammlung mehrere Schlussstücke hinzugefügt und der Sammlung geschenkt. Eine weitere neue Tafel (Nr. 42) enthält die geschliffenen Steinwerkzeuge aus der neolithischen Zeit, Bruchstücke von geschliffenen Steinäxten und Steinplatten, welche bisher im Depot waren. Die Zierarten und Schmuckgegenstände aus der paläolithischen und neolithischen Zeit, welche sich noch in kleinen, mit roter Seide ausgeschlagenen Glaskästchen befanden, sind herausgenommen und in Glaskästchen verbracht mit entsprechender Farbe. Es erforderte dies viel Arbeit, Mühe und Umsicht; glücklicherweise wurde keines der höchst zerbrechlichen schönen Artefakte durch das Herausnehmen und das Hineinbringen in die Kästchen beschädigt. Ferner ist zu berichten, dass der Herd, die Werkstätte und das Kindergrab an ihre ursprünglichen Stellen zurückversetzt worden sind. Zum Schluss ist noch zu erwähnen, dass ausser den 4 menschlichen Knochen in der senkrechten kleinen Vitrine beim Fenster, die menschlichen Skelettreste vom Schweizers bild, welche früher in den unteren Schubladen der Vitrine beim Fenster untergebracht waren, seit langem nicht mehr im Landesmuseum sind. Unter den Skelettresten in den Schubladen befanden sich auch die für die Abstammung und für die Urgeschichte des Menschen so wichtigen Skelettteile von 5 Pygmäen, welche bekanntlich zum ersten mal am Schweizers bild aufgefunden worden sind. Die Frage, ob die hochgewachsene Varietät des gegenwärtig lebenden Menschen von diesen kleinen Menschen der Steinzeit abstamme, bildet seit Jahren in der Wissenschaft eine aktuelle Frage, welche viel erörtert wird. Haben doch die Herren Dr. P. und F. Sarasin in


Basel in allerneuster Zeit solche kleine Menschen der Steinzeit auch auf Ceylon in Höhlen aus der Magdalenienzeit gefunden. Es wäre für die Wissenschaft höchst bedauerlich, wenn diese aus der neolithischen Zeit stammenden Pygmäenreste vom Schweizersbild nicht mehr ins Landesmuseum, wo sie früher waren, verbracht würden. Im Jahre 1899 wünschte Herr Prof. Dr. Klaatsch in Heidelberg dieselben zur Untersuchung zu erhalten. Der damalige Direktor des Landesmuseums gab sie aber nicht aus dem Landesmuseum weg; es musste der Heidelberger Professor nach Zürich kommen, wo sie ihm dann im Konferenzzimmer zur Untersuchung und zum Studium während mehrerer Tage bereitwilligst zur Verfügung gestellt wurden. Dr. J. Nüesch. Schaffhausen, den 16. November 1908».

Dokument 42: Antwort des Direktors auf den Bericht J. Nüeschs zur Neuaufstellung im Schweizerischen Landesmuseum 267 • «In der Sitzung der Eidg. Landesmuseumskommission vom 21. Januar 1909 wurde der Wunsch ausgesprochen, dass auch der Direktor sich schriftlich zu dem Bericht des Herrn Dr. Nüesch über die Neuaufstellung der Sammlung vom Schweizersbild äussere. Er kommt hiemit diesem nach. Als Gegenbemerkung zu Seite 1 des Berichtes Nüesch erlaubt sich der Unterzeichnete seinerseits folgende Aufschlüsse zu geben: Wo sich die Sammlung in den Jahren 1894 bis zu ihrer ersten Installation im Jahre 1897/98 befand, weiss der Berichterstatter nicht. Dagegen sind wir in der glücklichen Lage, die Fakturen, welche Dr. J. Nüesch und seine Frau für diese Arbeit stellten, noch zu besitzen. Es sind dies ausserordentlich interessante Dokumente mit Bezug auf die Wertschätzung dessen, was Dr. Nüesch der Eidgenossenschaft zum Preise von Fr. 25 000.- verkaufte, in welchem Zustande und in welcher Vollständigkeit dieses Material sich befand und wofür er und seine Frau sich noch extra entschädigen liessen. Diese Rechnungen stehen den Mitgliedern der Landesmuseumskommission jederzeit in extenso zur Einsicht. Hier mögen nur einige kleine Auszüge angebracht werden: Herr Dr. Nüesch bezog damals für seine persönlichen Bemühungen um die Aufstellung Fr. 907.50. Ausserdem verkaufte er der Eidgenossenschaft noch Ergänzungsmaterial für Fr. 695.-, wozu überdies noch verschiedene Spesen kamen. Frau Nüesch bekam für das Befestigen der Gegenstände auf den Kartons Fr. 879.-. Dabei war sie von den verrechneten 53 ganzen Arbeitstagen 48 zuhause, ohne jede Kontrolle, bei einem Taggelde von Fr. 15.- pro Tag. Abbe Breuil bezog für die Anordnungen zur Neuaufstellung der Sammlung vom Schweizersbild, d.h. für 2 Tage

Arbeit, Fr. 30.- für einen weiteren halben Tag zur Ordnung der anderen Höhlensammlungen Fr. 7.50; dazu kam noch die Entschädigung für ein Retourbillet 2. Klasse Freiburg-Zürich. Dabei ist allerdings zu bemerken, dass überhaupt nur in den beiden Wandvitrinen Veränderungen vorgenommen wurden. Für die abermalige Aufstellung der Sammlung vom Schweizersbild in diesen beiden Vitrinen, d.h. also für eine Arbeit im gleichen Umfange, wie sie Abbe Breuil geleistet hatte, verrechnete Herr Nüesch neuerdings 16 Tage Arbeit, 23 Retourbillete Schaffhausen - Zürich, Fr. 15.- für den Bericht und Fr. 15.- für das Diktat einer Etikettierung, welche Nüesch bei der ersten Aufstellung nicht gemacht hatte, obschon er dazu verpflichtet gewesen wäre; im Ganzen belief sich seine Rechnung auf Fr. 384.-. Mit Bezug auf den Zustand des Materials ergibt sich aus den Fakturen für die erste Aufstellung, dass der Herd der Renntierjäger, die Feuersteinwerkstätte und das Kindergrab Rekonstruktionen sind, ,,welche durch vielen Transport gelitten hatten und von welchen ganze Partien verloren gegangen waren". Die Lieferung von „vielen zur Rekonstruktion benötigtem Material" liess sich Herr Nüesch von der Eidgenossenschaft extra bezahlen. In der Feuersteinschmiede war das Hauptstück, der Ambos, nicht mehr vorhanden. Für Beschaffung von Feuersteinsplittern und Messern und die fehlenden Hämmer zur Werkstätte sowie für angebrannte Knochen und Zähne vom Renntier und Alpenhasen und ursprüngliche Asche zum Herd - was alles verloren gegangen war - verrechnete Nüesch der Eidgenossenschaft Fr. 170.-. Welcher wissenschaftliche Wert diesen Objekten nach einer solchen „Ergänzung" noch zukommt, stellen wir der Beurteilung der Fachleute anheim und behalten uns vor, diesen, nötigenfalls im Interesse der Wissenschaft, die Aufzeichnungen von Nüesch zur Verfügung zu stellen. Die Feuersteininstrumente und Knochen waren beim Ankaufe der Sammlung durch die Eidgenossenschaft auf 90 blauen Samtkartons befestigt. Die Neuaufstellung auf 43 rote Samtkartons besorgte Frau Nüesch, ebenso die genetische Darstellung auf 6 Kartons. Dabei wurden die Knochen aufgeleimt - eine Befestigungsart, welche nur die Besichtigung der einen Seite der Objekte gestattet und die Feuersteine mit Kupferdraht auf der Unterlage aufgespannt. Herr Nüesch behauptet, dass er einen spezifizierten Katalog der ausgestellten Objekte wegen jahrelang andauernder Krankheit nicht mehr ausarbeiten konnte. Dagegen soll die Anfertigung eines Kataloges dieser ersten Aufstellung der Schweizersbildsammlung „die Erstlingsarbeit" des Herrn Viollier gewesen sein. Dieser Katalog "' Archiv SLM, Abschrift.

213


habe während der Neuaufstellung im vergangenen Herbst nicht mehr zur Stelle gebracht werden können, indem die betreffenden Seiten aus dem Hauptkatalog herausgerissen worden seien, wohl aber habe man die Zettel zu demselben nach längerem Suchen gefunden. Dazu ist folgendes zu bemerken: Die Entschuldigung des Herrn Nüesch, er hätte infolge jahrelanger Krankheit einen detaillierten Katalog nicht anfertigen können, ist eine unwahre Ausrede, wenn man nur die einzige Tatsache in Erwägung zieht, dass Herr Nüesch in den Jahren 1898 und 1899 das Kesslerloch ausgegraben und in den folgenden Jahren mit anderen Arbeiten im Druck veröffentlicht hat, wobei er der Stadt Schaffhausen allein für Fr. 17 000.- Material aus dem Kesslerloch verkaufte. Warum man sich damals mit einem summarischen Verzeichnisse begnügte, das nichts sagte und an dessen Hand keine genaue Kontrolle möglich war für eine Sammlung die der Bund mit Fr. 25 000.bezahlt hat, weiss der Berichterstatter nicht. Richtig ist dagegen, dass, sobald Herr Viollier am Landesmuseum angestellt war, er von mir den Auftrag erhielt, diese Sammlung im Interesse der Ordnung genau zu katalogisieren. Dabei wurde jedes Objekt mit einer Nummer versehen und mit dieser und einer kurzen Beschreibung in Standortkatalog und Hauptinventar eingetragen, so dass nun eine Auswechslung oder Verwechslung der Objekte, die früher nicht hätten konstatiert werden können, unmöglich war. Damit war endlich auch in dieser Sammlung Ordnung geschaffen. Als dann durch Abbe Breuil die vollständige Umstellung derselben stattfand, hätten im Hauptinventar an allen Objekten Korrekturen vorgenommen werden müssen. Da Herr Ulrich fand, ein solch korrigiertes Inventar sei unzulässig, so wurden durch den Buchbinder Pfister die betreffenden Blätter herausgenommen und ebenso viele neue mit der gleichen Paginierung eingesetzt. Dass sie herausgerissen worden seien, wie Herr Nüesch sagt, ist eine Unwahrheit. Auf diesen neueingesetzten Blättern fanden auch die neuen Einträge wieder statt. Das ist nichts Unzulässiges. Als nun durch Dr. Nüesch die abermalige Neuinstallation erfolgte, die im allgemeinen nur in einer loseren Aufstellung mit Ergänzungen aus dem Depotmaterial bestand, so hielt man es nicht für nötig, die Blätter neuerdings aus dem Inventar herauszunehmen, sondern man begnügte sich diesmal mit den notwendigen Vermerken über die bezüglichen Veränderungen im Standortkatalog. Im übrigen ist Herr Viollier nicht etwa Dilettant, sondern ein staatlich geprüfter Archäologe, der auch in Frankreich als staatlicher Beamter angestellt werden kann. Dass sich die wertlos gewordenen Zettel zu dem ersten Katalog sogar wieder fanden, ist ein Beweis für die Gewissenhaftigkeit, mit welcher in der prähistorischen Abteilung gearbeitet wird. Die Behauptungen, dass die Objekte durch ihre Aufstel214

lung auf den Drähtchen Schaden erlitten, dass die Knochenartefakte durch den Druck der Eisendrähtchen abgeschürft und beschädigt worden seien, dass man in die Hirschhornartefakte zum Halt der Drähtchen Löcher gemacht habe etc., sind unwahr oder übertrieben, wobei wir es auf einen Augenschein von Fachexperten gerne ankommen lassen. Irgend ein nennenswerter Schaden ist nicht vorgekommen. Wäre übrigens dieses System schädlich, so würde es jedenfalls nicht vom Musee St. Germain-en-Laye, vom archäologischen Museum in Genf und vielen anderen Museen, die zu dieser etwas umständlichen Aufstellung das notwendige Personal besitzen, angewendet werden. Auch behaupten unsere Konservatoren, dass das Befestigen der Objekte mit dem feinen, einschneidenden Kupferdraht, wie es von Frau Nüesch ausgeführt wurde, den Gegenständen viel gefährlicher gewesen sei. Was die Aussetzung des Herrn Nüesch mit Bezug auf die Auswechslung des Materials durch Abbe Breuil (S. 3 unten und S. 4 oben) anbelangt, so ist darauf zu erwidern, dass Abbe Breuil, der jedenfalls zum mindesten ein so grosser Kenner dieses Materials ist, wie Herr Nüesch (worüber er sich u.a. in dem grossen Werke über die Höhlen von Altamira in Spanien ausgewiesen hat, das dieser Tage dem Landesmuseum als Geschenk des Fürsten von Monaco zuging) nichts von Bedeutung in die Schubladen getan hat. Dagegen wurde allerdings das von einer ganzen Reihe erster Forscher beanstandete, vollständige wertlose Material mit dem Herr Nüesch seine Kartons füllte und das die ganze Sammlung nur diskreditierte, magaziniert. Wir sind in der Lage, über die Veränderungen eine ganz genaue Statistik zu geben. Von den Knochenartefakten waren ausgestellt:

Kartons: Objekte:

I. Installation 15 226

Abbe Breuil 6

139

II. Installation 19 220

Daraus geht hervor, dass Abbe Breuil allerdings die Zahl der ausgestellten Objekte um 67 Stück reduzierte, weil sie keine Bearbeitung zeigten und daher in seinen Augen der Aufstellung nicht wert waren. Dagegen verschlechterte Nüesch seine frühere Aufstellung das zweite Mal noch dadurch, dass er nun auf 19 Kartons noch 6 Objekte weniger ausstellte als früher auf 15 Kartons. Anders verhält es sich mit den Feuersteinen:

Kartons: Objekte:

I. Installation 24 468

Abbe Breuil 14 539

II. Installation

23 615

Abbe Breuil stellte 71 Feuersteine mehr aus, als Nüesch das erste Mal ausgestellt hatte, weil er unter dem von


Nüesch erwähnten zum Teil ungereinigten Depotmaterial und unter dem nachträglich von Nüesch gelieferten Abfallmaterial der Feuersteinschmiede Stücke fand, die zum Teil interessanter waren, als die von Nüesch ausgestellten, von diesem aber nicht einmal als solche erkannt worden waren. Dieser Vorwurf einer mangelhaften Kenntnis des Materials wurde auch von anderen Forschern Nüesch gegenüber geltend gemacht. Wenn nun Nüesch das zweite Mal noch mehr Feuersteine ausstellte als Abbe Breuil, so kommt das zum Teil daher, weil er erstens die von Abbe Breuil herausgefundenen Objekte benutzte und zweitens diesen auch noch das von Abbe Breuil entfernte wertlose Material wieder zugesellte. Auf Seite 4 macht Herr Nüesch den Vorwurf, es seien Knochennadeln bei der neuen Installation zerbrochen worden. Das ist wieder unwahr. Als man diese aufgeleimten Nadeln vom Samt ablöste, so lösten sich natürlich auch die Leimfugen, womit die einzelnen Stücke zusammengehalten wurden. Nun fand man es bei einer Anzahl von Stücken nicht notwendig, sie neuerdings zusammenzuleimen, sondern man liess sie in dem Zustande, in welchem sie gefunden worden waren. Dagegen darf bei diesem Anlasse konstatiert werden, dass das wertvollste Stück der Sammlung, der sog. Kommandostab, von Herrn Nüesch so schlecht konserviert worden war, dass seinem Bestande ernstliche Gefahr drohte. Da Nüesch sich nicht an eine Neukonservierung wagte, so besorgte sie Herr Konservator Ulrich, wofür ihm von Nüesch die volle Anerkennung ausgesprochen wurde. Wenn Nüesch verlangte, dass zur Aufstellung eines Gipsabgusses der Rückseite der Kalksteinplatte ein eigenes Etui angefertigt und dieser Abguss ausserdem noch zwischen zwei Gläsern eingespannt werden musste, so ist das wohl der beste Beweis für die übertriebene Wertschätzung, die Nüesch Objekten beilegt, welche materiell von gar keinem Belang sind. Was die Überreichung der drei Photographien anbelangt, so ist dabei zu bemerken, dass das Landesmuseum Herrn Nüesch schon weit mehr Photographien geschenkt hat und dass die eine dieser geschenkten Photographien bereits wieder für ihn abphotographiert werden musste, so dass wir nun Platten von allen Gegenständen haben, die übrigens längst in Wort und Bild publiziert sind. Andere Leute würden sich schämen, solche Kleinigkeiten in Berichten überhaupt zu erwähnen. Im übrigen sind die Konturen der Tiere auf der Photographie der Rückseite der Kalksteinplatte, welche Herr Nüesch farbig auszuziehen versprach, da nur er diese Tiere sieht, bis zur Stunde noch nicht eingezeichnet. Für seine Bemerkungen bezüglich Feuersteine verweise ich auf das Obengesagte. Herr Nüesch klagt, dass die Aufstellung der genetischen Entwicklung der Feuersteininstrumente nicht mehr so klar und so schön wie in der ersten Installation hätte aus-

geführt werden können. Diese genetische Aufstellung ist der lächerlichste Dilettantismus, den man sich überhaupt denken kann. Bekanntlich sollte Herr Dr. Nüesch eine genaue Erklärung dieser von ihm hoch gepriesenen genetischen Darstellung auf den Tafeln selbst geben, da sonst kein Mensch weiss, was diese Aufstellung zu bedeuten hat. Er entledigte sich dieser Aufgabe in folgenden Sätzen: ,,Zusammenstellung der Feuerstein-Werkzeuge nach ihrer Herstellungsweise aus den verschiedenfarbigen rohen Knollen bis zum fertigen Instrument: Messer, Sägen, Bohrer, Stichel (genetische Entwicklung der Feuersteinwerkzeuge )" ! Diese wunderbar tiefsinnige Erklärung ist gleichlautend auf den 3 Tafeln zu wiederholen. Die Neuinstallation der Zierarten und Schmuckgegenstände ist eine simple Arbeit, die jeder Buchbinder ausführen kann und die daher keiner Erwähnung bedarf. Mit der Zurückversetzung der Vitrinen, welche die Werkstätte, das Kindergrab und den Herd bergen, hatte Nüesch gar nichts zu tun. Die Entfernung der menschlichen Skelettreste resp. deren Deponierung im Anthropologischen Institut des Eidg. Polytechnikums, hatte Herr Dr. Angst seinerzeit angeordnet. Zum Schluss noch folgende Bemerkung: In den nächsten Jahren werden Fachleute auf Grund eines glücklicherweise noch vorhandenen Aktenmaterials den wissenschaftlichen Wert der Sammlung vom Schweizersbild auf das richtige Niveau setzen und ich glaube, dass diejenigen Leute, welche sich bis jetzt von Herrn Nüesch durch seine geradezu lächerlichen Übertreibungen vom Wert dieser Objekte imponieren liessen, dabei eine arge Enttäuschung erleben werden. Wenn man dem Staate um den exorbitanten Wert von Fr. 25 000.- ein ganz unvollständiges Material zur Darstellung einer Kulturepoche verkauft, so muss man natürlich auch jedem Objekt eine entsprechende Bedeutung beimessen. Und wenn man sich für Arbeiten, die ein anderer Fachmann in 2 Tagenbewältigt, für 16 Tage zahlen lässt, wie Herr Nüesch, so ist es selbstverständlich auch notwendig, diese Arbeiten dementsprechend aufzubauschen. Direktor Lehmann. 16. November 1908».

5.4. Zum Erwerb der Schweizersbild-Sammlung für das Bernische Historische Museum Dokument 43: Korrespondenz J. Nüeschs mit Th. Studer und H. Kasser, betreffend Verkauf eines Teils seiner SchweizersbildSammlung an das Bernische Historische Museum 268 • «Schaffhausen, den 18. Januar 1896. Herrn Professor Dr. Th. Studer. Hochgeehrter Herr! Hiemit erlaube ich mir, '" Bernisches Historisches Museum, Bern.

215


Ihnen für das Historische Museum in Bern eine Sammlung von Gegenständen aus der prähistorischen Niederlassung am Schweizersbild zu offerieren. Es enthält dieselbe: a. Artefakte aus Knochen u. Geweihen, circa 15 Stück. b. Schmuckgegenstände aus der Rennthierzeit als durchlöcherte Knochen, Zähne, Rennthierpfeifen, circa 6 Stück. c. ein Etui, die Nadelfabrikation aus Knochen des Rennthiers u. des Alpenhasen darstellend mit den dazu wahrscheinl. verwendeten Feuersteininstrumenten, circa 20-22 Stück. d. eine complete Sammlung von Feuersteinwerkzeugen als Messer, Sägen, Bohrer, Schab.er, Nuclei u. s. w. circa 110 Stück von den schönsten Exemplaren. e. Gipsabgüsse der schönsten Artefakte der 1. Sammlung, circa 10 Stück. f. eine Serie von Photographien der sämtlichen Artefakte, Zeichnungen, Schmuckgegenstände u.s.w. in natürl. Grösse, circa 50 Stück. g. eine Serie der am häufigsten vorgefundenen Thierspecies, circa 18 Arten. h. ein coloriertes Profil der Schichten. i. einen Glaskasten von 1,5 m Höhe, 80 cm Breite u. 15 cm Tiefe, in welchem die Schichtenfolge mit naturgetreuem Material aus der Niederlassung hergestellt wird. Der Preis der vorgenannten circa 250 Nummern zählenden Sammlung, welche ein möglichst vollständiges Bild der einzelnen Kulturepochen von der ältesten Steinzeit bis auf die Gegenwart giebt, sammt dem Glaskasten mit dem dazu erforderlichen natürlichen Material stellt sich auf Fr. 1000.-, zahlbar in zwei Jahresterminen. Einer gefälligen Rückäusserung entgegensehend u. Sie versichernd, dass ich es mir zur Ehre ansehen müsste, die Sammlung noch möglichst übersichtlich zu gestalten, verbleibe ich mit der Versicherung vorzüglichster Hochachtung Ihr ergebener Dr. J. Nüesch». «Schaffhausen, den 17. Februar 1896. Herrn H. Kasser. Sehr geehrter Herr! Wegen Krankheit komme ich erst heute dazu Ihre w. Zuschrift vom 8. d. M. zu beantworten. Im Auftrage des Tit. Verwaltungsrathes des Hist. Museums in Bern offerieren Sie mir für die, dem Herrn Professor Dr. Th. Studer angemeldete Sammlung von Fundgegenständen vom Schweizersbild Fr. 800.- anstatt der von mir geforderten Fr. 1000.-. In Berücksichtigung der von Ihnen angeführten Gründe will ich Ihnen entgege(n)kommen und erkläre mich bereit, Ihnen die genannte Sammlung unter der Bedingung zu dem erwähnten Preis von Fr. 800.- abzutreten, dass das Histor. Museum die Anschaffung des Glaskastens auf seine Kosten übernimmt. Es ist das letztere umsomehr angezeigt, als Sie dann denselben nach Ihrem Gutfinden, 216

sowie den Anforderungen Ihres Museums entsprechend gestalten können u. das Risiko beim Transport desselben für Sie ganz wegfällt. Dagegen verpflichte ich mich die Füllung des Kastens selbst persönlich und unentgeltlich, sowie die Kosten des Transportes des erforderlichen Materials zu übernehmen. - Damit der Kasten keine unförmliche Gestalt erhält, werden die Schichten in 1/2 natürlicher Grösse ausgeführt; es muss derselbe eine Höhe von 1,6 Meter, eine Breite von 80 cm u. eine Tiefe von 15 cm (alles äussere Masse) erhalten. Die hintere Wand muss aus gefalzten, an die Seitenwände leicht anzuschraubenden horizontal liegenden Brettern erstellt werden, indem der Glaskasten von der Rückseite aus gefüllt werden muss. Das Glas muss wegen des auszuhaltenden Druckes des Materials circa 9 m/m stark sein. Die beigelegte Bleistiftskizze gibt ein annäherndes Bild von dem Kasten u. von den übereinanderliegenden Schichten mit ihren faunistischen u. kulturhistorischen Einschlüssen. Einer geneigten Rückäusserung entgegensehend, verbleibe ich Ihr achtungsvoll ergebener Dr. J. Nüesch». «Schaffhausen, den 2. April 1896. Herrn H. Kasser. Sehr geehrter Herr! Bezugnehmend auf mein Schreiben vom 17. Februar, in welchem ich mich bereit erklärt habe, die Ihnen offerierte Sammlung vom Schweizersbild zu dem von Ihnen mir gebotenen Preis abzutreten, wenn Ihr Museum die Anschaffung des Glaskastens für das Profil der Schichten übernehmen wolle, beehre ich mich, Ihnen mitzutheilen, dass ich nächstens durch Bern reisen muss u. dann die Gelegenheit benützen würde, wenn der Kasten bereit wäre, denselben zu füllen, u. Ihnen auch die übrige Sammlung dann einhändigen könnte. Einer gef. Rückäusserung entgegensehend, verbleibe ich Ihr achtungsvoll ergebener Dr. J. Nüesch». «Schaffhausen, den 15. Juni 1896. Herrn H. Kasser. Sehr geehrter Herr! Bezugnehmend auf Ihr Schreiben vom 4. April beehre ich mich, Ihnen mitzutheilen, dass ich auftragsgemäss den Kasten für das Profil vom Schweizersbild bei einem tüchtigen Schreiner bestellt u. dass derselbe sammt 9 m/m dickem Glas circa Fr. 100-105.kosten wird. Es wird derselbe Ende dieser oder anfangs nächster Woche Ihnen zugeschickt werden; ebenso sende ich an das Historische Museum in Bern im Laufe dieser Woche 5 Kisten mit ursprünglichen Material zur Füllung des Kastens, welche ich am 25. o. 26. Juni vorzunehmen gedenke. Zugleich werde ich Ihnen dann die übrige Sammlung von Artefakten v. Schw. überbringen. Mit der Versicherung vorzüglicher Hochachtung. Dr. J. Nüesch». «Schaffhausen, den 15. Nov. 1896. Herrn H. Kasser. Sehr geehrter Herr! Bei meiner Anwesenheit in Bern im letzten Sommer ersuchte mich Herr Dr. von Fellenberg für


das Historische Museum noch eine Nachbildung des beim Schweizers bild aufgefundenen künstlich angelegten Kochherdes aus der Rennthierzeit anfertigen zu wollen. Ich bin diesem Auftrag nachgekommen u. habe vorgestern an das Histor. Museum in Bern per Bahn eine Kiste mit Glasdeckel abgesandt, in welchem sich die möglichst naturgetreue Nachbildung dieser ältesten Feuerstätte befindet. Die dazu verwendeten Materialien, die Breccie, auf welcher derselbe aufgebaut ist, die Herdplatten, welche den Boden des Herdes bilden, die Wärmsteine auf demselben, sowie die Asche u. angebrannten Knochen stammen aus der betr. Kulturschicht, in welcher sich das Original befand. - Für diese Materialien sowie für meine bei der Herstellung des Herdes verwendete Zeit verrechne ich nichts; dagegen erlaube ich mir nach Vereinbarung mit Herrn Dr. von Fellenberg Ihnen die Rechnung im Betrage von Fr. 30.- für meine gehabten Baarauslagen: Anschaffung der nach gegebenem Mass erstellten Kiste, des Deckels mit Glasscheibe, des Cementes für den Unterbau u. für den Transport des Herdes zur Bahn beizulegen. - Den Anstrich der Kiste habe ich nicht besorgen lassen, indem derselbe am besten durch Sie, der Farbe des Lokals entsprechend, besorgt werden kann. Indem ich hoffe, es werde der Herd in gutem Zustand u. unversehrt bei Ihnen ankommen u. in wünschenswerther Weise zur Ergänzung der in Ihrem Besitz sich befindlichen Sammlung vom Schweizersbild dienen, verbleibe ich mit der Versicherung vorzüglicher Hochachtung Ihr ganz ergebener Dr. J. Nüesch. NB. Die Rechnung von Fr. 800.- für die Ihnen persönlich übergebene Sammlung habe ich Ihnen s. Z., soviel mir erinnerlich, übergeben». «Schaffhausen, den 30. Nov. 1896. Herrn H. Kasser. Sehr geehrter Herr! Im Besitze Ihrer w. Zuschrift vom 28. Nov. verdanke ich Ihnen zunächst die Anzeige über den Empfang des Herdes u. bedaure lebhaft, dass die Kiste durch den Transport gelitten hat. Ich erlaube mir, Ihnen hiewegen zu bemerken, dass wenn die Kiste durch den Transport auf der Bahn laidirt wurde, die Bahn auch für die Beschädigung haftbar ist u. mir daraus keinerlei Verpflichtungen erwachsen können. In betreff. Ihres Gesuches um Reduction der Rechnung von Fr. 30.-, welche ich mir erlaubte, Ihnen nach mündlich s. Z. getroffener Vereinbarung beizulegen, muss ich erwidern, dass ich mir einen Theil meiner effektiven Baarauslagen für Herstellung des gewünschten Modells in Rechnung gebracht u. zwar nur diejenigen für den Schreiner, Glaser u. Transport der Kiste zum Bahnhof; nicht aber sind in der Rechnung enthalten die den Betrag derselben weitübersteigenden Unkosten welche mir erwachsen sind: a, durch die unter meiner Leitung von einem Arbeiter während mehrerer Tage vorgenommenen Auswahl von

passenden, dem Original möglichst ähnlichen Herdsteinen aus einem mehrere Wagenladungen haltenden mächtigen Haufen von Geröllsteinen, Platten, Hämmern, Kochsteinen usw. aus der präh. Niederlassung; b, durch das Graben nach Breccie beim Schweizersbild; c, durch den Transport derselben nach Schaffhausen; d, durch das Sieben, Waschen u. Trocknen der Breccie, wodurch es allein möglich war sie durch Cement fest zu verbinden. Die im natürl. Zustand vorkommende Breccie ist mit ziemlich viel Lehm versetzt u. lässt sich daher nicht mit Cement zu einer festen Unterlage behufs Fixierung u. Transport des Herdes verkitten. Ich habe keine Arbeit, keine Zeit u. keine Kosten gescheut, um das Modell so naturgetreu als immer möglich herzustellen u. transportfähig zu machen. Es freut mich daher sehr, zu vernehmen, dass trotzdem ein Bein an der Kiste abgerissen, dennoch der Herd in derselben - dank der getroffenen Vorsorge - keinen Schaden gelitten hat. Bezüglich Ihrer weiteren, mich bemühenden Bemerkung, es sei Ihnen gesagt worden, ich hätte der Basler Sammlung ein gleiches Assortiment erheblich billiger geliefert, was bei Mitgliedern Ihrer Commission böses Blut gemacht habe, so haben Sie eine ganz andere, viel reichhaltigere u. schönere Sammlung erhalten als die Basler u. constatiere ganz einfach als Beweis, dass die Basler Sammlung ausser dem Profil der Schichten nur 8 Cartons mit bloss 136 Nummern u. 2 kleinen Photographien enthält. Die Berner Sammlung dagegen zählt 19 Cartons mit nicht weniger als 342 Nummern von Artefakten u. einem Album von 50 grossen Photographien von sämmtlichen Fundgegenständen in natürlicher Grösse. Die Berner Sammlung enthält aber nicht nur weit mehr als die doppelte Anzahl von Fundgegenständen der verschiedendsten Art sondern auch ein mit schöneren, manigfaltigeren u. typischeren Exemplaren u. zwar ausschliesslich aus der paläolithischen Zeit; die Serie der Feuersteininstrumente Ihrer Sammlung ist mindestens ebenso schön als diejenige der ersten Sammlung in Zürich; ja einzelne Exemplare von Schabern, Bohrern u. Messern sind Unica in Bern. Dass die kleinen geschlagenen u. auf den 1. Blick unscheinbaren Instrumente aus Stein aus der ältesten Steinzeit vom Schweizersbild dem Laien nicht so imponieren wie die schönen u. grossen geschliffenen Steinäxte aus den Pfahlbauten ist sehr begreiflich; es sind aber die sorgfältig bearbeiteten Schaber, Messer u. Bohrer vom Schweizersbild mindestens ebenso charakteristisch für jene Zeit wie die Burgunderteppiche für ihre Zeit u. die Lokomotiven u Telegraphen für unser Jahrhundert. Mit der Versicherung vorzüglicher Hochachtung verbleibe ich Ihr ganz ergebener Dr. J. Nüesch». Aus dem Jahresbericht des Historischen Museums Bern für 1896: «Ende 1895 bot uns Hr. Dr. J. Nüesch in Schaffhausen eine geordnete Kollektion von ca. 250 Fund217


gegenständen, teils Tierknochen, teils Artefakten von Feuerstein, Knochen und Horn aus der von ihm aufgedeckten prähistorischen Niederlassung am Schweizersbild bei Schaffhausen zum Kaufe an, samt einem aus dem natürlichen Material hergestellten Profil der Fundschichten in halber Grösse und den photographischen Abbildungen der schönsten Stücke des von ihm bereits an die Eidgenossenschaft veräusserten Grundstockes der gemachten Funde. Ungemein reiche Ausbeute hat Schweizers bild namentlich für die paläolithische Periode (Renntierzeit) geliefert, die in unserem Museum noch sehr schwach vertreten ist. Es bot sich daher hier eine erwünschte Gelegenheit, unsere Sammlung zu vervollständigen, und es hat denn auch der Verwaltungsausschuss den Ankauf genehmigt. Die anfänglichen Befürchtungen, wir möchten nur eine wertlose Nachlese erhalten, wurde durch die Objekte selbst zerstreut, die wohl geeignet sind, von dieser ältesten Stufe menschlicher Kultur einen richtigen Begriff zu geben. Im gleichen Jahr ist auch der wissenschaftliche Kommentar hinzugekommen. Die Aufstellung des hiesigen Profils wurde von Hrn. Dr. Nüesch selbst besorgt und nachträglich noch ein Modell des ebenfalls am Schweizers bild zu Tage geförderten primitiven, aus rohen Steinen verfertigten Feuerherdes jener Ansiedler der Renntierzeit beigefügt».

eine Kiste No. 802, J. S. C. enthaltend Herdplatten als Boden, sowie Wärmsteine u. weiteres Material. c. für das Grab aus der neolith. Zeit: eine Kiste No. 23197 (Frank u. Söhne) enthaltend die Steine zur Einfassung desselben. Zur Ausfüllung des Grabes hinter den Steinen kann das überschüssige Material aus Kiste No. 29267 verwendet werden. Dieses sämtl. Material habe ich in den letzten Tagen noch sorgfältig trocknen lassen, was absolut nothwendig war, um nicht zu riskieren, dass es nachträglich im Museum etwa zu schimmeln anfängt. Es fehlt nun noch Material aus der alleruntersten Schicht, dem Diluvium oder Bachschotter, auf dem die ganze Niederlassung ruht u. durch welche das Alter derselben als postglacial in Bezug auf das Maximum der letzten Rheinvergletscherung bestimmt wird. Ich konnte dasselbe noch nicht abschicken, weil es noch nicht genügend trocken ist; sobald das letztere der Fall sein wird, werde ich es nachschicken. Meine Kosten für den Transport, das Trocknen u. Verpackung werde ich mir erlauben, in Rechnung zu bringen.

Dokument 44: Korrespondenz J. Nüeschs mit J. Kollmann und F. Sarasin betreffend Verkauf eines Teils seiner SchweizersbildSammlung an das Ethnographische Museum Basel269 •

Meine den ganzen Winter andauernde Krankheit u. in Folge dessen auch lange Abwesenheit von Schaffhausen sind Schuld, dass es mir nicht möglich gewesen, Ihnen früher die Sachen zu schicken; auch jetzt noch bin ich sehr schwach u. kann noch nicht mit Bestimmtheit angeben, ob ich Ende dieser Woche nach Basel kommen kann, um die Füllung der Kasten zu überwachen; jedenfalls möchte ich Sie bitten, mir ein oder 2 Mann für das Füllen zur Verfügung zu stellen. Mit der Versicherung vorzüglichster Hochachtung verbleibe ich Ihr ganz Ergebener Dr. J. Nüesch».

«Schaffhausen, den 11. Juni 1895. Herrn Professor Dr. Kollmann, Director des Ethnogr. Museums, Basel. Hochgeehrtester Herr Professor! Heute habe ich an das „Ethnographische Museum" (Herrn Director Professor Dr. Kollmann) in Basel folgende Gegenstände mit dem Material aus den verschieden Schichten am Schweizersbild geschickt, a. für den Glaskasten: 1. eine Kiste No. 26601 enthaltend Material aus der gelben, paläolithischen Schicht circa 44 dm 3 • 2. eine Kiste No. 32589 enth. Material aus der oberen Breccienschicht - der Zwischenschicht zwischen der paläolitischen u. der neolith. Zeit. 3. eine Kiste No. 29267, Material aus der neolithischen Schicht. 4. eine Kiste No. 29262, Material aus der Humusschicht. 5. einen Sack voll Material aus der unteren Breccienschicht: der unteren Nagethierschicht. b. für den Herd aus der Rennthierzeit:

«Schaffhausen, den 5. Juli 1895. Herrn Professor Dr. J. Kollmann, Basel. Hochverehrtester Herr Professor! In Bestätigung meiner Postkarte vom 17. v. M., in welcher ich mich erkundigte, ob es Ihnen gelungen sei, den Glaskasten mit dem Profil der Schichten ohne Unfall zu drehen, erlaube ich mir, Ihnen beiliegend die Rechnung meiner Baarauslagen für die Reise u. den Transport des Materials im Betrage von Fr. 27.50 zur gütigen Begleichung zuzustellen. Zugleich erneuere ich meine mündlich gestellte Bitte, um gefl. Rücksendung des überschüssigen Materials der versch. Schichten, auch schriftlich, indem ich noch anderweitige Verwendung habe dafür. Der Glaskasten mit den Schichten freut mich ausserordentlich; noch kein ... Museum hat eine gleiche Zusammenstellung u. eine so anschauliche Geschichte des Menschengeschlechtes vom Auftreten desselben in unserer Gegend bis zur Gegenwart. Ich würde Ihnen vorschlagen, an diesen Kasten von oben nach unten noch folgende gedruckte Etiquetten anzukleben:

5.5. Zum Erwerb der Schweizersbild-Sammlung für das Ethnographische Museum Basel

218


1. links: Humus: Eisenzeit u. Broncezeit.

1. rechts: Hausthiere: Rind, Schaf, Ziege, Kaninchen, T... etc.

2. Neolithische oder jüngere Steinzeit mit geschliffenen u. geschlagenen Steinwerkzeugen, rohen Topfscherben u. menschlichen Skeletten, darunter Pygmäen; Werkzeug aus Hirschhorn.

2. Waldfauna: Hirsch, Reh, Wildschwein, Torfrind, Bär, Eichhörnchen etc; stämmiger Hochwald. Klima: zieml. warm u. feucht, wie zur Pfahlbauerzeit.

3. Breccie ohne Einschlüsse menschlicher Thätigkeit.

3. Obere Nagethierschicht mit Siebenschläfer, Wasserratte, gemeinem Hasen, Spitzmaus, Baummarder, Wiesel etc. Übergangsfauna von Steppe zu Wald.

4. Paläolithische oder ältere Steinzeit mit nur geschlagenen Steinwerkzeugen, ohne menschl. Skelette; die Werkzeuge aus Knochen vom Renthier u. Alpenhasen, Zeichnungen auf Geweihstangen u. Steinen; sorgfältig angelegter Herd.

4. Steppenfauna mit Renthier, Wildpferd, Steppenesel, Pfeiffhase, Hamster, Alpenhase, Wolf, Manulkatze, Schneehühner etc. Klima: kalt u. trocken, ähnlich demjenigen von Orenburg (?).

5. Anfang menschlicher Kultur; nur vereinzelte Steinwerkzeuge u. wenige, aufgeschlagene Knochen.

5. Tundrafauna mit Eisfuchs, Schneehasen, Halsbandlemming, Schneemaus, Schneehühner, Raubvögel etc. Klima: sehr kalt wie im nördlichsten Theil Sibiriens.

6. Bachschotter u. Moränenschutt ohne irgend welche Einschlüsse. Eiszeit.

6. Bachschotter und Moränenschutt.

Durch die Anbringung dieser Erläuterungen wird der Kasten instruktiv für Jedermann. Zum Verständniss des Ganzen gehörte zu den Prachtstücken nun noch eine Sammlung von Fundgegenständen selbst, welche, nach den Schichten geordnet, den Fortschritt der Kultur darstellen u. durch Knochen u. Zähne der wichtigsten u. am häufigsten vorkommenden Thiere die Wandlung des Klimas angeben. Ich offerire Ihnen eine solche zum Preise von Fr. 500.- zahlbar in 2 Jahresterminen. Dieselbe wird enthalten: 1. eine Serie von bearbeiteten Knochen u. Geweihstücken aus der paläolith. u. neolith. Schicht. 2. eine Serie von Knochen vom Rennthier u. Alpenhasen, die Fabrikation der Nadeln vom rohen Knochenstück bis zur completen, polierten u. mit Öhr versehenen Nadel darstellend, samt den dazu wahrscheinlich verwendeten, kleinen Instrumenten aus Feuerstein als Messer, Sägen, Polierinstrumente u. Bohrer. 3. einige Schmuckgegenstände aus der paläolith. Zeit, aufgeschlagene Phalangen, Rennthierpfeiffen etc. 4. eine Serie von Topfscherben, geschliffenen Steinwerkzeugen u. Serpularinge aus der neolith. Zeit. 5. eine Serie von Abgüssen der schönsten Gegenstände der ersten Sammlung. 6. eine complete Sammlung von verschieden farbigen Feuersteinen, Nuclei: u. grösseren Instrumenten aus denselben hergestellt. 7. eine Serie von Knochen u. Zähnen von circa 20 Thierspecies.

8. eine Serie von Photographien der Zeichnungen, der wichtigsten Artefakte u. der Fundstätte selbst. Es wird diese Sammlung circa 150 Nummern umfassen u. ein möglichst vollständiges Bild der Niederlassung in kulturhist. Beziehung abgeben .... Einer geneigten Rückäusserung entgegensehend, verbleibe mit der Versicherung vorzüglichster Hochachtung u. den besten Empfehlungen an Ihre verehrteste Frau Gemahlin Ihr dankbar ergebener Dr. J. Nüesch». «Schaffhausen, den 19. Dez. 1895. Herrn Professor Dr. J. Kollmann, Präsident des Ethnographischen Museums, Basel. Hochgeehrtester Herr Professor! Hiemit beehre ich mich Ihnen die ergebene Anzeige zu machen, dass ich die seiner Zeit bei mir gütigst bestellte Sammlung von Fundgegenständen aus der prähistorischen Niederlassung am Schweizersbild heute per Post an das Ethnographische Museum in Basel abgesandt habe. Es enthält dieselbe laut beigelegtem Specialverzeichnis a. 10 Nummern bearbeiteter Gegenstände aus Knochen u. Geweih b. 4 Nummern Schmuckgegenstände. c. 22 Nummern in einem Etui, die Nadelfabrikation aus Knochen des Rennthiers u. des Alpenhasen darstellend u. die wahrscheinl. verwendeten Feuersteininstrume(nte) enthaltend.

269

Museum für Völkerkunde. Basel.

219


d. 91 Nummern Eine complete Sammlung von Feuersteinwerkzeugen als Messer, Sägen, Bohrer, Schaber, Nucle"i. e. 9 Nummern Gipsabgüsse der schönsten Artefakte der 1. Sammlung. f. 2 Nummern Photographien. g. 1 Nummer Profil der Schichten, sowie h. 28 Nummern von 18 verschiedenen Thierspecies. Zugleich erlaube ich mir, die Rechnung dafür beizulegen. Mit der Versicherung vorzüglichster Hochachtung verbleibe Ihr ergebenster Dr. J. Nüesch». «Schaffhausen, den 11. April 1897. An das Präsidium der Kommission der ethnogr. Sammlung, Herrn Dr. F. Sarasin in Basel. Hochgeehrtester Herr! Im Besitze Ihres Briefes vom 9. April l.J. beehre ich mich, Ihnen mitzutheilen, dass ich nicht auf Ihren Vorschlag „Zurücknahme eines Theils meiner s.Z. der ethnographischen Sammlung in Basel auf Bestellung u. nach Vereinbarung gelieferten Kollektion von Fundstücken aus der prähistorischen Niederlassung am Schweizersbild" eingehen kann u. daher der Zusendung der bereits fälligen zweiten Rate von Fr. 250.- in Bälde entgegensehe. Mit der Versicherung vorzüglicher Hochachtung verbleibe ich Ihr ergebener Dr. J. Nüesch».

5.6. Zum Erwerb der Schweizersbild-Sammlung für das Germanische Nationalmuseum Nürnberg Dokument 45: Korrespondenz J. Nüeschs mit dem Direktor des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg, betreffend Verkauf eines Teils seiner Schweizersbild-Sammlung 270 • «Schaffhausen, den 20. Februar 1899. Herrn Gustav von Betzold. Hochgeehrter Herr! Durch gegenwärtiges Schreiben erlaube ich mir, Ihnen für Ihre Sammlungen die 2te Auswahl von Fundgegenständen aus der prähistorischen Niederlassung am Schweizersbild bei Schaffhausen zu offerieren. Die Fundstätte wurde im Jahre 1891 entdeckt u. in den Jahren 1891-1894 auf das Sorgfältigste ausgegraben. Wegen einer mehrere Jahre andauernden Krankheit erschien erst im Jahre 1897 die Publikation über die Resultate der Ausgrabungen als 35. Band der Denkschriften der Schweiz. Naturf. Gesellschaft. Diese Monographie „Das Schweizersbild, eine Niederlassung aus paläolithischer u. neolithischer Zeit" findet in der wissenschaftl. Welt wegen ihrer Vollständigkeit u. wegen der vielen neuen Entdeckungen (Pygmäen der Steinzeit, die Aufeinanderfolge der Tundren-, Steppen-, Weiden-, Wald- u. Hausthier-Faunen, der kulturhistorischen Einschlüsse etc, etc) sehr günstige Aufnahme u. hohe Anerkennung, so dass 220

das Schweizersbild für alle Zeiten unter den Fundorten aus der Urzeit des Menschen eine hervorragende Stelle einnehmen wird. Eine Sammlung von Artefakten aus derselben, aus der ältesten Steinzeit, wird daher jedem Museum u. ganz besonders dem Germanischen Nationalmuseum zur Zierde gereichen. Die Sammlung welche ich Ihnen in erster Linie zum Ankauf empfehle, habe ich im Sommer 1897 an die Weltausstellung nach Brüssel geschickt, wo sie in der Abtheilung für Wissenschaft die höchste Auszeichnung ,,le prix de merite" erhalten hat. Es besteht diese sehr schöne diplomierte Sammlung aus: 1 Thierzeichnung, die Hinterbeine u. den Bauch darstellend, No. 1 des geschr. Katalogs; 11 Stück mit verschiedenen Zeichnungen u. Strichornamenten versehene Artefakte, No. 2-No. 12 des geschr. Katalogs; 43 Stück verschiedene Pfeile, Pfriemen, Phalangen, Rennthierpfeifen No. 13-46; 17 Stück Artefakte die Herstellung der Knochennadeln aus den Knochen des Rennthiers u. des Alpenhasen darstellend samt 2 ganzen Nadeln, No. 47-74; 22 Stück Schmuckgegenstände als Muscheln, Zähne, Versteinerungen No. 75-94; 1 Stück Braunkohle mit einem Bohrloch versehen, No. 95; 47 Stück sehr kleine, frei bearbeitete Feuerstein-Instrumente No. 96-146, welche wahrscheinlich zur Herstellung der feinen Knochennadeln dienten; Messer, Sägen, Polierinstrumente; 10 Stück sehr schöne Bohrer aus Feuerstein No. 147-157; 11 Stück sehr schöne Schaber aus Feuerstein No. 158-169; 138 Stück Instrumente aus Feuerstein, Chalcedon, Jaspis, No. 170-No. 303; 48 Stück Artefakte, die Herstellung der Messer, Schaber, Sägen, Bohrer aus den dazugehörenden Nuklei, No. 304-345; 8 Stück Gipsabgüsse von den schönsten Artefakten in Knochen u. Geweih der 1. Sammlung No. 346-354; Diese sämtlichen 354 Stück stammen aus den paläolithischen Schichten der Niederlassung u. fanden sich in den 2 untersten Schichten der älteren Steinzeit. Zur Ergänzung dieser Sammlung sind aus der darüberliegenden Schicht, welche die Überreste der den Wald bewohnenden Neolithikern enthielt auch hinzugefügt: 11 Stück Artefakte aus Knochen u. Geweih des Edelhirsches No. 355-366, sowie 6 Photographien während den Ausgrabungen aufgenommen. Überdies kann zu dieser Sammlung noch das ursprüngliche Material zur Nachbildung des Profils in 1/ 2 natürl. Höhe ( 1,5 m hoch) der übereinandergelegenen Schichten, in einem Glaskasten darzustellen, beigegeben werden.


Diese 5 Schichten ruhten auf dem Moränenschotter der letzten Eiszeit und enthielten von unten nach oben die Überreste aus allen Kulturepochen: aus der paläolithischen Steinzeit, der Zwischenzeit zwischen der ältesten und der jüngeren Steinzeit, dem ältesten Abschnitt der neolithischen Zeit, der Bronce- u. schliessl. der Eisenzeit u. bildeten daher einen vollständigen Ausschnitt durch die histor. u. vorhistor. Zeit bis zur letzten Vergletscherung; sie enthielten die Überreste einer Tundra-, Steppen-, Weide-, Wald- u. Hausthierfauna (111 Arten), 27 menschl. Skelette etc. Das Profil würde somit einen Chronometer darstellen der Zeit seit welcher die Menschen überhaupt in Europa sich niedergelassen haben u. bekannt sind; ein ähnliches Profil ist im Landesmuseum in Zürich von mir erstellt worden u. wird allgemein als äusserst instruktiv bewundert. Ich stelle den Preis dieser sehr seltenen Sammlung, welche ein vollständiges Bild des Kulturzustandes des paläolithischen Menschen gibt, auf 3000 Mark, zahlbar in ein oder mehreren Jahresraten u. bin bereit Ihnen dieselbe im Laufe dieses Frühjahres persönlich vorzulegen. Sollten Sie auf diese Sammlung nicht reflektieren, so offeriere ich Ihnen eine kleinere typische Sammlung um den Preis von 500 Mark; sie enthält auf Cartons aufgenäht circa 150 Nummern von Gegenständen aus den paläolithischen Schichten des Schweizersbildes u. zwar: 1. Eine Serie von Artefakten u. Knochen, angeschnittene Kn. u. Geweihe vom Rennthier; 2. Eine Serie verschieden bearbeiteter Knochenstücke, welche die Herstellung der Kn. Nadeln aus den Kn. des Rennthiers u. des Alpenhasen bis zur fertigen polierten Kn. Nadel zeigen samt den bei der Herstellung derselben wahrscheinl. zum Schneiden, Sägen, Bohren, Polieren verwendeten kleinen Werkzeuge aus Feuerstein; 3. einige Schmuckgegenstände, aufgeschlagene Phalangen etc; 4. eine vollständige Sammlung paläolith. Werkzeuge aus Feuerstein, Chalcedon, Jaspis von verschiedener Grösse u. Farbe, als Schaber, Messer, Sägen, Bohrer, Polierinstrumente; sie enthält überhaupt alle Arten von den in der Nieder1. aufgefundenen Instrumenten aus Feuerstein je in mehreren Exemplaren: 5. eine Serie von Feuerstein-Nuklei nebst den daraus hergestellten Werkzeugen; 6. eine Serie von Gipsabgüssen von den schönsten Artefakten der 1. Sammlung; u. 7. wenn gewünscht eine kleine paläontologische Sammlung von circa 12 Thierspezies; Zähne u. Knochen derselben. Dieser instruktiv geordneten, genau etiquettierten Sammlung wird ebenfalls ein sorg. Katalog beigegeben; sie gibt ein möglichst vollständiges Bild des Kulturzustandes der damaligen Zeit.

Indem ich mir zum Schluss noch erlaube, darauf hin zu weisen, wie selten sich die Gelegenheit für Museen bietet, eine Sammlung von Fundgegenständen aus der paläolithischen Zeit Deutschlands erwerben zu können, verbleibe ich in Erwartung einer gef. Rückäusserung mit der Versicherung ausgezeichneter Hochachtung Ihr ganz ergebener Prof. Dr. J. Nüesch». «Schaffhausen, den 22. März 1899. Herrn Gustav von Betzold. Hochgeachteter Herr Director! Im Besitze Ihrer w. Zuschrift vom 17. I.M. beehre ich mich, Ihnen mitzutheilen, dass die Ihnen offerierte kleinere Sammlung ausschliesslich typische Artefakte aus Knochen, Geweih u. Feuerstein der paläolithischen Kulturepoche vom Schweizersbild enthält, dass diese Serie ebenfalls ein hinreichendes Bild des Kulturzustandes des Menschen der ältesten Steinzeit Deutschlands abgiebt; dargegen bin ich gern bereit, sie noch etwas reichhaltiger auszustatten u. sie Ihrem Wunsche gemäss durch neolithische Fundstücke noch zu ergänzen, was umso leichter geschehen kann, da das Landesmuseum in Zürich so viele neolith. Funde aus den Pfahlbauten der Schweiz schon vorher erworben hatte, dass es kein Gewicht auf die Fundstücke aus der neol. Schicht am Schw. legte u. dieselben mir zum grössten Teil überliess. Ebenso bin ich im Falle auch zu dieser Sammlung das nöthige Material zur Herstellung eines Profils der Schichten vom Schweizersbild in 1/ 2 nat. Höhe beizugeben. Das Profil bildet geradezu ein Chronometer für die Zeit, welche mit der letzten grossen Vergletscherung der Alpen bis zur Gegenwart verflossen, u. ist ein Querschnitt durch die historische-, die Bronce-, die neolithische Zeit, die Zwischenzeit zwischen der jüngeren u. älteren Steinzeit, die paläolithischen Epochen bis zur letzten Eiszeit; es ermöglicht einen annähernden Begriff von den gewaltigen Zeiträumen u. deren Dauer zu machen. - Ein solches Profil habe ich für das Basler Museum ebenfalls hergestellt u. erlaube mir Ihnen zur gef. Einsichtnahme eine Skizze des Glasschrankes beizulegen. Es ist derselbe 80 cm breit, 150 cm hoch u. 10 cm tief, u. versehen mit Füssen u. einem Aufsatz zur Inschrift. Die Glaswand vom muss natürl. aus einem Stück von mindestens 8-10 mm Dicke betragen, damit das Glas wegen des Druckes der Schichten nicht springt; da der Kasten von der Rückseite gefüllt werden muss, soll diese letztere aus circa 15 cm hohen Brettern bestehen, welche in eine in die beiden Seitenwände eingelassene Nuth geschoben und angeschraubt werden können. Der Kasten kann nämlich nur an Ort u. Stelle gefüllt werden, da die Schichten nur durch Blechstreifen voneinander getrennt werden u. daher beim Transport durcheinander gerüttelt würden. Die Herstellung des Kastens geschieht "

0

Germanisches Nationalmuseum. Nürnberg.

221


am besten in Nürnberg selbst, damit er Ihren Museumseinrichtungen entspricht. Das zur Füllung nöthige Material wird in 5 kleinen Kisten per Frachtgut von hier dann hingeschickt. Ihrem Wunsche gemäss werde ich die Sammlung in dem gewünschten Sinn erweitern u. ergänzen, einen spezificierten Katalog anfertigen, denselben zur Einsichtnahme zusenden u. Ihnen dann den Preis der so vermehrten Sammlung inclusive Lieferung des Materials zu dem Profil angeben. Wegen Überhäufung an Arbeit komme ich aber erst nach Ostern hiezu. Inzwischen verbleibe ich mit der Versicherung ausgezeichneter Hochachtung Ihr ganz ergebener Dr. J. Nüesch». «Schaffhausen, den 6. März 1900. An Gustav von Betzold. Hochgeachteter Herr Director! Bezugnehmend auf mein Schreiben vom 22. März v.J. u. auf Ihre gef. Antwort vom 24. März 1899, wonach einer Zusammenstellung der Sammlung von Schweizersbild-Fundstücken nach Ihrem Wunsche nicht dringend war, beehre ich mich Ihnen nun heute mitzutheilen, dass ich meine Sammlung für Ihr Museum in ebenso instruktiver Weise zusammengestellt habe wie in Zürich. Es enthält dieselbe auf 26 Cartons mit Draht befestigte 300 Fundgegenstände aus den paläolithischen u. neolithischen Schichten des Schweizersbildes u. zwar: a. aus der gelben Kulturschicht: 4 Cartons mit 31 Knochenartefakten; 1 Carton mit Nadeln, die Herstellung derselben darstellend aus den Knochen des Rennthiers u. des Alpenhasen, worin die dabei wahrscheinl. verwendeten kleinen Feuerstein-Instrumente; 2 Cartons mit Feuerstein-Instrumenten: 16 Schaber, 8 Bohrer, 2 Polierinstrumenten, 2 Pfeilspitzen u. 2 Sägen; 4 Cartons mit 86 verschiedenen Feuersteinwerkzeugen in den verschiedendsten Formen, Grössen, Farben, als Messer, Sägen etc.; 1 Carton Nuklei von versch. Grösse u. Bearbeitung, mit 12 Stück; 2 Cartons, die Entwicklung der FeuersteinInstrumente aus den zugehörigen Nuklei darstellend, 32 Stück; 3 Cartons Gipsabgüsse der schönsten Artefakte der ersten Sammlung in Zürich, 16 Stück; 1 Carton Knochen mit Schlagmarken, 8 Stück; 1 Carton mit angebrannten Knochen, 9 St.; 1 Carton mit Versteinerungen, 10 St.; 1 Carton mit Schleudersteinen, 9 St.; 1 Carton mit Knochen, Zähnen u. Kieferehen von Nagethieren aus der Tundraschicht; 1 Carton mit Knochen vom Alpenhasen; 1 Carton mit Knochen u. Zähnen vom Rennthier; b. aus der grauen oder neolithischen Schicht: 2 Cartons mit Artefakten aus Knochen des Edelhirsches, u. 1 Steinaxt u. angeschliffenen Steinen; 1 Carton mit unglasierten, roh bearbeiteten Topfscherben. Zu dieser sehr schönen, reichhaltigen Sammlung, welche ein vollständiges Bild des Kulturzustandes des Menschen in der paläolithischen u. neolithischen Zeit Deutschlands 222

gibt, bin ich bereit noch das benötigte ursprüngliche Material von den 5 verschiedenen Schichten, der am Schweizers(bild) aufgefundenen sich folgenden Kulturepochen, zur Füllung u. Herstellung eines Glaskastens, ähnlich dem Profil im Landesmuseum in Zürich, Ihnen zur Verfügung zu stellen. Die Masse dieses Kastens habe ich mit einer Skizze Ihnen voriges Jahr zugesandt. Meine Baarauslagen für die Auswahl, Verpackung inkl. Kisten u. Transport des Schichtenmaterials fällt zu Lasten des Museums. Ich bin bereit Ihnen die obgenannte Sammlung von Fundgegenständen mit einem spezificierten Katalog zur Ansicht nach Nürnberg zu senden, insofern Sie es wünschen u. die Kosten des Transportes übernehmen. Der Preis der ganzen Sammlung stellt sich auf 800 Mark. Mit der Versicherung vorzüglicher Hochachtung verbleibe ich Ihr ganz ergebener Dr. J. Nüesch». «Schaffhausen, 8. Juni 1900. Herrn Prof. Dr. von Betzold. Hochgeehrter Herr! Hiemit beehre ich mich, Ihnen mitzutheilen, dass ich heute per Bahn als Eilgut die von Ihnen zur Ansicht gewünschte Sammlung von Fundgegenständen aus der prähistorischen Niederlassung am Schweizersbild bei Schaffhausen an das Germanische Centralmuseum in Nürnberg abgeschickt habe. Es enthält dieselbe auf 30 Cartons u. in einem Etui: I. aus den paläolithischen Schichten: a. eine schöne Serie von Artefakten aus Knochen u. Geweih des Rennthiers, Alpenhase u.s.w aufgenäht auf Carton Ibis Carton V No. 1-No. 47, aufCarton IVa und in einem Etui sieben mit Strichornamenten verzierte Knochenstücke No. 26a bis No. 32c, zusammen: 62 Originalstücke. b. eine ganz vollständige Sammlung von Feuersteininstrumenten, als Messer, Schaber, Bohrer, Sägen, Nuclei, in den verschiedendsten Formen, Farben, Grössen u. Stadien der Bearbeitung u. Abnutzung. Auf Carton No. V u. Carton No. VI: No. 48-No. 80, auf Carton Vla: No. 65a-No. 80a, auf Carton VII bis u. mit Carton XV: No. 81-No. 233, zusammen 201 Stück Feuerstein-Artefakte. c. eine Serie von Gipsabgüssen von den schönsten Knochenartefakten der 1. Sammlung auf Carton XVI, XVII u. XVIII: 16 Stück. d. eine Serie von Schleudersteinen auf Carton XIX: 8 Stück. e. eine Serie von Versteinerungen, welche die Troglodyten in der Nähe gesammelt u. in die Niederlassung getragen hatten, auf Carton XX, zusammen 10 Stück, No. 257 bis No. 267. f. eine Serie von aufgeschlagenen, mit Schlagmarken versehene, angebrannte u. vom Feuer geschwärzte Knochen, auf Carton XXI, No. 268 bis No. 276. Auf Carton XXII, No. 277 bis No. 284 zusammen 17 Stück.


II. aus der neolithischen Schicht: a. eine Serie von Artefakten in Knochen u. Geweih vom Edelhirsch, u.s.w. auf Carton XXIII u. XXIV, No. 285 bis No. 298: 14 Stück. b. eine Serie primitiver Topfscherben auf Carton XXV: 8 Stück, No. 299-No. 306. III. Eine Serie von Knochen u. Zähnen von den am häufigsten als Nahrung verwendeten Thierspezies der paläolithischen Schichten auf Carton XXVI, XXVII u. XXVIII. Diese sehr reichhaltige, möglichst instruktiv geordnete Sammlung umfasst daher im Ganzen, ausser den unter III. aufgezählten Küchenabfällen der Trodglodyten, 314 Stück u. gibt ein möglichst vielfältiges Bild des Kulturzustandes des paläolithischen u. neolithischen Menschen der Niederlassung am Schweizers bild. Durch Hinzufügen der Gegenstände auf Tafel IVa u. Tafel Vla, u. der im Etui enthaltenen seltenen verzierten Knochenstücke ist die ursprüngl. Sammlung von mir noch erweitert worden u. zwar ohne Preiserhöhung. Der Preis der ganzen Sammlung beträgt 800 Mark. Ausserdem bin ich bereit, Ihnen noch einen Gipsabguss der mit Thierzeichnungen versehenen Kalksteinplatte, welche sich im Landesmuseum in Zürich befindet, nachzuliefern, sobald ich wieder solche von dorten erhalten haben werde. Indem ich hoffe, die Sammlung werde unversehrt in Nürnberg anlangen u. Ihren grossen Beifall finden, verbleibe ich mit der Versicherung ausgezeichneter Hochachtung Ihr ganz ergebener Dr. J. Nüesch. NB. Den spezifizierten Katalog der Sammlung habe ich zu den Fundgegenständen in die Kiste gelegt». «Schaffhausen, 29. VII. 1900. Herrn G. von Betzold. Hochgeehrter Herr! In Beantwortung Ihrer werten Zuschrift vom 22. VII. ac fällt es mir sehr schwer, den Preis der Ihnen vorgelegten sehr reichhaltigen, interessanten u. möglichst instruktiv geordneten Sammlung von Fundstücken vom Schweizersbild von 800 auf 600 Mark zu reduzieren, und dies umsomehr, als ich weder Zeit noch Mühe scheute, dieselbe für Ihr Museum speziell zusammenzustellen. Nur um derselben einen so würdigen Platz in Ihrem Museum zu sichern, kann ich mich schliesslich dazu verstehen, die offerierte Summe von 600 Mark = 750 Franken als Kaufsumme anzunehmen, vorausgesetzt, dass die Zahlung in Schweizer Geld und auf einmal erfolge. Mit vorzüglicher Hochachtung Dr. J. Nüesch». «Obersteinberg den 2. August 1900. Hochgeehrter Herr Collega! Professor Nüesch nimmt, wie er umstehend mittheilt, den Preis von 600 Mark für die Sammlung vom Schweizersbild an. Er scheint baldige Zahlung zu erwar-

ten. Für die Sammlung werden zwei Schränke nötig sein, deren Grösse sich nach der der Tabletten zu richten hat, bzw ein Doppelschrank wie die übrigen im prähistorischen Saal. Betzold».

6. Zu einzelnen Funden 6.1. Zur Gravierung eines Wildesels

Abb. 81: Gefälschte Ritzzeichnung eines Wildesels auf einem alten Knochenstück.

Dokument 46: Auszüge aus dem Tagebuch von J. Heierli 271 • «Mittwoch, 19. Oktober 1910. Vor einer Woche meldete mir Prof. Heim den Fund einer neuen Zeichnung im Schweizersbild an. Auf meinen Wunsch lud er den Finder, einen Knaben von ca. 13 Jahren und dessen Vater, ein hierher zu kommen und das Stück zur Untersuchung zu zeigen. Letzten Samstag erschien er mit den beiden Habicht, Vater und Sohn und Prof. Beck, einem Verwandten derselben, der die Zeichnung zuerst gesehen hatte. Der Knabe ist ein Schüler von Nüesch, hat demselben die Zeichnung aber noch nicht gezeigt. Er fand dieselbe etwa 7 m vor dem Felsen in ca. 60 cm Tiefe zusammen mit einigen Feuersteinen und Knochen. Der Bauer, auf dessen Eigentum die Knaben gelocht, schimpfte zuerst; als sie ihm aber versprachen, die Löcher sorgfältig wieder zusammenzumachen, erlaubte er ihnen das Graben. Die Zeichnung ist echt und befindet sich auf der innern Seite eines leicht gewölbten Knochens (vom Ren?). Auch auf der äussern Seite sind Ritzen zu sehen, doch rühren dieselben teilweise von den Grabwerkzeugen her. Die Zeichnung stellt einen Wildesel dar in miniatur. Das Bild gleicht sehr dem grossen Wildesel vom Schweizersbild im Landesmuseum. Wir machten nun ab, dass die Zeich271

SGUF.

223


nung zuerst dem Landesmuseum gezeigt und offeriert werden solle. Sie soll auch photographiert werden und von mir unter Nennung des Finders etc. publiziert werden. Nachher wird das Original oder eine Photographie auch Nüesch gezeigt. Ich zeigte heute die Zeichnung auch dem Minister Ilg und Prof. Keller, ebenso Herrn Nationalrat Bally, die meine Sammlung besichtigten». «Samstag, 22. Oktober 1910. Gestern habe ich der Direktion des Landesmuseums die mir von Habicht in Schaffhausen gebrachte Zeichnung des Wildeselchens übergeben. Gugolz wird sie sofort photographieren und ich soll dem Besitzer Fr. 100.- anbieten, wenn er das Stück dem Museum abgeben will. Endlich zeigte ich die Zeichnung des kleinen Wildesels vom Schweizersbild (bei der Zusammenkunft der Schweizerischen Gesellschaft für Urgeschichte in Basel, 31. Oktober 1910). Schon nachmittags hatte ich sie den Sarasin, Bächler etc. gezeigt. Unter der Lupe wurde die Zeichnung betrachtet. Bächler hält alles für echt, Fritz Sarasin stimmt mit mir überein, dass eine Anzahl von Strichen neu gemacht oder nachgefahren sind». «Sonntag, 20. November 1910. Bei der gestrigen Besprechung mit Prof. Heim erzählte er mir, Nüesch sei durch Dr. Habicht mit dem Funde der Zeichnung des Wildesels bekanntgemacht worden und sei wütend. Er habe gesagt, er habe von anderen Schülern auch die Funde immer erhalten und ihnen jeweilen einen Renzahn gegeben. Das hätte er ja hier auch getan. Nun aber werde wieder gesagt, er habe schlecht ausgegraben und er könne nicht das Neueste vom Schweizersbild bringen, wozu er doch ein Anrecht habe». «Dienstag, 6. Dezember 1910. Letzten Mittwoch teilte mir Prof. Heim mit, dass sein Freund Beck derart leidend sei wegen unserer Erlaubnis, den Wildeselfund vom Schweizersbild zu publizieren, dass uns nichts anderes übrig blieb, als die Erlaubnis zurückzugeben und die Publikation zu verschieben. Ich war einverstanden, natürlich nur in dem Sinne, dass nicht etwa Nüesch oder einer seiner Helfershelfer die Sache publiziere. Nun hat Beck an Heim, der ihm diesen Beschluss mitgeteilt, einen Dankesbrief geschrieben. Es habe schon etwas gebessert». Dokument 47: Heierlis Wildesel aus dem Abraum vom Schweizersbild. Eine Richtigstellung von Dr. Jakob Nüesch in Schaffhausen272. «An der Versammlung der Schweiz. Gesellschaft für Urgeschichte in Basel hielt Dr. Heierli aus Zürich einen Vortrag über die neuen Funde im Abraum der prähistori224

sehen Niederlassung am Schweizersbild und berichtet darüber im III. Jahresbericht dieser Gesellschaft, dass von suchenden Knaben im Abraum der früheren Ausgrabungen des Schweizersbildes Knochen und Feuersteinobjekte gesammelt worden seien. Er sagt auf Seite 6 jenes Berichtes: ,,Unter den neuen Funden fand sich auch ein Stück aus Knochen bestehend, das die deutliche Zeichnung eines Wildesels aufweist und dem Sprechenden zur Publikation übergeben worden ist. Diese neue Zeichnung ist bereits einer vorläufigen Prüfung unterworfen worden und scheint im allgemeinen Anspruch auf Echtheit machen zu dürfen. Einige Linien mögen den Instrumenten der Suchenden ihren Ursprung verdanken". Auf Seite 32 des gleichen Berichtes wird in der Beschreibung des neuen Fundes fortgefahren: ,,Das wichtigste Stück der neuen Funde ist aber ein Knochenplättchen mit der Zeichnung eines Wildesels. Die Zeichnung ist bedeutend kleiner als die früher am gleichen Fundort gehobene Zeichnung eines Wildesels". Heierli erinnert noch daran, dass Zeichnungen der ganzen Figur bis jetzt nur am Schweizersbild im Jahre 1892 und nachher eine solche in Laugerie-Basse gefunden worden sei. In seinem Vortrag in Basel und in seiner Berichterstattung über die Verhand. der Gesellschaft daselbst in den Tagesblättern bezeichnete Heierli den Fund als ein Unikum. Da gegen die im Abraum einer Ausgrabung von Drittpersonen gefundenen Objekte von vorneherein stets Misstrauen zu hegen ist, erkundigte ich mich nach dem Knaben und erfuhr zunächst, dass ein Realschüler der Stadt Schaffhausen das fragliche „Knochenplättchen" mit der Zeichnung gefunden und dass ein Verwandter des Knaben die Zeichnung mit nach Zürich genommen habe, um sie dort Herrn Prof. Heim zu zeigen. Der letztere übergab den Fund Heierli zur Untersuchung und Beschreibung. Einern Gesuch meinerseits das Knochenplättchen mit der Zeichnung sehen zu dürfen, wurde damals nicht entsprochen, da vorerst die Entdeckung publiziert werden soll. Der Wunsch von der neuen Zeichnung vom Schweizersbild Einsicht nehmen zu können, entsprang dem Umstande, dass in den letzten Jahren eine Reihe von Zeichnungen auf alten Knochen mir vorgewiesen wurde, welche angeblich am Schweizersbild gefunden worden seien, und zwar immer von Knaben, denen man in der Schule von den schönen Zeichnungen und künstlerischen Leistungen ihrer Vorfahren, den Höhlenbewohnern vom Kesslerloch, Schweizersbild und Freudenthal erzählt und entsprechende Abbildungen vorgewiesen hatte. Stets mussten diese dem angeborenen Tätigkeitstrieb und dem jugendlichen Übermut entsprungenen Zeichnungen als Fälschungen bezeichnet werden. Die neue Zeichnung des Wildesels kam mir erst im Frühjahr zur genauen Untersuchung in die Hände.


Zunächst ist festzustellen, dass die Zeichnung des Miniatur Wildesels von nur 1 cm Höhe und 3 cm Länge sich nicht auf einem Knochenplättchen, sondern auf der innern Wand eines Röhrenknochenstückleins von der Grösse eines Fingernagels befindet. Richtig dagegen ist, dass das Knochenstück alt ist und aus dem Abraum des Schweizerbilds stammt; es ist ein kleines Bruchstück der Diaphyse eines Röhrenknochens, höchstwahrscheinlich vom Alpenhasen. Der Wildesel auf diesem Bruchstück gleicht ganz in der Stellung und Haltung dem bei den Ausgrabungen des Schweizersbilds vor 20 Jahren gefundenen Wildesels auf der Kalksteinplatte. Der Zeichner des kleinen Wildesels muss offenbar den letzteren selbst oder eine Abbildung davon gesehen und denselben dann verkleinert aus dem Gedächtnis wiedergegeben haben. Dann fällt dem Kenner sofort die verschiedene Färbung der Strichlinien, welche die Zeichnung bilden, gegenüber derjenigen der Patina auf; die unverletzte Patina ist bräunlichgelb, die Ritzlinien der Zeichnung dagegen sind schmutzig weiss infolge der dunklen Erde, welche am Knochen haftete und nachher abgewaschen wurde. Die Patina setzt sich also nicht in und durch cti"e sämtlichen Linien der Zeichnung hindurch fort, sie ist unterbrochen, ein sicherer Beweis, dass die Ritzlinien nicht gleichalterig mit der Patina selber sind. Überdies erkennt man noch mit dem Vergrösserungsglas, dass die knöchernen Zellwände gebrochen sind und die Bruchstücke nach innen ragen. Schon diese Tatsachen genügen, um mit Sicherheit die neue Zeichnung des Wildesels aus dem Abraum vom Schweizersbild als eine Fälschung bezeichnen zu müssen. Dazu kommt aber noch, dass Nachforschungen ergeben haben, dass ebenfalls ein Schulknabe schon vor einiger Zeit die fragliche Zeichnung auf das Knochenstück eingeritzt und sein Kunstwerk in den Abraum hineingesteckt hat, in welchem es gefunden worden ist. Der junge moderne Künstler wollte absolut keinen Gewinn aus seiner Kunst ziehen, er wollte sich nur überzeugen, ob wirklich auf Knochen gezeichnet werden könne, wie man ihm in der Schule mitgeteilt hatte. Er kann dafür auch nicht bestraft werden. Der vorliegende Fall erinnert an einen ähnlichen Vorfall, der einem Jenenser Prof. zugestossen sein soll, den seine Studenten so lange zum Besten gehalten, bis er zuletzt bei seinen Ausgrabungen nach römischen Altertümern eine Tabakspfeife gefunden habe mit der Inschrift: Julius Cäsar s/1 Klopfleist und es sei zum Schlusse noch erwähnt, dass die Angriffe auf die Ausgrabungen am Schweizersbild und die Verdächtigung derselben in den von Heierli verfassten Jahresberichten der Schweiz. Gesellschaft für Urgeschichte auf ebenso schwachen Füssen stehen, wie der von ihm beschriebene Wildesel aus dem Abraum des Schweizersbild».

Dokument 48: Berichte zum Fund eines Wildesels in den Jahrbüchern der Schweizerischen Gesellschaft für Urgeschichte. 3. JbSGU 1910, 6: «Dr. J. Heierli zeigte die neuesten Funde vom Schweizersbild. Es waren daselbst von suchenden Schulknaben im Abraum der frühem Ausgrabungen Knochen und Feuersteinobjekte gesammelt worden. Darunter fand sich aber ein Stück, aus Knochen bestehend, das die deutliche Zeichnung eines Wildesels aufweist und dem Sprechenden zur Publikation übergeben worden war. Diese neue Zeichnung ist bereits einer vorläufigen Prüfung unterworfen worden und scheint im Allgemeinen Anspruch auf Echtheit machen zu dürfen. Einige Linien mögen den Instrumenten der Suchenden ihren Ursprung verdanken».

3. JbSGU 1910, 32-33: «Wie oben berichtet wurde im Abraum des Schweizersbildes von Schulknaben eine Anzahl Feuerstein-Artefakte und Knochenstücke gefunden. Unter den letzteren lag ein ganz erhaltener Unterkiefer von Lagomys pusillus. Das wichtigste Fundstück aber ist ein Knochenplättchen mit der Zeichnung eines Wildesels. Die Zeichnung hat nur etwa 1 cm Höhe, ist also bedeutend kleiner als die früher am gleichen Fundort gehobene Zeichnung eines Wildesels. Da die Untersuchung des Stückes noch nicht abgeschlossen ist, mag hier daran erinnert werden, dass Zeichnungen des Wildesels im allgemeinen selten sind. Eine (zwei?) Zeichnung der ganzen Figur dieses Tieres wurde bis jetzt ausser im Schweizersbild nur in Laugerie basse und die Zeichnung eines Wildeselkopfes in Gourdan entdeckt». 5. JbSGU 1912, 78: «Heierli hat an der Hauptversammlung des Jahres 1910 in Basel ein Knochenstück vorgewiesen, auf dem die Zeichnung eines Wildesels eingraviert war. Im III. Jahresbericht, pag. 6, 32 und 33 ist das Nähere darüber zu lesen. Heierli hob damals hervor, dass die betreffende Untersuchung noch nicht abgeschlossen sei; er drückte sich auch über die Echtheit des Stückes sehr vorsichtig aus: ,,Diese neue Zeichnung ist bereits einer vorläufigen Prüfung unterworfen worden und scheint im allgemeinen Anspruch auf Echtheit machen zu dürfen. Einige Linien mögen den Instrumenten der Suchenden ihren Ursprung verdanken". Im IV. Jahresbericht ist Heierli nicht mehr auf diesen Fund zu sprechen gekommen, so dass er die Sache offenbar als abgetan betrachtete. Nun erklärt Dr. Nüesch in Schaffhausen diesen „Wildesel vom Schweizersbild" für eine Fälschung. Ohne uns mit den Schlussfolgerungen von Dr. Nüesch in

"' Nachlass Nüesch. in diversen Entwürfen.

225


allen Punkten einverstanden zu erklären, registrieren wir diese Erklärung im Interesse der Unparteilichkeit, dem unsere Gesellschaft dienen muss. Auf jeden Fall kann unserem verstorbenen Sekretär nach obigen Darlegungen kein Vorwurf gemacht werden; es sind schon grössere Herren auf offenkundige Fälschungen hereingefallen. Auf jeden Fall war es geboten, die Angelegenheit auf sich beruhen zu lassen, zumal der Angegriffene sich nicht mehr verantworten konnte. Nüesch hätte hinlänglich Zeit gehabt, seine Ansicht dem Lebenden gegenüber öffentlich zu vertreten (Anm: Das Schweizersbild scheint das Verhängnis zu verfolgen, ein Tummelplatz für Polemiken zu sein)». 7. JbSGU 1914, 28-29: «Im Anschluss daran sind wir im Falle, beiliegend eine Photographie und einen Originalbericht über das „Wildeselein" zu bringen, das seinerzeit im Abraum vor dem Schweizersbild gefunden wurde und nicht geringen Staub aufgewirbelt hat, indem Heierli das Stück als echt vorlegte, während Dr. Nüesch die Echtheit entschieden bestritt. Wir wollen vorläufig noch kein endgültiges Urteil fällen, bis unser Mitglied, Dr. Schwerz, der es übernommen hat, diesen Fund zu publizieren, sich dazu geäussert hat. Indessen dürfen wir den persönlichen Eindruck nicht verschweigen, dass es sich doch tatsächlich um eine Fälschung handelt und das aus stilistischen Gründen; so kommt z.B. in der ganzen mir zugänglichen Literatur über die Magdalenienkunst kein einziges Mal der Strich vor, der den Boden andeutet; die Figur ist stets „in der Luft", denn der paläolithische Künstler hat keine Bodenlinie gesehen. Dem Finder, der den Fund im guten Glauben heimgebracht hat, ist deswegen nicht der geringste Vorwurf zu machen; der evt. Fälscher ist anderswo zu suchen. Fundbericht: Unser Geschichtslehrer in der 2. Realklasse gab uns einen so anregenden Unterricht, dass sich in uns reges Interesse für Altertümer und Funde zeigte. Als wir bei Beginn des Schuljahres 1910 die Urgeschichte unseres Landes behandelten, da bemerkte der Lehrer nebenbei, dass jetzt noch im Schweizersbild und Kesslerloch kleinere Gegenstände, wie Messerehen, Schaber, Knochen, Zähne, Kieferehen etc. gefunden werden könnten. Natürlich liessen wir uns dies nicht zweimal sagen, und so ging oft an freien Nachmittagen fast die ganze Klasse hinaus zu den Fundstätten. Ein jeder war mit einer kleinen Hacke oder einem andern Grabinstrument ausgerüstet, womit wir Löcher von kaum 50 cm machten. Von Zeit zu Zeit, wenn das Loch hinlänglich ausgebeutet war, fingen wir an einer anderen Stelle zu graben an und steckten die Fundgegenstände ein. Da ich mir meines hübschen Fundes erst zu Hause bewusst wurde, so kann ich den Ort der Grube, aus der die Zeichnung stammte, nicht ganz 226

genau angeben; meistens aber grub ich mehr oder weniger gerade vor dem Felsen, in einer Entfernung von ca. 2-3 m. Eines Tages also kam ich auch wieder mit einer Tasche voll Messerehen, ein paar Kieferehen, einigen Zähnen und vielen Knochensplittern nach Hause. Ich wusch einen jeden Gegenstand sorgfältig aus und betrachtete dabei alles genauer. Da bemerkte ich, dass in ein kleines, flaches Knochenstück Striche eingekritzelt waren. Sofort dachte ich, es könnte am Ende eine Zeichnung eines Höhlenmenschen sein, konnte mir jedoch nicht erklären, was sie vorstellen sollte, denn ich hatte den Knochen verkehrt in den Händen gehalten. Mein Vater aber, zu dem ich schnell geeilt war, um den Fund zu zeigen, hatte ihn genauer betrachtet und die Zeichnung eines Vierfüsslers (Esels oder Pferdes) erkannt. Lange Zeit war das Stück die Krone meiner Sammlung. Später aber entdeckte Herr Prof. Beck aus Zürich (der bei uns auf Besuch war) die Zeichnung und machte die Herren Prof. Heim und Heierli darauf aufmerksam. Rob. Habicht, Januar 1915».


Zusammenfassung

Abb. 82: Schweizersbild. Westlicher Felsen mit dem Abri (Aufnahme 1994).

Der Name Schweizersbild bezeichnet zwei markante Felsköpfe am nördlichen Stadtrand von Schaffhausen, heute inmitten einer Gewerbezone gelegen. Lange Zeit sind die beiden Felsen als «Immenfluh» benannt worden. Die Bezeichnung wurde aber mehr und mehr durch den Namen Schweizersbild ersetzt und schliesslich gar auf die ganze Umgebung der beiden Felsen übertragen. Zweifellos geht der Name Schweizersbild auf die in nächster Nähe sich befindende Kultstätte (Häuschen mit Heiligenbild) zurück, die von einer Person namens Schweizer errichtet wurde und uns erstmals in einem Brief von 1439 überliefert ist. Am Fusse des westlichen Felsens entdeckte Jakob Nüesch 1891 im Schutze eines Abris die berühmte paläolithische Fundstelle, die er in den Jahren 1891-93 ausgrub. Das Abri wird von einer 16 Meter über die Talsoh-

le aufsteigenden Felswand gebildet, die eine Fläche von nahezu 160 m 2 umschliesst und deren Felsdach noch heute 60 m 2 überdeckt. Der Platz war daher für Mensch und Tier gleichermassen ein günstiger Aufenthaltsort, bot er doch Schutz vor Wind und Regen, lag in unmittelbarer Nähe einer Wasserquelle und besass in seiner Umgebung zahlreiche notwendige Ressourcen (Wildreichtum, Nahrungspflanzen, Silexvorkommen). Die Felsrinnenlandschaft am Fusse des Reiats entstand durch die Schmelzwässer am Gletscherrand. Die Massenkalkriffe, wozu auch die beiden Schweizersbildfelsen gehören, erwiesen sich als widerstandsfähiger als die sie umgebenden kompakten Kalksteine. Sie witterten zu markanten Felsköpfen heraus und neigten zur Höhlenbildung. Um 15 000 v. Chr. war die Landschaft um das Schweizersbild eine Steppen-Tundra mit einer artenrei227


chen Krautvegetation. Erst in einer jüngeren Phase der Späteiszeit gesellten sich zunehmend auch Kriech-Weiden und Wacholder, etwas später auch die Zwerg-Birke dazu. Während einer ersten Phase der noch weitgehend waldlosen Steppen-Tundra (16 000-13 000 v. Chr.) diente der westliche Schweizersbild-Felsen als Raubvogelhorst. Hierher flogen vor allem die Schnee-Eulen mit ihrer Beute, um sie in den Felsspalten und Nischen oder auf den Gesimsen des Massenkalkfelsens in Ruhe zu verspeisen. Die unverdaulichen Teile spieen sie als Gewölle aus, so dass sich am Fusse der steilen Felswand im Laufe der Zeit eine beträchtliche Gewölleschicht ablagerte. Der immer wieder herabfallende Deckenbruchschutt führte dazu, dass die Gewölle rasch einsedimentiert wurden und dadurch vor Verwitterung und Zerfall geschützt blieben. Erst über dieser Schicht, die als untere Nagetierschicht bezeichnet wurde, entdeckten die Ausgräber eine eigentliche Kulturschicht mit den Hinterlassenschaften späteiszeitlicher Jäger, die einer fortgeschrittenen Phase der Magdalenien-Kultur (13 000-11 000 v. Chr.) zugeschrieben werden können. Anlässlich der bereits frühen Ausgrabung ist den Befunden leider noch viel zuwenig Beachtung geschenkt worden. So wissen wir heute über Struktur und Organisation des Jägerlagers fast nichts. Überliefert sind uns lediglich einige Feuerstellen und Werkplätze sowie die Fundorte einzelner Objekte. Immerhin lassen sie erkennen, dass Jägergruppen wahrscheinlich diesen Ort mehrfach aufgesucht haben, um im Windschatten des Felsens ihre Zelte zu errichten und saisonal hier zu wohnen. Die Hinterlassenschaften zeigen, dass unter dem Felsdach vielfältige Aktivitäten ausgeführt worden sind, unter anderem die Herstellung von Stein-, Knochen- und Geweihgeräten, hauptsächlich Primärgeräte aus Silex zur Verarbeitung von Knochen, Geweih, Gagat, Holz und Fell sowie Jagdwaffen und Nähnadeln. Verschiedene Funde zeugen von grösseren Streifzügen zur Beschaffung von besonderen Rohstoffen oder von Kontakten mit weiter entfernten Jägergruppen. Nicht zuletzt weisen Zeugnisse der Kleinkunst auf gewisse religiöse Praktiken, wie sie vielleicht anlässlich der gemeinsamen Jagd, bei gegenseitigen Besuchen oder bei bestimmten Festlichkeiten durchgeführt worden sind. Diente gar das Abri Schweizers bild zu bestimmten Zeiten als Treffpunkt für verschiedene Jägergruppen, beispielsweise um gemeinsam zur Jagd auf saisonal vorüberziehende Rentierherden auszuziehen? Mit dem Ende der Magdalenienkultur sind im Schweizersbild die Zeugnisse der frühen menschlichen Besiedlung scheinbar für mehrere Jahrtausende unterbrochen. Während dieser Zeit, dem Zeitraum zwischen 11 000 und 228

6000 v. Chr., dem sogenannten Mesolithikum, lebte der Mensch aber weiterhin als Jäger und Sammler. Vielleicht von einer kurzfristigen Anwesenheit mesolithischer Jäger am Schweizers bild zeugen Hirschgeweih-Abwurfstangen, vor allem Abfälle der Geweihbearbeitung und einige Hacken. In der übrigen Zeit war das Abri aber grösstenteils vom Menschen nicht besiedelt. Die Raubvögel ergriffen daher vom Felsen erneut Besitz, um hier wiederum in Ruhe ihre Beute zu verzehren. Die Tierwelt hatte sich in der Zwischenzeit der veränderten Vegetation (starke Bewaldung) ebenfalls angepasst. Vor allem wärmeliebende Waldtiere beherrschten jetzt die Landschaft, und die Hauptnahrung der Raubvögel waren daher nicht mehr Lemminge, sondern vor allem Wühlmäuse. Im Verlauf des späteren 5. Jahrtausends v. Chr. haben dann auch jungsteinzeitliche Bauern die Felsen beim Schweizersbild aufgesucht. Zu ihren Hinterlassenschaften zählen geschliffene Steingeräte und Keramikscherben. In der 1. Hälfte des 4. Jahrtausends v. Chr. benutzte eine Gruppe der frühen Pfyner Kultur den geschützten Ort am Fusse des Felsens als Bestattungsplatz. Im Verlaufe von etwa 200 Jahren sind 22 Gräber angelegt und mindestens 30 Individuen bestattet worden. Zu den Bestatteten gehörten zur Hauptsache Kinder, vor allem Neugeborene und Kleinkinder bis zu 6 Jahren. Die Zusammensetzung der Toten nach Alter und Geschlecht macht es eher unwahrscheinlich, dass es sich beim Gräberfeld vom Schweizersbild um einen Bestattungsplatz eines ganzen Dorfes gehandelt hat. Vielmehr hat es den Anschein, dass nur ausgewählte Personen hier zur letzten Ruhe gebettet worden sind, wozu offenbar vor allem auch Kinder gehört haben. Der markante Schweizersbildfelsen wurde damit zu einem sakralen Ort, wie er vielleicht bereits auch für den paläolithischen Jäger dahingehend eine gewisse Bedeutung besessen hatte. Damit im Zusammenhang stehen möglicherweise auch spätere Belegungen, sind uns doch von diesem Ort auch bronzezeitliche und spätlatenezeitliche Funde überliefert, leider ohne genauen Befund. Zweifellos waren die Schweizersbildfelsen für den Menschen der Frühzeit besonders eindrücklich, und gleichermassen war der Mensch zu allen Zeiten der Faszination der Felsform erlegen. Gleichzeitig wusste man auch die Annehmlichkeiten des schützenden Felsdaches zu schätzen und zu nutzen. Heute kümmern wir uns kaum mehr um die markanten Felsen, fahren achtlos daran vorbei, meist ohne sie überhaupt zu bemerken. Wer sich aber Zeit nimmt, die Stille des Ortes und die Form der Felsen zu erfahren, wird bemerken, dass die Schweizersbildfelsen nach wie vor etwas von einem «sakralen Ort» ausstrahlen.


Anhang 1. Literaturverzeichnis

Guyan, W.U. (1957) Jakob Nüesch. Schaffhauser Biographien des 18. und 19. Jahrhunderts, 2. Teil. SBeitr. G 34, 217-220.

Adam, K.D. u. Kurz, R. (1980) Eiszeitkunst im süddeutschen Raum. Stuttgart.

Guyan, W.U. (1971) Erforschte Vergangenheit, Band 1, 36-42.

Ammann, B. (1993) Flora und Vegetation im Paläolithikum und Mesolithikum der Schweiz, in: SPM I, 66-84.

Harder, H.W. (1868) Wegweiser durch das alte Schaffhausen, Manuskript (Museum zu Allerheiligen Schaffhausen, Inv. 33892).

Bächtold, C.A. (1902) Die Herkunft des Namens «Schweizersbild», in: Nüesch 1902, 363-369. Bandi, H.G. (1947) Die Schweiz zur Rentierzeit. Frauenfeld, 33-34, 191-196 (mit Literaturangaben zur Station Schweizersbild). Bandi, H.G. (1977) Die Kleinkunst aus dem Kesslerloch, in: Die Kultur der Eiszeitjäger aus dem Kesslerloch. Ausstellungskatalog Rosgartenmuseum Konstanz.

Häusler, R. (1914) Die ältesten Spuren von Menschen am Schweizersbild. Mannus, Band 6, 181-183. Häusler, R. (1914) Die Ausgrabungen beim Schweizersbild. Mannus, Band 6, 245-260. Heierli, J. (1901) Urgeschichte der Schweiz. Zürich, 55-66. Hescheler, K. u. Kuhn, E. (1949) Die Tierwelt, in: 0. Tschumi u.a., Urgeschichte der Schweiz, Band 1, 215-220.

Bandi, H.G. Hrsg. (1988) Neue Untersuchungen am Kesslerloch bei Thayngen. Sondierbohrungen im östlichen Vorplatzbereich und ihre naturwissenschaftlich-archäologische Auswertung. Antiqua 17.

Höneisen, M. (1983) Vergleichende Betrachtungen zu den magdalenienzeitlichen Geschossspitzen der Schaffhauser Stationen. Ungedr. Seminararbeit, Universität Zürich.

Blanckenhagen, S. v. (1977) Die Kultur der Eiszeitjäger aus dem Kesslerloch. Ausstellungskatalog Rosgartenmuseum Konstanz.

Höneisen, M. (1984) Geweihgeräte und Geweihbearbeitung. Das Fundmaterial aus dem Kesslerloch. Ungedr. Lizentiatsarbeit, Universität Zürich.

Bosinski, G. u. Fischer, G. (1974) Die Menschendarstellungen von Gönnersdorf der Ausgrabung 1968. Der MagdalenienFundplatz Gönnersdorf 1.

Höneisen, M. (1985) Neu ergänzte Lochstäbe aus dem Kesslerloch bei Thayngen. AK 15, 411-416.

Bosinski, G. (1978) Eine zusammengesetzte MagdalenienGeschossspitze aus der Höhle im Freudental, Kanton. Schaffhausen. AK 8, 88-89. Bosinski, G. (1980) Nachbildungen von Seeigel und Seeigelstacheln im Magdalenien. AK 10, 11-16. Bosinski, G. (1982) Die Kunst der Eiszeit in Deutschland und in der Schweiz. Kat. vor- u. frühgesch. Altert. 20. Bosinski, G. (1990) Homo sapiens. L'histoire des chasseurs du Paleolithique superieur en Europe. Boule, M. (1893) La station quaternaire du Schweizers bild pres de Schaffhouse (Suisse) et les fouilles du Dr. Nüesch. Extrait des Nouvelles Archives des Missions scientifiques et litteraires, Paris, 4-25. Chaix, L. (1993), Die Tierwelt der Alt- und Mittelsteinzeit, in: SPM I, 85-103 (mit ausführlicher Literatur 291ff.). Delporte, H. (1979) L'image de Ja femme dans l'art prehistorique. Delporte, H. (1990) L'image des animaux dans l'art prehistorique. Glutz, R. (1956-1963) Funde vom Schweizersbild. Kommentar zur Sammlung und Grundlage für weitere Arbeiten. Solothurn (unpubliziertes Manuskript im Museum zu Allerheiligen, Schaffhausen, mit Literaturangaben zur Station Schweizersbild). Guyan, W.U. (1949/50) Beitrag zur Datierung einer jungsteinzeitlichen Gräbergruppe im Kanton Schaffhausen. JbSGU 40, 163-192.

Höneisen, M. (1986) Kesslerloch und Schweizersbild: Zwei Rentierjägerstationen in der Nordschweiz. AS 9, 28-33. Höneisen, M. (1991) Geldmangel: Steinzeitkunst in alle Welt verkauft. Arbeiter-Zeitung Nr. 238, vom 13. Oktober, Schaffhausen. Höneisen, M. (1993) Technologie und Verarbeitung von Geweih, Knochen und Elfenbein, in: SPM 1, 173-181. Höneisen, M. (1993a) Die Kunst des Jungpaläolithikums der Schweiz, in: SPM 1, 187-199. Hünermann, K.A. ( 1987) Faunenentwicklung im Quartär. Mitt. Natf. Ges. Luzern 29, 1-72. Karsten, H. (1874) Studie der Urgeschichte des Menschen in einer Höhle des Schaffhauser Jura. MAGZ XVIII, Heft 6, 139-162. Keilhack, K. (1887) Die vorgeschichtliche Niederlassung am Schweizersbild bei Schaffhausen. Himmel und Erde 9, Heft 11, 497-516. Kollmann, J. (1896) Der Mensch vom Schweizersbild, in: Nüesch 1896, 81-146. Leesch, D. (1993) Das späte Jungpaläolithikum. Zeitlicher Rahmen und Fundinventare, in: SPM I, 153-164. Leroi-Gourhan, A. (1972) Prehistoire de l'art occidental. Paris. Mauser, P.Fl. (1970) Die jungpaläolithische Höhlenstation Petersfels im Hegau. Badische Fundberichte, Sonderheft 13. Merk. K. (1875) Der Höhlenfund im Kesslerloch bei Thayngen. MAGZ 19, Heft 1.

229


Müller, A. (1965) Dr. Jakob Nüesch - ein grosser Schaffhauser. Arbeiter-Zeitung Nr. 13, vom 18. Januar, Schaffhausen.

SPM 1 (1993) Die Schweiz vom Paläolithikum bis zum frühen Mittelalter. Band 1: Paläolithikum und Mesolithikum. Basel.

Müller-Beck, H. u. Albrecht, G. (1987) Die Anfänge der Kunst vor 30 000 Jahren. Stuttgart.

Stamm, H. (1915) Dr. Jakob Nüesch. Erinnerungen aus seinem Leben. Sehleitheim.

Nüesch, J. (1892) Niederlassung aus der Rentierzeit beim Schweizersbild, Schaffhausen. Korrespondenzblatt der Deutschen Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte 23, Nr. 10, 109-111.

Steinmann, G. (1894) Das Alter der paläolithischen Station vom Schweizersbild bei Schaffhausen und die Gliederung des jüngeren Pleistocän. Berichte der Naturforschenden Gesellschaft zu Freiburg i.Br. 9, Heft 2, 111-121.

Nüesch, J. (1893) Katalog der Fundgegenstände aus der prähistorischen Niederlassung beim Schweizersbild. Schaffhausen.

Studer, Th. (1916) Dr. Jakob Nüesch 1845-1915. Verhandlungen der Schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft. 98. Jahresversammlung in Schuls-Tarasp-Vulpera. Unter Beilage Nekrologe und Biographien, 39-47 (mit Verzeichnis der von Jakob Nüesch verfassten Publikationen).

Nüesch, J. (1894) Die Resultate der Ausgrabungen beim Schweizersbild. Verhandlungen der Schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft. 77. Jahresversammlung vom 30.7.-1.8. 1894 in Schaffhausen, 55-56. Nüesch, J. (1896) Das Schweizersbild, eine Niederlassung aus paläolithischer und neolithischer Zeit. Neue Denkschriften der Allgemeinen Schweizerischen Gesellschaft für die gesamten Naturwissenschaften 35. Nüesch, J. (1900) Neuer Fund von Pygmäen aus der neolithischen Zeit. ASA 1, 1-3. Nüesch, J. (1902) Das Schweizersbild, eine Niederlassung aus paläolithischer und neolithischer Zeit. Neue Denkschriften der Allgemeinen Schweizerischen Gesellschaft für die gesamten Naturwissenschaften 35, zweite verbesserte und vermehrte Auflage. Nüesch, J. (1903) Der Dachsenbüel, eine Höhle aus früh-neolithischer Zeit. Neue Denkschriften der allgemeinen Gesellschaft für die ges. Naturwissenschaften, XXXIX, 1. Hälfte. Nüesch, J. (1905) Exkursion zu den prähistorischen Fundstätten bei Schaffhausen. Bericht über die 38. Versammlung des Oberrheinischen geologischen Vereins zu Konstanz am 26.5.1905. Nüesch, J. (1907) Stratigraphie du Schweizersbild et l'äge des differentes couches de cette station. Congres International d' Anthropologie et d' Archeologie Prehistorique. Compte-Rendu de la 13eme session Monaco 1906, Tome 1er, 416-421. Nüesch, J. (1912) Die Nagetierschicht am Schweizersbild. Eine Richtigstellung der Angriffe auf das Letztere. Verhandlungen der Schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft, 95. Jahresversammlung in Altdorf, 2. Teil, 241-251. Schibler, J. u. Sedlmeier, J. (1993) Die Schneehühner- und Schneehasenknochen aus dem Abri Büttenloch (Ettingen BL). Ein Beitrag zur Kenntnis der Jagdbeutenutzung im Spätmagdalenien. AK 23, 1, 15-35. Schmid, E. (1975) Neue Objekte der altsteinzeitlichen Kleinkunst. Verhandlungen der Naturforschenden Gesellschaft Basel 86,343-347. Schwab, H. ( 1985) Gagat und Bernstein auf dem Rentierjägerhalt Moosbühl bei Moosseedorf (Kanton Bern), in: Jagen und Sammeln. Festschrift für H.G. Bandi, 259-266. Schwerz, F. (1910) Versuch einer anthropologischen Monographie des Kantons Schaffhausen, speziell des Klettgaus. Zürich, 164-166. Sonneville-Bordes, D. de (1960) Le Paleolithique superieur en Perigord. Bordeaux.

230

Tschumi, 0. (1949) Die steinzeitlichen Epochen, in: Tschumi 0. u.a., Urgeschichte der Schweiz 1, 477-481 u. 648-650. Verzeichnis der gedruckten und im Manuskript vorhandenen Arbeiten von Jakob Nüesch, Schaffhausen. Zu seinem 60. Geburtstag am 11.8.1910. Archiv der Naturforschenden Gesellschaft Schaffhausen, deponiert im Museum zu Allerheiligen, Schaffhausen.


2. Abkürzungen

3. Abbildungsnachweis

Bibliographie!Dokumente: AK Archäologisches Korrespondenzblatt. AS Archäologie der Schweiz. ASA Anzeiger für schweizerische Alterthumskunde. FBBW Fundberichte aus Baden-Württemberg. FBVF Forschungen und Berichte zur Vor- und Frühgeschichte in Baden-Württemberg. JbBHM Jahresbericht des Bernischen Historischen Museums. JbSGUF Jahrbuch der Schweizerischen Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte (JbSGU bis 1960/61). MAGZ Mittheilungen der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich. Nachlass Nachlass Jakob Nüesch, Museum zu Allerheiligen, Schaffhausen. NZZ Neue Zürcher Zeitung (in älteren Dokumenten öfters auch N.Z.Z.). Protokollbuch Protokollbuch der Naturforschenden Gesellschaft Schaffhausen, Archiv der Gesellschaft, Schaffhausen. SBeitr.G Schaffhauser Beiträge zur Geschichte, Schaffhausen. SN Schaffhauser Nachrichten. SPM Die Schweiz vom Paläolithikum bis zum frühen Mittelalter. ZAK Zeitschrift für Schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte.

Abbildungen: Anthropologisches Institut der Universität Zürich: 63, 66-69. Archiv Foto Koch (Inh. R. Wessendorf, Schaffhausen): 18.3-4, 21.1, 77 (Vermittlung: Ernst Bloch). Archiv Naturforschende Gesellschaft, Schaffhausen: 21.5-6. Bundesamt für Landestopographie: 3. Foto-Agentur Sutter, Lupsingen (Jacana, Paris): 74 (Ren: Massart, Schnee-Eule: Cordier Sylvain, Schneehase: Pissavini Claude). Fritz Marietta, Pfäffikon: 21.2-4, 21.7, 31. Hofmann Franz: 10-14. Institut für Denkmalpflege Zürich: 7-9. Kantonsarchäologie Schaffhausen: 1 (Kurt Bänteli), 3, 18.1, 18.6, 22-27, 32-34, 41-42, 45-47, 52, 61 (Res Eichenberger), 64-65, 71-72, 81. Kunsthaus Zürich: 20. Museum zu Allerheiligen, Schaffhausen: 16, 18.2, 18.5, 19, 35. Nachlass Nüesch: 4, 28-30, 39-40. Schweizerisches Landesmuseum, Zürich: 36-38, 53-57. Staatsarchiv Schaffhausen: 15, 17. Stadtarchiv Schaffhausen: 6. Swissair: 2, 5. Wessendorf Rolf, Schaffhausen (im Auftrag der Kantonsarchäologie Schaffhausen): 48-51, 58-59, 62, 73, 80, 82.

Vereine, Museen, Sammlungen: AfV Amt für Vorgeschichte, Schaffhausen. AGZ Antiquarische Gesellschaft Zürich. BHM Bernisches Historisches Museum, Bern. GNM Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg. MA Museum zu Allerheiligen, Schaffhausen. MV Museum für Völkerkunde, Basel. RM Rosgartenmuseum, Konstanz. SGUF Schweizerische Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte. SLM Schweizerisches Landesmuseum, Zürich. Slg. Privatsammlung

Tafeln und Zeichnungen: Kantonsarchäologie Schaffhausen Baur Ruth: Taf. 1-11, 16-18, 25-26, 29-31. Müller Andi: Abb. 43-44, 70. Neidhart Lydia: Abb. 60. Scheffold Beat: Taf. 12-15, 19-24, 27-28; Abb. 75-76, 78-79.

Benutzung des Buches!Fundbeschreibung: Abb. Abbildung BC C-14-Alter, kalibriert, absolutes Alter v.Chr. (Before Christ) BP C-14-Alter, unkalibriert vor 1950 n.Chr. (Before Present) FK Fundkomplex Inv. Inventar Kat. Katalog KS Kulturschicht Rs Rückseite S. Seite Tab. Tabelle Taf. Tafel Vorderseite Vs

231


4. Fundnachweis

Lesemuster: Tafelnummer, Museum, Inventarnummer. Zürich, SLM: Die Funde sind in jüngster Zeit teilweise neu inventarisiert worden, da ältere Nummern nicht mehr lesbar waren. Leider laufen verschiedene Objekte auch nach der Neun umerierung unter Sammelnummern. Nürnberg, GNM: Die Funde tragen eine interne Listennummer. Tafel 1 l Zürich, SLM, 11253-11 2 Zürich, SLM, 11253-12 3 Pfäffikon, Slg. Fritz, 1 4 Zürich, SLM, 11253- 15 5 Zürich, SLM, 11253-24 6 Zürich, SLM, 11253-35 7 Zürich, SLM, L1253-5 8 Zürich, SLM, 11253-13 9 Pfäffikon, Slg. Fritz, 2 10 Zürich, SLM, 11253- ? Tafel 2 1 Zürich, SLM, 19111 2 Pfäffikon, Slg. Fritz, 3 3 Pfäffikon, Slg. Fritz, 4 4 Zürich, SLM, 19111 5 Nürnberg, GNM, 72 6 Pfäffikon, Slg. Fritz, 5 (modern durchlocht) 7 Pfäffikon, Slg. Fritz, 6 8 Zürich, SLM, 11253-? 9 Zürich, SLM, 11253-16 10 Pfäffikon , Slg. Fritz, 7 11 Zürich, SLM, 11253-25 12 Zürich, SLM, 11253- 26 Tafel 3 1 Zürich, SLM, 11253-30 2 Zürich, SLM, 11253-36 3 Zürich, SLM, 11253-32 4 Zürich, SLM. 11289-7 5 Zürich, SLM, 11280-4 6 Zürich, SLM, 11289-12 7 Zürich, SLM, 11290 8 Zürich, SLM, 11280- 53 9 Zürich, SLM, 11294 10 Zürich, SLM, 11252-4 11 Bern, BHM. 32588 Tafel 4 1 Pfäffikon, Sig. Fritz, 8 2 Pfäffikon, Slg. Fritz, 9 3 Pfäffikon, Slg. Fri tz, 10 4 Zürich, SLM, 11 269 5 Basel, MY, I 1010 6 Nürnberg, GNM, 113 232

7 Pfäffikon, Slg. Fritz, 11 8 Pfäffikon, Slg. Fritz, 12 Tafel 5 1 Pfäffikon, Slg. Fritz, 13 2 Basel, MY, I 510 3 Basel, MY, I 498 4 Basel, MY, I 996 5 Pfäffikon, Slg. Fritz, 14 6 Basel, MY, I 997 7 Pfäffikon , Slg. Fri tz, 15 8 Zürich, SLM, 11279-12 9 Zürich, SLM, 11279-19 lO Zürich, SLM, 11269-8 Tafel 6 1 Zürich, SLM, 11281-4 2 Zürich, SLM, 11281-? 3 Zürich, SLM, 11281 - 1 4 Zürich, SLM, 11281-2 5 Zürich, SLM, 11281-7 6 Zürich, SLM, 11281-? 7 Zürich, SLM, 11280-23 8 Zürich, SLM, 11281-8? 9 Zürich, SLM, 1128 1- 10 10 Zürich, SLM, 11281-6 11 Nürnberg, GNM, 84 12 Zürich, SLM, 11280-20 13 Nürnberg, GNM, 78a 14 Zürich, SLM, 11280-19 15 Zürich, SLM, 11280- 50 16 Zürich, SLM, 11280- 18 17 Zürich, SLM, 11280-27 18 Zürich, SLM, 11280-23 19 Zürich, SLM, 11281-14 20 Nürnberg GNM, 74a 21 Zürich, SLM, 11281-? 22 Zürich, SLM, 11280-? 23 Zürich, SLM, 11280-29? 24 Zürich, SLM, 11280-37 Tafel 7 1 Zürich, SLM, 11281-13 2 Zürich, SLM, 11280-39 3 Nürnberg. GNM, 87 4 Zürich, SLM, 11281- 14 5 Nürnberg, GNM, 86 6 Zürich, SLM, 11280- 17 7 Zürich, SLM, 11280-7 8 Zürich, SLM, 11280-? 9 Zürich, SLM, 11280- 11 10 Zürich, SLM, 11280-43 11 Zürich, SLM, 11280-22 12 Zürich, SLM, 11280-20 13 Zürich, SLM, 11280-17 Tafel 8 1 Basel , MY,(81-3~ :t' ~~ 2 Zürich, SLM, 11281-50 3 Zürich, SLM, 11281- 53 4 Zürich. SLM, 11281-26 5 Zürich, SLM, 11 281- 35 6 Zürich, SLM, 11281-54 7 Basel, MY, I 978

8 Zürich, SLM, 11281-22 9 Zürich, SLM, 11281-46 10 Zürich, SLM, o.Nr. 11 Zürich, SLM, 11281- 34 12 Zürich, SLM, 11281-52 13 Zürich, SLM, 11281-14 14 Basel, MY, I 430 15 Zürich, SLM, 11281-56 16Zürich.SLM, 11281-? 17 Zürich, SLM, 11281-85 18 Zürich, SLM, 11281-? 19 Zürich, SLM, 11281 - 16 20 Zürich, SLM, 11281-? 21 Zürich, SLM, 11281-18 22 Zürich, SLM, l 1281-? 23 Zürich, SLM, 11281-16 24 Zürich, SLM, 11281-? 25 Zürich, SLM, 11281-? 26 Zürich, SLM, 11281-? 27 Zürich, SLM, 11281-? 28 Zürich, SLM, 11281-?

3 Nürnberg, GNM, o.Nr. 4 Nürnberg, GNM, o.Nr. 5 Bern, BHM, 20559 6 Nürnberg, GNM, o.Nr. 7 Zürich, SLM, 11214 8 Zürich, SLM , 11301 9 Zürich, SLM, 11309 10 Zürich, SLM, 11302 11 Zürich, SLM, 1121 3.29 12 Zürich, SLM, 11299-3

Tafel 13 l Zürich, SLM, 11209-9 2 Zürich, SLM, 11199 3 Zürich, SLM, 11209-1 l 4 Zürich, SLM, 11204 5 Zürich, SLM, 11209-12 6 Zürich, SLM, lll9 1 + 11194 (Basisfragment) 7 Bern, BHM, 20538 8 Zürich, SLM, 1J 190 9 Basel, MV, I 409 Tafel 9 10 Zürich, SLM, 1l 192.29 1 Bern, BHM, 20651 11 Zürich, SLM, 11200.29 2 Bern, BHM, Slg. Bay, o.Nr. 12 Zürich, SLM, 11202.29 3 ~eA-,-SLM, 11.28~ .A'._ 7r 13 Zürich, SLM, 11195.29 4 Zürich, SLM, 112&/ ~ v 5 ~ H , BHM, 2O0.sJ~ ;i'I' f'!?lf Tafel 14 6 Zürich, SLM, 11285 1 Zürich, SLM, 11 188.29 7 Zürich, SLM, 11287 2 Zürich, SLM, 11207.15 8 Zürich, SLM, 11282-65 3 Zürich, SLM, 11205 9 Zürich, SLM, 11268-7 4 Zürich, SLM, 11195.24 10 Zürich, SLM, o.Nr. (alt 11183 + 11181-7 dazu11 Basel, MY, I 433 gehörendes Spitzenfragment) 12 Basel, MY, I 19946 5 Basel, MY, I 415 l3 Zürich, SLM, 11281 -3 6 Bern, BHM, 20560 14 Zürich, SLM, 11288-71 7 Zürich, SLM, 11206 15 Zürich, SLM, 11281- 23 8 Zürich, SLM, 11208 9 Zürich, SLM, 11189 JOSchaffhausen, MA, 49999 Tafel 10 1 Pfäffikon, Slg. Fritz, 16 2 Zürich, SLM, 11255-2 Tafel 15 l Zürich, SLM, 111 82 3 Zürich, SLM , 11264J 2 nicht auffindbar 4 Zürich, SLM, 11266 3 nicht auffindbar 5 Nürnberg, GNM, 75 · 4 Zürich, SLM, 11209.28 6 Zürich, SLM, 11265-23 (alt 11209-4) 7Zürich, SLM, 11264- 17 5 Zürich, SLM, 11209.28 "(\8 Nürnberg, GNM, 71a (alt 11209-2) ~ Bern, BHM, 20591 6 Zürich , SLM, 11209.28 I O Zürich, SLM, 11280 (alt 11209-3) 7 Zürich, SLM, lll87.26 Tafel 11 (alt 11 187-39 1 Zürich, SLM, 11258-5 8 Bern, BHM, 20548 2 Zürich, SLM, 11268-16 9 Zürich, SLM, 111 87.26 3 Zürich, SLM, 11280-10 (alt 11187-4) 4 Zürich. SLM, 11264- 13 10 Zürich, SLM, 11 187 .26 5 Zürich, SLM, 11290-29 (alt l ll 87-7) 6 Zürich, SLM, 11290 11 Zürich, SLM, 11187.26 7 Pfäffikon, Slg. Fritz, 17 (alt 11187-5) 8 Zürich, SLM, 11268- 22 12 Zürich, SLM, 11187 .26 Tafel 12 (alt 11187-6) 1 Zürich, SLM, 81004 13 Zürich, SLM, 11187-1 (alt 11216) 14 Zürich, SLM, 111 86.24 2 Nürnberg, GNM, o.Nr.

.t;

!


15 nicht auffindbar 16 nicht auffindbar 17 nicht auffindbar 18 nicht auffindbar 19 nicht auffindbar 20 nicht auffindbar 21 nicht auffindbar Tafel 16 l Zürich, SLM, 11178- 8 2 Zürich, SLM, o.Nr. 3 Zürich, SLM, 11178-13 4 Zürich, SLM, o.Nr. 5 Zürich, SLM, o.Nr. 6 Zürich, SLM, 11180- 1 Tafel 17 1 Zürich, SLM, 11180-2 2 Zürich, SLM, 11180-3 3 Zürich, SLM, 11170-4 4 Zürich, SLM, 11180-6 5 Zürich, SLM, 11180- 5 6 Bern, BHM, 20572 7 Nürnberg, GNM, o.Nr. 8 Bern, BHM, 20564 9 Bern, BHM, 20565 10 Zürich, SLM, 11 177 11 Zürich, SLM, 11177 12 Zürich, SLM, 11 177 13 Zürich, SLM, 11177 14 Zürich, SLM, 11177 15 Zürich, SLM, 11177 Tafel 18 1 Zürich, SLM, 11175 2 Bern, BHM, 20579 3 Zürich, SLM, 11176 4 Zürich, SLM, 11176 5 Zürich, SLM, 11176 6 Zürich, SLM, 11176 7 Zürich, SLM, 11 176 8 Zürich, SLM, ll 17 6 9 Zürich, SLM, 11176 lO Bern, BHM, o.Nr. (bei 20579, nicht zugehörig) 11 Zürich, SLM, 11176 12 Zürich, SLM, 11176 13 Zürich, SLM, 11176 Tafel 19 1 Zürich, SLM, 11185. J 9 Tafel 20 1 Zürich, SLM, 11242.26 Tafel 21 l Zürich, SLM, 80996 (alt 11243) Tafel 22 l Zürich, SLM. 11242 2 Zürich. SLM, 11185.19

Tafel 23 l Zürich, SLM, 80996 (alt 11243) Tafel 24 1 Zürich, SLM, 11181.19 (alt 11181-4) 2 Zürich, SLM, 1118 l.l 9 (alt 1l181-6) 3 Zürich, SLM, 11 l 81.19 (alt 11181-2) 4 Zürich, SLM, 11181.19 (alt 11181-7) 5Zürich, SLM, lll81.l9 (alt 11181 - 5) 6 Zürich, SLM, nicht auffindbar 7 Zürich, SLM, nicht auffindbar 8 Zürich, SLM, nicht auffindbar 9 Zürich, SLM, nicht auffindbar Tafel 25 1 Basel, MV, I 23501 2 Freiburg i.Br., Museum für Ur- und Frühgeschichte 3 Bern, BHM 4 Freiburg, Museum für Urund Frühgeschichte 5 Neuchatei, Service cantonal d ' archeologie 6 Neuchatei, Service cantonal d ' archeologie 7 Neuchatei, Service cantonal d'archeologie 8 Freiburg i.Br., Museum für Ur- und Frühgeschichte 9 Freiburg i.Br. , Museum für Ur- und Frühgeschichte 10 Freiburg i.Br., Museum für Ur- und Frühgeschichte Tafel 26 1 Bern, BHM, 20577 2 Zürich, SLM, 11244.25 (alt 11244-10) 3 Zürich, SLM, 11244.25 (alt 11244-11 ) 4 Ziirich, SLM, 11244.25 (alt 11244-5) 5 Zürich, SLM, 11244.25 (alt ll244-3) 6 Zürich, SLM, 11244.25 (alt 11244-4) 7 Bern, BHM, 20578 8 Zürich, SLM, 11245.25 (alt 11244-6) 9 Zürich, SLM, 11244.25 {alt 11244-7) l 0 Zürich, SLM, 11244- 8

11 Zürich, SLM, 12 Zürich, SLM, (alt 11244-15) 13 Zürich, SLM, (alt ll244-14) 14 Zürich, SLM, 15 Zürich, SLM,

11244- 9 11244.25

ll244.25

Tafel 31 1 Schaffhausen, MA, 42967 2 Schaffhausen, MA, 42968 3 Schaffhausen, MA, 42969 4 Schaffhausen, MA, 42970

80995 80995

Tafel 27 1 Zürich, SLM, 11313 2 Zürich, SLM, 11306 3 Zürich, SLM, 11312 4 Zürich, SLM, 11306 5 Zürich, SLM, 11307 6 Zürich, SLM, o.Nr. Tafel 28 I Zürich, SLM, 11310 2 Zürich, SLM, 11303 3 Zürich, SLM, 11311 Tafel 29 1 Zürich, SLM, 11217 2 Zürich, SLM. o.Nr. 3 Zürich, SLM, 11221 4 Bern, BHM, 40789 5 Zürich, SLM, 11223 6 Zürich, SLM, 11238 7 Zürich, SLM, 11229 8 Nürnberg, GNM, 294 9 Zürich, SLM, 11323 10 Schaffhausen, MA, 20996 Tafel 30 1 Zürich, SLM, 11218 2 Zürich, SLM, 11228 3 Zürich, SLM, 11226 4 Bern, BHM, 40791 5 Zürich, SLM, 11225 6 Zürich, SLM, 11224 7 Nürnberg, GNM, o.Nr. 8 Zürich, SLM, 11230 9 Zürich, SLM, l I 227 10 Bern, BHM, 40793 11 Zürich, SLM, 11231 12 Nürnberg, GNM, o:Nr: 13 Zürich, SLM, l 1232 14 Zürich, SLM, 11234 15 Zürich, SLM, 11239 16 Zürich, SLM, l 1325 17 Zürich, SLM, 11226 18 Zürich, SLM, 11240 19 Zürich, SLM, 11222 20 Zürich, SLM, 11233 21 Zürich, SLM, 11219 22 Nürnberg, GNM, o.Nr. 23 Nürnberg, GNM, o.Nr. 24 Bern, BHM, 40797 25 Bern, BHM, 40796

~~

233




Publikationen zur Archäologie im Kanton Schaffhausen Schaffhauser Archäologie: Herausgeber: Kantonsarchäologie, Museum zu Allerheiligen und Pro Juliomago, Gesellschaft für Archäologie im Kanton Schaffhausen. Bezug: Schweizerische Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte, Postfach, 4001 Basel, und Museum zu Allerheiligen, Klosterplatz 1, 8200 Schaffhausen.

Schaffhauser Archäologie 1: Markus Höneisen (Hrsg.), Frühgeschichte der Region Stein am Rhein. Archäologische Forschungen am Ausfluss des Untersees, Antiqua 26, Basel 1993.

Monographien, Führer, Diverse: Bezug: Schweizerische Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte, Postfach, 4001 Basel, und Museum zu Allerheiligen, Klosterplatz 1, 8200 Schaffhausen.

Sigrid v. Blanckenhagen (Hrsg.), Die Kultur der Eiszeitjäger aus dem Kesslerloch, Konstanz 1977, Rosgartenmuseum Konstanz. Jost Bürgi und Radana Hoppe, Schleitheim-Iuliomagus. Die römischen Thermen, Antiqua 13, Basel 1985. Thomas Mäglin, Jörg Schibler und Jürg Sedlmeier (Hrsg.), Neue Untersuchungen am Kesslerloch bei Thayngen/SH, Antiqua 17, Basel 1988. Jost Bürgi, Radana Hoppe und Hans Lieb, Iuliomagus römisch Sehleitheim. Die öffentlichen Thermen. Archäologische Führer der Schweiz 11, 2. neubearbeitete Auflage, Basel 1989. Versch. Autoren, Aufsätze zur Archäologie in der Region Schaffhausen. Archäologie der Schweiz 9, Heft 2, 1986.

Schaffhauser Beiträge zur Geschichte: Herausgeber: Historischer Verein des Kantons Schaffhausen. Bezug: Staatsarchiv, 8200 Schaffhausen.

Daniel Gutscher, Schaffhauser Feingerberei im 13. Jahrhundert. Ergebnisse der Grabungen im Areal der Häuser zum Bogen und zum Kronsberg in der Vorstadt. Band 61, 1984. Jost Bürgi, Kurt Bänteli und Markus Höneisen, Archäologische Forschung im Kt. Schaffhausen. Band 61, 1984. Albin Hasenfratz und Kurt Bänteli, Die archäologischen Untersuchungen in der Bergkirche Hallau. Band 63, 1986.

236

Kurt Bänteli, Zur Baugeschichte der Schaffhauser Stadtbefestigung. Ergebnisse baugeschichtlicher Untersuchungen 1982-1989. Band 66, 1989. Kurt Bänteli, Andreas Cueni, Hansueli Etter und Beatrice Ruckstuhl, Die Stadtkirche St. Johann in Schaffhausen. Ergebnisse der Ausgrabungen und Bauuntersuchungen 1983-1889. Band 67, 1990.

Kunstführer: Herausgeber und Bezug: Schweizerische Gesellschaft für Kunstgeschichte, Postfach, 3001 Bern.

Werner Meyer und Hans Ulrich Wipf, Der Munot in Schaffhausen. Schweizerischer Kunstführer 501/502, Bern 1992. Cornelia Stähli, Kurt Bänteli und Hans Lieb, Die Stadtkirche Sankt Johann in Schaffhausen. Schweizerischer Kunstführer 547, Bern 1994.


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.